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Full text of "Der Index der verbotenen Bücher. Ein Beitrag zur kirchen- und literaturgeschichte"

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STANFORD  ll^»3)  LIBRARIES 


In  Memory  of 
AlLin  Morgan  Standisb 


f 


DER  INDEX 


DER 


VERBOTENEN  BÜCHER. 


EIN  BEITRAG 


ZUR  KIRCHEN-  UND  LITERATURGESCHICHTE 


VON 


DR  FR.  HEINRICH  REUSCH, 

PROFE8ROH  AN  DER  UNIVERSITÄT  ZU  BONN. 


ZWEITER  BAND, 

ERSTK  ABTIIEILUNCJ. 


BONN 

VERLAG  VON  MAX  COHEN  &  SOHN  (FR.  COHEN) 

1886. 


Ex  LiBRIS 


STANFORD 


LIBRARIES 


In  Memory  of 
Alhut  Morgan  SfanJish 


DER  INDEX 


DER 


VERBOTENEN  BÜCHER 


EIN  BEITRAG 


ZUR  KIRCHEN-  UND  LITERATURGESCHICHTE 


VON 


m  FR.  HEINKICn  ^EUSCH, 

PKÜFKSROK  AN  DER  UNIVERSITÄT  ZU  BONN. 


ZWEITER  BAND, 

ERSTE  ABTIIEIIiLN(4. 


BONN 

VERLAG  VON  MAX  COHEN  &  SOHN  (FR.  COHEN) 

1886. 


[ 


Vorwort. 


Der  zweite  Rand  uieiues  Werkes  erscheint  später  und  ist, 
was  damit  zusammenhängt,  umfangreieher  geworden,  als  ich 
nach  der  Vollendung  des  ersten  voraussetzte.  Die  Fülle  und 
Mannigfaltigkeit  des  Materials  niuss  dieses  entschuldigen.  Der 
Wunsch,  die  Geschichte  des  Index  bis  zur  Gegenwart  möglichst 
vollständig  und  genau  darzustellen,  —  das  letzte  noch  berück- 
sichtigte Bücherverbot  ist  vom  19.  Dec.  1884  datirt,  —  und 
die  Schwierigkeit,  das  reiche  Material  zu  beherrschen,  mag 
auch  der  grossen  Zahl  der  Nachträge  zur  Entschuldigung  ge- 
reichen. 

Die  Einrichtung  ist  in  dem  zweiten  Bande  dieselbe  wie 
im  ersten:  die  grösser  gedruckten  Partieen  geben  eine  zusammen- 
hangende Geschichte  des  Index;  in  kleinerm  Druck  folgt  die  wei- 
tere Ausführung  dieser  Skizze.  Nur  glaube  ich,  dass  in  diesem 
zweiten  Bande  auch  die  kleiner  gedruckten  Partieen  mit  Aus- 
nahme weniger  Paragraphen  für  einen  weitern  Leserkreis 
verständlich  und  interessant,  grossentheils  für  die  Geschichte 
und  Charakteristik  des  Index  mindestens  ebenso  wichtig  sind 
wie  die  grösser  gedruckte  Skizze. 

In  dem  Register,  in  welches  (mit  I  bezeichnet)  auch  einige 
Berichtigungen  und  Nachträge  zu  dem  Register  des  ersten  Bandes 
eingefügt  sind,  stehen  die  Namen  und  Schlagwörter  im  allge- 
meinen in  derselben  Ordnung  wie  in  den  neueren  Index-Aus- 
gaben (in  dem  Buch  selbst  sind  sie  gesperrt  gedruckt);  nur  habe 
ich  nicht  Die  theologischen  Studien  etc.  unter  Die,  van  Ess  nicht 
unter  Van,  Le  Bret  nicht  unter  Bret,  La  Combe  nicht  unter 
Combe,  Du  Chesne  nicht  unter  Chesne,  Saint-Amour  nicht  unter 
Amour  gestellt  u.  dgl. 


IV  Vurwort. 

Ich  fühle  mich  verpflichtet,  auch  dieses  Vorwort  mit  dem 
Ausdracke  des  herzlichen  Dankes  ilir  die  Unterstützung  zu 
schliessen,  die  mir  bei  meiner  Arbeit  von  vielen  Seiten  zu  Theil 
geworden  ist. 

Bonn  im  April  1885. 

Ueusch. 


Inhalt. 


Seite 

1.  Die  Röuiischen  Bücberverbote  im  allgemeinen      ....  1 

2.  Publication  der  Bücherverbote        17 

3.  Ausgaben  des  Eömischen  Index  von  1600  bis  1664    .     .  23 

4.  Der  Index  Alexanders  VII.  1664 29 

5.  Ausgaben  des  Römischen  Index  von  1670  bis  1758     .     .  33 

6.  Der  Index  Benedicts  XIV.  1758   .     .     . 38 

7.  Der    Index    des    spanischen    GeneraMnquisitors   Sandoval 

1612 42 

8.  Der  Lissaboner  Index   von  1624 46 

9.  Spanische  Indices  von  1632  bis  1790 49 

10.  Französischer  Index  von  1685 57 

11.  Belgische  Indices  1695—1714 59 

12.  Böhmische  Indices  1726—1767 63 

13.  Nachträge  zu  dem  Index  von  1596 66 

14.  Allgemeine  Verbote 73 

15.  Expurgationen  im  Römischen  Index 83 

16.  Ersatz  für  die  erste  Classe       87 

17.  Deutsche  protestantische  Theologen  1600—1758       .     .     .  106 

18.  Holländische  protestantische  Theologen 114 

19.  Englische  protestantische  Theologen 118 

20.  Französische  protestantische  Theologen        127 

21.  Italienische  protestantische  Schyiften 131 

22.  Schriften  über  die  Päpste,    die  Inquisition  und  dgl.   1600 
—1757 136 

23.  Schriften  über  die  morgenländische  Kirche 145 

24.  Judaica 148 

25.  Patristische  und  mittelalterliche  Schriften.  Heidnische  das- 
siker 151 

26.  Gedichte,  Facetien  und  dgl.  Schulbücher.  Zeitschriften  und 
encyclopädische  Werke 159 

27.  Protestantische  Juristen 167 

28.  Philosophische ,    naturwissenschaftliche    und    medicinische 
Schriften 174 

29.  Magische,  astrologische  und  ähnliche  Bücher        ....  181 

30.  Geschichtliche  Schriften 188 

31.  Falsche  Ablässe 205 


VI  Inhalt. 

S«itc 

32.  Oflicien  und  andere  Gebete         214 

33.  Exorcismen-Bücher 218 

34.  Schriften  über  Heilige.    Heiligenbilder 22H 

35.  Mariologie 229 

36.  Fälschungen 244 

37.  Nonnen-Offenbarungen 252 

38.  Schriften  über  Orden        260 

39.  Jesuitica         280 

40.  Die  Controverse  de  auxiliis 298 

41.  Casuisten  1600—1654 309 

42.  Der   Streit  zwischen  Paul  V.    und  der  Republik  Venedig, 

1606.  P.  Sarpi 319 

43.  Der  Streit  über  den  englischen  Treueid,  1606      ....  327 

44.  Die  Censnrirung  der  politischen  Doctrinen  der  Jesuiten  in 

Frankreich,  1610—1625 341 

45.  Gallicaner  vor  1682 354 

46.  Regalisten,   1600  —  1700 370 

47.  Streitigkeiten  zwischen  Welt-  und  Ordensgeistlichen,    1600 

—  1700 382 

48.  Inqnisitionsprocesse  unter  Urban  VIII 394 

49.  Katholische  Theologen       410 

50.  J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaud 434 

51.  Arnaulds  Buch  über  die  Communion.    M.  de  Barcos.    Das 

Rituel  d'Aleth ;     ...  446 

52.  Die  Jansenistische  Controverse,  1641 —1669 457 

53.  Pascal  und  Arnauld  über  Jesuiten-Moral 484 

54.  Streitschriften  über  Moraltheologie   1657-1730        ...  497 

55.  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654  — 1690  .     .     .     .  515 

56.  Der  Streit  über  die  Attritio  und  über  das  Peccatuni  philo- 

sophicum 531 

57.  ,, Jansenistische''  Erbauungsbücher 539 

58.  Die  gallicanische  Controverse  unter  Alexander  VII.  1663  552 

59.  Der  Streit  über  das  Regalienrecht,  1677—82 560 

60.  Die  gallicanischen  Artikel  von  1682        565 

61.  Gallicanische  Kirchenhistoriker 577 

62.  Philosophische  Schriften  1660—1750 598 

63.  Der  Quietismus 610 

64.  Fenelon 628 

65.  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden   1690—1712    ....  643 

66.  Controversen ,    welche  mit   der  Jansenistischen  zusammen- 
hangen        667 

67.  Der  Cas  de  conscience  von  1702       692 

68.  Die  Utrechter  Kirche       712 

69.  Die  Bulle  Unigenitus        724 

70.  Schriften  von  Gegnern  der  Bulle  Unigenitus        .     .     .     .  761 

71.  Der    Streit  über   die  chinesischen   und   malabarischen  Ge- 
bräuche       771 

72.  Kirchlich-politische  Streitigkeiten  1700—1750     ....  777 
78.  Gallicaner  1729—63 788 


Inhalt,  VII 

Seite 

74.  Italienische  Streitschriften 794 

75.  Die  Freimaurer 801 

76.  Jesuitica  1740-60 804 

77.  Der  Streit  über  den  Probabilismus,  1743 — 57      .          .     .  816 

78.  Die  Bibliotheque  Janseniste   und  der  spanische  Index  von 

1747 827 

79.  L.  A.  Muratori 839 

80.  Die  Controverse  über  das  Zinsennehmen 847 

81.  Das  Lesen  der  Bibel  in  der  Volk  spräche 851 

82.  Irreligiöse  Schriften 862 

Berichtigungen  und  Nachträge       876 


üebersicht  der  besprochenen  Indices. 

T.  Der  Römische  Index. 

1.  Index  Clemens'  VIII.  1600—1674;  mit  Zusätzen,  Romae  1624 
—40;  Coloniae  1627.  1647.  1665;  Romae  et  Tridenti  1634; 
—  Syllabus  1618;  Edictum  1619;  Raccolta  1624;  Elenohns 
1632.  1635.  1640.  1644,  S.  23. 

2.  Index  Alexanders  VII.  1664  (1665.  1667),  S.  29. 

3.  Vermehrte  Ausgaben  des  Index  Alexanders  VII.  1670  —  1752: 
Index  Clementis  X.,  Innocentii  XI.,  regnante  Clemente  XI., 
regnante  Benedicto  XIV.,  S.  33;  —  Prag  1726,  S.  63. 

Raccolta  von  1710,  S.  37.  Nota  di  alcune  operette,  S.  38. 

4.  Index  Benedicts  XIV.  von  1758,  S.  38.  877. 

5.  Vermehrte  Aasgaben  des  Index  Benedicts  XIV.:  Romae 
1758—70;  Parmae  1783;  Pii  VI.  1786  (1787.  1806);  Pii 
VII.  1819;  Gregorii  XVI.  1835.  1841;  Pii  IX.  185.''>.  1871; 
Leonis  XIII.  1881 ;  Nachdrucke  (Paris.  Mecheln  u.  s.  w.) 
1825—1860,  S.  877. 

II.  Der  Römische  Index  mit  Zusätzen. 

1.  Krakauer  Indices  von  1603  und  1617,  S.  28. 

2.  Lissaboner  Index  von  1624,  S.  46. 

III.  Der  spanische  Index. 

1.  Sandoval  1612  (Genf  1619.  Palermo  1628),  S.  42. 

2.  Zapata  1632,  S.  49. 

3.  Sotomayor  1640  (1667),  S.  50. 

4.  Vidal  Marin  1707,  S.  53. 

5.  Perez  de  Prado  1747,  S.  54.  827. 

6.  Rubin  de  Cevallos  1790,  S.  55.  887. 

7.  Suplemento  al  Indice  de  1790,  S.  887. 

IV.  Bischöfliche  Indices. 

1.  Catalogue  des  Erzbischofs  von  Paris  von  1685,  S.  57. 

2.  Decret  des  Erzbischofs  Precipiano  von  Mecheln  von  1695, 
S.  59.  651. 

3.  Clavis  haeresim  claudens,  Königgraetz  1729.  1749,  S.  63. 

4.  Index  bohemicorum  librorum,  Prag  1767,  S.  63. 

5.  Verzeichniss  aftermystischer  Bücher,  Augsburg  1820,  S.  901. 


Uebersicht  der  besprochenen  Indices.  IX 

6.  Notificanza,  Turin  1852,  S.  901. 

7.  Index  diocisain,  Lngon  1852,  S.  902. 

V.  Staatliche  Indices. 

1.  Oesterreichische :     Catalogus,  Wien  1754 — 1780;  Verzeich- 
nias,  Wien  1816;  Catalogue,  Bruxelles  1788,  S.  895. 

2.  Catalogns,  München  1770,  S.  898. 

3.  YerzeichnisB  der   verbotenen   (socialdemokratischen)  Dmck- 
Schriften,  Berlin  1882,  S.  899. 

VI.  Privatarbeiten. 

1.  Index  generalis  von  Thomas  James,    Oxoniae  1627,    S.  29. 

2.  Elenchus  von  Namur,  1709,  S.  59. 

3.  Index  von  J.  B.  Hannot,  S.  59. 

4.  Madrider  Index  von  1844,  S.  887. 

5.  Verzeichnisse    von   staatlich  verbotenen  Büchern    (Deutsch- 
land, Schweden,  Frankreich),  S.  898. 


Erklärung  einiger  Abkürzungen. 

Alex.  No.  1  =  No.  1  der  dem  Index  Alexanders  VII.  beigefügten  Edicte; 

S.  17. 
Const.  =a  Ck)n8titutione8  et  decreta  apostolica,  Col.  1686;  S.  18.  524. 
Hannot  =s  Index  von  J.  B.  Hannot;  S.  59. 
Kam.  =  Elenchus  .  .  .,  Namurci  1709;  S.  59. 

Acta  S.  S.  ^  Acta  Sanctae  Sedis  in  compendium  redacta,  Rom  1865  fif. 

Arn.  =  Arnaald,  Oeuvres;  S.  660. 

Avr.  Ä  Avrigny,  Memoires;  S.  590. 

Baillet,  A.,  Jugemens  des  savants,  Amst.  1725. 

Barbier-QuSrard  =  Querard,  Supercheries  litt.;   2.  Ed.  suivie  du  Diction- 

naire  des  ouvr.  anonymes  par  A.  A.  Barbier,  Paris  1869. 
Boss.  =  Bossuet,  Oeuvres,  Versailles  1815 — 19. 
Bull.  =  Bullarium    und    Bull(arii)    cont(inuatio) ,    Luxemb.     1727  fr.   (bis 

Clemens  XII.);  Bullarium  Benedicti  XIV.^  Rom  1754;    Bullarii  con- 

tinuatio,  Rom  1885  ff.  (Clemens  XIII.  bis  Pius  VIII.). 
C.  Qu.  =  Causa  Quesnelliana;  S.  656. 
Cantü,  GU  beretici  d'Italia,  1865—68. 
Civ.  1,  1,  1  es  Civiltä  cattolica,  Serie  1,  vol.  1,  p.  1. 
Coli.  Lac.  =  Acta  et  decreta  conciliorum  recentiorum.  Collect  io  Lacensis, 

1870—82. 
Cr6t.-Joly  =  Cretineau-Joly,    Hist.    de   la    Compagnie   de   Jesus,   2.  Ed., 

Par.  1846. 
Dict.  Jans.  =  Dictioimaire  des  livres  Jansenistes;  S.  831. 
Dodd  =  Church  History  of  England  by  Ch.  Dodd,  1737,  3  FoL  —  Dodd-T. 

=  New  edition  by  M.  A.  Tiemey,  1839—43,  5  vol.  8. 
Drujon,  Catalogue ;  S.  900. 
Dupin,  Biblioth^que ;  S.  586. 
Fen.  =  Fenelon,  Oeuvres,  Versailles  1820—24.     Corr(e8pondance)  de  Fe- 

n(elon),  Par.  1827—29. 
Fleur.  =  Cl.  Fleurii  Hist.  eccl.  a  quodam  anonyme  continuata  atque  a  P. 

Alexandro  lat.  reddita,  Augsb.  1767  ff.;  S.  590. 
G.  eccl.  =  Giornale  ecclesiastico  di  Roma,  1785 — 94;  S.  972. 


Erklärung  einiger  Abkürzungen.  XI 

Hurter,  Nomenciator  literarius,  1871 — 84. 

Irailh,  Querelles  litteraires,  Par.  1761. 

Mich,  a  S.  Jos.  =  Michaelis   a.  S.  Josepho  Bibliographia  critica;   S.  872. 

Michaud,  £.,  Louis  XIY.  et  Innocent  XL,  Par.  1882. 

Migne,  Dictionnaire  des  hSresies;  S.  831. 

N.  £.  =  Nouvelles  ecclesiastiques ;  S.  759. 

Pelayo,  Los  Heterodoxos  espaQoles,  1880—81. 

Perrens,  L'6glise  et  Tetat;  S.  342. 

Picot,  Memoires;  S.  590. 

Plat,  Recherches;  S.  342. 

Roskoväny,  Romanus  Pontifex,  1867  fF. 

S.-Beuve  =  Sainte-Beuve,  Port-Royal,  3.  Ed.,  1867. 

Schulte,  Gesch.  der  Quellen  und  Literatur  des  canonischen  Rechtes,  1875 — 80. 

Serry,  Historia  congregationum  de  aux.,  1709;  S-  308. 

Valery,  Correspondance  inedite  de  Mabillon  et  de  Montfaucon,  Par.  1846. 


1.  Die  Römischen  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

1.  Wie  in  früheren  Jahrhanderten,  so  wurden  auch  nach 
dem  J.  1600  in  wichtigen  oder  für  wichtig  gehaltenen  Fällen 
Bücher  durch  päpstliche  Constitutionen,  Bullen  oder  Breven, 
verdammt.  So  von  Clemens  VIII.  1602  die  Werke  des  Carolus 
Molinaeus  (I,  S.  442),  von  Urban  VIII.  1642  das  Buch  des  Jan- 
scnius  und  mehrere  darauf  bezügliche  Schriften,  von  Alexander  VII. 
1661  eine  französische  Uebersctzung  des  Missale  u.  s.  w.  — 
Einige  Formeln  sind  in  diesen  Actenstücken  stehend,  namentlich 
folgende:  Wir  verdammen  das  Buch  „aus  eigenem  Antriebe 
(motu  proprio)  und  aus  sicherer  Wissenschaft  und  nach  reiflicher 
Ueberlegung  mit  apostolischer  Autorität  (in  Bullen:  durch  diese 
Constitution,  die  fttr  immer  Geltung  haben  soll,  kraft  der  Au- 
torität der  seligen  Apostel  Petrus  und  Paulus  und  Unserer 
eigenen)  und  verbieten  das  Drucken,  Lesen  und  Behalten  des> 
selben  allen,  wessen  Standes  und  Ranges  sie  auch  sein  mögen 
und  wenn  auch  dieselben  speciell  und  individuell  erwähnt  wer- 
den müssten,  bei  Strafe  der  Excommunicatio  latae  sententiae 
(mitunter  wird  die  Excommunication  reservirt) . . .  Wir  befehlen, 
die  Exemplare  sofort  wirklich  (realiter  et  cum  eflfectu)  den  Orts- 
bischöfen oder  Inquisitoren  abzuliefern,  welche  dieselben  unver- 
züglich verbrennen  sollen  ....  Dieses  Schreiben  soll  an  den 
Thüren  der  Basilica  des  Apostelfürsten  und  der  apostolischen 
Kanzlei  und  in  acic  Campi  Florae  angeheftet  werden  und,  so 
publicirt,  alle  so  verpflichten,  als  ob  es  jedem  einzelnen  intimirt 
wäre."  —  Seit  Alexander  VII.  (1665)  wird  gewöhnlich  im  An- 
fange angegeben:  die  Verdammung  erfolge  auf  Grund  der  von 
einigen  damit  beauftragten  Theologen  abgegebenen  Gutachten 
und  der  von  den  Cardinälen  der  Inquisition  abgegebenen  Vota 

Beniob,  Index  IL  1 


^  tlÖmischc  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

(oder  nach  Anhörung   einiger  Cardinäle   und  anderer  gelehrter 
Männer). 

2.  Die  meisten  Bücherverbote  gingen  von  der  Indcx-Con- 
gregation,  manche  von  der  Inquisition  aus.  Ueber  das  Verfahren 
beider  Congregationen  handelt  ausführlich  die  Bulle  Sollicita 
Benedicts  XIV.  vom  9.  Juli  1753  (abgedruckt  in  den  seit  1758 
erschienenen  Index-Ausgaben).  Was  der  Papst  vorschreibt,  war, 
wie  er  wiederholt  hervorhebt,  im  wesentlichen  schon  vor  ihm 
Praxis. 

§  2.  Da  Wir  erfahren,  dass  über  viele  Verbote  von  Büchern, 
namentlich  von  katholischen  Verfasflern,  mitunter  öffentlich  und  un- 
gerechter Weise  geklagt  wird,  als  ob  in  unseren  Tribunalen  diese 
Sache  unüberlegt  und  oberflächlich  behandelt  würde,  so  wollen  Wir 
durch  diese  Constitution,  die  für  alle  Zeiten  gelten  soll,  bestimmte 
und  feste  Kegeln  aufstellen,  nach  denen  fortan  die  Prüfung  und 
Beurtbeilung  der  Bücher  vorzunehmen  ist,  wiewohl  behauptet  wer- 
den darf,  dass  auch  bisher  in  derselben  oder  in  gleicher  Weise  ver- 
fahren worden  ist. 

§  3.  Wenn  ein  Buch  als  der  Proscription  würdig  der  Inqui- 
sition denuncirt  wird  und  diese  dasselbe  nicht,  wie  gewöhnlich 
geschieht,  der  Index-Congregation  überweist,  sondern  selbst  darüber 
entscheiden  will,  so  soll  gemäss  dem  am  Mittwoch  1.  Juli  17r>() 
von  der  Inquisition  gelassten  und  am  folgenden  Donnerstag  von  Uns 
bestätigten  Beschlüsse  so  verfahren  werden: 

8  4.  Das  Buch  wird  einem  Q,ualificator  oder  Consultor  über- 
geben; dieser  hat  einen  schriftlichen  Bericht  abzufassen  mit  Angabe 
der  Stellen,  welche  die  Irrthümer  enthalten.  Das  Buch  wird  dann 
mit  dem  Berichte  dieses  Revisors  allen  Consultoren  zugesandt,  und 
diese  fassen  in  einer  Montags-Sitzung  ihren  Beschluss.  Dieser  wird 
mit  dem  Buche  den  Cardinälen  zugesandt,  welche  in  einer  Mitt- 
wochs-Sitzung einen  definitiven  Beschluss  fassen  (de  tota  re  defini- 
tive pronuncient).  Dann  werden  alle  Acten  von  dem  Assessor  dem 
Papste  vorgelegt  und  von  diesem  die  Sache  endgültig  entschieden 
(cuius  arbitrio  iudicium  omne  absolvetur). 

§  5.  Wenn  es  sich  um  ein  Buch  eines  katholischen  Verfassers 
handelt,  soll  es  nach  altem  Herkommen  nicht  auf  den  Bericht  Eines 
Revisors  hin  verdammt  werden.  Wenn  der  erste  Censor  meint,  das  Buch 
sei  zu  verdammen,  und  die  Consultoren  ihm  zustimmen,  so  wird 
das  Buch .  mit  der  Censur,  ohne  Nennung  des  Namens  des  ersten 
Censors,  einem  andeiii  von  der  Congregation  zu  bestimmenden  Censor 
übergeben.  Stimmt  dieser  dem  ersten  zu,  so  werden  beide  Gut- 
achten den  Cardinälen  zugesandt.  Meint  der  zweite  Censor,  das  Buch 
sei  freizugeben  (dimittendum),  so  wird  ein  dritter  Censor  bestellt, 
dem  die  beiden  Censuren  ohne  Nennung  der  Verfasser  zugestellt 
werden.  Stimmt  dieser  dem  ersten  zu,  so  geht  die  Sache  gleich 
an  die  Cardinäle,  stimmt  er  dem  zweiten  zu,  zunächst  nochmals  an 


Inquisition  und  Index-Congregation.  8 

die  ConRultoren  und  dann  mit  allen  Censuren  und  dem  Votum  der 
Consultoren  an  die  Cardinäle.  Der  Papst  kann  auch  mit  Rücksicht 
auf  die  Wichtigkeit  der  Sache  oder  die  Verdienste  des  Verfassers 
oder  andere  Umstände  in  einer  unter  seinem  Vorsitz  zu  haltenden 
DonnerstÄgs-Sitzung  üher  das  Buch  entscheiden  lassen,  wie  Wir 
oft  gethan  haben  und,  so  oft  es  Uns  angemessen  erscheint,  auch 
in  Zukunft  zu  thun  gedenken.  In  diesem  Falle  werden  dem  Papste 
und  den  Cardinälen  die  Censuren  und  die  Vota  der  Consultoren  vor- 
gelegt und  braucht  in  der  Mittwochs-Sitzung  nicht  über  die  Sache 
verhandelt  zu  werden. 

§  6.  Mitglieder  der  Index-Congregation  sind  mehrere 
Cardinäle  (einige  derselben  sind  gewöhnlich  zugleich  Mitglieder  der 
Inquisition);  einer  derselben  ist  Präfect  der  Congregation.  Bestän- 
diger Assistent  ist  der  Magister  Sacri  Palatii,  Secretär  ein  von 
dem  Papste  ernannter  Dominicaner.  Die  Congregation  hat  eine  An- 
zahl von  Consultoren  aus  dem  Stande  der  Weltgeistlichen  und  Ordens- 
geistlichen und  von  Berichterstattern  (Relatores).  Wenn  einer  der 
letzteren  einen,  zwei  oder  drei  Berichte  zur  Zufriedenheit  der  Con- 
gregation erstattet  hat,  pflegt  diese  seine  Ernennung  zum  Consultor 
bei  dem  Papste  zu  beantragen. 

§  7.  Auf  Grund  eines  früher  von  dem  Präfecten  der  Congre- 
gation, Card.  Querini,  abgegebenen  Gutachtens  und  eines  zweiten, 
welches  einige  ältere  Consultoren  abgegeben,  die  in  Unserm  Auf- 
trage unter  dem  Vorsitze  des  damaligen  Secretärs,  Joseph  Augustin 
Orsi,  darüber  berathen  haben,  bestimmen  Wir  folgendes: 

§  8.  Die  Index-Congregation  hält  nicht  so  regelmässig  Sitzungen 
wie  die  Inquisition.  Darum  soll  der  Secretär,  wie  bisher,  die  De- 
nunciationen  von  Büchern  entgegennehmen.  Er  soll  den  Denun- 
cianten  zur  genauen  Angabe  der  Gründe,  weshalb  er  das  Verbot 
des  Buches  verlangt,  auffordern,  dann  das  Buch  selbst  sorgfältig 
lesen  und  dazu  zwei  mit  Genehmigung  des  Papstes  oder  des  Prä- 
fecten auszuwählende  Consultoren  zuziehen.  Glauben  sie,  das  Buch 
sei  zu  censuriren,  so  wird  ein  sachkundiger  Relator  beauftragt,  das- 
selbe zu  prüfen  und  schriftlicli  darüber  zu  berichten.  Dieser  Bericht 
wird  zunächst  in  einer  Sitzung  von  Consultoren,  welche  früher  Parva 
genannt  wurde,  welche  Wir  aber  Praeparatoria  nennen  werden,  vor- 
gelegt. Eine  solche  Sitzung  ist  von  dem  Secretär  wenigstens  ein- 
mal im  Monate,  nach  Bedürfniss  öfter  anzuberaumen,  und  es  müssen 
darin  der  Magister  Sacri  Palatii  und  sechs  von  dem  Secretär  mit 
Genehmigung  des  Papstes  oder  des  Präfecten  mit  Rücksicht  auf  den 
zu  verhandelnden  Gegenstand  auszuwählende  Consultoren  zugegen 
sein.  Der  Secretär  hat  die  Vota  der  Consultoren  zu  protocoUiren 
und  dieselben  mit  der  Censur  des  Relators  den  Cardinälen  zuzu- 
senden. Diese  verhandeln  darüber  in  einer  General-Congregation, 
deren  Beschluss  der  Secretär  dem  Papste  mit  genauem  Bericht  zur 
Bestätigung  vorzulegen  hat. 

§  9.  Folgendes  ist  von  beiden  Congregationen  zu  beobachten: 
Wenn  es  sich  um  ein  Buch  von  einem  katholischen  Verfasser  handelt, 
der  unbescholten  (integrae  famae)  ist  und  durch  andere  Bücher  oder 


4  Römische  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

durch  das  fragliche  Buch  sich  einen  Namen  gemacht  (clari  nominis), 
und  es  nöthig  ist,  dieses  Buch  zu  verbieten,  so  soll  dasselbe,  wie 
68  längst  üblich  ist,  wenn  irgend  möglich,  nur  donec  corrigatur  oder 
donec  expurgetur  verboten  werden.  Wird  dieses  beschlossen,  so  soll 
das  Decret  nicht  gleich  publicirl,  sondern  zunächst  dem  Verfasser 
oder  einem  Vertreter  desselben  mitgetheilt  und  diesem  angegeben 
werden,  was  zu  streichen,  zu  ändern  oder  zu  verbessern  sei.  Wenn 
niemand  als  Vertreter  des  Verfassers  erscheint  oder  dieser  oder  sein 
Vertreter  die  Verbesserung  des  Buches  verweigert,  soll  das  Decret 
veröffentlicht  werden.  Wenn  aber  der  Verfasser  oder  sein  Procurator 
das  von  der  Congregation  Befohlene  thut,  d.  h.  eine  neue  verbesserte 
Ausgabe  des  Buches  veranstaltet,  so  wird  das  Decret  unterdrückt  oder, 
wenn  viele  Exemplare  der  ersten  Ausgabe  verbreitet  sind,  so  publicirt, 
dass  man  sieht,  dass  nur  die  erste  Ausgabe  verboten  sei^). 

§  10.  Man  hat  darüber  geklagt,  dass  Bücher  verboten  würden, 
ohne  dem  Verfasser  vorher  Gelegenheit  zu  bieten,  sich  zu  vertheidigen. 
Darauf  ist  geantwortet  worden:  es  sei  nicht  nöthig,  den  Verfasser 
vorzufordem,  da  es  sich  nicht  um  die  Verurtheilung  seiner  Person 
handle,  sondern  um  die  Abwendung  der  Gefahr,  welche  das  Lesen 
seines  Buches  den  Gläubigen  bringen  könne;  und  wenn  aus  der  Ver- 
dammung eines  Buches  dem  Namen  des  Verfassers  eine  Makel  (igno- 
miniae  labes)  erwachse,  so  sei  das  nicht  eine  directe,  sondern  nur 
eine  indirecte  Folge  derselben.  Aus  diesem  Grunde  glauben  Wir, 
dass  die  ohne  Anhörung  der  Verfasser  erlassenen  Bücherverbote 
nicht  zu  missbilligen  sind,  zumal  anzunehmen  ist,  dass  das,  was  etwa 
der  Verfasser  für  sich  oder  die  Lehre  des  Buches  hätte  vorbringen 
können,  von  den  Censoren  und  Richtern  nicht  ausser  Acht  gelassen 
sein  werde.  Indess  wünschen  Wir  sehr,  die  Congregation  möge, 
wie  sie  auch  bisher  in  vielen  Fällen  gethan,  wenn  es  sich  um  einen 
angesehenen  und  verdienstvollen  Schriftsteller  handelt  und  sein  Buch 
mit  Weglassung  der  bedenklichen  Stellen  (demptis  demendis)  ver- 
öffentlicht werden  kann,  den  Verfasser,  wenn  er  es  wünscht,  hören 
oder  einen  aus  den  Consultoren  bestellen,  um  sein  Buch  ex  officio 
zu  vertheidigen. 

§  11.  In  wichtigen  Fällen  werden  W^ir  selbst  der  Sitzung  der 
Index-Congregation  beiwohnen.  Dieses  ist  aber  nicht  nöthig,  wenn 
es  sich  um  das  Buch  eines  Ketzers,  worin  dem  katholischen  Dogma 
widersprechende  Irrthümer  vertheidigt  werden,  oder  um  ein  unsitt- 
liches Buch  handelt.  In  diesen  Fällen  sind  nicht  einmal  die  oben 
erwähnten  Rücksichten  zu  nehmen,  sondern  die  Bücher  sofort  nach 
der  1.,  2.  und  7.  Trienter  Regel  zu  verbieten. 

§  12.  Die  Relatoren,  Consultoren  und  Cardinälo  der  Index- 
Congregation  verpflichten  Wir  in  derselben  Weise,  wie  dies  für  die 
Inquisition  gilt,    zum  Schweigen.    Der  Secretär  darf  jedoch  die  zu 


1)  Diese  Verordnung  soll  Benedict  erlassen  haben,  weil  er  über  das 
Verbot  des  I  S.  386  besprochenen  Buches  von  Bandini  unzufrieden  war. 
Mazzuchelli  2,  223. 


Inquisition  und  Index- Gongregation.  5 

einem  Buche  genmehten  Bemerkungen  dem  Verfasser  oder  seinem 
Vertreter  auf  Verlangen  mittheilen,  ohne  aber  den  Denuncianten 
und   den  Censor  zu  nennen. 

§  13.  Die  Zahl  der  Revisoren  und  Consultoren  ist  nicht  be- 
stimmt. Ob  sie  in  Zukunft  bestimmt  werden  soll,  darüber  bleibt 
eine  Entschliessung  vorbehalten.  Jedenfalls  sollen  darunter  Welt- 
geistliche und  Ordensgeistliche,  Theologen,  Juristen  und  in  der 
heiligen  und  profanen  Wissenschaft  bewanderte  Männer  sein,  damit 
je  nach  der  Verschiedenheit  der  der  Congregation  überwiesenen 
Bücher  geeignete  Beurtheiler  gewählt  werden  können. 

§  14.  Die  Referenten  und  Consultoren  der  Index-Congregation 
sollen  folgende  Regeln  beobachten: 

§  15.  I.  Sie  sollen  bedenken,  dass  es  nicht  ihre  Aufgabe  ist, 
auf  jede  Weise  auf  das  Verbot  eines  ihnen  zur  Prüfung  überwiesenen 
Buches  hinzuwirken  und  zu  dringen,  sondern  das  Buch  sorgfältig 
und  ruhig  zu  prüfen  und  der  Congregation  so  darüber  zu  berichten, 
dass  dieselbe  ein  richtiges  Urtheil  darüber  fällen  und  je  nach  Ver- 
dienst das  Verbot,  die  Verbesserung  oder  die  Freigebung  desselben 
beschliessen  kann. 

§  16.  II.  Ein  Buch  soll  einem  Referenten  oder  Consultor  zu- 
gewiesen werden,  der  in  dem  betreffenden  Fache  bewandert  ist;  sollte 
der  Censor  bei  dem  Lesen  eines  Buches  erkennen,  dass  es  ihm 
irrthümlioh  zugewiesen,  dass  er  zur  Beurtheilung  desselben  nicht 
competent  ist,  so  soll  er  die  Congregation  oder  den  Secretär  bitten, 
es  einem  andern  zuzuweisen. 

§  17.  III.  Die  Censoren  sollen  die  in  dem  Buche  vorgetrage- 
nen Meinungen  vorurtheilsfrei  prüfen,  sich  nicht  von  den  Anschau- 
ungen einer  Nation,  einer  Schule  oder  eines  Ordens  beeinflussen 
lassen  und  sich  vor  Parteilichkeit  hüten ;  sie  sollen  ausschliesslich  die 
Dogmen  der  Kirche  und  die  gemeinsame  Lehre  der  Katholiken,  die 
in  den  Decreten  der  allgemeinen  Concilien,  den  Constitutionen  der 
Päpste  und  in  dem  Consensus  der  rechtgläubigen  Väter  und  Lehrer 
enthalten  ist,  vor  Augen  haben  und  nicht  vergessen,  dass  es  nicht 
wenige  Meinungen  gibt,  welche  einer  Schule,  einem  Orden  oder  einer 
Nation  als  ganz  gewiss  erscheinen  und  doch  ohne  irgendwelche  Be- 
einträchtigung des  Glaubens  oder  der  Religion  von  anderen  Katho- 
liken verworfen  und  bekämpft  werden,  welche  die  entgegengesetzten 
Meinungen  vertheidigen  mit  Vorwissen  und  Erlaubniss  des  heiligen 
Stuhles,  der  allen  solchen  Meinungen  ihren  Grad  der  Probabilität 
belässt. 

§  18.  IV.  Sie  sollen  bedenken,  dass  man  über  den  wahren 
Sinn  eines  Autors  nicht  richtig  urtheilen  kann,  wenn  man  nicht  sein 
Buch  vollständig  liest,  das,  was  er  an  verschiedenen  Stellen  sagt, 
mit  einander  vergleicht  und  seinen  allgemeinen  Zweck  sorgfältig 
beachtet,  und  dass  man  darüber  nicht  nach  einzelnen  aus  dem  Zu- 
sammenhange gerissenen  und  ohne  Rücksicht  auf  andere  in  demselben 
Buche  enthaltene  Sätze  betrachteten  Sätzen  urtheilen  darf,  da  es  oft 
vorkommt,  dass,  was  ein  Autor  an  einer  Stelle  seines  Buches  kurz 
und  etwas  dunkel  ausspricht,  an  einer  andern  Stelle  bestimmt,  aus- 


6  Kömiscbe  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

führlich  und  klar  entwickelt  wird,  so  dass  die  Dunkelheit  nnd  das 
anscheinend  Bedenkliche  der  erstem  Stelle  durch  die  zweite  ganz 
beseitigt  wird. 

§  19.  Y.  Wenn  einem  katholischen  Autor,  der  im  Kufe  eines 
frommen  und  gelehrten  Mannes  steht,  Ausdrücke  entschlüpft  sind, 
die  eine  gute  und  eine  schlimme  Deutung  zulassen,  so  fordert  die 
Billigkeit,  sie,  so  weit  es  möglich  ist,  im  erstem  Sinne  zu  nehmen. 

§  20.  Ferner  sind  noch  folgende  zwei  Punkte  zu  beachten: 

§  21.  Es  erscheinen  mitunter  Bücher,  in  welchen  falsche  und 
verworfene  Lehren  oder  Systeme  anderer  von  dem  Verfasser  einfach 
historisch  referirt  werden,  ohne  dass  irgend  etwas  zur  Widerlegung 
derselben  gesagt  wird.  Auf  solche  für  viele  Leser  gefährliche 
Bücher  sollen  die  Revisoren  sorgfältig  achten.  Dieselben  müssen, 
wenn  sie  irgendwie  nutzen  können,  verbessert,  sonst  auf  den  Index 
gesetzt  werden. 

§  22.  Es  ist  sehr  verkehrt,  wenn  Autoren  einander  schmähen 
und  beschimpfen,  Meinungen  anderer,  die  noch  nicht  von  der  Kirche 
verdammt  sind,  censuriren,  ihre  Gegner  und  deren  Schule  oder  Orden 
verspotten.  (Dieser  Satz  wird  §  22 — 24  weitläufig  begründet.) 

§  25.  Die  vorstehenden  Bestimmungen,  welche  durchaus  mit 
den  Decreten  Unserer  Vorgänger  und  den  Gesetzen  und  Gewohn- 
heiten Unserer  Congregationen  übereinstimmen,  verordnen  Wir  kraft 
apostolischer  Autorität  fortan  zu  beobachten. 

3.  Auch  die  anderen  Congregationen  verboten  mitunter 
Bücher,  weiche  in  ihr  Ressort  einschlugen.  So  wurden  ziemlich 
viele  Schriften  zunächst  durch  die  Gongregation  der  Ablässe, 
einige  zunächst  durch  die  Gongregation  des  Trienter  Con- 
cils  oder  durch  die  der  Riten  oder  durch  die  Propaganda  ver- 
boten. Solche  Verbote  wurden  der  Index-Congregation  raitge- 
theilt  und  von  dieser  promulgirt. 

4.  Der  Magister  Sacri  Palatii  konnte  von  Amts  wegen  nur 
für  Rom  Bücherverbote  erlassen.  Mitunter  erliess  er  aber  solche 
im  speciellen  Auftrage  des  Papstes,  und  diese  hatten  natürlich 
allgemeine  Geltung.  Einige  umfangreiche  unter  seinem  Namen 
publicirte  Edicte  aus  den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrhunderts, 
die  in  der  Sammlung  Alexanders  VII.  stehen,  sind  augenschein- 
lich nur  Promulgationen  der  von  dem  Papste  resp.  der  Index- 
Congregation  oder  Inquisition  ausgegangenen  Bücherverbote. 
Einige,  aber  nur  wenige  in  den  Index- Ausgaben  stehende  Bücher 
werden  ausdrücklich  als  von  dem  Magister  S.  Palatii  verboten 
bezeichnet. 

1.  Verdammungen  von  Büchern  durch  Bullen  oder  Breven 
werden  seit  Clemens  XI.    (1700 — 21)    viel  zahlreicher.     Er  erliess 


Bullen  und  Breyen.  7 

io  einem  Jahre,  1710,  fünf  derartige  Breven  (Audoul,  £ntretien8, 
Persin,  Ragioni).  Clemens  Xli.  unterzeichnete  einmal  drei  an  einem 
Tage,  26.  Jan.  1740  (Arret,  Courayer,  Histoire).  Seit  Benedict  XIV. 
enthalten  diese  Verdammungen  mitunter  ausführliche  Motivirungen 
(Borde,  Eybel).  Seit  Benedict  XIV.  finden  sich  auch  solche  Ver- 
dammungen in  Allocutionen  und  seit  Clemens  XIII.  in  Encycliken 
(A.  J.  P.  22,  917).  In  einem  Breve  Benedicts  XIV.  vom  5.  Sept. 
1757  (Epistola)  wird  zum  ersten  Haie,  dann  öfter  ein  Buch  nicht 
überhaupt  bei  Strafe  der  Excommunicatien,  sondern  bei  Strafe  der 
Suspension  für  Geistliche,  der  Excomm.  für  Laien  verboten. 

Alexander  VII.  bestimmte  1664:  die  von  Pius  IV.  der  Be- 
stätigung des  Trienter  Index  beigefügten  Strafandrohungen  sollten 
in  Kraft  bleiben,  von  allen  anderen  in  apostolischen  Constitutionen 
und  Decreten  enthaltenen  Strafbestimmungen  aber  nur  die  der  Bulla 
Coenae.  In  der  Vorrede  zu  dem  Index  Benedicts  XIV.  von  1758 
wird  dann  aber  darauf  hingewiesen,  dass  zwar  nach  dieser  Bestim- 
mung nur  die  von  Ketzern  verfassten  Bücher,  in  denen  sie  ex  pro- 
fesso  von  der  katholischen  Religion  handeln  und  Ketzereien  lehren, 
bei  Strafe  der  reservirten  Excommunicatien  verboten  seien,  dass 
aber  fast  allen  in  Breven  oder  Bullen  seit  1664  ausgesprochenen 
Bücherverboten  die  nämliche  Strafandrohung  beigefügt  sei.  Demge- 
mäss  wird  in  der  Bulle  Pius*  IX.  vom  12.  Oct.  1869  die  Strafe 
der  reservirten  Excommunicatio  latae  sententiae  auf  das  Lesen, 
Behalten  u.  s.  w.  solcher  verbotener  Bücher  beschränkt,  welche 
entweder  von  Ketzern  oder  Apostaten  verfasst  sind  und  die  Ketzerei 
nicht  nur  enthalten,  sondern  ex  professo  verth eidigen,  oder  welche 
durch  apostolische  Schreiben  namentlich  (unter  Angabe  des  Titels) 
verboten  sind  ^). 

2.  Die  Inquisition  hatte  sich  zunächst  mit  einem  Buche  zu 
befassen,  wenn  jemand  angeklagt  war,  eine  ketzerische  oder  sonst 
gegen  den  Glauben  verstossende  Ansicht  vorgetragen  zu  haben,  oder 
wenn  es  sich  um  die  Frage  handelte,  ob  die  in  einem  Buche  vor- 
getragenen Ansichten  ketzerisch  u.  s.  w.  seien  (so  bei  den  Werken 
von  Raymund  Lull,  I  S.  30).  Wurde  die  Anklage  als  begründet 
erkannt  oder  diese  Frage  bejaht,  so  wurden  natürlich  auch  die  be- 
treffenden Bücher  verboten.  So  wurde  1615  die  Ansicht  des  Co- 
pernicus  von   der  Inquisition  verdammt,    und  dann    von  der  Index- 


1)  Vgl.  I  S.  341.  K.-L.  1, 1127.  Fr.  Heiner,  Die  kirchlichen  Censuren, 
1884,  S.  69.  Als  die  Haeresie  ex  professo  vertheidigende  Bücher  nennt 
Heiner  beispielsweise  Hase*8  Polemik  und  Herzogs  Real-Encyclopädie  (beide 
stehen  übrigens  nicht  im  Index).  S.  73  fügt  er  bei :  „Es  gibt  ausser  den 
beiden  genannten  Classen  von  Büchern  keine  anderen,  auf  deren  Lesung, 
Aufbewahrung,  Druck  oder  Vertheidigung  heutzutage  eine  Censur  stände. 
Alle  anderen  Bücher,  auch  die  durch  die  Index-Congregation  verbotenen, 
ziehen  keine  Censur  mehr  nach  sich.  Die  Constitution  Pius'  IX.  hat  also 
in  den  Wirrwarr  der  Meinungen,  der  früher  bestand,  Licht  und  Klarheit 
gebracht.  Dass  bezüglich  der  Sünde,  welche  diejenigen  begehen,  die  ver- 
botene Bücher,  Zeitschriften  u.  s.  w.  ohne  Erlaubniss  lesen,  nichts  geändert 
ist,  braucht  nicht  erwähnt  zu  werden.*' 


8  Römische  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

Congrepcation  das  Buch  des  Copernicus  nebst  zwei  anderen  verboten 
(Alex.  No.  14).  Einige  Male  werden  die  Bticherverbote  der  Inqui- 
sition durch  den  Magister  S.  Pal.  publioirt  (No.  8  und  vielleicht 
10  und  11).  In  der  Regel  publicirte  sie  dieselben  selbst.  —  In  der 
Regel  sind  es  einzelne  Bücher  oder  Eategorieen  von  Büchern,  welche 
von  der  Inquisition  verboten  werden.  So  1601  (No.  2)  die  nicht 
approbirten  Litanieen,  1606  (No.  7)  Bücher,  die  sich  auf  den  Streit 
Pauls  V.  mit  Venedig  beziehen,  1643  (No.  50)  das  Buch  des  Jesuiten 
Rabardeau,  1647  (No.  52)  zwei  Schriften  (von  Barcos)  über  Petrus 
und  Paulus,  1650  (No.  53)  der  Catechisme  de  la  gräce,  1654  (No.  59) 
eine  lange  Reihe  von  Schriften,  die  mit  der  Jansenistischen  Sache 
zusammenhangen. 

Indess  kommen  schon  früh  Bücherverbote  vor,  die  ebenso  gut 
von  der  Index-Congregation  wie  von  der  Inquisition  hätten  ausgehen 
können,  wie  No.  61,  und  ab  die  eine  oder  andere  Congregation  sich 
mit  einem  Buche  befasste,  wird  in  vielen  Fällen  davon  abgehangen 
haben,  bei  welcher  von  beiden  die  Denunciation  angebracht  war 
und  ob  die  betreffende  Congregation  für  gut  fand,  das  Buch  selbst 
zu  beurtheilen  oder  an  die  andere  abzugeben.  —  Mitunter  wurde 
von  den  Denuncianten  oder  von  Freunden  oder  Gegnern  der  Denun- 
cirten  Werth  darauf  gelegt  und  dahin  gewirkt,  dass  die  Sache  an 
die  eine  und  nicht  an  die  andere  Congregation  kam. 

Im  allgemeinen  galt  ein  Verbot  eines  Buches  als  gewichtiger, 
wenn  es  von  der  Inquisition,  als  wenn  es  von  der  Index-Congregation 
ausging,  zumal  wenn  erstere  das  Verbot  durch  Angabe  der  Fehler 
des  Buches  motivirte,  da  man  annehmen  durfte,  dass  letztere  auch 
aus  anderen  Gründen  als  wegen  Abweichungen  vom  Glauben  Bücher 
verbieten  könne.  Donnerstags- Decrete  der  Inquisition  waren  natür- 
lich gewichtiger  als  Mittwochs-Decrete  (I  S.  174).  Jene  heissen 
mitunter  bei  französischen  Schriftstellern  „une  feria  quinta",  mitunter 
unrichtig  „Bulle". 

Die  Donnerstags-Decrete  der  Inquisition  sind  grösstentheils 
nach  folgendem  Schema  (Alex.  No.  53)  abgefasst:  Feria  V.  6. 
Oct.  1650  in  der  Geueralcongregation  der  Inquisition  in  Gegenwart 
unseres  allerh.  Herrn  P.  Innocenz'  X.  und  der  Cardinäle,  die  als 
General -Inquisitoren  für  die  ganze  Christenheit  von  dem  apost. 
Stuhle  bestellt  sind.  In  diesem  Jahre  1650  ist  ein  Büchlein  in 
französischer  Sprache  unter  dem  Titel  Catechisme  de  la  gräce 
ohne  Angabe  des  Verfassers  und  des  Druckortes  erschienen. 
Gegen  die  darin  enthaltene  Lehre  ist  ein  zweites  Büchlein,  gleich- 
falls französisch  gedruckt  worden,  unter  dem  Titel:  Catechisme  ou 
abrege  .  .  .,  Douay  1650.  Da  in  diesen  Werkchen  die  Lehre  von 
der  göttlichen  Gnade  und  dem  freien  Willen  behandelt  wird,  hat 
besagter  allerh.  Herr,  damit  nicht  die  Gläubigen  durch  das  Lesen 
derselben  der  Gefahr  und  dem  Aergerniss  ausgesetzt  würden,  durch 
dazu  besonders  beauftragte  theologische  Qualificatoren  derselben  h. 
Congregation  die  darin  enthaltene  Lehre  prüfen  lassen  und  nach 
Verlesung  der  Censur  derselben  und  Anhörung  der  Vota  der  Car- 
dinäle General -Inquisitoren    beide  Büchlein,    mögen    sie   französisch 


Inquisition.  9 

oder  in  einer  andern  Sprache  gedruckt  sein,  zu  verbieten  beschlosRen, 
wie  er  sie  denn  durch  gegenwärtiges  Deere t  durchaus  verbietet,  das 
erste,  weil  darin  .  .  .  Darum  befiehlt  Se.  Heiligkeit,  dass  niemand, 
welchen  Hanges  und  Standes  er  auch  sein  mag,  sollte  er  auch  einer 
speciellen  Erwähnung  werth  sein,  diese  Büchlein  behalte  oder  lese 
oder  zu  drucken  oder  drucken  zu  lassen  wage,  bei  den  auf  ein 
solches  Vergehen  gesetzten  Censuren  und  Strafen ;  jeder  soll  sie  viel- 
mehr gleich  nach  der  Publication  dieses  Decretes  den  Ortsbischöfen 
oder  Inquisitoren  abliefern.  Andere  Decrete  sind  kürzer  gefasst, 
z.  B.  (Const.  p.  169):  Feria  V.  23.  Mai  1680  in  der  Generalcon- 
gregation  ....  Unser  allerh.  Herr  Papst  Innocenz  XI.  verbietet 
und  verdammt  durch  gegenwärtiges  Decret  die  unten  verzeichneten 
Bücher  und  gebietet  sie  als  verdammt  und  verboten  anzusehen  bei 
den  in  dem  h.  Trienter  Concil  und  in  dem  Index  der  verbotenen 
Bücher  enthaltenen  und  anderen  nach  dem  Gutdünken  Sr.  Heiligkeit 
zu  verhängenden  Strafen. 

Beispiele  von  Mittwochs-Decreten  sind  (Alex.  No.  50):  Feria  IV. 
18.  März  1643.  In  der  Generalcongregation  der  Inquisition,  ge- 
halten im  Kloster  S.  Maria  super  Minervam  in  Gegenwart  der  Car- 
dinäle,  die  als  .  .  .  Im  1641  ist  ein  Buch  erschienen  unter  dem 
Titel:  Michaelis  Rabardaei  .  .  . ,  und  da  nach  dem  Erscheinen  des 
Werkes  dem  h.  Tribunal  der  höchsten  und  allgemeinen  Inquisition 
denuncirt  worden,  dass  darin  viele  Sätze  enthalten  seien,  welche  in 
der  Kirche  Gottes  ein  grosses  Aergemiss  hervorrufen  könnten  .  .  ., 
hat  die  h.  Congregation  der  Inquisition,  nachdem  auf  Befehl  unseres 
allerh.  Herrn  die  in  dem  besagten  Buche  enthaltenen  Sätze  reiflich 
geprüft  worden,  einstimmig  erklärt,  dass  viele  derselben  resp.  te- 
merär,  ärgernissgebend  .  .  .  uud  offenbar  ketzerisch  seien.  Damit 
also  nicht  durch  das  Lesen  eines  so  verderblichen  Buches  die  Gläu- 
bigen von  Irrthümern  und  Ketzereien  und  schlechten  Meinungen 
angesteckt  werden,  verdammen  und  verbieten  die  Cardinäle  .  .  . 
dasselbe  durch  gegenwärtiges  Decret,  indem  sie  befehlen,  dass 
niemand  u.  s.  w.;  —  ferner  (Const.  p.  165):  Feria:  IV.  14.  Oct.  1682. 
In  der  Generalcongregation  der  h.  Inquisition  ...  ist  verboten  worden 
ein  Blatt  Thesen  .  .  .  Löwen  1682,  so  dass  es  niemand  erlaubt  ist, 
dieselben  zu  lesen,  zu  behalten,  zu  lehren,  zu  drucken,  öffentlich 
oder  privatim  zu  vertheidigen,  bei  den  in  dem  Index  der  verbotenen 
Bücher  enthaltenen  Strafen;  —  endlich  (Alex.  No.  51):  Es  sind 
einige  Bücher  erschienen,  welche,  wenn  sie  nicht  ganz  oder  theil- 
weise  beseitigt  werden,  die  Christgläubigen  in  Irrthümer  führen 
könnten ;  darum  haben  die  vorbesagten  Cardinäle  beschlossen,  folgende 
Bücher  respective  (theils  unbedingt,  theils  mit  d.  c.)  zu  verbieten. 
—  Publicirt  wurden  die  Decrete  mit  der  Unterschrift  des  Notars 
der  Inquisition.  Die  Bestätigung  der  Mittwochs-Decrete  durch  den 
Papst  wird  nicht  ausdrücklich  erwähnt. 

Von  den  Bücherverboten  der  Inquisition  sind  zu  unterscheiden, 
stehen  aber  mit  denselben  im  Zusammenhange  solche  Decrete,  in 
denen  sie  dogmatische  oder  Moralsätze  (propositiones)  verdammte, 
ohne  die    Bücher,    aus    denen    sie    entnommen    waren,    namhaft   zu 


10  Römische  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

machen.  Das  erete  derartige  Decret  stammt  aus  dem  J.  1602 
(Saarez);  Decrete,  in  denen  viele  Sätze  verdammt  wurden,  haben 
wir  aus  der  Zeit  Alexanders  YII.,  Innocenz'  XI.  und  Alexanders 
VIII.  1). 

Das  erste  bei  Alex,  stehende  Decret  der  Index-Congregation 
(vom  1.  Febr.  1601),  in  welchem  alle  Cardinäle  derselben  an  der 
Spitze  genannt  werden,  bezieht  sich  auf  die  Venetianischen  Missalien 
(I  S.  438),  das  zweite  vom  J.  1606,  von  dem  Secretär  publicirt, 
auf  die  Yenetianische  Ausgabe  des  Suarez  (s.  u.).  Erst  im  Jahre 
1613  finden  wir  ein  Decret  der  Index-Congr.,  welches  ein  Verzeich- 
niss  verbotener  Bücher  enthält  (No.  12).  Es  ist  wie  alle  folgenden 
von  dem  Präfecten  unterzeichnet  (von  dem  Secretär  gegengezeichnet), 
aber  in  der  Einleitung  heisst  es:  „Wir,  Paulus  Sfondratus  .  .  . 
Cardinäle  der  Index-Congregation,  verbieten  folgende  Bücher,  die 
gemäss  den  Begeln  des  Index  jedes  in  seine  Classe  zu  setzen  sind.'* 
Von  1614  an  werden  die  Decrete  regelmässig  ohne  eine  solche 
Einleitung  von  dem  Präfecten  und  Secretär  publicirt.  Mitunter  be- 
ginnen sie  mit  einer  Einleitung,  worin  nach  einigen  umständlichen, 
aber  unwesentlichen  allgemeinen  Phrasen  alle  verpflichtet  werden, 
nachdem  sie  von  dem  Decrete  Kenntniss  erlangt,  die  betreffenden 
Bücher  an  die  Ortsbischöfe  oder  Inquisitoren  abzuliefern  (No.  15); 
in  anderen  Fällen,  —  und  das  wird  seit  1618  Regel,  —  heisst  es 
im  Eingange  nur:  die  Index-Congregation  habe  z.  B.  am  18.  Mai 
1618  diie  unten  verzeichneten  Bücher  verdammt  und  verboten  (No.  17). 
Der  Schluss  lautet  in  der  Regel :  „Zur  Beurkundung  dessen  ist  gegen- 
wärtiges Decret  von  dem  Card.  N.  (dem  Präfecten)  unterzeichnet  und 
untersiegelt  worden."  Unter  der  Unterschrift  des  Präfecten  steht 
dann  die  des  Secretärs. 

Bei  Alex,  steht  ein  Yerzeichniss  der  77  Cardinäle,  welche  von 
1577  bis  1664  Mitglieder  der  Index-Congregation  waren.  Es  sind 
darunter  nur  wenige,  die  als  Gelehrte  einen  Namen  haben,  und  in 
der  Regel  waren  nur  einige  fähig  und  geneigt,  sich  mit  den  Ge- 
schäften der  Congregation  zu  befassen.  Dasselbe  gilt  von  den  Car- 
dinälen  der  Inquisition.  Der  Jesuit  Daubenton  schreibt  1711  an 
F6n61on:  „Bei  der  Inquisition  liegen  so  viele  Sachen  vor  und  gibt 
es  so  wenige  Leute,  die  sich  ernstlich  damit  beschäftigen  oder  die 
fähig  sind,  sich  damit  zu  beschäftigen,  dass  man  Jahre  lang  zu  thuen 
hat,  um  die  Yerdammung  eines  Buches  zu  erwirken,  wenn  es  etwas 
dick  ist.  Nur  Card.  Fabroni,  der  Assessor  des  h.  Ofßciums  und 
der  P.  Damascenus  widmen  diesen  Geschäften  alle  ihre  Zeit''  (Corr. 


1)  Entscheidungen  über  die  Zalässigkeit  von  theologischen  Meinun^i^en 
gibt  die  Inquisition  noch  jetzt.  Ein  Beispiel  bei  Reusch,  Galilei,  S.  473, 
ein  neueres  Katholik  1879,  11,  524 :  Humillime  rogat  Praepositus  Gen.  S. 
J.  S.  Supr.  Congr.  S.  Off.,  ut  declarare  dignetur,  utrum  tolerari  posait 
explicatio  transsubstantiationis  in  s.  eucharistiae  sacramento,  quae  scquen- 
tibus  propositionibus  comprehenditur  ....  F.  IV.  die  7.  Julii  1875  in 
congregatione  gen.  S.  Rom.  et  Univ.  Inq.  .  .  .  iidem  Emin.  Domini  dixe- 
runt:  doctrinam  .  .  .  tolerari  non  posse. 


Index-  Coii^egation.  1 1 

de  F^n.  3,  478),  und  Amauld  (3,  622)  sagt :  die  meisten  Cardinäle 
der  Inquisition  seien  unwissend;  wenn  der  Papst  oft  aus  Rücksicht 
auf  die  weltlichen  Mächte  unfähige  Leute  zu  Cardinälen  ernennen 
müsse,  so  sollte  er  doch  wenigstens  nur  solche,  die  Theologen  seien, 
zu  Mitgliedern  der  Inquisition  machen. 

Wie  bei  der  Inquisition  der  Commissar  (I,  S.  187),  so  war  bei 
der  Index-Congr.  der  Secretär,  immer  ein  Dominicaner,  die  einfluss- 
reichste Persönlichkeit.  Unter  den  mehr  als  200  Consultoren,  aus 
der  Zeit  von  1577  bis  1664,  welche  bei  Alex,  verzeichnet  werden, 
sind  95  Ordensgeistliche,  darunter  16  Dominicaner,  12  Jesuiten, 
10  Minoriten  (bei  der  Inquisition  waren  die  Dominicaner  noch  besser 
vertreten). 

Nicht-Italiener  finden  sich  in  dem  Yerzeichniss  der  Cardinäle 
und  Consultoren  nur  in  verhältnissmässig  geringer  Zahl,  und  darunter 
sind  noch  manche,  die,  weil  sie  nicht  in  Rom  residirten,  nur  ge- 
ringen oder  gar  keinen  Einfluss  hatten. 

Lucas  Holstenius,  der  auch  bei  Alex,  unter  den  Consultoren 
verzeichnet  wird,  schreibt  1633  an  Peiresc  (Epp.  ed.  Boissonade, 
1817,  p.  252):  ,,E8  gibt  hier  einige  gelehrte  Männer,  die  viel  leisten 
könnten,  wenn  sie  ihre  Bestrebungen  hier  geschätzt  sähen.  Aber 
hier  wird  jetzt  alles  andere  eher  geachtet,  und  die  gelehrten  Studien 
werden  bei  der  Verschwörung  der  unwissenden  Censoren  gegen  die 
gute  Literatur  ihr  Haupt  nicht  erheben.  Als  vor  nicht  langer  Zeit 
in  der  Index-Congregation  über  die  Expurgation  von  Gesners  Bi- 
bliothek verhandelt  wurde,  gestand  ein  angesehener  Cardinal,  der  in 
seinen  Augen  und  in  denen  vieler  anderer  kein  gewöhnlicher  Ge- 
lehrter ist,  unwillig  über  so  viele  Schriftsteller-Namen,  in  meiner 
und  anderer  Gegenwart:  wenn  er  über  das  Bücherwesen  zu  sagen 
hätte,  würde  er  den  grössten  Theil  der  Bücher,  namentlich  so  gut 
wie  alle  humanistischen  (qui  de  literis  humanioribus  et  de  liberali 
eruditione  agunt),  verbrennen  und  nur  einige  Theologen  und  Juristen 
übrig  lassen.  Was  denkst  du  wohl,  wie  mir  dabei  zu  Muthe  war? 
Ich  habe  aber  die  Worte  mit  spartanischem  Magen  verdaut  und 
nicht  gewagt,  die  Literatur  gegen  dieses  Yorurtheil  in  Schutz  zu 
nehmen.  Aber  das  habe  ich  wenigstens  gethan,  als  ich  sah,  dass  jene 
geraden  Weges  auf  das  Verderben  guter  Bücher  losgehen :  seit  jenem 
Tage  bin  ich  in  keiner  Sitzung  der  Congregation  mehr  erschienen. 
Du  wirst  gesehen  haben,  dass  kürzlich  die  gelehrten  Werke  von 
Scaliger,  Heinsius,  Rivius,  Goclenius  verboten  worden  sind  .  .  . 
Aber  dies  will  ich  dir  ins  Ohr  gesagt  haben,  denn  hier  kann  man 
ohne  Gefahr  über  diese  Dinge  nicht  einmal  klagen."  ^)  —  Als  Mabillon 


1)  Im  J.  1686  (p.  279)  klagt  Holstenius  darüber,  dass  man  die  Ya- 
ticanische  Druckerei  zuerst,  um  Geld  daraus  zu  schlagen,  für  jährlich 
1000  Scudi  verpachtet,  und  dass  jetzt,  wo  sie  ganz  heruntergekommen, 
Card.  Borghese  sie  verkauft  habe.  Im  J.  1644,  nach  der  Wahl  Innocenz'  X., 
schreibt  er  an  G.  B.  Doni  (p.  323):  Dieses  Pontificat  wird  in  dieser  Be- 
ziehung ein  sehr  unglückliches  sein,  da  alle  Zweige  der  Literatur  und 
Gelehrsamkeit  für  gar  nichts  geachtet  werden. 


12  Römische  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

1686  in  Rom  war,  wurde  er  von  der  Index-Congr.  ersucht,  ein 
Gutachten  über  Bücher  von  Vossiuß  (s.  u.)  abzugeben,  und  er  wurde 
dann  zum  Consultor  ernannt  (S.  3,  §  6).  Germain  (Valery  1,  212) 
berichtet  darüber  28.  Jan.  1686:  „Morgen  wird  Mabillon  in  Ge- 
genwart der  Cardinäle,  sitzend  mit  bedecktem  Kopfe,  seinen  Bericht 
vortragen;  danach  wird  man  ihn  zum  Consultor  des  Index  ernennen. 
Diese  Ehrenbezeugung  würde  es  ihm  möglich  machen,  auch  gegen 
den  Willen  seiner  Oberen  in  Rom  zu  bleiben,  wenn  er  Lust  dazu 
hätte,  was  Gott  verhüten  möge."  Ein  zum  Consultor  ernannter 
Ordensmann  durfte  nämlich  nach  einer  Verordnung  Alexanders  VII.  vom 
J.  1659  nicht  von  seinen  Oberen  von  Rom  versetzt  werden  (Bene- 
dict XIII.  beschränkte  dieses  Privileg  auf  je  einen  Consultor  aus 
jedem  Orden;  Catalani,  Secr.  Ind.  p.  65).  Mabillon  blieb  nicht  in 
Rom,  und  hat,  so  viel  wir  wissen,  nie  wieder  als  Consultor  fungirt. 
—  •?.  Timothee  de  la  Fleche  (p.  105)  berichtet  vom  J.  1712:  der 
Papst  habe  längst  gewünscht,  einen  Consultor  der  Index-Congre- 
gation  zu  ernennen,  der  französisch  könne;  er  habe  den  Theatiner 
Dubuc,  Professor  an  der  Propaganda,  dazu  ausersehen ;  als  der  König 
von  Frankreich  davon  gehört,  habe  er  Dubuc,  der  ihm  als  Anti- 
Gallicaner  nicht  genehm  gewesen,  nach  Frankreich  zurückberufen 
wollen;  nach  längeren  Verhandlungen  habe  der  König  nachgegeben 
und  sei  Dubuc  ernannt  worden,  aber  bald  darauf  gestorben. 

Nach  der  Gerarchia  cattolica  vom  J.  1882  waren  damals  13 
Cardinäle  Mitglieder  der  Inquisition,  darunter  2  Nicht-Italiener, 
Ledochowski  und  Franzelin;  unter  den  25  Consultoren  waren  4 
Dominicaner,  1  Jesuit,  8  andere  Orden sigeistHche  (die  Patres  Se- 
menenko  und  Smith  werden  Ausländer  sein);  daneben  werden  nur 
3  Qualiiicatoren  verzeichnet.  Mitglieder  der  Index-Congregation 
waren  36  Cardinäle,  darunter  Ledochowski  und  Franzelin,  Pitra, 
Howard,  de  Falloux,  Hergenroether  und  Hassun  und  manche,  die 
nicht  in  Rom  residiren,  also  nur  Titular-Mitglieder  waren,  wie 
Schwarzenberg,  Simor,  Haynald,  Mihalowitz,  Bonnechose,  Guibert, 
Desprez,  Dechamps,  Moraes,  Moreno,  Benavides,  Paya  j  Rico,  Man- 
ning,  MacCloskey.  Unter  den  39  Consultoren  und  5  Relatoren  hatten 
11  bezw.  3  nicht  deutsche  Namen;  aber  auch  unter  diesen  waren  ausser 
dem  Bischof  Laurent  zu  Aachen  wohl  auch  noch  andere,  die  nicht  in 
Rom  residirten.  In  früheren  Zeiten  sind  die  Nicht-Italiener  in  beiden 
Congregationen  gewiss  verbal tnissmässig  nicht  zahlreicher  gewesen. 

Schon  um  1650  galt,  wie  Bourgeois  berichtet,  bei  der  Index-Con- 
gregation und  Inquisition  als  Regel,  dass  ein  Buch  nur  auf  Grund 
einer  Denunciation  in  Untersuchung  genommen  wurde,  und  noch 
jetzt  rühmt(!)  die  Civ.  catt.  12,  4,  289  von  ihnen:  „Unter  tausend 
Büchern  jeder  Art,  auch  solchen,  die  gegen  die  Religion  und  das 
Papstthum  geschrieben  sind,  unterwerfen  sie  nur  die  sehr  wenigen 
einer  Prüfung,  welche  von  angesehenen  Personen  (persone  alta- 
mente  autorevoli)  denuncirt  werden.**  Der  Präfect  oder  der  Secretär 
der  Congregation  braucht  nun  freilich  nicht  jede  beliebige  Denun- 
ciation anzunehmen.  Der  Bischof  Bailles  erzählt  in  seinem  Buche 
über  den  Index    (La  congr.  de  Tlndex  p.  321)   eine    sehr    gut    er- 


Inquisition  und  Index- Congregation»  18 

fundene  GeRchichte  von  einem  französischen  Abb^,  der  ein  Bach 
eines  Confraters  dennncirt,  den  aber  der  Secretär  zunächst  auffordert, 
sich  durch  ein  Empfehlungsschreiben  seines  Bischofs  oder  in  irgend 
einer  andern  Weise  zu  legitimiren,  dann,  ein  Exemplar  des  Buches 
und  ein  Yerzeichniss  der  ihm  verwerflich  scheinenden  Stellen  mit 
genauer  Angabe  der  Seitenzahl  u.  s.  w.  einzureichen,  über  dessen 
Persönlichkeit  der  Secretär  unter  der  Hand  Erkundigungen  einzieht 
u.  8.  w.  Auf  der  andern  Seite  kann  der  Präfect  oder  der  Secretär 
oder  irgend  ein  anderes  Mitglied,  wenn  das  Verbot  eines  Buches 
gewünscht  wird,  leicht  irgend  jemand  zum  Denunciren  veranlassen. 
Die  Regel  hat  wohl  überhaupt  nur  für  Bücher  von  katholischen 
Verfassern  gegolten.  Von  den  vielen  Schriften  deutscher  Protestan- 
ten, die  im  Index  stehen,  sind  sicher  nicht  manche  einzeln  denuncirt 
worden.  Von  dem  Nuncius  Ubaldini  wissen  wir,  dass  er  über  die 
in  Frankreich  erscheinenden  Bücher  nach  Rom  berichtete,  und  so 
werden  auch  die  anderen  Nuncien,  vielleicht  auch  einzelne  Bischöfe 
Denunciationen  eingesandt  haben.  Die  darauf  bezüglichen  Vor- 
schriften Clemens'  VIII.  (I  S.  540)  scheinen  aber  nur  in  sehr  be- 
schränktem Masse  zur  Ausführung  gekommen  zu  sein. 

Für  die  Römischen  Indices  des  16.  Jahrhunderts  sind,  wie 
wir  gesehen  haben  (I  S.  410  u.  s.),  die  Messcataloge  sehr  stark 
benutzt  worden.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  die  Titel 
mancher  in  den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrh.  von  der  Index- 
Congr.  verbotenen  Bücher  aus  den  Messcatalogen  abgeschrieben  sind 
(die  Inquisition  hat  allem  Anschein  nach  immer  nur  Bücher  ver- 
boten, die  ihr  vorlagen  und  die  von  ihr  geprüft  worden);  aber  so 
stark  wie  früher  sind  dieselben  nach  1600  nicht  mehr  benutzt 
worden  und  nach  den  ersten  Decennien  gar  nicht  mehr^).  Es  ist 
aber  nicht  unwahrscheinlich,  dass  man  später  mitunter  die  Acta  Eru- 
ditorum,  das  Journal  des  Savants  und  andere  Zeitschriften  benutzt 
hat  2). 


1)  In  den  Nund.  1613 — 20  werden  manche  Bücher  verzeichnet,  die 
1616 — 24  verboten  wurden  und  von  denen  man  es  zweifelhaft  6nden  kann, 
ob  die  Gelehrten  des  Index  Exemplare  derselben  in  Händen  gehabt,  so 
juristische  und  politische  Schriften  von  Agricola,  Beringer,  Bortius,  Coth- 
mann,  Hensler,  Herdesianus,  Hilliger,  Lather,  Monner,  Paurmeister,  Six- 
tinus,  Zieritz,  auch  die  unter  Achilles  und  Epimetron  stehenden,  femer 
Schriften  von  Budowcz,  Dornavius,  Petraeus,  Pontanus,  Sagittarius,  Siber, 
Sprecher.  Aber  anderseits  stehen  in  jenen  Nund.  Bücher,  die  erst  viel 
später  verb.  wurden :  Berlich,  Liebenthal,  Nebulo,  Otto,  Schonbomer, 
Trinum  roagicum  (erst  1700  verb.).  Es  ist  mir  nicht  gelungen,  klar  zu 
stellen,  in  welcher  Ausdehnung  nach  dem  J.  1600  die  Nund.  noch  benatzt 
worden  sind. 

2)  Im  April  1866  meldete  die  Allg.  Ztg ,  No.  108.  107,  voraussicht- 
lich würden  demnächst  der  3.  Band  von  Bunsens  Bibelwerk  und  Bluntschli's 
Alt- Asiatische  Gottes-  und  Weltideen  auf  den  Index  gesetzt  werden.  Sie 
fügte  bei:  die  Index-Congregation  beschäftige  sich  mit  Erzeugnissen 
protestantischer  Verfasser  nur  selten,  es  sei  denn  dass  ihre  Bedentung  eine 
Ausnahme  von  dieser  Kegel  zu  machen  ricthe.  Die  Bemerkung  ist,  wie 
wir  sehen  werden,  im  allgemeinen  nicht  richtig;  in  diesem  Falle  trifft  sie 


14  Komische  Büoherverbote  im  allgemeineD. 

Msgr.  Ciampini  f  1698  wollte  ein  Seminar  von  8 — 10  G-e- 
lehrten  ans  allen  Nationen  gründen,  welche  die  neu  erschienenen 
Bücher  aus  ihren  Ländern  lesen,  darüher  berichten  und  diejenigen, 
die  auf  den  Index  zu  setzen  seien,  angeben  sollten;  er  wollte  dem 
Seminar  seine  Bibliothek  und  ein  Kapital  vermachen,  um  jedem  der 
Gelehrten  ein  Jahreseinkommen  von  100  Scudi  zu  sichern.  Die 
Stiftung  kam  aber  nicht  zu  Stande.  Ciampini  gründete  auch  mit 
Franc.  Nazzari  1668  das  Römische  Giomale  de^  lett^rati,  welches 
aber  schon  1681    wieder  eingingt). 

Unter  Benedict  XIV.  machte  Card.  Querini  Vorschläge  über 
die  Verbesserung  des  Verfahrens  der  Index-Congregation  (8.  3), 
und  da  diese  keine  Fonds  hatte,  um  die  Gutachten  der  Consultoren 
drucken  zu  lassen,  wollte  er  ein  Capital  dazu  hergeben  (Zacc.  p.  187). 

Erst  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrh.  wurde  es  stehender 
Gebrauch,  den  Decreten  der  Index-Congr.  die  Bemerkung  beizu- 
fügen: Quibus  Sanotissimo  Domino  nostro  .  .  per  me  infrascriptum 
Secretarium  relatis  Sanctitas  Sua  decretum  probavit  et  promulgari 
praecepit.  Benedict  XIV.  schreibt  ausdrücklich  vor,  der  Secretär 
habe  dem  Papst  alle  Decrete  zur  Bestätigung  vorzulegen  (S.  3  §  8); 
aber  schon  1751  erwähnt  dieses  Catalani  (Secr.  Ind.  p.  52)  als  be- 
stehende Praxis^).  In  einigen  Decreten  des  Mag.  S.  Pal.  und  der 
Index-Congr.  (Alex.  No.  13)  wird  ausdrücklich  gesagt,  sie  seien  de 
mandato  des  Papstes  erlassen. 

Besser  als  diese  allgemeinen  und  aphoristischen  Bemerkungen 
wird  die  Darstellung  einzelner  Verhandlungen,  über  die  Bücher  von 
de  Thou,  Arnauld,  Jansenius,  F^nelon,  das  Verfahren  der  beiden 
Congregationen  anschaulich  machen. 

3.  Die  erst  1669  von  Clemens  IX.  errichtete  Congregatio  in- 
dulgentiarum  et  reliquiarum  verbot  in  einer  Reihe  von  Decreten 
1712 — 50  Schriften,  welche  Verzeichnisse  von  theilweise  apokry- 
phischen  Ablässen  enthielten  u.  dgl.  Ein  (unter  Indulgentiae  citir- 
tes)  Verbot  ähnlicher  Schriften   vom  23.  Mai  1696  scheint  noch,  wie 


nicht  zu.  Dass  man  sich  im  April  1866  gerade  mit  diesen  zwei  Büchern 
beschäftigte,  ist  allem  Anscheine  nach  dadurch  veranlasst  worden,  dass 
sie  kurz  vorher  in  No.  3  des  Theol.  Literaturblattes  reccnsirt  worden 
waren,  welches  ich  damals  auf  den  Wunsch  eines  in  Rom  weilenden  Be- 
kannten dem  Card,  de  Luca,  der  sich  für  deutsche  Literatur  interessirte, 
—  und  der  Präfect  der  Index-Congregation  war,  —  regelmässig  zusenden 
Hess.  Die  beiden  Bücher  wurden  übrigens  nicht  verboten  und  die  Index- 
Congregation  scheint  damals  beschlossen  zu  haben,  überhaupt  die  Recen- 
sionen  des  Iiit.-Bl.  nicht  als  Denunciationen  anzusehen. 

1)  Melzi  1,  452.  Von  1742—60  erschien  in  Rom  Giomale  de*  lette- 
rati  (Novelle  letterarie)  und  1786— 98  Giomale  ecciesiastico  (13  vol.  Fol.; 
dazu  1789— 94  Supplement!,  6  vol.  8;  Melzi  1,  453. 456).  Diese  Zeitschriften 
liefern,  wie  die  jetzt  noch  erscheinenden  A.  J.  P.  und  Civ.  catt.,  vielfach 
einen  Commentar  zu  den  Bücherverboten. 

2)  Grisar,  Galileistudien  S.  157.  177.  Clemens  VIII.  hat  übrigens 
nicht,  wie  Grisar  angibt,  eine  päpstliche  Approbation  der  einzelnen  Decrete 
vorgeschrieben,  s.  1  S.  534. 


Magister  Sacri  Palatii.  16 

ältere  Verbote  der  Art,  von  der  Inquisition  oder  Index-Congr.  aus- 
gegangen zu  sein.  Die  meisten  dieser  Verbote  sind  erst  durob 
Ben.  in  den  Index  gekommen  (unter  Indulgentiae,  Notizia,  Som- 
mario  u.  s.  w.). 

Die  Congregatio  rituum  wird  erwäbnt  in  einem  Decrete  der 
Inquisition  vom  J.  1601.  Decrete  der  Congregatio  Cardinalium  Con- 
cilii  Tridentini  Interpretum  wurden  1621  und  1629  von  der  Index- 
Congr.  promulgirt  (s.  §  14). 

Der  1622  von  Gregor  XV.  errichteten  Congregatio  de  Propa- 
ganda fide  steht  es  zu,  die  in  orientalischen  und  anderen  exotischen 
Sprachen  geschriebenen  Bücher  zu  prüfen  und  zu  verbieten  (Zacc. 
p.  183).' In  einem  Breve  vom  6.  April  1674  verordnete  Clemens  X., 
dass  niemand,  auch  nicht  Ordensleute  und  Jesuiten,  Schriften,  worin 
von  den  Missionen  und  diese  betreffenden  Materien  gehandelt  werde, 
ohne  eine  schriftliche  und  dem  betreffenden  Buche  beizudruckende  Er- 
laubniss  dieser  Congregation  drucken  lassen  dürfe,  bei  Strafe  der 
Excomm.  1.  sent.  und  der  Unterdrückung  des  Buches.  Diese  Verord- 
nung wurde  von  Benedict  XIV.  1745  eingeschärft  (A.  J.  R  1,1260; 
2,  2647). 

4.  Das  erste  Edict  des  Mag.  S.  P.  aus  dem  17.  Jahrb.  (vom 
7.  Aug.  1603,  bei  Alex.  No.  4,  auch  bei  Bras.  p.  600)  ist  italienisch 
abgefasst  und  hat  folgende  Einleitung:  „Weil  seit  der  Veröffent- 
lichung des  Index  im  J.  1596  von  dem  h.  Stuhle  viele  andere 
Bücher  verboten  oder  suspendirt  worden  sind  und  damit  nicht  die 
Unkenntniss  Uebertretungen  veranlasse,  darum  haben  wir,  F.  Gio. 
Maria  Guanzelli  da  Brisighella  aus  dem  Predigerorden,  Mag.  S.  P., 
ordentlicher  Richter  u.  s.  w.,  —  da  es  uns  kraft  unseres  Amtes 
obliegt,  darüber  zu  wachen,  dass  in  dieser  hehren  Stadt  Rom  kein 
verbotenes  oder  suspendirtes  Buch  gedruckt,  verkauft  oder  irgend- 
wie verbreitet  werde,  —  für  nöthig  gehalten,  allen  folgende  Bücher 
zu  notificiren.*^  Nach  dem  Verzeichnisse  folgt  dann:  „Demgemäss 
wird  allen  Römischen  Buchhändlern  und  allen  anderen,  welchen 
Standes  sie  auch  sein  mögen,  geboten,  wenn  sie  eines  dieser  Bücher 
haben,  dasselbe  sofort  [in  anderen  Edicten:  binnen  10  Tagen]  in 
nnserm  Bureau  abzuliefern,  indem  wir  sie  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  sie,  wenn  sie  dem  zuwiderhandeln,  nicht  nur  sich  schwer 
gegen  Gott  versündigen  und  den  kirchlichen  Censuren  verfallen, 
sondern  auch,  wenn  es  zu  unserer  Kenntniss  kommt,  strenge  werden 
bestraft  werden  mit  den  Strafen,  welche  in  den  heiligen  Canones, 
den  Regeln  des  Index  und  in  unseren  früheren  Edicten  angedroht 
sind.*^  Aehnlich  lauten  einige  Edicte  aus  den  folgenden  Jahren. 
Ein  Edict  dagegen,  welches  nicht  bei  Alex,  steht,  aber  bei  Serry, 
De  anx.  p.  277  abgediTickt  ist,  lautet:  Kos  Fr.  Jo.  Brisighella  M. 
S.  P.  Ap.,  Judex  ord.  .  .  de  expresso  mandato  S.  D.  N.  Clem.  VIII. 
prohibemus  1.  cui  titnlus:  Qua  tandem  rat.  .  .  auct.  Paulo  Benio, 
omnibusque  qui  illum  forte  habuerint,  lubemus  ut  quam  primum 
ad  off.  nostrum  afferant.  Datum  1575 — 1604.  Romae  in  typogr.  R. 
Cam.  Ap.  1604.  In  einem  gleichfalls  lateinischen  Edicte  von  1609 
(Alex.  No.  8)  sagt  der  Mag.  S.  Pal.,    er   verbiete  die  Bücher  „auf 


16  Romische  Bücherverbote  im  allgemeinen. 

Grund  eines  mündlichen  Befehls  Panls  V.  nnd  kraft  der  Autorität 
seines  Amtes  bei  Strafe  der  reservirten  Excommunication,  und  das 
£diot  solle  in  Rom  drei  Tage  nach  der  Anheftung,  an  allen  anderen 
Orten,  sobald  es  irgendwie  bekannt  werde,  verpflichten.  In  zwei 
(italienischen)  Decreten  vom  9.  Nov.  1609  und  30.  Jan.  1610 
(No.  10  und  11)  verordnet  der  Mag.  S.  P.  „im  Auftrage  der  In- 
quisition/' die  Bücher  überall  binnen  zehn  Tagen  nach  dem  Bekannt- 
werden des  Edictes  abzuliefern,  bei  Strafe  der  Excomm.  1.  s.  (von 
Reservation  ist  nicht  die  Rede). 

Nach  1610  kommen  nur  noch  vereinzelt  £dicte  des  Mag.  S.  Pal. 
vor,  deren  Verbote  in  den  Index  übergegangen  sind:  1633  publi- 
cirte  er  zunächst  für  Rom  ein  Edict  über  Bücher  mit  Elogia  haere- 
ticarum  (§  14);  1652  verbot  er  ein  in  Rom,  also  mit  Approbation 
des  Mag.  S.  Pal.  gedrucktes  Schriftchen  von  dem  Jesuiten  Cataneo, 
1678  ein  Officio  della  immac.  conceptione,  1691  ein  ascetisches 
Buch  des  Jesuiten  Giuseppe  Saliceti,  welches  1690  in  Rom  mit  den 
von  den  Censoren  gestrichenen  Stellen  gedruckt  war  (A.  J.  P.  2, 
2645),  1717  das  Yocabolario  von  Gigli,  —  diese  beiden  Verbote 
erliess  er  „kraft  seiner  amtlichen  Autorität  und  auch  im  speciellen 
Auftrage  des  Papstes",  —  1727  Franc.  Maria  Cabellotti,  II  ful- 
mine  della  presente  calamitä.  Nur  in  älteren  Indices,  nicht  mehr 
bei  Ben.  steht  das  gleichfalls  1727  von  dem  Mag.  S.  Pal.  verbotene 
Buch:  Di  quäl'  ordine  de*  Minori  sia  11  Beato  Andrea  Caraccioli  da 
Spello,  discorso  istorico  di  Filalete  Adiaforo. 

Der  Mag..  S.  P.  publicirte  beim  Antritte  seines  Amtes  ein 
Edict,  welches  folgende  Bestimmungen  enthielt:  Wer  verbotene 
Bücher  nach  Rom  bringt,  behält,  verkauft,  kauft  u.  s.  w.,  verfällt 
den  Censuren  und  Strafen,  die  in  den  h.  Canones,  dem  Index,  der 
Bulla  Coenae  und  anderen  apostolischen  Constitutionen  angedroht 
sind,  und  wird  ausserdem  mit  Confiscation  der  Bücher,  300  Scudi 
und  anderen  körperlichen  Strafen  bestraft.  Alle  von  früheren 
Magistri  S.  P.  ertheilten  Licenzen  zum  Lesen  verbotener  Bücher 
werden  zurückgenommen.  Alle  Bücher,  Büchlein,  Gebete,  Bilder, 
überhaupt  alles  Gedruckte,  so  geringfügig  es  auch  sein  mag,  was 
nach  Rom  gebracht  wird,  ist  dem  Mag.  S.  P.  oder  seinem  Socius 
vorzulegen.  Die  Gouriere  und  Postillone  haben  alle  ihnen  anver- 
trauten Drucksachen,  für  wen  sie  auch  bestimmt  sein  mögen,  dem 
Mag.  S.  P.  vorzulegen  oder  auf  der  Douane  zu  lassen,  bei  Strafe 
von  50  Scudi  und  drei  Hieben  mit  dem  Strick.  Niemand  darf 
ohne  Erlaubniss  Bücher  verkaufen.  Die  Buchhändler  und  Verkäufer 
von  Kupferstichen  und  Holzschnitten  haben  binnen  30  Tagen  ein 
alphabetisches  Verzeichniss  der  vorräthigen  Bücher  und  Bilder  einzu- 
reichen. Neu  gedruckte  Bücher  dürfen  nicht  verkauft  werden,  bis 
der  Druck  mit  dem  approbirten  Manuscript  verglichen  ist.  Dieses 
Edict  ist  in  allen  Buchläden,  Druckereien  und  Douanen  u.  s.  w. 
anzuheften;  alle  Buchhändler  müssen  einen  Index  besitzen^). 


l)  Flelyot,    Hist.  des  ordres  3,  214.     Editto   del  Maestro    del  Sacro 


Pablioation  der  Bücherverböte.  17 


2.    Pnblication  der  Bücherverböte. 

Verzeichnigse  von  Büchern,  welche  „von  dem  h.  Stuhle" 
(der  Index-Congregation  oder  Inquisition)  seit  1596  verboten 
worden,  wurden  1603—1610  von  dem  Magister  Sacri  Palatii  pu- 
blicirt  (S.  15).  Von  1613  an  wurden  die  Bücherverbote  der 
Index-Congregation  durch  den  Secretär  publicirt.  Die  Decrete 
wurden  gedruckt  in  Rom  angeheftet  und  dann  an  die  Inquisitionen 
in  Italien  und  an  die  Nuncien  versendet^).  Später  wurden  sie 
auch  vielfach  in  dem  Formate  der  jedesmaligen  letzten  Ausgabe 
des  Index  gedruckt,  um  demselben  beigebunden  zu  werden. 
Seit  dem  Jahre  1624  erschienen  mehrere  von  den  Secretären 
der  Index-Congregation  veranstaltete  Sammlungen  dieser  Decrete 
(§  8).  Dem  unter  Alexander  VII.  1664  erschienenen  Index  sind 
als  Anhang  81  Decrete  von  1601—64  (in  dem  Nachdruck  von  1667 
92  von  1601—67)  beigefügt.  Von  den  späteren  Decreten  gibt 
es  keine  amtliche  und  vollständige  Sammlung.  —  Nach  der 
curialistischen  Anschauung  genügte  die  Publication  der  Decrete 
in  Rom,  um  sie  für  alle  Katholiken  verbindlich  zu  machen;  aber 
diese  Anschauung  wurde  in  vielen  Ländern  nicht  anerkannt. 
Namentlich  in  Spanien  und  Frankreich  galten  selbst  Bullen  und 
Breven  nur  als  verbindlich,  nachdem  sie  förmlich  publicirt 
worden,  und  die  Decrete  der  Inquisition  und  Index-Congregation 
wurden  in  Frankreich  überhaupt  nicht  als  verbindlich  angesehen, 
in  Spanien  (und  Sicilien)  nur,  wenn  sie  von  der  Inquisition, 
in  Venedig  (I  S.  547),  Neapel  und  Belgien,  wenn  sie  mit  Ge- 


Palazzo  [Nie.  Riccardi]  relativo  al  oommercio  e  lettura  di  libri  del  7. 
Giugno  1629.  Koma,  stamperia  oommanale  (Blatt  in  zwei  Columnen);  Guio- 
ciaidini,  Suppl.  2,  22. 

1)  So  das  Verbot  der  Copernicanischen  Bücher  vom  J.  1616  und  das 
Urtheil  der  Inq.  über  Galilei  vom  J.  1688;  s.  Reusch,  Der  Process  Galilei's 
S.  371.  —  Decretam  Gongreg  Gardinaliam  ad  Iiidicem  libror.  prohib.de- 
putatoram,  ubique  publicandum.  Romae,  typogr.  Camerae  Apost.  1616,  4 
S.  4,  bei  Rosenthal  34,  1476  ist  das  bei  Alex.  No.  16  abgedruckte.  — 
Edicta  et  Decreta  S.  Gongregationis  Illustriss.  S.  R.  £.  Gardinalium  ad 
Indicem  librorum  eorundemque  permissionem,  prohibitionem,  expurga- 
tionem  et  impressionem  in  oni versa  republica  christiana  specialiter  depu- 
tatorum  ubique  publicandum  [sie].  Romae  £x  Typographia  Gam.  Apost. 
1601—23.  LXV  ti,  12.  (Petzh.  p.  144)  scheint  ein  Sammelband  von  ein- 
zelnen Decreten  zu  sein. 

Beiuoh,  Index  IL  2 


18  Pnblication  der  Bücherverbote. 

nehmiguDg  der  Regierung  publicirt  wurden.  Dass  die  Römischen 
Bücherverbote  nur  in  beschränktem  Masse  Beachtung  fanden, 
zeigt  auch  die  geringe  Zahl  von  Ausgaben  des  Römischen  In- 
dex, welche  im  17.  und  18.  Jahrh.  ausserhalb  Italiens  erschienen. 

Schon  unter  dem  Edicte  des  Mag.  S.  Pal.  von  1603  (Bras. 
p.  604)  steht  der  Vermerk:  Die  7.  m.  Aug.  1603  supradictum  edic- 
tnm  affixum  et  publicatum  fuit  in  acie  Campi  Florae  et  in  Cancel- 
laria  apostolica,  ut  moris  est,  per  me  Laertium  Cecchettum  Cursorem 
Apost.,  unter  einem  Edicte  von  1609  (Arg.  IIIa99):  ad  valvas  Prin- 
cipis  ApoBtolorum  de  Urbe  et  in  aliis  locis  solitis  et  consuetis  Urbis. 
Aehnliche  Vermerke  stehen  unter  Bullen  und  Breven  und  unter 
Decreten  der  Inq^uisition  und  der  Index-Congregation  (Const.  p.  35. 
46  u.  8.). 

In  der  Regel  wurden  nicht  die  in  einer  Sitzung  beschlossenen 
Bücherverbote  gleich  publicirt,  sondern  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Ver- 
zeichniss  der  seit  dem  letzten  Decrete  verbotenen  Bücher.  Die  Ver- 
zeichnisse sind  in  den  meisten  Fällen  sehr  buntscheckig.  Die  um- 
fangreicheren sind  wie  die  des  Mag.  S.  Pal.  (Alex.  No.  4,  5,  9)  alpha- 
betisch geordnet.  Es  kommen  auch  zwecklose  Wiederholungen  vor. 
Die  sofortige  Publication  des  Beschlusses  einer  Sitzung  galt,  —  in 
der  Regel  mit  Recht,  —  als  ein  Zeichen,  dass  das  Verbot  als  ein  wich- 
tiges und  dringliches  angesehen  wurde.  Solche  Decrete  sind  z.  B. 
No.  13,  36,  47,  67. 

Die  Sammlung  der  Decrete  bei  Alex,  ist  nicht  vollständig: 
ohne  Zweifel  absichtlich  ist  nicht  aufgenommen  ein  Decret  vom  J. 
1613  (über  Becanus  s.u.),  das  Decret  vom  10.  Dec.  1616  über  die 
Monita  privata  wohl  darum  nicht,  weil  diese  auch  in  dem  Decrete 
vom  16.  März  1621  stehen.  Durch  ein  Versehen  sind  nicht  aufge- 
nommen Decrete  vom  9.  Oct.  1613  und  vom  26.  Juli  1614,  die  in 
der  Raccolta  vom  J.  1624  citirt  werden  (§  3,  2),  und  ein  Decret 
vom  4.  Febr.  1627,  welches  wiederholt  im  Index  citirt  wird,  z.  B. 
unter  Andreae  und  Breitinger.  —  Bei  No.  16  fehlt  das  Datum:  25. 
Nov.  1617.  No.  33  ist  falsch,  vom  17.  Febr.  1623  statt  vom  4.  Febr. 
1627  datirt. 

Von  den  späteren  Decreten  stehen  viele  aus  den  Jahren  1668 
— 87  in  den  Constitutiones  et  decreta  apostolica,  praecipue  utilia 
hoc  tempore  adversus  quosdam  abusus  in  materia  fidei  et  morum. 
Quibus  praefigitur  Epistola  pastoralis  Episcopi  Castoriensis.  Coloniae 
Agr.  1679,*  125  S.  kl.  8.  Editio  tertia  auctior.  Col.  Agr.  1686,* 
217  (und  15  nicht  paginirte)  S.  kl.  8.  —  Manche  Decrete  von 
1690 — 1709  stehen,  aber  meist  nur  auszüglich,  in  dem  zu  Namur 
1709  erschienenen  Elenchus,  einige  bei  Hanot  (§11)  und  bei 
d'Argentrö.  —  Eine  Anzahl  von  Decreten  verschiedener  Congre- 
gationen  aus  der  Zeit  Clemens'  XI.  (1700 — 21)  stehen  im  Bull, 
cont.  IL,  einige  aus  der  Zeit  Benedicts  XIII.  (1724—30)  im  Bull. 
Xm.,  die  von  1786 — 97  in  dem  Römischen  Giornale  ecclesiastico, 
die  aus  der  neuern  Zeit  in  verschiedenen  Zeitschriften,  Ami  de  la 
Religion,  Mastiaux'  Literaturzeitung,  A.  J.  P.,  Civ.  catt.     Von  den 


Decrete  der  Inquisition  und  Index-Congr.  19 

späteren  Decreten  finden  sich  einzelne  Exemplare  verschiedenen 
Index- Ausgaben  beigebunden,  —  so  mehrere  (jedes  über  eine  einzelne 
Sitzung)  von  1821 — 27  in  einem  Exemplare  der  Ausgabe  von  1819 
(Bonn),  —  die  Decrete  von  1836— 50  und  von  1851 — 59  in  Sammel- 
bänden in  München  K. 

Die  vollständigen  Decrete  zu  vergleichen,  ist  in  vielen  Fällen 
von  Interesse,  weil  sie  gewöhnlich  die  Titel  der  Bücher  vollstän- 
diger angeben  als  die  Indices  und  weil  in  diesen,  wenigstens  seit 
Ben.,  in  der  Kegel  nicht  angegeben  wird,  ob  ein  Buch  von  der 
Index-Congregation  oder  von  der  Inquisition  und  ob  von  dieser  an 
einem  Mittwoch  oder  einem  Donnerstag  verboten  ist,  und  weil,  was 
noch  wichtiger  ist,  nur  aus  den  Decreten  der  Inquisition  die  Moti- 
virung  des  Verbotes  zu  ersehen  ist. 

In  den  Abdrücken  der  Decrete  kommen  zahlreiche  und  schlimme 
Schreib-  und  Druckfehler  vor.  Brisighella  hat  zwei  von  ihm  als 
Mag.  S.  P.  erlassene  Decrete  in  seinem  Index  expurgatorius  ab- 
drucken lassen  (Bras.  p.  600).  Darin  steht  Euerardi  Bernoist  st. 
Bronchorst,  Jo.  Bipstenius  st.  Bilstenius,  Henr.  Breubau  st.  Breu- 
laei,  Laur.  chircouij  st.  Kirchovii  u.  s.  w.  Dieselben  Fehler  mit  Aus- 
nahme des  letzten  finden  sich  in  dem  Abdruck  bei  Alex.,  hier  auch 
noch  Andreae  Libonii  st.  Libavii,  und  in  anderen  Decreten  z.  B. 
Vgo  Brosten  st.  Hugo  Broughton  (No.  9),  P.  Suero  st.  Lisero  (Poly- 
carp  Leyser,  No.  20),  Prascheni  st.  Parasceue  (No.  25)  u.  dgl. 
Der  Marburger  Jurist  Keinhard  Koenig  heisst  in  dem  Decrete  von 
1619  —  und  in  allen  Indices  bis  Ben.  —  Reinhardus  Marpurgensis,  * 
wahrscheinlich  weil  auf  dem  Titel  blatteKönig  mit  deutschen  Lettern 
gedruckt  und  für  die  Gelehrten  des  Index  nicht  leicht  lesbar  war. 
Sehr  oft  sind  die  Namen  der  Verfasser  weggelassen.  Diese  Fehler 
sind  in  den  älteren  Index- Ausgaben  vielfach  noch  mit  neuen  ver- 
mehrt.    Erst  Ben.  hat  die  meisten  corrigirt. 

In  dem  Abr6g6  du  recueil  des  actes  du  Clerg6,  2.  Ed.,  1764, 
p.  186  werden  „die  Bullen  und  anderen  Rescripte  des  Papstes** 
eingetheilt  in  solche,  die  in  Frankreich  angenommen,  und  solche,  die 
verworfen  werden.  Im  allgemeinen,  heisst  es  weiter,  werden  die 
Römischen  Rescripte,  wenn  sie  für  den  Staat  oder  die  Kirche  nütz- 
lich sind,  angenommen,  wiewohl  wir  nicht  die  den  Formeln  und 
Ausdrücken  derselben  zu  Grunde  liegende  Lehre  und  Gewohnheit 
annehmen.  Bei  der  Annahme  der  Bullen  pflegt  sich  die  Geistlich- 
keit über  diese  Formeln  auszusprechen;  die  weltlichen  Gerichtshöfe 
registriren  die  Bullen  mit  dem  Vorbehalt  ein,  dass  damit  nicht 
diese  Formeln  approbirt  werden  sollen.  Gewisse  Formeln  sind  so 
odiös,  dass  man  um  ihretwillen  die  Bullen  verwirft,  wenn  sie  auch 
für  die  Kirche  und  den  Staat  nützlich  sind;  so  die  Formeln,  in  denen 
unsere  Könige  mit  Excommunication  oder  Absetzung  bedroht  wer- 
den. Andere  Formeln  werden  als  Stil  der  Beamten  der  römischen 
Curie  angesehen  und  ignorirt.  Die  Formel :  Non  obstantibus  quibus- 
vis  apostolicis  necnon  in  provincialibus  synodis  universalibusque 
conciliis  editis  vel  edendis  specialibus  vel  generalibns  constitutionibus 
et  ordinationibus  oder  ähnliche  werden   von  gelehrten  Juristen  und 


120  Publication  der  Bücherverbote. 

Theologen  als  nichtig  und  missbräuchlich  angesehen,  können  aber 
ignorirt  werden,  indem  ihre  Nicht- Anerkennung  stillschweigend  vor- 
ausgesetzt wird.  Die  Formel  motu  proprio  wird  von  der  Geistlich- 
keit und  den  Gerichtshöfen  verworfen,  von  letzteren  ausdrücklich 
auch  dann,  wenn  die  Römischen  Eescripte  auf  Ersuchen  der  franzö- 
sischen Bischöfe  und  des  Königs  erlassen  worden  sind.  Die 
Formel,  dass  ein  päpstliches  Decret  gültig  sei  nach  seiner  Publi- 
cation in  Eom,  wird  in  Frankreich  nicht  anerkannt,  desgleichen 
nicht  die  Formel,  welche  die  Ablieferung  verbotener  Bücher  an  die 
Inquisitoren  verordnet,  und  die  Formel  etiam  specifica  et  individua 
mentione  digni,  welche  die  Excommunication  auf  diejenigen,  welche 
nicht  excommunicirt  werden  können,  also  auch  auf  die  Könige  aus- 
dehnt. 

Der  Generaladvocat  Omer  Talon  sagt  in  einem  1647  im  Parla- 
ment gehaltenen  Vortrag :  „Wir  erkennen  in  Frankreich  die  Autorität 
des  Papstes  an,  aber  nicht  die  Autorität  und  Jurisdiction  der  Con- 
gregationen  der  römischen  Curie.  Ihre  Decrete  haben  in  Frankreich 
keine  Geltung."  Der  Kanzler  d'Aguesseau,  ein  frommer  Mann  (und 
kein  Jansenist),  führt  in  einer  Denkschrift  vom  J.  1710  (Oeuvres  13, 
409)  diese  Stelle  an  und  sagt  seinerseits:  „Jedermann  weiss,  dass 
der  Index  in  Frankreich  keine  Autorität  hat,  wo  man  den  Primat 
des  Papstes  anerkennt,  aber  nicht  die  Gewalten  der  verschiedenen 
Congregationen  von  Cardinälen,  welche  der  h.  Stuhl  zu  errichten 
für  gut  befunden.  Man  weiss  übrigens  wie  sehr  die  Autorität  des 
Index  auch  bei  denjenigen  Völkern,  welche  an  der  alten  kirchlichen 
Freiheit  weniger  festhalten  als  das  unsrige,  gesunken  ist  in  Folge 
des  Missbrauchs,  dass  man  Schriften  darin  aufgenommen,  die  eine 
solche  Censur  (fl6trissure)  nicht  verdienen."  Als  1712  ein  Arrßt 
des  Pariser  Parlaments  vom  J.  1710  auf  den  Index  gesetzt  worden, 
schrieb  d'Aguesseau  (p.  309.  316):  „Es  hat  dort  einen  ehrenvollen 
Platz  erhalten  neben  anderen  zur  Vertheidignng  unserer  Grundsätze 
erlassenen  ArrSts,  die  Rom  canonisirt,  indem  es  sie  verdammt  .... 
Wir  glaubten  dieses  Verbot  ignoriren  zu  müssen.  Nach  dem  alten 
französischen  Grundsatze  würde  man  der  Index-Congregation  zu  viel 
Ehre  erwiesen  haben,  wenn  man  laut  gegen  die  Entscheidung  dieses 
Conciliabulums  protestirt  hätte.  Man  stellt  sich  fast  immer  auf  das 
Niveau  derjenigen,  die  man  bekämpft,  und  man  erkennt  in  einem 
gewissen  Sinne  ein  Tribunal  an,  wenn  man  seine  Beschlüsse  an- 
greift.*' 

Bossuet  sagt  (Oeuvres  37,  75)  von  dem  Breve  gegen  das  N. 
T.  von  Mons :  „Wir  halten  in  Frankreich  solche  Constitutionen 
nicht  für  verpflichtend,  so  lange  sie  nicht  den  Bischöfen  übersandt 
worden  sind,  um  sie  in  allen  Diöcesen  zu  publiciren.  Darum  ist 
dieses  Breve  für  uns  nicht  verbindlich."  Und  von  den  Index-De- 
creten  sagt  er  (82,95):  Profitemur,  Ecclesiae  gallicanae  vetere  atque 
inolito  jure  nihil  nos  teneri  iis  decretis.  —  F6nilon  sagt  in  einer 
Denkschrift  zu  Gunsten  der  Annahme  des  Breves  von  1703  über 
den  Cas  de  conscience  (Oeuvres  13,  51) :  „Es  kommt  in  dem  Cas  de 
eonsc.    eine  Stelle   vor,   die  zu  der  Meinung  Anlass    geben  könnte, 


Geltang  der  Rom.  Decrete.  21 

dasB  man,  wenn  man  das  Brave  annehme,  damit  zugebe,  dass  die 
Inquisition  und  der  Index  für  Frankreich  einige  Bedeutung  hätten 
(sont  de  quelque  consideration  en  France).  Man  braucht  ja  aber 
nur  gegen  diese  Stelle  zu  protestiren,  wie  das  bei  der  Reception 
von  Bullen  und  Breven  oft  geschieht.  Man  braucht  nur  zu  sagen, 
man  wolle  durch  die  Annahme  des  Breve  keineswegs  den  Index 
oder  die  Inquisition  anerkennen."  —  Der  Bischof  Duplessis  d'Ar- 
genträ  erklärt  in  seiner  1755  erschienenen  CoUectio  judioiorum  III  b 
590:  wenn  er  in  seine  Sammlung  Decreta  Romanorum  Inquisitornm 
aufgenommen,  so  sei  das  nicht  geschehen,  weil  er  diesem  Tribunal 
eine  Jurisdiction  in  Frankreich  zuschreibe.  —  Natürlich  hatte  auch 
die  Anschauung  der  Curie  unter  den  französischen  Theologen  Ver- 
treter. A.  Charlas  z.  B.  bekämpft  in  dem  Tractatus  de  libertati- 
buB  Eccl.  gall.  p.  467  die  Ansicht,  dass  die  Decrete  der  Römischen 
Congregationen  jenseit  der  Alpen  nicht  verpflichteten,  und  Albizzi 
(A.  J.  P.  2,  2619)  bezeugt,  dass  von  Franzosen,  Deutschen  und 
Engländern  timoratae  conscientiae  täglich  (!)  Gesuche  um  die  £rlaab- 
niss  zum  Lesen  verbotener  Bücher  bei  der  Inquisition  einliefen. 

In  Spanien  und  in  Sicilien,  so  lange  dieses  unter  spanischer 
Herrschaft  stand,  galt  nur  der  spanische  Index,  und  in  diesen  wurden 
sehr  viele  in  Rom  verbotene  Bücher  nicht  aufgenommen.  Salgado 
sagt  ausdrücklich,  nach  spanischem  Rechte  seien  die  Decrete  der 
Römischen  Inquisition  und  der  Index-Congregation  und  des  Magister 
S.  Pal.  von  der  spanischen  Inquisition  zu  prüfen  und  eventuell  nicht 
als  Römische,  sondern  als  eigene  Decrete  zu  publiciren  (Giannone, 
Opp.  post.  1,  452).  In  Neapel  versuchten  die  Bischöfe  vielfach  den 
Römischen  Verboten  Geltung  zu  verschaffen;  aber  in  den  Decreten 
der  Provincialsynode  von  Neapel  von  1699  (Coli.  Lacensis  1,  165) 
wird  von  der  Sündhaftigkeit  des  Lesens  verbotener  Bücher,  von  der 
Einholung  der  Erlaubniss  dazu,  auch  von  den  Regeln  des  sog. 
Trienter  Index,  aber  nicht  von  den  Römischen  Bücherverboten  und 
von  dem  Römischen  Index  gesprochen,  obschon  Alexander  VII.  die 
Promulgation  seines  Index  von  1664  in  allen  Diöcesen  angeordnet 
hatte.  In  der  Biblioteca  Napoletana  von  Nie.  Toppi,  die  1678  zu 
Neapel  mit  Approbation  erschien  (der  Censor  war  ein  Jesuit),  werden 
die  Schriften  von  Cala,  Curte  und  anderen  Regalisten  sehr  gelobt, 
aber  weder  bei  ihnen  noch  bei  vielen  anderen  wird  das  Römische 
Verbot  erwähnt,  von  einem  Buche  von  Verricelli  aber  gesagt:  Vo- 
lumen hoc,  quod  viris  doctis  non  semel  accidit,  Romanam  censuram 
expertum.  Die  Anschauung  der  Regierung  spricht  der  Abate  Pan- 
ziniin  der  Biographie  Giannone's  (Istoria  1,  53)  aus:  In  Neapel  wird 
weder  das  Tribunal  des  h.  Offlciums  noch  die  Index-Congregation 
irgendwie  anerkannt. 

In  den  Decreten  der  Mechelner  Synode  von  1607,  Tit.  1,  c.  7, 
bei  de  Ram,    Synodicon  Belgicum,   1828,  I,  367,^)    findet  sich  die 


1)  Der  Hanpttitel  dieses  Buches  ist:  Nova  et  absolutissima  collectio 
synodorum  .  .  .  Archiep.  Mechlin.  .  .  .  collegit  J.  Fr.  van  de  Velde,  .  .  . 
illustr.  P.  F.  X.  de  Ram.  Mechlin.  1828,  4  vol.  4. 


22  Publication  der  Bücherverbote. 

Bestimmung:  Moneant  parochi  subditos,  libros  haereticos  vel  ex  pro- 
fesso  lubricos  nullo  modo  legere  vel  habere  Heere,  eisque  prohibi- 
tiones,  quae  habentur  in  Indicibus  libromm  proh.  Sedis  Apost.  auc- 
toritate  post  Concilium  editas  crebro  insinuent.  Die  letzte  Bestim- 
mung von  eisque  an,  (welche,  wie  der  Herausgeber  bemerkt,  in  Rom 
in  das  Decret  eingeschoben  worden  ist),  bezieht  sich  zunächst  auf 
den  Trienter  und  den  Clementinischen  Index. 

Der  Brüsseler  Nuncius  übersandte  die  Römischen  Decrete  dem 
Erzbischof  von  Mecheln;  aber  dieser  erhielt  z.  B.  1633  von  der 
Statthalterin  die  Weisung,  die  Publication  eines  Decretes  gegen 
Poza  (s.  u.)  zu  verschieben,  bis  sie  von  Madrid  Weisungen  einge- 
holt haben  werde,  und  als  der  Erzbischof  Precipiano  1691  ein  De- 
cret der  Inquisition  gegen  ein  Buch  von  Huygens  ohne  weiteres 
publioirt  hatte,  erhielt  er  von  dem  Conseil  de  Brabant  einen  Verweis 
und  musste  versprechen,  fortan  keine  Decrete  ohne  Placitum  des 
Conseil  zu  publiciren  (v.  Espen  Opp.  4  B,  217).  In  einem  Erlasse 
von  demselben  J.  1691  ermahnte  er  dann  freilich  zur  Beobachtung 
der  Römischen  Bücherverbote  (Syn.  Belg.  1,  573)  und  in  einem 
Decrete  von  1696  sagt  er,  er  habe  sich  bestrebt,  die  Verordnungen 
des  apost.  Stuhles  und  der  h.  Congregation  gegen  die  Pest  schlechter 
Bücher  zur  Ausführung  zu  bringen;  aber  unter  den  mehr  als  70 
Büchern,  die  er  in  diesem  Decrete  verbot,  sind  nur  zwei,  die  in  Rom 
verboten  worden. 

Die  in  Namur  im  Anfange  des  18.  Jahrh.  erschienenen  Aus- 
züge aus  dem  Römischen  Index  sind  ebensowohl  wie  die  S.  18  er- 
wähnte Sammlung  von  Decreten  (antijansenistische)  Privatarbeiten. 
Als  1735  auf  Betreiben  der  belgischen  Bischöfe  ein  neuer  Index 
angefertigt  wurde,  wurden  nicht  grundsätzlich  die  Römischen  Bücher- 
verbote für  verbindlich  erklärt,  aber  freilich  die  in  dem  Römischen 
Index  stehenden  Bücher  aufgenommen.  Der  Index  kam  nicht  zu 
Stande  (§  11). 

Im  J.  1749  befahl  das  Grand  Conseil  de  Malines,  die  Auctions- 
cataloge  seien,  nachdem  sie  von  dem  kirchlichen  Censor  durchge- 
sehen, auch  den  Conseillers  fiscaux  vorzulegen,  welche  nicht  dulden 
sollten,  dass  Bücher,  namentlich  geschichtliche  und  juristische,  die 
nicht  von  der  Staatsregierung  verboten  worden,  in  den  Catalogen 
als  verbotene  bezeichnet  würden. 

Auch  in  den  höchsten  Kreisen  kam  später  eine  andere  An- 
schauung zur  Herrschaft  als  1735.  Im  Jahre  1759  verbot  der 
Statthalter  Carl  Alexander  von  Lothringen  provisorisch  zwei  Bände 
der  Theologie  von  Dens,  weil  darin  bezüglich  der  Bulla  Coenae, 
der  Römischen  Bücherverbote,  der  Immunität  und  der  Rechte  der 
Bischöfe  Grundsätze  vorgetragen  würden,  welche  der  Autorität  des 
Kaisers  und  den  in  den  Niederlanden  stets  beobachteten  Maximen 
widersprächen.  Ja,  der  Statthalter  verbot  sogar  einen  in  Gent  er- 
schienenen Abdruck  des  Index  Benedicts  XIV.,  weil  darin  van  Espens 
und  andere  Bücher  verboten  wurden,  welche  die  Rechte  des  Souve- 
räns und  die  Fundamentalgrundsätze  des  Landes  vertheidigten  ^). 


1)  Suppl.  ad  opp.  V.  Espen,  App.  p.  7.  8.  Seabra  2,  82. 


Römische  Indioes  von  1600—1664.  28 

In  Portugal  wurde  1624  der  Römische  Index  mit  Beifügung 
der  seit  1600  verbotenen  Bücher  abgedruckt  und  z.  B.  das  Verbot 
eines  Buches  von  Galado   1655  publicirt. 

In  Köln  erschien  1627,  in  Trient  1634  ein  Abdruck  des  Gie- 
men tinischen  Index  mit  Beifügung  später  verbotener  Bücher,  in  Prag 
1726  ein  Abdruck  des  Römischen  Index  von  1704.  Förmliche  Publi- 
cationen  von  Römischen  Bücherverboten  kommen  nur  vereinzelt  und 
erst  spät  (um  1760)  vor  (Neumayr,  Plagula).  In  einem  Erlass  des 
Bischofs  von  Münster  vom  J.  1733  (Hartzheim  10,  475)  werden 
zwei  Schriften  von  Berni^res  de  Louvigny  und  Rojas  als  „von  der 
h.  Congregation  schon  öfter  verboten**  bezeichnet,  weil  sie  zwar  nur 
einmal  verboten  waren,   aber  in  mehreren  Index-Ausgaben   standen. 


3.    Ausgaben  des  Römischen  Index  von  1600  bis  1664. 

1.  In  den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrhunderts  erschienen 
ausserhalb  Roms  mehrere  Abdrücke  des  Index  Clemens'  VIII. 
vom  J.  1596^).  In  Rom  erschien  ein  Abdruck  desselben  mit 
einem  Anhange,  welcher  Decrete  aus  den  Jahren  1601 — 23  ent- 
hält, im  J.  1624 2),  dann  mit  BeifUgnng  der  Decrete  bis  1629 
im  J.  1630'),  and  mit  Beifügung  der  Decrete  bis  J.  1637  im 
J.  1640*). 


1)  Die  vor  1600  erschienenen  Abdrücke  und  die  Yenetianischen  von 
1602 — 1707  sind  I  S.  543.  547  verzeichnet.  Andere  verzeichnet  Petz- 
holdt,  Biblioth.  p.  144 :  Coloniae  apud  B.  Gualther  1602  und  1624*, 
ib.  1620  (Brüssel).  —  Zamosci,  Mart.  Lenscius  1604.  150  S.  4  Bl.  4.  — 
Leodii,  Henr.  Hovius  1607.  8.  —  Duaci  1618.  —  Brixiae  ap.  Bozzolam 
1620.  96  S.  8.  —  Eine  französische  Uebersetzung :  Catalogue  des  Livres 
defendus.  Avec  les  Regles  establies  par  les  Peres  deputez  par  le  S.  Con- 
eile  de  Trente.  Mis  premierement  en  lumiere  par  le  commandement  de 
Pie  IV.  A  puis  augmente  par  Sixte  Y.  Et  en  fin  oorrige  A  publik  par 
mandement  de  Clement  YUl.  Paris,  Cramoisy  1615.  23  Bl.  104  S.  8  (Petzh. 
p.  146).  —  Der  letzte  mir  bekannte  Abdruck  des  Clementinischen  Index, 
abgesehen  von  den  den  Ausgaben  der  Trienter  Decrete  beigefügrten  Abdrücken 
(I  S.  54S),  ist:  Rothomagi  ex  typographia  Jacobi  Loudet  1674*,  109  8.8. 
(Oxford). 

2)  Der  Titel  dieser  Ausgabe,  die  ich  nicht  gesehen,  ist  ganz  der* 
selbe,  wie  der  der  folgenden.  Zacc.  p.  179  berichtet:  der  Cameraldruoker 
habe  der  im  J.  1624  gedruckten  Sammlung  von  Decreten  im  J.  1630, 
ohne  die  Jahreszahl  1624  auf  dem  Titelblatte  zu  ändern,  4  Decrete  aus 
den  Jahren  1625—29  beigefügt. 

8)  Index  Librorum  prohibitorum  cum  Reffulis  confectis  per  Patres 
a  Tridentina  Synodo  delectos  auctoritate  Pii  IV.  primum  editus,  postea 
vero  a  Syxto  Y.  auctus,  et  nunc  demum  S.  D.  N.  Clementis  Ylll.  jussu 
reoognitus  et  publicatus.  Instructione  adjecta  de  exequenda  prohibitionis 
deque  sincere  emendandi  et  imprimendi  libros  ratione.    Romae,  apud  Im- 


24  RömiBohe  Indioes  von  1600—1664. 

2.  Ein  Verzeichniss  der  seit  1596  verbotenen  Bücher,  also 
ein  eigentliches  Supplement  zu  dem  Index  Clemens'  VIII.  er- 
schien zuerst  1618  zu  Bologna  unter  dem  Titel  Syllabus^),  dann, 
alphabetisch  geordnet,  von  dem  Secretär  der  Index-Congregation, 
Fr.  Franciscus  Magdalenus  Capiferreus  (Maddaleno  Gapiferreo) 
herausgegeben,  1619  zu  Rom  unter  dem  Titel  Edictum  %  ferner 
unter  dem  Titel  Baccolta  1624  zu  Mailand^). 

3.  Im  J.  1632  erschien  zu  Rom  unter  dem  Titel  Elenchus 
ein  von   demselben  Maddaleno   bearbeiteter   neuer  Index  ^),    in 


pressores  Garn.  Cam  privilegio  Sum.  Pont,  ad  biennium  1596.*  176  S.  12. 
(Oxford).  Auf  p.  98  folgt  ein  neues  Titelblatt:  Librorum  post  Indicem 
Clementis  VIII.  prohibitorum  decreta  omnia  hactenus  edita.  Romae,  ex 
typogr.  Rever.  Cam.  Apost.  1624,  dann  mit  fortlaufender  Paginirung  die 
Decrete,  das  letzte  vom  11.  Nov.  1629.  Das  Exemplar  ist  dem  Elcnchns 
yon  1632  (Note  8)  beigebunden  und  allem  Anscheine  nach  gleichzeitig 
mit  diesem  gedruckt,  also  ein  (schlecht  ausgestatteter)  Nachdruck  der 
Römischen  Ausgabe. 

4)  Index  .  .  .  1596.*  119  S.  8.  (Oxford).  Der  Abdruck  des  Index 
von  1596  geht  bis  S.  64;  S.  65  folgt  Librorum  .  .  .  1624;  das  letzte  De- 
cret  ist  aber  vom  10.  Dec.  1636.  Das  Exemplar  ist  dem  Elenchus  von 
1640  (S.  25,  Note  2)  beigebunden  (mit  anderen  Typen  gedruckt  als  dieser, 
beide  viel  besser  als  die  in  Note  3  erwähnte  Ausgabe).  —  In  dieser  Aus- 
gabe stehen  die  bei  Alex,  abgedruckten  Decrete  No.  1—  42  mit  Ausnahme 
von  No.  3.  22.  31.  32.  40.  41.  Sie  sind  nicht  numerirt,  aber  vielfach  ge- 
nauer abgedruckt  als  bei  Alex. 

5)  Syllabus  seu  Collectio  librorum  prohibitorum,  &  suspensorum  a 
publicatione  novi  Indicis  jussu  S.  D.  N.  felic.  recordat.  Clementis  VIII. 
de  anno  1596.  Additis  etiam  aliis  libris,  variis  erroribus  scatentibus,  & 
stispectis,  non  legendis,  ueque  retinendis  quoadnsque  expurgentur,  aut  per- 
mittantur  a  Sanota  TJniversali  Inquisitione.  Bologna  16i8. 12.  Zaoo.  p.  175. 

6)  Edictum  librorum,  qui  post  Indicem  fei.  rec.  Clementis  YIII.  pro- 
hibiti  sunt,  ex  decreto  Illustriss.  &  Reverendiss.  DD.  S.  R.  E.  Cardinalium 
ad  Indicem  deputatorum  ubique  publicandum,  ex  typographia  Camerae 
Apostolicae  12.  Zaco.  p.  175. 

7)  Raccolta  de  libri  prohibiti,  cavata  da  decreti  fatti  in  diversi  tempi 
dalla  Congregatione  degl'  Illustriss.  e  Reverendiss.  Sig.  Cardinali  della 
8.  Sede  Apost.  sopra  Plndico  de  libri,  in  tutta  la  Republica  christiana, 
specialmente  deputati :  e  publicati  doppö  la  publicatione  del  nnovo  Indice 
fatto  Panno  1696.  In  Milano  1624.*  Per  gFher.  di  Pacifico  Pontio  &Gio- 
van  Battista  Picaglia,  Stampatori  Archiep.  &  del  S.  Officio.  LXVIII  S.  16. 
(Oxford).  Das  Verzeichniss  ist  alphabetisch,  allerdings  sehr  ungenau  ge- 
ordnet; jedem  Buche  ist  das  Datum  des  Verbotes  beigefügt.  Die  Rac- 
colta hat  keinerlei  Vorwort  oder  dgl.  Von  S.  LXV  an  ist  das  Monitum  ad 
Nie.  Copernid  lectorem  ejusque  emendatio  abgedruckt. 

8)  Elenchus  Librorum  omnium  tum  in  Tridentino  Clementinoq ;  Indice, 
tarn  in  aliis  omnibus  Sacrae  Indicis  Congregationis  particularibus  Decrctis 
hactenus  prohibitorum ;  Ordine  uno  Alphabetico,  Per  Fr.  Franciscum  Mag- 
dalenum  Capiferreum  Ordinis  Praedicatorum  dictae  Congregationis  Secre- 
tariam  digestus.  Romae,  Ex  Typographia  Camerae  Apostolicae.  Superiorum 
permissu.  1632.*  4  Bl.  679  S.  12.  (Oxford).  Wahrscheinlich  ein  Nachdruck 


Syllabus.  Kaccolta.  Elenohus.  25 

welchem  die  von  Clemens  VIII.  und  die  durch  spätere  Decrete 
yerbotenen  Bücher  in  Ein  Alphabet  geordnet,  die  Schriftsteller 
unter  ihren  Vornamen  und  Zunamen,  die  anonymen  Schriften 
unter  verschiedenen  Schlagwörtern  aufgeführt  sind  und  bei  jeder 
Nummer  das  Datum  des  betreffenden  Decretes,  bei  den  aus 
dem  Trienter  bezw.  Glementinischen  Index  entnommenen  „in  In- 
dice"  bezw.  ,,in  Indice  Appendicis'*  beigefügt  ist,  eine  Anord- 
nung, die  allerdings,  wie  der  Herausgeber  hervorhebt,  bequemer 
ist  als  die  nach  den  Classen  und  die,  wie  wir  sehen  werden, 
Nachahmung  fand.  Diesem  Elenchus  wurde  ein  Abdruck  des 
Index  von  1596  und  der  oben  No.  1  erwähnten  Sammlung  von 
Decreten  beigefügt:  der  Elenchus  sollte  also  ein  alphabetisches 
Register  dazu  sein.  —  Dieser  Elenchus  von  1632  wurde,  (ohne 
den  Index  von  1596  und  die  Decreten-Sammlung,  aber)  mit 
einem  Supplement  vermehrt,  1635  zu  Mailand  abgedruckt  ^).  1640 
erschien  in  Rom  eine  zweite  vermehrte  Ausgabe  desselben^). 

Der  Elenchus  von  Maddaleno  ist  nicht,  wie  Mendham  S.  170 
vermuthet,  eine  mit  einer  blossen  Druckerlaubniss  versehene  Privat- 
arbeit,  sondern,  wie  Catalani,  De  Secr.  p.  19,  unter  Berufung  auf 
die  Acten  der  Index-Congregation  mittbeilt,  auf  Befehl  und  mit 
Gutheissung  dieser  gedruckt;  die  Congregation  beschloss  aber,  er 
solle  nicht  in  ihrem,  sondern  unter  dem  Namen  des  Secretärs  tan- 
quam  privati  auctoris  herausgegeben  werden.  —  Auf  der  Rückseite 
des  Titelblattes  (auch  der  Ausgaben  von  1635  und  1640)  steht  die 
Druckerlaubniss  mit  einem  eigenthümlichen  Zusätze:  Imprimatur, 
si  videbitur  Reverendiss.   P.  Mag.  Sac.  Palatii  Apostolici.    A.  Epi- 


der  Römischen  Ausgabe;  s.  o.  Note  S.    —    Die  von  Petzh.  p.  147a  ver- 
zeichnete Ausgabe  Hom  1624  finde  ich  sonst  nirgend  erwähnt. 

1)  £lencha8  .  .  .  digestus.  Mediolani.  Ex  Typographia  Archiepi- 
scopali.  1635.*  Superiorum  Permissu.  6  El.  658  S.  12.  (Reusch).  Beigebnn- 
den  sind  (nicht  der  Index  von  1596  und  die  Decretensammlung,  aber)  Regulae 
oonfcctae  per  Patres  a  Trid.  Syn.  delectos  .  .  .  instructione  adjecta  [die 
Instruction  Clemens'  YIII]  .  .  .,  1635.  24  S.  —  Auf  der  Rückseite  des 
Titelblattes  steht  unter  dem  Imprimatur  für  die  Römische  Ausgabe:  Im- 
primatur denuo.  Inquisitor  Mediolani.  Jo.  Paulus  Mazzuchellus  pro  Rev. 
Capitulo  Metropolitano.  Co.  Maioragius  pro  Excellentiss.  Senatu,  fol.  2.  8 
eine  Widmungsepistel  von  Jo.  Ambr.  Sirturus  d.  d.  Mailand  20.  Sept.  1635, 
p.  652 — 658  das  Supplement  mit  der  Ueberschrift :  Post  praedictum  Elen- 
chum  sequentes  libri  prohibiti  sunt. 

2)  Elenchus..  .  .  Decretis  usque  ad  annum  1640  prohibitorum  .  .  . 
digestus.  Editio  secunda  aucta.  Romae,  Ex  typographia  Rev.  Cam.  Apost. 
1640*.  Superiorum  permissu  et  cum  privilegio.  4  Bl.  412  S.  8  (Oxford. 
München  K.).  Die  Seiten  sind  zweispaltig.  Vgl.  S.  24  Note  4.  —  Quetifü, 
473  und  Zaca  p.  180  erwähnen  noch  eine  Ausgabe  Rom  1648,  Zaoc.  auch 
Abdrücke  Antwerpen  1644  und  Lyon  1650. 


26  Der  Römische  Index  von  1600—1664. 

Bcopus  Bellicastren.  Vicesg.  —  Qui  Libri  non  reperientur  in  hoc 
£lencho,  aut  in  Collectione  Postindicis  (der  Sammlung  der  Decrete), 
de  quibn»  aliqua  dubitatio  moveri  possit,  non  propterea  approbati 
censeantur,  sed  judicentur  ad  communes  regulas  in  Indice  praescri- 
ptas.  Imprimatur.  Fr.  Nicolaus  RiccardiuR  S.  Palatii  Apost.  Mag. 

Maddaleno  hat  den  Elenchus  „Urbano  VIII.  Pont.  Opt.  Max.** 
gewidmet,  den  er  als  hujus  alphabeti  Alpha  et  Omega,  lux  lucis  et 
index  indicis  anredet;  es  heisst  in  der  Dedication  weiter:  quod 
sab  Te  Congregationis  praefecto  in  boc  Indice  elaboravi  et  sub  Te 
nunc  Pontifice  Maxime  ac  praefectorum  omnium  praefecto  perfeci. 
—  Die  Verweisungen  auf  den  Index  und  die  Decrete  lauten:  in 
Indice  [Trid.]  primae  classis,  in  Ind.  certorum  auctorum  (2.  CL),  in  Ind. 
inoertorum  auctorum  (3.  CL),  in  Indice  Appendicis  (Clemens'  VIII.) 
1.  cl.,  in  Edicto  7.  Sept.  1609  u.  s.  w. 

4.  Mit  dem  Elenchns  des  Maddaleno  ist  nicht  zn  ver- 
wechseln ein  1644  ohne  Angabe  des  Herausgebers  und  ohne 
Vorrede  und  dgl.  gedruckter  Elenchus,  welcher  nur  die  seit 
1596  verbotenen  Bücher  in  alphabetischer  Ordnung  (mit  Angabe 
der  betreffenden  Decrete)  verzeichnet^).  Ein  dritter  Elenchus, 
den  Thomas  de  Augustinis  herausgab,  scheint  bestimmt  gewesen 
zn  sein,  eine  Fortsetzung  der  (ersten  Ausgabe)  des  Elenchus 
von  Maddaleno  zn  bilden:  er  enthält  eine  alphabetische  Zu- 
sammenstellung der  1636 — 55  verbotenen  Bücher^).  Er  wurde 
10.  Juni  1658  von  der  Index-Congregation  verboten,  mit  der 
Motivirung:  er  sei  unvollständig  (dcficiens)  und  enthalte  (be- 
rücksichtige) nicht  alle  bis  1655  von  der  Gongregation  erlassenen 
Decrete. 

Reginaldus  Lucarinus,  der  1642  von  Urban  VIII.  zum  Mag. 
S.  P.,  aber  schon  1643  zum  Bischof  von  Cittä  della  Pieve  (Civitas 
Plebis)  ernannt  wurde,  f  1671,  bat  nach  Quetif  II,  641  einen  In- 
dex librorum  prob,  cum  regulis  .  .  .  usqne  ad  annum  1645  et  no- 
tationes  ad  dictas  regulas  ausgearbeitet ;  derselbe  ist  nicht  gedruckt, 
aber  das  Autograph  (drei  Bände)  befindet  sich  in  der  Vaticanischen, 
Abschriften  in  der  Barberini^schen  und  in  der  Inquisitions-Bibliothek. 

5.  In  Köln    veröffentlichte    1627    die    Inquisition    einen 


1)  Elencbus  librorum  omnium  post  Indioem  Clementis  VIII.  in  de- 
cretis  Sacrac  Indicis  Congregationis  usque  ad  annum  1644  prohibitorum. 
Ordine  alphabetico.  Koraac,  ex  typ.  Rcv.  Camcrae  Apost.  1644.'^  56  S.  kl.  8 
(Müncben,  Univ.). 

2)  Librorum  omnium  in  Sac.  Indicis  Congr.  Deoretis  prohibitorum 
ab  anno  1636.  usque  ad  annum  1655.  £lenchus  ordine  uno  alpbabetico  per 
Fr.  Thomam  de  Augustinis  digestus.  So  wird  der  Titel  in  dem  Edicte 
(Alex.  No.  67)  angegeben. 


Kölner  and  Trienter  Ausgaben.  27 

Abdrack  des  Index  Clemens'  VIII.,  in  welchem  die  durch  ein 
Edict  vom  4.  Febr.  1627  verbotenen  BUcher,  —  sonderbarer 
Weise  nur  diese,  nicht  die  durch  Edicte  von  1601—27  ver- 
botenen, —  mit  einem  f  bezeichnet,  in  das  Alphabet  eingeschoben 
sind.    Diese  Ausgabe  wurde  1647  und  1665  nochmals  gedruckt^). 

Die  ans  dem  Edicte  aufgenommenen  Bücher  sind  bald  in  den 
Trienter  Index,  bald  in  die  Appendix  eingeschoben,  vielfach  ohne  f- 
Das  Edict  ist  No.  33  bei  Alex.,  hier  aber  unrichtig  vom  17.  Febr. 
1623  datirt. 

6.  Eine  wesentlich  bessere  Arbeit  ist  die  1634  zu  Trient 
erschienene  Ausgabe,  welche  einen  Abdruck  des  Glementinischen 
Index  und  dann  (mit  besonderer  Pagin irung)  ein  alphabetisches 
Verzeichniss  der  bis  zum  J.  1630  verbotenen  Bücher  mit  An- 
gabe der  betreffenden  Edicte  und  in  einem  (wieder  besonders 
paginirten)  Anhange  die  1632 — 34  verbotenen  Bücher  enthält. 
Später  sind  noch  einige  Supplemente  dazu  gedruckt^). 

Auf  dem  Titelblatt  steht  Komae  et  Tridenti,  wohl  um  den  In- 
dex als  Römischen  zu  bezeichnen. 

7.  Bei  den  bisher  besprochenen  Indices  handelte    es  sich 


1)  Novvs  Index  Librorvm  Prohibitorvm,  Juxta  Decretum  Sacrae 
Coogregationis  Illustriss.  S.  R.  K  Cardina lium  ä  S.  D.  N.  Yrbano  Papa  VIII. 
sanctaq;  Sede  Apostolica  publicatum,  Romae  4.  Febr.  1627,  aactus.  Pri- 
mum  auctoritatc  Pij  IV.  P.  M.  editua.  Deinde  k  Sixto  V.  ampliatus.  Tertio 
ä  demente  VIII.  recognitus.  Praefixis  Kegvli?,  ao  Modo  exeqvendae  Prohibi- 
tionis  Per  R.  P.  F.  Franciscum  Foretium  (sie)  Ord.  Praed.  ä  deputatione 
SS.  Trid.  Synodi  Secretarium.  Ante  querolibet  librum  noniter  prohibitnm 
praefixum  est  signum  f.  Coloniae  Agrippinae,  Ex  commissione  S.  R.  £. 
Inquisit.  Apnd  Ant.  Boetzeri  haeredes.  1627,*  64  S.  8.  (München  K.). 

NovvB  Index  .  .  .  Coloniae  Agrippinae,  £x  commiasione  S.  R.  E. 
Inquisit.  Apud  Jodocum  Kalcovium  1647,  131  S.  12.  (Scboettgen  II,  §  24). 
—  Novvs  Indejc  ....  Coloniae  Agrippinae  ....  Kalcovium  1666*.  131 
S.  12.  (Mainz). 

2)  Index  Librorvm  prohibitorvm  .  .  .  (wie  oben  S.  23  Note  3)  .  . 
ratione.  Quibus  accessit  de  nouo  Index  librorum  a  Sacra  Indicis  Con- 
gregatione  passim  ad  annum  usque  1630.  particularibus  Decretis  suis  locis 
consignatis  prohibitorum.  Romae,  &  Tridenti  apud  Zanettum.  Impressorfi 
Episcopale.  Superiorum  perraissu  1634.*  177  S.  12.  Dann  folgt:  Novvs  In- 
dex librorum  a  Sacra  .  .  .  prohibitorum.  XC  S.;  dann  (als  Bogen  N)  mit 
p.  I:  Additio  librorum  prohibitorum  ä  praefata  Sacra  Congregatione  de 
anno  1632,  9.  Sept.;  p.  V:  Additio  librorum  ut  supra  prohibitorum  a.  .  . 
de  anno  1633,  19.  Martii;  p.  VIU:  Additio  ...  de  anno  1634,  23.  Aug.; 
p.  XI:  Finis.  —  Beigebunden  sind  (München,  K.  Univ.) :  Additio  librorum 
ut  supra  ...  de  anno  1636,  9.  Maii,  II  S.;  Decretum  S.  Congr.  Ind.  31. 
Junii  1641,  S.  Inq.  1.  Aug.  1641,  X  S.;  Additio  librorum,  Vt  supra  pro- 
hibitorum, de  Anno  1642  sub  die  22  Januarij.  Romae,  &  Tridenti,  Ex 
Typ.  Episo.  Zanett.  4  Bl. 


28  Der  Römische  Index  von  1600—1664. 

am  die  BeifUgnng  von  Büchern,  die  darch  die  Römischen  Be- 
hörden verboten  waren.  Anders  verhält  es  sich  mit  (dem  §  8 
zu  besprechenden  Lissaboner  und)  zwei  in  Krakan  lö03  und 
1617  erschienen  Indices.  Der  erste,  von  dem  Bischof  Bernard 
Macieiowski  herausgegeben^),  enthält  einen  Abdrnck  des  Glemen- 
tinischen  Index  und  einen  Index  auctorum  et  librornm  prohibi> 
torum,  in  Polonia  editornm  (64  Namen  oder  Bücher  von  be- 
nannten Verfassern,  18  anonyme  Schriften),  der  zweite,  von  dem 
Bischof  Martin  Szysköwski  publicirt^),  ausserdem  noch  ein  Aue- 
tarium  librornm  haereticorum  et  prohibitorum,  1617  editum  (63 
theils  in  Polen,  theils  anderwärts  gedruckte  Bücher). 

Der  Anhang  von  1603,  der  in  der  Ausgabe  von  1617  wieder 
abgedruckt  ist,  enthält  theils  Namen  (der  1.  Gl.  des  Rom.  Index 
entsprechend),  theils  Bücbertitel,  theils  lateinische,  theils  polnische, 
aber  alle  mit  Polen  zusammenhangend.  Aus  dem  Rom.  Index  sind 
wiederholt  die  Namen:  Andr.  Yolanus,  Andr.  Fricius  Modrevius, 
Faustus  Sozinnus  (sie),  Gregorius  Paulus  Brzezinensis,  Jo.  a  Lasko, 
Jo.  Eosminius  s.  Kosmius,  Petrus  Statorius,  Stan.  Samicius;  Jo. 
Lassicius  ist  Jo.  Lasitzki,  von  dem  in  Rom  1603  ein  Buch  ver- 
boten wurde.  Unter  den  anonymen  Büchern  steht  die  Gonfessio 
Augustana.  Von  den  sonst  hier  vorkommenden  Autoren  und  Schriften 
steht  auch  in  den  späteren  Rom.  Indices  nichts. 

In  dem  Index  von  1617  stehen  hinter  der  Appendix  von  1603 
die  bei  Alex,  unter  No.  14,  15  stehenden  Decrete  vom  J.  1616 
und  das  nicht  bei  Alex,  stehende  Decret  vom  10.  Dec.  1616  über 
die  Monita  privata,  dann  das  Auctarium,  zuletzt  ein  Monitum  ad 
Lectorem  Seb.  Nucerini  S.  T.  D.  (eine  Ermahnung  bezüglich  der 
schlechten  Bücher).  Nucerinus  wird  also  wohl  der  Gompilator  des 
Index  sein. 

Von  den  in  den  Decreten  von  1616  verbotenen  Büchern  stehen 
nur  die  Monita  privata  im  Auctarium,  von  den  in  früheren  Decreten 
verbotenen  nur  ganz  wenige  und  diese  allem  Anscheine  nach  nicht 
aus  den  Decreten  entnommen  (Abr.  Sculteti  opera,  Ant.  Arnaldi 
actio  contra  Jesuitas,  Guil.  Perkinsii  opera),  ferner,  obschon  der 
Autor  schon  in  der  1.  Gl.  des  Tr.  steht:  Wesselij  Gansfortij,  alias 


1)  Index  Librorvm  prohibitorvm  .  .  .  (wie  im  Clementinischen  Index) 
ratione.  Cracoviae,  In  Officina  Andreae  Petricovij  1603.*  96  Bl.  12.  (Krakau). 

2)  Index  Librornm  prohibitorum.  Cum  Regulis  confectis  per  Patres 
a  Tridentina  Synodo  delectos,  et  cum  adjecta  instructione,  de  emendandis, 
imprimendisque  libris,  et  de  exequenda  prohibitione.  Nunc,  in  hac  editione, 
Congregationis  Cardinalium  edictis  aliquot,  et  librorum  nuper  scandalose 
evulgatorum,  descriptiono  auctus.  Cracoviae,  In  Offic.  Andreae  Petricouij, 
S.  R.  M.  Typogr.  A.  D.  1617.*  106  Bl.  12.  (etwas  grossem  Formates  als 
1603). 


Krakauer  Ausgaben.  29 

Basilij  Groningen.  Aura  purior  et  alia  opera.  Nur  einige  wenige 
Schriften,  die  sich  hier  finden,  sind  später  auch  in  den  Körn.  Index 
gekommen  (aber  nicht  aus  diesem  Index):  Anticotonus  und  einige 
Bücher  von  deutschen  protestantischen  Theologen. 

In  dem  vor  dem  Index  von  1603  stehenden  bischöflichen  Er- 
lasse wird  den  Druckern  und  Buchhändlern  unter  Androhung  der 
Excommunication  und  anderer  arbiträrer  Strafen  verboten,  ohne 
Genehmigung  des  Bischofs  oder  seiner  Deputirten  Bücher  zu  drucken 
oder  zu  verkaufen.  Der  Bischof  Szyskowski  sagt  in  seinem  Erlasse : 
er  habe  diese  Bestimmung  in  Erinnerung  gebracht  und  den  Buch- 
händlern unter  Androhung  der  ihm  reservirten  directen  und  in- 
directen  Excommunication,  der  Confiscation  und  Verbrennung  der 
Bücher  und  einer  Strafe  von  100  Ducaten  (die  zur  Hälfte  dem 
Krakauer  Hospital,  zur  Hälfte  der  Fabrik  des  Domes  zufallen  sollten) 
verboten,  von  auswärts  importirte  Bücher  ohne  seine  Genehmigung 
zu  verkaufen ;  er  habe  auch  die  Bibliotheken  visitiren  und  die  libri 
obscoeni  et  libelli  verbrennen  lassen.  Er  bestimmt  dann :  wer  die 
in  seinem  Index  verzeichneten  Bücher  lese,  behalte,  drucke,  ab- 
schreibe u.  8.  w.,  solle  nicht  absolvirt  werden,  da  er  die  Lossprechung 
sicli  selbst  reservire. 

Der  Index  generalis  von  Thomas  James ^)  gehört  nicht  in  die 
Eeihe  der  Indexausgaben  (I  S.  4).  Er  ist  aus  den  Indices  von 
Clemens  VIII.  und  von  Sandoval  compilirt.  Am  Schlüsse  steht 
ein  Verzeichniss  der  Schriftsteller,  von  denen  Schriften  in  dem  Ant- 
werpener Expurgatorins,  bei  Bras.,  Quiroga  oder  Sandoval  expur- 
girt  werden.  Für  die  Tendenz  der  Arbeit  ist  der  Anfang  der  Vor- 
rede charakteristisch:  Cum  animadverterem  .  .  .  duobus  potissimum 
modis  labefactari  regnum  Christi  promoverique  illud  Antichristi,  vel 
per  Indices  librorum  prohibitorum  vel  per  Indices  expurgatorios  etc. 


4.  Der  Index  Alexanders  VlI.  1664. 

Im  J.  1664  erschien  eine  neue  Ausgabe  des  Index 2),  welcher 
eine  Bulle  Alexanders  VII.  vom  5.  März  1664,  Speculatores, 
vorgedruckt  ist  In  dieser  Bulle  sagt  der  Papst:  Seit  der  Pu- 
blication  des  Index  Clemens'  VIII.  seien  von  dessen  Nachfolgern 
und  der  Index-Congregation  viele  Bücher  verboten  und  deren 
Autoren*  verdammt  worden,    aber  kein   amtliches  Verzeichniss 


1)  Der  Titel  steht  I  IS.  4.  Oxoniac  1627.*    142  S.  12.  (Hamburg). 

2)  Index  Librorvm  prohibitorvm  Alexandri  VII.  Pontificis  Maxiroi 
ioBsn  editus.  Romae,  Ex  Typographia  Reuerendae  Camerae  Apostolicae. 
1664.*  Soperiorum  permisau,  <fe  Privilegio.  XXVII  und  410  S.  4.  (München  K.) 


80  Index  Alexanden  VIL  1G64. 

erschienen,  welches  in  übersichtlicher  Ordnung  (ordinatim  atque 
distincte)  diese  Bücher  und  Autoren  enthalte.  Der  in  seinem 
Auftrage  ausgearbeitete  neue  Index  enthalte  die  in  dem  Trienter 
und  Clementinischen  und  die  seit  dem  Erscheinen  des  letztern 
verbotenen  Bücher,  und  zwar  in  alphabetischer  Ordnung  mit 
Beseitigung  der  frühern  Eintheilung  in  drei  Glassen.  Diese  neue 
Ordnung  sei  bequemer  und  auch  geeignet,  das  Missverständniss 
zu  beseitigen,  als  ob  diese  drei  Glassen  drei  Grade  bezeichneten 
und  das  Lesen  von  Büchern  der  1.  Classe  gerährlicher  und 
sträflicher  sei  als  das  Lesen  von  Büchern  der  2.  und  3.,  da  doch 
manche  Bücher  der  3.  viel  schlechter  seien  als  Bücher  der  1. 
und  2.  Indess  seien  in  dem  neuen  Index  bei  den  einzelnen 
Büchern  nöthigenfalls  die  betreffenden  Glassen  (des  Trienter) 
und  ihre  Appendices  (im  Gleroentischen  Index)  sowie  (tlUr  die 
später  verbotenen  Bücher)  die  Decrete,  wodurch  sie  verboten 
worden,  angegeben.  Auch  seien  der  Vollständigkeit  wegen  dem 
(neuen)  „allgemeinen  Index'*  der  Glementinische  Index  und  alle 
seitdem  erlassenen  Decrete  beigefügt.  ,,Den  in  der  angegebenen 
Weise  zusammengestellten  und  revidirten  und  mit  den  Typen 
Unserer  apostolischen  Kammer  bereits  gedruckten  allgemeinen 
Index,  fährt  der  Papst  fort,  den  Wir  als  diesem  Schreiben  in- 
serirt  angesehen  wissen  wollen,  bestätigen  und  approbiren  Wir 
durch  Gegenwärtiges  mit  apostolischer  Autorität  sammt  allem 
und  jeglichem  darin  Enthaltenen  und  verordnen  und  befehlen, 
dass  er  von  allen  Gemeinschaften  (universitates)  und  einzelnen 
Personen,  wo  immer  sie  auch  sein  mögen,  unverletzlich  und 
unerschütterlich  beobachtet  werde."  Dann  folgen  noch  die  oben 
S.  17  erwähnten  Strafbestimmungen  und  die  Verordnung,  der  „all- 
gemeine Index'*  solle  von  den  Bischöfen,  Inquisitoren  u.  s.  w.  über- 
all publicirt  und  für  die  Beobachtung  desselben  gesorgt  werden. 
Im  Jahre  1665  veröffentlichte  der  Secretär  der  Index-Con- 
gregation,  Vincentius  Fanus,  eine  compendiösere  Ausgabe,  ohne 
den  Glementinischen  Index  und  die  Sammlung  der  Decrete^). 
1667  erschien  (zu  Lyon  oder  Genf)  ein  Abdruck  dieser  Ausgabe, 


1)  Index  Librorum  Prohibitorum  Alexandri  VIT.  Pontiiicis  Maximi 
jassu  editus.  Romae,  Ex  Typographia  Rev.  Cam.  Apost.  \Q66*  XXIV  und 
820  S.  kl.  8.  (München  K.). 


Index  Alexanden  VD.  1664.  81 

in  welchem  aber  der  Clementinische  Index  und  die  Sammlung 
der  Decrete,  diese  bis  zum  J.  1667  fortgeführt,  wieder  beige- 
fllgt  sind^). 

Die  Ausgabe  von  1664  enthält  nach  der  Bulle,  den  Trienter 
Begeln  und  der  Instruction  Clemens'  VIIL,  —  der  10.  Regel  ist 
eine  Observatio  beigefügt  (I  S.  341),  —  einem  Privilegium  für  die 
YaticauiBche  Druckerei  und  einer  Yorbemerkung  des  Secretärs  der 
Index-Congr.,  Hyacinthus  Libelli,  der  den  neuen  Index  redigirt  hatte, 
folgendes:  1.  Index  primus  generalis,  das  in  der  Bulle  erwähnte 
und  durch  dieselbe  approbirte  Verzeichniss  der  Autoren  und  Bücher, 
mit  Beifügung  der  Notizen:  in  Indice  (oder  in  Indice  Appendicis) 
1.  cl.,  in  Ind.  oder  in  Ind.  App.  certorum  oder  incertorum  auctorum, 
in  Edicto  7.  Sept.  1609  u.  s.  w.;  vgl.  S.  26;  2.  als  Seoundus  Index 
ein  alphabetisches  Verzeichniss  der  Namen  (Vornamen  und  Zunamen) 
der  Autoren;  3.  als  Tertius  Index  ein  Verzeichniss  der  Büchertitel 
nach  Schlagwörtern  alphabetisch  geordnet;  —  No.  2  und  3  sind  als 
eine  Privatarbeit  Libelli's  anzusehen,  Zacc.  p.  182;  —  4.  eine 
Appendix,  die  während  der  Fertigstellung  des  Index,  1660—64, 
verbotenen  Bücher  enthaltend ;  5.  den  Index  Clemens'  VIU.  mit  der 
Vorbemerkung  (von  Libelli),  er  werde  beigefügt,  um  die  in  dem 
neuen  Index  vorkommenden  Verweisungen  auf  die  drei  Classen 
deutlich  zu  machen;  in  dieser  Vorbemerkung  gibt  Libelli  auch  ein 
Verzeichniss  der  Secretäre  der  Index-Congr.,  mit  Forerius  (I  S.  432) 
beginnend ;  6.  unter  der  Ueberschrift  Index  Decretorum  eine  Samm- 
lung der  auf  Bücherverbote  bezüglichen  Decrete  von  1601  bis  1662; 
7.  eine  zweite  Appendix,  noch  einige  Titel  von  verbotenen  Büchern 
und  vier  Decrete  aus  den  Jahren  1662  und  1663  enthaltend  (hinter 
p.  398  ein  nicht  paginirtes  Blatt,  welches  als  folium  casu  omissum, 
restituendum  p.  333  post  Decr.  33  bezeichnet  ist  und  den  Locus 
ademtus  a  Thoma  Sanchez,  —  in  der  Ausgabe  von  1667  p.  230,  — 
enthält) ;  8.  ein  Verzeichniss  der  Cardinäle  und  der  Consultoren  der 
Index-Congr.  von  ihrer  Gründung  an  bis  auf  die  Gegenwart;  9.  das 
Druckprivileg  und  Errata. 

Die  Ausgabe  von  1665  enthält  die  Bulle  Alexanders  VII. 
nicht.  Auf  die  Trienter  Eegeln  und  die  Instruction  Clemens'  VIII. 
(p.  V — XXI)  folgt  Privilegiorum  Summa  und  ein  kurzes  Vorwort 
von  Vinc.  Fano,  der  1664  Libelli's  Nachfolger  geworden  war 
(p.  XXII.  XXIII),  und  dann  nur  der  Index  primus  generalis  der  Aus- 
gabe von  1664.  Fano  sagt,  diese  neue  Ausgabe  sei  einerseits  com- 
pendiöser  als  die  von  1664,  anderseits  vermehrt.  Die  Hinweisungen 
auf  die  drei  Classen  sind   weggelassen;    —  Fano  sagt:    man  könne 


1)  Index  librorvm  prohibitorvm  Alexandri  VU.  Pontificis  Maximi 
iv88v  editvs.  Aotorum  XIX.  Mvlti  avteni  ex  eis  qui  fuerant  Curiosa  sec- 
tati,  contulenint  Libros  &  combussürunt  coram  omnibus.  Juxta  Exemplar 
excusum  Romae,  ex  typographia  Rev.  Cam.  Apost.  Cum  Priuilegrio.  1667.* 
804  S.  Fol. 


32  Index  Alexanders  VII.  1664. 

diese  Unterscheidung  aber  auch  so  leicht  erkennen:  wo  nur  der 
Name  eines  Autors  stehe,  sei  derselbe  aus  der  1.  Gl.  entnommen; 
die  Büchertitel  ohne  Namen  seien  aus  der  3.,  die  mit  Namen  aus 
der  2.  GL;  --  auch  die  Notizen:  In  Edicto  7.  Sept.  1609  und  dgl. 
fehlen,  so  dass  man  nicht  sieht,  welche  Bücher  schon  im  Giemen- 
tinischen  Index  gestanden  und  welche  später  verboten  worden.  Auf 
der  andern  Seite  hat  Fano  den  Index  dadurch  erweitert,  dass  er 
die  Autoren  unter  ihren  verschiedenen  Namen  und  die  Bücher  unter 
verschiedenen  Schlagwörtern  anführt,  also  z.  B.  gleich  im  Anfange 
hinter  einander  folgende  Artikel,  die  nicht  in  dem  Index  von  1664 
stehen,  beigefügt  hat:  Abailardus  v.  Petrus;  de  Abano  v.  Petrus 
de  Abano;  Abbas  rS  di  Persia  v.  Gonditioni  d^Abbas  r^  di  Persia; 
Abbas  Joachim  v.  Mirabilium  u.  s.  w.  Auch  die  Appendix  der 
Ausgabe  von  1664  ist  eingereiht. 

Die  Ausgabe  von  1667  enthält  das  Vorwort  des  Fano,  die 
Begulae  u.  s.  w.  (S.  11  ein  Inhal tsverzeichniss),  dann  einen  Ab- 
druck des  Index  von  1665  (S.  1 — 136),  ferner,  aus  der  Ausgabe 
von  1664  abgedruckt,  die  Bulle  und  (mit  einer  Vorbemerkung  des 
Herausgebers  S.  143)  den  Glementinischen  Index  und  die  Sammlung 
der  Decrete  bis  1664  und  das  Verzeichniss  der  Gardinäle  und  Gon- 
sultoren  der  Index-Gongregation  (S.  137 — 288),  endlich  eine  von 
dem  Herausgeber  beigefügte  Appendix  Decretorum,  Decrete  von 
1664-1667  enthaltend  (S.  289  —  304). 

Fessler  S.  167  erwähnt  die  Ausgabe  von  1665  nicht  und 
scheint  die  von  1667  für  eine  in  Rom  erschienene  zweite  Ausgabe 
des  Index  von  1664  zu  halten.  Sie  wird  freilich  oft  als  „Romae 
1667"  erschienen  angeführt.  Auf  dem  Titelblatte  ist  allerdings 
der  Schluss  „Juxta  Exemplar  excusum  (diese  drei  Worte  sind  ganz 
klein  gedruckt)  Romae,  ex  typogr.  Rev.  Gam.  Apost.  Gum  Privilegio. 
1667"  missverständlich ;  aber  der  Sachverhalt  ist  in  der  Series  con- 
tentorum  hoc  libro  S.  11  und  in  der  Vorbemerkung  S.  143  ganz 
richtig  angegeben.  —  Man  findet  oft  Exemplare  dieses  Nachdrucks 
mit  dem  (wahrscheinlich  auch  zu  Lyon  oder  Genf  veranstalteten) 
Nachdruck  des  Index  von  Sotomayor  (§  9)  zusammengebunden 
mit  dem  vorgesetzten  Schmutztitel:  Indices  librorum  prohibitorum 
et  ezpurgandorum  novissimi,  Hispanicus  et  Romanus,  Anno  1667.  Ur- 
sprünglich ist  aber,  wie  die  Verschiedenheit  des  Papiers  und  der 
Typen  zeigt,  der  Römische  Index  separat  nachgedruckt  worden. 

Dass  in  der  Sammlung  der  Decrete  einige  fehlen,  wurde 
bereits  S.  18  bemerkt.  Mehrere  in  Decreten  von  1613  und  1614 
verbotene  Bücher  stehen  aber  auch,  obschon  sie  in  der  Raccolta 
von  1624  stehen,  offenbar  nur  in  Folge  eines  Verseliens  nicht 
(iü  dem  Elenchus  von  Magdalenus  Gapiferreus  und  nicht)  in  dem 
Index  Alexanders  VII.  und  sind  auch  in  keinem  der  folgenden  In- 
dices, auch  nicht  bei  Ben.,  zu  finden.  Es  sind  ausser  8  falschen 
Ablässen,  die  unter  Indulgenze  stehen  (s.  u.),  folgende:  Antonii 
Albitii  Florentini  commorantis  Gampiduni  Tractatus  brevis  continens 
decem  principia  doctrinae  christianae,  verb.  1613.  Das  Schriftchen 
ist    1612    gedruckt;    von    den    anderen    Schriften    Albizzi^s,    eines 


RömiBche  Indicea  1670—1758.  83 

Priesters  aus  einer  angesehenen  Florentiner  Familie,  der  Protestant 
wurde  und  1626  zu  Kempten  starb  (K.-L.  1,  440),  ist  auffallender 
Weise  keine  verb.  —  Consultatio  catholica  de  fide  Lutherana  capes- 
senda  et  Romana  papistica  deserenda,  opposita  haereticae  consulta- 
tioni  Leonardi  Lessü  Jesuitae  et  Theologi  Lovaniensis,  authore  Bal- 
thassare  Meisnero  Dresdensi,  Giessae  1611,  verb.  1614;  auch  von 
Meisner  (R.-E.  9,  471)  steht  nichts  im  Index;  —  Davidis  Chytraei 
Regulae  vitae,  nuper  a  Phil.  Glassero  auctae  et  emendatae,  Argent. 
1607,  verb.  1614;  Chytraeus  stand  schon  in  der  1.  Cl.  —  Godefridi 
Heidfeldii  Nassovii  Sphinx  theologico-philosophica  ad  Jacobum  Bri- 
tunniae  regem,  Herbom  1612.  Item  Censura  in  syllogen  Sphingi  ad- 
jectam  auctore  Jo.  Textore  Heigera-Nassovio.  Item  Censura  in  Ana- 
lecta  aenigmatica  eidem  volumini  annexa  auctore  Alberto  Molnaro  ^)y 
verb.  1614.  Dasselbe  Buch,  und  zwar  eben  die  1612  erschienene 
6.  Auflage  wurde  1616  als  Sextum  renata  .  .  .  Sphinx  etc.  ohne 
Angabe  des  Verfassers  verb.,  und  steht  so  bei  Alex,  und  in  den 
folgenden  Indices  unter  Sextum  ;  erst  Ben.  hat  es  unter  Heidfeld 
gestellt ;  die  darin  vorkommenden  satirischen  Bemerknngen  über 
Päpste  u.  8.  w.  erklären  das  Verbot.  —  Georgii  Schoenborner  Poli- 
ticorum  libri  7,  verb.  1614,  wurde  1680  nochmals  verb. 


5.  Ausgaben  des  Römischen   Index  von  1670  bis  1758. 

Auf  die  Ausgabe  von  1665  folgt  zunilchst  eine  von  1670, 
unter  Clemens  X.  noch  von  Vineentius  Fanus  besorgt,  dazu 
1675  eine  kleine  Appendix 2).  Unter  Innocenz  XI.  (1676—89) 
besorgte  Jacobus  Riccius  1681  eine  Ausgabe*);  in  der  Vorrede 
sagt  er:  er  habe  die  mittlerweile  (seit  1665)  verbotenen  Bücher 


1)  Das  It«m  Censura  ist  unsinnig;  dem  Buche  von  Heidfeld  sind 
l)eigefügt  Analecta  aenigmatica  ab  Alberto  Molnaro  Ungaro  comportata 
und  ist  gewöhnlich  beigebunden:  Sylloge  variorum  acnigmatum  .  .  . 
per  Jo.  Textorem.  Herb.  1612.  Die  9.  Ausgabe  erschien  als  Novum  renata 
Sphinx  .  .  .  1631,  eine  deutsche  Uebersetzung :  Theologischer  und  philos. 
Zeitvertreiber,  1624;   A.  D.  B.   11,  306. 

2)  Index  librorum  prohibitorum  Clementis  X.  Pontificis  Maximi  jussu 
cditus.  Roraae,  ex  typographia  Rev.  Cam.  Apost.  1670.*  XXIV  und  333  S. 
und  3  nichtpaginirte  Seiten  8.  (München  K.).  In  einigen  Exemplaren  ist 
beigefügt:  Index  libr.  proh.  ab  anno  1670  usque  ad  annum  1675.  Romae 
ex  typogr.  Rev.  Cam.  Apost.  1675,*  4  Bl.  (ein  alphabetisch  geordnetes 
Supplement). 

3)  Index  1.  p.  Innocentii  XI.  P.M.  jussu  editus.  Romae  .  .  .  1681.* 
XXVI  und  296  S.  8.  (München  K.).  S.  XXV  und  XXVI  sind  einige  Bücher 
nachgetragen,  die  während  des  Druckes  verboten  worden.  Bei  Petzh. 
p.  149  ein  Exemplar  cum  appendice  48  pp.,  in  der  Bibliotheca  Casanatensis 
mit  einer  Appendix  von  1683.  Wenn  Petzh.  p.  149  eine  Ausgabe  von  1680 
erwähnt,  so  wird  das  auf  einem  Schreibfehler  beruhen. 

Beoacb,  Index  II.  q 


U  Römische  Indices  1670—1758. 

eingefügt,  viele  Namen  corrigirt  und  bei  den  Auetores  1.  Classis 
„1.  cl."  beigefügt.  Diese  Ausgabe  des  Riccius  wurde  1682^) 
und  dann  wiederholt  bis  1739  unverändert  abgedruckt  und  die 
seit  1681  verbotenen  Bücher  in  Appendices  vereinigt  beigefügt. 
Vom  J.  1704  an  und  wieder  vom  J.  1744  an  erschienen  aber 
auch  Ausgaben,  in  welchen  die  bis  1704  bezw.  bis  1739  ver- 
botenen Bücher  in  den  Index  eingereiht  sind.  E»  scheint  aber, 
dass  von  1682  bis  1754  in  Rom  keine  amtliche  Ausgabe  des 
Index  erschienen  ist  und  dass  die  zahlreichen  Ausgaben,  die 
in  dieser  Zeit  angeblich  aus  der  Druckerei  der  apostolischen 
Klammer  hervorgegangen,  in  Wirklichkeit  anderswo  (zu  Venedig) 
gedruckt  sind.  Wenigstens  theilt  Zaccaria  p.  187  aus  einem 
Gutachten  des  P.  Ricchini,  der  1749—59  Secretär  der  Index- 
Congregation  war  und  den  Index  Benedicts  XIV.  vom  J.  1758 
bearbeitete,  die  Notiz  mit:  nach  der  von  Ricci  unter  Innocenz  XI. 
besorgten  Ausgabe  sei  in  Rom  mehr  als  70  Jahre  keine  amt- 
liche Ausgabe  des  Index  gedruckt  worden;  die  Venetianischen 
Drucker  hätten  aber  wiederholt,  noch  in  der  letzten  Zeit  (1752) 
mit  dem  falschen  Druckort  Rom  Indices  mit  vielen  Fehlern 
herausgegeben.  Dass  keine  dieser  Ausgaben  eine  amtliche  ist, 
darf  man  auch  darum  annehmen,  weil  keine  derselben  ein  Vor- 
wort des  zeitigen  Secretärs  der  Index-Congregation  hat,  wie  ein 
solches  in  den  Ausgaben  von  1665,  1670  und  1681  und  dann 
wieder  in  der  von  1758  steht.  — -  Auch  die  Appendices  scheinen, 
obschon  angeblich  in  der  Cameral-Druckerei  gedruckt,  keine 
amtliche  Zusammenstellungen  zu  sein. 

Hannot  (f.  4  v.)  sagt  zwar,  1692  Bei  eine  Appendix  unter 
dem  Namen  des  Mag.  8.  P.  gedruckt,  aber  nach  einigen  Jahren 
durch  eine  andere  ersetzt  worden,  weil  darin  eigenmächtig,  ohne 
Auftrag  des  Papstes  und  der  Index-Congregation  das  Buch  der  Maria 
von  Agreda  und  ein  Officium  Immaculatae  Conceptionis  aufgenommen 
und  jansenistische  Bücher  ausgelassen  seien.  Diese  Angabe  ist  aber 
gewiss  nicht  richtig:  der  Mag.  S.  Pal.  gab  sonst  nicht  den  Index 
heraus,  sondern  der  Secretär  der  Index-Congregation,  und  Thomas 
Maria  Ferrari,    der    seit  1688    Mag.  S.  P.  war,    würde  wohl  nicht 


1)  Index  .  .  .  1682.*  XXIV  und  296  S.  8.  (München  K.).  Die  in  der 
Ausgabe  von  1681  p.  XXV.  XXVI  stehenden  Bücher  sind  in  das  Alphabet 
eingereiht;  p.  XXII.  XXIII  steht  ein  Decret  der  Index-Congr.  vom  14. 
April  1682. 


Römische  Indices  1670—1758.  36 

im  Amte  geblieben  und  1695  Cardinal  geworden  sein,  wenn  er  sich 

1692  eines  solchen  Vergehens  schuldig  gemacht  hätte.  Richtig  ist, 
dass  1696  eine  neue  Appendix  zu  dem  Index  von  1681  erschien, 
in  welcher  die  Maria  von  Agreda  nicht  steht  (von  den  Verhand- 
lungen über  sie  und  das  genannte  Officium  wird  später  die  Rede 
sein).  Wahrscheinlich  sind  beide  Privatarbeiten,  zu  denen  vielleicht 
der  Mag.  S.  Pal.  die  Druckerlaubniss  ertheilt  hat.  Wenn  die  Appen- 
dix von  1704  in  einigen  Ausgaben  als  App.  unica  bezeichnet  wird, 
so  soll  sie  damit  auch  schwerlich,  wie  Hannot  meint,  als  unica  fide- 
lis  im  Gegensatze  zu  der  von  1692  bezeichnet  werden. 

Von  den  1681 — 1752  erschienenen  Indices  und  Appendioes 
sind  mir  folgende  bekannt: 

I.  Eine  Reihe  von  Ausgaben  hat  den  Namen  Innocenz'  XI. 
(1676—89)  und  die  Jahreszahl  1681,  1683,  1685  oder  1686  auf 
dem  Titelblatte ;  die  meisten  derselben  sind  aber  allem  Anscheine 
nach  später,  gleichzeitig  mit  der  beigefügten  Appendix,  gedruckt: 

1.  Index  1.  p.  Innocentii  XI.  P.  M.  jussu  editus.  Romae  1683,  ex 
typogr.  Rcv.  Cam.  Apost.  XXIV  und  296  S.  8.  Beigefügt:  Appendix  ad 
Indicem  1.  p.  hujus  impressionis,  ordine  alphabetico  disposita  usque  ad 
annum  1692.  Cum  adnotatione  Decretorum  et  Breviuro,  anni  ac  diei  pro- 
hibitionis.  47  S.    Ferner  12  nicht  paginirte  Seiten:  Bücher,  die  1692  und 

1693  verb.  worden  (Hofm.  p.  192,  No.  15).  Wahrscheinlich  1692  gedruckt 

2.  Index  Lp....  1683.*  XXIV  und  304  S.  8.  Beigefügt:  Appendix 
ad  Indicem  1.  p.  ordine  alphabetico  disposita  usque  ad  annum  1696.  65  S. 
(München  K.).  Die  in  dem  Decrete  von  1682  stehenden  Bücher  sind  nicht 
in  den  Index  eingereiht,  aber  einiges  in  der  Ausgabe  von  1682  ist  corri- 
girt.  Wahrscheinlich  1696  gedruckt. 

3.  Index  1.  p.  .  .  .  1685.*  XXIV  und  296  S.  8.  P.  H-V :  Verzeich- 
niss  von  Büchern,  die  während  des  Druckes  verboten  worden;  p.  VI — XXI 
Regnlae  etc.;  p.  XXII:  Decretum  Congr.  Ind.  14.  Apr.  1682;  p.  XXIV: 
Fr.  Jac.  Riccins  catholico  lectori.  Beigefügt:  Appendix  ad  Indicem  1.  p. 
hujus  impressionis  ordine  alphabetico  disposita  usque  ad  annum  1692. 
61  S.  (München  K.). 

4.  Index  1.  p.  .  .  .  1686,*  abgesehen  von  der  Jahreszahl  dem  vorigen 
gleich  (München  Univ.). 

IL  Im  J.  1704  erschien  ein  Abdruck  der  Ausgabe  von  1681 
mit  einer  Appendix,  welche  in  alphabetischer  Ordnung  die  1681 — 
1704  verbotenen  Bücher  enthält: 

5.  Index  1.  p.  Innocentii  XI.  P.  M.  jussu  editus  usque  ad  annum 
1681.  Eidem  accedit  in  üne  Appendix  usque  ad  mensem  Junij  1704.  Romae 
Typis  Rev.  Cam.  Apost.  1704.*  Cum  privilegio.  12  Bl.  405  S.  8  (InhaltUch 
gleiche,  aber  mit  verschiedenen  Typen  gedruckte  £xemplare  München  K. 
und  Döllinger).  S.  301 :  Appendix  unica  ad  Indicem  1.  p.  vero  et  accurato 
alphabetico  ordine  disposita  ab  anno  1G81  usque  ad  mensem  Junij  inclusive 
1704.  Cum  adnotatione  fere  omnium  Decretorum  ac  Brevium,  Anni,  Mensis 
ai4|ueDiei  prohibitionis.  8. 403:  Nota  di  alcune  Operette  &  historiette  proibite. 


B6  Kömische  Indices  1670—1758. 

Diese  Ausgabe  wurde  wiederholt  unter  Beifügung  weiterer  Ap- 
pendices  abgedruckt: 

6.  Index  1.  p.  Innocentü  XI 1704.*  12  Bl.  471  S.  8.  S.  1-405 

wie  No.  5;  S.  407:  Appendix  novissima  ad  Indicera  1.  p.  ab  a.  1704  usque 
ad  totum  mensem  Martij  1716.  Romac,  typis  Rev.  Cani.  Apost.  1710;  S.  457; 
Appendix  novissimae  Appendicis  ad  Indicem  1.  p.  a  mense  Martij  1716 
usque  ad  totura  Maij  1718.  Romae . . .  1718  (München  Univ.  S.  407—456 
mit  einem  Titelblatt :  Appendix  .  .  .  Romae  1716,  besonders  München  K.). 

7.  Index  1.  p.  Innocentü  XI.  .  .  .  1704.*  12  Bl.  566  S.  8.  S.  1—800 
wie  No.  5;  S.  301:  Appendix  unica  .  .  .  prohibitionis.  Accedit  in  fine  No- 
tula  aliquot  opusculorum,  historiuncularum,  ac  orationum  ctiam  proscrip- 
tarum;  S.  407:  Appendix  novissima  ...  1716  (wie  No.  0);  S.  461:  Ap- 
pendix novissimae  Appendici  .  .  .  1718  (wie  No.  6);  Appendix  novissimae 
Appendicis  ad  Indicem  1.  p.  a  mense  Maij  1718  usqne  ad  totum  mensem 
Junij  1734.  Romae,  typis  .  .  .  1734;  S.  513:  Raccolta  d'alcvne  particu- 
lari  Operette  spirituali,  e  profane  prohibite  orazioni,  e  diuozioni  vane  e 
superstiziose,  Indulgenze  nulle,  o  apocrife,  ed  Immagini  indecenti  ed 
illicite  (Bonn). 

8.  Index  1.  p.  Innocentü  XI  ...  .  1704.*  12  Bl.  572  S.  8.  S.  1-300 

wie  No.  5.  S.  301:  Appendix  ad  Indicem  1.  p prohibitionis;  S.  407: 

Appendix  ad  Indicem  1.  p.  ab  anno  1704  usque  ad  totum  mensem  Martü 
1716.  Romae  .  .  .  1716;  S.  461:  Appendix  ad  Indicem  1.  p.  a  mense 
Martü  1716  usque  ad  totum  Maii  1718.  Romae  .  .  .  1718;  8.477:  Appendix 
novissimae  Appendici  ad  Indicem  1.  p.  a  mense  Maii  1718  usque  ad  totum 
mensem  Julii  1739.  Accedit  in  fine  Notula  aliquot  .  .  .  proscriptarum. 
Romae  1739,  typis  Hieronymi  Mainardi,  Impressoris  Cameraiis;  S.  517 
eine  italienische  Notiz  über  die  Raccolta  ;  S.  519:  Raccolta  (wie  No.  7). 
—  Bis  S.  568  läuft  die  Numerirung  der  Bogen  fort  (Nu  4).  Dann  folgt 
auf  besonderen  Blättern,  aber  in  demselben  Drucke,  in  dem  von  Hofm. 
p.  194  beschriebenen  Exemplare  als  S.  569—572:  Appendix  ad  Indicem 
1.  p.  a  mense  Feb.  1739  usque  ad  totum  mensem  Jul.  1742,  in  meinem 
Exemplare  noch  S.  573— 575:  App.  ad  Ind.  1.  p.  a  mense  Aprili  1744  usque 
ad  totum  mensem  Junii  1745.  Beigebunden  sind  in  meinem  Exemplare  noch 
4,  in  dem  Heidelberger  und  Oxford  er  Exemplare  5,  mit  ganz  anderen  Typen 
gedruckte  Appendices  von  je  3— 4  Seiten,  Bücherverbote  von  1746  (1745?) 
bis  1753  bezw.  1754  enthaltend. 

III.  Eine  dritte  Gruppe  bilden  die  Ausgaben,  welche  Kegnante 
demente  XL  (1700 — 21)  auf  dem  Titelblatte  haben  und  in  welchen 
die  seit  1681  verbotenen  Bücher  am  Schlüsse  der  einzelnen  Buch- 
Btaben  des  Index  eingereiht  sind  (in  der  ersten  Ausgabe  p.  XXIV 
steht  ohne  Unterschrift:  Catholico  lectori.  Cum  librorum  prohibi- 
torum  numerus  auctorum  id  exigente  malitia  vel  negligentia  mul- 
tum  excreverit,  novum  auctiorem  et  accuratiorem  visum  est  Indicem 
edere.  Omnia  in  hunc  disponere  curavimus,  ut  absque  appendicium 
suffragio  suo  loco  auctorum  nomina  et  opera  reperire  valeas.  Grato 
animo  quae  tibi  offerimus  accipe,  largiores  nostrae  diligentiae  fruc- 
tu8  precepturus.  Vale.). 


Racoolta.  Nota.  37 

9.  Index  1.  p.  usque  ad  annum  1704.  Regnante  demente  XI.  P. 
0.  M.  Romao  ex  typogr.  Rev.  Cam.  Apost.  1682.*  XXIV  und  402  S.  8. 
(München  K).  S.  400—402:  Nota  di  alcune  .  .  .  Beigefügt  auf  5  nicht 
paginirtcn  Blättern  eine  Appendix,  ful.  8r  Novissima  Appendix  (nicht 
alphabetisch,  Bücherverbote  vom  28.  Jan.  1704  bis  3.  Febr.  1706),  Fol.  4r 
ohne  Ueberschrift  ein  alphabetisches  Verzeichniss  verbotener  Bücher,  be- 
ginnend mit  Acta  Eruditorum,  verboten  4.  Febr.  1709. 

10.  Index  1.  p.  usque  ad  annum  1705.  Regnante  ....  Apost.  1682. 
XXIV  und  402  S.  8.  Beigefügt  8  Bl.  (Petzh.  p.  150.). 

11.  Index  1.  p.  usque  ad  annum  1711  regnante  .  .  .  Apost.  1711.* 
Cum  privilegio.  XXIV  und  528  S.  8  (München  K.).  Den  Schluss  bildet 
S.  526 — 528  Nota  di  alcune .  .  .  Beigebunden  4  BL,  das  Index-Decret  vom 
26.  Oct.  1707  und  das  Inquisitions-Decret  vom  22.  Juni  1712. 

12.  Index  1.  p.  usque  ad  totum  menscm  Martii  1710  regnante  .  .  . 
Apost  1716.*  10  Bl.  531  S.  8.  (München  IC).  Den  Schluss  bildet  S.  528 
— 531:  Decretum  S.  0.  25.  Spt.  1710.  —  Zacc.  p.  186  erwähnt  eine  Aus- 
gabe mit  demselben  Titel,  aber  der  Jahreszahl  1717. 

IV.  In  einigen  1744 — 52  regnante  Benedicto  XIV.  erschienenen 
Ausgaben  sind  die  bis  1739  verbotenen  Bücher  in  den  Index  ein- 
gereiht: 

13.  Index  1.  p.  usque  ad  diem  4.  Junii  a.  1744.  regnante  Benedicto 
XIV.  P.  0.  M.  Romac  ex  typogr.  Rev.  Cam.  Apost.  1744.*  XXIV  und 
639  S.  8.  (München  K.).  S.  563:  Appendix  ad  Indicem  1.  p.  a  mense  Febr. 
1739  usque  ad  totum  menscm  Junii  1744  (alphabetisch);  S.  569:  Raccolta 
.  .  .;  S.  633:  Nota  di  alcune  .  .  .;  S.  636:  Decret  vom  25.  Spt.  1710  (in 
dem  Oxforder  Exemplar  beigebunden  eine  mit  gleichen  Typen  gedruckte 
Appendix  a.  m.  Junii  1744  usque  ad  m.  Junii  1745,   3  S.) 

14.  Index  1.  p.  .  .  .  Beuedicto  XIV.  P.  0.  M.  Additis  prohibitionibus 
a  S.  C.  emanatis  usque  ad  annum  1752.*  Romae  ex  typogr.  Rev.  Cam. 
Apost.  XVI  und  512  S.  8  (Bonn).  Bis  S.  502  Abdruck  von  No.  13;  dann  S.  503: 
Api)endix  ad  Ind.  I.  p.  ab  anno  1744  usque  ad  annum  completum  1751 
(alphabetisch).  In  dem  Exemplare  München  K.  folgt  noch  S.  513—515: 
Appendix  ad  Ind.  1.  p.  ab  a.  1752  usque  ad  totum  mensem  Febr.  1758 
(alphabetisch);  in  dem  Exemplare  München  Univ.  folgen  auf  S.  512  2 
nicht  paginirte  Blätter :  Appendix  ab  a.  1753  usque  ad  totum  mensem 
Aprilis  1755. 

Die  in  mehreren  der  erwähnten  Index -Ausgaben  abgedruckte 
Raccolta  d'alcune  particolari  operette  spirituali,  e  profane  proibite 
u.  8.  w.,  —  ganz  verschieden  von  der  S.  24  erwähnten  Raccolta  von 
1624^),  —  ist  ein  italienischer  Index,  den  zuerst  1710  der  Domini- 
caner Antonio  Leoni,  Inquisitor  zu  Bologna  (f  1710)^),  dann  wieder- 


1)  Wenn  im  Folgenden    nicht  Raccolta  von   1624,    sondern  einfach 
Raccolta  citirt  wird,  ist  diese  den  Indioes  beigedruckte  gemeint. 

2)  Breve  Raccolta  d'alcune    particolari  operette    spirituali  proibite. 


88  Index  Benedicts  XIY. 

holt  mit  neuen  Zathaten  der  Inquisitor  Grinseppe  Maria  Berti  zn 
Pavia  berausgab^).  Die  Raccolta  enthält  vorzugsweise  italienische 
populäre  Schriften,  —  viele  Schriften  über  Ablässe,  Gebete  und 
Gebetbücher  u.  s.  w.,  —  aber  auch  Titel  von  lateinischen  in  italie- 
nischer Uebersetzung.  Es  ist  eine  Privatarbeit.  Durch  den  Ab- 
druck in  den  Ausgaben  des  Römischen  Index  hat  sie  keine  höhere 
Bedeutung  erlangt,  da  dieses  keine  amtlichen  Ausgaben  sind. 

In  einigen  Index-Ausgaben  steht  auch  ein  ähnliches  älteres, 
aber  viel  weniger  umfangreiches,  nur  ein  paar  Seiten  füllendes  Ver- 
zeichniss  unter  der  Ueberschrift:  Nota  di  alcune  operette  &  histo- 
riette  proibite  (Gebete,  religiöse  Gedichte  und  Legenden),  ohne 
Zweifel  auch  von  einer  Inquisitionsbehörde  angefertigt.  Die  Nota 
steht  auch  (zuerst?)  in  der  Ausgabe  des  Sacro  Arsenale  von  £. 
Masini  (Reusch,  Galilei  S.  74)  von  1679,  p.  489;  hier  sind  einige 
Bemerkungen  über  die  Expurgation  von  Gebetbüchern  beigefügt. 

Ben.  hat  die  in  der  Nota  stehenden  Sachen  in  den  Index  auf- 
genommen; er  citirt  dieselbe,  z.  B.  unter  Orazione,  mit  App.  Ind. 
Clem.  XI. 


6.    Der  Index  Benedicts  XIV.  1758. 

Im  Jahre  1758  erschien  eine  neue  Ausgabe  des  Index, 
welche  von  ganz  besonderer  Bedeutung  ist,  weil  sie  die  Grund- 
lage aller  folgenden  Ausgaben  bis  auf  diesen  Tag  bildet.  An 
der  Spitze  steht  ein  Breve  Benedicts  XIV.  vom  23.  Dec.  1757, 
worin  es  heisst:  die  bisherigen  Indices  seien  nicht  hinlänglich 
correct  und  für  den  Gebrauch  bequem  und  ein  neuer  besser  ge- 
ordneter und  von  Fehlern  gesäuberter  Bedtirfniss.  Der  Papst 
habe  an  die  Herausgabe  eines  solchen  schon  bei  der  Publication 
der  Bulle  vom  9.  Juli  1753  (S.  2)  gedacht   und  die  Index-Con- 


orazioni  e    divozioni  vaue  e  superstiziose,   indulgenze   nulle   ed    apocrife, 
ed  immagini  indecenti  ed  illecite,  che  piü  frequentemente  sogliono  oggidi  • 
attomo,  COD  aggiunta  particolaro  fatta  da  Fr.  Antonio  Leoni,    Inquisitor 
di  Bologna.  S.  1.  et  a.  12;  am  £nde:  Bologna,  Monti  1710  (Guicc.  iSuppl. 
2,  36). 

1)  Raccolta  d'alcune  particolari  operette  spirituali  e  profane  proibite 
.  .  .  illecite,  Data  alla  luce  la  seconda  volta  con  altre  operette,  e  con  un' 
aggiunta  sommaria  delli  Decreti  o  Constituzioni  Apostoliche  pertinenti  al 
S.  üffizio,  e  delle  Proposizioni  dannate  da  Martino  V.  sino  al  Regiiante 
Ponteßce  Innocenzo  XIII.,  e  con  la  notizia  degP  atti,  e  resoluzionc  nella 
causa  de'  Riti  Cinesi,  Dal  Padre  F.  Giuseppe  Maria  Berti  Inquisitore  di 
Pavia.  Pavia  per  Rovedino.  Con  licenza  de'  Superiori,  1722.  238  S.  8 
(Schoettgen  lU,  §  82.  Petzh.  p.  151  b.  Petzh.  erwähnt  auch  Ausgaben  von 
1715  und  1717). 


Index  Benedicts  XIV.  39 

gregation  damit  beauftragt;  der  von  dieser  hergestellte  Index 
werde  hiemit  bestätigt^).  Dann  folgen  eine  Vorrede  des  Secretärs 
der  Index- Congregation  Thomas  Augustinus  Ricchini,  die  Trienter 
Regeln  nebst  den  Observationen  Clemens'  VIII.  und  Alexanders  VII. 
(und  einer  neuen  Observatio  zu  Reg.  4  über  das  Bibellesen,  s.  u.) 
und  die  Instruction  Clemens'  VIIL,  die  erwähnte  Bulle  von  1753 
und  dann  eine  Zusammenstellung,  die  sich  hier  zuerst  findet: 
Decreta  de  libris  prohibitis  nee  in  Indice  expressis,  später  ge- 
wr>hnlich  Decreta  generalia  genannt.  Da  die  verbotenen  Bücher, 
hcisst  es  in  der  Einleitung  dazu,  wegen  ihrer  grossen  Zahl  nicht 
alle  einzeln  im  Index  verzeichnet  werden  können,  so  hat  man 
geglaubt,  sie  unter  bestimmte  Kategorieen  ordnen  und  einen 
Index  derselben  nach  den  Materien,  worüber  sie  handeln,  an- 
fertigen zu  müssen,  so  dass  man  daraus  erkennen  kann,  ob  ein 
Buch,  welches  nicht  im  Index  steht  oder  nicht  unter  die  Regeln 
des  Index  fällt,  unter  die  verbotenen  zu  zählen  sei. 

Ueber  die  Aenderungen,  welche  in  dem  Index  selbst  vor- 
genommen worden  sind,  heisst  es  in  dem  Vorwort  Ricchini's : 

Bei  dem  Verzeichnen  der  Bücher  haben  wir  mehr  auf  die 
Familiennamen  als  auf  die  Vornamen  Rücksicht  genommen,  fin  den 
älteren  Indices  sind  die  Vornamen  vorangestellt  und  wird  bei  den 
Familiennamen  anf  jene  verwiesen;  z.  B.  Jacobi  Angustini  (sie) 
Thuani  Historiae ;  Augusti  Thuani  vide  Jacobi  Augusti ;  Thuanus 
vide  Jacobi  Augusti,  —  bei  Ben.  nur :  Thuanus,  Jac.  Aug.,  Historia- 
mm  u.  8.  w.  (vollständiger  Titel)].  Als  Familiennamen  haben  wir 
auch  angenommene  JNTamen  behandelt.  [In  der  Vorrede  vor  dem  Index 
von  1819  ist  beigefügt:  Die  Bücher,  deren  Verfasser  nur  mit  Anfangs- 
buchstaben bezeichnet  sind,  haben  wir  unter  diesen  aufgeführt .  — 
Thesen  und  Disputationen  stehen  nicht  unter  dem  Namen  der  Schüler 
[Respondenten],  sondern  der  Lehrer  oder  Praesides,  welche  in  der 
Regel  die  Verfasser  sind,  —  falls  nicht  bloss  ein  Name  auf  dem 
Titel  steht  oder  der  Schüler  als  wirklicher  Verfasser  bekannt  ist. 
—  Werden  zwei  Verfasser  genannt,  so  steht  das  Buch  unter  dem 
Namen  des  ersten,  werden  mehrere  genannt,  unter  dem  Schla^worte 
des  Titels.  —  Anonyme  Schriften  sind  in  das  Alphabet  eingereiht. 
Wenn    einige    Bücher,    die    nicht    anonym    erschienen    sind,     ohne 


1)  Der  Index  erschien  in  zwei  Ausgaben:  Index  Librorum  prohibi- 
torum  SSmi  D.  N.  Benedicti  XIV.  Pontificis  Maximi  jvssv  Recognitus, 
atque  editus.  Romae  1758  Ex  Typographia  Reverendae  Camerae  Apostoli- 
cae.  Cum  Sumrai  Pontificis  privilegio.  6  Bl.  XXXIX  und  268  S.  4.*  GBl. 
XXXVl  und  304  S.  8.*  Beide  Ausgaben  haben  ein  Titelkupfer  mit 
der  Unterschrift  aus  Apg.  19,  19  (I  S.  8). 


40  Index  Benedicts  XIY. 

Nennung  des  Verfassers  verzeichnet  werden,  so  ist  dieses,  wie  in 
früheren  Indices,  so  auch  in  diesem  nicht  ohne  Grund  geschehen 
[um  den  Verfasser  zu  schonen,  wie  bei  Valerius  Andreae,  Scipio 
Maffei  und  vielleicht  Fr.  van  Heussen ;  mitunter  sind  aber  die  Namen 
wohl  aus  purer  Nachlässigkeit  weggelassen].  —  Bei  den  schon  in 
dem  Trienter  oder  Clementinischen  Index  stehenden  Autoren  und 
Büchern  ist  Ind.  Trid.  resp.  Append.  Ind.  Trid.  beigefügt,  bei  den 
seit  1596  verbotenen  Büchern  das  Datum  des  Verbotes  [mitunter 
mit  einer  genauem  Bestimmung,  wie  bei  dem  Augustinus  des  Jan- 
senius  Bulla  Urbani  VIII.  6.  Martii  1641  et  Decr.  (S.  0.)  23.  Apr. 
1654]. 

Ferner  bringt  Kicchini  noch  folgende  Bestimmungen  in 
Erinnerung:  Wenn  bei  Büchern  Ort  und  Jahr  des  Drucks  ange- 
geben wird,  so  gilt  das  Verbot  nur  für  die  betreflfende  Ausgabe, 
nicht  auch  für  verschiedene  oder  verbesserte  Ausgaben.  Fehlt 
der  Zusatz,  so  gilt  das  Verbot  für  alle  Ausgaben  (s.  u.  §  14). 
Von  einem  verbotenen  Buche  sind  auch  alle  Uebersetzungen 
verboten  (I  S.  540).  Wenn  einem  Verbote  donec  corrigatur  oder 
donec  expurgetur  beigefügt  ist,  bleibt  die  Verbesserung  der 
Index-Congregation  vorbehalten  (I  S.  431).  Ueber  die  Strafbe- 
stimmungen  s.  S.  7.  Dass  in  diesem  Index  zahllose  Fehler 
der  früheren  corrigirt  sind,  wurde  bereits  I  S.  2  hervorgehoben. 

Viele  Berichtigungen,  welche  der  Index  Clemens'  VIII.  Bene- 
dict XIV.  oder  Ricchini  zu  verdanken  hat,  sind  bereits  im  1.  Bande 
erwähnt.  Zu  einigen  hat  J.  G.  Schelhorn  die  Veranlassung  gegeben, 
welcher  De  consilio  de  emendanda  ecclesia  I,  46  (I  S.  397)  auf 
manche  Fehler  aufmerksam  machte,  worauf  Card.  Querini,  Epist. 
403,  antwortete,  seine  Monita  würden  berücksichtigt  werden  (I  S.  396. 
238.  2.H9).  Manche  schlimme  Fehler  sind  freilich  stehen  geblieben, 
z.  B.  Barth.  Conformi,  Jo.  Purpurei,  Pasquillus  Fagius,  Th.  Corbeau, 
Jo.  Fabricius,  G.  Hantz,  Jo.  Host,  Chr.  Molhusensis,  A.  Munsholt, 
Hier.  Pumekchius,  Zeghelstein;  vgl.  I  S.  515.  —  Einige  bei  Clem. 
stehende  Autoren  und  Bücher  sind  weggelassen,  wahrscheinlich  nicht 
mit  Absicht,  sondern  durch  ein  Versehen,  z.B.  Barth.  Fontius,  Onus 
Ecclesiae,  Aequitatis  discussio.  —  Von  den  durch  Ben.  vorgenom- 
menen Berichtigungen  und  Modificationen  der  seit  1 600  erschienenen 
Indices  wird  später  die  Rede  sein. 

In  den  Decreta  generalia^)  hat  §  I  die  Ueberschrift :  „Verbotene 
Bücher,  welche  von  Ketzern  geschrieben  oder  herausgegeben  sind 
oder  sich  auf  sie  oder  die  Ungläubigen  beziehen.*'  Er  enthält  folgende 
Nummern;  1.  Agenden  oder  Gebetsformeln  oder  Officia  derselben 
(I  S.  513).    —    2.  Alle  Apologieen,    in  denen   ihre  Irrthümer   ver- 


1)  Vgl.  A.  J.  F.  I,  1219. 


Decreta  generalia.  41 

theidigt  oder  erläutert  oder  begründet  werden.  —  3.  Bibeln,  die  von 
ibnen  herausgegeben  oder  mit  Anmerkungen,  Argumenten,  Summa- 
rien, Scholien  und  Indice«  von  ihnen  versehen  sind  (I  S.  332).  — 
4.  Bibeln  oder  Theile  derselben,  die  von  ihnen  versificirt  sind 
(I  S.  332).  —  5.  Kalender,  Martyrologien  und  Kekrologien  derselben 
(I  S.  513).  —  6.  Gedichte,  Erzählungen,  Eeden,  Bilder,  Bücher, 
wodurch  ihr  Grlaube  und  ihre  Religion  empfohlen  wird  (sie  wegen 
ihres  Glaubens  und  ihrer  Religiosität  gelobt  werden;  I  S.  541). — 
7.  Alle  Catechesen  und  Catechismen,  welchen  Titel  sie  auch  haben 
mögen:  ABC-Bücher,  Erklärungen  des  apostolischen  Glaubensbe- 
kenntnisses, der  zehn  Gebote,  oder  Unterweisungen  in  der  christ- 
lichen Religion,  Loci  communes  u.  s.  w.  —  8.  Colloquien,  Confe- 
renzen,  Disputationen,  Synoden,  Synodalacten  über  den  Glauben  und 
Glaubenssätze,  welche  von  ihnen  herausgegeben  sind  und  in  welchen 
irgendwelche  Erklärungen  ihrer  Irrthümer  enthalten  sind.  —  9. 
Confessionen,  Artikel  oder  Glaubensformeln  derselben  (I  S.  420). 
—  10.  üictionarien  aber,  Vocabularien,  Lexica,  Glossare,  Thesauri 
und  ähnliche  Bücher,  die  von  ihnen  verfasst  oder  herausgegeben  sind, 
wie  die  von  Heinrich  und  Carl  Stephanus,  Jo.  Scapnla,  Jo.  Jac. 
Hofroann  u.  s.  w.  werden  nur  gestattet  nach  Beseitigung  dessen, 
was  sie  gegen  die  katholische  Religion  enthalten  (I  S.  337).  — 
11.  Alle  Bücher,  welche  Unterweisungen  oder  Riten  der  Secte  der 
Muhammedaner  enthalten  (I  S.  137).  —  Einige  dieser  Bestimmungen 
werden  im  Index  selbst  unter  Apologia,  Catechesis,  CoUoquium, 
Confessio,  Disputatio  wiederholt  und  dann  die  einzelnen  Bücher  der 
betreffenden  Kategorie,  die  bis  dahin  im  Index  standen,  weggelassen, 
z.  B.  Apologia  Confessionis  Augustanae  (Ind.  Trid.).  Et  caeterae 
oranes  haereticorum  apologiae.  Vide  Decreta  §  I  n.  2. 

§  II  „Verbotene  Bücher  über  bestimmte  Gegenstände"  stellt 
Verbote  zusammen,  die  meist  erst  im  17.  und  18.  Jahrhundert  vor 
und  nach  erlassen  waren  und  von  denen  noch  die  Rede  sein  wird. 
Aus  dem  16.  Jahrhundert  stammen  davon  nur  folgende:  7.  Bücher, 
welche  über  Duelle  handeln,  Briefe,  Schriftchen  und  Schriften,  worin 
dieselben  vertheidigt,  angerathen,  gelehrt  werden.  Wenn  aber  der- 
gleichen Bücher  geeignet  sind,  Streitigkeiten  beizulegen  und  Ver- 
ständigungen herbeizuführen,  werden  sie,  wenn  sie  expurgirt  und 
approbirt  sind,  gestattet  (I  S.  511).  13.  Alle  Pasquille,  welche  aus 
Bibelstellen  zusammengesetzt  sind;  desgleichen  alle  Pasquille,  auch 
geschriebene,  und  alle  Schriften,  in  denen  Gott  oder  den  Heiligen 
oder  den  Sacramenten  oder  der  katholischen  Kirche  oder  dem  aposto- 
lischen Stuhle  irgendwie  zu  nahe  getreten  wird  (I  S.  268).  — 
Auch  die  in  §  III  „Verbotene  Bilder  und  Ablässe",  und  in  §  IV 
,,Einige  auf  die  h.  Ritus  bezügliche  Verbote"  stehenden  12  bezw.  8 
Verbote  werden  im  einzelnen  noch  zur  Sprache  kommen. 


42  Index  von  Sandoval. 


7.   Der  Index  des  spanischen  GeneraMnqnisitors 

Sandoyal  1612. 

Der  nächste  spanische  Index  prohibitorias  et  expurgato- 
rius  nach  dem  von  Quiroga  von  1583  und  1584  (I  S.  490)  ist 
der  im  J.  1612  von  dem  General-Inquisitor  Bernardo  de  Sandoval 
y  RoxaSy  Cardinal  und  Erzbischof  von  Toledo,  publicirte  *).  Im 
J.  1614  folgte  eine  Appendix  dazu  2).  1619  erschien  zu  Genf  ein 
Nachdruck  des  Index  mit  der  Appendix  mit  einer  Widmung  an 
Friedrich  V.,  Kurfürsten  von  der  Pfalz,  und  einer  polemischen 
Vorrede  von  Benedict  Turretini^).  —  Im  J.  1628  wurde  dieser 
Index  auf  Befehl  des  General- Inquisitors  Cardinal  Antonio  Za- 
pata  für  Sicilien  in  Palermo  gedruckt^). 


1)  Index  librorum  prohibitorum  et  expurgatorum  111.™*  ac  R°>iD.  D. 
Bernardi  de  Sandoval  et  Roxas  S.  R.  E.  Presb.  Cardin,  tit.  8.  Anastasiae 
Arcbiepisc.  Toleiani  Hispaniarum  Primatis  Maioris  Castellae  Cancellarii 
Generalis  Inquisitoris  Rcgii  Status  Consiliarii  etc.  auctoritate  et  jussu  editus. 
De  consilio  Supremi  Senat us  S^^  Generalis  Inquisitionis  Hispaniarum. 
Madriti  apud  Ludovicum  Sancbez  Typogr.  Regium  1612.  71  Bl.  739  pagi- 
nirte  und  5  nicbt  paginirte  S.  Fol.  Vgl.  Hofifmann  p.  204. 

2)  Appendix  prima  ad  Indicem  librorum  ....  Hispaniarum.  Am 
Ende :  Madriti  Excudebat  Ludovicus  Sancius,  Typogr.  Regius  1614. 

8)  Index .  .  .  Hispaniarum.  Juxta  exemplar  excusum  Madriti  Apud 
Ludouicum  Sancbez  Typographum  Regium,  Anno  1612.  cum  appendice  anni 
1614.  Auctus  B.  Turrett.  praefatione  &  Hispanic.  Decret.  Latina  versione. 
Indicis  huic  libro  nomen  praefigitur  aptc:  Nam  propria  Sorices  indicio 
pereunt.  Genevae.  Sumptibus  Jacobi  Crispini.  Anno  1619*  in  Quart:  zu- 
erst 4  BI.)  18  S.  und  17  BL,  dann  Index  auctorum  et  librorum  prohibi- 
torum, 110  S.  und  5  BL;  dann  Index  librorum  expurgatorum  5  Bl.  und 
880  S.  (p.  825  beginnt  die  Appendix),  zuletzt  2  Bl.  (Errata).  Vgl.  Hofmann 
p.  188.  Mein  Exemplar  hat  vorn  nur  17  Bl.  (es  fehlen  die  Widmung  an 
Friedrich  V.  und  die  Vorrede  von  Turretini  und  am  Schlüsse  die  2  BL). 
Andere  Exemplare  sind  in  derselben  Weise  (zum  Gebrauche  für  Katho- 
liken) castrirt,  haben  aber  ausserdem  noch  ein  anderes  Titelblatt:  Index 
.  .  .  anni  1614.  Sumptibus  Jacobi  Crispini.  1620.*  —  Das  Motto,  welches 
Turretini  auf  'das  Titelblatt  gesetzt,  ist  eine  Anspielung  auf  Ter.  Eun. 
5,  7:  Egomet  meo  indicio  miscr  quasi  sorex  hodie  perii.  Mendham  p.  135. 

4)  Index  Librorum  prohibitorum  et  expurgatorum  111.™*  ....  His- 
paniarum.^ Denuo  cum  suis  appendicibus  usque  hodie  in  lucem  editis, 
Typis  mandatus  ab  lUustriss.  ac  Reverendiss.  D.  D.  Antonio  Zapata,  S.  R.  E. 
Tituli  Sanctae  Sabinae  Presbitero  Cardinali  in  Hispaniarum  Kegnis  Inqui- 
sitore  Generali,  et  Regii  Status  Consiliario,  etc.  De  ejusdem  Supremi  Se- 
natus  Sanctae  Generalis  Inquisitionis  mandato.  Madriti  1612.  Et  Panormi, 
ex  Typographia  Maringo.  1628.*  6  BL,  494  S.,  6  BL,  28  S.,  6  BL  Kleinfol. 
(Strassburg). 


Index  von  Sandoval.  48 

An  der  Spitze  steht  ein  Breve  Paals  V.  vom  26.  Jan.  1612, 
ähnlich  dem  Breve  Pauls  IV.  vor  dem  Index  des  Valdes  vom 
J.  1559  (I  S.  301).  Der  Papst  sagt:  da  er  erfahren,  dass  die 
Ermächtigungen  zum  Lesen  verbotener  Bücher  in  den  spanischen 
Reichen  zu  zahlreich  geworden,  so  annullire  er  alle  von  ihm, 
seinen  Vorgängern,  dem  Grosspönitentiar,  den  Ordinarien  oder 
anderen  in  irgendwelcher  Form  irgendwelchen  Personen  mit 
Ausnahme  des  General-Inquisitors  ertheilten  Ermächtigungen  zum 
Lesen  von  Büchern,  die  von  ihm  oder  seinen  Vorgängern  oder 
von  dem  spanischen  General-Inquisitor  verboten  seien,  und  ver- 
biete das  Lesen  u.  s.  w.  solcher  Bücher  bei  Strafe  der  dem 
Papste  und  dem  General-Inquisitor  reservirten  Excommunicatio 
latae  sent.  Dann  folgt  ein  Edict  des  General-Inquisitors  vom 
12.  Dec.  1612,  worin  er  kraft  der  apostolischen  Gewalt  und 
Autorität,  die  er  als  General-Inquisitor  in  den  spanischen  Reichen 
besitze  und  die  ihm  speciell  durch  das  erwähnte  apostolische 
Schreiben  übertragen  werde,  die  in  dem  neuen  Index  enthaltenen 
Bücher  unter  den  gewöhnlichen  Strafandrohungen  verbietet;  den 
angedrohten  Censuren  sollen  jedoch  diejenigen  nicht  verfallen, 
welche  BUcher  der  2.  Glasse  besitzen,  bei  denen  der  Index  nur 
eine  Explicacion  oder  Caucion  angibt;  sie  sollen  aber  diese  ihrem 
Exemplare  beischreiben. 

Die  14  Regeln  schliessen  sich  dem  Inhalte  und  der  Form 
nach  mehr  an  die  Trienter  Regeln  an  als  die  von  Quiroga.  In 
der  2.  wird  auf  das  Verzeichniss  der  Häresiarchen  verwiesen 
(I  S.  495);  in  der  10.  werden  alle  seit  1584  anonym  und  ohne 
Angabe  des  Druckers  erschienenen  Bücher  verboten. 

„In  Erwägung,  dass  der  h.  apostolische  Stuhl,  dem  wir  alle 
folgen  müssen,  in  dem  von  Pius  IV.  und  dann  von  Clemens  VIII. 
veröffentlichten  Index  die  Bücher  in  Classen  geordnet  hat  und 
dadurch  das  Verständniss  erleichtert  wird,''  hat  Sandoval  die 
drei  Classen  des  Römischen  Index  adoptirt,  —  diese  Einthei- 
lung  behielten  auch  die  folgenden  spanischen  Indices  bei,  — 
mit  der  Modification,  dass  er  bei  vielen  Namen  der  1.  Classe, 
wie  schon  Quiroga,  die  Schriften  verzeichnet,  welche  nach  vor- 
heriger Expurgation  erlaubt  werden.  Die  Schriften,  von  welchen 
in  dem  Index  expurgatorius  eine  Expurgation  gegeben  wird, 
sind  mit  *  bezeichnet    Am  Schlüsse  der  einzelnen  Buchstaben 


44  Index  von  Sandoval. 

der  2.  und  3.  Classe  stehen  in  besonderen  Abtheilungen  die 
spanisclien,  portugienischen,  italienischen,  französischen  und 
flämischen  und  deutschen  Bücher.  Bei  der  1.  Classe  stehen  in 
der  spanischen  Abtheilung  nur  Gonstantino  de  la  Fuente  und  in 
der  Appendix  Joan.  Auentrote,  ferner  Erasmus  mit  der  Bemer- 
kung, dass  alle  seine  Werke  in  der  Volksprache  verboten  seien, 
und  mit  einer  ähnlichen  Bemerkung  Pedro  Ramos,  in  der  italie- 
nischen Machiavelli. 

Es  folgt  eine  nicht  unterzeichnete  (von  dem  Bearbeiter  des 
Index  herrührende)  Notiz  Ad  lectorem,  worin  es  heisst: 

Schriften  von  verdammten  Autoren,  die  nicht  über  Religion 
bandeln,  sind  sorgfältig  expurgirt  worden,  um  sie  den  Gläubigen 
gestatten  zu  können.  Auch  in  Schriften  von  Orthodoxen  sind  einige 
Versehen  oder  missverständliche  Ausdrücke  gefunden  worden,  die 
zu  einer  Expurgation  oder  zur  Beifügung  einer  Erklärung  oder 
Warnung  Anlass  gegeben  haben,  während  im  übrigen  die  Frömmig- 
keit und  Gelehrsamkeit  dieser  Schriftsteller  und  ihr  Eifer  für  die 
katholische  Religion  das  höchste  Lob  verdienen.  Einige  wenige  an- 
dere sind,  obschon  sich  in  ihren  Werken  einiges  findet,  was  mit  der 
gesunden  Lehre  nicht  übereinstimmt,  mit  Stillschweigen  übergangen, 
weil  einerseits  ihr  höheres  Alter,  ihre  nicht  zu  verachtende  Würde 
und  Autorität  und  ihre  grossen  Verdienste  um  die  Kirche  sie  schützen, 
anderseits  das,  was  zu  der  Zeit,  in  welcher  sie  schrieben,  vielleicht 
noch  nicht  genügend  klar  gestellt  war,  später  von  gelehrten  und 
frommen  Männern  in  Disputationen,  Vorlesungen  und  Schriften  ge- 
nügend widerlegt  worden  ist  und  darum  zu  unserer  Zeit  so  gut 
wie  gar  keinen  Anstoss  und  keine  Gefahr  mehr  bringt  ...  Es  wird 
jetzt  die  Expurgation  von  mehr  als  300  Schriften,  und  zwar  den 
verbreitet sten,  geboten.  Weitere  Expurgationen  bleiben  vorbehalten. 
Die  Gelehrten  mögen  dabei  die  Inquisition  unterstützen. 

Der  Index  prohibitorius  enthält  alles,  was  in  dem  Index 
Clemens'  VIIL,  ausserdem  fast  alles,  was  bei  Quiroga  steht  und 
aus  diesem  zwar  grossentheils  von  Sixtus  V.,  aber  nicht  von 
Clemens  VIII.  aufgenommen  ist.  Es  sind  aber  viele  neue  Ver- 
bote hinzugekommen.  Namentlich  ist  die  1.  Classe  stark  ver- 
mehrt (bei  A  z.  B.  um  33  Namen).  Es  sind  meist  deutsche  Schrift- 
steller, ohne  Zweifel  aus  den  Messcatalogen  (I S.  410),  beigefügt, 
von  denen  in  den  Römischen  Indices  zum  Theil  einzelne  Schrif- 
ten verboten,  die  aber  meist  in  diesen  gar  nicht  erwähnt  werden 
und  grossentheils  auch  ganz  unbedeutend  und  jetzt  verschollen 
sind,  wie  Abel  Nezenius,  Abel  Vinarius,  Abraham  Saurius,  Ada- 
mas Schramus  n.  s.  w.  —  Die  nach  1596  in  Rom  verbotenen  Btlcher 


Index  von  Sandoval.  45 

hat  Sandoval  bei  weitem  nicht  alle  aufgenommen  and  bei  den- 
jenigen, welche  sich  auch  bei  ihm  finden,  ist  es  vielfach  nicht 
sicher,  dass  er  sie  aus  den  Komischen  Decreten  entnommen  hat. 

Für  seinen  Index  expurgatorius  hat  Sandoval  den  von 
Quiroga  und  den  von  Brasichellensis  benutzt  (I  S.  554),  aber 
viele  neue  Expurgationen  beigefügt. 

Die  Appendix,  —  sie  wird  als  prima  bezeichnet;  es  ist 
aber  keine  weitere  erschienen,  —  enthält  ein  Edict  vom  26. 
Aug.  1614,  einige  Moditicationen  der  Regeln,  einige  Nachträge 
zu  dem  Index  expurgatorius  und  namentlich  eine  Anzahl  von 
neuen  Expurgationen. 

Nach  einer  am  Ende  des  Index  stehenden  Notiz  ist  derselbe 
von  dem  Carmeliter  Fraucisco  de  Jesns  y  Xodar  redigirt  worden 
nnd  haben  ausserdem  der  Canonicus  Geronimo  Ruiz  de  Camargo 
von  Avila,  der  Jesuit  Juan  de  Pineda  und  der  Dominicaner  Thomas 
Malvenda  daran  gearbeitet. 

Schneemann  (Weitere  Entwicklung  der  thomistisch-molinisti- 
schen  Controverse,  8.  34)  berichtet:  der  Dominicaner  Baflez,  der 
Hauptgegner  des  Jesuiten  Molina,  habe  (1593)  bei  der  Inquisition 
zu  Stande  gebracht,  dass  sie  die  Abfassung  eines  Index  librorum 
prob,  den  beiden  Universitäten  Alcala  und  Salamanca  übertragen 
habe.  In  Salamanca  sei  Baflez  selbst  sammt  seinem  Gesinnungsge- 
nossen, dem  Mercedarier  Zumcl  in  die  mit  der  Censur  beauftragte 
Commission  gewählt  worden  und  beide  hätten  Molina's  Buch  unter 
die  zu  censurirenden  Bücher  aufnehmen  wollen.  Der  Benedictiner 
Alphons  Curiel  habe  an  den  General-Inquisitor  geschrieben :  die 
ganze  Sache  mit  dem  Index  sei  nur  eine  von  Baflez  und  Zumel 
gegen  Molina  geschmiedete  Intrigue  und  an  eine  gründliche  Prü- 
fung von  dessen  Buch  sei  nicht  zu  denken.  Dadurch  und  durch  das 
unkluge  Auftreten  der  Freunde  des  Baflez  sei  der  Plan  vereitelt 
worden.  —  Ein  Index  ist  damals  jedenfalls  nicht  zu  Stande  gekom- 
men. Bei  Sand,  findet  sich  nur  ein  einziges  mit  dem  „thomistisch- 
molinistischen  Streite"  zusammenhangendes  Verbot:  Der  Commentar 
des  Petrus  de  Cabrera  zu  der  Pars  3.  S.  Thomae  wird  in  der 
Appendix  verboten,  donec  corrigantur  ea,  in  quibus  transgreditur 
terminos  in  materia  de  auxiliis  ab  Apost.  Sede  ac  S.  Inquisitionis 
officio  pracscriptos  (bei  Sot.  steht  eine  Expurgation).  In  einem  1601 
erschienenen  Commentar  zu  der  Pars  3.  von  Didacus  Nuflus,  einem 
Anhänger  des  Baflez,  soll  an  zwei  Stellen  Caute  lege  beigeschrieben 
werden. 

Von  den  in  den  Römischen  Decreten  1603 — 9  verbotenen 
Büchern  steht  nur  etwa  die  Hälfte  bei  Sand.;  die  meisten  anderen 
sind  von  Sot.  aufgenommen,  aber  auch  bei  ilini  finden  sich  z.  B. 
nicht  Giordano  Bruno,  Alex.  Carorius,  Paulus  Benins,  Gregorius 
Richter,  Jo.  Mth.  Velmatius,    Scipio  Calandrini.     Die  Schriften  von 


46  Lissaboner  Index  von  1624. 

Jacob  I.  und  "William  Barclay,  die  in  Eom  1609  verboten  worden, 
stehen  nicht  bei  Sand.,  aber  bei  Zapata  (1632,  Jacob  I.  nicht  mehr 
bei  Sot.),  die  von  Eoger  Widdrington,  die  in  Rom  1614  verboten 
wnrden,  in  der  Appendix. 

In  der  Appendix  wird  zu  der  12.  Regel  bemerkt:  die  Expur- 
gation  der  einzelnen  Exemplare  nach  dem  Index  expurgatorius  dtirfe 
von  jedem  dazu  Befähigten  vorgenommen,  müsse  dann  aber  einem 
Beamten  der  Inquisition  vorgelegt  und  von  diesem  unterzeichnet 
werden.  Ehrenvolle  Epitheta  der  Autoren  der  l.Cl.  und  die  Namen 
der  Häresiarchen  (sowie  nach  dem  speciellen  apostolischen  Mandate 
der  des  C.  Molinaeus)  seien  auch  dann,  wenn  es  im  Ind.  exp.  nicht 
ausdrücklich  vorgeschrieben  werde,  zu  streichen  (s.  §  14). 

In  der  Ausgabe  von  Palermo  steht  ein  kurzes  Vorwort  von 
den  Capellanes  des  Card.  Zapata,  Dr.  Juan  de  la  Cueva  und  Dr. 
Martin  Real,  vom  24.  Oct.  1627,  worin  sie  sagen,  sie  seien  schon 
im  März  1626  von  dem  damaligen  General-Inquisitor  Andres  Pacheco, 
Patriarchen  von  Indien,  beauftragt  worden,  einen  Abdruck  des  Index 
Sandovals  für  Sicilien  zu  besorgen;  femer  ein  Edict  der  „durch 
apostolische  und  königliche  Autorität  deputirten  Inquisitoren  für 
das  Königreich  Sicilien  und  die  benachbarten  Inseln",  Dr.  Estevan 
de  Torrezilla  und  Dr.  Juan  de  la  Cueva,  d.d.  Palermo  4.  Juni  1626, 
worin  J.  B.  Maringo  ermächtigt  wird,  unter  Mitwirkung  des  Domi- 
nicaners Decio  Carrega,  Qualificators  der  Inquisition  und  Bücher- 
revisors, den  Index  Sandovals  mit  Beifügung  der  seitdem  von  der 
Inquisition  verbotenen  Bücher  abzudrucken.  Hinter  der  1.  Appendix 
Sandovals  steht  ein  Edict  der  Inquisition  d.  d.  Palermo  10.  Sept. 
1622,  worin  bei  Strafe  der  Excommunication  die  Ablieferung  „ge- 
wisser Medaillen,  Bilder  u.  s.  w.  mit  abergläubischen  Namen  und 
Schriftzügen''  befohlen  wird.  Es  wird  darin  bemerkt,  diese  Dinge 
seien  wiederholt  verboten,  aber  neuerdings  wieder  verbreitet  worden 
unter  dem  Verwände,  dass  die  Namen  Jesus,  Maria  oder  von  Heiligen 
darauf  angebracht  seien.  —  Dann  folgt  eine  zweite  Appendix,  in 
welcher  auf  3  Seiten  die  seit  1614  verbotenen  Bücher  alphabetisch 
verzeichnet,  auf  2  Seiten  einige  derselben  expurgirt  werden.  Unter 
anderm  wird  verordnet,  die  Geschichte  der  Päpstin  Johanna  in  allen 
Büchern  zu  streichen. 


8.   Der  Lissaboner  Index  yom  J.  1624. 

Der  im  J.  1624  von  dem  portugiesischen  General-Inquisitor 
Fernando  Martins  Mascarenhas  herausgegebene  Index  ^)  ist  gleich 


1)  Index  Auctorum  Damnatae  memoriae,  Tum  etiam  Librorum,  qui 
vel  simpliciter,  vel  ad  expurgationem  usquc  prohibcntur,  vt»l  denique  iara 
expurgati  permittuntur.  Editus  auctoritate  Illuatrissimi  Domini  D.  Fer- 
dinandi  Martins  Mascaregnas,    Algarbiorura  Episcopi,    Regii  status  Consi- 


Lissaboner  Index  von  1624.  47 

den  spanischen  ein  probibitorius  und  expargatorius,  unterscheidet 
sich  aber  in  der  Anordnung  von  diesen  in  ähnlicher  Weise  wie 
der  Lissaboner  Index  von  1581  (I  S.  481)  von  dem  von  Quiroga. 
Den  ersten  Theil  bildet  der  Index  prohibitorius  Romanus,  in 
welchem  mit  Beibehaltung  der  drei  Glassen  die  im  Trienter 
und  Cienientinischen  Index  und  in  den  Römischen  Decreten  bis 
zum  J.  1610  incl.  verbotenen  Bücher  jedesmal  in  ein  einziges 
Alphabet  verschmolzen  sind  (S.  1—75).  Als  zweiter  Theil  folgt 
ein  Index  prohibitorius  Lusitaniae  (S.  77 — 194),  dann  Pars 
tertia,  librorum  expurgationem  complectens  (S.  197 — 1047).  — 
Der  portugiesische  Index  prohibitorius  hat  die  drei  Glassen  wie 
der  Römische;  hinter  den  lateinischen  Büchern  stehen,  wie  bei 
Sandoval,  die  Bücher  in  modernen  Sprachen.  Schriftsteller, 
welche  in  der  1.  Glasse  des  Römischen  Index  stehen,  werden 
hier  noch  einmal  aufgeführt,  wenn  Bücher  von  ihnen  nach  vor- 
heriger Expurgation  freigegeben  werden.  Dieser  Index  enthält 
fast  alles,  was  auch  Sandoval  mehr  als  der  Römische  Index  ver- 
bietet; beigefügt  ist  nur  wenig.  Vor  demselben  stehen  einige 
(lateinische)  Vorbemerkungen  und  15  besondere  (portugiesische) 
Regeln.  Auch  vor  dem  Index  expurgatorius  stehen  5  allgemeine 
Bemerkungen.  Die  meisten  Expurgationen  sind  aus  Sandoval 
entnommen.  ^ 

Der  Index  ist  von  dem  Jesuiten  Baltasar  Alvarez  redigirt. 
MaRcarenhas,  1616  von  Paul  V.  zum  General-Inquisitor  ernannt, 
stammte  nach  Seabra  aus  einer  den  Jesuiten  sehr  ergebenen  Familie 
und  war  „mehr  Jesuit  als  die  Jesuiten  selbst."  Wenn  aber  Seabra 
(I,  110  ff.)  die  Publication  dieses  Index  als  den  ersten  erfolgreichen 
Versuch,  dem  Römischen  Index  in  Portugal  Eingang  zu  verschaffen, 
darstellt,  so  ist  das  ganz  unrichtig:  der  Trienter  Index  war  1581, 
der  Clementinische  1597  in  Portugal  pablicirt  worden  (I  S.  481.  543). 
Auch  darin  ist  allem  Anscheine  nach  Seabra's  Darstellung  unrichtig, 
dass  er  angibt,  der  Index  sei  ohne  Vorwissen  Philipps  IV.  publi- 
cirt  und  von  diesem  die  Publication  missbilligt  worden.  Die  that- 
sächlichen  Mittheilungen  Seabra's  (II,  101  ff.)  zeigen  nur,  dass  Phi- 
lipp IV.,  wie  in  Spanien,  so  auch  in  Portugal  die  Inquisition  nicht 


liarii,  ao  Regnorum  Lusitaniae  Inquisitoris  Generalis.  Et  in  partes  tres 
distributus  quae  proxime  sequenti  pagella  explicati  censentur.  De  Con- 
silio  Supremi  Senatus  Sanetac  (ieneralis  Inquisiiionis  Lusitaniae.  —  Auf 
dem  letzten  Blatte:  Ulyssipone  Kx  officina  Petri  Craesbeck,  Rcgii  Typogr. 
Anno  1624.*  13  Bl.  1049  S.  Fol.  (Göttiogen). 


48  Li88al)oner  Index  von  1624. 

frei  scbalten  liess  und  anch  den  staatlichen  Behörden  das  Censur- 
recht  wahrte.  1633  erklärte  er,  er  behalte  in  allen  bei  der  Inqui- 
sition anhängigen  Sachen  sich  selbst  die  letzte  Entscheidung  vor. 
1623  verordnete  er,  kein  ausserhalb  Portugals  gedrucktes  Buch 
dürfe  ohne  Erlaubniss  der  Curia  Palatii  gedruckt  werden,  und  1633 
forderte  er  diese  auf,  bezüglich  der  Ertheilung  der  Druckerlaubniss 
aufmerksamer  und  strenger  zu  sein,  namentlich  bei  Büchern,  die 
sich  auf  die  Zeitgeschichte  und  Staatsverwaltung  bezögen. 

In  dem  Edicte,  welches  an  der  Spitze  des  Index  steht,  ver- 
ordnet der  General-Inquisitor,  alle  in  dem  Index  oder  seinen  Regeln 
verbotenen  Bücher  abzuliefern  oder  wenigstens  ein  Verzeichniss  der- 
jenigen, die  jemand  habe,  einzureichen.  Wer  nach  30  Tagen  noch 
ketzerische  Bücher  besitze,  verfalle  der  Excommunication  und  könne 
als  suspectus  de  fide  verfolgt  werden;  ebenso  jeder,  der  nicht  die- 
jenigen denuncire,  welche  solche  Bücher  besitzen.  Wer  andere  ver- 
botene Bücher  nicht  abliefere  oder  nicht  die  Titel  der  zu  corrigiren- 
den  den  Inquisitoren  angebe,  begehe  eine  Todsünde  und  solle  nach 
dem  Gutdünken  der  Inquisition  bestraft  werden.  Alle  Ermächtigungen 
zum  Lesen  verbotener  Bücher  wurden  zurückgenommen.  —  Wie 
Seabra  (I,  115.  II,  IX)  berichtet,  wurden  nach  der  Publication  des 
Index  die  Bibliotheken  visitirt  und  die  verbotenen  Bücher  wegge- 
nommen. 

In  dem  Römischen  Index  sind  bei  einigen  Autoren  der  1.  Cl. 
Notizen  beigefügt,  wie  Alexander  Seton  Scotus  (apostata  qui  scrip- 
sit  a.  1541).  Hinter  demselben  steht  ein  nach  den  Familiennamen 
geordnetes  alphabetisches  Verzeichniss.  In  diesem  und  im  Index 
selbst  sind  die  von  Sand,  als  Häresiarchen  Verzeichneten  durch 
grössern  Druck  ausgezeichnet. 

In  dem  portugiesischen  Index  stehen  die  italienischen,  fran- 
zösischen, spanischen  und  portugiesischen  Bücher  (unter  em  vulgär 
romance)  und  dann  wieder  die  Hämischen  und  deutschen  (utriusque 
Germaniae  libri)  und  englischen  Bücher  zusammen.  Die  im  Rö- 
mischen Index  stehenden  italienischen  u.  s.  w.  Bücher  sind  hier  nicht 
nochmals  aufgeführt.  Von  den  besonderen  Regeln  diese«  Index  sind 
ausser  der  über  Bibelübersetzungen  (I  S.  834)  zu  bemerken:  4. 
Verboten  sind  Schriften  gegen  Judenthum  und  Islam  in  den  Volk- 
sprachen. 5.  Nicht  verboten  sind  nicht  in  der  Volksprache  geschrie- 
bene Schriften  von  Katholiken  gegen  Ketzer  (I  S.  337).  10.  Weil 
in  Portugal,  namentlich  in  Lissabon  viel  Verkehr  mit  Fremden  aus 
den  ketzerischen  nordischen  Gegenden  ist,  werden  verboten  alle 
Bücher  in  englischer,  flämischer  und  deutscher  Sprache,  die  nicht 
zuvor  von  der  Inquisition  untersucht  sind;  bezüglich  der  franzö- 
sischen wird  Vorsicht  empfohlen. 

Vor  dem  Index  expurg.  steht  die  Bemerkung:  von  der  Ex- 
purgation  einiger  bedeutender  Schriftsteller  sei  Abstand  genommen, 
weil  ihre  irrigen  Ansichten  in  den  Schulen  und  in  anderen  Büchern 
widerlegt  würden  und  nicht  mehr  zu  fürchten  sei,  dass  die  Leser 
dadurch  irre  geleitet  würden.  Gleichwohl  werden  in  keinem  andern 
Index  so  viele  katholische  Schriften  expurgirt  wie  in  diesem  (I S.  6r>0). 


Spanische  Indices  1632—1790  49 

Ausserdem  ist  diesem  Index  eigenthtimlich  die  Expurgatioo  einer 
Reihe  von  astrologischen  Schriften  unter  Bezugnahme  auf  die  Bulle 
Sixtus'  V.  vom  5.  Jan.  1585.  Auch  bellettristische  Schriften  werden 
in  grosser  Zahl  (von  ObscÖnitäten)  expurgirt. 


9.     Spanische  Indices  yon  1632  bis  1790. 

1.  In  der  auf  die  Ausgabe  des  spanischen  Index  von  1612 
zunächst  folgenden  Ausgabe,  die  1632  von  dem  General-Inqui- 
sitor Cardinal  Antonio  Zapata  veröffentlicht  wurde i),  sind  der 
Index  prohibitorius  und  der  expurgatorius  mit  einander  ver- 
schmolzen, die  drei  Classen  aber  beibehalten,  eine  Einrichtung, 
die  sich  auch  in  den  nächstfolgenden  Ausgaben  findet.  Im  übrigen 
unterscheidet  sich  dieser  Index,  abgesehen  von  der  Vennehrung 
der  Verbote  und  Expurgationen,  nicht  wesentlich  von  dem  von 
Sandoval. 

Zapata  war  früher  Erzbischof  von  Burgos,  wurde  1603  Cardi- 
nal, 1620  Vicekönig  von  Neapel,  1626  General-Inquisitor,  f  1635. 
Die  Herausgabe  seines  Index  besorgten  der  Licentiat  Sebastian  de 
Huerta  und  der  Jesuit  Juan  de  Pineda;  letzterer  wird  ihn  redigirt 
haben. 

Vor  dem  Index  steht  ein  Edict  Zapata's  vom  29.  Juli  1631, 
ein  Breve  ürbans  VIII.  vom  17.  Aug.  1627  und  ein  darauf  sich 
beziehendes  Edict  der  span.  Inquisition  vom  21.  Febr.  1628,  durch 
welches  die  Ermiichtigungen  zum  Lesen  verbotener  Bücher  zurück- 
genommen werden.  In  dem  Edict  Zapata's  wird  die  Zahl  der  ver- 
dammten Autoren  und  Schriften  auf  2500  angegeben.  —  Dem  Index 
ist  ein  alphabetisches  Register  beigefügt,  worin  die  Autoren  unter 
dem  Vornamen  und  Zunamen  stehen.  Im  Index  selbst  sind  bei 
einigen  Autoren  Personal-Notizen  beigefügt,  z.  B.  Martinus  Lutherus, 
Islebii  natus  in  Saxonia  a.  1483,  praedicat  contra  indulgentias  1517, 
ab  ordine  religiöse  et  a  fide  catholica  apostata  et  haeresiarcha  1517, 


1)  Schmutztitel:  Novua  Librorum  prohibitorum  et  expurgatorum 
Index  Pro  Catholicis  Hispaniarum  Ilognis,  Philippi  IUI  Rog.  Cath.  An. 
1532.  —  Haupttitcl:  Novus  Index  Librorum  prohibitorum  et  expurgatorum; 
Editus  Autoritate  et  Jussu  Eminent  °^*  ac  Reueren *»*  D.  D.  Antonii  Zapata, 
S.  R.  E.  Preabyt.  Card.  Tit.  S.  Balbiuae;  Protectoris  Hispaniarum;  In- 
quisitoris  Generalis  in  omnibus  Regnis,  et  ditionibus  Philippi  IV.  R.  C. 
et  ab  ejus  Statu,  etc.  De  consilio  Supremi  Senatus  S  Generalis  Inquisi- 
tionis.  Hispaii  ex  Typographaeo  Francisci  de  Lyra.  1632.  40  Bl.  990  S. 
Fol,  P.  947  beginnt  Supplemc^ntum  superioris  catalogi  etc.  (Hofmanii  p.  206. 
Mendham  p.  165.  Schoettgen  II,  §  25). 

Reuflcli,  Iudex  II.  4 


50  Spanische  Indices  1632—1790. 

reperitur  in   lecto    misere    exanimiß    1546.    (Sot.,    der   auch  solche 
Personal-Notizen  hat,  hat  hier  einfach  Haeresiarcha). 

2.  Schon  1640  erschien  wieder  ein  Index,  herausgegeben 
von  dem  General-Inquisitor  Antonio  de  Sotomayor  (Domini- 
caner) i).  Er  hat  durch  einen  in  Lyon  oder  Genf  veranstalteten 
Nachdruck 2)  eine  weitere  Verbreitung  gefunden.  Die  Angabe, 
es  seien  1662  und  1667  in  Madrid  neue  Ausgaben  dieses  Index 
erschienen,  ist  irrig.  Diese  Ausgaben  würden,  da  Sotomayor 
1648,  fast  hundert  Jahre  alt,  gestorben  war  (Quötif  II,  555), 
unter  dem  Namen  seines  Nachfolgers  erschienen  sein.  In  dem 
Edicte  vor  dem  nächsten  spanischen  Index  vom  J.  1707  wird 
der  vom  J.  1640  als  der  zuletzt  vorhergegangene  bezeichnet. 

Das  vom  30.  Juni  1640  datirte  Edict  von  Antonio  de  Soto- 
mayor („Erzbischof  von  Damascus,  General-Inquisitor . . .,  Beicht- 
vater Seiner  Majestät  und  der  Herren  Infanten"  u.  s.  w.)  enthält 


1)  Schmutztitel:  Novissimus  Librornm  prohibitorum  et  expurgan- 
dorum  Index.  Pro  Catholicis  Hispaniaruni  Regnis  Philippi  IUI.  Reg.  Cath. 
Anno  1640.  —  Haupttitel:  Ein  Kupferstich;  unter  demselben:  Jussu  ac 
studijs  111™*  ac  R.  D.  D.  Antonij  a  solo  Maiur  supremi  praesidis,  ac  in 
Regnis  Hisp.  Sicil.  et  Indiar.  Generalis  iuquisitoris  etc.  Librorum  expur- 
gandorum,  luculenter  ac  vigilantissime  recognitus,  Novissimus  Index  De  con- 
silio  Supremi  Senatvs  Inquisitionis  General.  Madriti  ex  TypographaeoDidazi 
Diaz.  An.  1640.*  64  Bl.  984  S.  Fol.  Beigebunden  4  Bl.:  Supplementum 
superioris  catalogi.  Seu  Appendicula  praetermissorum.  In  Indice  expurga- 
torio,   edito  hoc  anno   1640  u.  s.  w.  (Bonn). 

2)  Schmutztitel:  Indices  librorum  prohibitorum  et  expurgandorum 
uovissimi,  Hispanicus  et  Romanus.  Anno  1667  (s  o.  S.  82).  —  Haupttitel: 
Index  librorum  prohibitorum  et  expurgandorum  novissimus.  Pro  Catholicis 
Hispaniarum  Regnis  Philippi  IV,  Regis  Cathol.  111.  ac  R.  D.  D.  Antonii 
a  Sotomaior  Supremi  Praesidis,  &  in  Regnis  Hispaniarum,  Siciliae,  &  India- 
rum  Generalis  Inquisitoris,  &c.  jussu  ac  studiis,  luculenter  &  vigilantissim^ 
recognitus:  De  consilio  Supremi  Senatus  Inquisitionis  Generalis.  Juxta 
Exemplar  excusum  [diese  drei  Worte  in  ganz  kleiner  Schrift;  dann  ein 
grosses  Wappen,  dann]  Madriti,  ex  Typographaeo  Didaci  Diaz.  Subsigna- 
tum  LLdo  Hverta.  M.  DG.  LXVII.*  Auf  die  beiden  Titelblätter  folgt  ein 
Blatt,  welches  auf  der  einen  Seite  ein  Typographus  Lectori  überschrie- 
benes,  auf  den  Abdruck  beider  Indices  bezügliches  Vorwort,  auf  der  andern 
einen  auf  beide  Indices  bezüglichen  Syllabus  contentorum  hat.  Dann  folgen 
p.  I— XX  das  Edict  und  Reglas,  Advertencias  y  Mandatos  spanisch,  p.  XXI 
— XXXI  lateinisch,  103  Bl.  (Index  universalis  etc.)  und  992  S.  (darauf  in 
vielen  Exemplaren  mit  besonderer  Paginirung  der  Index  Alexanders  VII.). 
Der  Index  universalis  (103  Bl.)  ist  in  einigen  Exemplaren  zuletzt  gebunden. 
—  Mendham  p.  172  sagt:  „Turretins  Vorrede  [zu  der  Ausgabe  des  Index 
von  Sandoval,  s.  o.  S.  42]  ist  [zwischen  dem  Vorwort  und  dem  Edict]  wieder 
abgedruckt  nebst  einem  Stück  aus  Junius'  Vorrede  zu  dem  Index  von 
1571  (1  S.  424)  und  einem  Stück  aus  Blondel  De  Joanna  Papissa.^'  Ich 
habe  diese  Zuthaten  in  keinem  Exemplar  gefunden. 


Sotomayor,  1640.  61 

zunächst  eine  lange  Declamation  gegen  die  Ketzer,  welche  ketze- 
rische Bücher  unter  dem  Namen  katholischer  Autoren  heraus- 
gegeben, Bücher  von  Katholiken  interpolirt,  Schriften  von 
Kirchenvätern  (wie  das  Werk  des  Ambrosius  de  sacramentis, 
die  Werke  des  Dionysius  Areopagita  u.  s.  w.)  für  unecht  er- 
klärt, unzählige  katholische  und  fromme  Bücher  verbrannt  u.s.w., 
dann  folgende  „kraft  der  Uns  als  General-Inquisitor  zustehenden 
apostolischen  Autorität  und  Gewalt  und  der  Uns  durch  die  Breven 
des  h.  Stuhles  gegebenen  Vollmacht'^  erlassene  Verordnungen 
(sie  stehen  auch  in  den  folgenden  Indices): 

Alle  io  diesem  Index  verzeichneten  oder  durch  seine  Regeln 
verbotenen  Schriften  sind  binnen  10  Tagen  an  die  Inquisition  abzu- 
liefern. Wer  ketzerische  Bücher  behält,  verfällt  der  Excommuni- 
catio  latae  sent.,  wer  andere  verbotene  Bücher  behält,  der  Exe. 
ferendae  sent.,  die  einen  und  die  anderen  einer  Strafe  von  600  Du- 
caten  und  anderen  arbiträren  Strafen.  Der  Excommunication  verfallen 
auch  diejenigen,  welche  die  Besitzer  von  verbotenen  Büchern  nicht 
dennnciren.  Die  Lossprechung  von  diesen  Censuren  ist  gemäss  den 
Breven  Pauls  V.  vom  27.  Jan.  1612  und  Urbans  VIII.  vom  17. 
Aug.  1627  dem  General-Inquisitor  reservirt.  Der  Index  darf  nicht 
nachgedruckt  und  aus  dem  Lande  exportirt,  ausländische  Nachdrucke 
dürfen  ohne  Erlaubniss  der  Inquisition  nicht  gebraucht  werden. 

In  den  16  Regeln  kommen  u.  a.  folgende  Bestimmungen  vor : 

No.  3  ist  im  allgemeinen  eine  Umschreibung  der  Trienter  Regel, 
hat  aber  den  Zusatz:  „Nicht  verboten  sind  die  Schriften  von  Katho- 
liken, in  welchen  Fragmente  oder  Tractate  von  Haeresiarchen,  gegen 
welche  sie  schreiben,  abgedruckt  sind.  Auch  sind  in  diesen  Büchern 
und  Tractaten  nicht  die  Namen  der  Haeresiarchen  zu  streichen ;  denn 
um  ihre  Irrthümer  zu  widerlegen,  ist  es  erlaubt,  sie  zu  nennen,  wie 
auch  in  geschichtlichen  Büchern,  wie  hiermit  zur  Beseitigung  von 
Scrupeln  erklärt  wird." 

No.  5  entspricht  der  4.  Trienter  Regel.  Bibelübersetzungen 
in  der  Volksprache  werden  unbedingt  verboten,  auch  Epistel-  und 
Evangelienbücher,  auch  wenn  kurze  Erklärungen  beigefügt  sind 
(I  S.  334).  Zur  Beseitigung  von  Scrupeln  wird  erklärt,  dass  die 
hebräische,  griechische,  lateinische,  chaldäische,  syrische,  äthiopische, 
persische  und  arabische  Sprache  keine  Volksprachen  sind^). 

6.  Gut  katholische  Schriftsteller  in  fremden,  mehr  von  Ketze- 
reien angesteckten  Ländern  haben  zum  Zwecke  der  Bekehrung  von 
Ketzern  Schriften  in  ihrer  Volksprache,  um  nicht  als  Katholiken 
erkannt  zu  werden,  pseudonym  oder  anonym  herausgegeben.    Wenn 


• 

1)  P.  501  lässt  Sot.  eine  türkische  Uebersetzung   des  50.  Psalms  in 
1.  Megisers  InBtitutioues  linguae  Turcicae,  Lpz.  1612,  passiren  (vgl.  1 


Hieron.  Megisers 
S.  592). 


52  Spanische  Indices  1632—1790. 

Ton  solchen  Schriften  feststeht,  dass  sie  die  wahre  und  gesunde  Lehre 
enthalten  und  von  Katholiken  verfasst  sind,  wird  das  Lesen  derselben 
gestattet  werden. 

8.  Wenn  von  einem  expurgirten  Buche  eine  neue  Ausgabe 
veranstaltet  wird,  ist  es  nicht  genügend,  die  beanstandeten  oder 
expurgirten  Stellen  am  Anfange  oder  am  Ende  oder  an  einer  andern 
Stelle  zusammen  anzugeben:  sie  sind  vielmehr  im  Texte  selbst  zu 
ändern. 

10.  Alle  seit  1584  ohne  Angabe  des  Verfassers  und  des 
Druckers  gedruckten  oder  zu  druckenden  Schriften  sind  als  ver- 
dächtig verboten.  Weil  aber  viele  gelehrte  und  heilige  Männer  aus 
guten  Gründen  anonym  geschrieben,  soll  diese  Regel  nur  auf  schlechte 
Bücher  Anwendung  finden  und  behalten  wir  uns  bezüglich  der  bis 
1640  erschienenen  Bücher  die  Erklärung  vor. 

Die  Redaction  des  Index  von  1640  hat  (nach  p.  VI)  der 
Secretär  der  Inquisition,  Lic.  Sebastian  de  Huerta,  besorgt.  —  Die 
irrige  Angabe,  der  Index  sei  auch  10)62  und  1667  zu  Madrid  ge- 
druckt, findet  sich  zuerst  bei  Peignot  I,  263;  sie  ist  von  anderen 
nachgeschrieben  worden,  obschon,  so  viel  ich  weiss,  niemand  ein 
Exemplar  dieser  Ausgaben  gesehen  hat.  —  In  vielen  Katalogen  wird 
eine  Ausgabe  „Madriti  1667"  verzeichnet;  damit  ist  aber  immer  der 
Nachdruck  gemeint,  der  auf  dem  Titelblatte  die  Worte  hat:  Juxta 
exemplar  excusum  Madriti  1667,  d.  h.  nach  der  Madrider  Ausgabe 
[von  1640  zu  Lyon  oder  Genf  gedruckt  im  Jahre]  1667.  Der  Nach- 
druck hat  etwas  grösseres  Format  und  grössern  Druck  als  die  Aus- 
gabe,  gibt  aber  den  Index  einschliesslich  des  Supplementes  Seite  für 
Seite  wieder.  Er  steht  seit  1707  im  spanischen  Index,  „weil  er 
ausserhalb  Spaniens  von  Ketzern  veranstaltet  worden**;  speciell  ver- 
boten werden  Praefatio  und  Prologus,  weil  sie  „von  Ketzern  zur 
Verhöhnung  der  h.  Inquisition  geschrieben  sind". 

Im  Buchstaben  A  hat  Sot.  in  der  l.Cl.  über  100  Autoren,  in 
der  2.  in  der  lat.  und  span.  Abtheilung  Bücher  von  15bezw.  17  Autoren, 
in  der  3.  etwa  50  lateinische,  4  spanische,  4  portugiesische,  5  fran- 
zösische Bücher,  die  nicht  schon  bei  Sand,  stehen.  Auch  die  Zahl 
der  Expurgationen  ist  bedeutend  vermehrt.  Manche  derselben  sind 
aus  dem  Lissaboner  Index  von  1624  entnommen. 

Der  Rath  von  Castilien  beantragte  1620,  1631  und  1639  eine 
Beschränkung  der  Autorität  der  Inquisitoren,  welche  das  Privilegium 
hätten,  die  Seele  durch  Censuren,  das  Leben  durch  Qualen,  die  Ehre 
durch  Demonstrationen  zu  gefährden.  Einen  ähnlichen  Antrag  stellte 
—  ebenso  erfolglos  —  1693  eine  Versammlung  von  hohen  Staats- 
beamten unter  dem  Marques  de  Mancera  (Pelayo,  Heterod.  3,  43.  51). 
In  einem  Briefe,  den  Kaiser  Leopold  1696  in  Angelegenheiten  der 
Bollandisten  an  den  König  von  Spanien  schrieb  (Papebroch,  Eluci- 
datorium  p.  157),  wird  erwähnt,  als  Philipp  IV.  Sotomayor  zum 
General-Inquisitor  ernannt,  habe  er  angeordnet,  in  dogmatischen 
Fragen,  bei  denen  die  Jesuiten  betheiligt  seien,  dürfe  ohne  sein  Vor- 
wissen keine  Entscheidung  getroffen  werden ;  er  habe  in  diesen  Fällen 
Theologen  befragt,    die   weder  Jesuiten    noch  Dominicaner    gewesen 


Marin,  1707.  53 

(§  39).  —  Die  Inquisition  wird  es  nicbt  gern  gesehen,  aber  haben  dulden 
müssen,  dass  1664  die  holländische  Kegierung  für  den  Prediger  bei 
ihrer  Gesandtschaft  in  Madrid  eine  ziemlich  bedeutende,  natürlich 
fast  ausschliesslich  aus  protestantischen  Büchern  bestehende  theolo- 
gische Bibliothek  anschaffte  ^). 

3.  Erst  1707  erschien  eine  neue  vermehrte  Ausgabe  des 
spanischen  Index,  die  als  von  dem  General-Inquisitor  Diego 
Sarmiento  de  VoUadores  begonnen,  von  seinem  Nachfolger  Vidal 
Marin,  Bischof  von  Zeuta,  vollendet,  bezeichnet  wird,  in  zwei 
Bänden^).  Zu  diesem  Index  erschien  1739  ein  kleines  Supple- 
ment mit  spanischem  Titelblatt^). 

In  dem  an  der  Spitze  des  Index  stehenden  Edicte  vom  15. 
Juni  1707  sagt  Marin:  der  bereits  begonnene  Neudruck  des  Index 
von  1640  mit  Beifügung  der  seitdem  verbotenen  Bücher  sei  nach 
dem  Tode  seines  Vorgängers  unterbrochen  worden;  er  habe  die 
schon  gedruckten  Bogen,  das  Edict  von  1640  und  die  Regeln  durch- 
sehen lassen  und  an  diesen  nichts  zu  ändern  gefunden.  £s  folgt 
das  £dict  von  1640,  dann  die  vom  16.  Juni  1707  datirte  Erlaub- 
niss  für  Don  Antonio  Alvarez  de  la  Puente,  Secretär  der  Inquisition, 
den  Index,  an  welchem  er  fleissig  gearbeitet,  drucken  zu  lassen, 
dann  die  Regeln.  —  Band  I,  S.  769  steht  die  Notiz:  Soweit  war 
der  Index  bei  dem  Tode  Sarmiento's  gedruckt;  um  die  Verzögerung 
zu  vermeiden,  die  ein  Neudruck  verursachen  würde,  sind  in  der 
folgenden  Apendice  (p.  769 — 791)  die  Bücher  (ausA  —  I)  zusammen- 
gestellt, welche  in  den  letzten  Jahren  verboten  worden  sind. 

In  dem  Index  selbst  sind  die  zu  den  bei  Sotomayor  stehenden 
Sachen  hinzugekommenen   mit  *  bezeichnet.     Es  sind  bei  A  in  der 


1)  Studien  en  Bijdr.  11,  377. 

2)  Schmatztitel  des  1.  Bandes:  Novissimus  librorum  prohibitorum  et 
expurgandorum  Index  pro  Catholicis  Ilispaniarum  Regnis,  Philippi  V.  Reg. 
Cath.  Ann.  1707.  —  Haupttitel:  iudex  expnrgatorias  Hispanus  ab  Ex.™o 
D.^o  D.  Didaco  Sarmiento,  et  VoUadores  inceptus,  et  ab  lll.™o  D."o  D. 
Vitale  Marin  perfectus  Anno  1707.  De  consilio  Suprerai  Senatus  Inqui- 
sitionis  Generalis.  (S.  1.  et  a.)  15  Bl.  (Edict,  Regeln),  791  paginirte  S.  und 
49  nicht  paginirte  8.  Fol.  (alphabetisches  Register  A— K).  —  Titel  des  2.  Ban- 
des: Novissimus  .  .  .  Philippi  V.  Regis  Catholici.  Pars  secunda,  a  littera  L. 
usque  ad  Z.  cum  integro  indice  cognominum  auctorum  primae,  et  secun- 
dae  classis.  Matriti:  Ex  Typographia  Musicae  1707.*  1  Bl.  824  paginirte 
und  72  nicht  paginirte  Seiten  (Register  L— Z;  Druckfehler).  (Hamburg). 

3)  Saplemento  a  el  Indice  Expurgatorio,  que  se  publico  en  veinte 
y  seis  de  Junio  del  aOo  de  1707.  por  el  Santo  Tribunal  de  la  Santa  General 
Inquisicion.  Ponense  en  este  Suplemento  todos  los  Libros  prohibidos, 
mandados  expurgar  desde  el  dicho  dia  hasta  este  presente  afio  de  1739. 
Y  se  ordenan  por  Avecedario  de  los  Nombres  de  sus  Autores,  siguiendo 
en  todo  el  methodo,  y  orden  del  referido  Expurgatorio.  Madrid.  En  la 
Officina  de  Gonzalez  1739.*  2  Bl.  58  S.  Fol.  (dem  Hamburger  Exemplar 
des  Index  beigebunden). 


54  Spanische  Indices  1632—1790. 

1.  Cl.  42,  in  der  2.  17  lat.,  23  span.,  1  französ.,  in  der  3.  1  lat., 
7  spanische. 

In  dem  Register  sind  die  Namen  der  1.  und  2.  Cl.  in  ein 
Alphahet  vereinigt  (die  der  1.  mit  *  hezeichnet);  dann  folgen  bei 
jedem  Buchstaben  die  Anonimos. 

In  dem  Supplement  stehen  ausser  neuen  Büchern  auch  einige, 
die  schon  bei  Sotomayor  standen,  auch  einige  Expurgationen  von 
Sot.  (wie  zu  Alph.  Mart.  Vivaldus  und  Alph.  Tostatus),  die  1707 
ausgelassen  waren. 

4.  Der  letzte  Index,  welcher  als  eine  vermehrte  Ausgabe  des 
von  Sotomayor  bezeichnet  werden  kann,  wurde  1747  von  dem 
General-Inquisitor  Francisco  Perez  de  Prado,  Bischof  von 
Teruel,  veröflFentlicht  0. 

Die  Edicte  von  Marin  und  Sotomayor  sind  in  diesem  Index 
wieder  abgedruckt.  Der  erste  Band  war  bereits  gedruckt,  als  Prado. 
sein  Amt  antrat.  In  beiden  Bänden  stehen  Register  zu  den  drei 
Classen  (die  Autoren  nach  den  Vornamen  geordnet),  im  2.  ein  6e- 
sammt-Eegister  zu  allen  drei  Classen  (die  Autoren  nach  dem  Familien- 
namen geordnet).  Im  2.  Bande  steht  S.  1093  —  96  ein  Suplemento, 
die  während  des  Drucks  verbotenen  Schriften  enthaltend,  und  S. 
1097 — 1112  der  auch  auf  dem  Titelblatte  erwähnte  Cathalogo  de 
los  libros  Jansenistas,  von  dem  später  die  Kede  sein  wird. 

In  diesem  Index  findet  sich  zuerst  bei  manchen  Büchern  die 
Bemerkung,  sie  seien  auch  für  solche  verboten,  welche  eine  Erlaub- 
niss  zum  Lesen  verbotener  Bücher  hätten  ^). 

Im  I.Bande  f.  5.  steht  die  Bestimmung:  es  dürfe  kein  Exem- 
plar des  Index  verkauft  werden,  welches  nicht  von  dem  Jesuiten 
Joseph  Casani,  Qualificator  der  Inquisition  und  Visitator  der  Biblio- 
theken, der  den  Druck  geleitet  habe,  oder  von  seinem  Gehtilfen, 
dem  Jesuiten  Joseph  Carrasco,  unterschrieben  sei.  Das  Stuttgarter 
Exemplar  hat  f.  6  die  Unterschrift  des  letztem. 

5.  Der  nächste  spanische  Index  ^),  den  1790  der  General-In- 


1)  Schmutztitel:  NoviBsimus  librorum  prohibitorum  et  expurgan- 
dorum  Index  pro  catholicis  Hispaniarum  Regnis  Ferdinandi  VI.  Regie 
Catholici.  Haupttitel:  Index  librorum  prohibitorum,  ac  expurgandorum 
novissimus.  Pro  universis  Hispaniarum  Regnis  Serenissimi  Ferdinandi  VI. 
Regia  Catholici,  hac  ultima  Editione  Illust.™*  ac  Rev.™*  D.  D.  Francisoi 
Perez  de  Prado,  Supremi  Pracsidia,  &  in  Hispaniarum  ac  Indiarum  Regnis 
Inquisitoris  Generalis  jussu  novitdr  aactus,  &  luculenter,  ac  vigilantissimd 
correctus.  De  Consilio  Supremi  Senatus  Inquisitionis  Generalis  juxta 
exemplar  excusus.  Adjectis  nunc  ad  calcem  quamplurimis  Bajanorum, 
Quietistarum,  &  Jansenistanim  libris.  Matriti:  Ex  Calcographia  Feruandez. 
1747.*  Zwei  Bände  Fol,  in  dem  1.  14 Bl.  (Edicte,  Regeln),  S.  1-512  und 
und  14 Bl.  (Register);  in  dem  2.  2B1.,  S.  613-1112  und 41  Bl.  (Register). 
(Stuttgart). 

2)  Ich  bezeichne  im  Folgenden  diese  Bücher  als  „strenge  verboten." 

3)  Schmutztitel:  Indice  ultimo  de  los  Libros  prohibidos  y  mandados 


Prado,  1747.  Rubin  de  Cevallos,  1790.  65 

qaisitor  Agnstin  Rubin  de  Cevallos,  Bischof  von  Jaen,  veröffent- 
lichte, hat  eine  ganz  andere  Einrichtung  wie  die  früheren.  Er 
ist  zunächst  ganz  in  spanischer  Sprache  geschrieben;  dann  ist 
die  Eintheilung  in  drei  Classen  aufgegeben  und  alles  in  ein 
Alphabet  zusammengezogen  und  in  ähnlicher  Weise  arrangirt 
wie  in  dem  Index  Benedicts  XIV.;  endlich  sind  die  in  den 
früheren  Indices  stehenden  längeren  Expurgationen  nicht  abge- 
druckt, sondern  durch  einfache  Verweisungen  auf  den  letzten 
von  1747  ersetzt;  z.  B.  Abailardus  (Petrus).  Ejus  Opera.  Tienen 
que  expurgar.  V.  el  Indice  Expurgatorio  del  afio  1747,  pag.  920. 
Nur  ganz  kurze  Expurgationen  sind  abgedruckt.  Mit  Rücksicht 
auf  diese  Abkürzung  wird  der  neue  Index  in  den  Vorbemer- 
kungen als  Indice  Manual  bezeichnet. 

In  den  spanischen  Indices  stehen  natürlich  viele  Bücher, 
die  auch  im  Rom.  Index  stehen,  aber  sehr  viele,  die  sich  in 
diesem  nicht  finden,  und  —  was  bemerkenswerth  ist  —  manche 
Dicht,  die  in  Rom  verboten  waren,  z.  B.  Alamin,  Alva  et  Astorga, 
Alvin,  Alviset,  Alzedo,  Amicus,  Amstelius,  Ansaldus,  Argentano. 

Die  Edicte  in  den  Indices  von  1707  und  1747  sind  in  dem 
von  1790  wieder  abgedruckt.  In  dem  darauf  folgenden  neuen  Edicte 
vom  26.  Dec.  1789  wird  u.  a.  gesagt:  es  seien  in  Spanien  Bücher 
neu  gedruckt  worden,  welche  in  dem  Index  von  1747  ständen,  und 
man  habe  dieses  mit  Unkenntniss  entschuldigt;  die  Entschuldigung 
könne  wegen  der  Seltenheit  und  des  dadurch  bedingten  hohen  Preises 
des  Index  richtig  sein;  [die  Inquisitionsbeamten,  welche  die  Bücher 
zu  approbiren  hatten,  werden  ja  aber  doch  einen  Index  gehabt  haben ;] 
die  Einrichtung,  die  starke  Auflage  und  der  billige  Preis  des  neuen 
Index  werde  jeder  Entschuldigung  die  Thüre  verschliessen.  Femer 
wird  gesagt:  einige  bisher  suspendirte  Bücher  seien  auf  Grund  der 
Prüfung  derselben  freigegeben;  es  würden  ihrer  mehr  freigegeben 
worden  sein,  wenn  die  zu  prüfenden  Bücher  nicht  so  zahlreich  und  so 


expurgar;  para  todos  los  reynos  y  sefiorios  del  Catholico  Hey  de  las 
Espafias,  el  Seflor  Don  Carlos  IV.  —  Haapttitel:  Indice  ultimo  de  los 
Libros  prohibidos  y  mandados  expurgar :  para  todos  los  reynos  y  seüorios 
del  Catholico  Rey  de  las  Espaüas,  el  SeQor  Don  Carlos  IV.  Contiene  en 
resumen  todos  los  Libros  puestos  eu  el  Indice  Expurgatorio  del  afio  1747, 
y  en  los  Edictos  posteriores,  asta  fin  de  Diciembre  de  1789.  Formado  y 
arrrglado  con  toda  claridad  y  diligencia,  por  mandato  del  Exomo.  Sr.  D. 
Agostin  Rubin  de  Cevallos,  Inquisidor  General,  y  Sefiores  del  Supremo 
Consejo  de  la  Santa  General  Inquisicion:  impreso  de  su  orden,  con  arreglo 
al  Exemplar  visto  y  approbado  por  dicho  Supremo  Consejo.  En  Madrid: 
En  la  Imprenta  de  Don  Antonio  de  Sancha.  Alio  de  1790.*  2  Bl.  XL  und 
305  S.  4.  (ReuBch). 


56  Spanische  Indices  1632  —  1790. 

voluminös  wären  und  nicht  die  vielen  Schriften,  womit  die  Ungläu- 
bigen und  Freigeister  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts  die  Welt  über- 
schwemmten, die  Aufmerksamkeit  der  Inquisition  so  sehr  in  Anspruch 
genommen  hätten.  Auf  der  Rückseite  des  Titelblattes  wird  bemerkt: 
die  Inquisition  behalte  sich  vor,  aus  diesem  Index  diejenigen  Werke 
zu  entfernen,  die  auf  Grund  einer  reiflichen  Prüfung  als  unverfäng- 
lich würden  erkannt  werden;  eine  solche  Prüfung  werde,  wie  es 
immer  gehalten  worden  sei,  von  Amts  wegen  oder  auf  Anstehen 
der  Interessenten  vorgenommen  werden. 

Die  16  Regeln  sind  im  wesentlichen  dieselben  wie  in  den 
früheren  Indices;  nur  die  5.  (über  Bibelübersetzungen)  ist  durch  eine 
andere  ersetzt  (s.  u.).  Der  12.  ist  die  Bestimmung  beigefügt,  dass 
jeder  in  seinen  Büchern  die  vorgeschriebene  Expurgation  selbst  vor- 
nehmen dürfe,  dann  aber  binnen  zwei  Monaten  die  expurgirten  Bücher 
einem  Beamten  der  Inquisition  vorzulegen  habe. 

Die  Vorbemerkungen  über  die  Einrichtung  des  neuen  Index 
sind  im  wesentlichen  mit  den  Vorbemerkungen  Ricchini's  zu  dem 
Index  Benedicts  XIV.  gleichlautend.  Bei  den  seit  1747  verbotenen 
Büchern  wird  das  Datum  des  betreffenden  Edictes  angegeben.  Bei 
den  Autoren,  deren  sämmtliche  Werke  verboten  sind,  steht  1.  cl. 
oder  *,  bei  denjenigen  Büchern,  welche  auch  für  diejenigen  ver- 
boten sind,  welche  die  Erlaubniss  zum  Lesen  verbotener  Bücher 
haben  (S.  54),  eine  Hand  Bfl^. 

Die  spanischen  Indices  enthalten  noch  viel  mehr  Fehler  als 
die  Römischen  vor  Ben.  Die  vielen  schon  bei  Sot.  verdruckten 
Namen  (als  Beispiel  mag  Balth.  Isubraarus.  d.  i.  Hubmaier  genügen) 
sind  in  den  folgenden  Indices  nicht  verbessert,  aber  mit  neuen  ver- 
mehrt. So  steht  in  dem  Index  von  1707:  Ahasverus  Fristchius  (i.  e. 
Fritschius)  und  daneben  Hauserus  Fristchius  s.  Fritschus,  in  dem 
vou  1747  auch  Ahasverus  Fisthius;  in  dem  von  1747:  Conr.  Sam. 
Schurfleixh  (Schurzfleisch),  Herm.  Coringius  und  Herrn.  Cocingus 
(Conring),  Gisbertus  Voletius  und  Gilbertus  Boetius  (Gisbert  Voe- 
tius),  in  beiden  Fulko  Grevil,  Theliffe  Ofthe  Renovudne,  Senior 
Phillip.  Cidnaey  (The  life  of  the  renowned  Sir  Philipp  Sidney).  — 
Besonders  nachlässig  redigirt  ist  der  Index  von  1747:  es  stehen 
hier  Bücher  in  der  1.  Cl.,  die  in  die  2.  gehören,  und  umgekehrt, 
und  Bücher  in  der  3.,  die  in  die  1.  oder  2.  gehören.  Mitunter  ist 
der  Name  eines  Schriftstellers  weggelassen,  so  dass  nun  seine  Schriften 
dem  ihm  im  Alphabete  vorhergehenden  zugeschrieben  werden,  wie 
z.  B.  das  Buch  des  Guil.  Budaeus  de  asse  dem  Guil.  Bruez. 

In  dem  Index  von  1790  hätte  vieles  mit  Hülfe  von  Ben. 
corrigirt  werden  können;  aber  die  schlimmsten  Fehler  der  früheren 
Indices  finden  sich  auch  hier  wieder,  wie  Isubmarus,  Cocingius  und 
Coringius,  Grevil,  Theliffe  u.  s.  w.,  fem  er  z.  B.  Bruez  st.  Budaeus, 
Clinspachius  s.  Elimpachius  st.  Flinsbachius,  Delbrunerus  und  Heil- 
brunnerus  s.  Heilbroner  s.  Heilbrunerus,  Crato  a  Krafithum  s.  Kraf- 
fecin  st.  Kraftheini,  Schnedeuwin  und  Schnedeuchsin  neben  Schneide- 
win.  Bei  Sot.  folgt  auf  Wolfg.  Ruess  (I  S.  232)  ein  Wolfg.  Satlerus, 
Medic.  Astron.  Luth. ;  hier  finden  wir  Euez  seu  Satlerus  (Wolphang.), 


Franzosischer  Index  von  1685.  57 

Medic.  etc.  Aus  dem  Titel:  The  mle  and  exercises  of  hilii  [holy] 
living  by  Jer.  Taylor  ist  ein  Schriftsteller  Taytor-By  Jer  construirt 
worden  u.  dgl. 


10.  Französischer  Index  von  1685. 

Im  J.  1685,  kurz  vor  der  Aufhebung  des  Edictes  von  Nantes, 

verordnete  Louis  XIV.  die  Unterdrückung   der  protestantischen 

Schriften,  und  der  Erzbischof  Harlay  von  Paris  publicirte  darauf 

im  Auftrage  des  Parlaments  einen  Catalog  derselben,  der  neben 

dem  Römischen  Index  eine  ganz  unabhängige  Stellung  einnimmt. 

Er  nimmt  weder  auf  diesen  Rücksicht,    noch  ist  er  in  späteren 

Ausgaben  desselben  berücksichtigt  worden. 

Die  Assemblee  du  Clerge  vom  J.  1682  veröffentlichte  ein  Aver- 
tissement  pastoral  a  ceux  de  la  Religion  Prctendue  Reform^e,  pour 
les  porter  ä  se  convertir  et  k  se  reconcilier  avec  TEglise  und  ein  Memoire 
contenant  les  differentes  methodes  dont  on  peut  se  servir  tres-utilement 
pour  la  conversion  de  ceux  qui  fönt  profession  de  la  R.  P.  R.,  die 
Assemblee  von  1685  eine  Erklärung :  Doctrine  de  TEglise  contenue 
dans  notre  Profession  de  Foy  et  dans  les  Decreta  du  Concile  de 
Trente,  opposee  aux  calomnies,  injures  et  faussetez  r^pandues  dans 
les  Ouvrages  des  Pretendus  Reformez;  zugleich  richtete  sie  ein 
Schreiben  an  den  König,  worin  sie  sagt:  sie  verlange  nicht  die  Zu- 
rücknahme der  Edicte,  durch  welche  frühere  Könige  „unter  unglück- 
lichen Zeitverhältnissen  und  aus  Gründen,  die  jetzt  nicht  mehr  exi- 
stirten,  die  Ausübung  der  reformirten  Religion  vorläufig  gestattet," 
bitte  aber  den  König  für  die  Zeit,  während  welcher  jene  Edicte  noch 
in  Kraft  bleiben  sollten,  den  Reformirten  zu  verbieten,  die  katho- 
lische Kirche  in  Predigten  oder  Schriften  zu  schmähen  oder  zu  ver- 
leumden. Louis  XTV.  erliess  darauf  im  August  ein  Edict  (vom  Par- 
lament einregistrirt  23.  Aug.  1685),  worin  den  Reformirten  verboten 
wird,  „gegen  den  Glauben  und  die  Lehre  der  römisch-katholischen 
Religion  zu  predigen  oder  Bücher  zu  veröffentlichen,  ja  irgendwie 
direct  oder  indirect  von  derselben  zu  sprechen;"  sie  sollen  fortan 
nur  Bücher  drucken  lassen  dürfen,  „welche  ihr  Glaubensbekenntniss, 
die  Gebete  und  die  gewöhnlichen  Regeln  ihrer  Disciplin  enthalten"; 
alle  von  den  Reformirten  verfassten  Bücher  gegen  die  katholische 
Religion  sollen  unterdrückt  und  dürfen  nicht  mehr  verkauft  werden. 
Die  Uebertretung  des  Edicts  wird  mit  Verbannung  und  Vermögens- 
confiscation,  der  Druck  oder  Verkauf  der  verbotenen  Bücher  mit 
einer  Geldstrafe  von  1 50O  Livres  und  Entziehung  der  Concession 
bedroht^). 


1)  Actes  de  PAssemblee  generale    du  Clerge  de  France    de  M.  DC. 


58  Französischer  Index  von  1685. 

Der  Erzbiechof  Harlay  von  Paris  wurde  darauf  29.  Aug.  von 
dem  Palamente  beauftragt,  ein  Verzeichniss  der  gemäsR  dem  Edicte 
zu  unterdrückenden  Bücher  anzufertigen.  Dieses  wurde  veröffentlicht 
mit  einem  Mandement  des  Erzbischofs  vom  1.  Sept.  und  mit  einem 
Arret  du  Parlement  vom  6.  Sept.  1685  als  Catalogue  des  Livres 
condamnez  &  deffendus  par  le  Mandement  de  M.  l'Archevesque  de 
Paris  ^).  Im  Oetober  erechien  dann  das  Edict  (einregistrirt  22.  Oct. 
1685),  wodurch  das  Edict  von  Nantes  aufgehoben  wurde. 

Der  Catalog  ist  alphabetisch  geordnet  (eine  Anzahl  von  ano- 
nymen Schriften  steht  unter  Anonymes),  am  Schlüsse  steht  unter 
der  üeberschrift  Autres  Livres  ein  nicht  alphabetischer  Nachtrag 
von  45  Schriften. 

R.  Simon  (Sainjore,  Bibliotheque  IV,  174)  sagt  darüber:  „So 
lange  das  Edict  von  Nantes  bestand,  wurden  auch  die  calvinistischen 
Bücher  geduldet.  Der  Kanzler  gab  für  sie  kein  königliches  Privi- 
legium, aber  der  Lieutenant  civil  als  juge  de  police  eine  einfache 
Druckerlaubniss.  Mit  der  Aufhebung  des  Edictes  wurde  der  Calvi- 
nismus eine  nicht  geduldete  Haeresie ;  darum  werden  jetzt  die  Bücher 
verboten,  d  h.  sie  dürfen  nicht  öffentlich  verkauft  und  importirt 
werden  .  .  .  Der  Catalog  ist  sehr  nachlässig  redigirt.  Ich  habe  den 
Erzbischof  darauf  aufmerksam  gemacht,  und  er  gestand  ein,  man 
habe  zu  eilfertig  gearbeitet.  Der  Catalog  ist  von  einigen  Doctoren 
der  Sorbonne,  namentlich  Le  Fevre  von  Coutance  angefertigt  worden." 

Der  Catalog  enthält  nur  lateinisch  und  französisch  geschriebene 
protestantische  Werke,  aber  viele  in  Deutschland  und  England  er- 
schienene, viele  aus  älterer  Zeit,  die  zum  Theil  auch  im  Index 
Clemens'  VIII.  stehen. 

In  dem  Recueil  des  actes  du  Clerge  1,  1654  und  in  der  Hist. 
de  l'edit  de  Nantes  vol.  3,  stehen  einige  Arrets  du  Conseil  d'etat 
aus  den  Jahren  1663 — 65  über  einzelne  protestantische  Bücher: 
Le  tombeau  de  la  messe  von  David  Derodon  zu  Nismes,  Geneve 
(Paris)  1654,  Discours  sur  le  chant  des  pseaumes  von  Jean  Bruguier, 
gedruckt  zu  Nismes,  R6ponse  k  la  lettre  du  Sieur  Damblat  von 
Tricotet  zu  Calais  und  Abrege  des  controverses  von  Ch.  Drelincourt, 
Geneve  lOöO:  die  Bücher  sollen  von  Henkershand  verbrannt,  die 
Verfasser  und  Drucker  der  beiden  ersten  verbannt  werden. 


LXXXII.  et  de  cello  de  M.  DC.  LXXXV.  concernant  la  religion.  A  Paris 
1686.  152  S.  8* 

1)  Arrests  du  Parlament  et  Ordonances  de  Monseigneur  l'Archevesque 
de  Paris.  Portant  la  deffense  &  suppression  des  Livres  Heretiques.  Avec 
l'Edit  du  Roy,  portant  deffenses  de  faire  aucun  Exercit*e  public  de  la  R. 
P.  R.  dans  son  Royaume.  Registre  en  Parlement  en  la  chambre  des  Vaca- 
tions  le  22.  Octobre  1085.  A  Paris  1085.  95  S.  8.*  (Der  Catalogue  p.  9—81). 
—  Mandement  de  Monseigneur  PArchevcsque  de  Paris.  Sur  la  condamna- 
tion  des  livres  conteuus  dans  le  catalogue  suivant.  Paris  1685.  36  S.  4. 
(Hofmann  p.  197.  Der  Catalogue  p.  9—35).  —  Die  Actenstücke  stehen 
auch  in  Recueil  de  ee  qui  s'est  fait  en  France  de  plus  considerable  contre 
les  Protestans  .  .  .  Par  M.  Jacques  le  Fevre,  Pretre,  Dr.  en  Theol.  de  la 
Faculte  de  Paris.  Paris  1686.  4*  (Der  Catalogue  p.  325—357.) 


Belgische  Indices  1695-1704.  59 


11.    Belgische  Indices  1695—1704. 

In  Namur  erschienen  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  zwei 
Auszüge  ans  dem  Römischen  Index,  einer  anonym  und  lateinisch 
unter  dem  Titel:  Elenchus  propositionum  et  librorum  prohibi- 
torum,  2.  Auflage  1709^),  der  andere,  von  dem  Recollecten  Jean- 
Baptiste  Hannot,  französisch  unter  dem  Titel:  Index  ou  Gata- 
logne  des  principaux  livres  condamn^s  et  defendns  par  TEglise, 
1714^).  Diese  beiden  Indices  sind  Privatarbeiteu.  Einen  amt- 
lichen Charakter  hat  ein  Decret  des  Erzbischofs  de  Precipiano 
Yon  Mecheln  vom  15.  Jan.  1695,  worin  73,  meist  ,jansenistische^' 
Schriften  verboten  werden^). 

1.  Der  Elenchus  enthält  zunächst  einen  Elenchus  propositionum 
damnatarum,  mit  den  zu  Constanz  verdammten  Propositiones  45 
Joannis  Wicleff  beginnend  und  mit  den  1699  verdammten  Propo- 
sitiones Cameracensis  (Fenelone)  schlieBsend  (den  Propositiones  Jan- 
senii  p.  32  sind  die  Stellen  aus  dem  Augustinus  beigefügt,  woraus 
eie  entnommen  sind).  Dann  folgt  p.  81  ein  Auszug  aus  dem  Index 
vom  J.  1683  und  einer  Appendix  zu  demselben  vom  J.  1693,  p.  164 
Auszüge  aus  den  Decreten  von  1690 — 1708,  p.  196 — 199  und  170 
ein  Auszug  aus  der  Bulle  Pius'  IV.  über  den  Index  und  aus  Decreten 
von  Synoden  von  Namur  von  1604  und  1639  und  einem  königlichen 
Edicte  von  16 J  6,  die  4.  Trienter  Regel  (über  Bibelübersetzungen) 
nebst  einigen  Namurer  Synodaldecreten,  p.  171  die  Bulle  Clemens*  XI. 
von   1705    gegen   die  Jansenisten,    auf  dem  letzten  Blatte  ein  Aus- 


1)  Elenchus  propositionum  et  librorum  prohibitorum.  Editio  se- 
cunda  auctior  &  emendatior.  Namurci,  Apud  Carolum  Albert  Typ:  jurat. 
Superiorum  Permissu.  4  Bl.  192  S.  und  l  Bl.  12.  Auf  p.  199  folgt  p.  170 

—  192  statt  p.  200  u.  s    w.;    p.  192  steht  die  Censura  Ordinarii    vom   16. 
Aug.  1709,  auf  dem  letzten  Blatte:  Acheve  d^mprimer  le  28.  Sept.  1709.* 

—  Die  erste  Ausgabe  ist  mir  unbekaunt. 

2)  Index  ou  Catalogue  des  principaux  livres  condamnes  &  defendus 
par  VEglise;  Extrait  fidelement  dn  Grand  Index  Romain,  <fe  d'un  Appen- 
dice  fidelle,  avec  des  Reflexions  Historiques  &  Theologiques  sur  les  plus 
considerables  Decrets  &  (  onstitutions  des  Souverains  Pontifes,  touchant 
les  Matieres  du  temps.  Par  le  P.  Jean-Baptiste  Hannot  Recollet,  Lecteur 
en  Theologie,  &c.  .  .  .  A  Namur,  Chez  Pierre  Hinne  Imprimeur  &  Li- 
braire,  1714.*   19  Bl.  XXXII,  430  und  16  S,  2  Bl.  12. 

3)  Decretum  lllustrissimi  ac  Reverendissimi  Domini  D.  Humberti 
Guilelmi  a  Precipiano  Archi-Episcopi  Mechliniensis,  Belgii  Priniatis.  ad 
Exercitus  Regios  Delegati  Apostolici,  Catholicae  Majestati  a  Consilio  Status, 
etc.  adversus  quosdam  libros  et  epistolas.  Bnixellis  typia  Guilelmi  Michicls 
typographi  1695.*  28  S.  4.  (Brüssel). 


60  Belgische  Indices  1696—1704. 

zug  aus  dem  Decrete  vom  17.  Juli  1709.  —  Ueber  den  Auszug 
aus  dem  Römischen  Index  sagt  der  Herausgeber  in  der  Vorrede  : 
er  habe  nicht  aufgenommen  die  im  Trienter  Index  enthaltenen  Bücher 
und  von  den  später  verbotenen  Büchern  nicht  die  von  bekannten 
Ketzern,  wie  Mornay,  Drelincourt  u.  a.,  auch  nicht  die  politischen 
und  die  augenscheinlich  schlechten,  wie  die  gegen  den  Papst,  die 
Papisten  u.  dgl.  oder  augenscheinlich  zur  Yertheidigung  des  Protestan- 
tismus geschriebenen,  ferner  nicht  die  einzelne  Punkte  oder  That- 
sachen  betreffenden  oder  in  einer  unbekannten  Sprache  [nicht  latei- 
nisch oder  französisch]  geschriebenen,  endlich  nicht  die  mit  d.  c, 
verbotenen  Bücher,  wie  die  von  de  Chartes  [Descartes]  und  Coper- 
nicus,  von  denen  anzunehmen,  dass  sie  in  späteren  Ausgaben  ver- 
bessert seien.  Ebenso  naiv  ist  die  Bemerkung:  viele  im  Trienter 
Index  verbotene  Bücher  seien  im  Antwerpener  Index  expurgatorins 
corrigirt,  wie  Werke  von  Erasmus  und  Carolus  Molinäus  (s.  18^442), 
und  es  sei  anzunehmen,  dass  diese  in  den  späteren  Ausgaben  ver- 
bessert seien.  —  In  Wirklichkeit  sind  übrigens  nicht  alle  im  Tr. 
stehenden  Bücher  weggelassen:  der  Index  beginnt  sogar  mit  ABC, 
tractans  rudimenta  religionis,  und  noch  auf  der  ersten  Seite  steht: 
Acta  Concilii  Trid.  una  cum  annotationibus  etc. 

2.  Der  Index  von  Hannot,  der  von  dessen  Ordensoberen  und 
dem  Bischof  von  Namur  approbirt  ist,  enthält  die  Trienter  Regeln 
und  die  Instruction  Clemens"'  VIII.  lateinisch  und  aus  ersteren  einen 
französischen  Auszug  (p.  I — XXXII),  dann  (p.  1—276)  unter  der 
Ueberschrift  Indiculus  Romanus  einen  Auszug  aus  der  Ausgabe  von 
1701  (S.  35  II,  •'»)  und  als  Anhang  dazu  das  umfangreiche  Beeret 
vom  4.  März  1709,  dann  (S.  277 — 430)  die  hauptsächlichsten  päpst- 
lichen Constitutionen  gegen  Jansenius  und  Quesnel  mit  „christlichen 
[scharf  polemischen]  Reflexionen."  Ein  besonders  paginirter  Anhang 
enthält  ein  Sendschreiben  eines  Ungenannten  an  den  Erzbischof  von 
Tours  über  die  Bulle  Unigeuitus  und  noch  ein  Decret  von  1714. — 
Hannots  Auszug  aus  dem  Römischen  Index  ist  viel  reichhaltiger 
als  der  im  Elenchus.  Die  Anordnung  ist  die,  dass  bei  jedem 
Buchstaben  zuerst  die  Auszüge  ex  magno  Indice  Romano  (dem  Index 
von   1681),  dann  die  ex  Appendice  unica  fideli  stehen. 

Die  beiden  Namurer  Indices  haben  einen  Werth  nur  wegen 
der  beigefügten  Decrete  und  sonstigen  Actenstücke  (S.   18). 

3.  Gegen  den  Index  von  Precipiano  schrieb  P.  Quesnel  anonym 
Tres-hum])le  remontrancc  h  Messire  Humbert  de  Precipiano  Arche- 
vesquc  de  Malines  sur  son  Decret  du  XV.  Janvier  1695  portant 
defense  de  lire,  rctenir  ou  dcbiter  plusieurs  livres,  et  particulierement 
celuy  de  la  frequente  communion  compose  par  Messire  Antoine  Ar- 
nauld  Docteur  en  Sorbonne.  1595.*  104  S.  8. 

In  dem  Decrete  sagt  Precipiano,  die  von  ihm  verbotenen  Bücher 
seien  zum  Theil  offenbar  ketzerisch,  zum  Theil  ohne  Approbation 
erschienen,  zum  Theil  schon  in  anderen  Diöcesen  verboten  ;  in  einigen 
werde  im  Widersj>ruch  mit  der  Trienter  Regel  behauptet,  das  Lesen 
der  h.  Schrift  (in  der  Volksprache)  sei  für  alle  nicht  nur  nützlich, 
sondern    gewissermassen    zum  Seelenheile    noth wendig;    in    einigen 


Elenchas.  Hannot.  Procipiano.  Iudex  von  1735.  61 

würden  die  gegen  die  Lehre  des  Bajus,  des  Jansenius  nnd  anderer 
Neuerer  gerichteten  Decrete  und  Bücherverbote  der  h.  Gongregation 
und  des  apo6t.  Stuhles  bekämpft,  der  fieissige  Empfang  des  Buss- 
sacraments  missbilligt  und  zur  gänzlichen  Beseitigung  desselben  der 
Weg  gebahnt  und  andere  Neuerungen  vorgetragen.  71  Schriften 
werden  numerirt  aufgezählt;  dann  folgen  noch  ein  Brief  von  Hennebel 
(s.  u.)  und  ein  angeblich  von  Christus  dictirter  Brief  „voll  alberner 
und  abergläubischer  Dinge." 

Auf  das  Bücherverzeichniss  folgen  unter  der  Uebersohrift: 
Specimina  quorundara  librorum  qui  hoc  decreto  prohibentur,  Auszüge 
aus  22  der  verbotenen  Bücher.  —  An  der  Spitze  des  Verzeichnisses 
stehen  9  calvinist ische  Schriften  aus  den  Jahren  1686 — 93,  darunter 
eine  von  J.  Basnage,  Bist,  de  la  religion  des  eglises  reformees,  1690, 
und  zwei  von  P.  .Turieu,  Deux  traittez  de  la  ra orale  1687,  und  La 
balance  du  sanctuaire,  1686.  Die  anderen  sind  jjansenistische*^ 
Schriften  (s.  u.).  Unter  diese  sind  aber,  wie  Quesnel  mit  beissen- 
dem  Spott  hervorhebt,  irrthümlich  gerathen  ein  Schriftchen  einer 
Anglicanerin :  Etrenne  d'une  nouvelle  annee  aux  enfans  par  Madame 
.  .  .,  Col.  1694,  und  eine  Schrift  eines  Jesuiten  gegen  Arnauld,  die  Pre- 
cipiano  nach  dem  Titel  für  eine  Vertheidigung  desselben  gehalten 
haben  mag,  Lettre  apologetique  pour  M.  Arnauld  ecrite  a  un  abbe 
de  ses  amis  sur  trois  des  derniers  livres  qui  ont  ete  faits  contre  ce 
Docteur,  Col.  1688  (ßemontr.  p.   73.  103). 

Es  war  im  Plane,  dieses  Decret  durch  eine  Versammlung  der 
belgischen  Bischöfe  im  J.  1697  bestätigen  zu  lassen,  und  im  Syno- 
dicon  Belgicum  I,  626  ist  ein  Decret  abgedruckt,  worin  die  Bischöfe 
zunächst  dasselbe  erneuern  resp.  adoptiren  und  dann  noch  15  weitere 
Bücher,  von  Gerberon,  Quesnel  (u.  a.  die  Remontrance)  u.  a.  bei- 
fügen. Aber  dieses  Decret  ist  offenbar  nur  ein  Entwurf,  wie  der 
Herausgeber  vermuthet  und  wie  die  am  Schlüsse  stehende  Frage 
zeigt,  ob  auch  Ley deckers  Historia  Jansenismi  und  Opstraets  Doc- 
trina  de  laborioso  baptismo  zu  verbieten  seien. 

Precipiano  verbot  nur  Bücher,  die  nicht  schon  in  Rom  ver- 
boten waren;  nur  ein  holländisches  Schriftchen,  Goude  myne  etc., 
welches  schon  1689  verb.  worden,  ist  (durch  ein  Versehen)  auch 
in  seinen  Index  gerathen.  —  Die  Index-Congregation  hat  von  Pre- 
cipiano*s  Index  keine  Notiz  genommen.  Von  den  darin  stehenden 
calvinistischen  Büchern  wurde  in  Rom  nur  das  von  Basnage  ver- 
boten, und  dieses  erst  1728,  und  von  den  60  jansenistischen  Schriften 
nur  die  Difficultes  von  Arnauld  und  je  eine  Schrift  von  Gerberon 
nnd  Quesnel,  und  diese  erst  1703 — 5,  also  ohne  Zweifel  unabhängig 
von  Precipiano. 

4.  Die  Statthalterin  Erzherzogin  Maria  Elisabeth  Hess  sich  be- 
stimmen, 25.  Juni  1729  eine  Ordonnanz  zu  unterzeichnen,  worin  alle 
in  dem  Trienter  und  in  dem  Madrider  Index  von  1624  (der  von 
1614  ist  gemeint)  stehenden  Bücher  verboten  werden  und  ein  Ver- 
zeichniss  der  seitdem  von  Seiner  Majestät  verbotenen  Bücher  in 
Aussicht  gestellt  wird^).      Der  hier  angedeutete  Plan,    einen   neuen 


1)  Vgl.  zu  dem  Folgenden   Mendham    p.  202.     Memoires  bist,  sur 


62  Belgische  Indices  1695—1704. 

Index  zu  veröffentlichen,  wurde  damals  wegen  des  Widerspruchs 
des  Gonseil  fallen  gelassen,  aber  1735  wieder  aufgenommen.  In 
diesem  Jahre  übersandte  die  Statthalterin  dem  Gonseil  de  Brabant 
den  Entwurf  eines  von  den  belgischen  Bischöfen  zusammengestellten 
Index  und  einer  vom  24.  Dec.  1735  datirten  Ordonnanz,  worin  in 
33  Paragraphen  die  Veröffentlichung  desselben  befohlen  und  eine 
Reihe  von  Verordnungen  über  das  Bücher wesen  gegeben  wird.  Das 
Gonseil  de  Brabant,  das  Gonseil  priv^  und  das  Grand  Gonseil 
de  Malines  sprachen  sich  1736  entschieden  dagegen  aus,  und  die 
Publication  unterblieb.  Einige  Mittheilungen  über  den  Index  haben 
gleichwohl  ein  Interesse. 

Die  Verfasser  sollen  der  Mechelner  Erzpriester  G.  P.  Hoynck 
van  Papendrecht  und  der  Jesuit  Wouters  sein.  Der  Index  hat  den 
Titel:  Gatalogus  preliminaris,  donec  amplior  sequatur,  quorundam 
librorum  tum  prohibitorum,  tum  noxiorum  aut  periculosorum  et  pro- 
scriptorum  e  Belgio  Austriaco.  An  der  Spitze  steht  eine  Instructio 
summaria  in  14  Paragraphen,  dann  folgt  unter  dem  Titel  Instructio 
specifica  das  alphabetische  Verzeichniss  der  Bücher,  dem  unter  dem 
Titel  Qualificationes  et  censurae  librorum  die  ohne  Zweifel  nicht 
für  den  Druck,  sondern  nur  für  die  Gonseils  bestimmte  Motivirnng 
der  Verbote  beigefügt  ist.  Aus  der  Instructio  summaria  ist  folgen- 
des bemerkenswerth :  verboten  sind  die  im  Trienter  Index,  in  den 
Placaten  Karls  V.,  in  den  belgischen  Indices  von  1569  und  1571 
und  in  dem  spanischen  Index  von  1624  (1614)  verzeichneten  Bücher, 
die  gegen  die  recipirten  Bullen  (incl.  der  Bulle  Unigenitus)  gerich- 
teten Schriften,  die  Werke  des  Bajus,  das  Buch  des  Jansenius  u.  s.  w., 
die  zu  Gunsten  der  Utrechter  Schismatiker  geschriebenen  Schriften, 
Streitschriften  gegen  die  Immaculata  Gonceptio,  das  Scapulier,  den  Por- 
tiuncula-Ablass  u.  dgl.,  Schriften,  in  denen  zum  unterschiedslosen  Lesen 
der  Bibel  in  der  Volksprache  aufgefordert,  der  alte  Streit  zwischen 
der  geistlichen  und  weltlichen  Gewalt  erneuert  wird,  die  nicht  die 
vorschriftsmässige  Approbation  haben  u,  s.  w.  Der  Index  umfasst, 
die  vielen  Wiederholungen  nicht  abgerechnet,  2268  Nummern,  da- 
runter Bossuets  Defensio  declarationis,  die  Werke  von  van  Espen 
und,  was  das  Gonseil  de  Brabant  speciell  rügt,  zwei  allerdings  im 
Rom.  Index  stehende,  aber  im  Auftrage  der  belgischen  Regierung 
geschriebene  Schriften  von  Stockmans. 


Taffaire  de  la  Bulle  Unigenitus  dans  les  Pays-Bas  Autrichieiiß  (Brux.  1756, 
4  vol.  8.,  von  Dupac  de  Bellegarde)  3,  154.  Supplementum  ad  opera  Z. 
B.  van  Espen,  Brux.  1768.  Appendix  p.  IH  (hier  ist  p.  53  das  Projet  de 
Piacard  von  1624,  p  18  die  Consulte  du  Couseil  souverain  de  Brabant 
vom  12.  Jan.  1736  abffedr.).  Keiffenberg,  Annuaire  de  la  Bibliotheque  royale 
de  Belgique,  9.  Annee  (1848),  p.  49. 


Böhmische  Indices   1726—67.  63 


12.  Böhmische  Indices  1726—1767. 

In  Prag  erschien  1726  ein  Abdruck  der  „Kömischen^^  Index- 
Ausgabe  von  1704  sammt  der  Appendix  von  1716^).  1729  er- 
schien dann  zu  Königgrätz  als  eine  Ergänzung  zu  dem  Römischen 
ein  Index  prohibitorius  et  expurgatorius,  in  welchem  vorzugsweise 
die  in  Böhmen  verbreiteten  lateinischen,  czechischen  und  deutschen 
Bttcher  berücksichtigt  werden,  unser  dem  Titel :  „Clavis  Haeresim 
claudens  et  aperiens.  Schlüssel,  welcher  die  ketzerischen  Lehren 
für  das  Verstehen  eröffnet  und  für  das  Ausrotten  verschliesst, 
oder  Verzeichniss  von  irreführenden,  Aergerniss  gebenden,  ver- 
dächtigen und  verbotenen  Büchern,  mit  einer  Anweisung,  wie 
schlechte  und  schädliche  Bücher  zu  erkennen  und  auszurotten 
8ind"2).  Von  dieser  Clavis  erschien  1749  eine  zweite  vermehrte 
Ausgabe^). 

Einen  ähnlichen,  aber  nur  böhmische  Bücher  umfassenden 
Index  publicirte  unter  Bezugnahme  auf  eine  Encyclica  Cle- 
mens' XIII.  vom  25.  Nov.  1766  (Bull.  3,  225)  im  J.  1767  der 
Erzbischof  von  Prag,  Anton  Peter  Graf  von  Przichovsky  *). 


1)  Index  librorum  prohibitornm  Innoc.  XJ.  P.  M.  jussu  editus  usque 
ad  annum  1681.  Eidem  accedit  in  fine  Appendix  usque  ad  mensem  Junii 
1704.  Juxta  exemplar  Romanum.  Recusus  Pragae,  in  Aula  Regia,  apud 
Josephum  Antonium  Schilhart,  Archi-Episcopalem  Typographum.  1726. 
Sumptibus  Paali  Ijochner,  Bibliopolae  Norinbergensis,  14  Bl.  411  S.  8. 
Beigebanden:  Appendix  unica  . .  .  (wie oben  S.  36,  II,  7)  proscriptarum.  Juxta 
exemplar  Romanum  Recusa  Vetero-Pragae,  in  Aula  Regia,  apud  Josephum 
Antonium  Schilhart,  Archi-Episcopalem  Typographum.  1  Bl.  129  S.  Ap- 
pendix novissima  .  .  .  (wie  oben  S.  36,  II,  7)  1716.  Juxta  exemplar  .... 
Typographum.  27  S.*. 

2)  Clavis  Haeresim  claudens  &  aperiens.  .^Ijc  i^nr^'rffe  SBIubl)  ^ro= 
üfjnoni  ottDJroöicl),  Än)i)fürcncnj  ^amjtnöiclj.  %ncb  iRcflifirjf  9?fttcrtjd)  b(ubmjd), 

po^orfiliiDtid),  pobe^rllid),  iicb  jopomebeiUjd),  ^ne^,  ^  prebdjOi^q^icljini  nucinltmi)mi 
profitcbf^,  d  ftcrijmi  pobotfliitw,  q  fftoblime  Änjl)l)  un)jfoumoli,  a  uujfüteujti  je 
mobou.  9Ja  fttjctio  iDi)bamj  S  S^üiuoicnjm  3)ud)0!uaj  Sörcbnofti.  20i)tif(lfini  w 
ferobci}  itrQluiuc.  u  aöQcUuua  Sann  %\)bih},  ßcta  1729.*  9  Bl.  XCIV  und  200 
S.  12.  Mit  einem  Bilde  des  h.  Antonius.  (Prag). 

3)  Clavis  .  .  .  ü  3ana  tljmcnta  Zx^bih),  i»fta  1749.*  12  Bl.  XCVI  und 
420  S.  12.  Ohne  Bild.  (Prag). 

4)  Index  bohemicorum  librorum  prohibitornm,  et  corrigendorum 
ordine  alphabetico  digestus,  Reverendissimi,  Celsiss.  S.  R.  I.  Principis  Do- 
mini Domini  Antonii  Petri  Dei  gratia  et  Sedis  Apostolicae  Archi-Episcopi 
Pragensis  jussu  collectus  atque  editus.  Vetero-Pragae  typis  Jo.  Caroli  Hraba, 


64  Böhmische  Indices  1726—67. 

Auf  der  Rückseite  des  Titelblattes  der  Clavis  steht  die  Appro- 
bation: Imprimatur.  Keginae  Hradecii  29.  Dec.  1728  (in  der  2.  Ausg. 
7.  Dec.  1748)  Adalbertus  Georgius  Dobroleu  (in  der  2.  Ausg. :  Jo.  Jos. 
Lax),  Vic.  gen.  et  Officialis,  Bi.  2  die  Widmung:  Divo  Antonio 
Paduano  Ciavigero,  quia  clavis  David  ^)  Bajulo,  saeculorum  Thau- 
maturgo,  perpetuo  haereticorum  Malleo,  Vaticani  oraculi  voce :  Arcae 
Testamenti ;  in  aperienda  et  claudenda  haeresi  seu  in  exploranda  et 
delenda  librorum  peste  Duci,  Magistro  expertissimo,  Advocato  fide- 
lissimo,  Clavis  praesens  in  anathema.  Bl.  3 — 9  folgt  eine  latei- 
nische Darlegung  der  kirchlichen  Gesetzgebung  über  verbotene  Bücher 
in  Fragen  und  Antworten,  in  der  einige  Male  auf  die  Jesuiten-Mo- 
ralisten Laymann  und  Archdekin  Bezug  genommen  und  u.  a.  gesagt 
wird:  die  Bulla  Coenae  sei  „bezüglich  der  über  religiöse  Dinge  han- 
delnden Bücher  der  Auetores  1.  cl.**  auch  in  „unseren  Gegenden** 
in  Kraft.  Auch  au  die  4.  Regel  des  Index  (über  Bibcllesen)  wird 
erinnert.  In  der  2.  Ausgabe  folgt  eine  Anweisung,  wie  man  die 
„guten"  und  die  „schlechten  und  nicht  zu  duldenden*'  Bibeln  er- 
kennen könne:  es  sind  einige  Stellen  lateinisch,  deutsch  und  cze- 
chisch,  wie  sie  in  jenen  und  in  diesen  stehen,  in  zwei  Spalten  neben 
einander  gedruckt.  Dann  folgt  Blatt  9  resp.  11  eine  Erklärung  der 
im  Iudex  gebrauchten  Abkürzungen  (1.  cl.  steht  bei  Büchern  von 
Auetores  1.  cl.,  *  bei  unbedingt  verbotenen,  Cor.  bei  libri  corrigi- 
biles  u.  8.  w.;  dieselbe  Erklärung  steht  p.  XCII  deutsch).  — 
P.  I — XCII  steht  ein  czechisches  Stück,  welches  ausschliesslich  von 
Bibeln   zu  handeln  scheint. 

In  dem  Iudex  prohibitorius  (S.  1 — 170  resp.  1 — 220)  sind  die 
Bücher  nach  dem  Formate  (Folio,  Quart  u.  s.  w.)  und  nach  den 
Sprachen  (czechisch,  deutsch,  lateinisch,  mitunter  französisch),  in 
diesen  Abtheilungen  alphabetisch  geordnet.  Hinter  jedem  Absatz 
ist  freier  Raum  zum  Beischreiben  weiterer  Bücher  gelassen.  In  der 
2.  Ausgabe  steht  S.  162 — 220  ein  besonderer  Index  librorum  Vene- 
rea  vel  obscoena  tractantium,  fast  lauter  Sachen,  deren  Titel  schon 
zeigt,  dass  sie  obscön  sind,  die  speciell  zu  verzeichnen  also  zweck- 
widrig war.  —  Bei  manchen  Büchern  werden  schon  in  diesem  Index 
die  Stellen  verzeichnet,  an  denen  etwas  zu  corrigiren  ist.  S.  171 
—  200  resp.  221 — 420  folgt  der  Index  expurgatorius.  Er  hat  in 
der  2.  Ausgabe  eine  längere  Einleitung,  welche  u.  a.  S.  224  die  Be- 
merkung enthält:  beim  Expurgiren  sei  zu  verwenden  atramentum 
indicum,  teutonice  Tusch  dictum ,  quod  Tyrolenses  propolae  venum 
circumferunt;  denn  die  gewöhnliche  sepia  chartam  penetrat,  librum 
defoedat  et  plerumqne  siccata  litnra  deletae  literae  transparent;    in- 


inclyti  Bohemiac  Regni    D.  D.  Statuimi   typographi.*    38  Bl.    316  S.    und 
Appendix  von  4  Hl.  8.  (Prag). 

1)  Dazu  die  Note  :  la.  22,  22,  Apoc.  3,  7  de  Christo.  Antonius  wird 
mit  dem  Jesuskinde  auf  dem  Arme  abgebildet,  Christus  aber  an  diesen 
Stellen  als  der  Schlüssel  Davids  beseichnet. 


Böhmische  Indices    1726—67.  66 

dicum  yero  atraDientum,  si,  quod  bcue  notandum,  inediocriter  soIudi 
hainectatum  adhibeatur,  in  altera  pagina  nunquam  transparet,  actu- 
tum  siccatur  et  ea,  quae  deleta  sunt,  legi  ampliuB  nequeunt. 

Die  Expurgationen  werden  oft  kurz  motivirt,  mitunter  mit 
Perstringuntur  religiosi  Societatis  Jesu  u.  dergl.  In  einem  böhmi- 
schen Kalender  von  1617  wird  Hus  in  dem  Heiligenverzeichniss  ge- 
strichen, aehr  oft  verordnet,  seinem  Namen  „Ketzer**  oder  „Erz- 
ketzer*' beizufügen. 

Der  Compilator  der  beiden  Indices  wird  seine  Aufmerksamkeit 
hauptsächlich  den  czechischen  und  auf  Böhmen  bezüglichen  Schriften 
zugewendet  haben,  hat  aber  auch  viele  andere,  in  wunderlicher 
Auswahl,  aufgenommen,  wohl  ebenso  viele  deutsche  wie  czechische, 
auch  einige,  die  im  Eömischen  Index  stehen.  Einige  Curiosa  mögen 
hier  verzeichnet  werden:  Leben  des  Dr.  Faust  cum  notis  et  sine 
notis;  Reich  derer  Todten  [Gespräche  im  Reiche  der  Todten]  in  to- 
mulis  multis;  Des  abenteuerlichen  Simplicissimi  erster  Theil  (viele 
Stellen  zu  expurgiren);  Ethica  complementoria  d.  i.  Komplementir- 
Büchlein  Georg  Gräflingen  mit  angefügtem  Transchier-Büchlein, 
auch  züchtigen  Tisch-  und  Leber-Reimen,  Amsterdam  1700  (darin 
wird  n.  a.  der  Satz  gestrichen :  Es  ist  kein  Buch  so  schlecht,  es  hat 
was  gute  Sachen). 

Der  Verfasser  der  Clavis  ist  der  Jesuit  Anton  Koniasch,  geb. 
zu  Prag  1691,  t  1760.  Nach  Pelzel  (bei  de  Backer)  hat  derselbe 
handschriftlich  hinterlassen:  Index  librorum  perniciosorum,  abolen- 
dorum  vel  repurgandorum  in  vier  Theilen,  von  denen  der  1.  die  böh- 
mischen, der  2.  die  deutschen,  der  3.  die  lateinischen,  der  4.  die 
in  anderen  Sprachen  geschriebenen  Bücher  umfasst.  Der  erste  Theil 
dieser  Arbeit  liegt  dem  Index  von  1767  zu  Grunde. 

In  diesem  steht  an  der  Spitze  ein  Hirtenbrief  des  Erzbischofs 
Anton  Peter  Graf  Przichovsky  von  Przichowitz  (1763—93)  vom 
1.  Juli  1767,  in  welchen  die  Encyclica  von  1766  vollständig  in- 
serirt  ist.  Der  Erzbischof  verordnet:  sein  Hirtenbrief  sammt  der 
Encyclica  solle  binnen  drei  Wochen  an  einem  Sonntage  in  allen 
Kirchen  deutsch  oder  böhmisch  verlesen,  zugleich  über  die  Gefähr- 
lichkeit der  schlechten  Bücher  gepredigt  und  angekündigt  werden, 
dass,  wer  ketzerische  oder  wegen  des  Verdachtes  der  Ketzerei  ver- 
botene Bücher  lese,  ipso  jure  der  Excommunication  verfalle.  Dann 
folgen  die  von  Karl  VI.  erlassene,  von  Maria  Theresia  1749  be- 
stätigte Verordnung  über  das  Verbreiten  ketzerischer  Bücher  und 
Verordnungen  der  Prager  Provincialsynode  von  1605.  Demnächst 
folgt  eine  kurze  Vorschrift  über  das  Expurgiren,  wie  in  der  Clavis, 
und  eine  sehr  ausführliche  Anweisung,  wie  man  die  ketzerischen 
böhmischen  Bücher  erkennen  könne.  Dabei  wird  u.  a.  verordnet, 
alle  zu  Dresden,  Leipzig  und  an  anderen  ketzerischen  Orten,  ferner 
alle  typis  germanicis  vulgo  fractura  et  non  boemis  vulgo  gothicis 
gedruckten  böhmischen  Bücher  seien  genau  zu  untersuchen,  des- 
gleichen alle  zwischen  dem  Jahre  1414,  quo  haereses  in  patria 
nostra  grassari  coeperunt,  und  dem  J.  1635,  quo  tandem  omnis  re- 
sidua  adhuc  haeresis    ex  regno  proscripta    est,    gedruckten  Bücher. 

Reiuoh,  Index  n.  5 


66  Nachträge  zu  dem  Index  von  1596. 

Der  Index  selbst  (S.  7 — 316)  ist  zugleich  prohibitorius  nnd 
expargatoriuB,  und  alles  ist  in  ein  einziges  Alphajbet  geordnet.  Inhalt- 
lich ist  er  eine  vermehrte  Ausgabe  des  böhmischen  Theiles  der  Clavis. 


13.    Nachträge  zu  dem  Index  yon  15%. 

In  den  Decreten  der  ersten  Decennien  werden  wiederholt 
Bücher  von  Schriftstellern  verboten,  welche  schon  in  der  1.  Classe 
standen.  In  einem  Decrete  von  1623  (Alex.  No.  27)  wird  dann 
allgemein  erklärt,  nach  1596  erschienene  Werke  von  Autoren  der 
1.  Classe  seien  als  verboten  anzusehen.  —  Mehrere  Bücher,  welche 
Clemens  VIII.  aus  dem  Index  Sixtus'  V.  nicht  aufgenommen,wurden 
theils  noch  unter  seiner  Regierung,  theils  später  verboten.  Sie 
sind  bereits  im  1.  Bande  erwähnt  worden  ^),  desgleichen  Verbote 
von  Schriften,  von  denen  andere  Ausgaben^),  und  von  Schrift- 
stellern, von  denen  andere  Schriften  in  dem  Index  von  1596 
stehen^),  nnd  von  Schriften,  die  mit  älteren  Verboten  zusammen- 
hangen*). —  Als  Nachträge  zu  dem  Index  von  1596  dürfen  anch 
einige,  theilweisc  erst  spät  erfolgte  Verbote  von  Büchern  be- 
zeichnet werden,  die  schon  im  16.  Jahrhundert  erschienen  waren  ^). 
Darunter  sind  mehrere  italienische.  Am  aufTallendsten  ist,  dass 
Giordano  Bruno,  dessen  erste  Schriften  schon  1582  erschienen, 
nicht  schon  im  Index  Clemens'  VIII.  steht.  Erst  nachdem  er 
1600  zn  Rom  hingerichtet  worden,  wurden  1603  JordaniBrnni 
Nolani  libri  et  scripta  verboten. 

Bei  einigen  Verboten  aus  den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrb. 
wird   ausdiücklich  bemerkt,  der  Verfasser  stehe  schon  in  der  1.  GL, 


1)  S.  im  Register  des  1.  Bandes:  Albertus  M.  (16ß6  wurde  noch 
vorb.  Alberto  Magno,  diviso  in  Ire  libri;  nel  primo  si  tratta  della  virtü 
delle  erbe,  nel  secondo  della  virtü  delle  pietre,  nel  terzo  della  virtü  di 
aicuni  animah,  ein  seit  1503  wiederholt,  gedrucktes  Buch),  Castiglione, 
Fortius,  Huarte,  Popoli,  Porta,  Raimondi,  Saxo,  Straparola. 

2)  Althamer,  Castello,  Enchiridion  ehr.  inst.,  Informaciones,  Liechte- 
nau,  Pasquino. 

3)  Anti-Machiavel ,  Beust,  Bodin,  Corasius,  Gentilletus,  Lipsius, 
Masson,  Mercator,  Serranus. 

4)  Alanus,  Antithese,  Bajus,  Bandini,  Bennazar,  Bufifi,  Dos  tratados, 
Elvidius,  Erigena,  Giubileo,  Grimoire,  Guicciardini,  Krenzer,  Laude,  Nup- 
tiae,  Tb.  Sagittarius. 

5)  Auch  von  diesen  sind  schon  einige  im  1  Bande  erwähnt:  Giovanni 
Fior.  (8.  394),  Grazzini,  Riocamati. 


Nachträge  zu  dem  Index  von  1696.  67 

wie  bei  G.  Cassander,  und  Jo.  G.  Godelmann ;  in  No.  5  (1605)  steht: 
Leonardi  Fuchsii  novissima  impressio  Franofordensis  prohibetnr,  cum 
auctor  alias  sit  damnatus  et  ejus  opera  novis  semper  haeresibus  con- 
spersa  prodeant.  Bei  anderen  Verboten  fehlt  eine  solche  Hinwei- 
sung, wie  bei  Hier.  Schurff  (1621)  und  bei  Phil,  du  Plessis  Mor- 
nay  (R.-E.  3,  759),  von  dem  1613  Liber  de  institutione  .  .  .  eu- 
charistiae  (franz.  1598,  lat.  1605)  und  Mysterium  iniquitatis  (Le 
myst^re  d'iniquite,  c'est  k  dire  Thistoire  de  la  papaute,  1611,  lat. 
1612)  und  1621  nochmals  Opus  de  s.  eucharistia  in  quatuor  libros 
distinctum,  sicut  et  alia  etiam  omnia  ejus  opera  verb.  werden  (1818 
wurde  die  1796  zu  Pavia  erschienene  italienische  üebersetzung  des 
Mystere  von  Paolo  Rivarola,  La  storia  del  Papato  verb.  mit  der 
Bemerkung:  jam  prohibita  inter  opera  eiusd.  auctoris  in  Ind.  Conc. 
Trid.  et  decr.  16.  Mart.  1621).  —  Auch  nach  der  allgemeinen  Er- 
klärung von  1623  wurden  1624  verb.  Theod.  Bezae,  authoris  dam- 
nati,  Icones  i.  e.  verae  imagines  virorum  . .  .  illustrium  (Bilder  von 
Reformatoren  mit  kurzem  Text,  Genf  1580;  Baumg.  7,  470;  s.  §  14 
8.  79). 

1603  wurden  Theodoreti  episcopi  Cyri  [in  den  neuesten  Aus- 
gaben Cypri!]  dialogi  tres  cum  versione  lat.  Victorini  Strigelii  et 
analysi  logica  ed.  Marcus  Beumlerus  Tigurinus,  1591,  mit  dem  Zu- 
sätze verb.:  in  1.  cl.  reponitur  auctor  (V.  Strigelius)  cum  expositore 
M.  Beumlero.  Beide  standen  aber  schon  in  der  1.  Cl. 

Sonst  sind  von  nachträglichen,  zum  Theil  sehr  verspäteten  Ver- 
boten von  Werken  von  Autoren  der  1.   Cl.  ^)  zu  erwähnen: 

Matth.  Dresser,  Orationum  libri  III,  1587  und  1606,  verb. 
1623;  Georg  Fabricius,  Saxoniae  illustratae  libri  IX,  1608  von  seinem 
Sohne  herausgegeben,  verb.  1634;  Hieron.  Henninges,  Theatrum 
genealogicum,  1598  (Clement  9,  391),  verb.  1624;  Andr.  HondorflF, 
Theatrum  historicum,  schon  von  S.  verb.  (I  S.  519),  von  Cl.  gestrichen, 
verb.  1617;  Rod.  Hospinianus,  Historia  Jesuitica,  1618,  Fol.,  verb. 
1625;  Franc.  Junius,  Vita  ab  ipsomet  scripta,  verb.  1624.  Gleich- 
zeitig wurden  die  von  Junius  und  Jo.  Pappus  verfassten  Vorreden 
zu  dem  Antwerpener  Index  expurgatorius  (I  S.  424)  verb.  Jo. 
Pappus,  Epitome  historiae  eccl.  wurde  erst  1690  verb.,  nachdem  sie 
1661  cum  auctariis  Henrici  Eippingi  erschienen  war.  Von  Jo.  Zanger 
wurden  Commentationes  in  decretalium  quatuor  titulos,  1620  u.  s., 
erst  1662  verb.  Von  Pantaleon  Candidus,  der  nur  als  Palatinus 
Kednadon  in  der  1.  Cl.  steht,  wurden  1605  verb.:  Annales  s.  ta- 
bulae  chronologicae,  1602,  und  Epitaphia  antiqua  et  recentia,  1600. 

Von  den  Schriften  solcher  Autoren,  die  schon  in  der  2.  Cl. 
standen,  sind  zu  erwähnen:  Nie.  Cisner  (1529 — 83),  Orationes  de 
vita  Othonis  III.  et  Friderici  II.  Imperatorum  et  de  Conrado,  ultimo 
Sueviae  gentis  principe,  1570  und  1606,  verb.  1613;  Simon  Schard 
(1535 — 73),    De  principum,  quibus  electio  imperatoris  in  Germania 


1)  Vgl.    im  Register   des    1.  Bandes    Castalio,    Molinaeus,    Serranus, 
Rob.  StephanuB. 


68  Nachtrage  zu  dem  Index  von  1596. 

commendata  est,  origine  s.  institntione,  1608,  yerb.  1609;  Syntagma 
tractatunm  de  imperiali  jorisdictione  .  .  .  ac  potentate  eccleHiastica 
deque  jaribas  regni  et  imperii,  1566  und  1618,  verb.  1623.  Das 
Syntagma  von  Schard  enthält  die  wichtigsten  Streitschriften  zu 
Gunsten  der  Kaiser  gegen  päpstliche  üebergrifFe  seit  Heinrich  IV., 
auch  Valla's  Schrift  über  die  Constantinische  Schenkung.  Den  Schluss 
bildet  Sohards  Tractat  De  principum  etc.,  der  1608  auch  besonders 
gedruckt  wurde,  und  in  dem  er  gegen  die  Ansicht  des  Onuphrius 
Panvinius  (f  1568),  dass  die  Kurfürsten  erst  seit  Friedrich  II.  ent- 
standen seien,  die  damals  herrschende  Meinung  vertheidigt,  dass  sie 
von  Otto  III.  mit  Zustimmung  Gregors  V.  eingesetzt  seien. 
Cisner  bekämpft  in  der  ersten  seiner  Reden  die  Ansicht  des  Pan- 
vinius,  dass  der  Papst  und  die  italienischen  Fürsten  ursprünglich  an 
dem  Wahlrecht  Antheil  gehabt,  und  vertritt  die  jetzige  Ansicht  von 
einer  allmählichen  geschichtlichen  Entwicklung  des  Wahlrechts  der 
mächtigsten  Fürsten  (Stintzing,  Gesch.   1,  510). 

Hieronymus  Baibus  Ad  Carolum  V.  de  coronatione,  verb. 
1623,  ist  der  von  Girolamo  Balbi  aus  Venedig,  seit  1522  Bischof 
von  Gurk,  bei  Gelegenheit  der  Krönung  Karls  V.  in  Bologna  1530 
veröffentlichte  Tractat,  der  Strassburg  1603  und  in  GoldastsPolitica 
Imperialia  I,    102    gedruckt    war    (Mazzuch.  I,  83;    vgl.  I  S.  236). 

—  Jodoci  Damhonderii  Praxis  rerum  criminalium,  verb.  mit  d.  c. 
1623,  war  1554  u.  s.,  auch  Ven.  1572,  gedruckt.  Der  Verfasser 
(1507—81)  war  Katholik  in  Diensten  Karls  V.  und  Philipps  II. 
Man  wird  an  seinen  freimüthigen  Aeusseningen  über  Missbräuchc  bei 
geistlichen  und  weltlichen  Gerichten  Anstoss  genommen  haben  (Biogr. 
nat.  4,  59).  Im  span.  Index  steht  das  Buch  nicht.  —  Jo.  Jac. 
Wecker,  De  secretis  libri  17,  Basel  1582  (1604),  verb.  1609,  wird 
von  Sot.  expurgirt  mit  der  Bemerkung:  multa  insunt  superstitiosa 
ex  Mizaldo,  Porta,  Wiero,    Cardano  et  aliis  collecta  (Zaubermittel). 

—  Guil.  Varignana,  Secreta  sublimia  ad  varios  curandos  morbos, 
1651  mit  d.  c.  verb.,  ist  ein  Buch  eines  mittelalterlichen  Mediciners, 
welches  schon  Lugd.  1522,  Bas.  1597  gedruckt  war.  —  Sylva 
sermonum  jucundissimorum,  in  quo  novae  historiae  et  exempla  varia 
facetiis  undique  referta  continentur,  Bas.   1568,  verb.   1603. 

Auffallend  ist,  dass  der  ungarische  Bischof  Andreas  Dudith, 
der  1562  in  Trient  war  und  für  die  Gestattung  des  Kelches  sprach, 
1567  als  kaiserlicher  Gesandter  in  Polen  Protestant  wurde  und  sich 
verheirathete,  f  1589,  nicht  im  Rom.  Index  steht,  obschon  Pius  IV. 
1567  an  den  König  von  Polen  schrieb:  Cum  se  ipsum  aperte  modo 
dederit  passionibus  ignominiae  (qua  foeditate,  qualis  item  antea  esset, 
apparuit),  te  oramus,  ut  eam  pestem  e  Poloniae  finibus  ejiciendam 
eures  (Jul.  Pogiani  Epp.  4,  249),  und  in  den  seit  1560  erschienenen 
Epistolae  Pauli  Manutii  sein  Name,  wie  der  anderer  Haeretiker,  weg- 
gelassen ist  (Gibbings,  Carnesecchi  p.  X;  s.  I  S.  436.  384).  Als  der 
Index  Clemens'  VIII.  erschien,  waren  freilich  von  ihm  nur  zwei 
harmlose  von  seinen  fünf  zu  Trient  gehaltenen  Reden  und  ein  Com- 
mentariolus  de  cometarum  significatione,  Basel  1579,  gedruckt;  aber 
1610  erschienen  Andreae  Dudithii  .  .    Orationes  in  Conc.  Trid.  ha- 


Schard.     Dudith.     G.  Bruno.     Calandrini  u.  a.  69 

bitae,  Apologia  ad  Maximilianum  IL,  Commentarius  pro  conjugii 
libertate,  ed.  Quirinus  Keuter  (Clement  7,  457).  Im  span.  Index 
steht  Dudith  in  der  1.  Gl.  und  wird  nur  der  Commentariolus,  appo- 
sita  nota  damnati  auetoriR,  freigegeben. 

Giordano  Bruno,  geb.  1548  zu  Nola,  1563  Dominicaner,  wurde 
schon  1576  zu  Neapel  und  Rom  von  der  Inquisition  processirt, 
entfloh  aber  und  führte  bis  1592  ein  unstetes  Wanderleben.  1592 
wurde  er  von  der  Venetianischen  Inquisition  processirt,  schwor  ab, 
wurde  aber  1593  an  die  Römische  Inquisition  abgeliefert.  Nach 
sechsjähriger  Haft  wurde  er  14.  Jan.  1599  zur  Abschwörung  einer 
Anzahl  von  ketzerischen  Sätzen  aufgefordert,  8.  Febr.  1600  als 
Apostat  und  unbussfertiger  und  hartnäckiger  Ketzer  verurtheilt  und 
17.  Febr.  lebendig  verbrannt^).  Bei  dem  Processe  war  Bellarmin 
zuerst  als  Consultor,    dann   als  Cardinal    der  Inquisition    betheiligt. 

1603  wurde  verb.  Sommario  della  religione  cristiana  raccolto 
in  dieci  libri,  nei  quali  si  tratta  di  tutti  gli  articoli  della  fede  se- 
condo  la  pura  parola  di  Dio,  mit  dem  Zusätze:  stampato  tra'  he- 
retici,  sebene  falsamente  si  dice  in  Roma  per  P.  Gigliadoro  1590, 
dedicato  al  Duce  e  Republica  di  Genova.  (Bei  Ben.  steht:  stam- 
pato in  Roma  da  Paolo  Gigliadoro.  Quod  tamen  falso  asseritur; 
jetzt  ist  stampato  u.  s.  w.  weggelassen,  so  dass  Quod  tamen  etc. 
hinter  secondo  la  pura  parola  di  Dio  steht);  —  erst  1605:  Trat- 
tato  dell'  heresie  e  delle  scisme  che  sono  nate  e  che  possono  na- 
scere  nella  chiesa  di  Dio,  e  de'  remedii  che  si  devono  usare  contro 
di  quelle,  cio^  della  scomunica  e  della  podesta  del  magistrato  ci- 
vile,  fatto  in  cinque  lettioni  da  Scipione  Calandrini,  Poschiavo  1572. 
—  Von  Sc.  Calandrini,  der  um  1567  von  Heidelberg  nach  dem 
Veltlin  berufen  wurde,  ist  wahrscheinlich  auch  herausgegeben  die 
1621  verbotene  Schrift:  Lettera  di  Antonio  Possevino,  nella  quäle 
si  Sforza  di  provare,  che  i  libri  che  si  leggono  di  sotto  il  nome  di 
Dionigi  Areopagita,  siano  di  quello  che  fü  discepolo  di  San  Paolo. 
Con  la  refutatione  delle  sue  ragioni  (s.  1.  et  a.);  wenigstens  steht 
am  Ende  der  Name  Scipio  Calandrini  Lucchese  (Guico.  230).  In  dem 
Decrete  (No.  23)  heisst  es:  Libellus  quamplurimis  conspersus  erro- 
ribus  ignoti  cujusdam  Ant.  Possevini,  non  quidem  illius  e  Soc.  Jesu, 
nee  alterius  Antonii  junioris,  cui  titulus:  Lettera  u.  s.  w.  Seit  Ben. 
steht  der  einfache  Titel  im  Index,  und  mit  jener  Bemerkung  wollte 
die  Index-Congregation  wohl  nur  sagen,  die  "Widerlegung  des  Briefes 
sei  nicht  von  den  beiden  Possevini,  was  ja  aber  der  Titel  auch  nicht 
behauptet.  —  Eine  andere,  schlimmere  Streitschrift  gegen  Possevino, 
von  Nie.  Balbani  (I  S.  583),  Trattato  primo  delle  risposte  fatto  ad 
un  libretto  di  Messer  Ant.  Possevino  della  messa,  nel  quäle  con  la 
parola  di  Dio  si  mostra,  che  il  sacrificio  della  messa  e  un'  inven- 
tione  d6gli  uomini  et  una  horrenda  idolatria,  Genf  1564,  8.,  steht 
nicht  im  Index,  obschon  sie  in  der  Risposta  a  Pietro  Yireto  e  Nicola 


1)  K.-L.  2,  1364.  Chr.  Sigwart,   Lebensgesch.  G.  Bruno's,  1880.    D. 
Berti,  Documenti  intorno  a  G.  Bruno  da  Nola,  1880. 


70  Nachtrage  zu  dem  Index  von  1596. 

Balbani  &  a  due  altri  lieretici,  i  quali  hanno  scritto  contra  il  trat- 
tato  della  messa  di  M.  Ant.  Possevino,  Avignon  1566,  200  S.  16. 
bekämpft  worden  war  (Gnicc.  p.  24). 

Erst  1609  wurde  verb. :  La  confessione  di  Theodore  Beza, 
corretta  e  stampata  di  nuovo  in  Roma  per  ordine  del  Papa,  mit 
der  Bemerkung  libellus  impr.  Genevae  ementito  loco  impreßsionis. 
Daß  französische  Original,  Confession  de  la  foy  chr^tienne  etc.,  war 
schon  1559,  eine  italien.  üebersetzung  1566  erschienen  (Haag  2, 
527).  Eine  andere  Schrift  ist  die  1 621  verbotene  Confessione  di  fede 
cath.  ed  apost.,  fatta  di  commcin'  accordo  secondo  la  dottr.  deli' 
Evangelio  di  N.  S.  G.  C.  Aggiuntovi  un  breve  discorso  della  utilt4 
di  leggere  e  studiare  la  Scrittura  in  questi  ultimi  miserabili  tempi 
ove  siamo,  wohl  identisch  mit  der  seit  Alex,  daneben  stehenden  Conf. 
di  fede  cath.  ed  apost.,  in  Villafranca,  beide  von  Ben.  gestrichen. 
—  Walirscheinlich  stammt  auch  noch  aus  dem  16.  Jahrh.  die  1622 
(nicht,  wie  jetzt  im  Index  steht,  1722)  verbotene  Satire:  Co  media 
piacevole  della  vera,  antica,  Rom.,  catt.  &  apost.  Chiesa  nella  quäle 
dagli  interlocutori  vengono  disputate  &  spedite  tutte  le  controversie, 
hoggidi  che  sono  fra  i  Cattolici  Rom.,  Luterani,  Zningliani,  Calvi- 
nisti,  Anabattisti,  Suenkfeldiani  &  altri  per  conto  della  religione. 
(Opera  all'  huomo  veramente  catt.  di  gran  contento  &  utile.  Roma- 
nopoli  ß.  a.  175  S.  12.  Brunet:  darin  ein  Brief  Kaiser  Ferdinands 
an  Luther  von  1537). 

Zu  den  erst  spät  verbotenen  katholischen  Schriften  gehören: 
Vincenzo  Auruccio,  Rituario  per  quelli,  che  avendo  cura  di  anime 
desiderano  vegliare  sopra  il  gregge  a  loro  commesso  da  Dio,  Rom 
1586  und  wiederholt  zu  Rom  und  zu  Mailand  gedruckt  (Mazzu- 
chelli  8.  V.),  verb.  1671.  —  Bartol.  Dionigi  da  Fano,  Compendio 
istorico  del  Vecchio  et  del  N.  Testamento,  cavato  dalla  S.  Bibbia, 
Ven.  1588  (Guicc.  p.  103)  und  1669  (Biblioth.  Casan.),  verb.  1678 
(I  S.  336).  —  Ant.  Manchettus,  Flores  aurei  ex  variis  in  Eccl. 
doctoribus  et  ex  catechismo  brevissime  excerpti,  Ven.  1587,  verb. 
1718.  —  Breve  tratado  de  la  doctrina  antigua  de  Dios  y  de  la  nueva 
de  los  hombres,  util  y  necesario  para  todo  fiel  cristiano,  verb.  1690, 
ist  die  schon  1560  erschienene  span.  Uebers.  des  Schriftchens  von  ür- 
banus  Rhegius  von  Juan  Perez  (I  S.  192).  —  Die  1605  verbotenen 
Libri  tre,  nei  quali  si  tratta  delle  diverse  sorti  delle  gemme  von 
Lod.  Dolce  waren  schon  1565  gedruckt  und  sind  nur  Üebersetzung 
von  Camilli  Leonardi  Speculum  lapidum,  welches  erst  1674  verb. 
wurde. 

Die  Historia  di  Milano  von  Bernardino  Coric,  welche  1625 
mit  d.  c.  verb.  wurde,  war  zuerst  1503,  dann  wiederholt  (1565  von 
Porcacchi  geändert)  gedruckt  (neue  Ausgabe  nach  der  von  1503 
Mailand  1855 — 57,  3  vol.).  Nach  Thiers,  Superstitions  4,  191  be- 
richtet Coric  (in  der  Ausgabe  von  1503),  im  Jan.  1391  habe 
Bonifaz  IX.  auf  Ersuchen  des  Gian  Galeazzo  den  Mailändern  die 
Erlangung  eines  zu  Rom  zu  Ende  gegangenen  Ablasses  in  folgender 
Weise  bewilligt:  jeder  könne,  si  anche  non  fusse  contrito  ne  con- 
fesso,  von  allen  Sünden  losgesprochen  werden,  wenn  er  zehn  Tage 


Corio.    Bolero.     Perez.     Französ.  Schriften.  71 

in  Mailand  verweile  und  dort  täglich  fünf  Kirchen  besache  und  in 
der  ersten  zwei  Drittel  der  Kosten  einer  Reise  nach  Rom  deponire, 
wovon  zwei  Drittel  der  Fabrik  bleiben,  ein  Drittel  dem  Papste  zu- 
fallen solle.  Die  Ablassbe willigung  hat  sicher  nicht  so  gelautet; 
aber  bemerkenswerth  ist  immerhin,  dass  sie  so  angegeben  wurde. 
—  Die  Istorie  di  Firenze  (1492 — 1532)  von  Jacopo  Nardi  stehen 
nicht  im  Index.  In  der  Ausgabe  von  1582  sind  Stellen  weggelassen. 
Vollständig  ist  das  Werk  von  Agenore  Gelli,  Flor.  1858,  herausge- 
geben (Bertocci,  Repertorio  2,  207). 

In  dem  Decrete  No.  26  von  1622  steht:  Relation  es  Boteri;  non 
permittantur  nisi  illae,  quae  sunt  correctae  juxta  antiquam  impres- 
sionem  Taurini  1601  factam  per  Jo.  Dom.  Tarinum,  Serenissimo 
Duci  Sabaudiae  dicatae,  in  bis  praecipue,  quae  libro  primo  partis 
secundae  habentur  in  cap.  scripto  Delle  forze  del  Regno  di  Francia. 
Giov.  Botero  (nicht  Bottero,  wie  jetzt  im  Index)  war  bis  1581 
Jesuit,  dann  Secretär  des  Carlo  und  Federigo  Borromeo,  machte  dann 
grosse  Reisen  und  wurde  darauf  Erzieher  der  Söhne  Karl  Em- 
manuels von  Savoyen,  t  um  1617  (Mazzuchelli  2,  1869.  Tirab.  7, 
908);  er  war  ein  eifriger  Geistlicher  und  ein  guter  Historiker  und 
Politiker.  Seine  Relazioni  universali,  welche  im  1.  Theile  eine  geo- 
graphische und  historische  Beschreibung  der  vier  Welttheile  ent- 
halten, im  2.  über  die  Fürsten  der  damaligen  Zeit,  im  3.  über  die 
Religionen  handeln,  erschienen  zuerst  zu  Rom  1592,  mit  einem  4. 
Theile  über  die  heidnischen  Religionen  der  neuen  Welt  und  die  Bekeh- 
rungsversuche vermehrt,  1595.  Sie  sind  oft  gedruckt,  auch  ins  La- 
teinische (1620)  und  Deutsche  übersetzt  (Weltbeschreibung,  1611). 
Verboten  und  expurgirt  wurde  das  Buch  auf  Betreiben  der  fran- 
zösischen Regierung,  wie  Zacc.  p.  280  nach  Albizzi,  Risposta  all' 
Ist.  deir  Inquis.  p.  314  angibt.  Auf  Betreiben  der  spanischen  Re- 
gierung wurden,  wie  Albizzi  beifügt,  1603  verboten  die  1598  er- 
schienenen Relaciones  en  tre  partes  von  Antonio  Perez,  dem 
Secretär  Philipps  II.,  der  1592  von  der  spanischen  Inquisition  zum 
Tode  verurtheilt  und  in  effigie  verbrannt  worden  war.  Im  span. 
Index  stehen  auch  seine  anderen  Schriften. 

Lucii  Pauli  Rho sei li  Patavini  Index  quidam  Commentariorum 
D.  Francisci  Aretini  de  Accoltis,  Lugd.  1550,  verb.  1609.  Der 
Titel  der  Ausgabe  Venedig  1590*  Fol.  heisst:  Index  locupletissimus 
remm  ac  verborum  notatu  dignornm  ad  dilucida  commentaria  Fr. 
Ar.  Acc.  (t  1485)  in  omnes  ordinarias  juris  civilis  partes.  Der 
Verfasser  wird  auf  dem  Titelblatt  nicht  genannt,  aber  die  Dedication 
beginnt  Pientissimo  Parisiensium  Archiep.  Paulo  Zabarellae  Lucius 
Paulus    Rhosellus    (er   war  Geistlicher,    Prof.    in  Padua,    f  1556). 

Von  älteren  französischen  Schriften  sind  zu  erwähnen:  Acta 
legationis  ducis  Niverniae  ad  dementem  VIII.  Pont.  Rom.  (Frankf. 
1595),  verb.  1603,  über  die  Gesandtschaft  des  Herzogs  von  Nevers, 
der  1593  nach  der  Thronbesteigung  Clemens'  VIII.  von  Heinrich  IV. 
nach  Rom  gesandt  wurde,  mit  dem  Auftrage,  nicht  über  die  Ab- 
sohwörung  des  Königs  zu  unterhandeln,  da  dieser  die  Absolution 
durch  die  Bischöfe   als   genügend  ansah.     Clemens    verweigerte   im 


72  Nachtrage  zu  dem  Index  von  1596. 

ConBistorium  vom  15.  Jan.  1594  „Heinrich  von  B6am"  die  Aner- 
kennung als  König,  worauf  Nevers  ihm  eine  Denkschrift  voll  bitterer 
Vorwürfe  und  Drohungen  einreichte  (Hist.  Zts.  1874,  85).  —  Ex- 
hortatio  ad  Christianissimi  Hegis  Galliae  consiliarios.  Quo  pacto 
obviam  iri  possit  seditionibus  quae  ob  religionis  causam  impendere 
videntur.  [Ex  gallica  lingua  translata  1561  ..  .  Eecusa  1609.  24  Bl.  4], 
erst  1624  verb.,  Nachdruck  der  1561  erschienenen  lat.  üebersetzung 
der  aus  demselben  Jahre  stammenden  Exhortation  aux  Princes  et 
Seigneurs  du  Conseil  prive  du  Roy  etc.,  worin  die  Freigebung  der 
beiden  christlichen  Bekenntnisse  befürwortet  wird.  —  Bernard  de 
Girard,  Seigneur  du  Haillan  (1571  von  Karl  IX.  zum  Historio- 
graphe  de  France  ernannt,  t  1610),  De  Testat  et  succez  des  affaires 
de  France  .  .  .  contenant  Thist.  des  roys  de  France  .  .  .  1595  (zu- 
erst 1576),  die  erste  Geschichte  von  Frankreich  in  französischer 
Sprache,  verb.  1609;  —  Discours  politiques  et  militaires  du  Sieur 
de  la  Noue  (1567  General  der  Calvinisten,  1588  im  Dienste  der 
Generalstaaten),  1599  (zuerst  1588,  2  vol.  12.),  verb.  1610.  Schon 
1592  war  zu  Rom  ein  Judicium  de  Nuae  militis  Galli  scriptis  etc. 
(auch  über  Bodin,  Mornay  und  Machiavelli)  von  Ant.  Possevinus 
erschienen. 

Erst  1623  wurden,  gleichzeitig  mit  einigen  galli cani sehen 
Schriften,  verb.  De  rebus  gallicis  praecipuis  epitome  ab  a.  1555  usque 
ad  praesentem  1594,  von  Laur.  Risebergius,  Prediger  zu  Garde- 
legen, Heimst.  1594,  4.;  —  Franc.  Jureti  Observationes  ad  Ivonis 
Carnotensis  epistolas,  1585  und  1610  (mit  d.  c,  vgl.  I  S.  495); 
—  Petri  Matthaei  Septimus  decretalium:  constitutionum  apost.  post 
sextum,  Clem.  et  Extrav.  ad  hodiernum  diem  editarum  continnatio, 
Frcf.  1590,  8.  (in  manchen  Ausgaben  des  Corpus  juris  can.  als  Ap- 
pendix abgedr.;  Schulte,  Gesch.  3,  1,  579;  Mich,  a  S.  Jos.  4,  141), 
und  (mit  d.  c.)  die  von  demselben  Schriftsteller,  Pierre  Mathieu  (1563 
— 1621),  erst  Advocat,  dann  Historiograph  Heinrichs  IV.,  anonym 
veröffentlichte  Histoire  des  dernieres  troubles  de  France  soubs  les 
regnesdes  rois  Henri  III.  et  Henri  IV.  [1576—89],  Lyon   1594,  8. 

Erst  1619  wurde  verb.  Petri  Aerodii  de  patrio  jure  (so  bei 
Alex.  No.  19  und  noch  jetzt;  auf  dem  Titelblatte  folgt:  ad  filium 
pseudojesnitam),  schon  1593  erschienen  (in  2.  Aufl.  1597),  auch  fran- 
zösisch:  Traite  de  la  puissance  paternelle  contre  ceux  qui  souspr^- 
texte  de  religion  volent  les  enfants  k  leur  p^re  et  mere.  Der  Ver- 
fasser ist  der  berühmte  französische  Jurist  P.  Ayrault  (Bayle  s.  v.). 
Dessen  Sohn  Rene,  der  bei  den  Jesuiten  in  Paris  erzogen  worden, 
war  gegen  den  Willen  des  Vaters  zu  Trier  1586  Jesuit  geworden, 
und  alle  Bemühungen,  seine  Entlassung  zu  erwirken,  auch  die  bei 
Clemens  VIII.  gethanen  Schritte  waren  erfolglos  geblieben.  (Im  span. 
Index  steht  dieses  Buch  nicht,  wird  aber  ein  juristisches  Werk  von 
Ayrault  expurgirt.) 

Claudii  Alberii  Organen  i.  e.  instrumentum  doctrinarum  om- 
nium  in  duas  partes  divisum,  Morgiis  1585,  verb.  1605.  Der  Ver- 
fasser, Gl.  Aubery,  ein  französischer  Mediciner,  wurde  Protestant, 
schrieb    als  Professor    der  Philosophie    zu  Lausanne  Apodictae  ora- 


Allgemeine  Verbote.  73 

tiones,  die  anf  Betreiben  Beza's  von  der  Synode  zu  Bern  als  zu 
katholisch  verdammt  wurden,  und  wurde  schliesslich  wieder  katho- 
lisch, t  1596.  —  Erst  1623  wurden  mit  d.  c.  verb.  zwei  von  den 
vielen  Schriften  eines  andern  französischen  Mediciners,  Ant.  Mizauld, 
(1520 — 78):  Antonii  Mizaldi  Memorabilium,  utilium  ac  jucundorum 
centuriae  IX,  1566  u.  s.,  und  Historia  Hortensium,  quatuor  opusculis 
melhodice  contexta,  1576.  Letzteres  Buch  handelt  von  Heilkräutern ; 
von  ersterm  sagt  Delrio,  Disq.  mag.  1,  3,  es  seien  darin  supersti- 
tiosa  a  naturalibus  nicht  unterschieden,  und  Thiers,  Superst.  1,  415 
citirt  daraus  Formeln  für  die  Beschwörung  von  Grewittem  u.  dgl. 
Es  wird  von  Sand.  Liss.  und  Sot.  stark  expurgirt,  weniger  stark 
das  erste  und  andere  Schriften. 


14.     Allgemeine  Verbote. 

Zu  den  schon  im  Glementinischen  Index  stehenden  allge- 
meinen Verboten  (S.  40)  kamen  ausser  manchen  später  zu  be- 
sprechenden schon  in  den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrhunderts 
folgende  hinzu:  Entscheidungen  der  Congregatio  Concilii  Tri- 
dentini,  die  ohne  deren  Ermächtigung  gedruckt  sind  (1621;  Decr. 
gen.  II,  3) ;  —  das  1629  erlassene  Verbot  von  ohne  päpstliche 
Erlaubniss  herausgegebenen  Uebersetzungen  der  Trienter  Decrete 
ist  nicht  in  den  Index  aufgenommen;  —  alle  Litanieen  mit  Aus- 
nahme der  Allerheiligen-  und  der  Lauretanischen  Litanie  (1601; 
Decr.  gen.  IV,  3 ;  das  Verbot  hat  viele  Bücher  auf  den  Index  gebracht 
und  bis  zum  J.  1882  viele  Verhandlungen  veranlasst);  —  Schriften 
über  die  muhammedanische  Religion  (1603;  Decr.  gen.  I,  11).— 
Das  Verbot  der  Elogia  haereticorum  (I S.  541)  wurde  1633  durch 
den  Magister  S.  Palatii  eingeschärft  und  auf  die  Bilder  und 
Medaillen  zu  ihren  Ehren  ausgedehnt.  Im  Zusammenhange  mit 
diesem  Verbote  steht  das  Verbot  einer  Anzahl  von  nützlichen 
bibliographischen  Büchern,  in  denen  auch  ketzerische  Schrift- 
steller lobend  erwähnt  werden. 

In  der  Bulle  Pius^  IV.  vom  26.  Jan.  1563,  durch  welche  die 
Beschlüsse  des  Trienter  Concils  bestätigt  werden,  wird  unter  An- 
drohung der  Excommunicatio  latae  sent.  verboten,  ohne  päpstliche 
(jenehmigung  Commentare,  Glossen,  Anmerkungen,  Scholien  oder 
andere  Erklärungen  zu  jenen  Decreten  zu  veröffentlichen.  Am 
29.  April  1621  erklärte  die  Congr.  Conc.  Trid.:  es  sei  ihr  bekannt 
geworden,  dass  Sammlungen  von  Declarationen  unter  ihrem  Namen 
(ementito  ipsius  Congregationis  nomine)  veröffentlicht  worden  seien, 


74  Allgemeine  Verbote. 

die  besser  ungedruckt  geblieben  wären,  da  sie  von  Irrthümeru  wim- 
melten und  stellenweise  dem  ricbtigen  Verstündnisse  des  Concils 
widersprächen ;  da  nun  solche  Publicationen  durch  die  Bulle  Pins'  IV. 
verboten  seien,  habe  sie  mit  Genehmigung  Gregors  XV.  beschlossen, 
es  seien  alle  Sammlungen  von  Declarationes,  Decisiones  seu  Inter- 
pretationes  Congregationis  Concilii,  die  schon  gedruckten  und  noch 
zu  druckenden,  auf  den  Index  zu  setzen,  namentlich  (folgen  die 
unten  verzeichneten).  Dieses  Decret  wurde  6.  Juni  1621  von  der 
Index-Congr.  publicirt  (Alex.  No.  24).  Die  in  demselben  speciell 
verbotenen  Bücher,  sämmtlich  von  gut  katholischen  Theologen  und 
Canonisten,  sind:  Declarationes  Concilii  Trid.  ex  bibliotheca  manu- 
scripta  Prosperi  Farinaccii  (war  schon  1609  verboten  mit  genauerer 
Titelangabe:  Decisionum  novissimarum  Rotae  Rom....  Pars  IV. 
continens  tum  decisiones  varias,  tum  declarationes  Concilii  Trid.  (ut 
falso  dicitur)  habitas  e  bibl.  etc.  [Francf.]  1608,  und  dieser  Titel 
steht  seit  Ben.  im  Index):  —  Decreta  Conc.  Trid.  ad  suos  quaeque 
titulos  secundum  juris  methodum  redacta,  adjunctis  Declarationibus 
auctoritate  apost.  editis  etc.  Per  Fr.  Petrum  Vinc.  de  Marzilla 
(Benedictiner,  Salamanca  1613);  —  Declarationes  Cardinalium 
Congr.  Conc.  Trid.,  una  cum  Jo.  Sotealli  [Soteaulx,  Cistercienser  in 
Belgien]  et  Horatii  Lucii  annotationibus ;  —  Remissiones  doctorum,  qui 
varia  loca  Conc.  Trid.  incidenter  tractarunt,  auctore  Augustino  Bar- 
bosa  [Portugiese,  lebte  lange  in  Rom,  Consultor  der  Index-Congr., 
t  1649  als  Bischof,  Lissabon  1618  u.  s.];  —  S.  Conc.  Trid.  Deci- 
siones et  Declarationes  111.  S.  R.  £.  Cardinalium  ejusdem.  Conc. 
Interpretum  ad  diversa  exemplaria  .  .  .  praesertim  sec.  correctionem 
Petri  de  Marzilla,  opera  Jo.  de  Gallemart  [Prof.  in  Douay, 
Douay  1618  u.  o.];  —  Declarationes  Cardinalium  Conc.  Trid. 
Interpretum  ex  ultima  recensione  Jo.  Gallemart  cum  citationibus 
Jo.  Sotealli  et  remissionibus  Aug.  Barbosae.  —  Im  J.  1642  wurde 
noch  verboten  das  nach  jenem  Verbote  gedruckte  Buch:  Collectanea 
bullarii  aliarumque  Summ.  Pontificum  constitutionum  nee  non  prae- 
cipuarum  decisionum,  quae  ab  Apost.  Sede  et  s.  congregationibus 
8.  R.  £.  Cardinalium  Romae  celebratis  usque  ad  a.  1633  emana- 
runt,  auct.  Aug.  Barbosa  [Lyon  1634  u.  s.].  Im  spanischen  Index 
stehen  diese  Werke  nicht.  Mehrere  wurden  trotz  des  Verbotes 
wiederholt  gedruckt^). 

Am  22.  Juni  1629  erklärte  die  Congr.  Concilii  auf  die  ihr  auf 
Befehl  des  Papstes  von  der  Propaganda  überwiesene,  durch  das  Er- 
scheinen einer  französischen  Uebersetzung  der  Decrete  des  Trienter 
Concils  veranlasste  Anfrage,  ob  solche  üebersetzungen  erlaubt  oder 


1)  Schulte,  Gesch.  3, 1,  54.  462.  682.  746.  Bailies,  La  Congr.  de  VI 
p.  251  spricht  von  einer  Ausgabe  der  Canones  et  decreta,  Par.  1754,  16,, 
u.  8.,  in  der  Anmerkungen  beigefügt  seien,  die  die  Tendenz  hätten,  die 
französische  Kirche  dem  Staate  zu  unterwerfen,  und  sagt,  diese  Ausgabe 
falle  unter  Decr.  gen.  II,  3.  Warum  hat  man  diese  weit  verbreitete  Aus- 
gabe nicht  verboten? 


Declarationes  Concilii  Trid.  76 

2u  den  von  Pias  IV.  verbotenen  interpretationes  et  glossae  zu  zählen 
seien:  sie  seien  zu  verbieten  und  die  Index-Congr.  zn  ersnclien,  das 
französische  Bnch  und  alle  anderen  ohne  Rpecielle  Erlanbniss  des 
apost.  Stuhles  gedruckten  Uebersetzungen  zu  verbieten  (Mejer,  Pro- 
paganda I,  205).  Die  Index-Congregation  publicirte  das  Verbot 
15.  Nov.  1629  (No.  35);  die  fragliche  französische  Uebersetzung 
wird  in  dem  Decrete  nicht  speciell  erwähnt.  In  neuerer  Zeit  sind 
trotz  des  Verbotes  mehrere  deutsche  Uebersetzungen  erschienen 
(Schulte,  Gesch.  3,  1,  55).  Im  span.  Index  von  1790,  p.  269 
wird  eine  zuerst  1785  erschienene  span.  Uebersetzung  von  Ignacio 
Lopez  de  Ayala  mit  einigen  Verbesserungen  freigegeben. 

In  einem  Beeret  vom  2.  Aug.  1631  erklärte  die  Congr.  Conc. 
Trid.:  sie  habe  wiederholt  und  zuletzt  im  J.  1621  erklärt,  alle 
unter  ihrem  Namen  und  ohne  ihre  Genehmigung  herausgegebenen 
Declarationes  u.  s.  w.  seien  auf  den  Index  zu  setzen;  manche  der- 
selben seien  geändert,  verstümmelt  und  vielleicht  erdichtet;  sie  er- 
kläre daher  im  Auftrage  Urbans  VIII.,  dass  man  sich  nur  auf  die 
in  authentischer  Form  mit  dem  Siegel  und  der  Unterschrift  des 
Praefecten  und  des  Secretärs  versehenen  Declarationen  berufen  könne. 
Ein  bis  auf  die  Erwähnung  des  Index  gleichlautendes  Decret  erliess 
11.  Aug.  1632  die  Congr.  Eituum  (A.  J.  P.  1,  1229).  Viele  Ent- 
scheidungen beider  Congregationen  wurden  einzeln  in  der  Druckerei 
der  apostolischen  Kammer  gedruckt.  Aber  erst  seit  1739  erscheint 
ein  approbirter  Thesaurus  Resolutionum  S.  Congr.  Conc.  Von  der 
Sammlung  Decreta  authentica  S.  Kituum  Congregationis  notis  illu- 
Rtrata  (von  Spiridion  Talu  in  Venedig),  von  welcher  1762  eine  Aus- 
gabe zu  Eom  erschien,  erklärte  die  Congregation  24.  Juli  1762,  sie 
sei  keine  authentische  (officielle).  Erst  seit  1808  erscheint  (von 
Lud.  Gardellini  begonnen)  eine  officielle  Sammlung  (A.  J.  P.  1,  1232). 

Seit  Alex,  stand  im  Index  das  allgemeine  Verbot  in  der  Form: 
Declarationum  Conc.  Trid.  collectiones  omnes  et  quaecunque;  seit 
Ben.  steht  in  den  Decr.  gen.  II,  3:  Declarationes,  decisiones,  inter- 
pretationes Congregationis  Conc.  Trid.  earumque  collectiones  tam  im- 
pressae,  quam  imprimendae,  ementito  ipsius  Congregationis  nomine. 
—  Ein  allgemeines  Verbot  bezüglich  der  Decrete  der  Riten-Congr. 
steht  nicht  im  Index,  aber  1709  wurde  verb.  die  von  dem  Ve- 
netianischen  Priester  J.  B.  Pittoni  (f  1748)  herausgegebene 
Sammlung:  Recentiora  S.  Rituum  Congr.  decreta  nuUibi  hactenus 
conjunctim  impressa,  coUecta . .  Ven.  1702. 

Unter  Clemens  VIII.  wurde  ein  Decret  der  Inquisition  Fer.  V. 
6.  Sept.  1601  bekannt  gemacht  des  Inhalts:  da  viele  unter  dem 
Vorwande  der  Förderung  der  Andacht  neue  Litanieen  veröffent- 
lichten, so  dass  deren  schon  fast  zahllose  in  Umlauf  seien,  darunter 
auch  solche,  in  denen  unpassende  (oder  unsinnige,  ineptae)  oder  ge- 
fährliche und  nach  Irrthum  schmeckende  Sätze  vorkämen,  so  ver- 
ordne der  Papst:  wer  Litanieen  ausser  der  alten  und  gebräuchlichen, 
in  den  Brevieren,  Missalien  u.  s.  w.  enthaltenen  [von  allen  Heiligen] 
und  der  sog.  Lauretanischen  herausgeben  oder  in  Kirchen  oder  Ora- 
torien oder  bei  Processionen  gebraueben  wolle,   habe  sie  zuvor  der 


76  Allgemeine  Verbote. 

Congregation  der  Kiten  vorzulegen;  ohne  deren  Gutheissung  Lita- 
nieeu  zu  veröffentlichen  oder  öffentlich  zu  beten,  solle  als  Sünde 
angesehen  und  nach  dem  Ermessen  des  Bischofs  und  Inquisitors 
strenge  bestraft  werden^).  Demgemäss  werden  bei  Alex,  und  in 
den  folgenden  Indices  unter  L,  seit  Ben,  in  den  Decr.  gen.  IV,  3 
alle  Litanieen  ausser  den  beiden  genannten  als  verboten  bezeichnet. 
In  einem  Decrete  vom  2.  Sept.  1727  brachte  die  Index-Congr.  das 
Beeret  von  1601  in  Erinnerung  und  fügte  bei,  es  dürften  keine 
nicht  von  der  Riten-Congr.  approbirte  Litanieen  gedruckt  werden, 
bei  den  in  dem  Decrete  von  IGOl  und  im  Index  angedrohten  Strafen, 
und  noch  im  J.  1821  wies  die  Riten-Congr.  mit  Genehmigung  Pius' VII. 
die  Bischöfe  an,  alle  gedruckten  und  geschriebenen  nicht  appro- 
birten  Litanieen  zu    confisciren    und    zu    verbieten. 

Im  Laufe  des  17.  Jahrh.  wurde  von  der  Riten-Congr.  eine  Reihe 
von  Gesuchen  um  Approbation  bestimmter  Litanieen  abgelehnt, 
und  bis  auf  diesen  Tag  ist  nur  eine  einzige,  und  zwar  erst  in  der 
neuesten  Zeit,  approbirt  worden,  die  vom  Namen  Jesu.  Für  diese 
wurde  1040  von  der  Congregation  des  h.  Vincenz  von  Paulo  noch 
bei  dessen  Lebzeiten  die  Approbation  nachgesucht  und  nochmals 
1642  mit  der  Bemerkung,  sie  stehe  im  Pariser  Brevier  und  werde 
in  Paris  vielfach  öffentlich  gebetet.  Beide  Gesuche  wurden  abge- 
lehnt. Desgleichen  wurde  1662  ein  Gesuch  von  Nonnen  in  Ame- 
rica, die  sich  darauf  beriefen,  sie  seien  seit  langer  Zeit  gewohnt, 
diese  Litanie  zu  singen,  dahin  beschieden,  das  sei  nach  dem  De- 
crete von  1601  nicht  gestattet.  Im  J.  1646  befürwortete  die  Riten- 
Congr.  allerdings  bei  Innocenz  X.  die  Approbation  der  Litanie  auf 
Grund  eines  Gesuches  mehrerer  Fürsten  und  Bischöfe,  in  welchem 
gesagt  war,  dieselbe  werde  in  Deutschland  seit  unvordenklicher  Zeit 
allgemein  gebetet,  sei  oft  lateinisch  und  deutsch  gedruckt  und  von 
dem  h.  Stuhle  auf  Ersuchen  des  Herzogs  Wilhelm  von  Baiern  mit 
anderen  Litanieen  approbirt  worden,  und  die  Behauptung  einiger 
Geistlichen,  die  Litanie  sei  in  Rom  verboten  worden,  habe  ein  un- 
glaubliches Scandal  unter  den  Katholiken  und  viele  Spöttereien  von 
Seiten  der  Ketzer  veranlasst.  Der  Antrag  scheint  aber  von  dem 
Papste  gleichwohl  abgelehnt  worden  zu  sein.  Clemens  X.  verlieh 
den  Carmelitern  für  die  Recitation  dieser  Litanie  einen  Ablass.  Die 
Ablass-Congr.  scheint  also  damals  nicht  daran  gedacht  zu  haben, 
dass  die  Riten-Congr.  die  Litanie  nicht  approbirt  hatte.  Endlich 
1862  hat  die  Riten-Congr.  diese  Litanie,  und  zwar  eine  bestimmte 
Form  derselben,  zu  drucken  und  öffentlich  zu  beten  gestattet  (A. 
J.  P.  11,  634;  15,  1088.  J.  Schneider,  Die  Ablässe,  6.  Aufl., 
S.  168). 


1)  Das  Decret  bei  Alex.  No.  2,  mit  einem  Commeutar  bei  Thiers, 
Tr.  des  superstitions  4,  115  und  A.  J.  P.  1,  1249.  Baronius  (Epp.  ed.  R. 
Albericius  3,  129)  schreibt  24.  Nov.  1601:  es  seien  ungefähr  80  Litanieen 
in  Umlauf  gewesen;  nicht  approbirte  Litanieen  beim  Privatgebete  zu  ge- 
brauchen, sei  nicht  verboten. 


Litanieen.  77 

Auf  Grund  des  Decretes  vom  J.  1601  wurden  1603  speciell 
verboten:  Thesaurus  sacrarum  precum  sive  litaniae  variae  ad 
Deum  Patrem,  ad  Deum  Filium,  ad  Deum  Spiritum  Sanctuni,  ad  B. 
Virginem,  ad  sanctos  angelos  et  ad  plures  sanctos  et  sanctas  Dei, 
Ven.  1599,  und  Thomae  Sailly  [S.  J.]  Thesaurus  litaniarum  et 
orationum  sacr.  Cum  suis  adv.  sectarios  apologiis,  Brux.  1598, 
400  S.  8,,  u.  s.  Letztere  Sammlung  enthält  nach  Thiers  4,  113  u.  a. 
Litanieen  von  den  niederländischen  Heiligen,  von  dem  Blute  Christi, 
von  der  Empfängniss  Mariae,  von  der  Niederkunft  (couches)  Mariae 
u.  dgl.  In  der  folgenden  Zeit  wurden  mehrere  Gebetbücher  ledig- 
lich oder  hauptsächlich  darum  verboten,  weil  darin  nicht  approbirte 
Litanieen  standen:  1624  wurde  verordnet,  in  dem  Buche  des 
Dominicaners  Benedetto  Zaioso,  Rosario  della  grande  imperatrice 
dei  cieli  Maria,  in  tre  parti  diatinto,  con  la  santa  messa,  Ven.  1602, 
12.,  sei  die  Litanie  von  der  h.  Jungfrau  zu  tilgen,  die  noch  nicht 
von  der  Riten-Congr.  approbirt  und  in  Widerspruch  mit  dem  De- 
crete  von  1601  gedruckt  sei,  nach  Quetif  2,  349  eine  Litanie,  die 
vor  1601  in  ganz  Italien  gesungen  wurde  und  von  Gregor  XIII. 
1580  mit  einem  Ablass  versehen  war.  In  einem  Decrete  von  1668 
beisst  es  von  Brevis  relatio  de  origine  et  divisione  religionis  S.  Fran- 
cisci  von  Guil.  Brauczek:  Non  permittitur  nisi  deletis  litaniis.  — 
Ascesis  spiritualis  pro  confraternitate  S.  Joseph  edita  a  confratri- 
bus  dictae  confraternitatis  in  Eccl.  Varsaviensi  Carmelitarum  discal* 
ceatorum  congregatis  wurde  1671  ohne  Angabe  eines  Grundes  ver- 
boten, enthält  aber  nacb  der  Raccolta  s.  v.  Esercizio  ein  Officium 
parvum,  einen  Rosenkranz  und  eine  Litanie  vom  h.  Joseph.  Von 
einer  Ausgabe  der  Preees  Gertnidianae  seu  vera  et  sincera  medulla 
devotissimarum  precum,  Ven.  1702,  wurde  1709  erklärt:  verboten, 
wenn  nicht  die  von  der  Riten-Congregation  nicht  approbirten  Lita- 
nieen und  Officien  beseitigt  werden.  Auch  ein  zu  Wien  1730  ge- 
drucktes Vademecum  wird  1737  wegen  der  darin  stehenden  nicht 
approbirten  Litaniae  (und  Officia,  §  32)  verb.  sein. 

So  mögen  auch  noch  einige  andere  Bücher  um  der  Litanieen 
willen  ausdrücklich  vei'b.  worden  sein,  jedenfalls  aber  nur  ein  ge- 
ringer Bruchtheil  von  denjenigen,  die  unter  das  allgemeine  Verbot 
von  1601  fallen.  Da  dieses  noch  heute  in  den  Decr.  gen.  steht, 
80  sind  strenge  genommen  alle  Gebetbücher  verboten,  welche  andere 
als  die  zwei  oder  jetzt  drei  approbirten  Litanieen  enthalten.  Das 
werden  aber  neun  Zehntel  der  bei  den  deutschen  Katholiken  ver- 
breiteten Gebetbücher  sein.  In  Deutschland  gibt  es  ja  eigene  Samm- 
lungen von  Litanieen,  die  von  Bischöfen  approbirt  und  in  katholi- 
schen Blättern  empfohlen  worden  sind,  wie  denn  auch  allerlei 
Litanieen  in  Kirchen  und  bei  Processionen  gebetet  zu  werden  pflegen, 
—  alles  in  Widerspruch  mit  den  Römischen  Verordnungen.  Noch 
16.  Juni  1880  übersandte  die  Riten-Congr.  den  Bischöfen  ein  Mo- 
nitum des  Inhaltes:  da  vielfach  auch  in  Gebetbüchern,  die  mit 
bischöflicher  Erlaubniss  erschienen  seien,  andere  als  die  drei  appro- 
birten Litanieen  gedruckt  worden,  würden  die  Bischöfe  ermahnt, 
keine  andere  als  jene  drei  und  etwaige  andere  von    der  Inquisition 


78  Allgemeine  Verbote. 

approbirte  öffentlich  recitiren  zu  lassen  und  keinen  Büchern  die 
Druckerlaubniss  zu  ertheilen,  in  quibus  litaniae  inveniuntnr  apo- 
stolica  sanctione  carentes  (A.  .1.  P.  19,  768).  Der  Bischof  von 
Strassburg  machte  Vorstellungen  über  die  Schwierigkeit,  dieses  in 
deutschen  Diöcesen  durchzuführen,  und  die  Congregation  nahm  nun 
zwar  ihr  Monitum  nicht  zurück,  —  das  pflegen  die  Römischen  Con- 
gregationen  nicht  zu  thun,  —  gab  aber  eine  authentische  Declara- 
tion  desselben  des  Inhalts :  das  Monitum  beziehe  sich  nur  auf  die 
Recitation  der  Litanieen  bei  liturgischen  Functionen;  die  Bischöfe 
aber  seien  nicht  nur  befugt,  sondern  verpflichtet,  andere  bezw.  neue 
Litanieen  zu  prüfen,  eventuell  zu  approbiren,  aber  nur  für  den  pri- 
vaten und  ausserliturgischen  Gebrauch  (A.  J.  P.  22,  117). 

Nach  einem  Decrete  von  Iß'M  ist  es  nicht  gestattet,  zu  dem 
officiellen  Texte  der  Lauretanischen  Litanie  ohne  päpstliche  Ge- 
nehmigung Zusätze  zu  machen^).  Die  Riten-Congr.  hat  1821  und 
1839  ausdrücklich  verboten,  aus  specieller  Devotion  aliquera  versi- 
culum  beizufügen,  z.  B.  Maria  advocata  nostra.  Seit  184G  ist  von 
der  Riten-Congr.  vielfach  das  Privilegium  gewährt  worden,  Regina 
sine  labe  originali  concepta  beizufügen.  Die  Mitglieder  der  Rosen- 
kranzbruderschaft durften  seit  1675  beifügen:  Regina  Sancti  Rosarii 
(Schneider  S.  199),  und  Leo  XIII.  hat  1883  diesen  Zusatz  allge- 
mein vorgeschrieben  (A.  J.  P.  23,  490).  —  Auch  in  der  AUer- 
heiligen-Litanie  dürfen  nach  einem  Decret  vom  J.  1873  (A.  J.  P. 
19,  891)  keine  Namen  von  Heiligen,  die  in  einer  Diöcese  besonders 
verehrt  werden,  beigefügt  werden  ^j. 

Warum  von  des  baierischen  Jesuiten  Tobias  Lohn  er  (f  1680) 
Instructio  practica  de  confessionibus  rite  excipiendis  die  zu  Padua 
1705  gedruckte  Ausgabe  in  Rom  verb.  worden,  wird  nicht  angegeben; 
aber  im  span.  Index  wird  verordnet,  in  mehreren  seiner  Instructiones 
practicae  Litanieen,  die  Verweisung  auf  den  Thesaurus  precum  und 
in  einer  Litanie  S.   Carbonianus  (Corbinianus)  zu  streichen. 

Das  Verbot :  Instructionum  et  rituum  sectae  Mahumetanae  libri 
omnes  steht  in  dem  Decrete  Alex.  No.  4  und  scheint  veranlasst  zu 
sein  durch  das  in  demselben  Decrete  stehende  Buch:  Liber  de  Rus- 
sorum,  Moscovitarum  et  Tartarorum  religione  inipr.  Spirae.  Erst 
Ben.  hat  den  Titel  vervollständigt:  Jo.  Lasitzki,  De  Russ.  .  .  . 
rel.,  sacriflciis ,  nuptiarum  et  funerum  ritu  e  diversis  scriptoribus 
(1582;  8.  Bayle  s.  v..  Freytag,  Anal.  514).  In  den  Krakauer  In- 
dices  von  1603  und  1617  werden  alle  Schriften  von  Jo.  Lasicius 
verboten.  Liss.  1624  meint,  er  werde  identisch  sein  mit  Jo.  a  Lasco. 
Sot  sagt:  Lasicius  habe  zu  den  von  ihm  in  lateinischer  Ueber- 
setzung  in  jenes  Werk  aufgenommenen  Schriften  Zusätze  und  luthe- 
rische Irrthümer  beigefügt:  einige  der  Schriften  seien  an  sich  un- 
bedenklich. 


1)  Im  Sacro  Arsenale  (S.  38)  p.  498  werden  speciell  verboten:   Spi- 
ritus sancti  solatium  und  Calandra  sancta. 

2)  In   der  Allerheiligen-Litanie   des  Kölnischen  Breviers    sind   viele 
Heilige  beigefügt;  aber  dieses  Brevier  gehört  zu  den  I  S.  439  besprochenen. 


Blogia  haereticorum.  79 

Ohne  Zweifel  hangen  mit  diesem  allgemeinen  Verbote  zusammen 
die  speciellen:  Ecclesia Muhammedana  breviter  delineata  aSam.  Schul- 
teto,  Argent.  1668,  verb.  1703;  Adriani  Relandi  De  religione 
mohammedica  libri  duo.  Ed.  altera,  1717  (zuerst  1705;  vgl.  Paquot 
1,  3),  verb.  1725. 

Das  1621  erlassene,  in  den  älteren  Indices  unter  Indices  stehende 
Verbot  aller  seit  dem  Erscheinen  des  Index  von  1596  ausserhalb 
Roms  ohne  Auftrag  und  Genehmigung  der  Index-Congregation  ge- 
druckten Indices  et  syllabi  particulares  (I  S.  540),  —  wohl  durch 
den  1618  zu  Bologna  erschienenen  Syllabus  (S.  24)  veranlasst,  — 
ist  von  Ben.  beseitigt  worden. 

Das  (italienische)  Edict  des  Mag.  S.  Pal.  vom  26.  Jan.  1633 
beginnt:  „Da  heimlich  und  ohne  die  erforderliche  Erlaubniss  zum 
Aegerniss  vieler  einige  Werke,  Lobreden,  Sonette,  Berichte  und  an- 
dere Schriften,  welclie  ungehörige  Lobsprüche  auf  ketzerische  Per- 
sonen enthalten,  in  diese  hehre  Stadt  Rom  eingeführt  und  dort  ver- 
breitet worden  sind,  so  verbieten  wir**  Jo.  Meursius'  Athenae  Ba- 
tavae,  Boissards  Icones  (s.  u.).  Oratio  panegyrica,  qua  victoriae  de 
Tillio  et  exercitu  pontificio  ad  Sehusium  7.  Spt.  1631  auspicio  et 
ductn  .  .  .  invictisßimi  Suecorum  .  .  .  Regis  Gustavi  Adolphi,  liber- 
tatis  Germaniae  vindicis,  partae  memoriam  celebrabat  Janus  G  e  b  - 
hardus  (Groningen  1632),  und  „jedes  andere  Buch,  Lobrede,  Elo- 
gium,  Sonett  und  Schrift,  gedrucktes  oder  geprägtes  Bild  des  oben 
besagten  [Gustav  Adolf]  und  jedes  andern  Ketzers  mit  ehrenden 
Worten  in  Versen  oder  Prosa,  in  welcher  Sprache  es  auch  sein 
mag,  und  gebieten  allen  Buchhändlern,  Medailleuren  und  Druckern" 
u.  8.  w.  —  Man  sieht,  die  Rede  auf  Gustav  Adolf  ist  der  Haupt- 
anlass  zu  dem  Edicte  gewesen.  Die  Icones  50  virorum  ad  vivum 
effictae  cum  eoruni  vitis  descriptis  a  Jo.  Jac.  Boissardo,  omnia 
recens  in  aes  incisa  per  Theod.  de  Bry,  Frcf.  1595,  und  die  drei 
folgenden  Theile  des  Werkes  (Clement  5,  17)  waren  schon  1605 
verb.  (gleichzeitig  die  Icones  von  Beza  und  die  Epitaphia  von  Pant. 
Candidus,  S.  67);  jetzt  wurde  die  2.  Ausgabe:  Bibliotheca  sive 
Thesaurus  virtutis  et  gloriae  etc.,  Frcf.  1628  (2  Centuriae),  verb., 
mit  der  Bemerkung,  der  Titel  sei  geändert  und  eine  grosse  Zahl 
von  Vitae  et  Elogia  haereticorum  beigefügt.  —  Schon  1603  war 
verb.:  Mauro  Orbini  Raguseo,  II  regno  delli  Slavi,  hoggi  corrot- 
tamente  detti  Schiavoni,  Pesaro  1601,  usquequo  prodeat  deletis  hae- 
reticorum nominibus  passim  citatis;  von  Ben.  ist  das  Buch  ge- 
strichen. —  1619  wurde  verb.:  Iconica  descriptio  et  historia 
praecipuorum  haeresiarcharum,  qui  ab  Ecclesia  cath.  et  christ.  ut 
secretarii  [sectarii?]  ac  phanatici  excommunicati  rejectique  sunt.  Per 
C.  V.  S.,  Amheim  1609  (Rosenthal  39,  100).  C.  V.  S.  bezeichnet 
einen  der  beiden  holländischen  Kupferstecher  Cornelius  oder  Chri- 
stian van  Sichem.  Die  Bildersammlung  ist,  wie  der  Titel  zeigt, 
nicht  zu  Ehren  der  Abgebildeten  (Arius,  Muhammed,  L.  Hetzer, 
Th.  Münzer,  Joh.  von  Leyden  u.  s.  w.)  veranstaltet.  Dagegen  sind 
nicht    verb.  Praestantium  aliquot  theologorum,    qui  Rom.  Antichri- 


80  Allgemeine  Verbote. 

stum  praecipue  oppugnamnt,  effigies,  quibus  addita  elogia  libro- 
rumque  catalogi  op.  Jac.  Verheyden,    Hagae  Comitis   1602,  Fol. 

Andere  hierher  gehörende  Verbote  sind:  Melchior  Adamas, 
Vitae  germanorum  theologorum,  1620,  und  Decades  duae  continentes 
vitas  theologorum  exterorum  principiim,  1618,  verb  1644;  die  Vitae 
germanorum  philosophornm  (1615),  jureconsultorum  et  politicorum 
(1620)  und  medicorum  (1620)  sind  nicht  verb.  (Clement  1,  47);  — 
Jo.  Andr.  Quenstedt,  Dialogus  de  patriis  illustrium  doctrina  et 
scriptis  virorum  omnium  ordinum  et  facultatum,  qui  ab  initio  mundi 
per  univ.  terrarum  orbem  usque  ad  a.  1600  claruerunt,  verb.  1659: 
—  Henr.  Pipping,  Sacer  decadum  septenarius,  mcmoriam  theolo- 
gorum nostra  aetate  clarissimorum  renovatam  exhibens,  Lps.  1705, 
und  Trias  decadum,  memoriam  .  .  .,  1707,  verb.  1718.  —  Auch  Jo. 
Toniola,  Basilea  sepulta  .  .  .  h.  e.  tam  urbis  quam  ngri  Basileensis 
monumenta  sepulchralia,  1661,  wurde  1662  ohne  Zweifel  wegen  der 
Grabschriften  auf  Protestanten  verb. 

Das  Verbot  bibliographischer  Bücher,  in  denen  ketzerische 
Schriftsteller  mit  lobenden  und  mitunter  katholische  mit  nicht  loben- 
den Epitheta  belegt  werden,  ist  allerdings  erklärlicher  als  die  Unter- 
drückung des  Buches  von  Alfonsus  Ciaconius  (I  S.  455).  Bei 
Henr.  Oraeus,  Nomenclator  praecipuorum  jam  inde  a  nato  Christo 

doctorum,  scriptorum,  professorum praesulum,  Hanov.  1619*, 

180  S.  16.,  verb.  1621,  stehen  z.  B.  Martinus  de  Arles,  Doctor  pon- 
tificius  neotericus  celeb.;  Joannes  Archiep.  Ravennas,  resistit  pri- 
matui  Pontificis  Rom.  a.  860;  Jo.  Roatius,  testis  veritatis  saec.  15., 
a.  1412  martyr  sub  Sigismundo  Imp.;  auch  Jo.  de  Wesalia  und 
Jo.  Wünschelburg  als  testes  veritatis.  Aber  Guil.  Crowaei  Elen- 
chus  scriptorum  in  s.  scripturam  tam  graecorum  quam  latinorum, 
London  1672.  8,  verb.  1687,  ist  nur  ein  gutes  und  bequemes  alpha- 
betisches Verzeichnifis  der  Exegeten ;  die  Confession  ist  durch  P(api8ta), 
L(utheranu8),  C(alvinista),  S(ocinianus)  angedeutet;  mitunter  sind 
kurze  ürtheile  beigefügt;  Baillet  2,  n.  97.  Die  jedenfalls  an- 
stössigere  Censura  celebriorum  authorum  von  Thomas  Pope  Blount, 
Lond.  1690,  steht  nicht  im  Index. 

Theophil  Spizels  (f  1691)  Templum  honoris  reseratum,  Augsb. 
1673,  Bilder  und  Elogia  von  40  protestantischen  Theologen  und 
10  Philologen  enthaltend  (Fabricius,  Hist.  B.  5,  489),  steht  nicht 
im  Index,  obschon  man  das  Buch  in  Rom  kannte,  wie  aus  einem 
Briefe  von  Noris  an  Bona  vom  .1.  1674  (in  dessen  Epp.  sei.,  ital. 
Br.  No.  34)  hervorgeht.  Dagegen  wurden  1690  auf  einmal  5  an- 
dere Schriften  von  Spizel  verb. :  Felix  literatus,  Infelix  literatus, 
Literatus  felicissimus,  Pius  literati  hominis  secessus  s.  a  profanae 
doctrinae  vanitate  ad  sincerara  pietatem  manuductio,  M.  Basilii  alio- 
rnmque  patrum  exemplis  et  documcntis  illustrata,  1669,  und  Se- 
lecta  doctorum  veterum  scriptorumque  eccl.  de  vera  sinceraque  ad 
Deum  conversione  documenta,  1685  (diese  Schrift  nicht  bei  Nie. 
15,  44).  In  den  beiden  ersten  Schriften,  den  einzigen,  die  ich  kenne, 
stehen  freilich  unter  den  infelices  ex  invidia  passiva  Erasmus  und 
Carolns  Molinaeus,  unter  den  felices    resp.  infelices    in    hoc    opere 


Elogia  haereiicorum  81 

laudati  Jo.  Wessel,  Melanchtlion,  Franc.  Junins,  Savonarola,  Hus 
und  andere,  die  nach  der  obigen  Regel  nicht  gelobt  werden  durften, 
und  man  scheint  lediglich  darum  die  beiden  Bände  von  mehr  als 
je  1000  S.  8.,  die  doch  nur  Gelehrte  benutzen  konnten,  verb.  zu 
haben.  In  Guil.  Saldeni  ültrajectini  de  libris  varioque  eorum 
U8U  et  abuBu  11.  2,  Amst.  1688,  8.,  verb.  1709,  finde  ich  auch 
ausser  gelegentlichen  Lobsprüchen  auf  Haeretiker  nur  eine  gar  nicht 
sonderlich  boshafte  Bemerkung  über  die  Indices  der  Papicolae  und 
ähnliche  Lappalien. 

In  den  spanischen  Indices  werden  Bücher,  welche  Elogia  hae- 
reticorum  enthalten,  vielfach  nicht  unbedingt  verboten,  sondern  ex- 
purgirt,  aber  so  scharf  expurgirt,  dass  die  Expurgationen  viele 
Seiten  füllen.  In  den  6  Vorbemerkungen  (Advertencias)  zu  dem 
Index  von  Sot.  kommt  u.  a.  folgende  Bestimmung  bezüglich  der 
Epitheta  bei  Auetores  1.  cl.  vor:  Zu  streichen  sind:  vir  optimus, 
pius,  bonae  memoriae,  .  .  .  doctissimus,  sapientissimus,  princeps 
eruditorum,  divinus  (Scaliger),  magnus  (Erasmus),  Germaniae  lumen 
(Melanchthon),  decus  saeculi  nostri,  ocellus  doctrinae  et  eruditionis 
a.  dgl.  Gestattet  ist  z.  B.,  Buchanan  einen  eleganten  Poeten,  Hein- 
rich Stephanus  einen  grossen  Kenner  des  Griechischen,  Tycho  Brahe 
einen  ausgezeichneten  Mathematiker  oder  Astronomen  zu  nennen, 
weil  das  Gaben  sind,  die  Gott  auch  solchen,  die  ausserhalb  seiner 
Kirche  stehen,  wenngleich  zum  Nutzen  dieser,  zu  verleihen  pflegt. 
Nicht  zu  beanstanden  ist:  recte,  eleganter,  prudenter  dixit.  Die 
Titel  Doctor  und  Magister  kommen  strenge  genommen  niemand  zu, 
der  ausserhalb  der  Kirche  steht ,  wie  denn  auch  die  ketzerischen, 
vom  apostolischen  Stuhle  nicht  bestätigten  Universitäten  keine  kirch- 
lich gültigen  Grade  und  Titel  verleihen  können.  Der  Titel  Do- 
minus kann  geduldet  werden.  —  Sand,  hatte  Dominus  und  V.  Cl. 
für  unzulässig  erklärt.  Er  ist  überhaupt  in  diesem  Punkte  noch 
strenger  als  Sot.  (S.  46).  Er  verordnet  z.  B.  in  der  40  Quartseiten 
füllenden  Expurgation  von  Gesners  Bibliotheca,  von  einem  Ketzer 
statt  damit  zu  schreiben  vivebat,  statt  Jani  Cornarii  scholiis  illu- 
stratum  nur  explicatum,  concionator  Northusianus  bei  Ant.  Otho  und 
Theologiae  Professor  bei  Andr.  Musculus  zu  streichen  u.  s.  w.  Der- 
gleichen lässt  Sot.  passiren.  Beide  streichen  aber  die  über  Ha^resi- 
archen  (I  S.  495)  handelnden  Artikel  ganz. 

Bei  Sot.  werden  Adams  Vitae  germanorum  expurgirt.  Die 
Expurgation  füllt  1 3  Folio-Spalten :  viele  Stellen  werden  gestrichen ; 
bei  den  meisten  Autoren  wird  vorgeschrieben :  adde  notam  auctoris 
damnati,  adde  notam  damnationis,  innre  illi  debitam  notam  (auch 
Jo.  Capnio  ist  homo  damnatae  memoriae) ;  in  der  Vita  Melanch- 
thons  soll  seinem  Namen  haeresiarcha  beigefügt,  sonst  aber  überall 
der  Name  Melanchthon  getilgt  werden.  Sogar  in  einem  Buche  von 
Jo.  Grossius,  Urbis  Basileensis  epitaphia  et  inscriptiones,  Basel  1622, 
welches  gewiss  in  Spanien  keine  grosse  Verbreitung  gefunden,  wer- 
den die  epitaphia  honoraria  von  Protestanten  theils  gestrichen, 
theils  castrirt.  Ein  nach  diesem  Eecept  expurgirtes  Exemplar  muss 
schön    aussehen.      Die    Expurgation    der    zu  Freiburg    im  Breisgau 

Betuch,  Index  n.  Q 


82  Allgemeine  Verbote. 

1599  erschienenen  Observationes  medicae  von  Jo.  Schenkius  a  Grafen- 
berg besteht  in  der  Aufzählung  der  sectarii  medici,  quibus  appo- 
nenda  sua  damnationis  nota.  P.  481  verordnet  Sot.,  in  dem  von 
einem  Ketzer  gebrauchten  Ausdrucke  placide  obdormivit  das  pla- 
cide  zu  streichen,  und  p.  827  aus  einem  Buche  des  Juristen  P.  Hei- 
gius  dessen  Portrait  zu  entfernen. 

Benedict  XIV.  sagt  in  der  Vorrede  seiner  Bücher  de  festis 
und  de  missa  (Opera,  Prato  1843,  VIII,  297):  wenn  er  vielfach 
ketzerische  Schriftsteller  citire,  ohne  irgend  etwas  inclementer  über 
sie  zu  sagen,  so  thue  er  das,  weil  er  überzeugt  sei,  dass  injuriae 
et  maledicta  nichts  nützten ;  er  habe  sich  aber,  eingedenk  der  Regel 
Clemens'  VIII.,  aller  Lobsprüche  enthalten.  Michael  a  S.  Josepho 
sagt  in  der  Einleitung  zu  seiner  Benedict  XIV.  gewidmeten  Biblio- 
graphia  critica,  Madrid  1740:  „Bei  dem  Verzeichnen  der  Bücher  der 
Ketzer  habe  ich  mich  absichtlich  jedes  Lobes  enthalten;  denn  es  ist 
nicht  Recht,  die  infamen  vom  katholischen  Glauben  Abgefallenen 
zu  ehren.  Einige  katholische  Schriftsteller  haben  zwar  jüngst  ge- 
sagt, wir  dürften  nicht  so  parteiisch  sein,  heterodoxen  Schriftstellern 
wie  Drusius,  den  Buxtorfen,  Lightfoot,  Scaliger,  Grotius,  Seiden 
das  Lob  der  sprachlichen,  geographischen  und  profangeschichtlichen 
Gelehrsamkeit  vorzuenthalten,  und  es  könne  niemand  getadelt  wer- 
den, der  sie  bezüglich  der  den  Glauben  und  die  Dogmen  nicht  be- 
rührenden Dinge  ebenso  wohl  wie  Morinus,  Huetius  und  Montfaucon 
hochstelle.  Diesen  antworte  ich:  ich  erkenne  auch  bei  Ketzern 
Talent  und  Gelehrsamkeit  an  und  weiss  wohl,  dass  auch  sie  über 
mancherlei  Nützliches  geschrieben,  was  auch  die  Katholiken  lesen 
dürfen;  aber  diejenigen  zu  loben,  welche  meist,  auf  menschliche 
Wissenschaft  stolz,  so  gut  wie  alle  Frommen  angreifen  und  ver- 
achten, gestattet  das  Gesetz  der  Billigkeit  nicht.  Sie  haben  ihre 
Lobredner  unter  den  Ihrigen,  von  denen  sie  über  Gebühr  erhoben 
werden;  sie  werden  aber  übermüthig  (insolescunt),  wenn  sie  hören, 
dass  sie  von  Katholiken  geehrt  werden." 

Zu  der  Bestimmung  Clemens'  VIII.,  dass  von  allen  verbotenen 
Büchern  auch  alle  Uebersetzungen  verboten  seien  (I  S.  540),  wird 
in  mehreren  Decreten  aus  dem  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  (Alex. 
No.  5,  9,  10,  11)  die  weitere  Bestimmung  beigefügt:  wenn  bei 
einigen  in  diesen  Decreten  verbotenen  Bücheni  Ort  und  Jahr  des 
Druckes  beigefügt  sei,  so  sei  darum  nicht  bloss  diese,  sondern  jede 
Ausgabe  verboten.  In  dem  Vorworte  zu  dem  Index  Benedicts  XIV. 
wird  diese  Bestimmung  modificirt:  wenn  in  dem  neuen  Index  bei 
einem  Buche  Ort  und  Jahr  des  Druckes  angegeben  werde,  —  was 
nur  ausnahmsweise  geschieht,  —  sei  nur  die  betreffende,  sonst  jede 
Ausgabe  verboten.  Diese  Bestimmung  steht  auch  in  den  folgenden 
Indices  bis  auf  diesen  Tag.  Es  wird  aber  in  merkwürdiger  Ge- 
dankenlosigkeit bei  sehr  vielen  Büchern  Ort  und  Jahr  des  Druckes 
angegeben,  von  denen  man  ganz  sicher  alle  Ausgaben  hat  verbieten 
wollen.  So  hat  man  z.  B.  von  Renans  Vie  de  J^sus  gewiss  nicht 
bloss  die  Ausgabe  Paris  1863  verbieten  wollen. 


Expargationen  im  Römischen  Index.  83 

Zu  dem,  was  I  S.  339  über  die  Approbation  mitgetheilt  wor- 
den, ist  folgendes  nacbzntragen :  Durch  die  10.  Trienter  Regel  wird 
die  Approbation  zu  druckender  Bücher  durch  den  Bischof  und  den 
Inquisitor  vorgeschrieben  (durch  ein  Edict  Gregors  XVI.  vom  11.  Mai 
183Ö  wurde  für  den  Kirchenstaat  bestimmt,  die  Approbation  sei 
zuerst  von  dem  Inquisitor,  dann  von  dem  Bischof  zu  unterzeichnen). 
Da  es  aber  nicht  überall  Inquisitoren  gab,  wurde  von  der  Inqui- 
sition 9.  Nov.  1626  erklärt:  wo  keine  Inquisitoren  seien,  hätten  die 
Bischöfe  das  Recht,  das  Amt  der  Inquisition  (munus  inquisitionis) 
wahrzunehmen,  wie  in  Japan,  China  und  Malacca  und  namentlich 
in  Provinzen,  die  nicht  einem  katholischen  Könige  unterworfen 
seien  ;  sie  hätten  die  facultas  exercendi  sanctum  officium  inquisitionis 
de  jure  priori,  sie  könne  ihnen  aber  ad  majorem  cautelam  concedirt 
werden.  Dabei  ist  wohl  zunächst  nicht  an  das  Approbationsrecht 
gedacht;  dieses  ist  aber  mit  eingeschlossen  (A.  J.  P.  1,  1014).  In 
Rom  durften  nur  Schriftstücke  von  Advocaten  u.  s.  w.  für  Gerichte 
oder  Congregationen  ohne  Censur  gedruckt  werden  (ebend.  1,  1010). 

Die  Bestimmung  über  die  auf  Umgehung  der  Praeventivcensur 
gesetzte  Strafe  ist  neuestens  durch  ein  Decret  der  Inquisition  vom 
22.  Dec.  1880  modificirt  worden:  „Die  nicht  reservirte  Censur, 
welche  über  diejenigen  verhängt  ist,  die  de  rebus  sacris  handelnde 
Bücher  ohne  Erlaubniss  ihres  Bischofs  drucken  oder  drucken  lassen, 
ist  auf  die  Bücher  der  h.  Schrift  und  Anmerkungen  und  Comraen- 
tare  zu  denselben  zu  beschränken,  keineswegs  aber  auf  alle  Bücher 
auszudehnen,  welche  de  rebus  sacris  im  allgemeinen,  d.  h.  über 
religiöse  Dinge  handeln."^)  Damit  ist  aber  nicht  die  kirchliche 
Praeventivcensur  für  andere  Schriften,  sondern  nur  die  auf  die  Um- 
gehung derselben  gesetzte  Censur  aufgehoben. 


15.     Expargationen  im  Römischen  Index. 

Die  Römischen  Indices  sind,  von  dem  des  Brasichellensis 
(I  S.  549)  abgesehen,  ausschliesslich  prohibitorii.  Aber  statt 
des  donec  corrigatur  steht  in  einzelnen  Fällen,  wo  es  sich  um 
die  Weglassung  einer  einzelnen  Stelle  oder  einer  Vorrede  u.  dgl. 
(der  Litanieen,  S.  77)  handelt,  eine  darauf  bezügliche  Vorschrift 


1)  Vering,  Archiv  f.  Kirchenr.  50  (1883),  442.  Heiner,  Die  kirchl. 
Censuren  S.  289.  Heiner  bemerkt  dazu  S.  291:  Profane  Bücher  ohne  Ap- 
probation zu  edireo,  ist  durch  langjährigen  Usus  zur  Gewohnheit  gewor- 
den mit  stillschweigender  Erlaubniss  der  kirchlichen  Behörden,  wenigstens 
in  Deutschland.  Bei  Büchern  über  religiöse  Gegenstände  kann  ohne  schwere 
Sünde  die  Approbation  nicht  umgangen  werden;  aber  es  steht  keine  Cen- 
sur darauf,  falls  nicht  durch  ein  Diöcesangesetz  eine  solche  angedroht  iat. 


84  Expurgationen  im  Römischen  Index. 

(einige  Male,  wie  bei  Amicus  und  Merenda  und  in  den  älteren 
Indices  bei  Copernicus,  wird  auf  die  in  dem  betreffenden  Dcerete 
vorgeschriebene  Expurgation  verwiesen).  Es  stehen  freilich  an- 
derseits auch  noch  heute  Bücher  mit  einfachem  d.  c.  im  Index, 
in  denen  nur,  wie  bei  Cataneus,  eine  einzige  Stelle  bean- 
standet wurde.  Ziemlich  oft  wird  von  einem  mit  d.  c.  verbo- 
tenen Buche  eine  expurgirte  und  von  der  Index-Congregation 
freigegebene  Ausgabe  bezeichnet^);  aber  auch  das  geschieht 
nicht  immer  2).  —  Bei  einzelnen  unbedingt  verbotenen  Büchern 
wird  auch  im  Index  der  Grund  des  Verbotes  angegeben^). 

In  Aurelii  Augustini  Dulciloquiorum  libri  tres,  Herborn  1G14, 
fioll  die  Epistola  ad  lectorem  von  Gull.  Rolichius  beseitigt  werden 
(Alex.  No.  28,  1623),  in  der  zu  Lyon  1629  erschienenen  Aus- 
gabe der  Electa  Sacra  des  Theatiners  Aloysius  Novarinus  von 
Verona  (6  Fol.)  die  Epistola  dedicatoria  des  Druckers  L.  Durand,  und 
zwar  propter  abusum  locorum  s.  scripturae  (No.  39,  1636),  ebenso  die 
Epistola  dedicatoria  in  Jo.  Buxtorfs  Lexicon  hebraicum,  chaldaicum 
und  Thesaurus  graramaticus  linguae  sanctae  und  in  Jo.  Hornungs 
Cista  medica  seu  variorum  epistolae  medico-pliysicae.  Anders  ge- 
fasst  ist  ein  solches  Gebot,  wenn  die  Epistola  dedicatoria  vor  der 
Lyoner  Ausgabe  der  Eegulae  Societatis  Jesu  von  1607  verb.  wird, 
mit  der  Motivirung:  ihr  Verfasser  bekenne  sich  zur  Augsburgischen 
Confession.  —  Die  Vorrede  und  Noten  des  Jac.  Thomasius  zu  den 
Opera  Mureti  wurden  1728  gleichzeitig  mit  der  Schrift  von  El vidius 
(I  S.  526)  verb.,  also  wegen  der  Bemerkung  über  Murets  Rede 
über  die  Bartholomäusnacht  (in  Spanien  wurde  erst  1787  die  Aus- 
gabe von  1750  von  der  Vorrede  expurgirt).  —  Eine  Art  von  Ex- 
purgation ist  es  auch,  wenn  1605  Laurentii  Kirchovii  Consilium 
XXVIL,  quod  habetur  tomo  2.  p.  144  Matrimonalium  consiliorum 
J.  B.  Ziletti  et  Nie.  Ruckeri,  Frcf.   1580,  verb.  wird. 

Eine  sonderbare  Expurgation  wurde  1623  (No.  27)  für  den 
Clypeus  concionatorum  Ferdinaudi  de  Escalante  vorgeschrieben: 
non  permittatur,  praeterquani  correctis  et  emendatis,  quae  habet 
cap.  ultimo  libri  6.,  notata  et  censurata  per  Jac.  Gretserum  in  sua 
admonitione  ad  exteros  de  Bibliis  Tigurinis.  Gretser  macht  sich 
nämlich  (Opp.  XIII,  238)  über  Escalante,  einen  spanischen  Trini- 
tarier,  lustig,  dass  er  in  dem  genannten  Werke,  welches  mit  einer 
Dedication  an  Philipp  III.  zu  Venedig  1613  erschienen  war,  Leo 
Judae  als  Leo  Tigurinae  ecclesiae  episcopus  bezeichnet,  also  offenbar 


1)  Vgl.  I  S.  155.  354  U.S.W.  Alexander Natalis,  Bottero,  Florentini, 
Garofalo,  Inchofcr,  Catechisme  hiat.,  Scaramelli. 

2)  Bandini  (I  S.  386),  Cataneus. 

8)  Augustinis,  Bartolini,    Behault,    Causa  Arnald.,  Beeret  du  S.  0., 
Longohardi,  Maynard. 


Expurgationen  im  Römischen  Index.  86 

für  einen  katholischen  Bischof  gehalten  und  von  ihm  gesagt  hatte : 
pio  zelo  fervidus  novam  Bibliorum  versionem  agressus,  .  .  .  usus 
hebraico  exeraplari  emendatissimo,  neque  neglexit,  quae  de  genuine 
sensu  tradiderunt  patres  orthodoxi,  .  .  felicissime  migravit  ad  Do- 
minum^). Die  Stelle  wird  auch  bei  Sot.  gestrichen.  —  In  des  Ant. 
Eagucius  Lucerna  parochorum  s.  Catechesis  ad  parochos,  Neapel 
1623,  soll  nach  No.  29  (1624)  eine  Stelle  gestrichen  werden,  wo 
er  behauptet,  Scotus  lehre:  desinere  esse  corpus  Christi  sub  specie- 
bus  ad  tactum  statim  labiorum,  und  diese  Meinung  nicht  als  Irr- 
thum,  sondern  als  sententia,  die  entgegengesetzte  nicht  als  veritas 
catholica,    sondern  als  opinio   bezeichne. 

In  einem  Decrete  von  1659  (No.  70)  befiehlt  die  Index-Congr. 
den . Besitzern  von  des  Römischen  Juristen  Steph.  Grratianus  Dis- 
ceptationes  forenses,  —  die  schon  40  Jahre  vorher  erschienen  waren 
(nachgedruckt  Francf.  1619*),  —  im  T.  2,  c.  184  (vielmehr  284) 
§  51  die  historia  ab  auctoribus  haereticis  accepta  de  quodam  emen- 
tito  Leone  Rom.  Pont,  et  D.  Ililario  zu  streichen,  und  den  Druckern, 
dieselbe  in  neuen  Auflagen  wegzulassen.  Es  handelt  sich  um  ein 
zu  Gunsten  des  h.  Hilarius  gewirktes  wunderliches  Wunder  auf  einer 
von  dem  arianischen  Papste  Leo,  dem  Nachfolger  Felix'  IL,  ge- 
haltenen Synode,  eine  Fabel,  für  die  sich  Gratianus  nicht  auf 
ketzerische  Autoren,  sondern  auf  Conrad  von  Halberstadt  und  Her- 
mannus  Gigas,  Chronisten  des   13.  Jahrb.,  beruft. 

Im  J.  1662  (Alex.  No.  75)  wurde  verb. :  Thomas  Leonardi, 
Angelici  Doctoria  D.  Thomae  Aquin.  sententia  de  prima  hominis  in- 
stitutione,  ejus  per  peccatum  corruptione  illiusque  per  Christum  re- 
paratione  contra  Jo.  G.  Dorschaeum,  .  .  .  qui  gloriatur  se  Thomam 
exhibere  confessorem  veritatis  evangelicae  Augustana,  ut  ait,  Con- 
fessione  repetitae,  1661,  Fol.  (Th.  Leenaerds  war  Dominicaner,  Prof. 
in  Löwen,  f  1668;  Paquot  2,  347).  Als  Grund  des  Verbotes  wird 
angeführt,  das  Buch  handle  u.  a.  ohne  päpstliche  Erlaubniss  de 
auxiliis  (§  40)  und  enthalte  einiges  über  die  Empfängniss  Mariae 
und  das  Fest  derselben,  was  päpstlichen  Erlassen  widerspreche. 
1680  erklärte  die  Index-Congr.  (Const.  p.  173):  sie  gestatte,  das 
Buch  neu  zu  drucken  mit  Weglassung  dessen,  was  p.  126 — 134 
über  die  Empfängniss  Mariae  und  1.  2,  c.  8   und  10  de  actu  beati- 


1)  Eine  kaum  geringere  Naivetät  als  Escalante  bekundet  Pestalozzi, 
Leo  Judae,  1860,  S.  80:  „Von  der  Werthschätzung,  welche  die  spanischen 
Theologen  dieser  Bibel  angedeihen  Hessen,  haben  wir  ein  bedeutendes  Zeug- 
niss  aus  dem  Munde  des  gelehrten,  in  den  orientalischen  Sprachen  wohl 
bewanderten  Ferd.  von  Escalante  in  seinem  Schild  der  Prediger,  einem 
Werke,  das  er  dem  Könige  Philipp  III.  widmete.  Derselbe  bezeugt  auch, 
dass  der  Erzbischof  von  Sevilla,  Ferd.  Valdes,  sein  Wohlgefallen  daran 
hatte.  Die  Facultät  in  Salaraanca  Hess  sie  1584  wörtlich  wieder  abdrucken." 
Das  Wahre  an  den  beiden  letzten  Sätzen  ist,  dass  Valdes  von  der  sog. 
Biblia  Vatabli,  welche  die  Zürcher  Uebersetzung  enthält,  das  N.  T.  verbot, 
das  A.  T.  frei  gab,  und  dass  1584  eine  expurgirte  Ausgabe  dieser  Biblia 
erschien  (I  S.  203). 


86  Expurgationen  im  Römischen  Index. 

fico  charitatis  in  Christo  gesagt  werde.  So  steht  denn  noch  jetzt 
im  Index.  —  Von  der  Vita  D.  Aurelii  Augustini  des  belgischen  Au- 
gustiners Jo.  Rivius,  Antw.  1646,  wird  in  einem  Decrete  von  1666 
(Alex.  No.  89)  erklärt,  es  sei  darin  eine  Stelle  1.  4,  c.  1,  §  2  zu 
streichen.  Dieselbe  wird  mit  dem  Streit  über  die  Gnadenlehre  zu- 
sammenhangen (Hurter  2,  137).  —  1663  wurde  verb. :  De  Pontifice 
Romano  tractatus  brevis  additus  Tomo  4.  in  1.  2.  D.  Thomae  de 
conscientia  Patris  Andreae  Lao  d.  c;  correctus  vero  juxta  im- 
pressionem  factam  Romae  a.  1663  permittitur.  Das  Verbot  der  1. 
Ausgabe,  Genua  1656,  wurde  also  erst  publicirt,  nachdem  der  Ver- 
fasser, der  ein  Carmeliter,  nicht  ein  Dominicaner  war  (Qu6tif  2, 
605.  7.58),  nach  der  Weisung  der  Index-Congr.  zu  Rom  eine  expur- 
girte  Ausgabe  veranstaltet  hatte.  Nach  dieser  ist  der  Tractat  bei 
Roccaberti,  Biblioth.  3,  59 1  abgedruckt  (Tr.  de  Summo  Pontif.  ex  s. 
conciliis,  s.  patribus,  praesertim  D.  Aug.  ac.  D.  Thoma  ejusque  an- 
gelica  doctrina  praecipue  contra  sectarios  delibatus) ;  vor  dem  Trac- 
tat stellt  hier  eine  Protestatio  authoris,  in  der  er  sagt :  der  Tractat 
sei  in  der  Ausgabe  von  1(556  ohne  seine  Zustimmung  von  dem 
Drucker  beigefügt  worden;  er  habe  ihn  freiwillig  (sponte  et  merito) 
corrigirt,  und  was  man  in  der  I.Ausgabe  von  der  2.  Abweichendes 
finde  tam  in  materia  dogmatis  quam  in  opinionibus  referendis  vel 
citandis  authoribus  vel  historiis,  das  bitte  er  zu  streichen.  —  1680 
verordnete  die  Index-Congr.,  in  der  Theologia  Scoti  a  prolixitate  et 
subtilitas  ejus  ab  obscuritate  libera  et  vindicata  .  .  .  auct.  Jo. 
Gabr.  Boyvin,  Par.  1677,  das  Elogium  Scoti  zu  streichen,  welches 
beginne:  Hie  pene  ante  subtilis  fuit  quam  homo  esset  und  schliesse: 
sed  hie  subtilis  esse  non  posset,  nisi  angelirus  esset,  was  ja 
allerdings  stark  war  und  namentlich  von  den  Dominicanern  im 
Interesse  des  Doctor  angelicus  Thomas  von  Aquin  nicht  geduldet 
werden  konnte.  Die  Sache  steht  seit  Ben.  unter  dem  Namen  des 
Autors  des  Elogium:  Petrus  Labb6.  —  1700  wurde  von  des  Jesuiten 
Mich.  Pexenfelder  Apparatus  eruditionis  die  3.  Aufl.  (1687)  verb. 
mit  nisi  corr.  delendo  illa  verba:  Anno  1669  Ordo  Scholarum  pia- 
rum  abrogatus  a  Clemente  IX.  In  der  4.  Aufl.  (1704)  wird  der 
allerdings  unrichtige  Satz  gestrichen  sein. 

lieber  Bullarium  (zwei  Ausgaben),  Juvencius,  Sanchez,  Suarez 
8.  u.  —  Bras.  expurgirt  auch  einige  erst  nach  1 600  verbotene  Bücher, 
ausser  dem  von  E.  Sa  und  Vivaldus  (§  41)  folgende:  Laurentii 
Schraderi  (Halberstadiensis)  Monumentorum  Italiae,  quae  hoc  no- 
stro  saeculo  et  a  Christianis  posita  sunt,  11.  4,  Heimst.  1592,*  Fol., 
mit  d.  c.  verb.  1603.  Bras.  streicht  die  Epigramme  von  Sannazar 
auf  Alexander  VI.  (I  S.  489),  die  Beschreibung  eines  Bildes  in 
einem  Hause  zu  Padua  mit  der  Unterschrift:  A  M  (eretricibue), 
M  (edicis),  M  (onachis),  A  (dvocatis)  libera  nos  Domine,  einer  Grab- 
schrift eines  Hündchens  in  der  Sacristei  einer  Kirche  zu  Rom,  einer 
in  Neapel  befindlichen  Waffe  (bellicum  tormentum)  mit  einem  Bilde 
Luthers  und  einigen  deutschen  Reimen,  einer  Grabschrift  im  Dome 
zu  Mailand :  Aqui  yaze  il  soldato  Villoria,  el  quäle  mando  il  corpo 
alla  yglesia    et  il  corazon  alla  amiga,    und    andere    derartige  uner- 


Ersatz  für  die  erste  Classe.  87 

bauliche  Dinge,  ändert  einigemale  vestalis  in  monialis  und  verordnet, 
in  dem  Satze,  der  Verfasser  sei  zur  Veröffentlichung  seiner  Arbeit 
ermuntert  worden  durch  die  clarissimi  et  doctissimi  viri  Ph.  Me- 
lanchthon,  Joa.  Camerarius,  Jo.  Sturmius  et  Geo.  Fabricius  für  diese 
Worte  nonnuUi  zu  setzen.  Bras.  nennt  den  Verfasser  übrigens  L. 
Schradaeius,  und  so  steht  er  noch  heute  im  Index  als  L.  Schraderus 
seu  Schradaeus.  —  Francisci  Vallesii  De  sacra  philosophia  seu  de 
iis,  quae  physice  scripta  sunt  in  sacris  literis,  liber  singularis  ad 
Philippum  II.  Hisp.  Eegem,  Turin  1587,  4.,  mit  d.  c.  verb.  1603. 
Es  werden  namentlich  in  den  Erörterungen  zum  Hexaemeron  einige 
Passus  gestrichen,  wie  die  Ansicht,  dass  unter  dem  Geiste  Gottes 
Gen.  1,  2  das  Feuer  zu  verstehen  sei,  oder  corrigirt,  wie  :  firma- 
mentum  Gen.  1,  6  significat  aerem  in:  coelum  empyreum  et  aerem 
u.  dgl.;  auch  einige  Versuche,  Wunderberichte  des  A.  T.  natürlich 
zu  erklären,  werden  corrigirt.  Sand.  Sot.  geben  eine  andere  Expur- 
gation  nach  der  Ausgabe  Lyon  1592.  —  Fr.  Valles  de  Covarrubias 
war  Prof.  der  Medicin  in  Alcala  und  Leibarzt  Philipps  IL  und  hat  auch 
unter  den  Commentatoren  des  Aristoteles  einen  Namen.  In  der  Vor- 
rede des  genannten  Buches,  von  dem  1667  zu  Frankf.  die  7.  Aus- 
gabe erschien,  erklärt  er,  er  wolle  nichts  behaupten  nisi  quod  pro- 
betur  a  S.  Rom.  Eccl.  (Fabricius,  Hist.  Bibl.  6,  408.  Werner,  Thomas 
V.  Aquin  3,  297). 


16.     Ersatz  für  die  erste  Classe. 

Nur  kurze  Zeit  scheint  man  den  Gedanken  gehabt  zu  haben, 
die  erste  Classe  des  Index  fortzuführen:  in  einem  Decrete  vom 
J.  1603  wird  von  Franc.  Guicciardini  (I  S.  389)  und  von  dem 
Juristen  Peter  Frider  erklärt,  sie  würden  in  die  1.  Classe  ver- 
setzt; aber  eine  solche  Erklärung  findet  sich  sonst  nicht  mehr, 
während  in  den  spanischen  Indices  die  1.  Classe  ganz  in  der 
frühern  Weise  vermehrt  wurde.  Dagegen  wurden  von  1603  an 
von  einer  Anzahl  von  Schriftstellern  sämmtliche  Werke  verboten. 
Unter  denjenigen,  die  in  dieser  Weise  ausgezeichnet  wurden, 
sind  bis  auf  Alexander  VII.  (1664)  nur  wenige,  und  nicht  gerade 
nur  hervorragende  protestantische  Theologen:  Hugo  Broughton, 
Jo.  Clüver,  Ludwig  de  Dieu,  Gregor  Richter  und  Conrad  SchlUs- 
selburg.  Dazu  kommen  die  Juristen  und  Publicisten  Henning 
Arnisaeus,  Arnold  Clapmar,  Alberich  Gentilis,  Melchior  Goldast 
und  Helfcrich  Ulrich  Hunnius,  ferner  Giordano  Bruno  (S.  65), 
Claudius  Salmasius,  Thomas  Roccabella  und  Bernard  G.  Penotus, 
endlich    Marcantonio  de  Dominis,   J.  B.  Poza,    Edmund  Richer 


88  Ersatz  für  dio  erste  Glasse. 

und  Thomas  White.  Die  Zahl  der  protestantischen  Theo- 
logen, von  denen  1664  — 1756  sämmtliche  Werke  verboten  wurden, 
ist  etwas  grösser:  es  sind  die  Deutschen  Jo.  Franc.  Buddeus, 
Georg  Calixtus  und  J.  H.  Heidegger,  die  Holländer  Jo.  Clericus, 
Simon  Episcopius,  Jac.  Laurentius,  Sam.  Maresius,  Martin  Schoock 
und  Lambert  Velthuysen,  dazu  Gerhard  Noodt,  die  Franzosen 
J.  Daill^,  Ch.  Drelincourt  und  Jean  d'Espagne,  die  Engländer 
G.  Bull,  W.  Cave,  J.  Lighttbot,  Henr.  Morus  und  J.  Prideaux. 
Dazu  kommen  Molinos,  Lambardi,  Leti,  Hobbes,  Simon  Vigor, 
van  Espen  und  Bischof  Colbert  von  Montpellier.  Ein  Princip 
ist  in  dieser  Auswahl  nicht  zu  erkennen.  Benedict  XIV.  Hess, 
um  die  Liste  einigermassen  zu  vervollständigen,  vor  der  Publi- 
cation  seines  Index  in  einer  Sitzung  der  Index-Congregation  vom 
10.  Mai  1757  von  41  protestantischen  Schriftstellern,  16  deutschen, 
10  holländischen,  11  französischen  und  4  englischen,  von  denen 
bis  dahin  einzelne,  vielfach  nicht  ihre  bedeutendsten  Schriften 
verboten  waren,  sämmtliche  oder  sämmtliche  theologische  Schriften 
verbieten.  In  dieser  Sitzung  wurde  auch  die  Gesammtausgabe 
der  theologischen  Schriften  von  Hugo  Grotius,  von  dem  bis  da- 
hin fast  nur  nicht  theologische  Schriften  im  Index  standen,  ver- 
boten. 

Von  1757  bis  1821  wurden  von  keinem  Schriftsteller  grund- 
sätzlich alle  Schriften  verboten,  —  thatsächlich  alle,  wie  auch 
früher  und  später,  von  manchen;  —  1821—27  kamen  hinzu  G. 
Morardi,  D.  Hume  und  Collin  de  Plancy,  1852  V.  Gioberti, 
Proudhon  und  E.  Sue,  1862 — 64  Alex.  Dumas,  Vater  und  Sohn, 
G.  Sand,  Murger,  Stendhal,  Balzac,  Champflcury,  Feydeau,  Fr. 
Souli6,  1876—77  A.  Vera,  B.  Spaventa,  G.  Ferrari. 

In  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  wurden  einige 
Bücher  von  der  Inquisition  oder  Index-Congregation  mit  dem 
Zusätze  verboten,  sie  würden  „in  der  1.  Classe"  verboten  (En- 
tretiens,  Grimaldi,  Locke,  Marchetti).  Damit  ist  gemeint,  sie 
sollten  bei  Strafe  der  Excommunication,  —  sub  anathemate,  wie 
es  in  dem  Decrete  von  1G05  (No.  5)  von  einem  Buche  von  Ca- 
millus  de  Gurte  heisst,  —  verboten  sein  (S.  7).  Die  Verschär- 
fung wurde  bei  Grimaldi  später  aufgehoben;  bei  Entretiens  steht 
seit  Ben.  Prohibentur  ut  1.  OL,  bei  Locke  und  Marchetti  1.  Gl. 


Frider.  Broughton.  Lud.  de  Dieu  u.  a.  89 

1.    1603—1664. 

Warum  ansser  Guicciardini  (I  S.  389)  gerade  Petms  Fride- 
ruB  Mindanos  (f  1616  als  Professor  in  Giessen)  in  die  1.  Cl.  ver- 
setzt wurde,  ist  gar  nicht  abzusehen  (im  span.  Index  steht  er  gar 
nicht).  Speciell  erwähnt  wird  in  dem  Decrete  nur  De  processibus, 
mandatis  et  monitoriis  in  Imp.  Camera  extrahendis  etc.,  Frcf.  1601 
(zuerst  1595),  und  von  diesem  Buche  wurde  auch  die  Ausgabe  von 
1660  im  J.  1662  ausdrücklich  verboten.  Ausserdem  hatte  er  vor 
1603  nur  noch  einen  Tractatus  de  causa  et  materia  possessionis, 
1597,  8.,  veröffentlicht. 

Die  ersten,  von  denen  sämmtliche  Werke  verb.  wurden  (1603) 
sind  Gl ord.  Bruno  und  Nicodemus  Frischlin;  von  letzterm(f  1580) 
wahrscheinlich  aus  Anlass  der  1601  erscbienenen  Sammlung  seiner 
Opera  poetica.  —  1609  wurden  verb.  Hugonis  Brosten  opera;  erst 
Ben.  hat  den  richtigen  Namen  Broughton  hergestellt  (lateinisch 
nannte  er  sich  Brochtonus).  Er  war  ein  eifriger  Gegner  der  Pres- 
byterianer  und  Calvinisten,  stand  mit  dem  Jesuiten  Serarius  in  Cor- 
respondenz,  und  Card.  Baronius  soll  durch  diesen  mit  ihm  über  eine 
XJebersiedelung  nach  Rom  verhandelt  haben,  wo  man  ihn  in  der 
Controverse  mit  den  Juden  benutzen  wollte.  Er  starb  als  Angli- 
caner  1612.  Er  hat  allerlei  exegetische  Schriften,  meist  englisch, 
geschrieben,  mehrere  über  den  Descensus  ad  inferos  (darunter  auch 
einen  ytoyoq  itQoq  rovq  Fevsßalovg,  an  die  Genfer,  Mainz  1601,  93 
S.  8.);  sie  sind  1662  von  Lightfoot  in  einem  Foliobande  edirt.  Dass 
gerade  von  ihm  sämmtliche  Werke  verboten  wurden,  ist  eine  un- 
verdiente Auszeichnung.^)  —  Von  Conrad  Schlüssel  bürg  (1543 
—  1619)  wurden  1616  Theologiae  Calvinistarum  11.  3  verb.,  1619 
opera  omnia,  von  Jo.  Cluverius  (1593 — 1633)  sofort  1640  alle 
Werke,  also  ausser  den  theologischen  auch  die  seit  1631  oft  ge- 
druckte Epitome  historiarum  (A.  D.  B.  4,  352).  Von  Gregorius 
Richter  Gorlicius,  von  dem  ausser  Axiomata  historica,  1599,  oeco- 
nomica,  politica,  ecclesiastica,  1602,  Adelung  nur  eine  Anzahl  Pre- 
digten verzeichnet,  wurden  1609  opera,  dann  1627  eine  neue  Aus- 
gabe der  Axiomata  oeconomica  verb.  —  Von  Lud.  de  Dieu  (1590 
— 1642)  wurden  1646  opera  verboten,  also,  da  eine  Gesammtaus- 
gabe  nicht  existirt,  alle  seine  einzeln  erschienenen,  meist  exegeti- 
schen Schriften,  dann  aber  1661  und  nochmals  8.  März  1662:  Hi- 
storia  Christi  persice  conscripta  simulque  multis  modis  contaminata 
a  P.  Hieronymo  Xavier  S.  J.,  latine  reddita  et  animadversionibus 
notata  a  Lud.  de  Dieu.  Item  liber  huic  annexus :  Historia  S.  Petri 
....(L.  B.  1639.  4.),  zum  dritten  Male  13.  Nov.  1662:  Eist. 
Christi  persice  conscr.  ab  Hier.  X.  S.  J.,  quam  latine  redditam  ma- 
lignis  animadversionibus  pravaque  doctrina  contaminavit  Lud.  de 
Dieu.  Der  Jesuit  Jerome  Xavier,  aus  der  Familie  des  h.  Franz 
Xavier,    f  zu  Goa   1617,    hatte    auf  Veranlassung    des  Grossmogul 


1)  Bayle.    Chalmers,    Lowndes  s.  v.    Vgl.    Nie.  Serarius  zu   1  Petr. 
p.  44. 


90  Ersatz  für  die  erste  Classe. 

diese  Geschichten,  wie  es  scheint,  portugiesisch  verfasst  und  ins 
Persische  übersetzen  lassen.  L.  de  Dien  publicirte  den  persischen 
Text  mit  lateinischer  Uebersetzung,  einer  Vorrede  und  Noten,  worin 
er  es  namentlich  scharf  rügt,  dass  der  Jesuit  zu  dem,  was  das  N.  T. 
berichtet,  allerlei  apokryphische  und  legendarische  Dinge  beigefügt 
hatte  (R.  Simon,  Hist.  crit.  des  versions,  eh.   17). 

Von  den  Publicisten  Arnold  Clapmar  (1574— 1G04)  und 
Henning  Arnisaeus  (f  1636)  wurden  1609  opera  verb.,  —  beide 
im  span.  Index  in  der  1.  GL,  —  von  Arnisaeus  dann  aber  1621: 
De  subjectione  et  exemtione  clericorum ;  item  de  potestate  pontificis 
in  principes  contra  Bellarminum,  1612  u.  s. ;  De  translatione  imperii 
commentarius  politicus;  Doctrina  politica  in  genuinam  methodum, 
quae  est  Aristotelis,  reducta,  1596,  und  1622:  De  jure  conciliorum 
(vielmehr  connubiorum)  commentarius  politicus,  1613;  De  jure  ma- 
jestatis  Gl.  3,  1610;  De  potestate  principum  in  populum  sempet 
inviolabili  seu  quod  nulla  ex  causa  subditis  fas  sit  contra  legitimum 
principem  arma  movere,  11.  3,  1612.  In  dem  Decrete  von  1622 
heisst  er  Henricus  Arnisaeus,  und  so  haben  denn  auch  Henningius 
und  Henr.  Arnisaeus  im  Index  neben  einander  gestanden  (Henke, 
Galixtus  I,  265),  bis  Ben.  Henningii  Arnisaei  o.  o.  mit  Beifügung  der 
Data  der  drei  Decrete  setzte.  —  Von  Albericus  Gentilis  (1582 
— 1608,  Prof.  in  Oxford,  Sohn  des  Mediciners  Matteo  Gentile,  der 
als  Protestant  Italien  verliess)  werden  speciell  verboten  Disputatio 
de  nuptiis  11.  7,  Hanau  1601,  und  De  armis  Eomanorum  11.  2. 
Bei  Bot.  wird  nur  das  erste  Buch  unbedingt  verboten,  das  zweite 
expurgirt,  desgleichen  De  jure  belli  1608  und  einige  andere  Schriften, 
auch  Disputatio  ad  1.  librum  Maccabaeorum,  1604  ( Vertheidigung 
des  Buches),  und  Disputatio  de  latinitate  veteris  bibliorum  versionis 
[der  Vulgata]  male  accusata,  1606.  Von  Scipio  Gentilis,  dem  Bruder 
des  Alberich  (1503 — 1G16,  Prof.  in  Heidelberg  und  Altdorf),  wur- 
den gleichzeitig  (1603)  nur  De  jurisdictione  11.  3,  Frankf.  1601, 
mit  d.  c.  verboten.  Sot.  streicht  darin  nur  drei  Gapitel  und  zwei 
Stellen  im  Register,  und  expurgirt  auch  zwei  andere  Bücher  nur 
unbedeutend.  —  Von  Melchior  Goldast  von  Haimisfeld  (1576 
— 1635)  wurden  1609  (No.  9)  verb.:  Melchioris  Haimsfeldii  (so 
oder  auch  Haimsfeldii  auch  in  den  Indices  bis  Ben.)  Statuta  et  re- 
scripta  imperialia  [1607]  et  alia  ejus  opera.  1634  wurde  verb.: 
Politica  imperialia  s.  discursus  politici  ex  bibliotheca  M.  Goldasti 
[1614,  Fol.,  eine  systematisch  geordnete  Sammlung  von  staats- 
rechtlichen und  politischen  Abhandlungen  bis  in  das  14.  Jahrb.  hin- 
auf], endlich  1709:  Replicatio  pro  S.  Gaes.  et  Regia  Francorum 
Majcstate  illustrissimisque  Imperii  ordinibus  adv.  Jac.  Gretseri  Je- 
suitae  .  .  crimina  laesae  majestatis,  rebellionis  et  falsi,  extempora- 
liter  et  populariter  instituta  a  Melchiore  Goldasto  Haimisfeldio  .  . 
Accesserunt  insuper  Rev.  et  111.  Principum  Apologiae  pro  D.  N. 
Henrico  IV.  .  .  .  adv.  Gregorii  cognomento  Hildebrand i  et  aliorum 
patriae  hostium  impias  ac  malignas  criminationes,  1611  (also  fast 
ein  Jahrhundert  alt),  itidem  supradicti  Goldasti  opera  omnia.  Die 
Gelehrten  des  Index  scheinen  Goldast  und  Haimisfeld  für  zwei  ver- 


Arnisaeus.  Gentilis.  Goldast.   Hunnius.  Salmasius  u.  a.  91 

schiedene  Personen  gehalten  zu  haben.  Seit  Ben,  ßtehen  unter 
6oldastu8  Haiminefeld iu8  die  Politica  mit  dem  Datum  1634,  o.  o. 
mit  1709.  Im  apan.  Index  steht  er  in  der  1.  Cl.  —  Einige  seiner 
anonymen  Schriften  stehen  als  solche  noch  jetzt  im  Index  : 
Monita  politica  ad  S.  R.  I.  principe«  de  immensa  Curiae  Rom. 
potentia  moderanda  latine,  italice  et  gallice  edita :  quorum  scriptores 
sequens  pag,  exhibet,  in  quibus  facile  primas  tenent  Maximilianus  I. 
Imp.,  Guicoiardinus  et  Card.  Peronus,  Frcf.  1609,  188  S.  4.,  verb. 
1613.  Das  Buch  enthält  ausser  Maximiliani  I.  Epist.  de  pontificia 
et  imperatoria  dignitate  conjungenda,  Fr.  Guicciardini  Disursus  de 
ortu  pontificii  imperii  et  incrementis,  italice  et  gallice,  Davidis  Pe- 
ronae  S.  R.  E.  Card,  et  episc.  Eborac.  ad  Regem  Franciae  et  Nav. 
Epist.  de  pacificatione  Veneta,  lat.»  gall.  et  ital.,  noch  7  andere 
Stücke.  Dass  es  von  Goldast  ist,  ergibt  sich  aus  Virorum  dar.  ad 
M.  Goldastum  Epp.,  1688,  p.  303.  —  Simonia  Curiae  Romanae 
invictissimo  Carolo  V.  Caesare  a  S.  R.  I.  electoribus  comitiis  No- 
rimberg,  a.  1522  oratori  pontificio  proposita,  .  .  .  Quibus  ...  de 
eadem  queruiae  literae  ut  et  variae  Curiae  Rom.  deglubitivae  taxae 
Annatarum,  Poenitentiariae,  Cancellariae  subnectuntur,  1612(Baumg. 
1,  570),  verb.  erst  1700. 

Helfricus  Ulricus  Hunnius  (1583  — 1636),  ein  Sohn  des  Theo- 
logen Aegidius  Hunnius,  der  in  der  1.  Cl.  steht,  war  Prof.  in  Giessen 
und  Marburg,  wurde  1630  katholisch  und  1632  Prof.  in  Köln.  1618 
wurden  von  ihm  verb.  De  interpretatione  et  authoritate  juris  11.  2, 
1615,  8.,  die  allerdings  scharfe  Stellen  über  die  päpstlichen  Satzun- 
/a^en   im  canonischen  Rechte  enthalten,    1621   Variarum  resolutionum 
Juris  civilis  11.  4,  1616,   et  omnia  ejus  opera.  Hunnius  schrieb  1631 
xur  Rechtfertigung    seines    Uebertritts    Invicta    prorsus    et    indisso- 
lubilia  argumenta  etc.,  dann  noch  einige  polemische  Schriften  gegen 
<iie  Protestanten.    Aus  seinen  Papieren  wurde  herausgegeben  Encyclo- 
X:>aedia  univ.  juris,  Köln  1638,  Fol.  Da  das  Verbot  seiner  Werke  bis 
lieute  nicht  modificirt  ist,  so  sind  eigentlich  auch  die  katholischen  Schrif- 
"ten  von  ihm  verboten^).     Bei  Sot.  steht   er  in  der  1.  Cl.;    aber   in 
clem  span.  Index   von   1 707  wird  er,    weil  er    icatholisch  geworden, 
in  die   2.  versetzt,  eine  Expurgation  der  Variae  resol.  gegeben  und 
in  dem  Tractat  De  jure  episcopi,  1640,  eine  Stelle  gestrichen.  Sein 
Bruder,  der  Theologe  Nie,  Hunnius  steht  im  span.  Index  in  der  1. 
d.,    im  Römischen  gar  nicht,    obschon    er  sehr    scharfe  polemische 
■Sachen  herausgegeben,  z.  B.   Necessaria  depulsio  gravissimarum  ac- 
oosationum,  quibus  Jesuitae  Aug.  Confessionis  Ecclesias  onerare  non 
^rubescunt,  ac  si  Papam  dicendo  Antichristum  Rom.  Imperium,  Cae- 
^aream    Maj.    ceterosque    Status    catholicos    injuria   afficerent,    Witt. 
1.628.   — Von  Claudius  Salmasius  (de  Saumaise,  1588 — 1658)  wur- 
den  1646  opera  (ohne  omnia)  verb.,  also  zunächst  die  bis  dahin  er- 
Behienenen;    das  Verbot,    wohl  durch   die    1045  erschienene  Schrift 


1)  lläss,    Convertiten    5,  329,  sagt  nichts   davon,    dass  Hunnius   im 
Index  steht. 


92  Ersatz  für  die  erste  C lasse. 

De  primatu  Papae  veranlasst,  wird  aber  auch  für  die  späteren  Schrif- 
ten geraeint  sein.  Bei  Sot.  werden  von  seinen  zahlreichen  Schriften 
(Paqiiot  3,  309)  wenigstens  einige  philologische  freigegeben.  — 
Von  Bernardus  Gr.  Penotus  a  Portu  S.  Mariae  Aquitanus  werden 
schon  in  den  Nund.  1594  Tractatus  varii  de  vera  praeparatione  et 
usu  medicamentorum  chymicorum  angezeigt,  in  den  folgenden  Jahren 
viele  derartige  Bücher,  die  Adelung  verzeichnet  (er  starb  fast  100  * 
Jahre  alt,  ohne  den  Stein  der  Weisen  gefunden  zu  haben;  Bayle, 
Oeuvres  1,  399).  1603  wurde  von  ihm  verb.  Apologia  in  duas  partes 
divisa,  Frcf.  1600,  cum  aliis  ejus  operibus.  Ira  span.  Index  steht 
er  in  der  1.  Cl.  —  Unter  dem  Namen  Thomas  Kocoabella,  dessen 
Schriften  1646  verb.  wurden,  hat  nach  Melzi  2,  471  der  Venetia- 
nische  Mönch  Filippo  Roccabella  di  Cingoli  Acroamata  politico-mo- 
ralia;  Iddio  operante  (diese  steht  auch  in  der  Raccolta);  II  principe 
deliberante;  II  principe  politico;  II  pr.  pratico;  II  pr.  morale  ver- 
öffentlicht, 

2.  1673—1756. 

Von  Jo.  Heinr.  Heidegger  (1633-98)    wurden  1673    verb. 
Dissertatio  synodalis  adv.  religiosas  et  votivas  peregrinationes ;    De 
historia  sacra    patriarcharum    exercitationes   selectae,    2  vol.,    1667. 
71  (mit  Polemik  gegen  Baronius)  et  opera  omnia  tarn  impressa  quam 
imprimenda,    et  praecipue  liber  cui  titulus:    Concilii  Trid.  Anatome 
historico-theol.,  in  qua  praemisso  Concilii  textu  post  narratam  ejus- 
dem  bist,  et  subjunctas    historiae  notas   iisque    insertas  vindicias  P. 
Soavi   Polani   adv.  censuram  historico-theol.    Scipionis  Henrici  Mes- 
sani  Theol.  derauni  succedunt  ejusd.  controversiae  theol.,  1672  (eine 
2.  Aufl.  davon  ist  Tumulus  Trid.  Concilii,  1690).     Trotz  des  allge- 
meinen Verbotes  von   1673  wurde  1687  noch  verb.  Historia  Papatus, 
novissimae  historiae  Lutheranismi    et  Calvinismi  fabro  [Maimbourg] 
opposita  .  .  .  Accedit  Franc.  Guicciardini  Hist.  Papatus,  Amst.  1684, 
und  1690 :  Quaestionum  theologicarum  ad  BuUas,  capitula  et  canones 
Concilii  Trid.  disputationes,  praeside  J.  H.  Heideggero,  Tiguri  [1662]. 
In  den  Indices  vor  Ben.  steht  hinter  diesem  Titel:  seu  Sacerdotium 
Romanum,    una   cum   ejus  sacrificio  ex   characteribus  ordinum  Aha- 
ronitici    et    Melchisedeciani    (vod-iiac:    convictum)    studio    et    opera 
Henrici  Horchii,   Amst.   1690.     Das   ist  aber  ein  anderes  Buch  und 
von  Ben.  unter  Horchius  (Horche,  R.-E.  6,  316)  gestellt.  —  Vor 
dem  J.   1700  wurde  von  Georg  Calixtus  (1586  —  1656)  nichts  ver- 
boten,   22.  Dec.   1700  aber  9  Schriften,   darunter  auch  De  Pontifice 
Rom.  orationes  tres,    quas  ...    ed.    Frid.    Uiricus    G.   F.  Calixtus, 
1658,  und  zugleich  seine  sämmtlichen   Werke.    Sein  College  Conrad 
Hornejus  steht  nicht  im  Index.   —  Von  Jo.  Franc.  Buddeus  (1667 
— 1729)  wurden  die  Institutiones  theologiae  dogniaticae,  1723,  schon 
1725  verboten,  erst  1750  Inst,  theol.  moralis,  1727    (zuerst  1711), 
und  Meditationes    sacrae    antea    singillatim,    nunc    vero     conjunctim 
editae,  1725,  und  (nach  Ben.)  sämmtliche  Werke. 

Von  Jo.  Clericus  (Le  Clerc,  1657—1736)  wurde  zuerst, 
1685,  eine  pseudonyme  Schrift  verb.,  die  er  22  Jahre  alt  zur  Ver- 
theidigung  einer  von  den  symbolischen  Büchern  unabhängigen  Schrift- 


G.  Penotus.  Heidegger.  Calixtus.  Clericus  u.  a.  93 

erklärang  und  überhaupt  einer  weitgehenden  Gewissensfreiheit  her- 
ausgegeben: Liberii  de  S.  Amore  Epistolae  theol.,  in  quibus  varii 
scholasticorum  errores  castigantur,    Ircnopoli  1679;    —    dann   1690 
die  von    ihm  herausgegebenen  Davidis   Clerici    (1591  — 1655,    Prof. 
in  Genf,    Oheim   des  Jo.  Cl.)  Quaestiones  sacrae,    in    quibus  multa 
scripturae  loca   variaque   linguae  sacrae    idiomata    explicantur.     Ac- 
cedunt  similis  argumenti  Diatribae    Steph.  Clerici     (des  Vaters  von 
Jo.  Cl.,   1599 — 1676,  in  Genf).     Ed.  et  ad  not.  adjecit  Jo,  Clericus, 
Amst.    1685    (und  1687.   2  vol.    8.).     Dann    wurden    noch    einzeln 
verboten:  Harmonia  evangelica,  1699,  verb.   1703;  Ars  critica,  vol. 
1.  2.,   1697.   1700;  Epistolae  criticae,   1700;     Compendium  historiae 
universalis  ab  initio  mundi  ad  temp.  Caroli  M.,  1698,    verb.  1709  ; 
Hugo   Grotius  de  veritate  religionis  christ.  Editio  accuratior,    quam 
reccnsuit    notulisque  adjectis  illustr.    Jo.  Clericus,    cujus  accedit  de 
eligenda  inter  christianos  dissentientes  sententia  über  unicus,  1709, 
verb.   1714;  Jo.  Clerici  .  .  .  Vita  et  opera  ad  a.  1711,  amici  ejus 
opusculum,  philosophicis  Clerici  operibus  subjiciendum,  1711  (Selbst- 
biographie?),   verb.   1718;    Hist.  ecclesiastica    duorum    prim.  saecu- 
loruni,  1716,    verb.  1721;    Opera    philosophica    in    4  vol.    digesta, 
1704j  verb.  1728;  Quaestiones  Hieronymianae,  in  quibus  expenditur 
nupera  editio  Parisiensis,  1719,  verb.  1734  mit  dem  Zusätze:  Biblio- 
theque  universelle  [et  historique],  quae  communiter  praefato  authori 
tribuitur,  et  oninia  ejusdem  auth.  opera.  Von  der  Bibliotheque  waren 
1686 — 9o,  26  vol.  12.  erschienen.    Die  Fortsetzungen,  Bibliothöque 
choisie,   1703  — 13,  und  Bibl.  ancienne  et  moderne,  1716 — 27,  werden 
nicht  ausdrücklich  verb.   —  Von  Simon  Episcopius  (1583—1643) 
wurden  1685  verb.    Opera  theologica  (a  St.  Curcellaeo  edita,  1650; 
ed.  2.  1678,    2  Fol.j^),    von    den  Streitschriften    des    Amsterdamer 
Predigers    Jac.    Laurentius    (1585  — 1644)    erst    1651    Cauteriata 
Jesuitarura    conscientia    und  Appendix    ad    Jes.  conscientiam,    1617, 
gegen    welche   der  Jesuit  Max.  Sandaeus   1619  Admonitio   de    caut. 
Jes.  consc.  schrieb,    dagegen  schon  1633  die  Entgegnung  auf  diese 
Schrift:    Vulpina  Jesuitica,  h.  e.    censura    admonitionis  Sandaeanae, 
1619.     ßeverentia  Ecclesiae  Rom.  erga   ss.  patres    veteres    subdola 
.  .  .  cui  accedit  tract.  de  vera  et  legitima,  quae  s.  scripturae  et  quae 
88.  patribus    debetur,  auctoritate,    honore,    reverentia,    1624,  wurde 
erst    1663,    Fabula    papistica    infernalis    tripartita,    h.    e.    doctrina 
trina  Ecclesiae  Eom.  de  tribus  fictitiis  locis  infernalibus,  purgatorio, 
limbo  puerorum  et  limbo  patrum,  1632,  erst  1693  verboten,  aber  nun 


1)  Chr.  Sepp,  Bibliogr.  Mededeelingen,  1883,  p.  18  führt  aus  Ma- 
billons  Traite  des  etudes  monastiques  von  1691,  p.  238  folgende  Stelle  an: 
Si  Ton  avait  retranche  quelques  endroits  des  Institutiones  theol.  d'Episco- 
piu8,  dont  Grotius  faisait  tant  de  cas,  on  s'en  pourrait  servir  utileraent 
pour  la  theologie  .  .  .  On  ne  perdrait  pas  son  temps  ä  le  Ure,  si  on  Pa- 
vait  purge  de  quelques  (endroits)  oü  il  parle  coutre  les  catholiques  ou 
en  faveur  de  la  secte  Die  Stelle  ist  in  der  folgenden  Ausgabe  von  1692 
weggelassen. 


94  Ersatz  für  die  erste  Classe. 

aucli  0.0.  —  Von  Samuel  Mar  es  in  8  (des  Marets,  1599 — 1673)  sind 
nach  Ben.    sämmtliche  Werke  30.  Juli    1678    verboten,    also    auch 
die  1658  erschienene  Joanna  Papissa  restituta  (gegen  Blondel)  nicht 
früher.     Speciell  verb.  wurden  1654  zwei  auf  den  Jansenistenstreit 
bezügliche  Schriften  (s.u.).  Sie  werden  seit  Ben.  nicht  mehr  speciell 
aufgeführt.  —    Gisbert  Voetius'  (1589  —  1676)  Desperata    causa  pa- 
patus  (gegen  Com.  Jansenius),  1635,  wurde  ebensowenig  verb.  wie 
irgend    eine    andere   seiner  zahlreichen  Schriften.     Von   den   Streit- 
schriften,  die    sein  Freund   Martinus  Schoockius    (f  1669)  gegen 
Jansenius'  Vertheidiger  Libertus  Fromondus  schrieb  (Paquot  1,  296), 
wurde  eine,  Auctarium  ad  desperatam  causam  papatus,  1645,  verb., 
aber  erst  17O0,  zugleich  o.  o.  ejus  (Ben.  hat  beigefügt:  in  quibus  de 
religione  tractat).     Dann  wurde   aber  1709,    also  genau    ein  halbes 
Jahrhundert    nach  dem  Erscheinen,   verb.    Dissertatio   singularis  de 
majestate,  165i).     Vor  1700  war  nur  verb.  Tractatus  de  pace,   spe- 
ciatini    de   paco    perpetua,    quae    foederatis  Belgii    contingit,    1650, 
verb.  1602.  —  Von  Lambertus  Velthuysius  wurdft  die  Gesammt- 
ausgabe  seiner  Opera,  1680,  2  vol.  4.,   Ifi84  verb.  Er  hat  übrigens 
bis  Ben.  im  Index  Vehnuvisius  oder  Vehuvisius  geheissen.  —  Gerardi 
Noodt  [Prof.  in  Leiden,  1647  —  1725]  opera  oninia  ab  ipso  recognita 
et  aucta  et  emondata  multis  in  locis,  Col.  1732,  verb.   1737,  ist  ein  Ab- 
druck der  zu  Leiden  1724  erschienenen  Ausgabe;  die  1.  Ausgabe  war 
schon  1713    erschienen.     Zu    dem  Verbote    werden    namentlich    die 
Schriften  De  foenere  et  nsuris  libri  3,  1698,  Oratio  de  jure  summi 
imperii  et  lege  regia,  1699,  und  Oratio  de  religione  ab  imperio  jure 
gentium  libera,   1706  (mit  starken  Stellen  über  die  Inquisition),  An- 
lass  gegeben  haben;    die  beiden  Reden   französisch  von  Barbeyrac: 
Du  pouvoir  des   souverains   et  de  la  liberte    de  conscience  en  deux 
discours,    1707  (Jugler  2,  365).  Im  span.  Index  steht  Noodt  nicht. 
Von  Jean  Daille  (Dallaeus,  1594—1670)  wurden  1672  verb.: 
De  duobus  latinorum  ex  unctione  sacramentis,    confirmatione  et  ex- 
trema  unctione,    disputatio,  1659,    dann  1686  auf  einmal  8  lat.  po- 
lemische Schriften,    die  alle   bei  seinen  Lebzeiten  erschienen  waren 
(auch  De    scriptis,    quae    sub  Dionysii  Areop.    et    Ignatii  Antioch. 
nominibus    circumferuntur    11.  2),     et    insuper     omnia     alia     opera 
ejusdem  auctoris    ubicunque   et    quoc.   idiomate   impresaa.    —    Von 
Charles  Drelincourt  (1595 — 1669)  wurde  1633  verb.:  Abr6ge  des 
controverses  ou  sommaire    des  erreurs    de  l'Egl.     Rom.,  1630    (20. 
Ed.  1674);     1659:    Nenf  dialogues    contre    les    raissionaires  (sur  le 
Service  de  TEgl.  reform^e,   1655);    16<»1:  De  Thonneur  qui  doit  etre 
rendu   a  la  Sainte  et  Bienheureuse  Vierge   Marie;    1.  Partie    conte- 
nant:     1.  la  croyance  orthodoxe,   2.  la  demande  de  Mons.  l'Eveque 
de  Belley  avec  la  reponse,  3.  les  demandes  faites  a  Mons.  de  Belley 
sur  la  qualite  de  cet  honneur,  1634  u.  s.  Das  von  Ben.  beigefügte 
et  cetera  ejusdem  opera  omnia,  steht  in  keinem  dieser  Decrete,  wird 
also  erst    aus  dem    J.   1757  stammen.    —    Von    Jean    d'Espagne 
wurden  1676    Les  erreurs  populaires  es   points  principaux  ...  de 
la  religion,  1677  Les  oeuvres,  1674,  2  vol.  12.,  verb.  —  Von  Jean 
de  Labadie,    —    geb.  1610,    bis   1639  Jesuit,    dann  Canonicus  in 


Schoock.  Noodt.  Labadic.  Bull.  Cave  u.  a.  95 

AmienSy  1650  von  dem  Erzbischof  von  Toulouse  suspcndirt,  darauf 
Calvinist,  1650 — 56  in  Montauban,  dann  Pfarrer  in  Genf,  später 
Haupt  einer  separatistischen  Gemeinde,  t  1674  zu  Altena,  —  wurde 
schon  1654  eine  gleich  nach  seinem  Uebertritt  veröffentlichte  Lettre 
ans  Anlass  des  Jansenistischen  Streites  verb.,  später:  Le  bon  usage 
de  Peucharistie,  ou  la  vraye  et  saincte  prattiquc  du  my störe  du 
sacrement  de  la  cene  de  J.  C.  (steht  im  Index  von  1681  ohne  An- 
gabe des  Datums  des  Verbotes),  dann  1693:  Le  hcraut  du  grand 
roy  J.  C.  ou  eclaircissement  de  la  doctrine  de  J.  de  TAbbadie  pa- 
Bteur  sur  le  regne  glorieux  de  J.  C,  Amst.  1668,  Les  divins  he- 
rauts  de  la  penitence  .  .  .,  1667,  und  Le  veritable  exorcisme  ou 
l'unique  .  .  .  moyen  de  chasser  le  diable  du  monde  chretien,  1677, 
—  endlich  1700  sämmtliche  Schriften.  Von  seiner  Anhängerin  Anna 
Maria  Schurmann  (f  1674)  wurden  nur  die  von  Friedr.  Spanheim 
herausgegebenen  Opuscula  hebraca,  graeca,  latina,  gallica,  prosaica 
et  metrica,  Leyden  1648,  1678  verb.,  nicht  die  im  Sinne  Labadie's 
geschriebene  Euy.Xtjgiay  Altona  1673. 

Am  wunderlichsten  ist  die  Auswahl,  die  man  unter  den  angli- 
canischeu  Theologen  getroffen,  um  alle  Werke  von  ihnen  zu  ver- 
bieten. Von  Georg  Bull,  Bischof  von  St.  Davids  (1634—1710), 
wurden  die  Opera  omnia,  welche  1703  von  J.  E.  Grabe  in  einem 
Foliobandc  edirt  waren,  1739  von  der  Inq.  verb.  Ben.  fügte  d.  c. 
bei.  Er  wird  namentlich  die  Defensio  fidei  Nicaenae,  1685,  nicht  un- 
bedingt haben  verbieten  wollen,  von  der  Card.  Passionei,  Voti  p.  40 
sagt:  Wer  hat  den  Glauben  der  vornicaenischen  Väter  besser  ver- 
theidigt  als  BuUV  Bull  hat  freilich  auch  eine  Vindication  of  the  Church 
of  England  from  the  errors  of  the  Church  of  Rome,  1719,  geschrieben, 
und  R.  Simon,  Lettres  1,  21,  zeigt,  wie  er  bei  der  Vertheidigung 
des  Nicaenischen  Glaubens  indirect  die  Lehre  von  der  Transsubstan- 
tiation  angreift.  —  Schon  1700  wurden  verb.  William  Cave's 
(t  1713)  Scriptorum  ecclesiasticorum  bist,  literaria  a  C.  n.  usque 
ad  saec.  XIV.,  Genf  1693,  et  omnia  ejus  opera^),  gleichzeitig  Henry 
Whartons  (f  1695)  Appendix  ad  bist.  lit.  W.  Cave,  in  qua  de 
Bcriptoribus  eccl.    ab  a.   1300   usque  ad  a.   1517    pari  modo  agitnr. 


1)  Der  spätere  Card.  Querini  besuchte  im  J.   1711  Cave  und  erzählt 

Comment.  1,  56:  Cave  sei  verwundert  darüber  gewesen,  dass  er  sein  Buch 

^o  gut    gekannt,    von  dem  er  gemeint,    es  sei    in  Italien  unbekannt   oder 

tinbeachtet;    er  habe  ihm  aber  versichert,    in  Florenz  sei  kaum   ein  Buch 

V)ckannter!     Anseimus  Dandinus,    ein  Cousultor  der  Index-Congr.,  sagt  in 

Ocm  1703  zu  Rom  erschienenen,  Clemens  XI.  gewidmeten  Foliobande    De 

s^aspectis  de  haeresi  p.  465,  unter  Umständen  könne  schon  das  Lesen  der 

ATorrede  eines  ketzerischen  Buches  eine  materia  gravis  sein  (I  S.  76),  und 

führt  als  Beispiel  an:    Novissime    G.  Cave  edidit  Hist.  lit.  .  .  .    eidemque 

X^raefixit  dedicationeni :  nSanctissimao  carissimaeque  matri  Ecclesiae  Angli- 

c^nae,"     si  quis    legeret    vel    hanc  solam  dedicationera,    quid   pestilentius 

^ub  oculis  habere  posset?    FJs  kommen  freilich  anstössigere  Sachen  bei  Cave 

vor:  in  der  Einleitung  zu  dem  Saeculum  scholasticum  z.  B.  bezciclmct  er 

die  Inquisition  als  gravissimura   et  ab  orco  petitum  christianae    religionis 

UedecuB  simul  et  flagellum,  conscientiarum  crucificina  etc. 


96  Ersatz  für  die  erste  Classe. 

Genf  1694  (in  der  Ausgabe  des  Werkes  von  Cave  von  1720  mit  ab- 
gedruckt). —  Von  drei  anderen  engliscben  Theologen  wurden  Ge- 
sammtausgaben  verb.:  Jo.  Ligbtfoot  [1602 — 75]  Opera  omnia 
duobus  voluminibus  comprehensa,  Koterd.  1686,  verb.  1690^),  — 
Henr.  Mori  Cantabrigiensis  [1614  —  78]  Opera  omnia,  tum  quae  la- 
tine,  tum  quae  anglice  scripta  sunt,  nunc  vero  latinitati  donata, 
Lond.  1679,  2  Fol.,  verb.  1700  und  nochmals  1703;  —  Jo.  Pri- 
deaux  [1578 — 1650]  Opera  theol.  quae  latine  exstant  omnia,  Zürich 
1675,  4.,  verb.  1679  (J.  Prideaux,  Bischof  von  Worcester,  hat  auch 
einige  englische  Sachen  geschrieben,  gehört  aber  nicht  gerade  zu 
den  bedeutenden  Theologen  ;   Wood  3,  267). 

3.  Die  Schriftsteller,  von  denen  1757  sämmtliche  oder,  wo 
dieses  ausdrücklich  beigefügt  wird,  sämmtliche  theologische  Werke 
verboten  wurden,  verzeichne  ich  hier,  nach  der  Nationalität  geson- 
dert, alphabetisch  und  füge  bei  den  einzelnen  bei,  welche  Schriften 
vor  1757  verboten  waren,  um  die  Planlosigkeit  dieser  Verbote  an- 
schaulich zu  machen.  Ben.  führt  von  den  vor  1757  verbotenen 
Schriften  in  der  Regel  nur  die  erste  an  und  lässt  dann,  mit  Weg- 
lassung der  in  den  älteren  Indices  stehenden,  gleich  et  reliqua  ejus- 
dem  opera  (bei  einigen :  de  religione  tractautia)  folgen. 

a.  Deutsche:  Valentin  Alberti  (1639 — 97);  nur  Interesse 
praecipuarum  religionum  Christ,  in  omnibus  articulis  ita  deductum, 
ut  non  tantum  de  causa  propter  quam  sie  aliterve  doceant  etc. 
Ed.  2.,  1683  (die  l.  1681),  verb.  1703,  eine  Art  Symbolik  (A.  E. 
1682,  47).  —  Jo.  Henr.  Aisted  (1588—1638):  Systema  mnemo- 
nicum,  1610,  verb.  1613;  Encyclopaedia  omnium  soientiarum,  1630, 
2  Fol.,  verb.  1651;  keine  theologische  Schrift  verb.  —  Balthasar 
Bebel  (1632 — 86):  Antiquitates  Ecclesiae  in  tribus  prioribus  p. 
C.  n.  saeculis,  1669,  verb.  1688.  —  Jo.  Botsack  (1600—74): 
Promptuarium  allegoriarum  tributum  in  centuarias  18  et  supra,  verb. 
1654;  nicht  verb.  z.  B.  Patrologia  s.  de  libertate  veterum  doctorum 
scripta  judicandi,  1664,  worin  er  zu  zeigen  sucht,  dass  fast  allen 
Kirchenvätern  von  den  päpstlichen  Theologen  Irrthümer  und  Ketze- 
reien vorgeworfen  würden  (Fabricius,  Hist.  Bibl.  6,  454).  —  Her- 
mann Conring  (1606 — 81).  De  imperii  germanici  re  publica  acro- 
amata  sex  historico-politica  1654,  verb.  1662;  De  finibus  imperii 
germ.  s.  de  pace  civili  inter  imperii  ordines  religione  dissidentes 
perpetuo  conservanda  11.  2,  1680,  verb.  1682  (der  Titel  dieses 
Buches  ist  seit  Ben.  so  getheilt,  als  wenn  es  zwei  Bücher  wären); 
von  den  zahlreichen  theologischen  Schriften  keine  vor  1757  verb. 
—  Jo.  Grell  (1590 — 1633,  Socinianer).  Ben.  gibt  an,  seine  Schrift 
De  uno  Deo  patre,   1631,  sei  18.  Dec.  1646  verb.  worden.     Das  ist 


1)  In  dem  Decrete  (Nam.  167)  stehen  unmittelbar  dahinter  die  Mis- 
cellanea  von  Th.  Smith;  auch  in  den  Index-Ausgaben  bis  Ben*  sind  diese 
hinter  Jo.  Ligbtfoot  gestellt,  in  der  von  1681  sogar  mit  davor  gesetztem 
et  Opera  sunt  quae  scquuntur,  als  ob  die  Miscellanoa  die  opera  omnia  Light- 
foots  wären. 


Socinianer.    Gerhard.     Hottinger  u.  a.  97 

aber  nicht   ganz  richtig;    in  dem  betreffenden  Decrete  und  in  allen 
Indices    vor    Ben.    wird    vielmehr    verb,:    Jo.  Henr.    Bisterfeld 
(t    1655)    De    nno  Deo  Patre,   Filio    ac  Spiritu   Sancto    mysterium 
pietatis    contra   Jo.    Crellii  Franci  de    uno  Deo  Patre    libros    duos, 
qaorum  textns  e  regione  exponitur,    breviter  defensum,    Lugd.  Bat, 
1639,  4.,  also  zunächst  die  Gegenschrift.     Auch    von    den   anderen 
Schriften  von  Joh.     Grell    (Clement  7,  324)    wurde  keine  vor  1757 
verb.     Auch  die  Bibliotheca  fratrum  Polonorum,  Irenopoli  (Am- 
sterdam) 1656  ff.,  8  Fol.i),  wurde  erst  10.  Mai  1757,  also  ein  Jahr- 
hundert   nach   ihrem  Erscheinen    verboten    und  erst   29.  Juli    1767 
(von  derinq.)  Christophori  Sandii    (1644 — 80)    Nucleus    historiae 
eccl.    exhibitus    in    historia  Arianorum    tribus    libris    comprehensa, 
1668    und  1676,    und  die  Appendix    addendorum,    confirmandorum, 
emendandornm ;    adduntur    tres    epistolae,     1678,    nicht    auch    die 
Bibliotheca  Anti-Trinitariorum,    1684.     Dagegen  wurde  schon  1714 
verboten:    Nie.    Arnoldi   (1618 — 80),    Religio    Sociniana    s.  Cate- 
chesis  Racoviana  major   [1609]  ,  .  .  refutata,    1654.    —     Von    den 
vielen  Schriften  der  Socinianer^j  wurde    überhaupt    vor    1757    nur 
verboten:  Stanislaus  Lubieniecius,   Hist.  reformationis  polonicae, 
in  qua  tum  Reformatorum  tum  Antitrinitariorum  origo  et  progressus 
in  Polonia  narratur,  1685  (304  S.  8.),  verb.   1687.  —  Joh.    Georg 
Dorsche  (1597 — 1659):  Thomas  Aquinas  exhibitus  confessor  veri- 
tatis  evangelicae  Augustana  Confessione  repetitae  jnxta  seriem  Con- 
troversiarum  tom.  4.    Rob.  Bellarmini  examinatus,  1655,  verb.  1658 
(dagegen    ist    die  Schrift  von  Thom.  Leonardi,   s.  S.  85,  gerichtet). 
—  Martin  Geier  (1614 — 80):  De  Hebraeorum  luctu   lugentiumque 
ritibus,  1656,  verb.  1693,  nicht  verb.  (seine  alttest.  Commentare  und) 
die  Dissertation  De  conformitate  judaeo-papistica  in  loco  de  s.  scrip- 
tura,  1661.  —  Jo.  Gerhard  (1582 — 1637),    „der  gelehrteste  unter 
den  Heroen  der  lutherischen  Orthodoxie**  (R.-E.  5,  91):    nicht  sein 
Hauptwerk,    ,,das  an  accurater  und  riesenhafter  Gelehrsamkeit  erste 
unter    allen    dogmatischen    Werken**     (Tholuck),    Loci    theologici, 
1610 — 22,    9  vol.  4.,  u.  o.,    sondern  nur:   Comm.  in  1.  et  2.  Petri 
Epist.,   1641,    verb.  1672,    Adnotationes  ad  utramque  Pauli  ad  Tim. 
Epist.,  1666,  verb.   1718.    —    Jo.   Heinr.  Hottinger    (1620—67): 
Thesaurus  philologicus    s.  Clavis   scripturae   [1649;    2.  Ed.]    1659, 
verb.  1662,  Historia  orientalis  (über  den  Muhammedanismus),  1660, 
verb.    1662.     Von    seinem    Sohne  Joh.  Jacob    (1652—1735)    steht 
nichts    im    Index,    auch    nicht    die    Helvetische  Kirchengeschichte, 
1698 — 1729,  wegen  deren    ,,ma88loser  Polemik  gegen   den  Katholi- 
cismus'*    man    ihn  als  den   „reformirten  Capuciner'*    bezeichnet    hat 
(R.-E.  6,  339),  oder  die  Dissertatio  jubilaris  zu  dem  Reformations- 
jubilüum    von    1719,    die    zu    einem    Federkrieg    mit    dem  Jesuiten 
Rusca  Anlass  gab.  —  Christian  Kortholt  (1633—94):  Valerianus 


1)  Freytag,  Anal.  122.  Fabricius,  Hist.  Bibl.  2.  57.    Baumpr.  3,  162. 

2)  Daumg.  6,  172.  321.  397.  Ueber  Lubienicki  s.  Salig  11,  707. 

Keusch,  Index   11.  7 


dd  Ersatz  für  die  erste  Classe. 

Confessor,  h.  e.  solida  demonstratio  qiiod  Eccl.  Rom.  hodierna  non 
sit  Vera  Christi  Eccl.  deducta  ex  Val.  Magni  Apologia  antijesuitica, 
1662,  verb.  1664.  —  Jo.  Adam  Osiander  (1622—97):  'öystema 
theologicum  s.  Theologia  positiva  acroamatica  1679,  verb.  1681.  — 
Jo.  Henr.  Ottius  s.  Otto  (Ott,  1619 — 82):  Epitome  tractatus  gal- 
lici:  La  grandeur  de  l'Egl.  Rom.  (von  Barcos  s.  u.),  verb.  1663  ; 
Examen  perpetuum  hist.-tbeologicum  in  annale«  C  Baronii.  Centuria 
1.  2.  3.,  verb.  1678.  —  Christoph  Martin  Pfaff  (1686—1760): 
S.  Irenaci  fragmenta  anecdota  (s.  u.)  und  Primitiae  Tubingenses, 
quarum  pars  prior  orationem  auspicalem  .  .  .  dissertationesque  in- 
augurales  de  evang.  .  .,  pars  posterior  de  praejudiciis  theoL,  1718, 
beide  verb.  1721,  Institutiones  historiae  eccl.,  1721  u.  s.,  verb.  1754. 
—  Jo.  Piscator  (seit  Ben.  mit  dem  Zusatz  Argentoratensis,  geb. 
1546  zu  Strassburg,  f  1626  als  Prof.  in  Herborn):  vorher  nicht  im 
Index;  denn  Epitome  omnium  operum  Augustini  per  Jo.  Piscatorem 
ist  verdruckt  für  Jo.  Piscatorium  (I  S.  446).  —  Abraham  Scul- 
tetus  (1566 — 1626):  Idea  concionum  ad  po])ulum  Heidelb.  habita- 
rum,  confecta  opera  Balth.  Tilesii,   1610,  verb.   1613. 

b.  Holländer.  Henr.  Alting  (1583  — 1644) :  Theologia  liisto- 
rica  8.  systematis  historici  loca  quatuor,  Amst.  1664,  von  seinem 
Sohne  herausgegeben,  wie  auch  seine  anderen  (nicht  bedeutenden) 
Schriften,  verb,  1684.  —  Jac.  Alting  (1618 — 76):  Aoademicarum 
dissertationum  heptadcs  duae,  prior  theologicarum,  posterior  philol. 
Accedit  heptas  orationnm,  1676,  verb.  1685.  Seine  Werke,  1685 — 87 
in  5  Fol.  zusammen  herausgegeben,  enthalten  auch  nützliche  Bücher 
über  orientalische  Sprachen.  —  Guil.  Amesius  (1578 — 1633,  Eng- 
länder, aber  seit  1613  in  Holland;  seine  Werke  1658  in  5  Bänd- 
chen gesammelt,  Streitschriften  gegen  Arminianer  und  Katholiken): 
Philosophemata,  1643,  verb.  1661.  —  Jac.  Bas  nage  ( 1653— 1723, 
seit  1685  in  Holland,  Historiograph  der  Generalstaaten).  Von  den 
seit  1682  veröffentlichten  polemischen  Schriften  wurde  keine  verb. 
Er  kam  zuerst  in  den  Index  mit:  J).  Chrysostomi  E]nstola  ad  Cae- 
sarium  monachum,  cui  adjunctae  sunt  tres  epistolicae  dissertationes, 
prima  de  Apollinaris  haeresi,  2.  de  variis  Athanasio  suppositis 
operibus,  3.  adv.  Simonium,  1687,  verb.  1693.  Dann  folgten:  Hist. 
de  TEglise  depuis  J.  Chr.  jusqu'a  present,  2  Fol.,  1699,  von  der 
Inq.  verb.  1707;  Sermons  sur  divers  sujets  de  morale,  de  theologie 
et  de  Thist.  sainte,  1709,  2  vol.,  verb.  1714;  Hist.  de  la  rel.  des 
eglises  reformees,  1725  (zuerst  1690),  2  vol.,  verb.  1728.  Von  sei- 
nem Vetter  Samuel  Basnage  (1638 — 1721)  stehen  im  Index:  Exer- 
citationes  hist.-criticae,  in  quibus  Card.  Baronii  Annales  ab  a.  C.  35., 
in  quo  Casaubonus  desiit,  expenduntur,  tum  et  multa  adv.  Bellar- 
minum  et  alios  discutiuntur,  1692,  verb.  1709;  Morale  theologique 
et  politique  sur  les  vertus  et  les  vices  de  Thomme,  1703,  2  vol., 
verb.  1718;  Annales  politico-ecclesiastici  a  Caesare  Augusto  ad 
Phocam  usque,  1706,  3  Fol.,  verb.  1727.  Der  ältere  Samuel 
Basnage  (1580 — 1652,  Grossvater  der  vorigen),  von  welchem  Par. 
De  Tetat  visible  et  invisible  de  l'Egl.  [et  de  la  parfaite  satisfaction 
de  J.  C,  contre  la  fable  du  purgatoire,  La  Rochelle  1612]  verbietet, 


Oslander.     Pfaf)'.    ßasnage.     Spanheim  u.  a.  99 

steht  nicht  im  Index.  —  Jo.  Hoornbeek  (1617 — 66):  Examen 
ballae  papalis,  qua  Innocentius  X.  abrogare  nititur  pacem  Germa- 
niae.  Accedunt  bullae  Urbani  VIII.  de  jesuitissis,  de  imaginibus, 
de  festig  cum  scholiis,  quibus  addita  est  bulla  P.  Clementis,  qua 
mandat  angelis  etc.,  1652,  verb.  1658  (die  Schrift  erschien  nach 
der  Aufhebung  des  Edicts  von  Nantes  nochmals  anonym:  Bulla- 
rii  Komani  destructio  et  confutatio  generalis,  ac  specialis  bullarum 
Innoccntii  X.  et  Urbani  VIII.  de  abrogatione  pacis  Germaniae,  de 
suppressione  Jesuitissarum ,  de  cultu  imaginum  et  observatione  festo- 
rum,  Amst.  1686,  verb.  1688;  Bibl.  uuiv.  1686,  3,  539);  Miscel- 
lanea  sacra,  1676,  verb.  1690.  —  Melchior  Leidecker  (1642 
— 1721):  Medulla  theologiae  concinnata  ex  scriptis  .  .  .  Gisberti 
Voetii,  Jo.  Hoornbeek,  Andr.  Esseuii  etc.,  1683,  verb.  1685. —  Sibran- 
dus  Lubhertus  (1556 — 1625):  De  papa  Komano.  Keplicatio  ad 
defensionem  tertiae  controversiae  Hob.  Bellarmini  scriptam  a  Jac. 
Gretsero,  1610,  erst  1700  verb.,  keine  andere  seiner  vielen  polemi- 
schen Schriften.  —  Andreas  Rivet  (1573 — 1651).  Sein  Name  hat 
bis  1758  nicht  im  Index  gestanden,  Ben.  verzeichnet  zwar  als 
1622  verb.  Sommaire  de  toutes  les  controverses  touchant  la  reli- 
gion,  agitees  de  notre  temps  entre  Teglise  rom.  et  les  eglises  refor- 
m^es;  aber  dieses  Buch  steht  in  dem  Decrete  (No.  25)  und  in  allen 
Indices  vor  Ben.  ohne  den  Namen  Rivets  als  Summarium  omnium 
controversiarum  .  .  .  per  Thomam  Portam  (Name  des  Druckers). 
Schon  1651 — 60  waren  Rivet.«»  lateinische  Schriften  in  3  Fol.  ge- 
sammelt erschienen.  —  Fridericus  Spanhemius  (der  ältere, 
1600 — 49;  von  ihm  werden  opera  de  religione  tractantia  verb.): 
Exercitationes  de  gratia  universali,  1636,  und  drei  damit  zusammen- 
hangende Schriften,  verb.  1688  (sie  stehen  in  den  älteren  Indices 
unter  den  Schriften  seines  Sohnes).  Nicht  verb.  wurde  z.  B.  die 
polemische  Schrift  Chamierus  contractus,  1645,  ein  Auszug  aus  der 
Panstratia  von  Chamier,  der  gar  nicht  im  Index  steht.  Von  seiner 
anonymen  Schrift  Le  soldat  su^dois,  1633,  wurde  schon  1634  die 
italienische  Uebersetzung  verb.:  II  Soldato  Svezzese.  Hist.  della 
guerra  tra  Ferdinande  II.  e  Gustave  re  di  Svetia,  trad.  da  Matteo 
Bellanda.  —  Fridericus  Spanhemius  filius  (1632 — 1701):  Disser- 
tationum  historioi  argumenti  quaternio,  1679,  und  Introductio  ad 
historiam  et  antiquitates  sacras,  1675,  verb.  1681 ;  Selectiorum  de 
religione  controversiarum  .  .  .  elenchus,  1687,  und  Pro  Frid.  Span- 
hemio  seniore  adv.  fictiones  nuperi  criminatoris  de  varia  et  libera 
ecclesiae  politia,  1684,  verb.  1688;  De  auctore  epist.  ad  Hebr.,  1659, 
und  Hist.  Jobi,  1670,  verb.  1690;  Historia  imaginum  restituta,  prae- 
cipue  adv.  .  .  .  Maimburgum  et  Natalem  Alexandrum,  1686,  und  De 
papa  femina  interLeonem  IV.  et  Benedictum  III.,  1691,  verb.  1693. 
Von  dem  jungem  Frid.  Spanheim  wurden  also  mehr  Schriften  und 
diese  meist  rascher  verboten  als  von  vielen  anderen  protestantischen 
Theologen,  aber  freilich  nicht  alle,  die  man  hätte  verbieten  können. 
Sein  Bruder  Ezechiel  (1629—1710)  steht  nicht  im  Index. 

c.    Franzosen.     David  Blondel  (1591  —  1655):  De  jure  plebis 
in  regimine  Ecclesiae,  1648,    verb.  1658;    Pseudo-Isidorus    et  Tur- 


IOC  Ersatz  für  die  erste  Classe. 

rianuB  vapnlantes,  Genf  1628,  das  erste  bedeutende  Werk  über 
Peeudo-Isidor,  gegen  den  Jesuiten  Fr.  Torres,  verb.  erst  1661 ; 
Actes  authentiques  des  eglises  reformees  de  France,  Germanie  etc., 
Amst.  1651,  verb.  erst  1709.  Die  Bücher  De  la  primaute  en 
l'Eglise  gegen  du  Perron,  1641,  und  andere  polemische  Schriften 
kamen  vor  1757  nicht  in  den  Index,  auch  nicht  das  unter  dem 
Namen  Amandus  Flavianus  veröffentlichte  Commonitorium  de  fulmine 
nuper  ex  Esquilinis  vibrato,  Kleutheropoli  1651  (über  die  Bulle 
Innocenz'  X.  gegen  den  westfälischen  Frieden),  aber  Extrait  de 
Texamen  de  la  Bulle  du  P.  Innocent  X.  contre  la  paix  de  TAlle- 
magne  conclue  a  Munster  1648,  fait  en  latin  par  Aniand  Flavien, 
verb.  1709.  —  Von  dem  fruchtbaren  Polemiker  Jean  Claude  (1619 
— 1687)  wurden  vor  1757  nur  zwei  Streitschriften  gegen  Arnauld 
und  Nicole  verb.  (s.u.),  dagegen  von  Pierre  Jurieu  (1637  —  1713) 
ausser  Streitschriften  gegen  Arnauld  auch  schon  andere,  von  den 
unter  seinem  Namen  erschienenen  allerdings  nur  Analyse  raisonnee 
de  i'Apocalypse,  verb.  1737,  aber  mehrere  anonyme,  die  noch  jetzt 
als  solche  im  Index  stehen:  Reflexions  sur  la  cruelle  persecution 
que  souffre  l'egl.  reformee  de  France  et  sur  la  conduite  et  les 
actes  de  la  demi^re  Assembl^c  du  Clerge,  1685,  verb.  1690;  Let- 
tre s  pastorales  adressees  aux  fideleH  de  France  qui  gemissent  sous 
la  captivite  de  Babylone  (so  seit  Ben.;  ursprünglich  verbot  die 
Inq.  1700  davon  3,  Edition,  Roterd.  1688,  wohl  den  1.  Band,  dann 
die  Index-Congr.  1703  3.  Annee  und  1709  2.  Ann^e,  Rotterd.  1688); 
L^accomplissement  des  propheties  ou  la  delivrance  prochaine  del' 
Eglise.  Ouvrage  dans  lequel  il  est  prouve  que  le  Papisme  est 
Tempire  antichretien.  Par  le  S.  P.  J.  .  .  1686,  2  vol.,  verb.  1709; 
Suite  de  TAcc.  des  pr.  ou  amplißcation  des  preuves  bist,  qui  fönt 
voir  que  le  Papisme  est  rAntechristianisme.  Par  le  S.  P.  J.,  1688, 
verb.  1709  und  nochmals  1732 1).  —  Von  Jacques  Len  fant  (1661 
—  1728,  seit  1684  in  Heidelberg,  seit  1688  in  Berlin)  wurde  1718 
sein  Hauptwerk,  Hist.  du  concile  de  Oonstance,  1714,  verb.,  erst 
1757  Hist.  du  concile  de  Pise,  1724,  und  Hist.  de  la  guerre  des 
Hussites  et  du  concile  de  Basle,  1781,  et  cetera  ejus  opera  omnia, 
in  quibus  de  rel.  tractat,  also  auch  jetzt  erst :  Hist.  de  la  Papesse 
Jeanne  und  Preservatif  contre  la  reunion  avec  le  Siege  de  Rome, 
1723,  4  vol.  —  Von  Jean  Mestrezat  (1592—1657)  war  vor 
1757  nur  eine  Schrift  in  italienischer  Uebersetzung  verboten  (§  21), 
von  Petrus  Molina eus  (Pierre  du  Moulin  1568  —  1658)  nur  Re- 
ponse  a  quatre  demandes  faites  par  un  gentilhomme  de  Poitou, 
1623,  verb.  1624,  und  Le  Capucin;  traite  auquel  est  decrite  l'ori- 
gine  des  Capucins  et  leurs  voeux,  regles  et  disciplines  examinees, 
1640,  verb.  1642.  —  Von  einem  seiner  Söhne,  der  auch  Pierre 
hiess,    wurde    die    anonyme  Schrift  Clamor    regii    sanguinis  (§  19) 


1)  Ueber  die  Lettres  past.  und  L'accompl.  vgl.  R.  Simon,  Lettres  I, 
190.  316;  II,  229,  über  L'accompl.  auch  Vie  de  Jurieu  vor  Bayle's  Dict. 
p.  XLVlin. 


Claude.     Jurieu.     Turretini.    Bourignon  u.  a.  101 

1669  verb.,  von  einem  andern  Sohne,  Cynis  (f  1688)  1671:  Le 
Pacifique  ou  de  la  paix  de  TEglise.  —  Von  Jean  La  Place tte  (1639 
— 1718)  wurde  1709  verb.  Observationes  hiBtorico-ecclesiaBticae,  qui- 
bu8  eruitur  veteris  eccl.  Bensus  circa  Pontificis  Rom.  potestatem  in 
definiendiB  fidei  rebus,  1695  (als  Veteris  Eccl.  sententia  circa  aucto- 
ritatem  Eom.  Pont,  in  reb.  fidei  def.  variis  observationibus  pate- 
facta,  quibus  ostenditur,  nee  summam  illam  nee  errore  nesciam  exi- 
stimatam  olim  fuisse,  schon  -1591  erschienen).  —  Von  Benedict 
Turretini  (1588  —  1631,  Herausgeber  des  Index  von  Sandoval; 
sein  Vater  Franz  war  aus  Lucca  nach  Genf  geflohen)  wurde  1619 
verb.:  Disputatio  de  Ecclesiae  ßom.  idololatria,  quam  ad  19.  diem 
Junii  1619  defendit  Henricus  Hamers,  und  1651:  Brief  trait6,  auquel 
est  montre  que  celui  qui  a  connaissance  de  T^vangile,  est  n^cessai- 
rement  oblig^  de  sortir  de  TEgl.  papistique,  —  von  dessen  Sohn 
Franc.  Turrettini  (1623—87)  1681  die  Lettera  del  Card.  Spinola 
(§  21),  dann  erst  1718  eine  1701  erschienene  Ausgabe  der  zuerst 
1682  und  1688  gedruckten  Institutio  theologiae  elencticae,  und  Re- 
cueil  de  sermons  sur  divers  textes  de  FEcr.  sainte,  1687,  — 
von  seinem  Enkel  Jo.  Alph.  Turretini  (1671  — 1737)  1750:  In  Pauli 
Ap.  ad  Rom.  epistolae  capita  IX  praelectiones  criticae  theolo- 
gicae  1741. 

1757  wurden  auch  sämmtliche  Werke  der  Schwärmerin  An- 
toinette  Bourignon  (geb.  1616  zu  Lille,  t  1680  zu  Franeker) 
verb.  Vorher  standen  von  ihr  nur  im  Index:  La  lumi&re  nee  en 
tenebres  qui  invite  tous  les  hommes  de  bonne  volonte,  verb.  1671, 
und:  La  lumiere  du  monde.  R6cit  tr^s-veritable  d'une  p^lerine, 
A.  Bourignon,  voyageant  vers  Veternite,  mis  au  jour  par  M.  Chri- 
stian de  Cordt ^),  Amst.  1679,  von  der  Inq.  verb.  1687;  es  wird 
der  1.  Band  der  von  dem  frühem  reformirten  Prediger  Peter  Poiret 
besorgten  Gesammtausgabe  ihrer  Werke  sein,  die  in  21  Bänden 
x\msterdam  1679 — 86  erschien.     Von  Poiret  steht  nichts  im  Index. 

d.  Engländer.  Robert  Baron  ins  (Baron);  von  ihm  waren 
früher  verb.:  Ad  Georgii  TurnebuUi  tetragonismum  pseudographum 
apodixis  cath.  s.  Apologia  pro  disputatione  de  formali  objecto  fidei, 
auth.  R.  B.,  ecclesiaste  Abredonensi,  verb.  1669  (die  Gegenschriften 
des  Jesuiten  TurnebuU,  f  1633,  heissen:  Imaginarii  circuli  quadra- 
tura  cath.,  s.  de  objecto  formali  et  regula  fidei  adv.  R.  Baronem 
ministrum,  1628;  In  s.  scholae  calumniatorem  et  calumniae  dupli- 
cätorem  pro    tetragonismo,    1632),    und  Philosophia   theologiae   an- 


1)  Christian  Barth,  van  Cordt  war  ein  holländischer  Oratorianer, 
der  sich  1662  zu  Mecheln  an  A.  Bourignon  anschloss.  Nach  seinem  Tode 
1669  erbte  sie  die  Insel  Nordstrand,  wo  sie  1671 — 76  lebte  und  eine  eigene 
Druckerei  errichtete.  Als  jansonistischer  Priester  kann  Cordt  nur  in  dem 
Sinne  bezeichnet  werden,  in  welchem  damals  die  meisten  holländischen 
Weltgeistlichen  Jansenisten  waren.  Der  Bischof  Neercassel  hatte  ihn  als 
Trinker  u.  dgl.  suspendirt  (Avr.  3, 145).  Arnauld  und  andere  waren  finan- 
ziell bei  dem  Ankauf  von  Nordstrand  betheiligt,  hatten  aber  mit  der  Bou- 
rignon nichts  zu  schafl'en  (Nie.  20,  168.  S.-Beuve  4,  874). 


102  Ersatz  für  die  erste  Classe. 

cillans,  h.  e.  pia  et  sobria  explicatio  quaestionam  p1iilo8.  in  dispu- 
tationibus  theol.  subinde  occurrentium,  auct.  R.  Baronio,  Prof.  Philos. 
Oxon.,  Amst.  1646,  285  S.  12.,  verb.  1680.  —  Guil.  Perkins 
(1558  — 1602):  Problema  de  romanae  fidei  ementito  catholiciemo. 
verb.  1610  (I  S.  586).  —  Guil.  Twissus  (f  1645):  Dissertatio 
de  scientia  media  tribus  libris  absoluta,  quorum  prior  Gabrielem 
Penottum  ad  partes  voeat,  posteriores  duo  Franc.  Suaresio  oppositi 
sunt,  Arnh.  1639,  erst  1709  verb.;  seine  Opera  tbeologica  waren 
schon  1648  gesammelt  erschienen.  —  Daniel  Whitby  (1638 — 1726): 
Ethices  compendium,  1684,  verb.  1690. 

Auch  in  dem  Pariser  Index  von  1685  (S.  57)  werden  von 
vielen  protestantischen  Theologen,  in  der  Regel  nach  Aufzählung 
einzelner,  meist  polemischer  Schriften ,  sämmtliche  (theologische) 
Werke  verboten.  Darunter  sind  die  meisten  oben  verzeichneten 
(einige  derselben  stehen  gar  nicht  im  Pariser  Index:  Jac.  Alting, 
M.  Geier,  auchB.  Bebel,  Chr.  Kortholt,  M.  Leidecker,  J.  A.  Osiander); 
von  anderen  werden  hier  nur  einzelne  Bücher  verboten,  wie  von 
Herm.  Conring,  Jo.  Hoornbeck,  auch  von  Conr.  Schlüsselburg  und 
Ben.  Turretini.  Aber  von  anderen,  wovon  im  Rom.  Index  nur 
einige  Bücher  stehen,  werden  hier  alle  verboten  (M.  Amyraldus, 
Nie.  Arnold i,  Alex.  Morus,  Amandus  Polanus,  Gerh.  Titius,  Nie.  Ve- 
delius,  M.  Fr.  Wendelinus),  und  von  27  werden  sämmtliche  Werke 
verboten  (und  einzelne  entweder  an  sich  bedeutende  oder  scharf 
polemische  Schriften  verzeichnet),  die  im  Rom.  Index  gar  nicht  stehen. 
Die  Lückenhaftigkeit  desselben  bezüglich  der  protestantischen  Theo- 
logie wird  durch  ein  Verzeichniss  derselben  einigermasscn  illustrirt: 
Robert  Abbot,  Frdr.  Balduin,  Casp.  Erasmus  Brochmand,  Dan.  Cha- 
mier,  Ludw.  Crocius,  Erich  Ekkardus,  Jean  de  TEspine,  Sal.  Ges- 
ner,  Fr.  Gomarus,  P.  Haberkorn,  Jac.  Hertelius  (s.  I  S.  418),  Jo. 
Himmel,  Leonh.  Hutter,  Balth.  Meißner  (S.  33),  Balth.  Mentzer, 
Georges  Pacard,  Chrph.  Pelargus,  Matth.  Sutlivius,  Dan.  Tilenus, 
Th.  Thummius,  Gisb.  Voetius,  Conr.  Vorstius,  Jo.  Winckelmann, 
Andr.  Willet,  endlich  die  Socinianer  Jo.  Schlichting,  Val.  Smalcins, 
Andr.  Wissowatius  und  J.  L.  Wolzogen. 

Von  Hugo  Grotius  (1583 — 1645)  wurde  zuerst,  und  zwar 
schon  30.  Jan.  1610  verb.  die  1609  erschienene  Schrift  Mare  libe- 
rum 8.  de  jure  quod  Batavis  competit  ad  Indicana  commercia  (sie 
steht  noch  jetzt  im  Index  nicht  unter  Grotius).  Sie  bekämpft 
vom  Standpunkte  des  Naturrecjhts  und  des  jus  gentium  das  durch 
Alexander  VI.  bestätigte  Monopol  der  Spanier  und  Portugiesen  und 
bestreitet  das  Recht  des  Papstes,  Länder,  Völker  und  Meere  zu  ver- 
schenken (A.  D.  B.  9,  771 ;  19,  826 ;  H.  Grotii  Manes  2,  726).  Auch 
bei  Nat.  Alexander  (17,  576)  wurde  in  Rom  der  Satz  beanstandet: 
Alexander  VI.  habe  kein  Recht  gehabt,  Indien  den  Spaniern  zu 
schenken;  den  Besitz  verdankten  diese  ihren  Waffen,  nicht  dem 
päpstlichen  Diplom.  Nat.  Alexander  bemerkt  dagegen:  jenes  Recht 
des  Papstes  werde  nicht  nur  von  dem  Verfasser  des  Mare  liberum  und 
anderen  Haeretikern  bestritten,  sondern  auch  von  Katholiken  bezweifelt. 


Hugo  Grotiiis.  108 

—  Der  Name  des  Grotius  kommt  zuerst  in  dem  Decrete  vom  4. 
Febr.  1627  vor,  in  welchem  drei  Schriften  von  ihm  verb.  werden: 
Poemata  collecta  et  edita  a  Gulielmo  Grotio  fratre,  1617,  —  Aj)olo- 
geticu8  eorum  qui  Hollandiae  Westfrisiaeque  et  vicinis  quibusdam 
nationibus  ex  legibus  praefuerunt  ante  mutationem  quae  evenit  a. 
1618.  Cum  refutatione  eorum  quae  adv.  ipsum  atque  alios  acta  et 
judicata  sunt,  1622,  über  den  von  Moriz  von  Uranien  veranlassten 
Process  gegen  Oldenbarneveld,  Hogerbeets  und  Grotius  (A.  D.  B. 
9,  775),  —  und  mit  d.  c. :  De  jure  belli  ac  pacis  11.  3,  in  quibus 
jus  naturae  et  gentium  item  juris  publici  praecipua  explicantur, 
1625,  4.,  u.  0.  Das,  wenn  auch  nur  bedingte,  Verbot  dieses  epoche- 
machenden Buches  ist  auch  von  Katholiken  mit  Recht  scharf  geta- 
delt worden.  In  den  Manes  1,  280  wird  die  Aeusserung  eines  un- 
genannten Katholiken  mitgetheilt :  Ich  habe  in  dem  Buche  kaum  zwei 
oder  drei  Stellen  gefunden,  die  der  Verbesserung  bedürften.  Sie 
sind  aber  nicht  der  Art,  dass  ich  glaubte,  es  müsse  um  ihretwillen 
das  sonst  sehr  gute  und  gelehrte  Buch  verboten  werden.  Wenn 
man  mit  solcher  Strenge  auch  bezüglich  anderer  Bücher  verfahren 
wollte,  würde  der  Index  ungeheuer  anschwellen.  Sainjore  3,  134 
sagt:  Grotius'  Name  wird  noch  jetzt  in  der  ganzen  Gelehrten  weit 
mit  Ehrfurcht  genannt,  selbst  in  Italien  und  in  Rom,  wo  man  in 
öffentlichen  Schriften  sein  ausgezeichnetes  Buch  De  jure  p.  et  b. 
lobend  citirt.  Sogar  der  fanatische  Albizzi  sagt  p.  588:  De  pace 
servanda  inter  principes  videndus  est  eruditissimi,  utinam  catholici 
H.  Grotii  De  jure  etc.  1.  3  toto  cap.  20.  21.  et  Alb.  Gentilis  Tr. 
de  jure  belli  3,  24  (Gentilis  steht  mit  allen  Werken  im  Index), 
^rnauld  9,  299  sagt:  Es  ist  ein  sehr  schönes  Buch,  welches 
allgemein,  von  den  Katholiken  ebenso  wohl  wie  von  den  Protestan- 
ten geschätzt  wird.  Vielleicht  ist  dieser  wichtige  Punkt  der  Politik 
und  der  Rechtsgelehrsamkeit  niemals  in  einer  so  edlen,  verständigen 
und  gelehrten  Weise  behandelt  worden.  Dass  Grotius  Protestant 
war,  ist  kein  Grund,  das  Buch  zu  verbieten,  da  es  nicht  von  reli- 
giösen Dingen  handelt.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  diejenigen, 
welche  es  auf  den  Index  gesetzt,  sich  eingebildet  haben  sollten, 
CS  würden  viele  Katholiken  einfältig  genug  sein,  zu  glauben,  sie 
bürden  Gott  dadurch  beleidigen,  dass  sie  sich  in  diesem  ausgezeich- 
neten Werke  über  viele  wichtige  Wahrheiten  belehrten,  die  darin 
besser  behandelt  sind  als  in  den  meisten  modernen  Casuisten.  — 
Und  dieses  Buch  wurde,  wie  wenigstens  Lucas  Holstenius  in  einem 
Briefe  vom  J.  1629  (Epist.  p.  467)  berichtet,  lediglich  darum  ver- 
l)oten,  weil  die  Gelehrten  der  Index-Congr.  an  zwei  Stellen  An- 
«toss  nahmen,  an  einer,  wo  Grotius  die  Parabeln  des  N.  T.  mit  dem 
Worte  fabulae  bezeichnet,  und  an  einer,  wo  er  von  den  allgemeinen 
Concilien  minus  commode  ad  catholicorum  aures  gesprochen ;  quam 
culpam,  fügt  Holstenius  bei,  levissima  mutatione  redimere  poterit  in 
«ecunda  editione.  Das  Buch  ist  aber,  da  eine  expurgirte  Ausgabe 
nicht  erschienen,  noch  heute  für  die  ganze  Christenheit  verboten. 
Begreiflich  ist,  dass  die  schon  um  1613  verfasste,  aber  erst 
nach  dem  Tode    des  Grotius  1646    zu  Paris  gedruckte  Schrift:    De 


104  Ersatz  für  die  erste  Ciasse. 

imperio  summarum  potestAtum  circa  sacra,  freilich  erst  1658,  ver- 
boten wurde  (1753  wurde  auch  die  franz.  Uebersetzung:  Traite  du 
pouvoir  du  magistrat  politique  sur  les  choses  sacrees  verb.).  Grleich- 
zeitig  wurden  verb.  H.  Grotii  et  aliorum  dissertationes  de  studiis 
instituendifl,  1637  u.  b.,  und  1661  die  Annales  et  historiae  de  rebus 
belgicis  ab  obitu  Fhilippi  Begis  usque  ad  inducins  a.  1609,  1657, 
Fol.  Amauld  9,  300  sagt  über  dieses  Verbot:  „Wenn  Grotius  auch 
einiges  zu  Gunsten  der  neuen  Republik  sagt,  unter  der  er  geboren 
wurde,  oder  gegen  die  Inquisition,  die  man  in  diesen  Provinzen 
nicht  dulden  wollte,  so  war  das  kein  genügender  Grund,  den  Katho- 
liken das  Lesen  eines  so  schönen,  so  gut  geschriebenen  und  so  zu- 
verlässigen Geschichtswerkes  zu  verbieten.  Die  Kirche  darf  nicht 
eine  so  schlechte  Meinung  von  ihren  Kindern  haben,  zu  glauben, 
sie  könnten  dergleichen  in  protestantischen  Geschichtschreibern,  zu- 
mal wenn  sie  so  massvoll  sind  wie  Grotius,  nicht  lesen,  ohne  dass 
ihnen  das  Versuchungen  und  Aergerniss  bereite.  Es  ist  wenigstens 
ganz  sicher,  dass  man  in  keinem  Jahrhundert  mit  Ausnahme  der 
beiden  letzten  den  Katholiken  allgemein  das  Lesen  von  Geschichts- 
werken, die  von  Ketzern  oder  Heiden  verfasst  waren,  verboten  hat. 
Man  bemühte  sich,  durch  Unterricht  die  Gläubigen  in  der  Kenntniss 
der  Religion  und  in  der  Befolgung  der  Grundsätze  des  Evangeliums 
zu  befestigen,  und  man  gab  es  dem  Gewissen  jedes  einzelnen  an- 
heim,  das  Lesen  solcher  Bücher  zu  vermeiden,  die  ihm  schädlich 
sein  könnten.  Da  die  Kirche  wusate,  dass  dieses  durch  das  Natur- 
recht  verboten  ist,  hielt  sie  es  nicht  für  angemessen,  es  durch  posi- 
tive Gesetze  zu  verbieten,  die  eben,  weil  sie  allgemein  sind,  auch 
viele  treffen,  für  die  sie  nicht  passen  und  die  sie  nur  beunruhigen 
können." 

Von  Grotius'  theologischen  Schriften  wurden  zuerst,  1672, 
drei  ohne  Nennung  seines  Namens  verboten,  obschon  er  als  Ver- 
fasser bekannt  war:  Commentatio  ad  loca  quaedam  N.  T.  quae 
de  Antichristo  agunt  aut  agere  putantur,  Amst.  1640,  —  Disser- 
tatio  de  coenae  administratione,  ubi  pastores  non  sunt:  item  an 
semper  communicandum  per  symbola,  Amst.  1646  (die  erste  Disser- 
tation schon  1638),  —  Explicatio  decalogi  ut  graece  exstat,  et 
quomodo  ad  decalogi  locos  evangelii  praecepta  referantur,  Amst. 
1640.  —  Die  protestantischen  Streitschriften  gegen  die  erste  Abhand- 
lung^ worin  Grotius  zeigt,  dass  der  Papst  nicht  der  Antichrist  sei, 
von  Sam.  Maresius,  (Dissert.  de  Antichr.  qua  refutatur  nupera 
Commentatio  .  .  .  H.  Grotii  credita  simulque  ecclesiarum  reformata- 
rum  sententia  de  Antichristo  Rom.  defenditur,  1640)  und  Jac.  Lau- 
rentius  (Grotius  papizans,  1642)  wurden  erst  verb.,  als  die  sämmt- 
lichen  Werke  dieser  Theologen  1678  bzw.  1693  auf  den  Index 
kamen^).  —  Die  Schrift  De  veritate  religionis  christianae,  die  zuerst 


1)  Grotius  schrieb  gep^eu  Maresius;  Appendix  ad  interpretationem 
locorum  . .  .,  dagegen  Maresius  :  Concordia  discors  et  Antichristus  revelatus, 
1642,  2  vol.  8. 


Hugo  Grotius.  106 

1627  von  J.  G.  Vossius,  dann  mit  Anmerkungen  von  Grotius  1640 
berausgegeben  wurde,  ist  in  vielen  Auflagen,  fünf  französischen 
und  drei  deutschen  Uebersetzungen  erschienen.  Lucas  Holstenius 
schreibt  (Epist.  p.  463)  im  J.  1628:  Card.  Barberini  (der  Nepote 
ürbans  VITI.)  sei  ganz  verliebt  in  das  Buch  (mirum  in  modum  de- 
perit)  und  habe  es  beständig  in  Händen.  Verboten  wurde  1715 
die  Ausgabe:  Hugo  Grotius  de  veritate  religionis  christ.:  editio 
accaratior,  quam  recensuit  notulisque  adjectis  illustravit  Jo.  Cleri- 
CU8.  Accessit  de  eligenda  inter  christianos  dissentientes  sententia 
über  unicus,  1709  u.  s.  Bei  Sot.  wird  das  Buch  expurgirt  (es 
heisst  hier  freilich  Sensus  librorum  sex  quos  pro  veritate  religionis 
Batavicae  scripsit,  Lugd.  Bat.  ex  off.  Jo.  Mayre  1617);  die  Expur- 
gation  beschränkt  sich  aber  auf  folgendes:  In  dem  Satze  3,  4:  Non 
est  etiam  quod  fidem  quis  detrahat  epistolae  ad  Hebr.  eo  solo  nomine 
quod  nesciatur  ejus  scriptor,  sind  die  Worte  eo  solo  etc.  zu  streichen; 
in  dem  Satze  3,  5 :  Neque  falli  potuit  Apocalypseos  scriptor  .  .  .  aut 
ille  ad  Hebraeos  ist  hinter  scriptor  Joannes,  hinter  Hebraeos  Paulus 
beizufügen;  3,  13  ist  in  dem  Satze:  Quod  vero  ad  exiguas  aliquas 
circumstantias  et  ad  rem  nihil  facientes  attinet  (in  denen  die  neu- 
testamentlichen  Bücher  sich  zu  widersprechen  scheinen),  facillime 
fieri  potest,  ut  non  desit  commoda  conciliatio,  sed  nos  lateat  etc.,  ist 
et  ad  rem  nihil  facientes  zu  streichen,  und  in  dem  Satze:  Quod  si 
ex  levi  aliqua  discrepantia,  etiam  quae  conciliari  nequiret,  totis  libris 
fides  decederet,  jam  nulli  libro,  praesertim  historiarum,  credendum 
esset,  der  Zwischensatz  etiam  .  .  .  nequiret. 

Erst  unter  Benedict  XIV.  wurden  1757,  unmittelbar  vor  dem 
Erscheinen  seiner  neuen  Index-Ausgabe,  verb. :  H.  Grotii  opera 
omnia  theologica  in  tres  tomos  divisa,  Amst.  1679  (Basel  1732  in 
4  Fol.),  was  nach  der  Analogie  anderer  Verbote  aus  dem  J.  1757 
als  ein  Verbot  auch  der  früheren  Separatausgaben  der  in  dieser 
Sammlung  vereinigten  Schriften  zu  verstehen  sein  wird.  —  Hugonis 
Grotii,  Belgarum  principis  manes  ab  iniquis  obtrectatoribus  vindicati. 
Accedit  scriptorum  ejus  tum  editorum  tum  ineditorum  conspectus 
triplex,  Delphis  1627,  2  vol.  8.  (von  Lehmann),  wurde  1739  verb. 
Man  wird  an  dem,  was  II,  506  ff.  über  Grotius'  religiösen  Stand- 
punkt bemerkt  wird,  Anstoss  genommen  haben. 

Bei  Sot.  steht  Grotius  in  der  1.  Cl.  als  J.  C,  historicus  et 
poeta  (misit  etiam  falcem  in  rem  theologicam),  ejusdem  cum  aliis 
Hollandiae  et  Roterodamensibus  ac  Leydensibus  sectae.  Expurgirt 
werden  ausser  De  verit.  rel.  ehr.  philologische  Schriften  und  De 
antiquitate  reipublicae  Batavae.  Seit  1747  steht  Grotius  im  span. 
Index  in  der  1.  Cl.  als  incertae  sectae^)  und  werden  nur  seine  Ge- 
dichte expurgirt  freigegeben. 


1)  Räas  11,  300  zählt  Grotius  zu  den  Convertiten.  Dass  er  als  Ka- 
tholik gestorben  sei,  hat  neuerdings  Broere,  De  terugkeer  van  Hugo  de  Groot 
tot  te  katholike  geloof,  1856  (deutsch  von  F.  X^  Schulte,  lb71),  zu  be- 
weisen vorsucht ;  vgl.  A.  D.  B.  9,  782. 


106  Deutsche  protestantische  Theologen. 

Als  der  Pariser  Index  von  1685  (S.  57)  ziisammen^eBtellt 
wiinle,  wollten  Dr.  Faure  u.  a.  auch  die  theologischen  Werke  des 
ürotius  darin  aufnehmen.  Kh  unterhlieb,  weil  die  Buchhändler  Vor- 
stellungen machten  und  darauf  hinwiesen,  dass  einige  derselben 
in  Paris  gedruckt  seien,  und  weil  man  den  Erzbischof  darauf  auf- 
merksam machte,  dass  die  1079  zu  Amsterdam  gedruckten  Opera 
theol.  viele  Dinge  enthielten,  die  den  Calvinismus  ruinirten  und  die 
katholische  Kirche  und  die  Macht  des  Königs  stärkten  (Sainjore  4, 
181). 


17.     Deutsche  protestantische  Theologen  1600—1750. 

Das  Auf[^cbcn  der  1.  Classe  ist  eine  der  bedeutcudsteu  Modi- 
ficationeu  der  Thätigkcit  der  Index-Congregation.  Im  16.  Jahr- 
hundert  hatte  man  die  Absieht,  in  dieser  Chisse  mögliehst  voll- 
ständig die  ketzerischen  Schriftsteller,  die  über  religiöse  Dinge 
gesehrieben,  zusammenzustellen.  Nach  dem  J.  1596  hat  man  aber, 
wahrscheinlich  wegen  der  Ueberfülle  des  Materials,  nicht  mehr 
daran  gedacht,  die  Namen  der  Schriftsteller,  deren  Werke  unter 
die  2.  Regel  des  Index  fielen,  sämmtlich  zu  verzeichnen.  Wollte 
man  sich  nun  nicht  einfach  bei  dieser  Regel  beruhigen,  durch 
welche  alle  ex  professo  über  Religion  handelnde  Schriften  von 
Ketzern  verboten  werden,  so  wäre  otfenbar  das  Richtige  ge- 
wesen, diejenigen  unter  diese  Regel  fallenden  Schriften  speciel) 
zu  verbieten,  welche  für  Katholiken  besonders  bedenklich  sein 
konnten,  also  diejenigen,  welche,  vom  Römischen  Standpunkte 
aus  angesehen,  am  schlechtesten  waren,  oder,  was  noch 
zweckmässiger  gewesen  wäre,  diejenigen,  bei  denen  es  zweifel- 
haft erscheinen  konnte,  ob  sie  unter  die  2.  Regel  fielen.  Mau 
ist  nun  aber  thatsächlich,  wie  schon  aus  §  IG  hervorgeht,  be- 
züglich dieser  Literatur  gar  nicht  nach  einem  bestimmten  Plane 
vorgegangen,  und  man  wird  sagen  dürfen,  dass  es  im  allge- 
meinen von  zufälligen  Umständen  abgehangen  hat,  ob  ein  pro- 
testantisch-theologisches Buch  in  den  Index  kam  oder  nicht.  Wenn 
vor  1660  überhaupt  verhältnissmässig  wenige  protestantisch-theo- 
logische, aber  verhältnissmässig  viele  juristische  Schriften  ver- 
boten wurden  und  anderseits  Decrete  von  1686,  1700,  1703  und 
1709  verhältnissmässig  viele  protestantisch-theologische  Schriften 


Deutsche  protestantische  Theologen.  107 

enthalten,  so  scheint  das  auch  mit  den  Anschauungen  des  Je- 
weiligen Praefeeten  oder  Secretärs  der  Index-Congregation  zu- 
sammenzuhängen. 

Jedenfalls  stehen  viele  protestantische  Theologen,  welche 
an  sich  oder  speciell  als  Polemiker  bedeutend  waren,  gar  nicht 
im  Index;  von  anderen  sind  nur  nicht  theologische  oder  ganz 
unbedeutende  Schriften  verboten  oder  gerade  die  bedeutendsten 
nicht  verboten.  Dagegen  findet  sich  im  Index  eine  grosse  Zahl 
von  protestantisch-theologischen  Schriften,  die  in  jeder  Hinsicht 
unbedeutend  und  nicht  nur  jetzt  völlig  verschollen  sind,  sondern 
auch  zur  Zeit  ihres  Erscheinens  nur  in  sehr  beschränkten  Kreisen 
Beachtung  gefunden  haben  können.  Charakteristisch  ist  auch, 
dass  manche  Bücher  erst  lange  nach  ihrem  Erscheinen  verboten 
wurden,  auch  solche,  die  den  Römischen  Theologen  längst  be- 
kannt sein  konnten,  wie  Blondeis  Buch  über  Pseudo-Isidor 
(S.  99),  Schriften  von  Sixtinus  Amama  u.  s.  w. 

Was  die  deutsche  protestantisch-theologische  Literatur  be- 
trifft, so  stehen  nur  lateinisch  geschriebene  Schriften  im  Index. 
Die  einzige  Ausnahme  bildet  eine  Streitschrift  eines  1084  Pro- 
testant gewordenen  schweizerischen  Capucincrs,  Claudius  Scho- 
binger,  Der  schlimme  Alchymist  Pater  Rudolflf  Gassert  von  Schwytz 
Capuziner  wegen  seiner  Dreifachen  Capell  schriftmässig  er- 
forschet, verb.  1703,  "Jieelche  der  Nuncius  denuncirt  haben  wird  ^). 
Von  Gottfried  Arnold  aber  z.  B.  steht  nur  die  Historia  theo- 
logiao  mysticac  im  Index,  nicht  die  Kirchen-  und  Ketzerhistorie. 
—  Von  den  lutherischen  Dogmatikern  stehen  gar  nicht  im  Index 
Leonhard  Ilutter,  Abraham  Calovius,  J.  W.  Baier,  David  lloUaz, 
Matthias  Hafenreflfer,  Nie.  Hunnius;  von  anderen  sind  nur  einzelne, 
vielfach  nicht  die  bedeutendsten  Schriften  verboten.  Wenn  einige 
lutherische  und  calvinistischc  Lehrbücher  verboten  werden,  so 
ist  gar  nicht  abzusehen,  warum  gerade  diese.  Auch  von 
den  exegetischen  und  kircheugeschichtlichen  Schriften  stehen 
gerade  die  bedeutendsten  nicht    im  Index,    auch   solche   nicht, 


1)  Eine  andere  Schrift  von  ihm,  Schrifftmässige  Waag-Schaale,  da- 
rinnen der  vermeintliche  kostbare  Schatz  P.  Rudolfi  Cap.  von  Schwytz 
denen  evangel.  Landlcuten  löblichen  Cantons  Glarus  in  XV  Ratbschlägeu 
aufgetragen,  Zürich  1696,  steht  nicht  im  Index. 


108  Deutsche  protestantische  Theologen. 

die  man  gewiss  nicht  hat  freigeben  wollen,  wie  Seckendorfs 
Conimentarius  de  Lutheranisnio  (1091)  und  die  reforniationsge- 
schichtlichen  Schriften  von  Daniel  Gerdes  (f  1765).  Selbst  die 
Polemik  gegen  Papstthum  und  Katholicismus  ist  nur  durch 
wenige  und  planlos  ausgewählte  Schriften  im  Index  vertreten; 
auch  von  den  zahlreichen  Streitschriften  gegen  Bellarmin,  Be- 
canus,  Gretscr  u.  a.^)  sind  nur  ganz  wenige  verboten. 

In  einem  1651  in  Rom  erschienenen  Foliobande  De  materiia 
tribunalium  S.  Inquißitionis,  auct.  Seb.  Salelles  de  S.  J.,  werden 
S.  283  ff.  Jac.  Arminias,  Conr.  Worstius  (Vorstius),  Sibrandus 
Lubbertus  als  Haeresiarchac  verzeichnet,  und  auch  Jo.  Piscator, 
Dan.  Tilenus,  Fr.  Gomarus  u.  a.  besprochen.  Von  diesen  stehen 
nur  Lubbertus  und  Piflcator  im  Index,  ersterer  seit  1700,  letzterer 
seit  1757.  Die  Schriften  von  Gerdes  waren  in  Rom  nicht  unbe- 
kannt; er  selbst  schickte  dem  Card.  Passionei  einen  Index  scri- 
j)torum  Huorura,  der  in  den  Memorie  per  servire  alla  storia  del  Card. 
Passionei,  Rom    1762,  p.  249  abgedruckt  ist. 

Nur  von  wenigen  protestantischen  Schriftstellern,  die  nicht 
schon  §  16  verzeichnet  sind,  stehen  so  ziemlich  alle  theologischen 
oder  die  Theologie  berührenden  Schriften  im  Index.  So  wurden 
von  Michael  Cellarius  (f  1707)  1784  auf  einmal  verb.  die  oft  auf- 
gelegten Handbücher  Historia  universalis,  antiqua,  medii  aevi,  ferner 
Programmata  et  Orationes,  Dissertationes  academicae  ed.  J.  G.  Wah'-h, 
1712,  auch  Appendix  duarum  dissertationum  sub  praes.  Cellarii  habita- 
rum:  1.  de  excidio  Sodomae,  auctore  J.  G.  Baiero,  2.  de  Patmo  Lutheri 
in  arce  Wartburg  adv.  Card.  Pallavicinum  aliosque  historiogra- 
phos  romanenses,  auct.  Aug.  Antonio.  —  Von  Jo.  Wolfg.  Jaeger 
(1647 — 1720)  wurden  nicht  gerade  alle  Schriften  verb.,  aber  1721 
Opuscula  varia  theol.,  1716,  und  Historia  ecclesiastica  cum  paral- 
lelismo  profanae,  in  qua  conclavia  Pontificum  Rom.  fideliter  ape- 
riuntur  et  sectae  omnes  recensentur  ...  ab  a.  1600—1710,  2  Fol., 
1709.  1717;  1725  Systema  theologicum,  1715.  —  Von  Jo.  Ben. 
Carpzov  (I  1607- -57)  ist  nur  Isagoge  in  libros  ecclesiarum  luther. 
symbolicos,  1655,  verb.  1679.  Das  Buch,  worauf  unter  demselben 
Namen  verwiesen  wird:  Wilh.  Schickardus  (1592 — 1635),  Ins  regium 
Hebraeorum,  cum  animadvcrsionibus  et  notis  Jo.  Ben.  Carpzovii,  1674, 
verb.  1678,  ist  von  seinem  gleichnamigen  Sohne  (1639 — 99)  herausge- 
geben. Sonst  steht  von  allen  Carpzoven  nur  der  Jurist  Benedict  II.,  dieser 
allerdings  mit  7  Büchern,  im  Index.  —  Von  Jo.  Fabricius  (1644 
— 1729)  steht  im  Index  nur  Oratio  inauguralis  de  utilitate,  quam 
theologiae  studiosus  ex  itinere  capere  potest  italico.  Adjectis  tabula 
figurarum  seu  locorum,  quibus  nonnulla  de  graecae  et  rom.  ecclesiae 
ritibus  dicta  oculis  subjiciuntur,  et  notis,  1678,  verb.  1679  (die 
Rede  ist  gehalten,  als  Fabricius,  nachdem  er  einige  Jahre  Prediger 


1)  Werner,  bJuarcz  1,  34.  Backer   1,  62.  284  u.  s. 


Deutsche  protestantische  Theologen.  109 

der  evangelischen  Gemeinde  in  Venedig  gewesen,  Professor  in  Alt- 
dorf wurde),  von  dem  Philologen  Jo.  Albert  Fabricius  die  Biblio- 
graphia  antiquaria  Ed.  2.,  1716  (zuerst  1713),  verb.  1721,  —  nicht 
die  Bibliotheca  ecclesiastica,  1718,  —  und  Salutaris  lux  evangelii 
toti  orbi  per  div.  gratiam  exoriens  (eine  Art  Missiousgeschichte). 
Accednnt  epistolae  ineditae  Juliani  Imp.,  Georgii  Habessini  Theo- 
logia  aethiopica  nee  non  index  geographicus  episcoporum,  1731, 
verb,  1737.  Ben.  hat  bei  beiden  Schriften  d.  c.  beigefügt.  Gleichzeitig 
mit  dem  letzten  Buche  wurde  verb.  des  Holländers  Franc.  Fabricius 
Orator  sacer.  Acc.  heptas  dissertationum  theologico-oratoriarum,  1733. 

Von  Jo.  Val.  Andreae  (1586 — 1654)  steht  im  Index  nur 
Mythologiae  christianae  11.  3,  1619,  12.,  von  Otto  Casmaun  (t  1607) 
nur  Rhetoricae  tropologiae  praecepta,  von  Jo.  Hülsemann  (1602 
— 61)  nur  De  ministro  consecrationis,  von  Matthias  Martini  (f  1630) 
nur  Lexicon  philologicum,  verb.  1628  und  nochmals  1662,  seine 
Epitome  s.  theologiae  erst  1737  als  Anhang  zu  Nie.  Gürtleri  In- 
stitutiones  theol.,  1732;  von  Jo.  Micraelius  (1597 — 1658)  nur 
Ethnophronius  .  .  .  contra  gentiles,  1637;  von  Jo.  Georg  Pritiue 
nur  Oratio  inauguralis,  1699,  merkwürdiger  Weise  noch  in  dem- 
selben Jahre  von  der  Inquisition  verb.;  von  J.  A.  Uuenstedt  (1617 
—  88)  ausser  dem  Dialogus  (S.  80)  nur  Sepultura  veternm  s.  tract. 
de  antiquis  ritibus  sepulcralibus;  von  Tobias  Wagner  nur  Examen 
elencticum  atheismi  speculativi,  1677,  verb.  1703.  —  Auch  von  Jo. 
Mich.  Dilherr,  Jo.  Conr.  Durrius,  Chr.  Gottl.  Joecher,  Jo.  Musaeus, 
Jo.  Saubert,  Conr.  Sam.  Schurtzfleisch,  J.  G.  Walcli  stehen  nur 
einzelne  wenig  bedeutende  Schriften  im  Index. 

Von  den  bekannteren  dogmatischen  Lehrbüchern  stehen  im 
Index  nur  die  von  Conrad  Dieter  ich  (Institutiones  catecheticae, 
zuerst  161o,  verb.  1666),  Nie.  Gürtler  (Institutiones  theol.,  zuerst 
1694,  die  Ausgabe  von  1721  verb.  1747;  Synopsis,  1715,  verb. 
1742),  Jo.  Fried.  Koenig,  Amandus  Polanus,  flÖlO,  Marcus  Frid. 
W^endelinus,  Jo.  WoUebius  (Compendium,  zuerst  1626,  die  Genfer 
Ausgabe  von  1666  verb.  1718);  —  von  den  bedeutenderen  exegetischen 
Schriften  nur:  Sal.  Glassius,  Philologia  sacra,  zuerst  1623,  die 
Ausgabe  von  1668  verb.  1737;  Th.  Hacspan,  Miscellanea  sacra, 
1660,  verb.  1714;  Aug.  Pfeiffer,  Dubia  vexata,  1679  (von  diesem 
auch  Actio  rei  amotae  contra  papam  in  puncto  subtracti  calicis, 
1686,  gegen  die  Jesuiten  Arnoldus  Angelus  und  Georg  Hiller) ; 
Thesaurus  theologico-philologicus  s.  sylloge  dissertationum  ad  .  .  . 
V.  et  N.T.  loca .  .,  Amst.  1702  2  Fol.  (der  Herausgeber  ist  Gottfr. 
Menthen;  der  Thesaurus  novus  von  Hase  und  Iken,  1732,  2  Fol., 
Baumg.  8,  430,  steht  nicht  im  Index). 

Nicht  Seckendorfs  Commentarius  de  Lutheranismo  steht  im 
Index,  aber  das  von  ihm  u.  a.  bearbeitete  Compendium  historiae 
ecclesiasticae  ...  in  usum  gymnasii  Gothani,  1666—70  u.  s.,  verb. 
1690  (Fabricius,  Hist.  B.  6,  226).  Ferner  stehen  im  Index:  Jo. 
Pappi  Epitome  hist.  eccl.  ed.  Henr.  Kipping  (S.  67),  von  Kipping 
auch  Methodus  nova  juris  publici,  1672,  verb.  1709,  und  Antiqui- 
tates  romanae,  1713,  verb.  1739;    Concilia  illustrata  .  .  .  una  cum 


110  Deutsche  protestantische  Theologen. 

hist.  haereseon  et  schismatum  .  .  necnon  colloquiorum  .  .  .,  Jo.  Lud. 
Ruelius  coepit,  J.  L.  Hartmannus  contmuavit,  1675,  4  vol.  4. 
(Winer,  Handb.  1,  659);  Sev.  Walther  Slüter,  Propylacum  histo- 
riae  christianae,  1696  (Winer  1,  531).  —  Jo.  Caspar  Suiceri 
Thesaurus  ecclesiasticus,  1682,  wurde  erst  1727  verb.,  Symbolum 
Niceno-Const.  expositum  1718,  schon  1721.  —  Von  den  Schriften 
über  kirchliche  Alterthümer  sind  xu  erwähnen:  Andr.  Wilkius, 
EoQVoygaffia,  Pars  prior  festa  christianorum  oecumenica  continens 
.  .  .  ed.  Georgius  Hessius,  1646;  Pars  posterior  posthuma,  festa 
XTT  apostolorum  continens  . .,  1676,  verb.  erst  1737;  Henr.  Rixner, 
De  institutis  ac  ritibus  veterum  christianorum  circa  s.  eucharistiam 
etc.,  1671  (Fabricius,  Hist.  B.  5,  364);  Petrus  Zornius  (in  den 
neuesten  Indices  Zoinius  s.  Zornius),  Hist.  eucharistiae  infantium, 
1736  (über  seine  anderen  Schriften  Fabricius  6,  431). 

Von  den  zahlreichen  bei  (xelegenheit  des  Reformationsjubilaeums 
1617  erschienenen  Schriften  steht  im  Rom.  Index  nur  Theologorum 
quorundam  in  electoratu  Saxoniae  Epistola  invitatoria  ...  de  ju- 
bileo  Lutherano  .  . .  solemniter  celebrando  (im  span.  unter  Academia 
eine  Anzahl  von  Universitätsschriften).  Mit  dem  Zwingli-Jubilitura 
hängt  vielleicht  zusammen  Oratio  solemnis  a.  1623,  Tiguri  typis 
Am  berger.,  verb.  1624.  —  Von  Schriften,  worin  solche,  die  Pro- 
testanten geworden,  ihren  Uebertritt  rechtfertigen,  finden  sich  im 
Index  nur  Jac.  R  ei  hing  (früher  Jesuit  in  Ingolstadt,  f  1628;  s. 
Backer  s.  v.),  Laquei  pontificii  contriti,  Tüb.  1621,  verb.  1622,  und 
Mich.  Litsich  (Otho  antea  dictus,  Benedictiner  in  Salzburg),  Dc- 
clamatio  in  li belli  repudii  vicem  hodiernae  jesuitico-pontificiae  eccle- 
siac  data,  dicta  in  univ.  Argentor.  Accedit  comm.  et  Synopsis  no- 
vorura  doctrinae  fructuum  jesuitico-romanae  ccclesiae,  Strassb.  1665, 
16.,  verb.  erst  1700. 

Ausser  den  bereits  erwähnten  polemischen  Schriften  stehen  im 
Index:  Jo.  Fecht  (t  1716)  Disquisitio  de  judaica  ecclesia,  in  qua 
facies  ecclesiae  qualis  hodie  est  et  historia  per  omnem  aetatem  [et 
parallelismus  cum  ecclesiis  Papaea,  Calvinistica  et  syncretica  bre- 
vitcr]  exhibetur.  Fd.  2.  Argeut.  1670,  verb.  1703.  Die  späteren 
Streitschriften,  z.  B.  Tractatio  hist.-theol.  de  origine  et  superstitione 
missarum  in  honorem  sanctorum  celebratarum  (gegen  Bossuet,  Dez, 
Grancolas),  1707,  De  cultu  imaginum  et  reliquiarum,  1713,  sind 
nicht  verb.  —  Anton  (jünther  Fritz  ( Jurist j.  Ad  Jacobi  Masenii 
Jesuitae  Meditatam  concordiam  [protestantium  cum  catholicis  in  una 
confessione  fidei  ex  s.  scriptura,  Köln  1661]  considerationcs  politicae 
30,  [in  quibus  novae  fraudes,  pericula,  consilia,  iniqui  ausus  Jesui- 
tarum toti  orbi  exhibenturj,  1666,  verb.  1700;  —  Valentin  Leg- 
daeus,  Disputatio  de  idololatrico  corporis  Christi  festo,  verb.  1621 
(erst  Ben.  hat  den  Namen  des  Verfassers  beigefügt) ;  Tractatus  hist.- 
theol.  de  festo  corporis  Christi  von  Jo.  Zwinger,  Basel  1685  (Bayle, 
Nouv.  1686)  steht  nicht  im  Ind.;  —  Jo.  Seb.  Mitternacht,  Ilexaß 
dissertationum  de  putidissimis  papaeorum  fabulis,  cum  appendice  de 
abdominanda  barbarie,  quae  rem  literariam  ante  Lutherum  foeda- 
verat,    verb.   1677,    —    Henr.   Nicolai,  Miscella  theol.   de  sancti- 


Deutsche  protestantische  Theologen.  111 

monia,  bonis  operibuB,  loquendi  et  sentiendi  modis  in  illis  et  super- 
stitiosis  quibußdam  festis,  verb.  1654.  H.  Nicolai,  seit  1630  Lehrer 
in  Danzig,  hatte  durch  sein  1645  erschienenes  Irenicuni,  worin  er 
vorschlägt,  mit  Vermeidung  der  tricosi  termini  zu  dem  einfachen 
Bibelworte,  dem  apost.  Symboluni  und  dem  Bekenntnisse  der  drei 
ersten  Jahrhunderte  zurückzukehren,  auch  von  Seiten  der  Lutheraner 
Angriffe  hervorgerufen  (Tholuck,  Vorgeach.  2,  2,  87);  —  Melchior 
Nicolai,  Jubar  coelestis  veritatis  in  medio  tenebrarum  papisticarum 
rutilans,  verb.  1G69 ;  andere  Streitschriften  bei  Walch  2,  304;  — 
Anton  Reiser  (1628 — 86),  S.  Augustinus  veritatis  evangelico-ca- 
tholicae  testis  et  confessor  contra  Bellarminum  et  alios  scriptores 
papaeos  vindicatus,  1678,  Brevis  apologia  pro  epistola  quadam  con- 
solatoria  in  gratiam  S,  Aletheae  scripta  et  edita  a.  1674;  —  Jo. 
Adam  Scherzer  (1628 — 83),  Breviculus  theologicus,  1678,  Anti- 
Bellarminus  s.  in  4  tomos  controversiarum  .  .  Bellarmini  disputa- 
tiones  academicae,  1681,  (Baillet  6,  25);  —  Mich.  Siricius,  Os- 
tensio  fundamentalis  abominationuni  Papatus  circa  religiosum  crea- 
tnrarum  cultum,  una  cum  praef.  et  supplemento  Val.  Alberti,  1686 
(A.  E.  1687),  verb.  1693;  der  Verf.,  Secretär  des  Herzogs  von 
Mecklenburg,  wurde  1687  zu  Hamburg  katholisch  (Eäss,  Convert. 
8,  366);  —  Gerhard  Titius  (1620—81,  College  G.  Calixt's  in 
Helmstedt),  Ostensio  summaria,  ,quod  Pontificii  dogmata  sua  sibi 
peculiaria  non  possint  unanimi  scriptorum  eccl.  e  quinque  priori bus 
saec.  superstitum  consensu  probare,  1658,  verb.  1709;  —  Adam 
Tribbechovius,  De  doctoribua  scholasticis  et  corrupta  per  eos  di- 
vinarum  hnmanarumque  rerum  scientia,  1665,  verb.  1703.  —  Dispu- 
tatio  theologica  de  necessaria  secessionc  ab  Eccl.  Kom.  quam  auspice 
Spiritu  S.  sub  praes.  Jo.  Caap.  Wolphii  amicae  disquisitioni  sub- 
jicit  Jo.  Fort.  Peracheras,  Zürich,  1705,  verb.  von  der  Inq.  (!) 
1707.  —  Hieher  gehört  auch  die  anonyme  Schrift  von  Christian 
Eehbold,  Salomon  et  Marcolphus  Justiniano-Gregoriani  (der  end- 
lose Titel  steht  vollständig  bei  Placcius,  Anon.  235),  auctore  J  X  ^^ 
Frcf.  et  Drcsdae  1678,  126  S.  8.,  verb.  erst  1714;  in  der  Vorrede 
wird  als  Zweck  angegeben :  ut  (lectores)  abominandas  Ecclesiae  Kom. 
doctrinas  dijudicare  possint  et  ex  animo  istas  angue  pejus  odio  pro- 
sequantur. 

Als  Beispiele  von  unbedeutenden  Sachen,  die  im  Index  stehen, 
mögen  angeführt  werden:  Chr.  Feustelii  Misccllanea  .  .  de  phra- 
seologia  et  emphasi  biblica  ad  Val.  Em.  Loesclierum.  Accedit  Loe- 
ficheri  responsio  de  statu  progresKU(jue  scriptorum  a  se  promissorum, 
1715  (von  Loescher  sonst  nichts  im  Index);  Exercitatio  acad.  de 
vnlncribus  Christi,  cujus  theses  sub  praes.  Jo.  Sauberti  defendet  Jo. 
Faes;  Jo.  Frid.  Kocher  Dissertatiunculae  de  sanguine  Jesu  Christi, 
1697,  verb.  1734;  Caroli  Lud.  Stromeyeri,  HS.  Theol.  Studiosi 
(so  in  dem  Decrete),  Dissert.  theol.  divinitatem  Christi  ex  oeconomia 
gratiae  demonstrans,  habita  sub  praos.  I).  Jo.  Frickii,  Ulm  1716. 
Andere  derartige  Sachen,  deren  Titel  abzuschreiben  sich  nicht  der 
Mühe  lohnt,  findet  nnin  unter  Chrjdi.  Arnoldus,  Bosius,  Corthymius, 
Genselius,    Gundling,     Kirchmeier,     Knibbe,     Jo.    Nicolai,    Noldius, 


112  Deutsche  protestantische  Theologen. 

Raupp,  Romswinckel,  Rudrauff,  Statins,  Stoeckmann  (lies:  Stock- 
mann ),Thad(laeu8,  Thilo,  Ursinus,  Wokenius  ^).  —  Neben  den  Deutschen 
mag  hier  der  Däne  Thomas  B  a  n  g  i  u  s  erwähnt  werden,  von  dem 
Coelum  orientis  et  prisci  mundi  .  .  .,  Havniae  1657,  über  das  Bach 
Henoch  und  andere  Apokryphen  (Clement  2,  403),  1659  verb.  wurde, 

Der  Schwärmer  Joh.  Wilh.  Petersen  (1649—1727,  R.-E.  11. 
499)  steht  nicht  im  Index,  aber  ein  von  ihm  gelobtes  Buch,  Andreae 
Rallii  Halcyonia  ecclesiarum  evangelicarum  s.  de  regno  Christi 
glorioso  in  terris,  Genf  1659  (Fabricius,  Hist.  B.  6,  436),  und  eine 
Widerlegung  seiner  Schrift  „Geheimniss  des  Erstgeborenen  aller 
Creaturen",  1711,  von  Lud.  Melchior  Fisch lin,  Mysterium  primo- 
geniti  omnis  creaturae,  1715  (der  vollständige  Titel  füllt  in  den 
älteren  Indices  10  Zeilen;  s.  Walch,  2,  833).  —  Dagegen  kam  ein 
anderer  Schwärmer,  Hans  Engelbrecht  (R.-E.  4,  227),  freilich  erst, 
als  er  vergessen  war,  in  den  Index:  Divine  vision  et  revelation  des 
trois  etats,  Teccleeiastique  le  politique  et  Toeconomique,  laquelle 
moy,  Jean  Engelbert  de  Brouswic,  ay  vue  de  mes  yeux  et  vcillant, 
etant  a  Winsem  au  pays  de  Lunebourg  Tan  1625.  Ecrito  pour  une 
seconde  fois  a  Embden  Tan  1640  par  Tautheur  meme  et  trad.  en 
frangais,  Amst.  1680,  verb.   1714. 

Das  Verfahren  der  Index-Congregation  unter  Benedict  XIV. 
(1740 — 58)  unterscheidet  sich  nicht  wesentlich  von  dem  frühem. 
Der  bedeutendste  deutsche  Theologe,  der  auf  den  Index  kam,  ist 
Joh.  Lor.  Mosheim  (1693 — 1755),  von  dem  1750—55  verb.  wur- 
den: Institutiones  historiae  christ.  majores.  Saec.  I.,  1739;  Inst, 
hist.  Christ,  antiquioris,  1737,  und  recentioris,  1741;  Dissertationes 
ad  hist.  eccl.  pertinentes,  2  vol.,  1733.  43  (diese  mit  d.  c);  Insti- 
tutionum  hist.  christ.  compendium  auct.  Jo.  Pctro  Miller,  1751. 
Schon  1739  war  die  Uebersetzung  des  Buches  von  Cudworth  (s.  u.) 
verb.  Trotz  dieser  Verbote  erschien  eine  italienische  Uebersetzung 
von  Mosheims  Kirchengeschichte  von  Roselli  1769  zu  Neapel  in  10 
Bänden.  Zaccaria  p.  217  sagt  davon:  „Die  Kirchengeschichte  und 
die  kirchlichen  Alterthümer  können  in  der  Hand  von  Protestanten 
nur  eine  Waffe  gegen  die  Wahrheiten  der  kath.  Kirche  werden.  Es 
ist  darum  zu  verwundern,  dass  in  Italien  eine  Uebersetzung  der 
Kirchengeschichte  von  M.  gedruckt  worden,  noch  dazu  mit  den 
Noten  des  Engländers  Archibald  Maclaine.  Hie  und  da  sind  freilich 
Bemerkungen  eines  kirchlichen  Revisors  beigefügt;  aber  wie  spärlich 


1)  Wahrscheinlich  sind  auch  folgende  Schriften  von  Protestanten 
verfasst:  Manuale  catholicorum  seu  brevem  compen<liiini  verae,  antiquissimae 
et  cath.  doctrinae,  in  quo  praecipua  christ.  roligionis  capita  ex  solo  Dei 
vorbo  perspiciie  explicantur,  verb.  1621;  Acgidii  Gcrnucho  Breviarium 
theolügicuni  accuratiori  mcthodo  in  forma  definitionura  conscriptum,  Dan- 
tisci  1680,  verb.  1684;  De  salute  christiana  et  philosophica,  i.  e.  de 
christianorum  vera  et  philosophorum  geiitilium,  ut  Hcrmctis  Trismegisti, 
Piatonis  ete.  falsa  beatitudini»  considoratioiies  34,  authore  J.  S.  P.  L.  Caea. 
[Poeta  Laureato  Caes.?),  verb.  1676. 


Mosheim  u.  a.  —  Swedenborg.  113 

und  wie  UDgenügend  sind  sie!  Zudem  pflegen  solche  Noten  nicht 
gelesen  oder  nicht  beachtet  zu  werden.  Am  Ende  übersetzt  auch 
noch  jemand  das  abscheuliche  Abrege  de  Fleury  und  meint  mit 
einigen  Nötchen  dem  Bösen  steuern  zu  können."  Das  Buch  ist 
nicht  in  den  Index  gekommen.  —  Ferner  wurden  verb.:  Jac.  Car- 
povius,  Theologia  dogmatica,  1737;  Jo.  Frid,  Stapf  er,  Institu- 
tiones  theologiae  polemicae,  ö  vol.  8.,  1743 — 47;  Dan.  Wytten- 
bach,  Tentamen  theologiae  dogmaticae,  3  vol.  8.,  1747;  Ericus 
Benzelius  (Erzbischof  von  Upsala,  f  1743;  im  Index  heisst  er 
Henricus),  Syntagma  dissertationum  habitarum  in  academia  Lundensi, 
1746;  Mich.  Walther,  Dissertationes  theol.  ed.  C.  G.  Hofmann; 
Chrph.  Wollus,  Hermeneutica  Novi  Foederis,  1736;  Chr.  Brunings, 
De  silentio  S.  Scripturae  sive  de  iis,  quae  in  verbo  divino  omissa 
sunt,  libellus.  —  Philosophiae  Leibnitianae  et  Wolfianae  usus 
in  theologia,  auctore  J.  T.  C,  1728,  war  schon  1739  verb.;  1758 
¥nirde  es  nochmals  verb.  expresso  nomine  auctoris:  Israel  Theo- 
philus  Ganz.  Sein  Compendium  theologiae  purioris,  1752,  verb.  1772, 
steht  im  Index  unter  Israel  Gottlieb  Ganz.  —  1742  wurde  verb. 
Jo.  Gottfr.  Hermann,  Hist.  concertationum  de  pane  azymo  et  fer- 
mentato  in  coena  Domini,  1737,  und  1757:  Jo.  Rud.  Kiessiing, 
Hist.  concertationis  graecorum  et  latinorum  de  transsubstantiatione, 
1754  (dagegen:  Herrn.  Scholliner,  Ecclesiae  orient.  et  occid.  con- 
cordia  in  transs.,  1756).  Keine  andere  Schrift  von  Kiessiing  steht  im 
Index,  auch  nicht  die  Exercitationes  quibus  Jo.  Ghrys.  Trombellii 
dis8.  de  cultu  sanctorum  modeste  diluuntur,  3  partes,  1742—46, 
und  von  Gottlieb  Wernsdorff  nur  Brevis  et  nervosa  de  indifferen- 
tismo  religionum  commentatio.  Acc.  de  authoritate  librorum  symb.  diss. 
Von  den  anderen  protestantischen  Gelehrten,  mit  denen  Gard.  Que- 
rini Briefe  und  Streitschriften  wechselte,  Breitinger,  Feuerlin,  Rei- 
marus,  Schelhorn  (N.  Beitr.  1754,  558),  ist  keiner  in  den  Index 
gekommen,  obschon  Querini  Ep.  439  z.  B.  von  Schelhoms  Amoe- 
nitates  sagt:  quibus  nihil  catholicorum  auribus  inamoenius. 

Unter  Benedict  XIV.  erschienen  zu  Venedig  von  1744  an  die 
ersten  Bände  des  von  Blasio  Ugolini  herausgegebenen  Thesaurus 
antiquitatum  sacrarum  (1765  mit  dem  34.  Bande  vollendet;  Baumg. 
2,  510).  Er  enthält  auch  viele  Schriften  von  Protestanten;  aber  in 
der  Vorrede  heisst  es:  notis  et  dissertationibus  ab  omni  labe  emun- 
data  et  emendata,  praeterea  haec  loca  nunc  primum  vel  castigata 
vel  vindicata,  quo  magis  legentibus  caveatur,  asteriscis  etiam  notata 
ac  distincta  imprimenda  pollicemur. 

Schliesslich  mag  hier  erwähnt  werden,  dass  von  Emmanuel 
Swedenborg  (1686 — 1772)  die  1734  zu  Dresden  erschienenen 
Opera  philosophica  et  mineralia  in  tres  tomos  distributa  1739  verb. 
wurden  (Ben.  hat  dafür  substituirt:  Principia  rerum  naturalium 
s.  novoram  tentaminum  phaenomena  mundi  elementaris  philosophice 
explicandi  etc.),  dass  aber  kein  anderes  Werk  von  ihm  im  Index  steht. 


Iteiuoh,  Index  II.  g 


114  Holländische  protestantische  Theologen. 


18.     Holländisclie  protestantisclie  Theologen. 

Die  holländische  protestantisch-theologische  Literatur  wurde 
ganz  ähnlich  behandelt  wie  die  deutsche;  nur  wurden  ausser 
lateinischen  auch  französische  Schriften  verboten.  Conrad  Vor- 
stius,  einer  der  fruchtbarsten  Streittheologen,  Gisbert  Voetius, 
Jacob  Arminius,  Franz  Gomarus,  Jo.  Coccejus  und  viele  andere 
der  bedeutenderen  Theologen  sucht  man  im  Index  vergebens; 
von  anderen  wurden  nur  weniger  bedeutende  Schriften  verboten. 
Daneben  findet  sich  eine  Reihe  von  Schriften  obscurer  Autoren. 
Ueber  das  Verbot  einiger  Schriften  von  Daniel  Heinsius,  Gerhard 
Job.  und  IsaacVossius  und  Georg  Hörn  haben  wir  interessante 
genauere  Nachrichten. 

1633  wurde  Daniel  Heinsius'  AristarchuB  sacer  s.  Exerci- 
tationes  ad  Nonni  metaphrasin  in  Joannem,  1627,  mit  d.  c.  verboten. 
Lucas  Holstenius  (Epistolae  ed.  Boissonade  p.  253)  schreibt  darüber 
an  Peiresc:  er  habe  auf  Befehl  des  Card.  Franc.  Barberini  das  Bucli 
gelesen  und  das,  was  für  Katholiken  anstössig  sein  könnte,  notirt; 
das  sei  aber  so  wenig  und  unbedeutend  und  werde  durch  die  vielen 
vortrefflichen  Bemerkungen  so  sehr  aufgewogen,  dass  der  Cardinal 
auf  seine  Bitte  den  „Mönchen'*  verboten  habe,  das  Buch  zu  cen- 
suriren.  Wie  die  Thatsache  zeigt,  hat  der  Cardinal  nur  das  unbe- 
dingte Verbot  hindern  können.  Das  grössere  Werk,  Sacrarum  exer- 
citationum  ad  N.  T.  11.  20,  1639,  Fol.,  worin  auch  der  Aristarchns 
in  vermehrter  und  verbesserter  Gestalt  aufgenommen  ist,  wurde  1646 
unbedingt  verboten.  In  demselben  Jahre  schreibt  Holstenius  an 
G.  B.  Doni  (a.  a.  0.  p.  361):  der  Sohn  des  Daniel  Heinsius  sei  in 
Eom  sehr  gut  aufgenommen  worden;  das  Verbot  jener  Bücher  sei 
gegen  den  Willen  des  Card.  Barberini  auf  den  Antrag  und  Bericht 
des  Gaudenzio  Paganino  erfolgt,  che  seppe  trovare  il  pelo  nell'  ovo. 

Von  G.  J.  Vossius  (1577—1649)  wurde  zuerst,  1624,  verb.: 
Consilium  Gregorio  XV.  P.  M.  exhibitum  per  Michaelem  Lonigunii 
Sacro  Vaticani  Palatio  et  scripturarum  monumentis  digerendis  tarn 
in  archivis  ipsius  Vaticani  quam  in  Castro  S.  Angeli  olim  Prae- 
fectum,  de  adhortando  Ser.  Maximilianum  Bavariae  Ducem  ad  pe- 
tendam  dignitatis  electoralis  nuper  obtentae  confirmationem  a  Sede 
Apostolica.  Juxta  exemplar  Arcenni  editum,  cui  nunc  praefatio  et 
censura  accessit  G.  J.  V.  (1623,  abgedr.  im  5.  Bande  der  Opera). 
Lonigo  räth,  dem  neuen  Kurfürsten  in  geeigneter  Weise  vorzustellen : 
die  kaiserliche  Gewalt  werde  vom  Papste  übertragen  (dafür  werden 
19  Argumente  angeführt),  also  müsse  auch  die  kurfürstliche  von 
ihm  bestätigt  werden;  geschehe  dieses  jetzt  nicht,  so  würden  die 
Erben  des  frühern  Inhabers  derselben  sagen  können,    sie  sei  ihren 


D.  Ileiusius.    G.  J.  und  Is.  Vossius.  115 

Ahnen  nicht  in  legitimer  Weise,  weil  ohne  Zustimmung  des  Papstes 
entzogen  worden.  Auf  diese  Schrift  folgt  noch  eine  kleinere,  gleich- 
falls mit  polemischen  Noten:  Aphorismi  de  statu  Ecclesiae  restan- 
rando,  ex  decreto  et  approbationc  coUegii  cardinalitii,  collecti  ex 
Consilio  Gregorio  XV.  exhibito  per  Mich.  Lonigum,  wonach  die  Car- 
dinäle  der  Ansicht  waren,  nicht  nur  der  Kurfürst  von  der  Pfalz,  son- 
dern auch  die  von  Sachsen  und  Brandenburg  seien  als  Ketzer  ihrer 
Würde  zu  entsetzen.  —  1654  wurden  verboten  Dissertationes  tres  de 
tribus  symbolis,  apostolico,  Athanasiano  et  Constantinopolitano,  1642, 
worin  Vossius  zeigt,  dass  das  erste  Syrabolum  nicht  von  den  Aposteln 
und  nicht  von  einem  allgemeinen  Concil  herrühre  und  bei  den  Griechen 
nicbt  in  Gebrauch  sei,  dass  das  zweite  nicht  von  Athanasius  und 
in  das  dritte  das  Filioque  erst  im  10.  Jahrh.  eingeschoben  sei.  — 
In  einem  Decrete  vom  2.  Juli  1686  wurden  noch  zwei  Schriften  von 
G.J.  Vossius  und  10  von  seinem  Sohne  Isaac  (1618 — 89)  verboten, 
von  ersterm:  Theses  theologicae  et  bist,  de  variis  doctrinae  christ. 
capitibus,  1658  (u.  a.  über  gute  Werke,  Anrufung  der  Heiligen, 
Eucharistie,  Gebete  und  Opfer  für  Verstorbene),  und  Harmoniae 
evangelicae  de  passione,  morte,  resurrectione  et  ascensione  J.  C.y 
1656  (nach  Vossius'  Tode  von  Fr.  Junius  herausgegeben,  rein  exe- 
getisch), von  letztenn:  De  septuaginta  interpretibus  eorumque  trans- 
latione  et  chronologia  dissertationes,  1661,  4. ;  Chronologia  sacra  ad 
mentem  veterum  Hebraeorum;  Dissertatio  de  vera  aetate  mundi,  1659, 
nebst  den  beiden  noch  in  demselben  Jahre  erschienenen  Vertheidi- 
gungen,  Castigationes  ad  scriptum  G.  Hornii  und  Auctarium  castiga- 
tionum  etc.;  Ad  V.  Gl.  Andream  Colvium  epist.,  qua  refelluntur  ar- 
gumenta, quae  diversi  scripto  de  aetate  mundi  opposuere ;  Eesponsio 
ad  objecta  Christiani  Scotani;  De  lucis  natura  et  proprietate,  1662; 
De  Sibyllinis  aliisque,  quae  Christi  natalem  praecessere,  oraculis; 
accedit  responsio  ad  objectiones  nuperae  criticae  (von  R.  Simon),  1680, 
endlich  die  Ausgabe  der  Briefe  des  Ignatius  (s.  u.).  —  Mabillon, 
der  1686  in  Rom  war  (S.  12),  wurde  von  der  Index-Congr.  beauf- 
tragt, ein  Gutachten  über  die  Schriften  von  Isaac  Vossius  abzugeben. 
Dieses  ist  in  seinen  Opera  posthuma  ed.  V.  Thuillier,  1714,  2,  59 
gedruckt  und  lautet  im  wesentlichen  so:  Er  höre,  dass  das  Verbot 
der  Schrift  über  die  Chronologie  der  Septuaginta  schon  beschlossen, 
aber  noch  nicht  publicirt  sei;  es  handle  sich  also  darum,  ob  jetzt, 
nachdem  Vossius  seine  Ansichten  gegen  Georg  Hörn  u.  a.  verthei- 
digt  habe,  seine  Schriften  oder  die  seiner  Gegner  oder  beide  zu 
verbieten  seien.  Vossius  lehre:  1.  die  Sept.  sei  dem  jetzigen  hebr. 
Texte,  2.  ihre  Chronologie  der  des  hebr.  Textes  [und  der  Vulgata] 
vorzuziehen ;  3.  die  Sündfluth  habe  nur  den  von  Menschen  bewohnten 
Theil  der  Erde  überschwemmt.  Die  beiden  ersten  Ansichten  seien 
unbedenklich,  da  Vossius  der  Vulgata  nicht  zu  nahe  trete  und  die 
Kirche  der  Chronologie  der  Sept.  in  den  ersten  vier  Jahrhunderten 
gefolgt  sei  und  im  Martyrologium  noch  folge  ^).    Die  dritte  Ansicht 


1)  Reuseh,  Bibel  und  Natur  S.  513. 


116  Holländische  protestantische  Theologen. 

Bei  bisher  nur  von  Einem  (Stillingfleet)  in  der  Synopsis  criticorum 
(von  Polus)  vorgetragen,  aber  von  keinem  Katholiken,  nur  von 
Heterodoxen  angegriffen  worden,  welche  die  kath.  Kirche  heftiger 
angefeindet  als  Vossius,  namentlich  von  Hörn,  der  diesem  vorwerfe, 
er  folge  den  Pontificii,  und  der  die  kath.  Kirche  und  die  Päpste  in 
unverschämter  Weise  verhöhne.  Die  Meinung  des  Vossius  könne 
also  geduldet  und  von  einer  Censurirung  derselben  abgesehen  werden. 
Sie  sei  ja  auch  schon  vor  35  Jahren  vorgetragen  worden  und  habe 
nicht  unter  den  Katholiken,  sondern  nur  unter  den  Haeretikern 
Streitigkeiten  hervorgerufen;  es  sei  besser,  diesen  ruhig  zuzusehen 
als  sich  darin  einzumengen.  Wenn  man  die  Ansicht  hätte  censuriren 
wollen,  hätte  es  früher  geschehen  müssen ;  auch  Hörn  schweige  seit 
27  Jahren.  Wenn  die  Ansicht  des  Vossius  neu  sei,  so  werde  sie 
ja  schon  darum  von  den  Katholiken  als  verdächtig  angesehen  werden, 
weil  sie  von  einem  Haeretiker  ausgehe.  Wenn  aber  die  Congre- 
gation  die  Meinung  des  Vossius  censuriren  wolle,  müssten  auch  die 
Schriften  von  Hörn  wegen  ihrer  Schmähungen  gegen  die  Päpste 
verboten  werden.  Die  Index-Congregation  nahm  natürlich  diesen 
eventuellen  Antrag  an  und  verbot  neben  der  Schrift  von  Vossius 
auch  von  Hörn  (sonderbarer  Weise  nicht  die  erste  Streitschrift, 
Dissertatio  de  vera  aetate  mundi,  1659,  aber  die  in  demselben  Jahre 
erschienenen)  Defensio  dissertationis  de  vera  aetate  mundi  contra 
castigationcs  Isaaci  Vossii  und  Auctarium  dissertationis  etc.  Sie 
verbot  in  derselben  Sitzung  auch  noch  zwei  Bücher  von  Jo.  Leusdeu: 
Philologus  hebraeo-mixtus  una  cum  spicilegio  philologico  continente 
decem  quaestionum  centurias,  1663,  und  Philologus  hebraeus  con- 
tinens  quaestiones  hebraicas,  quae  circa  V.  T.  hebraeum  fere  moveri 
solent,  1672  (zuerst  1656).  Im  J.  1742  wurde  eine  zu  Basel  1739 
erschienene  neue  Ausgabe  dieser  beiden  Bücher  und  Philologus 
hebraeo-graecus  continens  quaestiones  hebraeo-graecas,  quae  circa  N. 
T.  graecum  fere  moveri  solent,  zuerst  1670  gedruckt,  verb.  —  Erst 
1718  wurde  verboten  Ger.  Jo.  Vossii  De  theologia  gen  tili  et  phy- 
siologia  christiana  s.  de  origine  ac  progressu  idololatriae  11.  IX.  Editio 
nova,  quorum  4  libri  priores  ab  authore  aucti  etc.  Amst.  1668. 

Schon  1619  wurde  verb.:  Judicium  synodi  nationalis  refor- 
matarum  ecclesiarum  Belgicarum  habitae  Dordrechti  a.  1618  et 
1619,  und  1621  :  Synodi  Dordracenae  et  eorum,  qui  illi  prae- 
fuerunt,  in  Belgii  Remonstrantes  quos  vocant  crudelis  iniquitas  ex- 
posita  mit  dem  Zusätze  (Alex.  No.  23):  prohibetur  sicut  ipsa  synodus 
Dordracena,  von  Ben.  mit  Rücksicht  auf  Decr.  gen.  I,  8  weggelassen. 
Später  kamen  noch  in  den  Index:  Apologie  pour  le  synode  de 
Dordrecht  ou  refut.  du  livre:  L'impi6t6  de  la  morale  des  Calvinistes, 
Genf  1679,  verb.  1681,  und  Jo.  Haies ii  Hist.  concilii  Dordraceni, 
J.  L.  Moshemius  vertit,  variis  observationibus  et  vita  Halesii  auxit, 
1724,  verb.  1750  (John  Haies,  f  1656,  hatte  mit  dem  englischen 
Gesandten  der  Synode  beigewohnt;  R.-E.  5,  552).  —  Sot.  hat  die 
Subscriptores  conciliabuli  Dordrechtani  in  die  1.  Cl.  gesetzt,  p.  434. 
907;  vgl.  I  S.  326. 

Von  Phil.  Lira  horch  (1633—1712)  stehen  im  Index:  Histo- 


Holländische  protestantische  Theologen.  117 

ria  inquisitionis,  1692,  von  der  Inq.  verb.  1694,  Theologia  chri- 
Btiana  ad  praxim  pietatis  ac  promotionem  pacis  christianae  nnice  di- 
recta,  1700  (die  erste  vollständige  Theologie  der  Arminianer,  zuerst 
1686),  verb.  1727,  und  De  veritate  religionis  Christ,  amica  coUatio 
cum  judaeo  erudito  [Isaac  Orobio  aus  Sevilla],  zuerst  1687,  dann 
Basel  1740,  verb,  1749  (Paquot  1,  553),  —  von  Ant.  van  Dale 
(Mediciner,  Anabaptist,  1638  —  1708)  De  oraculis  ethnicorum  diss. 
daae,  1683,  dann  1700  (er  bestreitet  den  dämonischen  Ursprung 
des  Orakelwesens;  Bayle,  Oeuvres  1,  4),  und  Dissertationes  de 
origine  et  progressu  idololatriae  et  superstitionum.  De  vera  et  falsa 
prophetia  et  de  divinationibus  idololatricis  judaeorum,  1696,  beide 
verb.  1737  (letzteres  in  den  Indices  so  gedruckt,  als  ob  es  sich 
um  zwei  Bücher  handelte).  —  Von  den  meisten  steht  nur  je  ein 
Buch  im  Index:  von  Abr.  Heidanus  (van  der  Heyden,  1597 
—  1678)  De  origine  erroris  11.  8,  1678;  Steph.  Le  Moyne  (1624—89), 
Varia  sacra  s.  sylloge  variorum  opusculomm  graecorum  ad  rem 
ecclesiasticam  spectantium  (A.  £.  1686;  der  1.  Band  handelt  u.  a. 
über  Ghrys.  Ep.  adCaesarium,  s.  u.);  Jo.  Laetus  (de  Lact),  Com- 
pendinm  historiae  univ.  civilis  et  eccl.,  tam  romanae  quam  prote- 
stantium  1669,   verb.  1727. 

Jo.  Coccejus  (1603 — 69)  steht  nicht  im  Index ,  aber  einige 
Schriften  seiner  Anhänger  Wilh.  Momma,  Herm.  Witsius  und 
Campegius  Vitringa,  —  von  diesem  Typus  theologiae  practicae, 
1716,  und  die  Uebersetzung :  Essai  de  thiol.  pratique  .  .  .  trad. 
par  M.  de  Limiers,  1719,  —  ferner  Prodromus  corporis  theolo- 
giae, qua  tota  fidei  ac  morum  doctrina,  bist.,  item  prophetia  methodo 
pariter  et  verbis  sacns  asseritur,  1682  (nach  Placcius  Anon.  104 
von  dem  Coccejaner  Gerhard  van  der  Meulen),  und  Examen  judicio- 
rum  de  Prodrome  .  .  .  .,  1684,  verb.  1709.  —  Von  Vitringa's 
exegetischen  Schriften,  die  doch  manches  Anstössige  enthalten,  steht 
keine  im  Index;  aber  Jo.  Braun,  Vestitus  sacerdotnm  hebraeo- 
rum,  1680. 

Von  den  scharf  polemischen  Schriften  des  Sixtinus  Amama 
(tl629)  über  die  Bibel,  besonders  über  die  Vulgata,  steht  im  Index 
nur  Antibarbarus  biblicus  libro  4.  auctus,  1656.  (zuerst  1628),  verb. 
erst  1709.  Andere  polemische  Schriften,  die  im  17.  Jahrh.  verb. 
wurden,  sind:  Arnoldi  Montani  Diatriba  de  esu  carnium  et  qua- 
dragesima  Pontificiorum,  1668,  verb.  1690;  Herm.  Ravensperger, 
Via  veritatis  et  pacis,  1614,  verb.  1663;  ferner  die  unter  dem  Na- 
men Antipapius  Lauterianus  erschienene  Schrift  Meretricis  Baby- 
lonicae  aureum  poculum  venenatum  Ecclesiae  propinatum  hujusque 
aotidotum  .  .  .,  Veritropoli  1689;  —  Epistola  N.  N.  religionis 
reformatae  ministrorum  ad  perillustrem  D.  N.  Legionis  Batavae  du- 
cem  in  praesidio  Bruxell.  degentem,  quae  incipit:  Non  solum 
strenue  te  agere  in  hello,  von  der  Inquisition  verb.  1693,  —  und 
Folium  qnoddam  (also  ein  fliegendes  Blatt)  cum  hac  inscriptione: 
Propositiones  Belgio-unito-romanac  ac  papales,  incipiens:  Pecca- 
tum  non  est,  sacrificium  Deo  pollutis  manibus  sive  in  peccatum, 
verb.  1666  und  nochmals   1667   cum    elucidationibns,    cum    quibus 


118  Englische  protcstantisoho  Theologen. 

fuit  iterum  impressnm.  —  1742  wurden  noch  verb.  Lettres  d'un 
theologien  reforme  k  un  gentilhomme  Intherien  par  Armand  de  la 
Chapelle,  Paßteur  de  la  Haye,  Amst.  1736,  gegen  des  Jesuiten 
Scheffmacher  Lettres  d'un  docteur  allemand  ä  un  gentilhomme  et  k 
un  raagistrat  protestants,  1733  u.  o.  (Hurter  2,  968;  von  Haag  s.  v. 
Boisbeleau  mit  Unrecht  Chapelle  abgesprochen). 

Ferner  stehen  noch  im  Index:  Justus  Heurnius,  De  legatione 
evangelica  ad  Indos  capessenda  admonitio  (an  die  Curatores  rerum 
Indicarum,  über  die  Ausbreitang  des  Christenthums  in  Indien), 
Leyden  1618;  —  Caroli  de  Maets  Sylva  quaestionum  insignium 
philologiam  .  .  .,  potissimum  vero  theologiam  spectantiam,  1650, 
verb.  1663  (behandelt  nach  Bayle  ausser  anderen  Casus  auch  die  da- 
malige Controverse,  ob  die  Männer  lange  Haare  tragen  dürfen);  — 
Ch.  Bonnefille,  L'homme  irreprochable  en  sa  conversation,  Leyden 
1661,  12.  Ebenso  unbedeutende  Sachen  stehen  im  Index  unter 
Borremans,  Broverius,  Cremer,  Gaillardus  (eine  Dissertation,  worin 
behauptet  wird,  Melchisedek  sei  Christus  gewesen;  Bayle,  Oeuvres 
1,  470),  Timannus  Gesselius  (Med.  Dr.),  Holtius,  J.  B.  Ottius,  Vessel- 
lius.  Man  kann  sich  wundern,  im  Index  zu  finden  Cornelius  A  damus, 
Exercitationes  exegeticae  de  Israelis  in  Aegypto  multiplicatione  etc.; 
aber  Ben.  hat  den  Titel  staik  abgekürzt;  in  den  älteren  Indices 
steht  er  vollständig;  er  schliesst:  malisque  Komae  paganae  et  ho- 
diernae  moribus,  Gron.   1712. 

Die  interessante  Briefsammlung  lUustrium  et  clarorum  virorum 
epistolae  selectiores  superioris  saeculi  scriptae  vel  a  Belgis  vel 
ad  Beigas,  Lugd.  B.  1617,  8.,  wurde  1628  verb.,  weil  unter  den 
200  Briefen  viele  theologischen  Inhalts,  von  Haeretikern,  Cassander 
u.  s.  w.  sind.  Der  in  der  Vorrede  genannte  Herausgeber  Paul  Ber- 
tius  wurde  1620  katholisch,  f  1629  (Eäss,  Conv.  4,  500).  Harm- 
loser ist  Jo.  Crucii  Mercurius  Batavus  s.  epistolarum  11.  5, 
Amst.  1650  (dazu  ein  1.  sextus),  verb.  1684, 


19.    EngHsche  protestantische  Theologen. 

Englisch  geschriebene  protestantisch-theologische  BUcher 
kamen  bis  auf  Benedict  XIV.  nicht  in  den  Index  ^).  Von  manchen 
englisch  geschriebenen  Büchern  wurden  aber  lateinische  oder 
französische  Uebersetzungen  verboten.  In  dem  Index  Alexan- 
ders VII.  ist  die  Zahl  der  Werke  englischer  Theologen  noch 
nicht  gross;  —  1634—63  wurden  keine  verboten;    auch  später 


1)  Die  unter  Cleitron,  Osbom,  Pliilaletbes  und  Philopenes  stehenden 
Bücher  werden  anderswo  besprochen. 


Th.  James.     Usscrius.     Casaubonus.  119 

mitunter  in  5— 8  Jahren  keine;  —  erst  von  1676  an  werden  sie 
zahlreicher.  Während  manche  Bücher,  die  man  am  ersten  im 
Index  zu  finden  erwarten  sollte,  nicht  darin  stehen,  —  z.  B.  Re- 
formatio Ecclesiae  anglicanae  quibus  gradibus  inchoata  et  per- 
fecta Sit,  London  1603,  Fol.,  eine  Sammlung  der  wichtigsten 
Actenstücke  und  Tractate  (Clement  I,  337),  E.  Browns  Ausgabe 
des  Fasciculus  (I  S.  347),  und  die  polemischen  Schritten  des 
Bischofs  Hall  (f  1656,  s.  Bayle),  von  denen  mehrere  aus  dem 
Englischen  ins  Französische  übersetzt,  einige  lateinisch  erschie- 
nen sind,  —  sind  Schriften  verboten,  die  nur  wenig  Anstössiges 
enthalten,  wie  einige  von  dem  frommen  Naturforscher  Robert 
Boyle)  1627 — 91,  dem  Stifter  der  Boyle-Lectures,  und  einige  be- 
deutende Werke  über  archäologische  und  biblische  Materien, 
die,  wie  Waltous  Polyglottcnbibel  und  R.  Polus'  Synopsis  criti- 
corum,  nur  von  Fachgelehrten  gebraucht,  von  diesen  aber  kaum 
entbehrt  werden  konnten. 

1603  wurde  verboten  Ecloga  Oxonio-Cantabrigensis  tributa 
in  libros  duos,  opera  et  studio  T.  J.,  d.  i.  Thomae  James,  London 
1600,*  4.,  ein  Verzeichniss  von  Manuscripten,  mit  scharfen  polemi- 
schen Zuthaten,  von  Possevino  in  einem  Anhango  zu  seinem  Appa- 
ratus  kritisirt  (Baillet  2,  208).  Von  den  polemischen  Schriften, 
die  James  (1579 -—1626)  herausgegeben  (I,  S.  556.  559),  steht  keine 
im  Index,  nicht  einmal  Bellum  Papale  seu  concordia  discors  Sixti  V. 
et  Clementis  VIII.  circa  Hieronymianam  editionem,  Lond.  1600,  4. 
(1678,  8.;  bei  Sand,  steht  es).  —  Von  Jac.  üsserius  (Usher,  gest. 
1655  als  Erzbischof  von  Armagh)  wurde  schon  1616  (Alex.  No.  14, 
seit  Ben.  staht  unrichtig  1709)  verb. :  Gravissimae  quaestiones  de 
Christ,  ecclesiarum  in  occidentis  praesertim  partibus  ab  apostolicis 
temp.  ad  nostram  usque  aetatem  continua  successione  et  statu  histo- 
rica  explicatio,  1613  (entschieden  antipapistisch),  dagegen  erst  1709 
die  1687  erschienenen  zwei  Bände :  Britannicarum  Ecclesiarum  anti- 
quitates,  quibus  inserta  est  pestiferae  adv.  Dei  gratiam  a  Pelagio 
Britanno  in  Ecclesiam  inductae  haereseos  bistoria  (der  2.  Band  ent- 
hält die  Grav.  Quaestiones).  Bei  Sot.  steht  Usher  in  der  2.  Cl. 
mit  den  Grav.  quaestiones,  aber  in  dem  Index  von  1707  in  der 
1.  mit  der  Bemerkung:  antea  per  errorem  positus  in  2.  cl.,  cum 
fuerit  perniciosissimus  haereticus. 

Isaac  Casaubonus  (1559 — 1614),  der  ja,  obschon  kein  Eng- 
länder, am  passendsten  hier  eingereiht  wird,  ist  erst  nach  seinem 
Tode  in  den  Index  gekommen.  1598  schrieb  er  an  Baronius  über 
die  ersten  Bände  der  Annales  und  Baronius  sandte  ihm  1599  den 
8.  Band  mit  einer  freundlichen  Antwort,  worin  er  meint.  Gas.  „klopfe 
an  der  Thüre  der  Kirche.**  Einige  Jahre  später  war  in  Rom  das 
Gerücht  verbreitet,  er  sei  katholisch  geworden.  Jedenfalls  bemühten 


120  Englische  protestantische  Theologen. 

sicli  Card,  du  Perron  u.  a.,  ihn  für  die  katholische  Kirche  zu  ge- 
winnen, und  Clemens  VIII.  soll  ihm  eine  Pension  von  1800  Kronen 
angeboten  haben.  Noch  1603  schickte  er  Baronius  chronologische 
Berichtigungen,  die  dieser  1612  benutzte.  Erst  1614  veröffentlichte 
er  seine  Kritik  des  Baronius:  De  rebus  sacris  et  ecclesiasticis  exer- 
citationes  XVI  ad  Cardinalis  Baronii  prolegomena  et  primam  aooa- 
lium  partem,  800  S.  Fol.,  verb.  1624.  Sein  Plan,  in  ähnlicher 
Weise  die  12  Bände  des  Baronius  zu  kritisiren,  ist  nicht  ausge- 
führt ^).  —  Von  einer  aus  Anlass  des  Streites  zwischen  Paul  V.  und 
Venedig  erschienenen  anonymen  Schrift  des  Cas.  De  libertate  Eccle- 
siae  Über  singularis  wurden  zu  Paris  1607  15  Bogen  gedruckt;  die 
Schrift  wurde  aber  auf  Betreiben  des  Nuncius  unterdrückt  (sie  ist 
auch  nicht  vollständig  geschrieben),  die  fertigen  Bogen  wurden  aber 
1612  in  Goldasts  Monarchia  I,  674  abgedruckt  (Pattison  p.  217. 
Clement  6,  254).  —  Die  Sammlung  der  Briefe  des  Cas.,  Epistolae 
quotquot  reperiri  potuerunt.  Adjecta  est  epistola  de  morbi  ejus  mor- 
tisque  causa  deque  iisdem  narratio  Eaphaelis  Thorii,  Hagae  1637,  4., 
wurde  1640  verb. 

Unter  Casaubonus  steht  seit  Alex.,  noch  heute  im  Index : 
Isaaci  Casauboni  Corona  regia,  i.  e.  panegyrici  cujusdam,  quem 
Jacobe  I.  Britanniae  Kegi  delinearat,  fragmenta  ab  Euphormione 
inter  schedas  rot;  fiaxagirov  inventa,  collecta  et  in  lucem  edita,  Lond. 
1615,  128  S.  12.,  1646  verb.,  eine  von  Caspar  Scioppius  fabricirte 
Satire  auf  Cas.,  Heinrich  VIII.  und  seine  Nachfolger,  von  Clement  6, 
355  als  la  plus  infame  satire  que  Ton  ait  jamais  publice  bezeichnet, 
in  Rom  wohl  nur  verboten,  weil  der  Name  des  Cas.  darauf  steht. 
Es  wurde  ein  Preis  auf  die  Entdeckung  des  Verfassers  gesetzt,  und 
schon  1639  nannte  ein  Brüsseler  Buchhändler  Scioppius  als  solchen 
(Pattison  p.  542). 

Noch  bei  Lebzeiten  des  Cas.  schrieb  Richard  Montagu  (Mon- 
tacutius),  damals  Fellow  in  Eton  (1628  Bischof  von  Chichester, 
1638  von  Norwich,  t  1641),  der  einen  Theil  des  Manuscriptes  von 
Cas.  gelesen  hatte  und  wie  sein  Gönner  H.  Savile  unzufrieden  dar- 
über war,  dass  sich  Cas.  auf  die  specifisch-theologischen  Contro- 
versen  so  wenig  eingelassen,  ein  Buch  gegen  Baronius.  Es  wurde 
aber  auf  Veranlassung  des  Erzbischofs  Abbot  vorläufig  nicht  ge- 
druckt und  erschien  erst  1622:  Analecta  ecclesiasticarum  exercita- 
tionum  (Pattison  p.  350.  419).  1635  folgten:  Antidiatribae  ad 
priorem  partem  Diatribarum  J.  Caesaris  Bulengeri  a<}v.  Exercita- 
tiones  Is.  Casauboni  und  Apparatus  ad  origines  ecclesiasticas,  1636: 
De  originibus  ecclesiasticis  commentationum  tomus  I.,  und  1640 : 
Qeav&Qwmxov  s.  de  vita  J.  Chr.  D.  N.,  originum  ecclesiasticarum 
pars  prior  et  posterior.  Alle  diese  Schriften  wurden  erst  1714  verh. 
—  1690  wurde  verb.  Antibaronius  Magenelis  seu  animadversiones 
in   Annales   Card.    Baronii    cum    epitome   lucnbrationum    criticarum 


1)  M.  Pattison,  J.  Casaubonus,  1875,  p.  138.  162.  358. 


Montacutius.    Rivius.    Saravia  u.  a.  121 

Casauboni  in  tomi  1.  annos  34.  Auct.  Andrea  Magendeo,  eccle- 
siastica  [sie]  Benearnensi.  Qnibufl  accessernnt  quaedam  ad  Baronium 
animadversiones  Davidis  Blondelli,  L.  B.  1679,  143  S.  Fol.,  ein 
Bach,  welches  schon  1675  gedruckt  war  und  von  dem,  weil  es  nicht 
abging,  1679  eine  Titelausgabe  mit  Beifügung  der  Keclame  Quibus 
access.  etc.  auf  dem  Titelblatt  veranstaltet  wurde  (Bayle  s.  v.  Blon- 
del,  Note  E). 

Im  J.  1624  hatte  Nie.  Alemanni,  Bibliothekar  der  Yaticana, 
«n  convertirter  Grieche,  mit  einer  Widmung  an  Card.  Ludovisi  die 
Anecdota  des  Procopius  aus  der  einzigen  Handschrift  in  der  Vati- 
canischen  Bibliothek  herausgegeben,  dabei  die  Glaubwürdigkeit 
des  Procopius  nachzuweisen  gesucht  und  so  Justinian  recht  schwarz 
gemalt.  Ein  englischer  Jurist,  Thomas  Ryves  (f  1651)  schrieb 
gegen  ihn:  Imperatoris  Justiniani  defensio  adv.  Alemannum.  Auth. 
Th.  Rivio  J.  C,  Regis  in  Anglia  Advocato,  Francf.  1628,*  111  8. 
12.  (nochmals  edirt  von  J.  Eichel,  Heimst.  1654).  Dass  das  Schriftchen 
1638  verboten  wurde,  erklärt  sich:  Rivius  hatte  nicht  nur  Justinian, 
der  in  Rom  nicht  günstig  beurtheilt  wurde  (I  S.  553),  vertheidigt, 
sondern  auch  von  Papst  Vigilius  und  anderen  Päpsten  harte  Worte 
gebraucht.  In  Rom  nahm  man  aber  auch  übel,  dass  Alemanni  über- 
haupt angegriffen  wurde.  Als  1636  Elzevier  eine  neue  Ausgabe  des 
Procopius  veranstalten  wollte,  rieth  L.  Holstenius,  man  möge  nicht 
in  der  Weise  wie  Ryves  gegen  Alemanni  polemisiren,  sondern  lieber 
in  dessen  Noten  durch  Heinsius  oder  einen  andern  Gelehrten  das 
Anstössige  streichen  lassen^).  In  jüngster  Zeit  hat  ein  Römischer 
Theologe,  Aloys  Vincenzi  (in  dem  4.  Bande  des  Werkes  In  S.  Gre- 
gorii  Nyss.  et  Origenis  scripta  et  doctrinam  nova  recensio  cum 
appendice  de  actis  Synodi  Y.  oecumenicae,  Rom  1865)  Justinian 
gegen  den  Vorwurf  der  Gewaltthätigkeit  und  der  schlechten  Regie- 
rung, namentlich  der  Elirche  gegenüber,  vertheidigt  und  sich  dabei 
vorzüglich  auf  Rivius  berufen^). 

Hadrian  Saravia  (von  Hause  aus  ein  Holländischer  Calvinist, 
gest.  als  Canonicus  in  Canterbury)  hatte  gegen  Calvin  und  Beza 
geschrieben  De  diversis  ministrorum  evangelii  gradibus,  1561  (Lond. 
1590);  dagegen  erschien  1562  eine  Responsio  von  Beza,  dann  von 
Saravia  1601:  Defensio  tractationis  de  div.  .  .  contra  responsionem 
Th.  Bezae;  nur  die  letztere  wurde  1618  verb.  —  Ausserdem  wurde 
in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrb.  noch  verb.  nagaaxevtj  (in  dem 
Decret  No.  25  und  in  den  Index-Ausgaben  vor  Ben.  steht  Prascheni) 
sive  Praeparatio  pacificationis  controversiarum  quae  exortae  statim 
post  1000.  a  Christo  annum  in  immensnm  bis  600  elapsis  annis 
excreverunt.  Per  Jo.  Gordonium  Huntlaeoscotum,  Ruppellae  1619. 
Gegen  eine  andere  Schrift  dieses  John  Gordon  Huntley  schrieb  der 


1)  L.  Holstenii  Epistolae  p.  264.  493.    Fabricius,  Bibl.  gr.  VI,  266. 
Dahn,  Procopius,  1865,  S.  470. 

2)  Th.  Lit-Bl.  1866,  549. 


122  Englische  protcsianiischc  Theologen. 

Jesuit  Georg  Stengel :  Antitortor  Bellarminianus  Jo.  Gordonius  Scotus 
pseudodecanus  et  capellanus  calvinisticufl  . .  .  tonsus  et  pexus,  Jngolst. 
1611.  Ein  Jacob  Gordon  Huntley  war  Jesuit  und  schrieb  Contro- 
versiarum  christ.  ßdei  adv.  hujus  temporis  baereticos  epitome,  1612 
—  20  (Dodd  2,  422). 

1669  wurden  verb.  Romae  ruina  finalis  a.D.  1666  mundique 
finis  sub  quadragcsimum  quintum  post  annum,  sive  literae  ad  Anglos 
Romae  versautes  datae  (1693:  Abomi  nationes  Papatus,  s.  invicta 
demonstratio,  Papam  Rom.  esse  Antichristum,  excerpta  ex  libro  <mi 
tit. :  Romae  ruina  fin.  etc.  excuso  Londini  a.  1655  et  1656),  und 
das  Buch  Regii  sanguinis  clanior  ad  coelum  adv.  parrioidas  angli- 
canos,  Haag  1652,  12.,  welches  gegen  Miltons  Pro  populo  anglicano 
defensio  contra  Claudii  anonymi  alias  Salmasii  defensionem  regiam 
(1649),  London  1651,  gerichtet  ist.  Der  Verfasser  desselben  ist  der 
jüngere  Pierre  du  Moulin,  Canonicus  in  Canterbury;  aber  Alexander 
Morus  hatte  es,  ohne  ihn  zu  nennen,  mit  einer  von  ihm  unterzeich- 
neten Dedication  an  Karl  11.  herausgegeben.  Darum  schrieb 
Milton:  Defensio  pro  sc  contra  Alex.  Mori  librum  Regii  sang,  etc., 
cui  adjungitur  Jo.  Philippi  Responsio  ad  Apologiam  anonymi  cujus- 
dam  tenebrionis  pro  rege  et  i)opulo  augl.  infamissimam  (gegen 
Gl.  Bart.  Morisot,  Carolus  I.  a  securi  et  calamo  Miltonis  vindicatus, 
Dublin  1652),  London  1654.  Diese  und  andere  über  religiöse  und 
kirchliche  Dinge  handelnde  Schriften  Miltons  (seine  Werke  wurden 
1699  in  3  Folianten  zuKammen  herausgegeben)  stehen  nicht  im  Index. 
Erst  1700  wurden  verboten:  Literae  pseudo-scnatus  anglicani,  Crom- 
welli  reliquorumque  perduellium  nomine  ac  jussu  scriptae  a  Jo. 
Miltonof  eine  Sammlung  der  Schreiben  an  die  auswärtigen  Regie- 
rungen, die  er  1649 — 58  als  Secretiir  der  republicanischen  Regierung 
für  den  Staatsrath  oder  den  Protector  verfasst  hatte,  London  1676, 
12.  (und  ed.  J.  G.  Pritius,  Lpz.   1690)  i). 

1671  wurden  gleichzeitig  ein  gegen  die  Presbyterianer  gerich- 
tetes Buch  des  anglicanischen  Geistlichen  John  Dureil  (1625 — 83) 
und  ein  im  Sinne  der  Presbyterianer  geschriebenes  des  Leydener 
Historikers  Georg  Dorn  verboten.  Ersteres  heisst :  Ecclesiae  angli- 
canae  adv.  schismaticorum  criminationes  vindiriae,  London  1669,  4. 
(nochmals  als  Hißt,  rituum  Ecclesiae  angl.  etc.  1672);  von  Dureil 
ist  auch  die  Uebersetzung  des  Common  Prayer  Book:  Liturgia  ß. 
Über  precum  communium  etc.,  London  1681,  verb.  1714,  —  letz- 
teres: Honorii  Reggii  [Kemnatensis]  de  statu  Ecclesiae  britannicae* 
hodierno  1.  comnientarius,  una  cum  appendice  eorum  quae  in  synodo 
Glasguensi  contra  episcopos  decreta  sunt,  Dantisci  1647  (Weingarten, 
Revolutionskirchen  S.  4). 

Von  den  beiden  Geschiclitswerken  von  Gilbert  Burnet  (1643 
— 1715,  Bischof  von  Salisbury)  wurde  die  französische  Uebersetzung 
verb.:    Hist.  de  la  Reformation  de  l'Eglise  d'Angleterre,   trad.  .  . 


1)  Baillet  5,  311.    Hist.  Taschenb.  1862,  321;  1853,  391.    Diss.  lite- 
raria  in  scriptores  anglicani  regicidii  bei  Fleur.  78. 


Milton.     Burnct  u.  a.  123 

par  M.  de  Rosemond,  Genf  1087,  und  Hist.  des  dernieres  revolu- 
tions  d'Angleterre,  1728  (engl.  Ilist.  of  his  own  times).  Andere 
Schriften  von  G.  Burnet  sind  nicht  verboten,  auch  nicht,  obschon 
gleichfalls  ins  Französische  übersetzt,  Some  letters  containing  an 
account  of  what  seeraed  most  remarkable  in  Switzerland,  Italy.  etc., 
1686,  von  denen  Germain  bei  Valery  2,  88  Ragt,  sie  enthielten 
une  Satire  continuelle  et  des  calomnies  et  des  injures  grossieres  contre 
la  religion,  les  rites  et  les  ceremonies  de  TEglise.  —  Von  Thomas 
Burnet  (1635 — 1715)  wurde  erst  1734  verboten:  Telluris  theoria 
Sacra,  1681,  gleichzeitig  mit  den  erst  nach  seinem  Tode  gedruckten 
Schriften:  De  statu  mortuorum  et  resurgentium,  1726,  und  De  fide 
et  officiis  christianorum  nee  non  appendix  de  futiira  Judaeorum 
restauratione,  Lond.  1727  *). 

Von  1676  —  1757  wurden  ferner  verb. :  Roberti  BaiUii  (Baillie, 
Presbyterianer,  f  1662)  Operis  historici  et  chronologici  11.  2  a  crea- 
tione  mundi  ad  Constantinum  Magnum,  Anist.  1668,  Fol.  (über  an- 
dere Schriften  von  ihm  s.  Weingarten  S.  4);  —  Guil.  Beveregii 
(Beveridge,  Bischof  von  St.  Asaph,  f  1708)  — viod/xor  s.  Pandectae 
canonum  ss.  apostolorum  et  conciliorum  ab  Eccl.  graeca  receptorum 
.  .  .  Oxf.  1672,  2  Fol.;  —  Jos.  Binghami  Origines  seu  antiqui- 
tates  ecclesiasticae,  ex  lingua  angl.  in  lat.  vertit  J.  H.  Griscovius, 
Halle  1724—29,  10  vol.  4.  (das  Original  war  1708— 22  erschienen); 

—  Jo.  Pearsonis  Episc.  Cestriensis  Expositio  syniboli  apost.,  juxta 
ed.  angl.  5.  in  lat.  linguani  translata,  1691,  verb.  1709,  J.  Arnolds 
Uebersetzung  der  seit  1659  oft  gedruckten  Exposition  of  the  Creed; 

—  Les  religions  du  monde  ou  demonstration  de  toutes  les  religions 
et  heresies,  par  Alex.  Ross,  trad.  par  Thomas  La  Grue,  Amst. 
1666,  verb.  1676,  eine  Art  Symbolik,  die  unter  dem  Titel  A  view 
of  all  religions  etc.  zuerst  1653  erschienen  war  (deutsch  von  Chr. 
Sixtus:  Der  Welt  unterschiedlicher  Gottesdienst,  Heidelb.  1660);  — 
Rob.  Sande rson,  De  conscientia  seu  obligatione  conscientiae  et  de 
jiiramenti  promissorii  obligatione  praelectiones  7,  1647;  De  obliga- 
tione conscientiae  prael.  10,  Ed.  2.,  1686,  verb.  1700;  Sanderson 
wird  von  Wood  als  der  erste  Casuist  seiner  Zeit  bezeichnet  (Blount 
p.  1005);  —  Origines  ecclesiasticae  s.  de  jure  et  potestate  ecclesiae 
Christ,  exercitationes,  auth.  Herberte  Thorndicio  [Thorndyke], 
Westmon.  Can.,  1674,  verb.  1709;  ferner  Guil.  Outram,  De  sacri- 
ficiis  11.  2  (de  sacrificiis  Judaeorum  et  gentium,  de  sacrificio  Christi), 
1677,  und  eine  französische  Uebersetzung  von  Predigten  von  W. 
Sherlock,  1723,  und  von  dem  Erzbischof  J.  Tillotson  von  Can- 
terbury  (übers,  von  J.  Barbeyrac),  1705,  5  vol  8.  (diese  enthalten 
einige  Angriffe  auf  die  Papisten;  Lechler,  Deismus  S.  146),  und  von 
einem  Buche  des  Londoner  Pfarrers  Lucas,  La  perfection  du  chre- 
tien,    1740;    endlich  noch  einige  anonyme  Schriften: 


1)  Clement  5,  437.  Lechler,  Deismus  S.  867.  Gegen  De  statu  schrieb 
Muratori  De  paradiso  regnique  coclcstis  gloria  nou  exspectata  corporum 
resurrectione  justis  a  Deo  collata,  Verona  1738.  Mich,  a  S.  Jos.  3,  326. 


124  Englische  protestantische  Theologen. 

Apologie  de  lav^ritable  Theologie  chr6t.  ainsi  qa'elle  esttenue 
et  prech^e  par  le  peuple  appele  par  mepris  les  Trembleurs,  tradnite  en 
frani^ais,  1702,  von  der  Inq.  verb.  1712.  Es  ist  das  Hauptwerk  des  ein- 
zigen eigentlichen  Theologen  der  Quäker,  des  Schotten  Robert  Bar- 
clay (1648 — 92;  er  war  zuvor  in  Paris  katholisch  geworden),  wel- 
ches schon  1676  lateinisch  erschienen  war:  Theologiae  verae 
christianae  apologia  (Weingarten  S.  364.  Möhler,  Symbolik  S.  490). 
Seine  Catechesis  et  fidei  confessio,  1676,  und  seine  Works,  Lond. 
1692,  Fol.,  stehen  nicht  im  Index.  In  Spanien  wurde  1764  eine 
1710  zu  London  erschienene  span.  Uebersetzung  der  Apologia  von 
Antonio  Alvarado  verb.  Schon  1708  wurde  in  Rom  verb.:  CoUu- 
vies  Quackerorum  secundum  ortum,  progressum  et  dogmata  mon- 
strosa  delineata  ,  .  Auct.  Jo.  Joa.  Zentgrafio  Argentoratensi, 
Arg.  1665. 

De  antiqua  ecclesiae  Britannicae  übertäte  atque  de  legitima 
ejusdem  eccl.  exemptione  a  Romano  patriarchatu  diatribe  per  aliquot 
theses  deducta,  auth.  J.  B.  S.  Th.  Prof.,  Amst.  1695,  verb.  1709, 
zuerst  1656  erschienen.  Der  Verfasser  ist  John  Basire,  Prof.  in 
Cambridge,  t  1676.  Er  vertheidigt  die  Sätze:  1.  die  Rechte  der 
Patriarchen  sind  durch  Gewohnheit  entstanden ,  von  den  Concilien 
bestätigt,  von  den  Kaisern  sanctionirt;  2.  die  englische  Kirche  ge- 
hörte nicht  zu  den  Suburbicar-Kirchen  und  stand  darum  zur  Zeit 
des  Concils  von  Nicaea  nicht  unter  dem  Römischen  Patriarchen; 
3.  sie  hat  jetzt  ihre  alte  Freiheit  wiedergewonnen;  4.  sie  ist,  von 
dem  Römischen  Patriarchen  eximirt,  nicht  schismatisch,  sondern  um 
so  mehr  katholisch,  je  mehr  sie  die  alte  katholische  Freiheit  ver- 
theidigt (Fabricius,  Eist.  B.  5,  201).  —  Von  Eduard  Stillingfleets 
(englisch  geschriebenen)  Werken  steht  keins  im  Index,  obschon 
Schelstrate  gegen  seine  Origines  Britannicae  or  the  antiquity  of  the 
British  Church,  1685,  1687  zu  Rom  die  Diss.  de  auctoritate  patriar- 
chali  et  metropolitÄua  drucken  Hess.  Dagegen  stehen  im  Index: 
Historia  symboli  apostolici  .  .  .,  ex  angl.  sermone  in  lat.  trans- 
lata,  Lips.  1706,  verfasst  von  dem  Juristen  Peter  King  (1702), 
tibersetzt  von  Gottfr.  Olearius  (Fabricius  1.  c.  6,  477).  —  Rela- 
tion de  Paccroissement  de  la  papaute  et  du  gouvernement  absolu 
en  Angleterre,  particuli^rement  depuis  la  longue  Prorogation  1675 — 76 
jusqn'ä  präsent,  1730,  Uebersetzung  der  1678  erschienenen  Schrift 
(von  Andrew  Marvell,  t  1678):  An  account  of  the  growth  of  Po- 
pery  (das  Parlament  setzte  damals  einen  Preis  von  50  Pf.  auf  die 
Entdeckung   des  Verfassers). 

Von  John  Wilkins,  Bischof  von  Chester,  steht  im  Index  nur 
die  1638  anonym  erschienene  Schrift  The  discovery  of  a  new  world 
or  a  discourse  tending  to  prove  that  it  is  probable  there  may  be 
another  habitable  world  in  the  raoon,  in  der  französischen  Ueber- 
setzung: Le  monde  dans  lune,  divise  en  deux  livres,  le  1.  prou- 
vant  que  la  lune  peut  ßtre  un  monde,  le  2.  que  la  terre  peut  Stre 
une  plannte,  de  la  traduction  du  S.  de  la  Montagne,  Ronen  1655, 
erst  1703  verb. 

Von  Brian  Wal  tons  Biblia  sacra  polyglotta,  1657,  die  1668 


Walton.    Polus.     Seiden  u.  a.  126 

verb.  wurde,  sagt  E.  Simon  (Lettres  3,  122):  „Wenn  man  die 
Schriftsteller  nicht  kannte,  welche  an  den  Prolegomena  gearbeitet 
haben,  könnte  man  leicht  annehmen,  das  Werk  sei  von  einem  Katho- 
liken herausgegeben;  es  hat  auch  bei  allen  Katholiken  Beifall  ge- 
funden, selbst  in  Rom/'  Das  schreibt  Simon  1692,  nachdem  das 
Werk  schon  fast  30  Jahre  verboten  war^).  Anderswo  (Lettres  2, 
275)  berichtet  er:  die  Theologen  von  Port  Royal  oder  einige  ihrer 
Freunde  hätten  die  Prolegomena  übersetzt;  die  Uebersetzung  sei 
aber  nicht  gedruckt;  die  zu  Lüttich  1699  erschienenen  Dissertations 
sur  les  Proleg.  de  Walton,  eine  freie  und  abgekürzte  Uebersetzung, 
piece  pitoyable,  seien  nicht  von  ihnen  und  die  Approbationen  un- 
echt. —  Im  span.  Index  wird  doch  nur  der  Apparatus  biblicus 
verb.,  die  Polyglotte  selbst  expurgirt,  und  zwar  werden  ausser  Elogia 
haereticorum  nur  wenige  Stellen,  u.  a.  einige  in  der  lateinischen 
Uebersetzung  des  Targum,  ferner  die  Capitelüberschriften  in  den 
Evangelien,  als  nicht  dem  Gebrauch  der  kath.  Kirche,  sondern  dem 
Ritus  der  Ketzer  entsprechend,  gestrichen  und  bei  einigen  Stellen 
die  Beifügung  der  Note  verordnet,  der  ketzerische  Herausgeber  habe 
bei  der  Aufzählung  der  canonischen  Bücher  Tobias,  Judith  u.  s.  w. 
malitiose  ausgelassen. 

Matthaei  Poli  (Pool,  f  1679)  Synopsis  criticorum  ...  ex 
recensione  Jo.  Leusden,  Ultr.  1684  [ — 96,  vorher  London  1669 — 90 
und  Frcf.  1678],  wurde  1693  verb.;  die  Critici  sacri,  Lond.  1660, 
9  Fol.,  u.  s.,  sind  nicht  verb.;  auch  nicht  Pools  englisch  geschrie- 
bene polemische  Schriften.  Im  span.  Index  steht  die  Synopsis 
nicht,  wohl  aber  die  Critici;  sie  werden  in  dem  von  1707  p.  244 
— 260  expurgirt  und  verordnet,  an  die  Spitze  zu  schreiben :  Das 
Werk  ist  sorgfältig  expurgirt,  aber  da  es  fast  ganz  ex  auctoribus 
haereticis  compactum,  cum  magna  cautela  legendum.  Gleichzeitig 
mit  der  Synopsis  wurde  verb.:  Humfredi  Hody  Contra  historiam 
Aristeae  de  LXX  interpretibus  dissertatio,  Oxf.  1684,  dagegen  nicht 
seine  De  Bibliorum  textibus  originalibus,  versionibus  graeca  et  lat. 
vulg.  11.  4,  1705. 

Von  dem  Juristen  Jo.  Seiden  (1584 — 1654)  stehen  im  Index: 
De  jure  naturali  et  gentium  juxta  disciplinam  Ebraeorum  11.  7, 
1640,  und  De  synedriis  et  praefecturis  juridicis  veterum  Ebr.  11.  3, 
1679  (zuerst  1650),  verb.  1714;  Uxor  ebraica  s.  de  nuptiis  et  di- 
vortiis  ...  11.  3  [zuerst  1646J.  Ejusd.  de  successionibus  ad  leges 
Ebr.  in  bona  defunctorum  1.  1  [zuerst  1631],  in  pontificatum  11.  2 
[zuerst  1636],  Ed.  nova,    Frcf.   1673,  verb.   1718.     Man  kann   sich 


1)  In  Simons  Biographie  vor  den  Lettres  1,  7  wird  erzählt,  er  sei, 
als  er  noch  Orato rianer  war,  weil  er  die  Polyglotte,  die  Critici  sacri  u.  dgl. 
im  Zimmer  gehabt,  bei  dem  Ordens-General  Senault  wegen  Lesens  ver- 
botener Bücher  denuncirt  worden.  Der  General  habe  seinen  Rath  ver- 
sammelt und  eine  Untersuchung  eingeleitet.  Simon  habe  aber  erklärt,  er 
habe  von  dem  Erzbischof  und  seinem  Superior  die  Erlaubniss  zum  Ge- 
brauche jener  Bücher  und  darauf  habe  man  ihn  in  Ruhe  gelassen. 


126  Englische  protestantische  Theologen. 

weniger  darüber  wundern,  dass  diese  Bücher  verb.  worden,  als  dar- 
über, dass  es  so  spät  geschehen;  denn  sie  enthalten  Digressionen 
über  kirchenrechtliche  Fragen  (z.  B.  De  syn.  1 ,  10),  an  denen  man 
in  Hom  Anstoss  nehmen  masste. 

Von  der  oft  gedruckten  Geschichte  der  Juden  (The  Old  and 
New  Test,  connected  in  the  bist,  of  thc  Jews  and  neighbonring 
nations,  1716)  von  Hnmphrey  Prideaux  (1648 — 1724)  wurde 
eine  französische  Uebersetzung  1732  mit  d.  c.  verboten:  Eist,  des 
juifs  et  des  peuples  voisins  depuis  la  decadence  des  royaumes 
d'Israel  et  de  Juda  jusqu'^  la  mort  de  Jesus  Christ,  par  M.  de 
Prideaux,  Amst.  1712  und  Paris  1724.  Die  Uebersetzung  ist  von 
Brutel  de  la  Rivi^re  und  du  Soul.  Der  Ausgabe  Paris  1726,  7 
vol.  12.,  und  1742,  6  vol.  12.,  sind  zwei  Dissertationen  des  Jesuiten 
Tournemine  beigefügt,  in  welchen  einige  Punkte,  die  bei  Katholiken 
Anstoss  erregen  konnten,  berichtigt  sind.  Diese  Ausgabe  hätte 
also  doch  wohl  freigegeben  werden  können.  —  Sonst  stehen  nocli 
folgende  exegetische  Sachen  im  Index:  Nie.  Füller,  Miscellanea 
theologica,  quibus  non  modo  scripturae  div.,  sed  et  aliorum  classi- 
corum  auctorum  plurima  monimenta  explicantur,  1612  u.  o.;  — 
Eduard  Leigh,  In  N.  T.  annotationes,  1650,  erst  1737  verb.;  — 
Jac.  Windet  (Dr.  med.)  De  vita  functorum  statu  ex  hebraeorum 
et  graecorum  sententiis,  cum  corollario  de  tarturo  apost.  Petri,  1677. 

Roberti  Boyle,  Nobilis  Angli  et  Societatis  Regiae  membri 
dignissimi,  opuscula  sequentia:  Cogitationes  de  s.  scripturae  stylo, 
Genf  1680;  De  amore  seraphico  seu  de  quibusdam  ad  Dei  amorem 
stimulis,  Genf  1693;  Summa  veneratio  Deo  ab  humano  intellecta 
debita  ob  sapientiam  praesertim  ac  potentiam,  Genf  1693,  wurden 
1700  verb.i) 

Von  den  sehr  scharf  antipäpstlichen,  aber  nur  englisch  er- 
schienenen Schriften  von  Michael  Geddes  steht  keine  im  Index: 
Miscellaneous  Tracts  in  3  volumes,  2.  Ed.  London  1714,*  The  Council 
of  Trent,  1714,*  Several  Tracts  against  Popery.  Together  with 
the  life  of  Don  Alvaro  de  Luna,  Lond.  1715.*  —  Nur  im  spa- 
nischen, nicht  im  Rom.  Index  steht:  Le  passe-partout  de  TEglise 
Romaine,  ou  histoire  des  troniperies  des  pretres  et  des  moines  en 
Espagne,  par  Antoine  Gavin,  ci-devant  pretre  seculier  de  TEgl.  Rom. 
ä  Saragosse  et  depuis  1715  ministre  de  TEgl.  anglicane,  trad.  de 
Tanglois  par  M.  Jani^on,  Londres  1727,  3  vol.,  zuerst  englisch  er- 
schienen: A  master-key  to  Popery  in  five  parts  .  .  .,  2.  Ed.,  London 
1725  (Pelayo  3,  98). 


l)  In  dem  Giern,  de'  letterati,  Rom  1745,  p.  II  steht  Estratto  della 
vita  di  R.  Boyle  premessa  all'  cdizionc  inglese  di  tutto  le  sue  opere  (Lond. 
1744,  5  Fol.,  edirt  von  Th.  Birch).  Mich.  a.  S.  Jos.  4,  76  sagt  von  ihm: 
Quamvis  haeresim  ad  mortem  usque  retiiiuerit,  a  controversiis  a  sectariis 
agitatis  penitus  abhorruit  christianiquc  nominis  dilatationem  ardentiori  zelo, 
etsi  non  recta  fido  procuravit. 


Französische  protestantische  Theologen.  127 


20.     Franzosische  protestantische  Theologen. 

Die  protestantisch-theologische  Literatur  Frankreichs  und 
der  französischen  Schweiz  ist  verhältnissmässig  am  stärksten 
im  Index  vertreten,  aber  freilich,  wie  schon  eine  Vergleichung 
pit  dem  französischen  Index  von  1685  zeigt,  bei  weitem  nicht 
vollständig  verzeichnet.  Von  manchen  bedeutenden  Schrift- 
steilem sind  nur  einzelne  Bücher  verboten,  keines  von  Daniel 
Chamier,  Ben.  Pictet,  Jacques  Cappel,  Samuel  Bochart  (der 
ausser  seinen  grossen  biblischen  Werken  auch  polemische  ge- 
schrieben, Clement  4,  388),  u.  a.  Namentlich  in  der  ersten  Hälfte 
des  17.  Jahrhunderts  wurden,  wohl  in  Folge  der  Denunciationen 
des  Nuncius,  manche  jetzt  verschollene  Sachen  verboten.  Auch 
manche  französische  Schriften  wurden  erst  lange  nach  dem  Er- 
scheinen verboten. 

Namhafte  Theologen,  von  denen  einzelne  Schriften  verb.  wurden, 
sind:  Jacques  Abbadie  (1654 — 1727):  Trait6  de  la  verite  de  la 
religion  chr6tienne,  in  drei  Theilen,  zuerst  1684,  die  Ausgabe  von 
1688.  89  verb.  1700  und  1703,  eine  Apologie  des  Christenthums 
gegen  Atheisten,  Deisten  und  Juden,  nach  Picot  von  Katholiken  und 
Protestanten  gelobt,  stellenweise  aber  polemisch  gegen  die  Römische 
Kirche.  Seine  anonyme  Schrift  La  verite  de  la  religion  reformee, 
1718,  steht  nicht  im  Index.  —  Von  Pierre  All  ix  (1641-1717), 
„einem  der  gelehrtesten  und  fruchtbarsten  Polemiker  der  französi- 
schen reformirten  Kirche**  (R.-E.  1,  304),  steht  im  Index  unter  seinem 
Namen  nur  Dissertatio  de  trisagii  origine,  1674.  1703  wurden  aber 
drei  anonyme  Schriften  von  ihm  verboten,  die  noch  jetzt  ohne  seinen 
Namen  im  Index  stehen:  Dissertatio  de  Tertulliani  vita  et  scriptis, 
8.  1.;  Diss.  de  conciliorum  quorumvis  definitionibus,  s.  1.;  Diss. 
de  sanguine  D.  N.  J.  C.  ad  epistolam  146.  S.  Aug.,  qua  num  adhuc 
existat,  exquiritur,  s.  1.  1680.  Gegen  die  letze  Schrift  erschien  Dis- 
quisitio  theol.  de  sanguine  corporis  Christi  post  resurrectionem  ad 
ep.  146.  S.  Aug.  Auetore  Theologo  Paris.,  Metropol.  Senon.  Eccl. 
Decano  [Jacques  Boileau],  Paris  1681,  worin  Allix  als  Verfasser 
der  Diss.  bezeichnet  wird^).  Auffallender  Weise  wurde  der  von 
Allix  herausgegebene  Trait6  d^un  auteur  de  la  communion  romaine 
touchant  la  transsubstantiation,  Lond.  1686  (Bayle,  Oeuvres  1,  745), 


1)  Nie.  12,  128.  A.  E.  1682,  331.  333.  Es  handelt  sich  um  die  Frage, 
ob  Aug.  Ep.  146  (205)  bezweifle,  dass  iu  dem  Leibe  des  Auferstandenen 
Blat  gewesen. 


128  Französische  protestantische  Theologen. 

nicht  verh.    —    Isaac  de  Beaueobre   (1659—1738,    seit  1694   in 
Berlin) :  nur  Histoire  eritique  de  Manich^e  et  du  Manich^isme,  Amst 
1734.39,  2  vol.  4.  —  Louis  LeBlanc  (t  1675):  Theses  theologicae 
variis    temporibus    in    academia   Sedanensi  editae,    Sedan   1646,  4.; 
die  4.  Ed.,  London  1708,  Fol.,  1725  verb.  i).  —  Benjamin  de  Dail- 
lon  (bis  1685  Prediger  in  Frankreich):  Examen  de  Toppression  des 
reformez  en   France,  oii  Von  justifie  Tinnocence  de  leur  religion,  et 
oü  Ton  prouve  que  la  doctrine  des  demons  signifie  dans  S.  Paul  le 
culte  que  les  payens  rendaient  anx  morts,  et  qu'il  n^^tait  point  diffe- 
rent  de  celui  que  TEgl.  Rom.  rend  aux  saints,    1687,    verb.  1709i 
—  Jean  Graverol  (1647  — 1718)  nicht  mit  seinem  Namen  im  Index,  von 
ihm    ist   Jo.  Rolegravii  Tractatus    de   religionum    conciliatoribus, 
Lausanne  1674  (gegen  ünionsprojeete  von  d'Huisseau),    verb.  1714, 
und    die    anonyme    Schrift  L*Eglise    protest.   justifi^e    par    l'Egl. 
Rom.  sur  quelques    points   de   controverse,    Genf  1682  (gegen   eine 
kleine  Schrift  von   de  la  Tour-Daill^,    an  der    Card.  Le  Camus  ge- 
holfen haben  soll),  verb.  1737.  —  Alex.  Morus  (1616—70):  Causa 
Dei  8.  de  scriptura  sacra  exercitationes  Genevenses,  verb.  1673.  — 
Casimir  Oudin   (1638  —  1717,  Praemonstratenser,  1690  Protestant): 
Commentarius  de  scriptoribus  Ecclesiae  antiquis,    3  tom.  Fol.,  Lips. 
1722.    —    Abraham  Ruchat  (1680—1750):    Histoire  de  la  refor- 
mation  de  la  Suisse,  6  vol.,  Genf  1727  (Lausanne  1835— 38,  8  vol. 
8.),  verb.  1732,  gleichzeitig  die  pseudonyme  Schrift:  Les  delices  de 
la  Suisse,  une  des  principales  republiques  de  TEurope,  par  Gottlieb 
Kypseler,  4  vol.  12.,  Leyden  1714.    —    Charles  Marie  de  Veil, 
ein  von  Bossuet  bekehrter  Jude,  der  erst  katholischer,    dann  angli- 
canischer    Geistlicher,    dann  Anabaptist   wurde:    Explicatio   literalis 
evangelii  sec.  Mth.    et  Marcum,  ex  ipsis  scripturarum  fontibus,  He- 
braeorum    ritibus    et    idiomatis    et  recentioribus    monumentis  eruta, 
Lond.  1678,    verb.    1721 «).    —    Noel  Aubert   de  Verse,    Katholik, 
Calvinist,  Socinianer,  um  1690  wieder  Katholik,  f  1714*),  nicht  mit 
seinem  Namen    im  Index:    von   ihm    sind    die   anonymen  Schriften: 
L^avocat  des  protestants  ou  traite  du  schisme  dans  lequel  on  justifie 
la  Separation  des  prot.  d^avec  TEgl.  Rom.  contre  les  objections  des 
Sienrs  Nicole,   Brueys  et  Ferrand,  par  le  Sieur  A.  D.  V.,  Amsterd. 
1687,    verb.  1709,   und  Le  tombeau  du  Socinianisme,   auquel  on  a 
ajout6  le  nouveau  visionnaire   de  Roterdam  etc.,    Francf.  1687    (Le 
nouveau  vis.,  gegen  Jnrieu,  war  schon  168o  allein  erschienen),  verb. 
1714. 

1687  wurde  verb.  Syntagma  thesium  in  academia  Salmn- 
riensi  disputatarum  sub  praesidio  Lud.  Cappelli,  Mosis  Amyraldi  et 
Josue    Placaei,    Saumur    1660 — 64,    4  vol.  4.      Von    M.  Amyraut, 


1)  Fabricius,  Hist.  Bibl.  1,  345.  Der  Jesuit  Adam  behauptet,  l^e  Diane 
sei  katholisch  geworden. 

2)  A.  Bernus,  R.  Simon,  p.  99.  R.  Simon,  Lettres  1,  87. 

3)  Räss,    Convertiten  8,  438.    Haureau,  Hist.  litt,  du  Maine  4,  199. 


Französische  protestantische  Theologen.  129 

J.  La  Place  and  Louis  Cappel  steht  sonst  nichts  im  Index.  Die 
Critica  sacra  des  Lud.  Cappellus  wurde  1650  von  seinem  katholisch 
gewordenen  Sohne  Joannes  herausgegeben  und  Petau,  Morin  und 
Mersenne,  welche  das  Buch  corrigirten,  erwirkten  dafür  ein  könig- 
liches Privileg,  welches  man  in  Rom  in  dem  Buche  eines  Haeretikers 
doch  ungern  gesehen  haben  soll  (Simon,  Lettres  1,  28). 

1640  wurde  verb.:  D^claration  du  Sieur  F.  Clouet,  cy-de- 
vant  appele  P.  Basile  de  Ronen,  predicateur  Capucin  et  Missionaire 
da  Pape,  oü  il  d6duit  les  raisons  qu*  il  a  eues  de  sa  Separation  de 
TEgl.  Rom.  pour  se  ranger  k  la  reform^e,  Sedan  1639,  12.,  und 
sonst,  auch  holländisch  und  deutsch.  Sein  Journal  du  capucin,  wel- 
ches 1642  zu  Poitiers  verbrannt  wurde,  steht  nicht  im  Index.  Jar- 
rige  sagt  in  seiner  Retractation  1650,  Clouet  sei  seit  zwei  Jahren 
wieder  katholisch^).  —  Zu  den  theologischen  Streitschriften  gehört 
auch  eine  1646  verbotene  Schrift  des  Genfer  Juristen  J.  Lect 
(1560-1611).  Der  französische  Jurist  Ant.  Favre  (1577—1624) 
hatte  in  dem  Codex  Fabrianus  definitionum  foi'ensium  et  rerum  in 
Sabaudiae  senatu  tractatarum,  Lyon  1606,  Fol.,  die  Genfer  Theo- 
logen angegriffen  und  das  katholische  Argument  von  der  Praescriptio 
geltend  gemacht.  Dagegen  ist  gerichtet:  Jacobi  Lectii  adv.  Codicis 
Fabriani  ra  Tipciinx  xaxöSo^a  praescriptionum  theologicarum  11.  2, 
Genf  1607,  8.2).  —  In  einem  Decrete  von  1624  (Alex.  No.  29) 
steht:  Conformitä  della  chiesa  Rom.  con  li  gentili,  liber  gallice 
conscriptus,  dafür  seit  Ben.:  Fran^.  de  Croy,  Les  trois  confor- 
mites,  savoir  Tharmonie  et  convenance  de  TEgl.  Rom.  avec  le  pa- 
ganisme,  judaisme  et  h^r^sies  anciennes,  1605  (deutsch  von  J.  J. 
Grasser:  Fr.  Croii  Heydnisches  Papstthum  u.  s.  w.,  1607,  U.  N. 
1727,  353;  englisch  1626,  Walch,  Bibl.  II,  371).  Aehnliche  spätere 
Schriften  sind:  Trait6  des  anciennes  c^remonies,  ou  bist,  conte- 
nant  leur  naissance  et  accroissement,  leur  entr6e  en  TFgl.,  et  par 
quels  degrez  elles  ont  pass6  a  la  superstition,  Quevilly  1637,  8., 
Amst.  1646  u.  s.  (der  Verfasser  nicht  bekannt,  der  Herausgeber, 
Jean  Porre,  nennt  sich  in  der  Widmung  an  Karl  II.),  verb.  1669; 
Les  Conformit6s  des  ceremonies  modernes  avec  les  anciennes, 
Genf  1667  (von  P.  Mussard,  deutsch  von  Hosmann:  Vorstellung 
der  vor  Zeiten  aus  dem  Heidenthum  in  die  Kirche  eingeführten 
Gebräuche,  1695,  Walch  1.  c),  verb.  1668.  —-  1609  wurde  ver- 
boten: L^Antechrist  Romain  oppose  k  TAntechrist  juif  du  Card. 
Bellarmin,  du  Sieur  Remond  et  autres,  s.  1.  1604;  bei  Ben.  noch 
richtig  unter  Antechrist,  jetzt:  Remond  (du  Sieur  et  autres),  L'an- 
techrist  .  .  .  Bellarmin,  als  ob  die  Schrift  von  dem  eifrigen  Anti- 
calvinisten  Florimond  de  Remond  (1570—1602)  und  anderen  gegen 
Bellarmin  geschrieben  wäre. 


1)  Bä88,  Convertiten  6,  237.  Backer  5,  740.  Hist.  de  Pedit  de  Nantes 
2,  160. 

2)  Jagler  8,  66.  Nie.  19,  293;  80,  185. 

Banaoli,  Index  IL  9 


130  Französische  protestantische  Theologen. 

Andere  kleine  Schriften  aus  dem  Anfange  des  17.  Jahrh.  sind: 
Apologie  ou  defense  des  chrätiens  qni  sont  de  la  religion  evang6- 
liqne  ou  reformee,  satisfaisant  k  ceux  qui  ne  veulent  vivre  en  paix 
et  Concorde  avec  eux;  Trois  table  s  espagnol-fran^aises:  la  1.  de 
Tancienne  doctrine  de  Dien  et  de  la  nouvelle  des  hommes,  la  2.  de 
la  C^ne  et  de  la  Messe,  la  3.  de  TAntechrist  et  de  ses  marques,  beide 
verb.  1624;  Comparaison  de  Tivangile  du  Pape  avec  l'6v.  de  J. 
C.  touchant  la  remission  des  pich^s  et  la  consecution  de  la  yie 
etemelle  (bis  Ben.:  Folium  idiomate  gallico  conscriptum:  Be  com- 
paratione  etc.),  verb.   1627. 

Später  wurden  noch  folgende  anonyme  Schriften  verb.:  Baume 
de  Galaad,  ou  le  v^ritable  moyen  d^obtenir  la  paix  de  Sion  et  de 
h&ter  la  delivrance  de  TEgl.,  1687,  verb.  1709,  von  G.  Torman;  — 
Le  cinqui^me  empire,  ou  trait6  dans  lequel  on  fait  voir  qn'  il  j 
aura  un  cinquieme  empire  sur  la  terre,  qui  sera  plus  grand  que 
celui  des  Assyriens,  des  Perses,  des  Grecs  et  des  Romains,  Haag 
1687,  12.,  verb.  1693,  von  einem  Hugenotten,  der  beweisen  will, 
Rom  und  Frankreich  würden  bald  untergehen  (U.  N.  1745,  515); 
—  Entretiens  curieux  ou  dialogues  rustiques  entre  plusieurs  per- 
sonnes  de  differens  6tats,  composez  d^un  stile  ais6  et  familier  pour 
l'utilit^  de  ceux  de  la  religion  reformee  etc.,  Amst.  1683,  verb. 
1 685,  schon  früher  erschienen  unter  dem  Titel :  Dialogues  rustiques 
.  .  .  par  J.  D.  M.,  Geneve,  J.  de  Baptista  1649;  vielleicht  ist 
Baptista  auch  der  Verfasser  (Reuchlin,  Port  Royal  I,  315);  — 
Les  entretiens  des  voyageurs  sur  la  mer,  Col.  1704,  und  2.  par- 
tie,  dans  laquelle  on  traite  de  plusieurs  affaires  concemant  Vitai 
et  la  religion,  Col.  1704,  von  der  Inq.  26.  Oct.  1707  verb.  „ut  1. 
cl."  (S.  88),  eine  spätere  Ausgabe,  Col.  1717,  verb.  1725.  Das 
Buch  war  schon  1683  erschienen;  es  enthält  Gespräche  auf  einem 
von  Amsterdam  nach  Hamburg  gehenden  Schiffe  über  die  Verfol- 
gung der  Hugenotten,  das  Papstthum,  die  Jesuiten  u.  dgl.  Als  Ver- 
fasser wird  Gedeon  Flournois  bezeichnet.  1740  erschien  eine  Aus- 
gabe in  4  vol.  12.^).  —  De  r^tat  de  l'homme  apr^s  le  pÄch6  et  de 
sa  Prädestination  au  salut,  Amst  1684,  verb.  1725,  von  Charles 
Le  Cene  (1647—1703),  enthält  nach  Bayle,  Oeuvres  IV,  613  le  pe- 
lagianisme  tout  pour.  Dagegen  steht  nicht  im  Index  das  im  Sinne 
Beverlands  geschriebene,  ganz  ungläubige  Buch:  Etat  de  Thomme 
dans  le  p^ch6  original  oü  Ton  fait  voir  quelle  est  la  source,  quelles 
sont  les  causes  et  les  suites  de  ce  pech^  dans  le  monde,  1714  u.  s., 
auch  unter  dem  Titel:  Hist.  de  T^tat  de  Thomme  dans  le  p.  o., 
1781  u.  S.2).  —  Histoire  apologetique,  ou  defense  des  libertez 
des  ^glises  reformees  de  France,  Amst.  1688,  3  vol.,  verb.  1703, 
von  Fr.  Gautier.  —   R6ponse   au  livre  de  Mgr.  TEveque  de  Con- 


1)  U.  N.  1733,  935;  1740  B,  235. 

2)  Freytag,  Anal.  453.  U.  N.  1732,  949.  Ueber  Le  Cöne's  Projet 
d*une  nouvelle  version  frang.  de  la  Bibl.  1696,  8.  Bayle,  Oeuvres  IV,  769. 
ü.  N.  1741  B,  118.  Baumg.  7,  16. 


Italienische  protestantische  Schriften.  131 

dorn  qui  a  pour  titre :  Exposition  de  la  doctrine  de  l'Egl.  cath.  sur 
leg  matieres  de  controverse,  1673,  12.,  verb.  1693,  von  M.-A.  La 
Bastide,  die  einzige  der  vielen  Gegenschriften  gegen  Bossuets  Buch, 
die  im  Index  steht  (auch  Jurieu's  Priservatif  contre  le  changement 
de  religion,  ou  id^e  juste  et  v^ritable  de  ia  rel.  cath.  rom.  oppos6e 
aux  portraits  flattis  qu^on  en  fait,  et  particnli^rement  a  celui  de  M. 
de  Condom,  1680,  wurde  nicht  speciell  verb.);  —  Recueil  de  plu- 
sienrs  pieces  cnrieuses  comme  il  se  verra  a  la  page  suivante,  Yille 
Franche,  1678, 12.,  verb.  1687,  enthält  zwei  ältere  satirische  Schriften 
gegen  Fr.  V6ron :  La  messe  trouvee  dans  l'Ecriture,  1646  (32  S.  8.) 
u.  8.,  nach  Haag  nicht  von  D.  Derodon,  sondern  von  Lucas  Jansse, 
und  Le  hibou  des  J^suites  oppos^  k  la  Corneille  de  Charenton,  1624, 
von  J.  Mestrezat,  gegen  Y^rons  La  Corneille  de  Charenton  (über 
die  Abendmahlslehre).  In  der  Schrift  von  Jansse  wird  Veron  ver- 
spottet, der  in  seiner  Uebersetzung  des  N.  T.  1646  Apg.  13,  2  xal 
ieiTOVoyovvfüty  uiicüv  r^}  xvgio)  mit  et  eux  disant  la  messe  au  Seig- 
nenr  übersetzt  hatte.  Es  wird  hier  erzählt,  Innocenz  X.  habe  sich 
sehr  erfreut  geäussert,  dass  die  Messe  nun  auch  in  der  Bibel  ge- 
funden worden;  der  Marquis  Purgatoire,  der  Graf  Merite  und  der 
Yicomte  Francarbitre  bitten,  sie  auch  in  die  Bibel  zu  setzen  u.  s.  w.  ^) 
Auffallender  Weise  steht  nicht  im  Index  das  anonym  in  Holland 
erschienene  Buch  des  Isaac  la  Peyr^re  (geb.  1594),  Praeadamitae 
8.  Exercitatio  super  v.  12 — 14  cap.  5.  Epistolae  ad  Rom  .  .  .  Item 
systema  theologicum  ex  Praeadamitarum  hypothesi.  P.  I.,  1655, 
welches  viele  Gegenschriften  hervorrief,  von  dem  Bischof  von  Na- 
mur  censurirt  und  in  Paris  verbrannt  wurde.  1656  wurde  Peyrore 
in  den  spanischen  Niederlanden  verhaftet,  auf  sein  Yerlangen  nach 
Rom  geschickt,  wo  er  katholisch  wurde  und  bei  seinem  Uebertritt 
sein  Buch  retractirte  (er  behauptete  auch  später,  aus  der  Bibel  lasse 
es  sich  nicht  widerlegen);  er  schrieb  darauf  I.  Peyrerii  Epist.  ad 
Philotimum,  qua  exponit  rationes,  propter  quas  ejuraverit  sectam 
Calvini,  quam  profitetabur,  et  1  ihr  um  de  Praeadamitis,  quem  edide- 
rat,  Rom,  Propaganda  1657,  4.,  u.  s.  Er  starb  1676.  Auch  sein 
Bach  Du  rappel  des  juifs,  1643,  enthält  wunderliche  Dinge ^). 


21.     Italienische  protestantische  Schriften. 

Protestantische  Schriften  in  italienischer  Sprache  erschie- 
nen im  17.  nnd  18.  Jahrhundert  nur  in  der  Schweiz  oder  sonst 


1)  U.  N.  1745,  567.  Götze  II,  708.  Das  Schriftchen  ist  zu  Genf  1821 
neu  gedruckt  worden. 

2)  R.  Simon,  Lettres  2,   1.  Räss,  Convertiten  7,  113.  Lecky,  Gesch. 
der  Auf  kl.  I,  230. 


132  Italienische  protestaDÜsche  Schriften. 

im  Auslände.  Der  einzige  bedeutende  Schriftsteller,  der  hieher 
gehört,  ist  Giacomo  Picenino  aus  Samaden,  Prediger  in  Soglio, 
von  welchem  die  Inquisition  1707—14  vier  Schriften  verbot  und 
mit  dessen  Widerlegung  sich  mehrere  katholische  Theologen  zu 
thun  machten.  Sonst  sind  nur  einige  kleine  Schriften,  nament- 
lich über  die  Kämpfe  im  Veltlin  (1620),  und  mehrere  lieber- 
Setzungen,  einige  von  Vincenzo  Paravicino,  zu  erwähnen  (vgL 
S.  69;  über  die  Bibelübersetzungen  s.  u.). 

Von  Picenino  wurde  1707  verb. :  Apologia  per  i  riformatori 
e  per  la  religione  riformata  contro  le  invettive  di  Fr.  Panigarola  e 
P.  Segneri  [in  L'incredulo  senza  seusa],  Chur  1706,  dann  1710: 
Vestimento  per  le  nozze  dell'  agnello  qui  in  terra,  Chur  1709. 
(Beide  wurden  1709  auch  in  Venedig  verb.;  Cecchetti,  Rep.  2,268). 
Die  in  demselben  Jahre  in  Zürich  erschienene  Concordia  del  ma- 
trimonio  e  del  minister io  in  forma  di  dialoghi  wurde  erst  1714  verb., 
gleichzeitig  mit  einer  vierten  Schrift.  Gegen  die  Apologia  schrieb 
nämlich  der  Jesuit  Andr.  Semery  Breve  difesa  della  vera  religione, 
Brescia  1710,  und  dagegen  Picenino  Trionfo  della  vera  religione 
contro  le  invettive  di  Andr.  Semery  S.  J.  esposte  nella  vile  difesa 
della  sua  religione,  Genf  1712.  —  Der  gelehrte  Benedictiner  Bac- 
chini  wollte  gegen  Picenino  18  Lettere  schreiben.  Gegen  die  ersten 
fünf  brachten  aber  die  beiden  in  Rom  bestellten  Censoren,  sein 
früherer  Gönner  Fontanini  und  ein  Dominicaner  (Fabroni,  Vitae 
7,  208),  so  viele  Einwendungen  vor,  dass  Bacchini  21.  Sept.  1707 
an  Passionei  schrieb:  er  schicke  ihm  die  Censuren  mit  seinen  Ge- 
genbemerkungen, beabsichtige  aber  das  Buch  nicht  zu  veröffentlichen, 
sondern  das  Manuscript  sammt  den  Censuren  und  Gegenbemerkungen 
in  einer  Bibliothek  zu  deponiren  (Aff6  5,  383).  Nach  Bacchini's 
Tode  (1721)  wurden  die  fünf  Briefe  von  seinem  Schüler,  dem  Bene- 
dictiner Sisto  Rocco  veröffentlicht :  Lettere  polemiche  contro  il  Sig. 
Giacomo  Picenino,  ministro  in  Soglio,  con  le  censure  alle  medesime 
e  le  osservazioni  su  di  esse,  Altdorf  (Mailand)  1738,  4.  Die  Cen- 
soren  beanstandeten  u.  a.,  dass  die  Briefe  italienisch  geschrieben 
seien.  Aber  der  Dominicaner  Vincenzo  Lud.  Gotti  (er  wurde  1728 
Cardinal)  schrieb  unbeanstandet  Vera  Chiesa  di  6.  C.  dimostrata 
da'  segni  e  da'  dogmi  contro  i  due  libri  di  Giac.  Pic.  [Apol.  und 
Trionfo],  Bologna  1719,  3  vol.  4,  (nochmals  1734  und  lateinisch 
von  dem  Dominicaner  Vinc.  Thom.  Covi,  Bologna  1750),  und  gegen 
die  Concordia  Colloquia  theologico-polemica,  1727.  Auch  der  Abt 
Aloys  Andruzzi  und  der  Augustiner  Hyacinth  Tonti  schrieben  gegen 
Pic.  (Hurter  2,  1248).  Eine  gegen  Tonti  gerichtete  Schrift  von 
Manelli,  Esame  placido  della  difesa  del  P.  Tonti  contro  TApol.  del 
Picenino,  Chur  1723,  steht  nicht  im  Index. 

Die  Con  Version  des  Frid.  Saliceus  (Salis),  eines  Enkels  des 
gleichnamigen  Hauptbeförderers  der  Reformation  in  Graubünden, 
veranlasste   mehrere  Schriften    von  Graubündener  Predigern.     Eine 


Picenino.    Pol.  Leyser.    Sandis  u.  a.  183 

derselben,  die  dem  Vater  und  den  beiden  Brüdern  des  Convertiten 
gewidmet  ist,  wurde  1640  verboten :  Storgae  Saliceae,  i.  e.  Epistola, 
in  qua  pater  orthodoxus  ülium  papistam  in  veritatis  viam  reducere 
conatur,  auth.  Stephano  Gabriele,  Ecclesiae  Ilantinae  in  Grisaeo 
Rbaetornm  Foedere  ministro,  Genf  1617^).  —  Bei  Gelegenheit  des 
Jubilaeuma  von  1 650  erschien :  Del  Giubileo  di  N.  S.  Innocenzo  X. 
con  il  sommario  degli  altri  passati  giubilei  e  del  vero  modo  di 
ottenere  pienissima  indulgenza  e  d'altre  cose  misteriose  e  divote, 
stampato  nella  Corte  di  S.  Pietro,  1650,  12.,  verb.  1651  (bei  Guicc. 
p.  137  mit:  composto  dal  R.  P.  M.  Fr.  di  Cremona;  vgl.  U.  N. 
1737,  547);  über  ähnliche  Schriften  s.  I  S.  587.  —  Als  Card.  Spinola 
Bischof  von  Lucca  geworden,  richtete  er  ein  Schreiben  an  die  Nach- 
kommen der  im  16.  Jahrhundert  nach  Genf  ausgewanderten  Luc- 
chesen,  um  sie  zur  Rückkehr  zur  Römischen  Kirche  zu  bewegen; 
es  wurde  in  Genf  1680  mit  einer  Erwiderung  gedruckt  (Cantü  3, 
720).  Darauf  verbot  die  Inquisition  (Fer.  V.)  1681 :  Libellus  quo- 
mndam  Genevensium  inscr.:  Lettera  deW  Emin.  Signor  Card.  Spinola 
Vescovo  di  Lucca  agli  oriundi  di  Lucca  stanzianti  in  Geneva,  con 
le  considerationi  sopra  d*essa  fatte  (mit  dem  Motto  1  Petr.  3,  15). 
Seit  Ben.  steht  die  Schrift  unter  Lettera  mit  dem  Zusätze:  quae 
coDsiderationes  sunt  Franc.  Turretini,  ministri  Genevensis. 

1  1619  wurden  verb.:  Due  prediche  catholiche,  una  delle  opere 
bnone,  Paltra  della  giustificatione  deir  huomo  con  Dio,  predicate 
nell'  Imperial  Palazzo  di  Praga  dal  B^y,  Padre  P.  L  i  s  e  r  o  (im 
Decrete  steht  Suero,  bei  Alex.  Silero,  erst  Ben.  hat  den  richtigen 
Namen  hergestellt),  eine  s.  1.  et  a.  (123  S.  16.)  erschienene  Ueber- 
setzung  von  „Zwo  christliche  Predigten  ...  zu  Prag  gehalten  als 
die  R.  K.  Maj.  Rodolphos  IL  .  .  von  dem  Churf.  zu  Sachsen  .  .  . 
Christian  IL  besuchet  ward,  jetzo  aber  in  offenem  Druck  publicirt 
von  wegen  des  vnnützen  Geschreyes  vnd  Gespeyes,  welches  zween 
Münch|  ein  Lojolitischer  [Andr.  Neupauer]  vnd  ein  Capuciner 
pLorenzo  da  Brindisi],  dor wider  erreget.  Durch  Polycarpvm  Leyser n 
D.,  Lpz.  1607,  120  S.  4.  Die  Vorrede  und  die  Postfatio  sind  scharf 
polemisch;  in  den  Predigten  selbst  wird  die  protestantische  Lehre 
ohne  Ausfälle  vorgetragen,  aber  gelegentlich  behauptet,  Karl  V., 
Ferdinand  I.  und  Maximilian  IL  hätten  sich  beim  Sterben  allein  auf 
die  Verdienste  Christi  verlassen.  Wo  die  Predigten  des  eifrigen 
Lutheraners  als  „katholische^*  Predigten  eines  „Hochw.  Paters**  ge- 
druckt sind,  ist  nicht  bekannt^).  —  Gleichzeitig  wurde  verb.  Re- 
Petition e  delli  principali  capi  della  dottrina  cristiana  cavati  dalla 
8.  scrittura. 

Edwin  Sandys,  ein  Sohn    des   gleichnamigen  Erzbischofs    von 

fork,    der    in  der    1.  Cl.   steht,    f  1629,    schrieb    1599    ein  Buch, 

Welches  1605    ohne  sein  Vorwissen   anonym    und    fehlerhaft,    1(329 

Von  ihm  selbst  correct  herausgegeben  wurde:  Europae  Speculum  or 


1)  Porta,  Bist.  Ref.  II,  287. 

2)  Stieve,  Briefe  und  Acten  V,  899.  Rosenthal  34,  1655. 


134  Italienische  protestantische  Schriften. 

a  view  or  survey  of  the  State  of  religion  in  the  westem  pari  of 
the  World,  wherein  the  Homan  religion  and  the  pregnant  policies 
of  the  Chnrch  of  Eome  to  support  the  same  are  notably  die- 
played  with  other  memorable  discoveries  and  commemorations  (wie- 
derholt gedrückt,  u.  a.  1673).  Davon  erschien  zu  Genf  1625  eine 
italienische  (1626  eine  französische)  Uebersetzung  mit  Znsätzen  zu 
den  zehn  ersten  Capiteln  (von  Sarpi?)  von  J.  Diodati;  diese  wurde 
1627  yerb.:  Relatione  dello  stato  della  religione  [e  con  quali  disegni 
&  arti  h  stata  fabbricata]  del  Cavalier  Edoino  Saudis,  tradotta 
dair  inglese  in  linguaggio  italiano^).  —  1C27  wurde  ferner  vcrb. : 
Instruttione  fondamentale,  se  una  setta  duri  pi&  6  meno  di  cent* 
anni:  similmente,  quäl  sia  Tantica  e  nuova  fede  e  dove  avanti  la  Bi- 
formatione  essa  sia  stata,  data  in  luce  dal  S.  6io.  Giac.  Breitingero, 
trasl.  da  Vincenzo  Paravicino,  servo  di  Cristo,  nell'  a.  1622,  Ueber- 
setzung von  Breitingers  „Bericht"  etc.  1620  (R.-E.  2,  604).  —  Della 
communione  con  Jesu  Christo  nell*  eucaristia  contra  1  Card.  Bellar- 
mino  e  du  Perron;  trattato  di  Giov.  Mestrezat  [Trait6  de  la  com- 
munion  etc.,  Sedan  1625],  trad.  per  V.  Paravicino,  ministro  della 
parola  di  Dio  nelle  chiese  di  Bondo  e  Castesegna  in  Bregaglia, 
wurde  1640  verb.  Andere  üebersetzungen  von  Paravicino,  —  er 
war  später  Prediger  der  italienischen  Gemeinde  in  Zürich,  —  Gom- 
pendio  delle  controversie  (von  Ch.  Drelincourt),  1630,  Del  combat- 
timento  christiano  (von  P.  du  Moulin),  1627  (Guicc.  216.  Suppl.  2, 
16),  stehen  nicht  im  Index.. —  1714  verbot  die  Inq.  Catechismo, 
nel  quäle  le  controversie  principali  di  questo  tempo  sono  brevemente 
decise  per  la  parola  di  Dio,  trad.  in  lingua  ital.  ed  accresoiuta, 
stampato  1668  [?]. 

Mit  der  Unterdrückung  des  Protestantismus  im  Veltlin  und 
der  Verfolgung  der  Waldenser  in  der  Markgrafschaft  Saluzzo  *)  hangen 
zusammen:  Vera  narratione  del  massacro  degli  evangelici  fatto  dai 
papisti  ribelli  nella  maggior  parte  della  Yaltellina  1620  a  di  9.  di 
Luglio  (von  Paravicino),  verb.  1621.  —  Memoriale  cujus  initium: 
Alla  Santitä  di  N.  S.  P.  Gregorio  XV.  il  clero  e  cattolici  di  Val- 
tellina,  verb.  1622  mit  dem  Zusätze:  prohibetur  tum  impressum, 
tum  imprimendum,  itaque  etiam  manuscriptum,  ubique  locorum  et 
sub  quovis  idiomate;  nach  dem  Archiv  für  Schweiz.  Reformations- 
gesch.  1,  534  ist  diese  Denkschrift  wie  zwei  andere,  an  die  Könige 
von  Spanien  und  Frankreich,  alle  drei  1621  gedruckt,  jede  12 — 18 
S.  4.,  von  dem  Jesuiten  Scipio  Carrara;  —  Lettres  des  fidöles  du 
marquisat  de  Saluces,  souveraineti  du  Duc  de  Savoye,  envoyies  k 
Mess.  les  pasteurs  de  Teglise  de  Genöve,  contenantes  Thist.  de  leur 
persicution  et  de  la  foy  et  constance  de  deux  martyrs  mis  k  mort 


1)  Wood  II,  472.  Nachr.  v.  der  Stollischen  Bibl.  2,  666.  Eine  fran- 
zösische Ausgabe,  Relation  de  Testat  de  la  religion  .  .  .,  s.  1.  1641,*  hat 
auch  die  Zusätze.    Eine  deutsche  Uebersetzung  1688. 

2)  Brosch,  Gesch.  des  K.-St.  1,  366. 377.  Henke,  Neuere  K.-G.  2,  164. 


Paravicino.    Veltlin.    Waldenser  u.  a.  186 

le  21.  d*Oct.  1619  par  sentence  de  rinquisition  et  du  Senat  de 
Piemont,  verb.  1624;  gleichzeitig:  Ragionamento  iu  materia  di  reli* 
gione  accaduto  tra  dueamici  italiani;  —  Antidoto  contra  le  calnnnie 
de*  Capncini,  composto  per  li  fideli  confessori  della  verit^  nelie 
Leghe  de'  Grigioni  (b.  1.  1624,12.,  Guicc.  Suppl.  2,  1),  verb.  1627. 

Histoire  ecclesiastique  des  ^glises  recueillies  en  quelques  val- 
lies  de  Piemont  .  .  .  autrefois  appeUes  iglises  Yaudoises,  1160 
— 1643,  par  Pierre  Gilles,  Pastenr  deVigl.  ref.  de  la  Tour,  Geneve 
1644,  wurde  1646  verb.  (Clement  9,  183;  Baumg.  1,  224);  dagegen 
steht  nicht  im  Index  die  ausführlichere  Hist.  g^n.  des  igh  evan- 
giliques  des  valläes  de  Piemont  ou  Yaudoises  .  .  .  jusqu'  k  Tan 
1664,  par  Jean  Leger,  Leyde  1669,  2  Fol.  (Baumg.  1,  175).  Von 
den  italienischen  Streitschriften,  welche  Gilles,  wie  er  eh.  61  be- 
riohtet,  gegen  den  Prior  M.  A.  Rorengo  ^)  und  den  Mönch  Theodor 
Belvedere  veröffentlichte,  steht  heine  im  Index.  Apologia  delle 
chiese  riformate  del  Piemonte  circa  la  loro  confessione  di  fede  e  la 
continua  successione  di  esse,  tanto  ne*  natu  del  paese,  quanto  ne' 
Valdesi,  contra  le  cavillationi  e  calunnie  del  Priore  Marco  Aurelio 
Borengo  di  Lucema,  Genf  1662,  wurde  1663  verb.,  aber  von  Ben. 
weggelassen. 

1722  verbot  die  Inq.  La  prattica  di  pietä  che  insegna  al  chri- 
stiano  il  vero  modo  di  piacere  a  Dio,  composto  in  lingua  inglese 
dal  S.  Luigi  Bayli,  .  .  Vescovo  di  Bangor,  trad.  nell'  ital.  da  G.  F., 
Coira  1720  con  licenza  de*  superiori  e  privilegio;  —  das  Schrift- 
chen von  Lewis  Bayly,  Hofprediger  Jacobs  I.,  Practice  of  piety, 
war  schon  1619  in  11.  Auflage  erschienen  und  ist  in  mehrere  Sprachen 
übersetzt  worden;  —  ferner:  Conversazioni  familiari  fra  due  fo- 
restieri  sul  punto  della  vera  ed  unica  religione  crist.;  studio  molto 
utile  e  necessario  per  confondere  e  convertire  gli  eretici  ostinati, 
dedicato  al  merito  grande  dell'  111.  S.  Gugl.  Burnetti  da  C.  C, 
Francf.  1711.  So  wird  der  Titel,  vollständiger  als  bei  Ben.,  in  der 
Raccolta  angegeben;  in  dieser  (nicht  im  Index)  steht  auch  Lettera 
stampata  in  Londra  trasmessa  da  persona  apostata  ed  eretica  che 
ha  per  titolo:  Lettera  a  N.  N.  scritta  da  Cristoforo  Caminata  etc. 
per  giustificare  la  sua  sortita  dalla  Chiesa  Romana  .  .  .,  Londra  25. 
Sett.  1707.  Dieser  Cr.  Caminata  wird  also  auch  der  C.  C.  sein,  der 
die  Conversazioni  herausgegeben.  Bei  beiden  Schriften  steht  in  der 
Baccolta  die  Bemerkung:  „Es  wird  erklärt,  dass  dieses  eines  der  in 
der  Bulla  Coenae  verdammten  Werke  ist  und  dass  darum  jeder, 
der  es  liest  oder  behält,  der  dem  h.  Vater  reservirten  Excommu- 
iiicatio  latae  sent.  verfällt."  (S.  7). 


1)  Memoria  historiohe  dell'  introduttione  dell*  heresie  nelle  valli  di 
*^ucema,  raarchesato  di  Saluzzo,  ed  altre  di  Piemonte,  del  Prior  Marc' 
Aurelio  Rorengo  de'  Conti  di  Lucerna,  Torino  1649,  4. 


136  Schriften  über  Päpste,  Inquisition  u.  dgL 

22.     Schriften  ober   die  Päpste,   die  Inquisition 

und  dgl  1600-1757. 

Es  Btehen  nicht  iiar  sehr  viele  polemische  Schriften  gegen 
das  Papstthnm  von  Protestanten  im  Index,  wie  deren  schon 
manche  §  16 — 21  angeführt  sind,  sondern  auch  geschichtliche 
Werke  über  die  Päpste  überhaupt  oder  über  einzelne  derselben, 
von  Protestanten  und  Katholiken,  auch  ein  Buch  des  Jesuiten 
Riccioli  über  die  päpstliche  Unfehlbarkeit,  freilich  nur  mit  d.  c 
Dazu  kommen  mehrere  Schriften  über  die  Inquisition  und  den 
Index,  über  die  Taxen  der  päpstlichen  Kanzlei  und  Datarie 
u.  s.  w.  Von  Gregorio  Leti  (1630 — 1701)  wurden,  ohne  Zweifel 
wegen  der  antipäpstlichen  Tendenz  seiner  Schriftstellerei,  schon 
1686  sämmtliche  Werke  verboten. 

Aus  dem  18.  Jahrh.  sind  noch  folgende  Verbote  von  prote- 
stantischen Schriften  nachzutragen:  Histoire  des  papes  et  souve- 
rains  chefs  de  Teglise  depuis  S.  Pierre  jusqu'  ä  Paul  V.,  2  vol., 
verb.  1628.  —  Historia  Pontificnm  Rom.  contracta  et  compendio 
perducta  usqne  ad  a.  1632  a  Jac.  Eevio,  Amst.  1632,  12.,  verb. 
1651  (in  dem  Decrete  und  den  älteren  Indices  steht  Reccio;  andere 
Schriften  von  Revius,  1586 — 1658,  sind  nicht  verb.).  —  Formatio 
et  exclusio  infrunitae  monarchiae  papalin,  auth.  Daniele  Lipstorpio, 
Jena  1656,  verb.  1662  (Lipstorp  war  Astronom  und  ist  bekannt 
als  Vertheidiger  des  Copernicanischen  Systems,  A.  D.  B.  18,  746). 
—  Wilh.  Christoph.  Eriegsmann,  De  attrito  per  papas  imperio 
deque  pontificatu  a  Caesare  ecclesiae  reique  publicae  causa  capes- 
sendo  dissertationes,  verb.  1687.  —  Nie.  V  edel  ins  (Wedel,  1596 
— 1642),  De  cathedra  Petri  s.  de  episcopatu  Antiocheno  et  Romano 
S.  Petri  11.  2  adv.  Baronium  et  Bellarminnm  pro  libertate  regnm, 
principuni  et  populorum  christianorum.  Ed.  2.  Genevensi  [1624] 
auctior,  Franeker  1640,  verb.  1693.  Nicht  im  Index:  Dispntatio  theol. 
de  magistratu  adv.  Bellarmini  librum  de  laicis,  1638,  die  1642  noch- 
mals als  De  episcopatu  Oonstantini  M.  s.  de  potestate  magistratuum 
reformatomm  circa  res  ecclesiasticas  erschien  und  viele  Streitschriften 
veranlasste  (Paquot  T,  251). 

Auf  einzelne  Vorgänge  beziehen  sich:  Clementis  VIII.  Fer- 
rariam  petentis  et  ingredientis  apparatus  et  forma,  verb.  1624  (Cle- 
mens VIII.  war  schon  1598  in  das  für  den  h.  Stuhl  gewonnene 
Ferrara  eingezogen;  Ranke,  Päpste,  WW.  38,  177).  —  Supplica 
alla  Santita  di  N.  S.  Papa  Paolo  V.  per  varii  cittadini  Bolognesi 
ed  altri  creditori  di  Girolamo  Bocchi,  Bologna  1619,  und  Replica 
d'una  supplica  diretta  a  N.  S.  Paolo  V.  da'  creditori  in  difesa  della 
verita  d'esse  e  dell*  honor  de'  creditori  et   altri  nominati  in  una  tal 


Papstgesohichte.  137 

risposta,  uscita  contro  detta  sDpplica,  Frcf.  1620,  beide  als  libelli 
famosi  yerb.  1627.  —  Ein  gewisser  Piccinardi,  der  eine  Biographie 
Clemens'  VIII.,  in  der  er  diesen  mit  dem  Kaiser  Tiberius  verglich, 
geschrieben,  aber  nicht  nur  nicht  veröffentlicht,  sondern  so  gut  wie 
niemand  mitgetheilt  hatte,  wurde  trotz  der  Verwendung  einiluss- 
reicher  Personen  gleich  nach  der  Thronbesteigung  Pauls  V.  auf 
der  £ngelsbrücke  enthauptet  (Ranke  a.  a.  0.  S.  212).  —  Die  1634 
mit  d.  c.  verbotene  Quinta  parte  de  la  historia  pontifical  por  Marco 
Guadalaxara  y  Xavier  (Carmeliter),  1630,  ist  eine  Fortsetzung 
des  Buches  von  Illescas  (I  S.  593)  und  handelt  von  Paul  V. 

Ein  Decret  vom  22.  Dec.  1700,  eines  der  umfangreichsten,  die 
es  gibt,  enthält  eine  ganze  Keihe  von  Schriften  über  die  Päpste, 
zunächst  von  Protestanten  die  Simonia  von  Goldast,  eine  Schrift  von 
Sibr.  Lubbertus  vom  J.  1610,  das  Breviarium  Pontificum  Eom.  .  .  .  a 
Line  usque  ad  Alexandrum  VII.  recensente  Jo.  Cunrado  Diete- 
richio,  Giessen  1660,  —  eine  wahrscheinlich  nicht  sehr  bedeu- 
tende zu  Corbach  1675  gedruckte  Chronologia  et  syncrotema  papa- 
tus,  quae  ex  avitis  aliisque  veridicis  authoribus  Inci  dedit  Jo.  Cor- 
nerus  (so  in  dem  Decrete,  in  den  Indices  Colnerus)  Wildunga- 
WaldeccuB  (dieser  Zusatz,  der  den  Mann  als  aus  Wildungen  in  Wal- 
deck gebürtig  bezeichnet,  ist  ausnahmsweise,  wohl  weil  man  ihn 
als  Bestandtheil  seines  Namens  ansah,  bis  heute  im  Index  beibe- 
halten), und  Jo.  Friedr.  Mayer,  De  Pontificis  Rom.  electione  liber 
commentarius,  cum  duarum  dissertationum  appendice,  1690.  Schulte, 
Gesch.  3,  2,  667  verzeichnet  von  ihm  noch  7  Dissertationen  über 
den  Papst,  und  Frank,  Gesch.  der  prot.  Theol.  2,  285,  Logica  pon- 
tificiomm  äXoyog,  Hamb.  1695.  Er  hat  auch  De  morte  Caroli  V. 
evangelica,  1682,  geschrieben;  die  genannte  Schrift  ist  die  einzige, 
die  im  Index  steht;  —  dann  von  Katholiken:  den  Conatus  von 
PapebrochiuR,  R.  P.  F.  Francisci  Carriere  Aptensis  [Minoritae 
Convent.  D.  Theol.]  Historia  chronologica  Pontificum  Rom.,  cum 
praesignatione  futurorum  ex  S.  Malachia.  Ed.  2.  aucta,  Lugd.  1663'*', 
c.  500  8.  12.,  mit  d.  c.  verb.,  —  Vitae  Paparum  Avenionensium 
h.  e.  historia  Pontificum  Rom.  qui  in  Gallia  sederunt  ab  a.  C.  1305 
usque  ad  a.  1394,  ed.  Stephanus  Baluzius  Paris  1693,  T.  I.  IL, 
—  und  Gesta  Pontificum  Rom.  ab  Innocentio  IV.  Rom.  Pontifice 
180.  usque  ad  Leonem  X.  P.  0.  M.  219.,  additis  Pontificum  ima- 
ginibus  etc.  Aut.  Jo.  Palatio,  J.  U.  D.  CoUegiatae  S.  M.  Matris 
Dni  Plebano  etc.  Operis  vol.  III.  Ven.  1688.  • 

Das  Buch  des  französischen  Minoriten  Carriere  (f  1665;  Hur- 
ter  2,  122)  ist  ein  Separatabdruck  eines  Anhanges  zu  seinem 
Fidei  catholicae  digestum,  1657,  2  Fol.,  und  ist  nicht  etwa  wegen 
der  dem  h.  Malaohias  zugeschriebenen  Weissagung  verb.  worden, 
wie  man  aus  der  ausdrücklichen  Erwähnung  dieser  bei  der  Wieder- 
gabe des  Titels  schliessen  könnte  (Carr.  behauptet  übrigens  nicht 
deren  Echtheit),  sondern  ohne  Zweifel  wegen  einiger  Gallicanismen : 
neben  anderen  Verzeichnissen  gibt  Carriere  auch  eins  der  Pontifices 
male  affecti  in  Galliam:  Nicolaus  III.,  Bonifaz  VIII.  (sein  Brief 
an  König  Philipp  und    dessen  Antwort    Sciat    maxima    fatuitas   tua 


188  Schriften  über  Päpste,  Inquisition  u.  dgl 

werden  mitgetheilt),  Julius  II.,  Leo  X.,  Hadrian  VI.,  Alexander  VII. 
(über  den  Streit  zwischen  dem  französischen  Gesandten  und  dem 
Bruder  des  Papstes  wird  kurz  berichtet);  ferner  werden  die  sechs 
Sätze  der  Sorbonne  über  die  Gewalt  des  Papstes  vom  J.  1663  mit- 
getheilt  mit  der  Bemerkung,  sie  seien  allgemein  recipirt.  Im  J.  1694 
erschien  das  Buch  nochmals  mit  einer  Fortsetzung  der  Geschichte 
der  Päpste  bis  auf  Innocenz  XII.  von  einem  andern  Franciscaner. 
Das  Buch  von  Baluzius  wurde  nach  Val6ry  2,  359  verb.  wegen 
der  Vorrede,  worin  er  sagt,  durch  die  nach  Avignon  übergesiedelte 
Curie  seien  die  Laster  der  Italiener  nach  Frankreich  gebracht  worden, 
und  worin  er  die  Vergleichung  der  Avignon'schen  Periode  mit  dem 
babylonischen  Exil  widerlegt.  —  Auffallender  Weise  steht  nicht  im 
Index  Petri  Gastellani,  Magni  Franciae  Fleemosynarii,  vita  auctore 
Petro  Gallandio,  Regio  lat.  lit.  Prof.,  St.  Baluzius  primus  edidit  et 
notis  illustravit.  Accedunt  P.  Gastellani  orationes  duae  habitae  in 
funere  Francisci  I.,  Par.  1674  (Clement  9,  37).  Die  beiden  Reden 
von  Castellan  (du  Chastel),  Bischof  von  Macon,  waren  schon  1549 
gedruckt;  weil  er  darin  gesagt,  man  dürfe  hoffen,  dass  der  König 
im  Paradise  sei,  wurde  er  in  der  Sorbonne  der  Leugnung  des  Feg- 
feuers verdächtigt.  Die  Vita  hatte  Galland  für  Margaretha,  die 
Tochter  Franz*  I.,  geschrieben.  Es  kommen  starke  Sachen  über  Rom 
darin  vor.  Galland  erwähnt  z.  B.,  Castellan,  der  übrigens  kein  An- 
hänger der  Reformation  war,  habe  geschildert  Pontificum  Rom.  su- 
pinas  libidines,  avaritiam  et  rapacitatem,  religionis  contemtum  soper- 
biamque  cardinalium,  luxum  et  ignaviam  nundinationesque,  canpo- 
nationes  et  flagitia  reliqua  aulicorum  Romanensium,  und  die  Ueber- 
zeugung  ausgesprochen,  ne  Pontifices  quidem  Rom.  tot  suis  suorumque 
flagitiis  contaminatos  vere  et  ex  animo  Christum  colere,  quae  antem 
in  religione  facerent,  retinendae  dominationis  causa  veluti  larva  ad 
fallendum  apposita  egregie  simulare.  Baluzius  schickte  das  Buch 
dem  Card.  Bona  (diesem  hatte  er  1672  auch  seine  Ausgabe  der 
Dialogi  Augustini  de  gratia  geschickt ;  Bona  lobte  seine  Annotationes, 
nonnullis  exceptis,  de  quibus  te  amice  moneo;  Bonae  Epp.  ed.  Sala, 
No.  287.  317.  365).  Man  hat  in  Rom  wirklich  an  ein  Verbot  des 
Buches  gedacht.  Ein  Consultor  der  Inquisition,  Michelangelo  Ricci, 
schreibt  1675  an  Card.  Leopold  Medici  (Lettere  inedite,  Firenze 
1773,  II,  191.  194):  ein  Blatt  habe  Bai.  neu  drucken  lassen  müssen 
(es  handelt  sich  um  eine  ziemlich  harmlose  Stelle  über  Margaretha 
von  Navarra);  *von  den  Aeusserungen  Castellans  über  Rom  sage 
Bai.  in  der  Vorrede,  er  billige  sie  nicht;  aber  manche  schrieben 
ihm  un  certo  prurito  contro  la  corte  di  Roma  zu,  und  darum  sei 
schon  mehr  als  ein  Buch  von  ihm  verboten  und  die  Neigung  vor- 
handen, auch  andere  zu  verbieten.  Ausser  der  Ausgabe  des  Buches 
von  de  Marca  war  übrigens  von  Bai.  nur  (1674)  verb.  Antonii 
Augustini  dialogorum  lihri  duo  de  emendatione  Gratiani  cum  notis 
et  novip  emendationibus  ad  Gratianum,  1672,  2  vol.  8.,  und  sp&ter 
wurde  ausser  den  Vitae  P.  Av.  nichts  von  ihm  verboten.  Man  be- 
greift darum  nicht  recht  die  unmuthige  Aeusserung,  welche  Card. 
Querini  (Commentarii  1,  214)  von  ihm  berichtet:  Je  travaille  poor 


BaluziuB  u.  a.  139 

l'Index  de  Rome.  Ein  Eömisclier  Theologe  wie  Zaccaria,  Storia  p.  319, 
durfte  yielmehr  sagen :  die  Bitterkeit  (il  fiele  amarisBlmo  o  piuttosto 
il  veleno)  gegen  Rom,  die  Bai.  in  allen  (?)  seinen  Werken  bekunde, 
rechtfertige  nicht  nar,  dass  einige  wenige  derselben  verboten  worden, 
sondern  lasse  es  verwunderlich  erscheinen,  dass  man  die  anderen 
verschont  habe. 

Von  dem  Werke  des  Palatins  (Palazzi)  wurden  1703  der  4. 
und  6.,  1709  der  1.  und  2.  Band  verb.,  1709  auch  Fasti  cardinalinm 
S.  E.  E.,  Ven.  1701,  3  Fol.,  —  warum,  erhellt  nicht.  Schon  1693 
war  von  ihm  verb.  Armonia  contemplativa  sopra  la  vita  di  Giesü 
Cristo,  delli  santi  Filippo  Neri,  Ignatio  Lojola,  Caietano  di  Tiene  e 
Teresa  di  Giesü,  .  .  .  consegrata  all*  Altezza  Ser.  d'  Anna  Maria 
Isabella  .  .  .,  Antw.  1690,  vielleicht  weil  ohne  Erlaubniss  ausser- 
halb Roms  gedruckt  (I  S.  341). 

Im  18.  Jahrb.  wurden  bis  1757  noch  verb.:  Jo.  Georgü  Fues- 
lini  Conclavia  Romana  reserata,  Tiguri  1692,  verb.  1714;  —  Vie  du 
Pape  Alexandre  VI.  et  de  son  fils  Cesar  Borgia,  contenant  les 
guerres  de  Charles  VIII.  et  Louis  XII.  rois  de  France,  avec  les  pieces 
originales  .  .  .  par  Alex.  Gordon,  Amst.  1732,  2  vol.  8.,  verb. 
1734  (aus  dem  Englischen  übersetzt);  —  Disquisitio  chronologica 
de  successione  antiquissima  episcoporum  Rom.  inde  a  Petro  usque 
ad  Victorem  .  .  .  Acced.  4  dissertationes  .  .  .  Auct.  Jo.  Phil.  Bara- 
terio,  ültrajecti  1740,  4.,  verb.  1748.  Baratier,  ein  Sohn  eines 
evangelischen  Pfarrers,  Mitglied  der  Berliner  Academie,  starb,  erst 
19  Jahre  alt,  5.  Sept.  1740.  Die  Disq.  sollte  der  Vorläufer  eines 
gprössem  Werkes  über  die  Eirchengeschichte  der  ersten  Jahrhunderte 
sein.  Er  sucht  (in  den  Dissertationen)  die  Echtheit  der  apostolischen 
Constitutionen,  aller  Ignatianischen  Briefe,  der  Clementinen  und 
der  Areopagitischen  Schriften  nachzuweisen,  aber  er  lässt  Petrus 
nur  2  Jahre  in  Rom  sein  und  die  ersten  Römischen  Bischöfe  anders 
auf  einander  folgen  als  Baronius  (Morery  s.  v.  U.  N.  1741  B,  59). — 
Histoire  des  papes  depuis  S.  Pierre  jusqu'  k  Benoft  XIII.  inclusi- 
vement,  5  vol.  4.,  Haye  1732 — 34,  verb.  1750.  Der  Verf.  ist  der 
Franzose  Fr.  Bruys,  der  im  Haag  Protestant,  1736  wieder  Katholik 
wurde,  t  1738  (Nie.  42,  130).  Der  Plan,  das  Buch  ins  Deutsche 
zu  übersetzen,  wurde  aufgegeben,  „um  die  Zahl  schlechter  Bücher 
halbgelehrter  Leute  nicht  zu  vermehren'*  (Baumg.   2,  383). 

Auffallender  Weise  steht  nicht  im  Index  die  History  of  the 
Popes  von  Archibald  Bower,  die  1748  ff.  in  7  Bänden  erschien  und 
viele  Auflagen  erlebte.  Bower  bezeichnet  sich  auf  dem  Titelblatt 
als  frühern  Professor  in  Rom,  Fermo  und  Macerata  und  Consultor 
der  Inquisition  zu  Macerata.  £r  war  ein  geborener  Schotte,  wurde 
1702  in  Rom  Jesuit,  verliess  1726  Italien  und  wurde  Anglicaner, 
t  1766.  Auch  die  deutsche  Bearbeitung  seines  Buches  von  Ram- 
bach,  Magdeb.  1751 — 80,  steht  nicht  im  Index.  —  Auch  eine  von 
dem  Benedictiner  Casimire  Freschot  bald  nach  1700  anonym  her- 
ausgegebene Schrift  über  die  Päpste  von  Clemens  VIII.  bis  Cle- 
mens XI.  hätte  wohl  einen  Platz  im  Index  verdient:  L*etat  du 
siige  de  Rome,  dhs  le  commencement  du  si^cle  pass^  jusqu'  k  pr6- 


140  Schriften  über  PäpstOi  Inquisition  u.  dgl. 

sent.  See  papes,  leurs  familles,  leurs  inclinations  .  .  .  Av^c  nne 
id^e  du  gouvernement,  des  mani^res  et  des  maximes  politiqnes  de 
la  cour  de  fiome,  Cologne  s.  a.,  3  vol.  8. 

Auffallend  ist  das  Verbot  von  zwei  Biographieen  heiliger 
Päpste:  Vie  du  P.  Pie  V.,  6crite  en  italien  par  Acatio  de  Somma 
et  mise  en  fran^ais  par  M.  F.,  Par.  1672,  12.,  verb.  1674.  Der 
Verfasser  war  nach  Toppi  Dr.  jur.  und  königlicher  Ehrencaplan  zu 
Neapel  1623 — 49,  der  üebersetzer,  Felibien,  Gesandtschaftssecretär 
zu  Rom  und  ein  frommer  Katholik,  f  1695.  Er  hat  ein  Supple- 
ment beigefügt  über  die  Tugenden  und  das  verborgene  Leben  des 
Papstes.  Pius  V.  wurde  1672  selig  gesprochen  ;  wahrscheinlich  ist 
das  Buch  nur  verboten,  weil  es  gegen  die  Verordnung  ürbans  VIII. 
(s.  u.)  verstiess;  —  Vita  dell'  ammirabile  monaco  e  papa  S.  Pietro 
Celestino,  scritta  dal  R.  P.  Franc.  Ant.  Giorgi  d'Alessano,  Neapel 
1689,  verb.  1690  (Coelestin  V.,  der  1294  einige  Monate  Papst  war 
und  1296  starb,  war  schon   1313  canonisirt). 

Bald  nach  seinem  Erscheinen  wurde  1669  mit  d.  c.  verboten 
ein  Buch  des  Jesuiten  Jo.  Bapt.  Riccioli  (1598 — 1671),  Immuni- 
tas  ab  errore  tam  speculativo  quam  practioo  definitionum  S.  Sedis 
Apost.  in  canonizatione  sanctornm,  in  festorum  eccl.  institntione  et 
in  decisione  dogmatum,  quae  implicite  tantum  in  verbo  Dei  scripto 
vel  tradito  continentur,  propugnata,  Bon.  1668,  4.  Was  in  dem 
Buche  corrigirt  werden  sollte,  ist  nicht  bekannt;  Benedict  XIV.  citirt 
es  in  seinem  Werl?e  De  beatif.  wiederholt,  ohne  das  Verbot  zu  er- 
wähnen. Von  dem  Buche  des  Franciscaners  Franc.  Bordoni,  Sacmm 
tribunal  judicum  in  causis  fidei  contra  haereticos,  Rom  1648,  be- 
richtet Albit.  p.  13,  es  sei  darin  die  Quaestio  gestrichen  worden 
(das  Buch  steht  übrigens  nicht  im  Index),  ob  auch  Definitionen,  die 
der  Papst  sine  consultatione  gebe,  als  unfehlbar  anzusehen  seien, 
weil  dieser  Fall  moralisch  unmöglich  sei,  cum  Dens,  qui  assistit 
definitionibus  fidei,  assistat  etiam,  ut  media  adaptentur  praedictis 
definitionibus.  —  Tractatus  de  officio  et  jurisdictione  Datarii  et  de 
stylo  Datariae,  auct.  Theodoro  Amydenio,  in  Rom.  Curia  causarum 
et  regio  advocato,  ad  S  D.  N.  Innocentium  X.,  wurde  1653  verb., 
weil  der  Verfasser,  der  Flamländer  Ameyden,  obschon  er  in  Rom 
lebte,  das  Buch  ohne  Erlaubniss  auswärts  hatte  drucken  lassen 
(I  S.  341).  Er  selbst  wurde,  wahrscheinlich  weniger  dieser  Ver- 
öffentlichung wegen  als  weil  er  Avvisi  für  die  spanische  Regierung 
schrieb  (I  S.  452),  ausgewiesen,  durfte  aber  nach  dem  Tode  Inno- 
cenz'  X.  zurückkehren.  Der  Tractat  ist  übrigens  auch  Ven.  1654 
gedruckt  und  Col.  1701  eine  Editio  in  Germania  prima  ab  innume- 
ris  mendis,  quae  antehac  irrepserant,  expurgata  erschienen  ^). 

Etat  present  de  l'Eglise  Romaine  dans  toutes  les  parties  du 
monde,  ecrit  pour  l'usage  du  P.  Innocent  XI.  par  Urban  Cerri, 
Secretaire  de  la  Propagande,  avec  une  6pitre  dedicatoire  de  Richard 


1)  Ciampi,  Inuocenzo  X.  p.  257.   Schulte  3,  1,  699. 


Riccioli.    Cerri.    Misson  u.  a.  Inquisition.  141 

Steele  an  P.  Clement  XI.,  contenant  T^tat  de  la  religion  de  la 
&rande-Bretagne,  trad.  par  J.  Eemond,  Amst.  1716*,  verb.  1721.  Die 
englieche  Ausgabe  war  1715  erschienen.  Das  Bach  wird  wohl  zu* 
nächst  wegen  der  Dedications-Epistel  verb.  worden  sein ;  ohne  Zweifel 
hat  man  aber  auch  die  Veröffentlichung  des  interessanten  Berichtes 
des  Secretärs  der  Propaganda^)  ungern  gesehen  (die  Abschrift 
stammte  aus  St.  Gallen  und  war  von  da  nach  Zürich  gekommen). 
Nicht  im  Index  steht:  The  Romish  Ecclesiastical  History  of  late 
years.  By  R.  Steele  Esq.,  Lond.  1714*,  8.,  eine  polemische  Be- 
schreibung eines  Canonisationsprocesses  ans  dieser  Zeit.  Von  Steele's 
Spectator  wurde  1745  ein  französischer  Auszug  verb.:  Le  Specta- 
teur  ou  le  Socrate  moderne,  Amst.  1716,  6  vol.  —  Nouveau 
voyage  d* Italic  avec  un  memoire  contenant  des  avis  utiles  ä  ceux 
qui  voudront  faire  le  meme  voyage,  par  Maximilien  Misson, 
Haye  1717,  3  vol.,  und  Remarques  sur  diverses  endroits  d'Italie 
par  M.  Addison  pour  servir  de  4.  tome  au  Yoyage  de  M.  Misson, 
Paris  1722,  beide  verb.  1729.  Misson  war  ein  französischer  Pro- 
testant, der  seit  der  Aufhebung  des  Edicts  von  Nantes  in  England 
lebte.  Sein  Reisehandbuch,  das  erste  ausführliche  derartige  Buch, 
fand  vielen  Beifall  (deutsche  Uebersetzung  1713).  Das  Verbot  ist 
erklärlich;  denn  er  erzählt,  wie  Sainjore  2,  439  sagt,  plusieurs 
choses  divertissantes  ou  p]ut6t  badines,  ist  ein  eifriger  Calvinist, 
glaubt  an  die  Päpstin  Johanna,  und  erzählt  arge  Dinge  von  Reli- 
quien und  dgl.  (Paulinus,  Die  Märtyrer  der  Katakomben  S.  42).  — 
Fiscus  papalis  sive  catalogus  indulgentiarum  et  reliquiarum  Septem 
principalium  ecclesiarum  Urbis  Romae,  Lond.  1621,  verb.  1622, 
wird  gewöhnlich  Thomas  James,  von  anderen  William  Crashaw  zu- 
geschrieben (Pope  Blount  p.  945). 

Von  den  über  die  Inquisition  handelnden  Büchern  verbot  die 
Index-Congr.  1690  Relation  del'  inquisition  de  Goa,  Par.  1688, 
die  Inq.  1694  das  Werk  von  Limborch  und  Histoire  de  Tinqui- 
sition  et  son  origine,  Col.  (Brux.)  1693,  502  S.  12.  Die  erste 
Schrift  ist  ein  Bericht  des  französischen  Arztes  C.  Dellon,  der  von 
der  Inquisition  zu  Goa  zu  5  Jahren  Gefängniss  in  Lissabon  verur- 
tbeilt,  von  dort  aber  entkommen  war.  Er  sagt,  die  spanische  In- 
quisition sei  plus  rüde  als  die  Römische,  die  portugiesische  schlimmer 
als  die  spanische,  die  von  Goa  aber  noch  ganz  anders  als  die  euro- 
päische (Arnauld  3,  41).  Ein  Jesuit  in  Wien  wollte  Leibniz,  wie 
dieser  an  den  Landgrafen  Ernst  schreibt  (Rommel  2,  177),  aufbinden, 
der  Bericht  sei  eine  Erdichtung.  Die  Hist.  de  l'Inq.  —  die  im  span. 
Index  unter  dem  Namen  des  iingirten  Verlegers  dieser  und  vieler 
anderer  Schriften,  Pierre  Marteau  zu  Köln,  steht,  —  ist  von  dem 
fiegular-Canoniker  Jacques  Marsollier  zu  Usez,  f  1724  (J.  des  Sav. 
1694,  331),  von  welchem  auch  die  Histoire  de  Torigine  des  dix- 
mes,  des  benefices  et  des  autres  biens  temporeis  de  F^glise,  1689, 
1700  verb.  wurde,  während  seine  Apologie  ou  justification  d^Erasme, 


1)  Mejer,  Propaganda  I,  107.  128;  II,  116  u.  s. 


142  Schriften  über  Päpste,  Inquisition  n.  dgl. 

1713,  zwar  scharf  angegriffen  warde  (Harter  2,  1133),  aber  nicht 
in  den  Index  kam^).  —  1721  warde  anch  verb.  L'inquisition  fran- 
gaise,  on  Thist.  de  la  Bastille  par  M.  Const.  de  Renneville, 
Amst.  1711  (1724,  5  vol.;  der  5.  Band  ist  das  Bach  von  Dellon). 
Der  Verfasser,  ein  Calvinist,  hatte  wegen  angeblicher  Correspondenz 
mit  fremden  Mächten  11  Jahre  in  der  Bastille  gesessen  und  wurde 
dann  verbannt;  er  starb  in  £ngland  1724.  —  Im  span.  Index  steht 
auch  De  origine  et  progressu  Ofiicii  S.  Inquisitionis  .  .  .  Aut.  Lud. 
a  Paramo,  .  .  Regni  Siciliae  Inquisitore,  Madr.  1598,  Fol.,  aber 
lediglich,  um  zu  bemerken,  dass  darin  p.  888  in  einer  Bulle  Plus*  IV. 
der  Druckfehler  sacramentis  ab  ecclesia  institutis  in  sacr.  in  eccl. 
inst,  zu  corrigiren  sei.  Mendh.  p.  304  beschreibt  ein  Exemplar,  in 
welchem  sacr.  a  Christo  inst,  corrigirt  ist.  Die  Angabe  von  Peignot, 
das  Buch  sei  sans  ^clat  von  der  Inqaisition  unterdrückt  worden, 
klingt  nicht  glaublich. 

Von  den  Schriften  über  den  Index  steht  ausser  der  Vorrede 
von  Pappus  und  Junius  nur  eine  im  Index,  eine  wissenschaftlich 
unbedeutende,  aber  heftig  polemische:  Danielis  Franc!  Disquisitio 
academica  de  papistarum  Indicibus  librorum  prohibitorum  et  expur- 
gandorum,  Lips.  1684,  4.,  verb.  1688.  In  einem  Briefe  an  Th.  Spizel 
vom  Febr.  1686  (Schelh.  Am.  lit.  14,  608)  berichtet  Francke:  der 
ganze  Vorrath  von  Exemplaren  seines  Buches  sei  von  dem  kaiserlichen 
Büchercommissar  zu  Frankfurt  confiscirt  worden  und  dieser  verlange, 
auf  dem  Titelblatte  solle  Papistarum  gestrichen  werden,  wozu  er 
sich  aber  nie  verstehen  werde. 

Eine  Ausgabe  der  Taxen  der  päpstlichen  Poenitentiarie  steht 
bereits  im  Clementinischen  Index,  (I  S.  421).  1654  wurde  eine 
von  dem  Schweden  Laurenz  Banck,  Prof.  in  Franeker,  f  1662,  be- 
sorgte und  mit  polemischen  Noten  versehene  Ausgabe  der  Taxen 
der  päpstlichen  Kanzlei  verb.:  Taxa  sacrae  cancellariae  Romanae 
in  Incem  emissa  et  notis  illustrata  a  Laurentio  Banck  Norcopiensi 
Gotho^  Phil,  et  J.  U.  D.  et  Prof.  Frisio.  Accedit  Index  latino-bar- 
barus  cum  indice  titulorum,  rerum  et  verborum,  Franeker  1651. 
1662  wurde  dieses  Buch  nochmals  verboten,  aber  beigefügt:  et 
Tariffa  delle  spedizioni  della  Dataria.  Dieser  Tarif  (aus  der  Zeit 
Innocenz'  X.)  steht  aber  in  dem  Buche  von  Banck,  und  ist  meines 
Wissens  nicht  separat  erschienen.  Eine  Reihe  von  anderen  Aus- 
gaben der  Taxen  der  Poenitentiarie,  Kanzlei  und  Datarie  blieb  in 
Rom  unbeachtet;  nur  die  Simonia  Curiae  Rom.  von  Goldast  vom 
J.  1612  wurde  nach  fast  100  Jahren,  1700  verb.  (S.  91).  Gleich 
nach  seinem  Erscheinen  wurde  1820  verb. :  Taxes  des  parties  casu* 
elles  de  la  boutique    du  Pape,   redig^es  par  Jean  XXII.  et  publikes 


1)  Die  Bücher  von  Dellon  und  Marsollier  sind  wieder  abgedruckt 
in  der  von  Goujet  anonym  herausgegebenen,  nicht  verbotenen  Bist,  des  in- 
(luisitions,  Col.  17G9*,  2  vol.  8.;  hier  sind  auch  die  Memoires  pour  servir 
a  l'hist.  de  Tinq.,  1717,  2  vol.  abgedruckt,  die  gleichfalls  nicht  im  Index 
stehen. 


Index.    Taxen.    Leti.  143 

par  Leon  X.,  selon  lesquelles  on  absout  etc.  Far  M.  Julien  de  Saint- 
Acheal,  Paris  1820,  528  S.  8.  Dieser  Schrift,  wahrscheinlich 
von  CoUin  de  Plancy,  liegt  zu  Grunde  eine  schon  im  16.  Jahrh. 
erschienene,  aber  nicht  verbotene  :  Taxe  des  parties  casuelles  de  la 
brmtiqne  du  Pape.  £n  latin  &  en  fran^ois.  Avec  annotations  .  .  . 
Par  A.  D.  P.  [d.  i.  Antoine  du  Pinet],  Lyon  1564,  Leyden  1607 
tt.  8.^). — Von  L.  Banck  wurde  ausserdem  noch  1658  verb.:  Pompa 
triumphalis  s.  actus  inaugurationis  et  coronationis  Innocentii  X.  P. 
M.  brevis  descriptio  cum  omnibus  triumphis  et  ceremoniis  eidem 
actni  additis.  Accedit  in  fine  Appendix  de  quarundam  ceremoniarum 
papalinm  origine,  Franeker  1645,  324  S.  12.  (£d.  2.,  1656,  480 
S.  12.,  mit  12  Figuren;  Banck  hatte  die  Krönung  Innocenz'  X. 
selbst  mit  angesehen),  —  dagegen  nicht  De  tyrranide  Papae  in 
reges  et  principes  christianos  diascepsis,  Fran.  1649,  und  Bizzarie 
politiche,  overo  raccolta  delle  piü  notabili  prattiche  di  stato  nella 
christianita,  messa  alla  luce  da  Lor.  di  Banco,  Fran.  1658,  314  S.  12. 
(Clement  2,  398;  Nie.  41,  384). 

Eine  nicht  lange  nach  Banck  erschienene  dickleibige  pole- 
mische Schrift  von  Matthias  Zimmermann,  Superintendent  in  Meissen, 
wurde  erst  1703  verboten:  Dorothei  Asciani  S.  S.  Theol.  D.  Moutes 
pietatis  Romanenses  historice,  canonice,  theologice  detecti.  Praemit- 
titur  justus  tractatus  de  nervis  rerum  gerendarum  Kom.  ecclesiae. 
Subjungitur  biga  scriptorum  pontificiorum :  Nie.  Bariani  Augustiniani 
Montes  impietatis  et  Mich.  Papafavae  Decisio  contra  montes  pietatis. 
Opusculum  omnium  facultatum  et  curiosioris  literaturae  studiosis 
leotn  jncundum  et  utile,  Lips.  1670*,  964  und  120  S.  4.  ohne  die 
Register,  also  nicht  gerade  ein  opusculum,  auch  nicht  lectu  jucun- 
dum,  ausser  den  Monti  di  pietä  auch  die  ganze  Papstgeschichte  und 
viele  andere  Dinge  behandelnd  und  manches  Interessante  enthaltend. 
—  La  ruine  du  papat  et  la  simonie  de  Rome,  avec  une  lettre  cir- 
culaire  addressee  aux  p^res  dont  les  filles  desertent  leurs  maisons 
et  la  religion  pour  se  faire  nonnains,  1677,  verb.  1679. 

Von  Gregorio  Leti 's  Büchern  sagt  M.  Brosch,  Gesch.  des 
E.-St.  1,  485:  ,,Bie  ruhen  auf  Kömischem  Grunde  und  sind  aus  ihm 
zugetragenem  Römischen  Material  entstanden  .  .  .  Leti,  den  heutzu- 
tage die  Kritik  mit  Recht  verurtheilt  und  verwirft,  hat  dem  17. 
Jahrhundert  durch  seine  für  uns  ganz  werthlose,  von  ihm  nichts 
weniger  als  richtig  angewandte  Sachkenntniss  Römischer  Dinge  im- 
ponirt.  £r  ist  in  seiner  Mache  die  Flüchtigkeit  selbst,  gewissenlos 
und  fähig,    Erfundenes    oder  höchst    zweifelhaften  Gewährsmännern 


1)  Bayle  s.  v.  Pinet.  Ph.  Woker,  Das  kirchliche  Finanzwesen  der 
Papste,  1878,  S.  65.  Banck  gibt  den  altern,  unzweifelhaft  authentischen 
Text  der  Taxen  der  Kanzlei  und  der  Datarie  (Woker  S.  74.  136),  die 
Simonia  einen  Theil  des  echten  Textes  der  Taxen  der  Poenitentiarie,  (S.  79), 
da  Pinet  einen  Text  der  Taxen  der  apostolischen  Kammer  von  zweifel- 
hafter Authentie  (S.  84.  86).  Zu  den  von  Woker  S.  76  verzeichneten  Schrif- 
ten ist  1879  noch  eine  von  A.  Dupin  de  Saint-Andre  hinzugekommen. 
Deutscher  Merkur  1879,  SSI. 


144  Schriften  über  Päpste,  Inquisition  u.  dgl. 

Nacherzähltes  für  G-eschichte  za  geben.  Allein  die  Menschen  glaub- 
ten ihm  aufs  Wort,  weil  sie  sahen  oder  es  verspürten,  ohne  sich 
darüber  Kechenschaft  geben  zu  können,  dass  hier  ein  Mann  spreche, 
der  den  KömiRchen  Hof  durchblickt,  ins  Detail  kennt  und  in  den 
massgebenden  Charakterzügen  erkennt.  Seine  Schilderungen  der 
Gurial-  und  Conclaven- Vorgänge  wurden  für  haare  Münze  genommen, 
obwohl  sie  dies  nachweislich  selten  genug  waren;  denn  sie  fielen 
regelmässig  nach  der  Seite  aus,  von  der  auch  den  Zeitgenossen  das 
Treiben  des  Römischen  Hofes  bekannt  und  geläufig  war."  Ein  Yer- 
zeichniss  von  Leti's  Schriften,  die  übrigens  nicht  alle  von  italieni- 
schen Dingen  handeln,  gibt  Placcius  p.  659:  es  sind  75  Bändchen, 
diejenigen  nicht  mitgezählt,  die  nur  theilweise  von  ihm  sind  oder 
die  er  ableugnet  (vgl.  Niceron,  deutsche  Ausg.  3,  317).  In  den 
älteren  Indices  stehen  zehn  Schriften  von  Leti  und  alle  und  jegliche 
Werke  desselben  als  am  2.  Juli  1686  verb.,  und  dann  noch  La 
strage  de'  riforraati  innocenti  als  1703  verb.,  —  die  17  1661  und 
62  erschienenen  Discorsi,  aus  denen  dieses  Werk  besteht,  werden 
einzeln  aufgeführt,  —  seit  Ben.  heisst  es  einfach:  Gr.  Leti,  opera 
omnia,  decr.  22.  Dec.  1700  (im  span.  Index  steht  er  in  der  1.  CL). 
Noch  jetzt  aber  werden  18  pseudonyme  und  anonyme  Bücher  von 
Leti,  die  1666 — 82,  durchweg  bald  nach  dem  Erscheinen,  verb.  wur- 
den, im  Index  einzeln  aufgeführt:  Giulio  Capocoda,  L'amore  di 
Carlo  Gonzaga  dnca  di  Mantova  e  della  contessa  Margarita  della 
Kovere,  Ragusa  (Genf)  1666 ;  Vita  di  Donna  Olimpia  Maidalchini 
che  governö  lachiesa  durante  il  pontificato  d'Innocenzo  X.  1644 — 55, 
scritta  dair  abate  Antonio  G ual di,  Cosmopoli  (Leyden)  1666  (Eanke, 
Päpste,  WW.  29,  172);  von  letzterer  auch  eine  neue  Ausgabe: 
Vita  di  D.  Ol.  M.  Pamfili  principessa  di  S.  Martino,  cognata  d'In- 
nocenzo  X.  S.  P.,  (Florenz)  1781  (über  andere  Ausgaben,  auch  Eom 
1849,  und  die  französische  und  deutsche  Uebersetzung  s.  Ciampi, 
Innocenzo  X.  p.  401);  II  Parlatorio  delle  monache.  Satira  oomica 
di  Balth.  Sultan  in i,  Genf  1G56  (nach  Ciampi  p.  398  von  Pietro 
Bruni);  Vita  di  Sisto  V.  Pontefice  Eom.  -scritta  dal  Sig.  Geltio 
Eogeri  all'  instanza  di  Greg.  Leti,  Lausanne  1669^);  Dialoghi 
historici  ovvero  compendio  bist.  delF  Italia  e  dello  stato  presente 
de*  prencipi  e  reppu bliche  italiane,  dell'  Accademico  Incognito;  Dia- 


1)  Ranke,  39,  69*.  Villani,  Yisiera  111  sagt,  das  Buch  sei  bald  nach 
dem  Erscheinen  verb.  worden,  was  die  wenig  gottesfürchtigen  Buchhänd- 
ler veranlasst  habe,  es  quanti  plurimi  zu  verkaufen.  Eine  französische 
Uebersetzung,  Vie  du  P.  Sixte  V.,  erschien  anonym  Paris  1685  u.  8.,  eine 
deutsche  Köln  1706.  Eine  Bearbeitung  der  französischen  Uebersetzung 
ist:  SixtusV.  und  seine  Zeit.  Von  Job.  Lorentz,  Mainz  1852.  Prof.  Konrad 
Martin  in  Bonn,  später  Bischof  von  Paderborn,  hatte  den  Eichsfeldischen 
Pfarrer  veranlasst,  das  französische  Buch  zu  tibersetzen,  und  Kirohheim 
und  Schott,  die  Uebersetzung  zu  drucken,  und  meinte,  es  sei  eine  inter- 
essante und  nützliche  Lectürc  für  das  katholische  Volk.  Dass  es  sich  um 
Leti*s  Buch  handelte,  davon  hatte  keiner  der  Betheiligten  eine  Ahnun?. 
Als  der  Pfarrer  Meuser  zu  Alfter  dieses  in  einer  Zeitung  constatirte,  wurde 
das  Buch  aus  dem  Buchhandel  zurückgezogen. 


Scliriften  über  die  morgenländische  Kirche.  145 

loghi  politici  owero  la  politica,  che  usano  in  qnesti  tempi  i  pren- 
cipi  e  reppubliche  ital.  per  conservare  i  loro  stati;  II  Nipotismo  di 
Roma  owero  relazioni  delle  ragioni,  che  muovono  i  pontefici  all' 
aggrandimento  de'  nepoti,  (Amsterdam)  1667^);  II  Puttanismo 
romano  owero  conclave  generale  delle  puttane  della  corte,  con 
Tagginnto  d'un  dialogo  tra  Pasquino  e  Marforio  sopra  ristesso  sog- 
getto,  Londra(?)  1669  (Melzi  2,  388);  II  Sindicato  di  Ales- 
sandro  VII.  con  il  suo  viaggio  nell'  altro  mondo  (U.  N.  1714,  580); 
n  Cardinalismo  di  santa  chiesa,  diviso  in  tre  parti;  V  Am- 
hasciata  di  Komolo  a' Homani,  Brüssel  1671  (mit  Pasquinaden  aus 
der  Zeit  der  Sedisvacanz  nach  dem  Tode  Clemens'  IX.);  Li  Segreti 
di  statu  dei  prencipi  dell'  Europa,  rivelati  da  varii  confessori  politici, 
Bologna  1670;  Le  Yisioni  politiche  sopra  gPinteressi  di  tatti  i 
prineipi  e  reppnbliche  della  christianitä,  mit  dem  Anhang:  Pasquino 
esilato  da  Eoma;  Itinerario  della  corte  di  Koma,  o  teatro  della 
Sede  apostolica,  auch  unter  dem  Titel:  Precipitii  della  Sede  apo- 
Btolica  owero  la  corte  di  Roma  perseguitata  e  perseguitante ;  II 
Yaticano  languente  dopo  la  morte  di  demente  X.,  con  i  remedii 
preparati  da  Pasquino  e  Marforio  per  guarirlo,  Parte  I.,  II.  e  III. ; 
II  Livello  politico  o  sia  la  giusta  bilancia,  nella  quäle  si  pesano 
tutte  le  massime  di  Roma,  Parte  I. — IV.;  L'In  quisitione  pro- 
cessata,  Opera  storica,  Col.  1681.  —  La  vita  di  Cesare  Borgia, 
detto  poi  il  dnca  Valentine,  descritta  da  Tomaso  Tomas!,  Monte 
Chiario,  Lucio  Vero  1655,  4.,  verb.  1656,  ist  später  wiederholt  con 
nn'  aggiunta  di  G.  L.  (Gregorio  Leti)  erschienen  (Melzi  3,  233), 
1789  in  2  vol.  neu  gedruckt  (Nov.  lett.   1789,  177). 

1669  wurde  verb.  La  Rome  ridicule,  caprice  du  Sieur  de 
Saint'Amant,  s.  1.  et  a.,  von  Marc- Anto ine  de  Gerard  Sieur  de 
Saint-Amant,  Mitglied  der  französischen  Akademie,  f  1661.  Seine 
Oeuvres,  meist  komische  und  lascive  Poesieen,  waren  schon  1629, 
1642  u.  8.  erschienen  (Baillet  1493). 


23.    Schriften  aber  die  morgen! ändische  Kirche. 

Wie  im  16.  Jahrhundert  (I  S.  511),  so  wurden  auch  im  17. 
und  18.  nur  verbältnissmässig  sehr  wenige  Schriften  von  grie- 
chischen Theologen  auf  den  Index  gesetzt,  von  Barlaam  und 
Sguropulos  aus  älterer  Zeit,  von  Cyrillus  Lukaris,  Nektarius, 
Philippus  Cyprius  aus  dem  17.  Jahrb.  Dazu  kommen  Schriften 
eines  übereifrigen  unirten  Griechen,   Jo.  B.  Catumsyritus.    Von 


1)  Innocenz  XII.  erliess  23.  Juni  1692  eine  Bulle  gegen  den  Nepo- 
tismus (Bull.  12,  182).  Damals  erschien:  Nepotismus  theologice  expensus. 
S.  L  et  a.*  (1692),  16.  (von  dem  Card.  Sfondrato). 

BeiUBch,  Index  II.  10 


146  Schriften  über  die  raorgenländische  Kirche. 

Schriften  abendländischer  Theologen  wurden  verboten  eine  von 
Richard  Simon  und  einige  von  Thomas  Smith  (§  49)  und  mehrere 
weniger  bedeutende  von  protestantischen  Schriftstellern,  zum 
Theil  akademische  Dissertationen. 

Barlaamufl  monachuR  de  principatu  nen  primatn  papae  Jo. 
Luydio  iiiterprete  (Oxford  1592),  wurde  erst  1609  verb.,  nach  dem 
Erscheinen  von  Nili  Archiep.  Thessalonic.  11.  2  de  primatn  papae 
Komani  (I  S.  275)  .  .  .  Item  Barlaami  mon.  1.  de  princ.  etc., 
ed.  Gl.  Salmasiufl,  1608.  (Barlaam,  EaRilianer  ans  Calabrien,  im 
15.  Jahrh.,  wurde  übrigens  später  unirt  und  Bischof  von  Geraci  in 
Süditalien).  — Sylvestri  Sguropuli  fSyropuli]  Vera  historia  unio- 
nis  non  verae  inter  graecos  et  latinos,  sive  Concilii  Florentini  exac- 
tissima  narratio,  cum  notis  Roberti  Creyghton,  Haag  1660,  verb. 
1682.  Creyghton,  Prof.  in  Cambridge,  t  1672  als  Bischof  von  Bath, 
hat  nach  einer  ihm  von  Isaac  Vossius  gegebenen  Abschrift  des  griech. 
Textes,  —  nach  Renaudot  und  A.  Schurius,  Epist.  1,  33.  35,  sehr 
frei  und  ungenau,  —  tibersetzt  und  in  der  Vorrede  und  den  Noten 
viel  polemisirt.  Leo  Allatius  schrieb  1674  gegen  ihn  (K.-L.  10, 
626).  Es  ist  um  so  auffallender,  dass  das  Buch  erst  1682  verb.  wurde. 

Tov  naw  kvq  Nectarii  Patriarchae  Hierosolymitani  Confn- 
tatio  imperii  papae  in  ecclesia,  Lond.  1702*,  verb.  1709,  ein  dicker 
Octavband,  ist  die  von  P.  All  ix  herausgegebene  ITebersetzung  der 
zuerst  1682  gedruckten  Schrift  des  Nektarius  (Pichler,  (xesch.  der 
kirchl.  Trennung  1,  24.  474);  —  Gregor  ins  bieromonachus  Chius 
protosyncellus,  Synopsis  dogmatum  eoclesiafiticoruni  vernaculo  grae- 
corum  idiomate,  verb.  1651,  ein  1635  zu  Venedig  erschienener  neu- 
griechischer Catechismus,  von  dem  Sainjore  1,  186  einen  Auszug 
gibt;  —  Chronicon  ecclesiae  graecae,  quod  primus  e  Byzantino  mscr. 
ed.  Philippus  Cyprius,  magnae  eccl.  Ctp.  ante  hos  40  annos  proto- 
notarius,  latineque  vertit  Nie.  Biancardus.  Henr.  Hilarius  recen- 
suit.  Acc.  in  fine  app.  bistoriac  patriarcliicae  .  .  .,  1087,  verb.  1693;  — 
Lettres  anecdotes  de  Cyrille  Lucar,  Patriarch e  de  Constp.,  sa  con- 
fession  de  foy  aveo  des  remarques.  Concile  de  Jerusalem  tenu  con- 
tre  lui  avec  un  examen  de  sa  doctrine.  Attestations  et  piöces  diverses 
touchant  la  creance  des  grecs  modernes  examinees  selon  les  regles 
de  la  thiologie  et  du  droit,  Amst.  1718,  verb.  1720,  ist  eine  neue 
Titelausgabe  der  1708  von  J.  Aymon  herausgegebenen  Monuments 
authentiques  de  la  religion  des  grecs  (ü.  N.   1718,  809). 

In  dem  Decrete  vom  9.  Mai  1636  (Alex.  No.  39)  werden 
verb.  Jo.  Bapt.  Catumsyriti  Italo-Graeci  opera,  exceptis  iis  quae 
ab  auctore  sunt  recognita,  Komae  iterum  edita  ac  probata.  1632 
war  zu  Venedig  mit  Approbation  mehrerer  Doctoren  und  der  Inqui- 
sition und  mit  einer  Widmung  an  Card.  Franc.  Barberini,  den  Ne- 
poten  Urbans  VIII.,  ein  Quartband  erschienen:  Vera  utriusque  Eccle- 
siae sacramentorum  concordia,  auct.  J.  B.  Catumsyrito,  S.  Th.  Dr. 
Italo-Graeco  Rhegino;  in  der  schon  von  1629  datirten  Widmung 
bezeichnet  er  sich  als  olim  deuterins  post  protopapam  in  coUegiata 


Catumsyritus.    Abudacnus  u.  a.  147 

eccl.  graeoa,  mox  canonicus  et  vicarias  gen.  Crassetanas.  £r  polemi- 
Rirt  darin  gegen  das  1619  erschienene  Buch  De  concordia  Ecclesiae 
occidentalis  et  orientalis  in  Septem  sacramentorum  administratione 
des  in  Rom  lebenden  Grriechen  Petrus  Arcudius,  den  er  schon  unter 
Paul  V.  bei  der  Inquisition  denuncirt  hatte,  weil  er  nach  seiner 
Meinung  den  lateinischen  Standpunkt  den  Griechen  gegenüber  nicht 
entschieden  genug  geltend  machte.  Die  Inquisition  verbot  nicht  nur 
das  Buch  von  Cat.,  sondern  hielt  ihn,  wie  Albit.  p.  308  berichtet, 
in  Kom  zurück,  damit  er  nicht  seine  übel  klingenden  Ansichten 
unter  den  Griechen  verbreiten  könnte.  In  seinem  Eifer  gegen  die 
Griechen  war  er  so  weit  gegangen,  selbst  Päpste  anzugreifen  und  n.  a. 
zu  sagen,  Bellarmin  sei  von  den  Griechen  Eudaemon  Joannis  nnd 
Monsero  irregeführt  worden  und  habe  selbst  den  Papst  irregeführt, 
der  das  Euchologium  von  Grottaferrata  approbirt  habe;  Pontifices 
si  approbarunt  illud  euchologium,  errasse  in  Me  nee  audiendos; 
ferner :  Innocenz  IV.  habe  gelehrt,  die  einzelnen  Gebräuche  bei  der 
Ordination  seien  nicht  von  Christus,  sondern  von  der  Kirche  ange- 
ordnet worden,  und  die  Canonisten  vcrtheidigten  diese  Ajisicht  per 
fas  et  nefas  nnd  sagten,  der  Papst  oder  ein  Bischof  könne  mit  den 
blossen  Worten:  sis  sacerdos,  sis  diaconus  gültig  weihen,  was  auf 
die  von  dem  Conc.  Trid.  s.  23,  can.  3  verdammte  ketzerische  An- 
sicht Luthers  hinauslaufe^).  Eine  corrigirte  Ausgabe  des  Buches 
von  Cat.,  die  im  Index  als  erschienen  vorausgesetzt  zu  werden 
scheint,  existirt  übrigens  nicht. 

Josephi  Abudacni  Historia  Jacobitarum  seu  Coptorum  in 
Aegjrpto,  Lybia  .  .  .  cum  annotationibus  Jo.  Nicolai  vulgavit  Sig. 
Havercampus,  Leyden  1742,  217  S.  8.,  verb.  1765.  Abudacnus  war 
Professor  der  orientalischen  Sprachen  in  Löwen  im  Anfange  des 
17.  Jahrh.2).  Seine  Hist.  Jacob,  wurde  zuerst  zu  Oxford  1675  von  Tho- 
mas Maresohallus  herausgegeben,  30  S.  4.,  dann  von  J.  H.  Seelen, 
Lübeck  1733 ;  Havercamps  Ausgabe  ist  wegen  der  weitläufigen 
Noten  von  Jo.  Nicolai  verb. 

Georgii  Dousa  de  itinere  suo  Constantinopolitano  epistola, 
1599,  verb.  1619,  enthält  auch  Briefe  von  Griechen,  u.  a.  von  dem 
Patriarchen  Meletius  von  Alexandria  (Paquot  3,  391).  —  Elias 
Veielius,  Exercitatio  hi8t.-theol.  de  ecclesia  graecanica  hodiema, 
verb.  1662,  ist  eine  praes.  J.  C.  Dannhauer  zu  Strassburg  verthei- 
digte  Dissertation.  Die  Defensio  exercitationis  . . .  adv.  refutationem 
Senis  Chii  i.  e.  Leonis  AUatii,  1666,  und  andere  Schriften  von 
Veiel  (t  1706  in  Ulm;  Fabricius  Hist.  B.  4,  429;  A.  E.  1697,483) 
stehen  nicht  im  Index.  —  Mich,  van  Oppenbusch,  Exercitatio  hist.- 
theol.,  in  qua  religio  Moscovitarum  breviter  delineata  etc.,  Strassb. 
1686,  und  Jo.  Ulr.  Wildt^  Ecclesia  aethiopica  breviter  adumbrata. 


1)  Sainjore  3,  223.  lieber  Arcudius  s.  Hurter  1,  654.  Werner,  Gesch. 
der  apol.  Lit.  3,  94  u.  s. 

2)  Abu-Dhakn  =  Vater  des  Bartes;  er  nennt  sich  auch  Jo.  Bar- 
batus:  Spcculum  hebraicum  .  .  .  auct.  Jo.  Barbato  Memphitico,  Lov.  1615. 
Backer  4,  2.  Clement  1,  18.  Lessing,  Werke,  1842,  4,  120. 


ii8  Judaica. 

Ed.  2.,  Strassb.  1672  (beides  Dissertationen),  verb.  1703.  —  Histoire 
de  Testat  de  Teglise  grecque  et  de  Teglise  armenienne  par  M.  le 
Chevalier  Ricaut,  trad.  de  l'anglais  par  M.  de  Rosemond,  lf)(>8, 
verb.  1732  (Paul  Ricaut  war  englischer  Gesandter  in  der  Türkei). 
—  Von  Mathurin  Veyssiere  la  Croze,  geb.  1661,  Mauriner,  seit 
1696  Protestant,  t  zu  Berlin  1739,  wurden  1742  verb.:  Histoire 
du  christianisme  des  Indes,  1724,  und  Uist.  du  christ.  d'Ethiopie 
et  d'Armenie,  1739  (Saiujore  4,  1.  33.  U.  N.   1743,  973). 

lieber  das  Buch  des  protestantischen  Theologen  Jo.  Herbinius 
(A.  D.  B.  12,  41),  Religiosae  Kijovienses  cryptae  sive  Kijovia  sub- 
terranea,  Jena  1675  (mit  Kupfern),  verb.  1677,  berichtet  Benedict  XIV. 
De  beatif.  1.  4,  p.  1,  c.  30,  n.  24:  die  Einwohner  von  Kiew  glaubten, 
ihre  Stadt  sei  das  alte  Troja  und  in  den  dortigen  Katacomben  lägen 
noch  unverwest  die  Leiber  des  Priamns,  Hector  u.  a. ;  Herbinius 
sage  dagegen  auf  Grund  der  Mittheilungen  eines  russischen  Archi- 
mandriten,  es  seien  Leiber  von  Heiligen,  die  seit  600  Jahren  unver- 
west geblieben  seien,  und  suche  zu  beweisen,  dass  dieses  ein  Wunder 
sei ;  in  Rom,  meint  Benedict,  nehme  man  ein  solches  Wunder  auf 
solche  Gründe  hin,  wie  sie  Herbinius  anführe,  nicht  als  erwiesen  an. 


24.     Jndaica. 

Nachdem  zu  Rom  1675—94  die  Hibliotbeca  rabbinica  von 

Bartolocci  und  Imbonati   erschienen    war,   wurden    1703  einige 

ganz  planlos  ausgewählte  rabbinische  Schriften  verboten,  denen 

1755 — 66  noch  einige  beigefügt  wurden.    Ausserdem  sind  einige 

Uebersetzungen  rabbinischer  Schriften  und  eine  lateinische  und 

eine  spanische  Schrift  von  jüdischen  Verfassern  verboten,  die  Tela 

ignea  von  Wagenseil  wegen  eines  Abschnittes  der  Vorrede,  eine 

ungeschickte   antisemitische   Schrift    des    italienischen  Mönches 

Vincenti  und  —  freilich  erst  1776  —  eine  Vertheidigung  gegen 

eine  solche. 

Die  Titel  der  hebräischen  Bücher  werden  hebräisch  und  latei- 
nisch angeführt.  Die  hebräischen  Wörter  sind  bei  Ben.  correct 
gedruckt,  in  den  älteren  und  neueren  Indices  gräulich  entstellt^).  Ueber 
eine  der  zwei  Schriften  von  R.  Jacob,  filius  Chaviv,  filii  Salomonis, 
die  1703  verb.  wurden,  —  sie  war  seit  1546  wiederholt  zu  Venedig 
gedruckt,  —  sagt  Bartolocci  3,  844:    es  sei  ein  Spicilegium  talmu- 


1)  Der  Drucker  des  Index  von  1752  scheint  keine,  hebräischen  Typen 
gehabt  zu  haben.  P.  261  (unter  L.)  fängt  ein  Artikel  bei  ihm  an:  Latine 
autem  sie  vertitur:  Liber  Jalkut  (von  R.  Simeon). 


Judaica.  1 49 

dicum,  und  das  Verbot  des  Talmud  werde  illusorisch  gemacht,  wenn 
man  dergleichen  Bücher  passiren  lasse.  Die  Schrift  vonMordechai 
fil.  [in  den  neuesten  Indices:  Filip.]  Arje  Loew  ist  nach  Wolf  1,  590 
eine  1701  erschienene  cabbalistische  Schrift.  Der  dritte  Autor,  von 
dem  1703  ein  Buch  (ein  BibelcommentÄr)  verb.  wurde,  R.  Simeon 
Haddarsan,  lebte  nach  Wolf  1,  1129  im  Anfange  des  14.  Jahrh. 
und  sein  Buch  war  seit  1521  wiederholt,  1650  in  Li  vorn  o  gedruckt; 
diese  Ausgabe  wurde  verb. 

ni'^j:"«  -ID01  nn:?o  Jipn  ]V^  "»13^*^,  lat.  Portae  Sion,  Praepa- 
ratio  convivii  et  über  formationis,  verb.  1757,  ist  ein  Buch  des  R. 
Nathan  Hannover,  welches  ascetische  Zugaben  zum  Ritualbuche  ent- 
hält, 1662  u.  0.,  mit  den  beiden  Zugaben,  einer  Schrift  über  das 
Tischgebet  und  dem  bekannten  cabbalistischen  Buche  Jezira  zu  Ven. 
1701,  12.,  u.  0.  gedruckt.  Nach  Wolf  1,  924  wurde  R.  Schabtai 
wegen  einer  in  seiner  Druckerei  zu  Dyrenfurth  erschienenen  Aus- 
gabe im  Anfange  des  18.  Jahrh.  zu  Breslau  gefangen  gesetzt,  weil 
ein  Jesuit  angegeben,  das  Buch  enthalte  Schmähungen  gegen  die 
christliche  Religion,  namentlich  gegen  die  h.  Maria.  —  Jalkut 
Heubeni,  i.  e.  Raccolta  di  Rabbin  Reuben  Oschi,  1766  von  derinq. 
verb.,  ist  ohne  Zweifel  das  seit  1660  wiederholt  gedruckte  hebräische 
Buch  des  Prager  Rabbinen,  der  bei  Wolf  1,  1011  Rüben  Fil.  Hoschke 
lieisst. 

Von  dem  1755  verbotenen  O'^brtn  "ido  nD\c,  lat.  Pulchritudo 
libri  Psalmomm,  una  cum  D"^bnn  '«Dlöiij,  i.  e.  usu  Psalmorum,  Man- 
tuae  1714  sive  alibi,  ist  mir  ^)  nur  der  Anhang  bekannt,  ein  unzähligen 
jüdischen  Psalmenausgaben  beigedrucktes  Schriftchen,  welches  lehrt, 
wie  man  die  Psalmen  zur  Bereitung  oder  Weihung  von  Amuleten 
u.  dgl.  gebrauchen  soll.  Wahrscheinlich  sind  Uebersetzungen  oder 
Nachbildungen  dieses  Schriftchens:  Brevis  expositio  psalmorum  cum 
eorum  virtutibus  pro  salute  corporis  et  animae  et  augenda  substantia 
inundi  etc.,  Ven.  1534  (circumfertur  cum  Psalterio  D.  Hieronymo 
interprete),  im  Lissaboner  Index  von  1624;  II  Salmista  di  David 
secondo  la  biblia,  con  la  virtü  dei  detti  salmi  appropriata  per  la 
salute  delP  anima  e  del  corpo  e  per  lo  accrescimento  della  sostan- 
tia  di  questo  mondo,  verb.  1621;  La  dichiaratione  delli  150  salmi 
di  David  con  le  sue  vere  esplicazioni  e  virtü,  estratta  da  molti  libri 
di  virtuosi  rabbini  ebrei,  con  una  insigne  tabella  dei  caratteri  ebrei 
e  8ue  virtü.  In  Colonia,  per  il  Daniele,  verb.  1714.  Von  dem  Ge- 
brauche der  Psalmen  bei  Zaubereien  spricht  Albit.  p.  498. 

üeber  Precetti  d'essere  imparati  dalle  donne  ebree  .  .  .  com- 
posti  per  Rabbi  Benjamin  d'Arodonio  in  lingua  tedesca  e  tradotti 
per  R.  Giacob  Alpron.  Aggiunt(»vi  molti  avvertimenti  importantissimi 
e  nel  fine  diversi  precetti  dMnsalar  le  carni  ecc,  Ven.  1710,  verb. 
1732,  s.  Bayle  s.  v.  Arodon.  lieber  Rosales  s.  §  29.  —  Von  den 
zahlreichen    Schriften    des    portugiesischen    Juden   Menasseh    Ben 


1)   bezw.  Prof.  Gildemeister,    der  mir  bei    diesem  Paragraphen  ge- 
holfen. 


150  Judaioa. 

Israel,  der  mit  Daniel  Huet  und  anderen  christlichen  Gelehrten  in 
Beziehungen  stand  und  als  Synagogen- Vorsteher  zu  Amsterdam  1657 
starh  (Paquot  1,  99),  steht  im  Index  nur  De  resurrectione  mortuo- 
rum  11.  3,  1636,  verh.  1656.  —  Der  Titel  des  1755  verhotenen 
span.  Schriftchens  heisst  vollständig :  Oracion  panegyrico-doctrinal 
sohre  la  mala  tentacion,  que  compuso  Mardojai  Ben  Ahraham  de 
Soria  j  que  recit6  un  discipulo  suyo  en  dia  que  entro  en  Barmisba 
(als  er  in  das  14.  Lebensjahr  eintrat),  Liorna  1751,  8.  (Steinschneider, 
Cat.  B.  Bodl.  p.  1758). 

Sententiae  et  proverbia  rabbinorum,  Lud.  Henr.  Daquin  inter- 
prete,  verh.  1622.  Der  üebersetzer  war,  wie  sein  gelehrterer  und 
schriftstellerisch  fruchtbarerer  Bruder  Philipp,  Lehrer  des  Hebräischen 
in  Paris,  ein  getaufter  Jude ;  sie  stammten  aus  Aquino  in  Süditalien, 
daher  Aquinas,  Aquinius  oder  d'Aquin  (Bayle  s.  v.).  —  Jo.  Chrph. 
Wagenseil,  Tela  ignea  Satanae,  h.  e.  arcani  ethorribiles  judaeorum 
adv.  Christum  Deum  et  christ.  religionem  libri  avtxcJoroi,  1681,  fünf 
jüdische  Schriften  mit  ausführlicher  Widerlegung  enthaltend,  wurde 
1686  verb.,  wohl  nur  wegen  der  in  der  Vorrede  stehenden  Bemer- 
kungen de  modo,  quem  tribunal  Komanum  in  librorum  censura  et 
proscriptione  observare  solet,  u.  dgl.  (Imbonati  p.  98).  —  R.  Mosis 
Maimonidae  de  idololatria  liber  cum  interpret.  lat.  et  notis  Dionysii 
Vossii,  Amst.  1668  (zuerst  1642  von  seinem  Bruder  Isaac  herausg.), 
wurde  erst  1718  verb. 

Ein  Alexander  VII.  gewidmetes  Buch  des  Theatiners  Gio. 
Maria  V  in  centi,  II  Messia  venuto.  Historia  spiegata  e  provata  agli 
Hebrei  in  cento  discorsi  .  .  .  con  un  trattato  .  .  .  intorno  la  famosa 
questione,  se  meglio  sia  che  i  prencipi  cristiani  permettano  ne'  loro 
stati  gli  hebrei  6  li  discaccino,  Ven.  1659,  1000  S.  Fol.,  wurde  1680 
verb.  Bartolocci  3,  745  und  Imbonati  p.  112  führen  die  darin  vor- 
getragenen Thorheiten  an,  welche  das  Verbot  veranlasst  haben 
werden.  Gleichzeitig  wurde  verb.  Le  piaghe  dell'  ebraismo  scoperte 
nuovamente  da  Franc.  Carbon i,  Cittadino  Veneto,  Ven.  1677,  nach 
Melzi,  1,  174  von  Ign.  Contardi,  der  auch  ein  Flagellum  hebraeorum 
super  judaicam  perfidiam,  Ven.  1672,  geschrieben.  —  Gegen  eine 
Dissertazione  della  religione  e  del  giuramento  degli  ebrei  von  dem 
Advocaten  G.  B.  Benedetti  erschien  Lettera  apologetica  a  S,  E.  il 
Sig.  Marchese  N.  N.,  amico  del  Sig.  Avv.  Benedetti  di  Ferrara, 
scritta  dal  Sig.  N.  N.  ncir  occasione  di  certo  libro  diffaniatorio  contro 
li  hebrei,  venuto  alla  luce  sotto  il  titolo:  Dissert.  .  .,  fallacemente 
attribuito  a  detto  Sig.  Avvocato,  Mantua  1775,  4.,  von  dem  Hubbinen 
Giacomo  Saraval  oder  nach  dem  von  diesem  gelieferten  Material  von 
dem  Advocaten  Luigi  Casali  verfasst,  verb.  1776.  Später  erschien 
noch  Gli  ebrei  smascherati,  diss.  postuma  dell'  A(vvocato)  G.  B. 
B(enedetti),  Flor.  1799  (Melzi  2,  83). 


Patrist,  und  mittelalterl.  Schrift^iii.  Heidn.  Classiker.  151 

25.     Patristische  nnd  mittelalterliche  Schriften. 

Heidnische  Classiker. 

Wie   im    16.  Jahrhundert   (I  S.  299.  331),   wurden  einige 
Ausgaben  von  patristischen  Schriften    wegen  der  von  den  pro- 
testantischen Herausgebern  beigefügten  Zuthaten  auf  den  Index 
gesetzt,   —    mitunter  werden  ausdrücklich  nur  ihre  Noten  ver- 
1)oten,  —  die  Ausgabe  des  Cyprianus  von  Fell  wohl  auch  wegen 
der  Beseitigung   der  Interpolationen,   die  in  Frankreich  Maran 
beizubehalten  genöthigt  wurde.  Eine  Ausgabe  einer  Schrift  des 
^nastasius  Sinaita  aber   wurde  wegen  ihres  Inhaltes   verboten. 
Die  Veröffentlichung  des  Briefes  des  Chrysostomus  an  Caesarius, 
sowie  des  Liber  diurnus  und  des  Liber  pontificalis  von  Agnel- 
Ins  wurde  beanstandet,  aber  schliesslich  nicht  verhindert.  Einige 
mittelalterliche  Schriften  stehen  nicht  der  Herausgeber,  sondern 
cles  Inhalts  wegen  auf  dem  Index,  namentlich  ein  Werk  von 
frigena  (I  S.  15),  die  von  H.  von  der  Hardt  herausgegebenen 
^eten   des  Gonstanzer  Goncils   und   das  Diarium  des  Burkhard 
'Von  Strassburg.   —   Von  Classikern   wurden  eine  Ausgabe  des 
«lalius  Caesar  und  Uebersetzungen  des  Ovid,  Anakreon  und  Lucrez 
'Verboten. 

Von  den  Editionen  von  Beumler  und  Heinsius,  sowie  von  Qaes- 
xiels  Ausgabe  des  Leo  M.,  der  Mauriner  Ausgabe  des  Augustinus, 
^en  Uebersetzungen  von  Lombert  und  Fontaines  ist  anderswo  die 
Hede,  von  der  Uebersetzung  des  Cassianus  I  S.  222. 

Ausdrücklich  nur  die  Noten  werden  verb.:  Notae  in  S.  Jo- 
<tnnis  Chrysostomi  opera,  quae  habentur  tomo  8.  editionis  Etonae 
1612,  verb.  1621;  es  ist  die  Ausgabe  von  H.  Savile;  die  Noten  sind 
"Von  John  Haies.  —  Geverhard  Elmenhorst,  Notae  in  Gennadii  Mas- 
8il.  1.  de  eccl.  dogmatibus,  veteris  cujusd.  theologi  homiliam  sacram 
et  Marcialis  epist.  Lemovicensis  epistolas,  Hamb.  1614,  verb.  1627^). 
- —  Um  der  Noten  willen  stehen  im  Index:  Sulpicii  Severi  opera 
oum  comm.  Georgii    Hornii,    Leyden    1647  u.  s.,    verb.    1658.  — 


1)  Sot.  expurgirt  die  Noten  ziemlich  stark.  Zu  einer  Stelle  in  Elmen- 
liorsts  Commentar  zum  Minucius  Felix,  wo  bemerkt  wird :  Crucem  hono- 
irarunt,  non  adorarunt  Christiani,  verordnet  Sot.  am  Kandc  beizuschreiben : 
ATera  et  catholica  ecclesiae  doctrina  tribuit  imagini  cnicis  non  solum  ho- 
Eiorariam  adorationem  tanquam  instrumento  saucto  propter  se,  sed  prae- 
t^rea  eadem  adoratione,  qua  Christus  adoratur,  posse  etdcbcrc  involvi  et 
adorari  crucis  imaginem  simul  cum  prototypo. 


152  Patrist,  and  mittclalterl.  Schriften,  Heidn.  Classiker. 

L.  Corn.  Lactantii  Firmiani  opera  cam  Relectis  variorum  commenta- 
riis  OD.  et  st.  Servatii  Gallaei,  Lagd.  Bat.  1660,  verb.  1685; 
Gall6  8  Noten  sind  voll  polemischer  Erörterungen  (R.  Simon,  Let- 
tres  2,  181).  —  S.  Caecilii  Cypriani  opera,  recogn.  et  illnstr.  per 
Jo.  [Fell]  Oxoniensem  Episc.  Accednnt  annales  Cyprianici  per  Jo. 
Pearson  Cestriensem  Episo.,  Oxon.  1682,  verb.  1686;  stand  bis  Ben. 

unter  Liber  editus  Oxonii  1682,  cui  tit.:    S per    Jo.    Exo- 

nensem  Ep.  —  Epistolae  genuinae  S.  Ignatii,  quae  nunc  primum 
lucem  vident:  adduntur  S.  Ignatii  epistolae  quales  vulgo  circum- 
feruntur,  ad  haec  S.  Bamabae  epistola  cum  notis  Is.  Yossii,  1646, 
verb.  1686  (vor  Ben.:  Notae  ad  epistolas  etc.).  —  Bibliotheca 
patrum  apostolicorum  graeco-latina  ed.  Thomas  Ittig,  Lps.  1699; 
—  Jo.  Em.  Grabii  Spicilegium  sanctorum  patrum  ut  et  haeretico- 
rum  saeculi  p.  C.  n.  I.,  IT.  et  III.,  Oxon.  1700;  in  der  Vorrede 
heisst  es  u.  a. :  alle  Steitigkeiten  in  der  Kirche  kämen  daher, 
dass  die  Menschen  neglecta  antiqua  semita  novas  sectantur;  — 
Canon  es  graeci  concilii  Laodiceni  cum  versionibus  Gentiani  Herveti, 
Dionysii  Exigui,  Isidori  Mercatoris  et  observationibus  Wolfg.  Gund- 
lingii,  1684,  alle  drei  verb.  1714.  —  Codex  canonufn  Ecclesiae 
universae  a  Concilio  Chalcedon.  et  Justiniano  Imp.  conürmatus,  ed. 
Christoph.  Justellus,  1610,  wurde  1623  verb.  (auch  bei  Sot.; 
die  beiden  anderen  Codices  canonum  von  Justel  stehen  weder  im 
Eöm.  noch  im  span.  Index ;  Schulte  3,  2,  254).  —  Christoph  Mat- 
thias Pf  äff  8  S.  Irenaei  episcopi  Lugd.  fragmenta  anecdota  ,  .  . 
cum  notis  et  duabus  dissertationibus  de  oblatione  et  consecratione 
euoharistiae,  1715  (über  600  S.  8.),  1721  verb.  wegen  der  Noten 
und  Dissertationen,  die  von  Scipio  MafPei  in  dem  Giornale  de^  letterati 
1716  bekämpft  wurden  (Fabroni  9,  106.  158). 

In  der  Römischen  Ausgabe  des  Cyprianus  von  1563  waren 
die  Interpolationen  in  dem  Bache  de  unitate  ecclesiae  im  Texte  be- 
lassen worden,  obschon  Latinus  Latinius  auf  ihre  Unechtheit  auf- 
merksam machte^).  Auch  die  Ausgabe  von  Rigaltius  von  1648  hat 
den  „herkömmlichen"  (interpolirten)  Text,  den  richtigen  nur  in  einer 
Note.  Die  Ausgabe  von  Fell  hat  den  richtigen  Text  und  diesen 
hatte  auch  der  Mauriner  Prud.  Maran,  der  die  von  Etienne  Balnze 
(t  1718)  begonnene  Ausgabe  1726  vollendete,  drucken  lassen,  mit 
einer  langen  Note  von  Baluze,  worin  die  Unechtheit  der  gestrichenen 
Worte  nachgewiesen  wurde.  Der  Bogen  wurde  aber  nachträglich 
umgedruckt,  der  interpolirte  Text  beibehalten  und  Baluze^s  Note 
stark  abgekürzt.  Das  Nähere  wird  in  Baluze's  Biographie  von  de 
Chiniac  berichtet:  Ein  Abbe  Masbaret,  Professor  im  Seminar  zu 
Angers,  schrieb  eine  Dissertation  zu  Gunsten  der  Beibehaltung  der 
fraglichen  Worte  und  schickte  Abschriften    davon   an  Card.  Fleury, 


1)  S.  I  S.  559.  Latinius  (Bibliotheca  sacra,  Rom  1677,  p.  178)  hatte 
ganz  richtig  bemerkt,  die  betreffenden  Satztheile  seien  zunächst  als  Rand- 
not«n  beigefügt  und  dann  in  den  späteren  Handschriften  in  den  Text  ein- 
geschoben worden,  also  aus  diesem  zu  entfernen. 


Cyprianiu.    Anastasius   Sin.  ChrysostotnuB  a.  a.  153 

die  Jesuiten  und  andere  einflusBreiche  PerRonen.  Der  Cardinal  be- 
auftragte eine  CommisBion  mit  der  Untersuchung  der  Frage,  ob  die 
Stelle  beizubehalten  sei.  Damit  war  ihre  Beibehaltung  entscbieden; 
denn  wäre  sie  mit  ministerieller  Genehmigung  weggelassen  worden, 
80  hätte  man  das  ja  als  einen  Angriff  der  französischen  Regiernng 
auf  den  Römischen  Primat  auffassen  können.  Die  Commission  sprach 
sich  übrigens  auch  für  Beibehaltung  der  Interpolation  aus,  und  Ma- 
ran  wurde  angewiesen,  sich  mit  dem  Abbi  de  Louvois  (Targny) 
„über  die  Sache  zu  benehmen".  Nur  der  eine  Bogen  wurde  neu 
gedruckt  So  kommt  es,  dass  an  anderen  Stellen,  z.  B.  p.  XII, 
der  richtige  Text  citirt  wird,  als  stände  er  in  der  Ausgabe^). 

1684    wurde    verb.  Liber    editus    a  quodam    haeretico,    inscr. 
S.  Anastasii    Sinaitae   anagogicarum    contemplationum  in    Hexae- 
meron  liber  XII.  [graece  et  lat.  ex  interpretatione  Andreae  Dacerii], 
cui  praemissa  est  expostulatio  de  S.  Joannis    Chrysostomi  epistolae 
ad  Caesarium  monachum    [adv.  Apollinarii  haeresim  a  Parisiensibus 
aliquot  theologis  non  ita  pridem  suppressa],    Lond.    1682,    4.     Das 
Buch  ist   von   P.    Allix.     Die    11    ersten  Bücher   des  Werkes    von 
Anastasius    waren    schon  in    den    Bibliothecae   Patrum    (lateinisch) 
gedruckt,  das  12.  nicht,  weil  es  eine   der  Lehre  von  der  Transsub- 
Btantiation    widersprechende  Stelle    enthält.     Das  Manuscript,    nach 
welchem   es   Allix   drucken   Hess,    befand  sich  in  der  Colbert'sohen 
Bibliothek,  und  er  hatte  von  Daille  eine  Abschrift  erhalten  (Clement 
1,  295).  —  Auch  der  Brief  des  Chrysostomus   an   Caesarius   erregte 
Anstoss   wegen   einiger   Stellen,    die   nicht  zu    der   Lehre    von   der 
Transsubstantiation  passen.     Emeric  Bigot  Hess  ihn  nach  einer  Flo- 
renzer Handschrift,    von    der    er  durch  Magliabechi    eine  Abschrift 
erhalten,  gegen  dessen  Wunsch,  mit  der  Vita  Chrysostomi  von  Palla- 
üus  1680    zu  Paris  drucken;    auf  Verlangen    der   Censoren    (Faure 
lud  Grandin)  wurde  er  aber  aus  dem  schon  fertig  gedruckten  Buche 
«eseitigt.     Nach  den  unterdrückten   Blättern   wurde    der  Brief  aber 
686    von    dem    Erzbischof   Wake    veröffentlicht *).      Schon     1686 
itte  ihn  Le  Moyne  in  den  Varia  sacra  drucken  lassen  (verb.  1687). 
»89   gab  ihn  auch  Hardouin  heraus  (Hurter  2,  1103).     Nach   dem 
^scheinen  der  Ausgabe  von  Le  Moyne   schrieb  Mabillon  an  Bigot 
Aug.  1685  (Thuiilier,  I,  484) :    „Diejenigen,    welche  früher  den 
druck  des  Briefes  gehindert,  wünschen  jetzt,  ich  möge   ihn  grie- 
9ch  und  lateinisch  herausgeben.     Ich  weiss  nicht,  ob  Schelstrate 


1)  Buchmann,  Verm.  Aufsätze,  1874,  5.  H.  S.  8.  Hist.  des  capitulaires 

avec  la  vie  de  Baluze.    Par  M.  de  Chiniac,   Par  1779,  p.  226.    Mera. 

'rev.  1726,   1877—1904:  Lettre  d'un  savant  d'A[nger8,  Masbaret]  pour 

mer    un   passage  important  de  S.  Cyprien  pret  k  etre  enleve  par  de 

res  auteurs.    Am  Schlüsse  heisst  es:  Vielleicht  werden  meine  bemer- 

m  diejenigen,  welche  die  neue  Ausgabe  vorbereiten,  zurückhalten . . . 

irgend    eine  Person   von  Autorität  veranlassen,    das  Uebel   zu   ver- 

•n. 

2)  Cbaufepie  s.  v.  Bigot.    R.  Simon,   Lettres  1,   116.    Val6ry  1,  82, 
eher  die  Castrirung  des  Pariser  Drucks  s.  Mendham,  Index  of  Gre- 

:vi.  p.  XXXU. 


154  Patrist,  und  mittelaltcrl.  Schrifteu.    Heidii.  Clasnker. 

seine  Rechnung  dabei  finden  wird,  die  Echtheit  des  Briefes  zu  be- 
streiten; er  wird  von  7  oder  8  Griechen  citirt,  von  denen  einige 
bald  nach  Chrys.  gelebt  haben,  und  die  Ausdrücke,  von  denen  er 
meint,  sie  wiesen  auf  eine  spätere  Zeit  hin,  finden  sich  auch  bei 
Zeitgenossen  des  Chrys.  Auch  P.  Grarnier,  der  ein  grosser  Protector 
des  Briefes  war,  wünschte,  er  möge  gedruckt  werden.'^  Montfaucon 
nahm  ihn  denn  auch  in  den  3.  Band  seiner  Ausgabe  des  Chrys. 
auf.  Um  dieselbe  Zeit  gab  ihn  auch  der  Marchese  Maffei  heraus: 
Epistola  di  S.  Giov.  Cris.  a  Cesario  rappresentata  come  sta  nel  cod. 
Fior.,  Florenz  1721,  8.  (Fabroni,  Vitae  It.  9,  108.  160).  Der  Je- 
suit Ch.  Merlin  suchte  in  den  M^m.  de  Trev.  1787  zu  zeigen,  der 
Brief  sei  von  einem  Nestorianer,  spreche  aber  nicht  unbedingt  gegen 
die  Transsubstantiation.  Gegen  ihn  vertheidigte  Dupuy  in  den  Mem. 
de  Trev.  1739  die  Echtheit.  Noch  heute  wird  darüber  gestritten 
(Fessler,  Patrol.  2,  116). 

A.  J.  P.  22,  765  wird  berichtet,  die  Ausgabe  der  Epistolae 
Romanorum  Pontificum  von  dem  Mauriner  Pierre  Coustant,  Tom.  I., 
Paris  1721,  sei  von  Neidern  der  Inquisition  denuncirt  worden;  wenn 
es  zu  einem  Verbote  gekommen,  sei  dasselbe  jedenfalls  nicht  pu- 
blicirt  worden.  Es  scheint  gar  nicht  zu  einem  Verbote  gekommen 
zu  sein.  Tassin  berichtet  in  der  Hist  lit.  de  la  Congr.  de  S.  Maur, 
p.  433 :  man  sei  mit  der  Einleitung  Coustants  in  Rom  nicht  zufrieden 
gewesen,  weil  er  nicht  günstig  genug  über  die  Ansprüche  des  h. 
Stuhles  gesprochen;  Simon  Mopinot,  der  das  Werk  seines  Ordens- 
genossen nach  dessen  Tode  (18.  Oct.  1721)  mit  einer  Widmung  an 
Innocenz  XIII.  herausgegeben,  habe  mehrere  Briefe  zur  Vertheidi- 
gung  desselben  nach  Rom  geschrieben  und  dem  Generalprocurator 
der  Mauriner  in  Rom  einen  gedruckten  Brief  übersandt,  worin  er 
hervorhebe,  dass  Coustant  sich  bemüht  habe,  alle  wirklich  echten 
Briefe  der  Päpste  als  solche  nachzuweisen  und  ihr  Verhalten  gegen 
die  Angriffe  der  Haeretiker  und  einiger  Katholiken  zu  vertheidigen. 
Dabei  wird  man  sich  beruhigt  haben. 

Um  1650  wollte  Lucas  Holstenius,  damals  Bibliothekar  des 
Card.  Barberini,  den  Liber  diumus  herausgeben;  der  Text  war 
bereits  gedruckt.  Die  Veröffentlichung  stiess  auf  Hindernisse,  und 
als  nach  Holstens  Tode  1661  Card.  Barberini  das  Buch  Jo.  Bona 
vorlegte,  erklärte  dieser:  es  werde  besser  nicht  veröffentlicht,  da 
sich  die  von  Holsten  versprochenen  Noten  nicht  vorfänden  und  man 
doch  die  in  dem  Glaubensbekenntnisse  des  neu  gewählten  Papstes 
vorkommenden  Worte,  in  denen  Honorius  verdammt  werde,  quia 
pravis  haereticorum  assertionibus  fomentum  impendit,  nicht  ohne 
eine  Note,  die  für  diese  Wunde  die  Heilung  enthalte,  veröffentlichen 
könne.  Um  dieser  und  ähnlicher  Stellen  willen  hatte  früher  Sirmond 
den  Gedanken  an  die  Herausgabe  des  Liber  diumus  aufgegeben. 
Ein  anderer  Jesuit,  Jean  Garnier,  edirte  ihn  1680  zu  Paris.  Er 
wurde  nach  Rom  citirt,  starb  aber  auf  der  Reise  dorthin  26.  Oct. 
1681  zu  Bologna.  Es  hiess,  die  Ausgabe  solle  auf  den  Index  ge- 
setzt werden.  Die  Angabe,  dieses  sei  geschehen,  ist  unrichtig.  Auch 
spätere  Ausgaben    sind   nicht   verboten    worden.    Die  Ausgabe  von 


Liber  diumus.    Agnellns.  156 

n  wnrde    1724  in   Rom  fertig    gedruckt    mit    der  Jahreszahl 

Der  Benedictiner  Benedetto  (in  saeculo  Bemardino)  Bacehini, 
rennd  Mabillons,  Muratori's  Vorgänger  als  Bibliothekar  zu 
a,  wollte  den  Liber  pontificalie  s.  vitae  pontificnm  Ravennatnm 
lern  Abt  Agnellus  aus  dem  9.  Jahrh.  herausgeben.  In  Rom 
sn  aber  manche  Angaben  und  Aeusserungen  des  Agnellus,  dass 
*zbischöfe  von  Ravenna  das  Pallium  von  den  Kaisern  erhalten 
ll.j  grossen  Anstoss.  Bacchini  wurde  von  dem  P.  del  Miro 
ordert,  das  Manuscript  nach  Rom  zu  schicken,  damit  es  von 
gnsoren  des  Ordens  geprüft  werde;  es  wurde  dann  dem  Mag. 
l.  vorgelegt,  und  dieser  verbot  1705  die  Veröffentlichung;  der 
itor  von  Modena  wurde  sogar  beauftragt,  Bacchini  alle  auf 
nch  bezüglichen  Manuscripte  wegzunehmen;  Muratori  wurde 
e  verboten,  anderen  Abschriften  des  Codex  zu  geben  (Lettere 
.  Zeno,  1785,  1,  323).  Bacchini  reiste  nun  1705  nach  Rom, 
e  Zurücknahme  des  Verbotes  zu  betreiben,  und  fand  Fürsprache 
issionei  und  Fontanini,  welche  namentlich  geltend  machten,  es 
ch  besser,  dass  Bacchini  den  Agnellus  mit  einer  Vorrede  und 
oten,  worin  dessen  Unrichtigkeiten  widerlegt  würden,  heraus- 

als  dass  er,  was  sonst  nicht  ausbleiben  könne,  von  Prote- 
1  edirt  werde.  Der  Papst  liess  denn  auch  durch  Casoni,  den 
lor  S.  Officii,  Bacchini  die  Censuren  von  Franc.  Bianchiani  und 
\1,  Zaccagni  einhändigen,  um  danach  die  Noten  zu  verbessern 
ine  neue  Vorrede  zu  schreiben.  Die  beiden  Censoren  waren 
auch  mit  der  neuen  Arbeit  Bacchini^s  nicht  zufrieden.  Nun 
ler  Papst  das  Manuscript  und  die  vier  Censuren  einem  andern 
itor  der  Inquisition,  dem  Theatiner  Joseph  Maria  Tommast 
irde  1712  Cardinal,  1803  selig  gesprochen)  vorlegen,  um  zu 
ob  Bacchini  die  Monita  der  beiden  Censoren  genügend  be- 
shtigt  oder    noch    weiteres  zu  ändern  habe.     Tommasi^s  Gut- 

vom  27.  März  1706  ist  in  seinen  Opera,  Rom  1754,  VII, 
144,  abgedruckt.  Bezüglich  der  meisten  unter  den  28  Punkten, 
e  es  sich  handelte,  trat  er  auf  Bacchini^s  Seite.  Interessant 
folgende  Bemerkungen  von  ihm:    Bacchini  unterrichtet   in  der 

Vorrede,  wie  ihm  aufgegeben  war,  seine  Leser  in  ausreichen- 
eise  über  die  inscitia  et  ignorantia  des  Agnellus;  von  seiner 
litas  spricht  er  allerdings  nur  mit  einem  suspicor,  während 
der    Censoren    mit    Unrecht    verlangt,    er    solle    dieselbe    als 

hinstellen;  über  die  Uebergabe  des  Palliums  durch  die  Päpste 
der  neuen  Vorrede  genug  gesagt ;  wenn  der  Bischof  von  Rom 


1)  Liber  diumus  ou  Recueil  des  formulaires  usitees  par  la  Chan- 
i  pontificalc  du  5.  au  11.  sieclc,  publ.  par  £.  de  Roziere,  Par.  1869, 
.  p.  43.  56.  113.  Das  Gerücht,  man  habe  Garnier  in  das  Inquisitions- 
niss  setzen  wollen,  Michaud  4,  410,  klingt  nicht  wahrscheinlich;  es 
sogar,  dass  er  nicht  wegen  des  Buches  citirt,  sondern  zu  einer 
il-Congregation  nach  Rom  gesandt  word^i  war. 


156  Patrist,  nnd  mittelalterl.  Sohriftcu    Heido.  Classiker. 

als  Patriarch  und  Metropolit  bezeichnet  wird,  so  thut  das  seinem 
Primat  keinen  Eintrag;  über  die  Constantiuisclie  Schenkang  spricht 
ßacchini  ganz  wie  Baronins  u.  a.  Schliesslicli  stellt  Tommasi  die 
Addenda  seu  emendanda  juxta  tertii  censoris  crisim  zasammen,  nud 
nachdem  Bacchini  danach  seine  Arbeit  modificirt  hatte,  erhielt  er 
die  Druckerlaubniss.  Das  Buch  erschien  unter  dem  Titel:  Agnelli, 
qui  et  Andreas,  Abbatis  S.  Mariae  ad  Blachemas  et  S.  Bartholomaei, 
Liber  pontificalis  seu  vitae  pontificnm  Ravennatum,  dissertationibus 
et  observationibus  necnon  appendice  monumentornm  illustratus  et 
auctus,  Mutinae  1708*,  2  vol.  4.  i). 

Von  den  seit  1483  oft  gedruckten  Flores  doctorum  pene  om- 
nium,  qui  tum  in  theologia,  tum  in  philosophia  hactenus  claruerunt, 
des  Thomas  Hibernicus  (Thomas  Palmeranus  oder  Palmerstone 
ans  Kildare,  tl269)  wurde  1642  eine  bei  Jacob  Stoer  in  Genf  er- 
schienene Ausgabe  verboten,  cum  sint  ab  hoc  impressore  haeretico 
multis  in  locis  adulterati.  —  Das  Verbot  von  1609:  Jacobi  Spie- 
gelii  (I  S.  500)  Scholia  in  Petri  Günther!  poetae  de  gestis  Cae- 
saris  Friderici  (seit  Ben.  in  Ligurinum  Guntheri)  scheint  durch  die 
Ausgabe  von  Conr.  Rittershusius  1598  veranlasst  zu  sein;  Guntherus 
de  gestis  Imp.  Caesaris  Friderici  cum  scholiis  Jac.  Sp.  war  schon 
1531  erschienen  (Clement  9,  325).  Das  Gedicht  gehört  dem  12.  Jahrh. 
an  (Wattenbach  2,  218).  Antipapistische  Stellen  daraus  bei  Wolf 
IT,  13.  —  Erst  1627  wurde  verboten:  Chronica  Slavorum  seu 
Annales  Heimol di  opera  Reineri  Reineccii  (1581).  Cui  addita  est 
etiam  Historia  de  vita  Henrici  IV.  et  Gregorii  VII.  Diese  Zugabe, 
die  auch  unter  Historia  im  Index  steht,  als  ob  sie  besonders  er- 
schienen wäre,  wird  das  Verbot  veranlasst  haben ;  die  Chronik  von 
Helmold  (im  12.  Jahrb.;  Wattenbach  2,  259)  war  schon  1556  und 
1573  herausgegeben.  —  Ein  Beispiel  eines  noch  mehr  verspäteten 
Verbotes  ist:  Lud.  Tuberi  Commentarii  de  rebus,  quae  temporibus 
ejus  (1490—1512)  in  illa  Europae  parte,  quam  Pannonii  et  Turcae 
eorumque  finitimi  incolunt,  gestae  sunt,  1603,  verb.  1734  (abgedr. 
bei  Schwandter,  Script.  Hung.  2,  107).  Die  JBerichte  über  Alexan- 
der VI.  werden  das  Verbot  veranlasst  haben. 

Magnum  oecumenicum  Constantiense  Concilium  ...  ed.  Herm. 
von  der  Hardt,  1700,  6  vol.,  verb.  1703.  In  dem  Votum  des  von 
der  Index-Congr.  bestellten  Censors,  des  Benedictiner-Abtes  del  Miro, 
über  den  4.  Band,  —  Döllinger  besitzt  eine  Abschrift,  —  kommen 
folgende  merkwürdige  Aeusserungen  vor:  er  habe  den  Abdruck  der 
Actenstücke  mit  den  Handschriften  in  der  Vaticanischen  Bibliothek 
verglichen;  der  Herausgeber  scheine  bona  fide  verfahren  zu  sein 
und  es  sei  nicht  anzunehmen,  dass  er  absichtlich  den  Text  geändert 
habe;  aber  das  intentum  autoris  sei  schlimm:  er  wolle  die  damalige 
Corruption  in  der  Kirche  zeigen;    er    spreche    zwar   nicht    sein  Ur- 


1)  Affo,  Memorie  5,  845.  Agncllus  ist  bei  Muratori,  Scr.  rer.  it.  2,  1 
(mit  der  Vorrede  Bacchini's)  und  in  den  Script,  rerum  langob.  (M.  G.  1878), 
p.  265  abgedruckt. 


Cona  Consiant.  ed.  v.  d.  Hardt.  Barchardus  o.  a.  167 

theil  aus,  aber  das  intentum  sei  scblimm.  „Die  Ketzer  werden  frei- 
lich sagen,  schliesst  er,  wir  verböten  alles,  was  aus  zuverlässigen 
(probabiles)  Schriftstellern  angeführt  werde,  wenn  es  nicht  mit  der 
Sitten-  und  Glaubenslehre  übereinstimme,  die  wir  in  der  Römischen 
Kirche  festhalten;  aber  ein  solches  Gerede  (rumores)  darf  nicht 
höher  geachtet  werden  als  das  Seelenheil,  sondern  die  dicteria  der 
Ketzer  sind  um  des  Seelenheils  der  Katholiken  willen  zu  verachten, 
welches  durch  das  Lesen  dieses  Buches  sehr  gefährdet  werden  würde/^ 

1703  wurde  verb.  Historia  arcana  sive  de  vita  Alexandri  VI. 
Papae  excerpta  ex  diario  Joannis  Burchardi  Argentinensis  .  .  edita 
a  Godefr.  Guil.  Leibnizio  1697,  —  das  einzige,  was  von  Leibniz 
im  Index  steht,  —  ein  Verbot,  welches  bei  den  vielen  unerbaulichen 
Dingen,  die  Burkhard,  seit  1483  päpstlicher  Ceremonienmeister,  seit 
1503  Bischof  von  Herta,  berichtet,  sehr  erklärlich  ist.  Der  2.  Band 
von  J.  G.  Eccardus'  Corpus  historicum  medii  aevi,  1723,  derp.  1863 
— 2160  ausser  den  Berichten  von  Burkhard  die  ebenso  unerbau- 
lichen von  Stephan  Infessura  enthält,  steht  nicht  im  Index.  —  1856 
erschien  zu  Florenz  Jo.  Burchardi  .  .  .  Diarium  Innocentii  VIII., 
Alexandri  VI.,  Pii  III.  et  Julii  II.  tempora  complectens,  nunc  pri- 
mum  publici  juris  factum,  commentariis  et  monumentis  quamplurimis 
et  arcanis  adjectis,  ab  Achille  Gennarelli;  diese  Ausgabe  wurde 
sofort  verb.^)  und  die  Civ.  3,  2,  201  brachte  darüber  einen  sehr 
entrüsteten  Artikel.  Sie  constatirt,  dass  Gennarelli,  —  er  war  früher 
Advocat  bei  der  Curie,  —  das  im  Vaticanischen  Archiv  aufbewahrte 
Autograph  nicht  benutzt  habe,  sondern  nur  Abschriften,  deren  Zu- 
verlässigkeit nicht  feststehe,  und  die  Stücke,  welche  Lutheraner 
herausgegeben  und  mit  den  schmutzigen  Dingen  interpolirt  hätten, 
denen  Burkhard  seine  traurige  Beiühmtheit  zu  verdanken  habe.  Cha- 
rakteristischer noch  als  diese  bodenlose  Verdächtigung  ist  die 
Frage :  wer  denn  Gennarelli  ermächtigt  habe,  ein  Document  zu  ver- 
öfiPentlichen,  dessen  Original  in  der  Hand  der  Kirche  sei  und  aus 
welchem  die  Kirche  in  ihrer  Weisheit  durch  Rainaldi  und  andere 
diejenigen  Stücke,  welche  zur  Aufhellung  der  Kirchengeschichte 
jener  Zeit  dienen  könnten,  veröifentlicht  habe,  während  sie  das 
übrige  kraft  jenes  Rechtes,  das  jedem  Eigenthümer  zustehe,  ver- 
borgen halt«.  „Wäre  Gennarelli,  heisst  es  zum  Schlüsse,  ehrlich 
(di  buona  fede)  gewesen,  so  hätte  er  nicht  die  Braut  Gottes  mit  Ab- 
scheulichkeiten befleckt,  welche  den  Lutheranern  so  sehr  gefallen 
haben  und  vielleicht  zum  grossen  Theile  von  ihnen  herrühren." 
Wenn  in  der  Vaticanischen  Handschrift  die  Päpste  in  besserm  Lichte 
erscheinen  als  in  den  Abschriften,  warum  wird  sie  noch  immer  ge- 
heim gehalten?    Die  neueste  Ausgabe  des  Diarium,  von  L.  Thuasne, 


1)  In  dem  Index  von  1877  steht  das  Buch  unter  Gennarelli.  Man 
hat  es  auch  unter  Burchardi  setzen  wollen ;  aber  der  Setzer  hat  dieses 
Wort  weggelassen  und  so  steht  unter  dem  vorhergehenden  Worte  Buona 
(la)  novella:  —  Diarium  pars  1.  etc.  Irren  ist  menschlich,  aber  in  der 
Ausgabe  von  1881  ist  der  Irrthum  nicht  corrigirt. 


158  Patrist,  und  mittelalterl.  Schriften.  Heidn.  Classiker. 

Paris  1883 — 84,  ist  (noch)  nicht  verb.  —  Das  Diarium  des  Infes- 
sura  hat  auch  Muratori  in  den  Scriptores  rerum  ital.  t  3,  p.  2  ab- 
drucken lassen,  aber  manche  anstössige  Stellen,  die  in  Eckharts 
Ausgabe  stehen,  weggelassen  ^). 

Der  im  6.  Bande  der  Monumenta  historica  ad  provincias  Par- 
mensem  et  Placentinara  (Parma  1857)  stehenden  Ausgabe  der  Chro- 
nica Fratris  Salimbene  Parmensis,  0.  Min.  (1282  —  87),  liegt  zwar 
eine  von  Msgr.  Marini  gelieferte  Abschrift  der  Vaticanischen  Hand- 
schrift zu  Grunde;  in  dieser  Abschrift  sind  aber  alle  Stellen  weg- 
gelassen, welche  Marini  oder  dem  Abschreiber  (Abate  Amati)  an- 
stössig  erschienen  2).  —  In  der  1837  zu  Rom  gedruckten  Ausgabe 
der  Memorie  storiche  des  Florentiners  de  Rossi  (im  16.  Jahrh.)  sind 
nicht  nur  grosse  Stellen  weggelassen,  sondern  auch  der  zweite  Theil 
von  den  Heransgebern  fast  ganz  umgeschrieben  und  vieles  gefälsclit 
(Gregorovius  8,  602). 

1725  wurden  verb.  Bern.  Segni,  Storie  Fiorentine  dall'  a. 
1527  al  1555,  Augusta  (Florenz)  1723,  Fol.,  und  Benedctto  Varchi, 
Storia  Fiorentina,  nella  quäle  si  contengono  Tultime  revoluzioni 
Fiorentine  .  .  .,  Colonia  (Florenz)  1721,  die  von  dem  Florentiner 
Franc.  Settimani  besorgten  ersten  Drucke  der  im  16.  Jahrh.  ge- 
schriebenen Werke,  beide  wegen  des  Berichtes  über  eine  Greuelthat 
des  Pierluigi  Farnese,  des  Sohnes  Pauls  III.,  verb.,  der  in  vielen 
Exemplaren  beseitigt  ist,  Segni  nur  mit  d.  c,  weil  er  nur  ganz 
kurz  davon  spricht*). 

Warum  Gaji  Julii  Caesaris  quae  exstant  cum  selectis  variornm 
commentariis,  quorum  plerique  novi,  op.  et  studio  Arnoldi  Montani. 
Accedunt  notitia  Galliae  et  notae  auctiores  ex  autographo  Jos.  Sca- 
ligeri,  Amst.  1660,  1709  verb.  worden,  weiss  ich  nicht.  —  Dell' 
arte  di  amare  libri  3,  trasportati  dal  lat.  di  Ovidio  Nasone  in  ott«va 
rima  toscana  da  S.  Gaetano  Vernice,  Colonia  (?)  1707,  wurde  1709 
von  der  Index-Congr.  verb.  —  Von  Alessandro  Marchetti  (1633 
—  1714),  Professor  der  Mathematik  in  Pisa,  dem  berühmtesten 
Uebersetzer  alter  Dichter  (Tiraboschi  8,  466),  verbot  die  Inquisi- 
tion 1712:  Anacreonte  tradotto  dal  testo  greco  in  rime  toscane  da 
AI.  Marchetti,  Accademico  della  Crusca,  Lucca  1707.  Clement  1, 
288  verzeichnet  vier  ältere  ital.  Uebersetzungen  des  Anakreon,  die 
nicht  im  Index  stehen.  Marchetti  wollte  auch  eine  Uebersetznng 
des  Lucretius  drucken  lassen,  —  Tiraboschi  nennt  sie  eine  meister- 
hafte Arbeit,  —  und  Apostolo  Zeno  (Lettere,  Ven.  1785,  I,  93) 
schrieb  ihm  1709,  die  Inquisition  werde    dieselbe  wohl  nicht  bean- 


1)  Schelhorn,  De  consil.  2,  40  theilt  eine  solche  Stelle  (über  Inno- 
cenz  VIII.)  mit.  Vgl.  Gregorovius,  Gesch.  der  St.  Rom.  7,  600.  605. 

2)  Arch.  stör.  N.  S.  16  (1862),  1,  25.  Der  in  der  Ausgabe  von  Parma 
fehlende  erste  Theil  ist  bei  Cledat,  De  fratre  Salimbene  et  de  ejus  chro- 
nicae  auctoritate  p.  67—116  abgedruckt.  Waitz,  N.  Archiv  5,  648. 

3)  Schelh.,  Erg.  2,  633.  Ein  italienischer  Fürst  soll  400  Exemplare 
von  Varchi  gekauft  und  veruichtot  haben.  Beide  Werke  sind  1857  zu 
Florenz  und  sonst  neu  gedruckt. 


Gedichte.     Schulbücher.    Zeitschriften  u.  8.  w.  159 

standen,  wenn  er  eine  Vorrede  beifüge.    Er  unterliesB  aber  die  Ver- 
öffentlichang,  weil  der  Grossherzog  Cosimo  III.  die  Widmung  nicht 
annehmen  wollte,  obschon  er  eine  christliche  Protestation  gegen  die 
Lehren  des  Lucretius  beigefügt  hatte.     Nach    seinem    Tode    meinte 
Zeno  1716  (2,  284),  da  die  Uebersetzung  in  vielen  Abschriften  ver- 
breitet sei,    sei  es  rathsamer,    sie   correct  und  ganz  drucken,    als  in 
incorrecten    und    unvollständigen    Abschriften    circuliren    zu    lassen. 
Sie    wurde    dann    auf   Veranlassung    Paolo    Rolli's    gedruckt:     Di 
Tito  Lucrezio  Caro  della    natura    delle  cose    libri   sei,    trad.  da  AI. 
Marchetti,    Londra  1717,  aber  1718    von    der  Inq.  verb.,    und    seit 
Ben.  steht  1.  cl.  bei  dem  Verbote.     (In  Spanien   wurde    1779   eine 
Amsterdamer  Ausgabe    von   1754  verb.,  por  estar  en  vulgär  y  por 
8U8    laminas    obscenas).     Eine    Uebersetzung    des    Abate    Giuseppe 
Quirini  scheint  darum  nicht  verb.  zu  sein,  weil  er  einen  fortlaufen* 
den  widerlegenden  Commentar  beigefügt  hat.  Dagegen  wurde  wieder 
-verboten:    Haffaele    Pastore    (geb.  1732,    Jesuit   1744;    Caballero, 
Sibliotheca    Script.    S.   J.  Suppl.   2,   79),    Filosofia    della  natura  di 
^to  Lucrezio  Caro    e   confutazione    del    sno  deismo  e  materialismo, 
Gol  poema  di  Ant.  Paleario  deir    immortalitä    degli  animi,    Londra 
CVen.)  1776,  2  vol.  8.,    von    der  Inq.    verb.    24.  Febr.  1779.     Da- 
liinter    steht  Saggio    di  poesie  toscane  e    latine,    in  dem  Index  von 
1819  mit  dem  Zusatz:    libellus  jussu  S.  D.  N.  a  S.  Congr.  S.  0.  ad 
S.  Ind.  Congr.  transmissus,  ut  illum  referret  in  consuetum  catalogum 
1.  prob.  25.  Febr.  1779. 

1828  wurden  verb.  Le  opere  scelte  di  Giuliano  imperatore  per 
la  prima  volta  dal  greco  volgarizzate,  con  note  e  con  alcuni  dis- 
eorsi  illustrativi  di  Spiridione  Petrettini  (aus  Corfu,  f  1833), 
Mil.  1822. 


26.  Gedichte,  Facetieu  n.  dgl.  Schnlbücher.  Zeitschrifteo 

and  eneyclopädische  Werke. 

Wie  im  16.  Jahrhundert,  so  wurden  auch  im  17.  und  18. 
maDche  Bücher  verboten,  weil  sie  Obscönitäten,  Spöttereien 
^uf  katholische  Dinge  u.  dgl.  enthielten,  —  auch  einige  Schul- 
l)ücber,  die  anstössige  Beispiele  enthalten  haben  mögen  (I  S.  130). 
Die  lateinischen  Schriften  der  Art,  die  im  Index  stehen,  gehören 
fast  ausschliesslich  dem  17.  Jahrhundert  an.  Ausser  lateinischen 
finden  sich  fast  nur  italienische  unsaubere  Gedichte,  Romane 
n.  8.  w.,  zum  Theil  von  Literaten,  die  wie  Marini  im  Dienste 
von  Cardinälen  standen,  daneben  auch  anständige  Prodncte,  die 
nur  wegen  einzelner  Stellen  mit  d.  c.  verboten  und  mitunter 
expurgirt  nochmals   gedruckt  wurden.    Manche  dieser  Sachen, 


160  Gedichte.    Schalbücher.    Zeitschriften  a.  s.  w. 

sind  jetzt  kaum  noch  den  Literarhistorikern  bekannt,  stehen  aber 
noch  in  der  neuesten  Ausgaben  des  Index.  Im  17.  Jahrhundert 
werden  auch  die  Verbote  solcher  italienischen  Schriften  seltener. 
—  Eine  Merkwürdigkeit  ist,  dass  die  „Visiones  de  Don  Quevedo, 
d.  i.  wunderliche  satyrische  und  warhaiFti^e  Geschichte  Philanders 
von  Sitte wald,"  1645  (u.  s.,  von.  Hans  Michael  Moscherosch) 
1662  verboten  wurden.  Ausser  diesem  Buche  kam  im  17.  Jahr- 
hundert kein  deutsch  geschriebenes  Buch  in  den  Index,  und 
das  nächste  Buch  aus  der  deutschen  „schönen'*  Literatur,  welches 
verboten  wurde,  sind  Heine's  Reisebilder.  Nicht  viel  besser 
ist  die  Auswahl,  welche  die  Index-Congregation  aus  der  fran- 
zösischen und  englischen  bellettrischen  Literatur  des  17.  und  18. 
Jahrhunderts  getroffen  hat. 

Weniger  zu  rechtfertigen  sind  die  Verbote  der  Acta  Eru- 
ditorum  und  anderer  Zeitschriften  und  mehrerer  lexicalischen 
und  encyclopädischen  Werke,  die  nur  für  Gelehrte  bestimmt, 
für  diese  aber  kaum  zu  entbehren  waren,  und  es  gereicht  Bene- 
dict XIV.  nicht  zur  Ehre,  dass  er  die  Zahl  dieser  Verbote  ver- 
mehrt hat. 

Wie  ein  Schulbuch  in  den  Index  kommen  kann,  zeigt  ein 
Beeret  aus  dem  J.  1804:  von  einer  Grammatica  italiana  e  inglese 
von  Dalmazoni  wird  die  1793  zu  Neapel  erschienene^)  Terza 
edizione  modificata,  corretta  ed  accresciuta  dal  Professore  di  lingua 
inglese  J.  B.,  verdammt  (damnatur),  donec  corrigatur,  praesertim 
quoad  duo  specimina  ad  stylum  historicum  pertinentia,  also  wegen 
zweier  aus  englischen  Historikern  entnommener  Lesestücke.  —  In 
den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrh.  kamen,  ohne  Zweifel  aus  ähn- 
lichen Gründen,  von  Schulbüchern  in  den  Index:  Daniel  Angelo- 
crator,  Officina  poetica;  Conr.  Aslacus,  De  dicendi  et  discendi 
ratione;  Fr.  Bonnaeus,  Tract.  de  ratione  discendi;  Thom.  Sagit- 
tarius,  Epistolica  institutio  s.  de  conscribendis  epistolis  tractatus 
(wird  bei  Sot.  ohne  Expurgation  freigegeben).  1661  wurde  verb. 
Phil.  Garnier,  Dialogues  en  cinq  langues,  espagnole,  italienne, 
latine,  franyoise  et  allemande  (bei  Sot.  wird  seine  1593  erschienene 
französische  Grammatik  cum  sua  nota,  d.  h.  unter  der  Bedingung, 
dass  er  als  auctor  damnatus  bezeichnet  werde,  freigegeben). 

Von  dem  Juristen  Otto  Melander  (Schwarzmann)  wurden 
Jocorum  atque  seriorum  centuriae  aliquot,  1604,  1605  verb.;  sie 
enthalten  Supplicatio  collegii  sacrorum  scortorum  rom.  ad  Snmmum 


1)  In  dem  Deerete  steht:  Roma  presso  Ven.  Monaldini  (subdola  in- 
dicatio),  Napoli  da  6.  P.  Merenda  1793. 


Lateinische  Gediohte  u.  dgl.  161 

*ontif.  pro  Card.  Carapha  exule,  Stücke  aus  Naogeorgus  n.  dgl. 
Strobel,  Mise.  3,  137).  —  Jo.  Owen  Epigrammata,  London  1612 
.  o.,  wurden  erst  1654  verb.  Bei  Sot.  werden  sie  stark  expnrgirt. 
ie  enthalten  viele  Obscönitäten  und  Satiren  gegen  Mönche  u.  dgl. 
Baillet  1387).  Jedenfalls  ist  es  nicht  richtig,  wenn  A.  D.  B.  19, 
6  gesagt  wird,  Owen  sei  Dicht  wegen  seiner  Epigramme  auf  den 
odex  gekommen,  sondern  wegen  des  Distichons:  An  Petrus  fuerit 
lomae,  sub  judice  lis  est,  Simonem  Eomae  nemo  fuisse  negat.  — 
'emer  kamen  in  den -ersten  Decennien  des  17.  Jahrh.  in  den  Index: 
^ominici  Baudii  Poemata  und  Orationes  (Paquot  2,  210);  unter  den 
redichten  stehen  Lobgedichte  auf  Ketzer,  Satiren  auf  Philipp  11. 
.  dgl.,  in  den  Orationes  werden  bei  Sot.  die  Grabrede  auf  Jos. 
caliger  und  die  Orationes  ad  Elisabetham  und  ad  Jacobum  Regem 
estrichen;  —  Deliciae  poetarnm  gallorum  coUectore  Ranutio  Ghero 
i.  i.  Janus  Qruterus),  3  vol.,  1619,  die  einzige  der  unter  dem  Titel 
)eliciae  poetarum  erschienenen  Gedichtsammlungen  (Baillet  3,  183), 
ie  im  Rom.  Index  steht;  bei  Sot.  füllt  die  Expurgation  dieser  De- 
ciae  nur  1  Spalte,  die  der  6  Bändchen  Del.  p.  germanorum  24 
eiten;  —  TarraeiHebii  (d.  i.  Caspar  von  Barth,  A.  D.  B.  2,  101; 
gl.  I  S.  594)  Amphitheatrum  seriorum  jocorum  und  Amph.  sapien- 
iae;  —  ferner  Schriften  von  J.  M.  Dilherr,  Gaspar  Dornavius, 
0.  Freinshemius,  Georg  Richter,  Steph.  Ritter,  A.  Th.  Siber,  Jo. 
^alch  (Decas  fabularum) ;  —  Barth .Alechtrochora,  Dissert.  theo- 
ico-practica  de  nobilissima  et  frequentissima  Hanreitarum  materia, 
erb.  1624;  —  Bacchi  et  Yeneris  facetiae,  ubi  agitur  de  generibus 
briosorum  .  .  de  meretricum  in  suos  amatores  Me,  s.  1.  1617,  und 
wei  Facetiae  facetiarum,  verb.  1651.  —  Nebulo  nebulonum,  h.  e. 
3C0-8eria  nequitiae  censura,  annis  abhinc  C  rhythmis  germanicis  edita, 
einde  latinitate  donata  a  Jo.  Flitnero  Franco,  1620  u.  s.  (eine 
lebersetzung  von  Th.  Murners  Schelmenzunft),  wurde  erst  1718  verb., 
nd  erst  1700,  in  Spanien  erst  1752:  Aloysiae  Sigaeae  Toletanae 
atyra  sotadica  de  arcanis  amoris  et  veneris,  Aloysia  hispanice  scripsit, 
itinitate  donavit  Jo.  Meursius,  seit  1680  wiederholt  gedruckt  (Barbier 
,  49.  Drujon  5).  Unter  dem  Titel  Jo.  Meursii  Elegantiae  latini 
Brmonis  wurde  das  Buch  1718  nochmals  verb. 

1603  wurden  verb.  Rerum  memorabilium  jam  olim  deperdi- 
ärum  et  recens  inventarum  11.  2  Guidonis  Panciroli,  lat.  vertit  et 
otis  illustr.  Henr.  Salmuth,  Amberg  1602 ;  1605  wurde  aber  das 
''erbot  auf  die  Annotationes  Henr.  Salmuth  zu  dem  Buche  von 
^ancirolo  (1523 — 99)  beschränkt.  Sie  werden  bei  Sot.  stark  expur- 
irt.  —  1621  wurde  mit  d.  c.  verb.  Liber  falso  adscriptus  Simon! 
lajolo,  episcopo  Yulturariensi,  cui  titulus  Colloquiorum  s.  dierum 
anicularium  Tomus  II.  Es  ist  die  von  Georg  Draudius  1614  her- 
usgegebene  Fortsetzung  des  zu  Rom  1597  u.  s.  erschienenen,  von 
^ossevinus  den  Philosophen  und  Predigern  empfohlenen  Buches  von 
fajolo  gemeint.  Der  3.  und  4.  Band  stehen  nicht  im  Rom.  Index; 
•ei  Sot  werden  alle  drei  expurgirt.  —  Joseph!  Lang!!  Novissima 
^olyanthea  in  11.  20  distributa,  Ven.  1616,  wurde  1627  mit  d.  c. 
erb.  Sot.  sagt,  er  habe  Lang,  weil  er  (1603)  katholisch  geworden, 

B«iiaoh,  Index  n.  XI 


162  Gedicbte.     Schulbücher.    Zeitschriften  u.  8.  w. 

ans  der  1.  GL,  in  der  er  bei  Sand,  stand,  in  die  2.  versetzt,  spricht 
ausführlich  über  die  verschiedenen  Ausgaben  des  Buches  (A.  D.  B. 
17,  602)  und  expurgirt  mehrere  derselben. 

Zu  den  Curiositäten,  welche  im  Index  stehen,  gehört  D i Spu- 
ta tio  perjucunda,  qua  anonymus  probare  nititur,  mulieres  homines 
non  esse ;  cui  opposita  est  Simonis  Gedicci  defensio  sexus  muliebris, 
qua  singula  anonymi  argumenta  distinctis  thesibus  proposita  viriliter 
enervantur.  £d.  novissima,  Hagae  Comitis  1644,  verb.  1714.  Die 
Disputatio  wurde  zuerst  1 595  gedruckt ;  Valens  Acidalius,  der  1594 
katholisch  wurde  und  1595  starb  (Eäss  3,  264)  ist  nicht  der  Ver- 
fasser, hatte  aber  das  Manuscript  seinem  Verleger  Osthaus  in  Leipzig  * 
gegeben.  Sie  ist  wahrscheinlich  in  Polen  verfasst  und  soll  zeigen, 
dass  man  eben  so  gut,  wie  die  Socinianer  bewiesen,  dass  Christus 
nicht  Gott  sei,  beweisen  könne,  dass  die  Weiber  keine  Menschen 
seien.  In  Leipzig  wurde  gegen  das  Schriftchen  gepredigt  und  die 
Wittenberger  theologische  Facultät  warnte  1595  davor  in  einer  Ad- 
monitio  ad  studiosam  juventutem.  In  demselben  Jahre  erschien  die 
Defensio  des  Magdeburger  Theologen  Simon  Gedicke  ^).  Eine 
italienische  Uebersetzung  Discorso  piacevole,  che  le  donne  non 
siano  della  specie  degli  huomini,  tradotto  da  Horatio  Plata  Ro- 
mano, Lyon  1647,  wurde  1651  verb.  (sie  rief  mehrere  italie- 
nische Widerlegungen  hervor,  Melzi  1,  111),  von  den  beiden  la- 
teinischen Schriftchen  aber  erst  die  Ausgabe  von  1644,  und  diese 
erst,  nachdem  mittlerweile  noch  mehrere  Abdrücke  (Paris  1693, 
Leizig  1707)  erschienen  waren,  genau  70  Jahre  nach  ihrer  Ver- 
öffentlichung. 

Der  berühmteste  unter  den  italienischen  Dichtem  im  Anfange 
des  17.  Jahrh.  war  Gio.  Batt.  Marini  (1569 — 1625);  er  stand  Jahre 
lang  in  Diensten  des  Card.  Aldobrandini,  des  Nepoten  Clemens'  VIII., 
1622  des  Card.  Barberini  (ürbans  VIII.),  wurde  in  der  Theatiner- 
kirche  zu  Neapel  begraben  (die  Grabschrift  bei  Toppi  p.  136)  und 
nach  seinem  Tode  von  der  Accademia  degli  Umoristi  zu  Kom  als 
der  grösste  Dichter  seines  Jahrhunderts  gefeiert 2).  Unter  Paul  V. 
wurde  er  wegen  seiner  obscönen  Gedichte  verhaftet,  versöhnte  aber 
den  Papst  durch  die  Strage  degli  Innocenti.  Erst  nach  seinem  Tode 
wurden  1627  L'Adone  und  Gli  amori  notturni  verb.  (dass  niemand 
als  der  Papst  die  Erlaubniss  zum  Lesen  des  Adone  ertheilen  könne, 
wie  Erythraeus,  Pin.  1,  p.  35  sagt,  steht  wenigstens  nicht  in  dem 
Decrete),  1628  eine  Eeihe  von  anderen  Gedichten  und  noch  drei 
erst  1678.  —  Tommaso  Stigliani,  dessen  Rime  1605  verb.  wurden, 
stand  im  Dienste  des  Card.  Scipio  Borghese;  1623  erschien  zu  Rom 
eine  diesem  gewidmete  expurgirte  Ausgabe  der  Rime  unter  dem 
veränderten  Titel  II  canzionero  (Tirab.  8,  454).  Cristoforo  Bronzini, 
dessen  Dialogo  della  dignitä  e  noblitä  delle  donne    1622  mit   d.  o. 


1)  Placcius  p.  373.  Freytag,  Anal.  5.  Frank,  Gesch.  der  prot.  TheoL 
1    287 

2)  Nicodemo-Toppi  112.  Baillet  1404.  Nio.  82,  187.  TiraboBohiS,  462. 


Italienische  Schriften.  168 

yerb.  wurde,  war  Caudatario  der  Cardinäle  Palletta  und  Carlo  de* 
Medici  und  berühmt  als  genauer  Kenner  der  päpstlichen  Ceremonien 
(Erjthraeus,  Pin.  3,26).  Gioseffo  Passi,  dessen  Defetti  donneschi, 
Yen.  1598  und  sonst,  1623  verb.  wurden,  wurde  Camaldulenser  und 
nannte  sich  als  solcher  Pietro  Passi.  Von  Girolamo  Brusoni, 
Yon  dem  zwei  Bücher  im  Index  stehen,  berichtet  Mazzuchelli,  er  sei 
dreimal  aus  dem  Carthäuser- Orden  ausgetreten;  er  war  ein  Freund 
Ferrante  Pallavicini^s  und  schrieb  ein  Leben  desselben.  La  simpli- 
ciik  ingannata  di  Galerana  Baratotti,  1654,  verb.  1661,  ist  ein 
Roman  der  Yenetianischen  Nonne  Arcangela  Tarabotti,  nach  ihrem 
Tode  gedruckt  (Yillani  p.  110).  Ein  Buch  von  Tomaso  Costo, 
welches  erst  1664  verb.  wurde,  war  schon  vor  1600  zuerst  erschienen. 

—  Andere  solche  Sachen  stehen  unter  ßenamati,  Buongiomi,  Bretel, 
Cicognini,  Doppia,  Loredano,  Malespini,  Moro,  Pignatto,  Satire,  Scelta. 

Andere  bellettristische  Sachen  werden  nicht  wegen  Obscöni- 
täten  verb.  worden  sein,  wie  die  von  Ferrella,  Flori,  Nali,  ferner 
des  Dominicaners  Luca  Belli  Commento  sopra  il  Convito  di  Pia- 
tone in  6  discorsi  (sollte  nach  Mazzuchelli  ursprünglich  ein  Com- 
mentar  zu  zwei  Sonetten  von  Petrarca  werden),  und  Franc.  Pona, 
La  lucerna  di  Eureta  Misocolo,  dialoghi  lY,  Yen.  1626,  verb.  1627, 
Gespräche  mit  einer  Lampe,  in  der  sich  der  Autor  (Arzt  in  Yerona, 
1594 — 1652)  eine  durch  mehrere  Körper  gewanderte  Seele  gegen- 
wärtig denkt.  Es  erschien  auch  eine  Entgegnung:  L'antilucema. 
Dialogo  (Melzi  I,  385).  —  In  einem  Decrete  vom  J.  1621  wird 
Ansaldi  Ceb4  Historia  Bester  metrice  conscripta  mit  d.  c.  verb.; 
erst  Ben.  hat  den  richtigen  Titel:  La  reina  Esther,  poema.  Ery- 
thraeus,  Pin.  3,  30  berichtet,  der  Card.  Doria,  Erzbischof  von  Palermo, 
babe  in  dem  Gedichte  vieles  absurd  und  anstössig  gefunden,  Gehk 
habe  sich  in  einem  Briefe  an  den  Cardinal  vertheidigt  und  dieser 
darauf  replicirt,  —  Erythraeus  theilt  beide  Briefe  mit,  bemerkt  aber: 
mihi  videtur  uterque  pugnare  pro  nugis  ac  velitari  de  lana  caprina, 

—  schliesslich  habe  man  das  Buch  verboten,  weil  es  historiae  sa- 
crae  veritatem  mendaciunculis  multis  contaminasset.  Andere  Sachen 
von  Cebä  (t  1623),  —  ehe  er  sich  auf  das  Yerfertigen  frommer 
Gedichte  verlegte,  schrieb  er  Liebesgedichte,  die  er  später  selbst 
corrigirte,  —  werden  anstössiger  sein  als  die  Esther.  —  Den  Schluss 
dieser  Liste  mag  ein  Curiosum  bilden:  La  Cicceide,  verb.  1690, 
ist  ein  Sammlung  von  360  Sonetten  von  Franc.  Lazzarelli,  worin 
er  seinen  frühern  Freund  Buonaventura  Arrighini  als  Don  Ciccio 
(s=  Francesco)  verhöhnt.  In  der  Yorrede  einer  1692  erschienenen 
2.  Ausgabe  sagt  er,  die  erste  sei  ohne  sein  Yorwissen  gedruckt 
worden;  er  wolle  nicht  kirchliche  Dinge  verspotten  und  unterwerfe 
«ich  dem  Urtheil  der  kirchlichen  Oberen;  einige  der  anstössigsten 
Sonette,  über  Don  Ciccio^s  Taufe,  Firmung  und  letzte  Oelung  u.  dgl., 
sind  hier  weggelassen  (Bayle  s.  v.  Lazzarelli.  Mazzuch.  1,  1130). 

Im  18.  Jahrhundert  sind  viel  weniger  italienische  Yersemacher 
n.  dgl.  in  den  Index  gekommen:  Sofilo  Molossio,  Pastore  Arcade 
Perugino  e  custode  degli  armenti  automatici  in  Arcadia,  gli  difende 
dallo  Bcrutinio    che    ne  fa  nella  sua  critica  il  Sig.  Pietro    Angelo 


164  Gedichte.    Schulbücher.    Zeitschriften  u.  8.  w. 

Papi,  medico  e  filosofo  Sabinese,  zu  Rom  1706  gedrackt,  nach  5 
Jahren  verb.,  worauf  der  Verfasser,  der  Mediciner  Alessandro  Pas- 
coli,  wie  Melzi  berichtet,  renmüthig  Sofilo  seuza  maschera,  Rom  1711, 
drucken  Hess.  —  II  Ricciardetto  di  Nicolo  Carteromaco,  Par.  (Ven.) 
1738,  verb.  1739,  30  Canti  in  der  Manier  Ariosto's  mit  sehr  schlüpf- 
rigen Stellen.  Der  Verfasser  hiess  Nie.  Fortiguerri  (1674—1736), 
wurde  unter  Clemens  XI.  Cameriere  und  Canonicus  in  St.  Peter  und 
Referendario  della  Segnatura,  1733  unter  Clemens  XII.  Secretär  der 
Propaganda,  nach  Fabroni  9, 10  ein  uomo  costumatissimo.  Seine  Verse 
durfte  er  Clemens  XII.  vorlesen,  und  Card.  Comelio  Bentivoglio 
erhielt  von  ihm  eine  Abschrift  des  Ricciardetto,  wonach  dessen  Neffe 
Guido  ihn  nach  dem  Tode  des  Dichters  drucken  liess ;  es  erschienen 
zwei  Auflagen  in  einem  Jahre.  Fortiguerri  übersetzte  auch  den 
Plautus  und  Terenz;  dieser  ist  1736  gedruckt.  —  Ritratti  poetici, 
storici  e  critici  di  varii  uomini  di  lettere,  di  Appio  Anneo  deFaba 
Cromaziano,  Neapel  1745,  verb.  1755,  schwülstige  und  satirische 
Sonette  auf  60  Schriftsteller  mit  einem  Commentar,  von  dem  Cöle- 
stiner  Appiano  (in  saeculo  Benvenuto)  Buonafede  (1716 — 93),  der 
1740  Professor  der  Theologie  in  Neapel,  1752  Abt  wurde,  als  Arcade 
Agatopisto  Cromaziano  hiess  und  unter  diesem  Namen  mehreres  ge- 
schrieben hat.  1760  gab  er  eine  expurgirte  Ausgabe  seiner  Ritratti 
unter  dem  Namen  Lavisio  heraus  (Mazzuch.  s.  v.  Buonafede ;  Melzi 
1,  78).  —  Teatro  comico  Fiorentino  contenente  venti  delle  piü  rare 
commedie,  citate  da'  signori  accademici  della  Crusca,  Florenz  (Ven.) 
1750,  6  vol,  8.,  verb.  1757,  eine  Sammlung  von  Comödien  von 
Cecchi,  Lasca,  Salviati,  Buonarroti  u.  a.,  herausg.  von  G.  C.  Fre- 
ghetti  (Graesse).  —  Andere  Sachen  stehen  unter  Lopez,  Viccei 
Specchio. 

Considerazioni  intorno  alla  poesia  degli  ebrei  e  dei  greci  von 
dem  Abate  Biagio  Garofalo  waren  1707  zu  Rom  gedruckt  und 
wurden  1718  verb.,  mit  dem  Bemerken,  das  Verbot  treffe  nur  jene, 
nicht  die  eben  (1718)  erschienene  (nach  den  Weisungen  der  Index- 
Congr.)  expurgirte  Ausgabe.  Garofalo  stand  im  Dienste  des  Fürsten 
Borghese  und  hatte  Homilieen  Clemens'  XI.  ins  Griechische  und 
Hebräische  übersetzt  (Clar.  Ven.  ad  Magliabechum  epp.  p.  255). 

Paradiso  perduto,  poema  inglese  del  Sig.  Milton,  trad.  in 
nostra  lingua,  al  quäle  si  premettono  alcune  osservazioni  sopra  il 
libro  del  Sig.  Voltaire  che  esamina  Tepica  poesia  delle  nazioni,  da 
Paolo  Rolli,  Verona  1730,  wurde  1732  wohl  nur  der  Vorrede  wegen 
verb.,  denn  andere  üebersetzungen,  —  von  Feiice  Mariottini  1796, 
Mich.  Leoni  1817,  —  stehen  nicht  im  Index  und  die  von  G.  C. 
Cuneo  wurde  1822  zu  Rom  gedruckt.  —  Auch  II  Tamburo,  Para- 
frasi  in  versi  sciolti  della  commedia  tradotta  in  prosa  dal  Sig.  des 
Touches  dair  originale  inglese  di  M.  Addison,  Flor.  1 750  con  appro- 
vazione,  eine  Uebersetzung  von  Addisons  The  Drummer  von  Giulio 
Ruccellai  wurde  noch  in  demselben  Jahre  wegen  der  Vorrede  ver- 
boten, worin  es  heisst:  die  Comödie,  die  den  Zweck  habe,  die  Sitten 
zu  verbessern,  indem  sie  Fehler  lächerlich  mache,  dürfe  auch,  ohne 
der  Religion  selbst   zu  nahe  zu  treten,    religiöse  Missbräuohe   zum 


Englisohe  nnd  franzosische  Sohriften.  166 

Gegenstände  nehmen  (Storia  lett.  11,  26).  —  Es  mag  gleich  hier 
erwähnt  werden,  dass  1819  die  Uebersetzung  von  L.  Steme's  Yo- 
rick's  Sentimental  Journey  (1765):  Viaggio  sentimentale  di  Yorick 
longo  la  Francia  e  Tltalia  [tradnzione  di  Didimo  Chierico,  Pisa  1813; 
der  üebersetzer  ist  Ugo  Foscolo],  mit  der  charakteristischen  Be- 
merkung verb.  wurde :  opus  anglice  editum,  sed  tantum  in  italica 
yersione  ad  S.  Congr.  relatum. 

Le  conte  du  tonneau  contenant  tout  ce  que  les  arts  et  les 
Sciences  ont  de  plus  sublime  et  de  plus  mysterieux,  avec  plusieurs 
autres  pi^ces  curieuses  parle Docteur  Swift,  trad.  de  Tanglois,  Haye 
1721,  2  vol.,  verb.  1734,  ist  eine  schlechte  Uebersetzung  der  1704 
erschienenen  Tale  of  a  tub  (Marchand  1,  326),  —  Pamela  oula 
vertu  r^compensee,  traduit  de  Tanglois,  Lond.  1742,  verb.  1745, 
eine  Uebersetzung  des  Richardson'schen  Eomans  von  Abb6  Prevost; 
gleichzeitig  wurde  verb.  Anti-Pamela,  ou  la  fausse  innocence 
d^couverte  dans  les  avantures  de  Sirene,  bist,  v^ritable  .  .  .,  trad. 
de  Tanglois  (von  de  Mauvillon),  Amst.  1743  (Marchand  1,  51  ver- 
zeichnet noch  zwei  andere  Anti-Pamelas).  —  Im  span.  Index  steht 
auch  La  vie  et  les  avantures  de  Robinson  Crusoe,  verb.  1756. 

1703  wurden  verb.  Contes  et  nouvelles  en  vers  de  M.  de  La 
Fontaine,  Nouv.  6d.,  Amst.  1695,  2  vol.  (zuerst  1665,  in  Spanien 
erst  1761  verb.);  sehr  überflüssiger  Weise  wurde  1804  noch  einmal 
eine  Ausgabe  s.  1.  1777  verb.  —  Ferner  stehen  noch  im  Index: 
Le  cabinet  satyrique  ou  recueil  de  vers  piquans  et  gaillards  etc., 
verb.  1671 ;  —  Jacqueline  de  Bavi^re,  comtesse  de  Hainaut.  Nou- 
velle  bist,  par  Mdlle  de  la  Roche-Guilhem,  1702,  verb.  1727, 
wahrscheinlich  nicht  gerade  der  schlechteste  unter  ihren  Romanen; 

—  Les  illustres  Frangoises,  histoires  vÄritables  .  .  .  1713  u.  o., 
verb.  1725,  erdichtete  Liebesgeschichten  von  Roh.  (Gr6g.)  de  Challes; 
vgl.  Marchand  s.  v.,  der  mehr  dergleichen  Bücher  verzeichnet,  die 
man  ebenso  wohl  hätte  verbieten  können;  —  Lettres  historiques 
et  galantes  de  deux  dames  de  condition,  par  Mad.  Dunoyer,  Col. 
1704,  7  vol.,  verb.  1725  (in  Spanien  erst  1762,  erst  seit  Ben.  im 
Index);  —  Les  emportemens  amoureux  de  la religieuse  etrang^re. 
Nouvelle  bist,  et  galante,  1707,  verb.  1727  (in  Spanien  erst  1790). 

—  Meliere  steht  weder  im  Rom.  noch  im  span.  Index. 

Dass  Sot.  in  Cervantes'  Don  Quijote  einen  Satz  streicht,  wurde 
bereits  I  S.  594  erwähnt.  Der  Lissaboner  Index  von  1624  streicht 
mehrere,  zum  Theil  3  —  4  Seiten  lange  Stellen;  er  streicht  auch  in 
einer  Brüsseler  Ausgabe  der  Novelas  ejemplares  von  1614  acht 
Stellen  und  liefert  zu  Los  trabajos  de  Persiles  eine  2  Foliospalten 
füllende  Expurgation  (profecia  wird  z.  B.  in  pronostico,  cosa  sobre- 
natural  in  cosa  muy  nueva  geändert);  Lissaboner  Ausgaben  beider 
Bücher  von  1617  werden  als  expurgirt  freigegeben. 

Von  den  Acta  Eruditorum  wurden  1703  die  Jahrgänge  1682 
und  1683,  1709  die  Jahrgänge  1684—1705  verboten,  dann  vor  und 
nach  die  folgenden,  von  den  Supplementa  zuerst  1714  der  4.  Band, 
1728  der  5.,  6.  und  7,,   1732  die  drei  ersten,  u,  s.  w.  In  dem  Index 


166  Zeitschriften  und  encyclopädisohe  Werke. 

von  1752  füllt  die  Aufzäblang  der  einzelnen  Theile  eine  ganze  Seite. 
Jetzt  stehen  im  Index  die  A.  E.  1682  —  1751  nnd  die  Supplementa 
bis  1749  als  1685—1757  verboten,  die  Nova  Acta  Erud.  1752-56 
als  1763—64,  and  die  8  Bände  Sapplementa  dazn  als  1762  verb. 
In  Spanien  wurden  die  A.  E.  erst  1756  verb.  Die  Bibliotheca 
Lubecensis  steht  in  den  älteren  Indices  mit  dem  Zusätze  Lubecae 
1726  als  1737  verb.  Ben.  hat  den  Zusatz  weggelassen,  also  das 
Verbot  auf  alle  zwölf,  1725 — 32  erschienenen  Theile  ausgedehnt. 
Ebenso  steht  in  den  älteren  Indices  Bibliothecahistorico-philologico- 
theologica  (von  Theod.  Hasaeus  und  F.  A.  Lampe),  Classis  I,  Fase. 
1 — 3,  Bremse  1718,  verb.  1727;  von  Ben.  wurde  1757  das  Verbot 
auf  alle  8  Bände  ausgedehnt.  —  Von  französischen  Zeitschriften 
wurde  ausser  den  Nouvelles  von  P.  Bayle  und  der  Biblioth^que 
universelle  von  J.  Clericus  vor  Ben.  nur  verb.:  Biblioth^que  bri- 
tannique  ohne  nähere  Angabe  1742.  Ben.  verbot  1757  die  ganze 
Serie,  1733 — 46,  25  vol.  8.,  und  ausserdem  Biblioth^que  germanique, 
1720 — 40,  35  vol.,  und  Biblioth^ue  raisonn^e  des  ouvrages  des 
savans  de  TEurope,  1728 — 53,  50  vol.  ^).  —  Einige  interessante 
Bemerkungen  finden  sich  in  dem  von  Val6ry  herausgegebenen  Brief- 
wechsel von  Mabillon  aus  dem  J.  1685.  Estiennot  schreibt:  Mons. 
(der  spätere  Cardinal)  Slusius  theile  ihm  regelmässig  die  Nouvelles 
(von  Bayle)  mit;  es  ständen  hübsche  Sachen  darin  und  man  lese  sie 
in  Rom  gern  (1,  158).  Sie  wurden  1690  verb.  Germain  meint, 
nachdem  er  die  ersten  Theile  von  Adrien  Baillet's  Jugements  des 
savants  sur  les  principaux  ouvrages  des  auteurs  (1685 — 86,  9  vol.) 
gesehen:  es  sei  sehr  zu  fürchten,  dass  Baillet  auf  den  Index  komme, 
nicht  nur,  weil  er  a  un  peu  ^gratigne  M.  Schelstrate,  mais  aussi 
parcequ'il  y  a  trait^  tres-rudement  la  Congregation  de  Tlndex,  qui 
t6t  ou  tard  se  vengera  (2,  192).  Auch  Mabillon  meint:  die  ersten 
Theile  seien  sehr  gut;  aber  man  werde  wohl  (in  Frankreich?)  die 
Fortsetzung  nicht  gestatten,  weil  Baillet  zu  frei  spreche.  L' Index 
y  est  maltraite  (1,  116,  145).  Das  Werk  rief  in  Frankreich  Gegen- 
schriften hervor,  kam  aber  nicht  in  den  Index. 

Lexicon  universale  historico-geographico-chronologico-poetico- 
philologicum  von  Job.  Jac.  Hof  mann,  Basel  1677,  2  Fol.,  und  die 
Continuatio  1683,  3  Fol.  (A.  D.  B.  12,  630),  wurden  1688  mit 
d.  c.  verb.,  ebenso  1703  Caroli  Stephan  i  Dictionarium  historicum, 
geogr.,  poet.  [zuerst  anonym  1596  erschienen],  innumeris  pene  locis 
auctum  per  Nie.  Lloydium,  Oxon.  1670  u.  s.,  dagegen  unbedingt 
1737  Magna  Bibliotheca  ecclesiastica  sive  notitia  scriptorum  ec- 
clesiasticorum  veterum  ac  recentiorum,  angeblich  Coloniae,  Perachon 
et  Gramer,  1734,  Fol.,  eine  sehr  tüchtige  Arbeit  (von  H.  Ph.  de 
Limiers  u.  a.),  die  allerdings  auch  die  protestantischen  Theologen 
behandelt.  Es  ist  nur  ein  den  Buchstaben  A  umfassender  Band  er- 
schienen ;  das  Werk  wurde  nach  dem  Tode  des  Verlegers  nicht  fort- 


1)  Näheres  über  diese  Zeitschriften  bei  Brunet  und  Graesse  und  in 
dem  Artikel  Journaux  litteraires  im  Supplement  zu  Morery. 


Protestantisohe  Juristen.  167 

gesetzt  (Biblioth.  rais.  32,  1,  280).  —  Gleichzeitig  wurde  verb.  Da- 
nielis  Georgii  Morhofii  Polyhistor  literarius,  philosophicus  ac  prac- 
ticus  cum  acceßsionibus  Jo.  Frickii  et  Jo.  MoUeri.  Cui  praefationem 
notitiamque  diariorum  literariorura  Europae  praemisit  Jo.  Alb.  Fabri- 
cius,  Lubecae  1732.  Die  1.  Ausgabe  des  Polyhistor  war  schon  1688 
— 92  erschienen.  Schon  1721  war  verb.  Morhofs  De  ratione  con- 
Rcribendarum  epistolarum  libellus,  1694;  das  Buch  steht  aber  erst 
seit  Ben.  im  Index.  —  Von  Ephraim  Chambers'  Cyclopaedia,  die 
zuerst  1728  in  2  Fol.  erschien,  wurden  erst  1760  zwei  italienische 
Uebersetzungen  verb. :  Dizionario  universale  delle  arti  e  delle  scienze 
.  .  .  Traduzione  esatta  ed  intiera  dair  inglese,  Ven.  1749,  9  vol.; 
Ciclopedia  ovvero  Dizionario  .  .  .  tradotto  dall'  inglese,  Napoli  1747 
—  1754,  8  vol. 


27.    Protestantische  Juristen. 

Es  wurde  (S.  106)  bereits  bemerkt,  dass  in  den  ersten 
Jahrzehnten  des  17.  Jahrhunderts  verhältnissmässig  wenige  pro- 
testantisch-theologische, verhältnissmässig  viele,  zum  Theil  ganz 
unbedeutende  juristische  Schriften,  fast  ausschliesslich  von  Deut- 
schen und  Holländern,  in  den  Index  kamen.  Von  1640  an 
werden  die  Verbote  weniger  bedeutender  Schriften  seltener. 
Das  Verbot  traf  nicht  bloss  kirchenrechtliche  Werke,  —  von 
diesen  stehen  einige  der  bedeutendsten  nicht  im  Index,  —  sondern 
auch  viele  andere  juristische  und  politische  Schriften.  Im  spa- 
nischen Index  stehen  einige  Juristen,  von  denen  im  Römischen 
nur  einzelne  Bücher  verboten  werden,  in  der  1.  Classe,  —  einige 
stehen  gar  nicht  im  spanischen  Index,  —  manche  Bücher  werden 
aber  hier  nur  mit  d.  c.  verboten,  —  was  im  Römischen  Index 
nur  selten  vorkommt,  —  und  expurgirt,  und  aus  diesen  Expur- 
gationen  lässt  sich  der  Grund  des  Verbotes  ersehen,  der  ja  in 
Rom  im  allgemeinen  derselbe  gewesen  sein  wird  wie  in  Spanien. 
In  den  über  Pandectenrecht  handelnden  Werken  fand  man  be- 
greiflicher Weise  vielfach  in  den  Titeln  De  summa  trinitate  et 
fide  catholica  und  De  haereticis  et  paganis  Anstössiges.  In 
manchen  nicht  ex  professo  kirchenrechtlichen  Büchern  werden 
kirchenrechtliche  oder  theologische  Fragen  behandelt  oder  doch 
berührt.  In  vielen  verordnet  der  spanische  Index  Stellen  zu 
streichen,  die  von  der  Usura  handeln,  den  Consensus  der  Eltern 


168  Protestantische  Juristen. 

bei  VerheirathuDgen  für  DÖthig  erklären^)  n.  dgl.  Bei  anderen 
juristischen  und  politischen  Schriften  sind  Erörterungen  über 
die  päpstliche  Gewalt  in  politischen  Dingen  u.  dgl.  der  Grund 
des  Verbotes.  Manche  Bücher  werden  im  Römischen  Index  un- 
bedingt verboten,  in  welchen  im  spanischen  nur  ganz  nnbedeu- 
tende  Dinge  expurgirt  werden.  —  Ein  merkwürdiges  Beispiel 
eines  späten  Verbotes  eines  bedeutenden  Werkes  ist,  dass  Pufen- 
dorfs  zuerst  1667  erschienenes  Buch  De  statu  germanici  imperii 
erst  1754  in  den  Index  kam. 

1.  Kirchenrechtliche  Schriften.  —  Von  Jo.  Schilter  (1632 
— 1705)  stehen  im  Index:  Praxis  juris  rom.  circa  connubia  in  foro 
germanico,  1680;  De  libertate  ecclesiarum  Germaniae  11.  7,  1683; 
nicht  die  Institutiones  juris  canonici,  1681  u.  o.,  und  anderes,  — 
von  Caspar  Ziegler  (1621 — 1690)  nur:  ^idrjQoivXov  ecclesiasticum 
sive  episcopus  miles  in  veteri  ecclesia  invisus  1672,  verh.  1686; 
De  episcopis  eorumque  juribus,  privilegiis  et  vivendi  ratione  commen- 
tarius,  1686,  von  der  Inq.  verb.  1687;  De  diaconis  et  diaconissis 
veteris  ecclesiae,  1678,  verb.  1690,  —  von  Justus  Henning  Boehmer 
(1674  — 1749):  Animadversiones  in  Institutiones  juris  eccl.  Claudii 
Fleurii,  1724,  verb.  1729;  Institutiones  juris  canonici  tum  ecclesia- 
stici,  tum  pontLficii,  1738  u.  r.,  verb.  1745;  Schilterus  illustratus, 
1712,  verb.  1749,  keine  seiner  anderen  Schriften,  auch  nicht  sein 
Hauptwerk,  Jus  ecclesiasticum  protestantium,  1714 — 37,  5  vol.  4. — 
Antonii  Augustini  de  emendatione  Gratiani  11.  2,  Gerhardus  von 
Mastricht  edidit.  .  .,  Historiam  juris  ecclesiastici  praemisit  et 
Steph.  Baluzii  suasque  notas  .  .  subjunxit,  1677  (Schulte  3,  2,  58), 
wurde  erst  1718  verb.  —  Von  Benedict  Carpzov  (IL,  1595 — 
1666;  A.  D.  B.  4,  11;  Schulte  S.  39)  wurden  1655  verb.:  Com- 
mentarius  in  legem  regiam  Germanorum  (Reichs-Staatsrecht),  1623 
u.  B. ;  Practica  nova  imperialis  saxonica  rerum  criminalium,  1635, 
und  die  drei  Centurien  Decisiones  illustres  saxonicae,  1646 — 54; 
dann  1 662 :  Centuriae  juridicarum  positionum  de  juribus  feminarum 
singularibus.  Von  der  seit  1649  oft  gedruckten,  Jahrhunderte  lang 
beinahe  wie  ein  symbolisches  Buch  angesehenen  Jurisprudentia  eccle- 
siastica  seu  consistorialis  wurde  eine  Ausgabe  von  1652  erst  1714 
verb.  Im  span.  Index  steht  dieser  Carpzov  (kein  anderer)  in 
der  1 .  GL,  werden  aber  die  drei  zuerst  genannten  Werke  expurgirt. 
—  1678  wurde  eine  Manuductio  ad  Universum  jus  civile  et  ca- 
nonicum, 1677,  12.,  verb.,  welche  Ben.  Carpzovs  Methodus  de  studio 


1)  Bei  Sot.  wird  Gentiani  Herveti  Oratio  ad  Concilium,  qua  suadetor, 
ne  matrimonia,  quae  contrahuntur  a  filiis  familias  sine  consensu  eoram,  in 
quorum  sunt  potestate,  habeantur  deinceps  pro  legitimis,  Par.  1556,  verb., 
„obschon  der  gelehrte  und  fromme  Autor  sie  geschrieben  und  veröfFent- 
licht  hat,  ehe  die  Kirche  auf  dem  Concil  von  Trient  das  Gegentheil  be- 
schlossen hatte/* 


Kiröhenrechtliohe  Sobrifben.  169 

juris  recte  et  feliciter  instituendo  (13  S.)f  Jo.  Serpilii  compendiosa 
juris  canonici  et  civilis  delineatio  und  andere  kleine  Schriften  von 
Daniel  Keyser,  Georg  Brncksulberg  u.  a.  enthält.  —  Von  Ahas- 
verus  Fritsch  steht  im  Index  nur:  Tractatus  theologico-nomico- 
politicus  de  mendicantibus  validis,  ...  in  qno  de  officio  magistratnum 
circa  pauperes  etc.,  verb.  \6^0  (steht  in  seiner  Sylloge  variorum 
tractatuum,  1657,  p.  1 — 170;  ein  Capitel  handelt  von  den  Bettel- 
mönchen);  —  von  Jo.  Nie.  Hert  nur  eine  unter  seinem  Praesidium 
vertheidigte  Dissertation  De  jactitata  vulgo  ordinis  Cisterciensis 
libertate  ac  exemtione  a  snperioritate  et  advocatia  regionum  in  S. 
R.  Gr.  Imperio  dominorum,  1703,  verb.  1714  (Jugler  5,  144);  — 
von  Georg  Adam  Struvius  die  von  ihm  mit  Anmerkungen  ver- 
sebene Ausgabe  der  Erotemat«  juris  canonici  des  Löwener  Yalerius 
Andreae  Desselius,  1675;  —von  Jo.  Georg  Simon  Brevis  delinea- 
tio impotentiae  conjugalis,  1672,  verb.  1687,  und  1700  fünf  unter 
seinem  Praesidium  zu  Jena  1675 — 78  vertheidigte  Dissertationen, 
deren  Titel  noch  heute  im  Index  gewissenhaft  verzeichnet  werden, 
allerdings  seit  Ben.  mit  Weglassung  der  Namen  der  Respondenten. 
Einzelne,  meist  nicht  bedeutende  Schriften  über  kirchenrechtliche 
Fragen,  für  welche  auf  Schulte  verwiesen  werden  kann,  stehen  noch 
im  Index  von  Boeckelmann,  Glasen,  Tobias,  Eckhard,  Estor,  Cyriacus 
Herdesianus,  Linck  (er  heisst  im  Index  noch  heute  Linkens),  Sith- 
mann,  Sixtinus,  Sonner,  Joachim  und  Matthias  Stephani  (des  erstem 
Libri  4  de  jurisdictione  werden  bei  Sot.  expurgirt),  Stypmann, 
Üngepauer,  Zanger  (stand  schon  in  der  1.  Gl.),  speciell  über  Ehe- 
Techt  von  Beatus,  Brower,  Ghristen,  Kirchovius,  Monner,  J.  Nicolai. 
Zu  erwähnen  ist  noch  Georg  Theod.  Dieterich,  De  jure  et  statu 
judaeorum  in  republica  christianorum  discursus,  Marb.  1658,  verb. 
1662. 

Lexicon  juridicum   juris  caesarei    simul    et    canonici,    feudalis 
item,  civilis  ....  opera  Jo.  Galvini  alias  Kahl  Veterani,     1600, 
IFol.,  u.  0.,    wurde  erst  1661  verb.;    bei  Sot.  steht    eine    5   Spalten 
ifÜllende  Expurgation,    die    sich  natürlich   hauptsächlich  auf  die  das 
^irchenrecht  betreffenden  Artikel,    auch  den  über  Usura,  bezieht^). 
2.    Es  wäre  zwecklos,  die  sonstigen  juristischen  Schriften,  die 
:im  Index  stehen,    vollständig    zu  verzeichnen.     Ausser   den  im   fol- 
genden zu  erwähnenden    wurden  im    17.    Jahrb.  verboten  Schriften 
Ton  Barth.  Agricola,  Val.  Arithmaeus,  Jo.  Bidenbach,  Jac.  Bomitius, 
IMatth.  Bortius,  Andr.  Gludius,  L.  Gothmann,  Justus  Eccardus,  Zach. 
JFridenreich,    E.  Gockel,    Nie.   Hampel,  J.  G.  Heineccius  (Elementa 
^oris  naturae  et  gentium,  1738,  mit  d.  c.  verb.    1745),  Jo.  Hensler, 
ISL  Huyssen,   Balth.  Klammer,    Gasp.  Klockius,    Herm.  Lather,  Jac. 
üjampadius,  Chr.  Liebenthal,  Jo.   Marquard  (d.   c),    Ant.   Matthaeus 
<1564— 1637;  die  bei   Schulte  S.  267  erwähnte  Manuductio  ad  jus 


1)  Sot.  bezeichnet  ihn  als  JG.  Gallus,  Wetterauus.  Er  war  gebürtig 
SOS  Wetter  bei  Marburg  und  Professor  in  Heidelberg,  f  1614  (Stintzing 
S.  682),  und  nicht,  wie  Harter  1,  306  meint,  identisch  mit  dem  Convertiten 
Justus  Calvinus  (Baronius,  1  S.  184.  E.-L.  2,  1728). 


170  Protestantitche  Juristen. 

canonicum  von  einem  andern  Ant.  Mathaeus,  1696  erschienen,  steht 
nicht  im  Index),  Chr.  Matthias,  Herrn.  Meyrer,  Dan.  Moller,  Barth. 
Musculus,  Josias  Nolden,  Phil.  Andr.  Oldenburger,  Tobias  Paur- 
meister,  P.  A.  de  Petra,  Chr.  Phil.  Richter,  Val.  Riemer,  M.  Rume- 
linus,  Georg  Schonborner,  L.  D.  Schritsmeier,  Henr.  Scotanus  (Pa- 
quot  1,  364),  Jo.  Stuckius,  Jo.  Wurmser,  Bern.  Zieritz,  —  im 
18.  Jahrh.  von  Henr.  Koehler,  Guil.  van  der  Muelen,  Andr.  Chrph. 
Rosenerus  (Roesener).  —  Als  Beispiele  von  unbedeutenden  Sachen 
mögen  angeführt  werden:  Georg  Braud lacht,  Epitome  jurispru- 
dentiae  publicae  universae,  Gotha,  1643,  12.,  verb.  1662;  Henr. 
Korn  mann,  Sib^^la  Trig-Andriana  seu  de  virginitate,  yirginum 
statu  et  jure  tractatus,  1610,  verb.  1621  (die  Ausgabe  von  1654 
ist  ein  Bändchen  von  214  S.  12;  vgl.  Bayle  s.  v.);  Joachim  C In- 
te nius  de  Parchim  Megalopolitanus,  Sylloge  rerum  qnotidianarum, 
verb.  1624,  dagegen  nicht  De  erroribus  pontificiorum  in  jure  cano- 
nico  und  anderes;  bei  Sot.  1.  Cl.);  Jac.  Andr.  Crusius,  De  noete 
et  nocturnis  officiis  tam  sacris  quam  profanis,  und  De  jure  offerendi, 
verb.  1662.  —  Vereinzelt  kommen  Verbote  ganz  unbedeutender 
Schriften  auch  noch  später  vor.  So  wurde  1760  verb.  Abr.  Wie- 
ling,  Apologeticus.  Accedit  Valentini  Jo.  Blondeel  dissertatio  aca- 
demica  de  legibus,  ütr.  1745.  Die  unter  dem  Praesidium  Wielings 
vertheidigte  Dissertation  war  von  den  Utrechter  Theologen  ange- 
griffen und  von  der  Universitätsbehörde  ein  Verfahren  gegen  den 
Respondenten  eingeleitet  worden ;  das  veranlasste  Wieling,  die  Disser- 
tation mit  einer  Vertbeidigung  drucken  zu  lassen  ( Jugler  6,  206).  — 
Neben  vielen  einzelnen  akademischen  Dissertationen  finden  wir  im 
Index  auch  Volumina  duo  disputationum  selectiorum  inauga- 
ralium  .  .  .  a  quibusdam  candidatis  in  Basileensium  academia  pro- 
positarum,  verb.  1621. 

Von  den  zahlreichen  Schriften  von  Christoph  Besold,  — 
1577—1638;  er  wurde  1630  heimlich,  1635  öffentlich  Katholik, 
—  stehen  im  Index  nur  Disputationum  nomico-politicarum  11.  8, 
1614,  und  De  jurisdictione  Imperii  Rom.  discursus,  1616,  verb.  1619, 
Templum  justitiae  s.  de  addiscenda  et  exercenda  jurisprudentia  dis- 
sert.,  1614,  verb.  1621,  und  Diss.  politico-jurid.  de  foederum  jure, 
1622,  verb.  1663,  nicht  z.  B.  Discursus  de  nuptiis,  1621.  Im  span. 
Index  steht  er  seit  Sot.  (1640)  in  der  1.  Cl.  (1790  als  Besdas); 
zwei  Schriften  (keine  der' genannten)  werden  expurgirt,  alle  anderen, 
also  auch  diejenigen,  die  er  als  Katholik  geschrieben,  verb.  —  Von 
Conrad  Rittershusius  (1560—1613)  wurden  1619  verb.  Diff^e- 
rentiarum  juris  civilis  et  canonici  seu  pontificii  11.  7,  1616,  worin 
oft  scharf  gegen  das  päpstliche  Recht  polemisirt  wird  (Stintzing 
S.  418;  Schulte  S.  632),  und  Jus  Justinianeum  h.  e.  Novellarum 
Imp.  Just,  expositio  methodica,  1615,  wozu  Sot.  eine  zwei  Spalten 
füllende  Expurgation  liefert  (Sot.  expurgirt  auch  einige  philolo- 
gische Schriften).  —  Von  seinem  Sohne  Georg,  1595 — 1670  (nicht 
im  span.  Index),  wurde  1622  verb.:  Jucunda  de  osculis  dissert. 
hist-philol.,  und  1640:  ^AavXia  h.  e.  de  jure  asylorum  tractatio, 
Argent.  1624.   —   Gleichfalls   1619    wurden   verb.    von    Dominicus 


ProtestantiBche  Juristen.  171 

Arnmaens,  dem  Stammvater  der  Publicieten  (1579 — 1673),  Dis- 
cursus  academici  de  jnre  publico,  in  quibus  de  imperatoribus,  re^s 
romani  electione  et  potestate,  electornm  origine  .  .  .  tractatur,  also 
nur  der  erste  1617  erschienene  Band  dieser  Sammlung  von  eigenen 
und  fremden  Arbeiten;  denn  die  4  anderen  erschienen  erst  1620 — 
23;  femer  1650:  Commentarius  de  comitiis  Eom.  -  Germanici 
imperii,  1680  u.  s. ;  im  span.  Index  stehen  nicht  diese,  aber  andere 
Werke  von  ihm.  —  Von  Jo.  Althusius  (1557 — 1638)  wurden 
1620  verb.  Politica  methodice  digesta,  exemplis  sacris  et  profanis 
illustrata,  1603,  und  Dicaeologiae  11.  3,  Universum  jus  quo  utimur 
complectentes,  1617  u.  s.  Althusius'  Lehre  von  der  Volksouve- 
ränetät  und  dem  Rechte,  einen  Tyrannen  abzusetzen  ev.  zu  tödten, 
wurde  von  Boeder,  Conring  u.  a.  als  error  pestilens  bekämpft  (Bayle 
s.  V.) ;  sie  hat  aber  seine  Bücher  wohl  nicht  in  den  Index  gebracht. 
—  Von  Nie.  Rens n er  (1545 — 1602)  stehen  im  Rom.  Index  nur 
Consilia,  1603,  3  Fol.,  verb.  1624;  bei  Sot.  wird  eine  Reihe  von 
Schriften  von  ihm  expurgirt. 

Namentlich  bei  manchen  unbedeutenden  juristischen  Sachen, 
die  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  17.  Jahrb.  verb.  wurden,  liegt 
die  Vermuthung  nahe,  dass  die  Titel  aus  den  Messcatalogen  abge- 
schrieben sind  (S.  13).  Die  Titel  und  die  Namen  sind  übrigens  in 
den  Decreten  und  in  den  älteren  Indioes  vielfach  bis  zur  Un- 
kenntlichkeit entstellt  und  erst  von  Ben.  richtig  gestellt  worden. 
In  dem  Decrete  Alex.  No.  5  (1605)  wird  z.  B.  verb.  H.  Breubau 
1.  de  militia  politica  togata  et  armata,  1593  (bei  Sot.  expurgirt),  in 
No.  9  (1609)  dasselbe  Buch,  aber  als  verfasst  per  H.  Breulan  Li- 
contenaviensem  Bassum,  und  in  No.  18:  H.  Breulaei  Lichtenav.  De 
renunciandi  recepto  more  modoque.  Henr.  Breubau,  Breulan  und 
Breulaeus  haben  dann  im  Index  friedlich  neben  einander  gestanden, 
bis  Ben.  die  beiden  Bücher  unter  Breulaeus  stellte.  —  Ebenso 
hat  erst  Ben.  erkannt,  dass  Everardus  Bemoist,  von  dem  1603  Ei'uy- 
ruKpanav  centuriae  duae  et  conciliationes  eorundem  juxta  seriem  pan- 
dectarum  dispositae,  1594  u.  o.,  verb.  waren,  kein  anderer  ist  als 
Everardus  Broncho rst,  von  dem  1646  Aphorismi  verb.  wurden. 
Üeber  Reinh.  Koenig  s.  S.  19. 

Warum  Dissert.  de  ludibriis  aulae  Rom.  in  translatione  Im- 
perii Rom.  auth.  Ant.  Alberto  Scottellio,  Rinteln  1678,  freilich 
erst  1709,  verb.  wurde,  zeigt  der  Titel.  In  anderen  Fällen  gibt 
der  span.  Index  über  den  Grund  des  Verbotes  Auskunft.  Bei  Pe- 
trus Heigius  (bis  Ben.  hat  er  im  Index  Eigius  geheissen),  Quae- 
stiones  juris  tam  civilis  quam  saxonici,  1601,  verb.  1603,  streicht 
Sot.  im  1.  Bande  p.  296 — 311:  De  clandestinis  sponsalibns  ex 
jure  civili,  canonico  et  provinciali, ...  de  parentum  consensu,  im  2. 
p.  1 — 37  die  Quaestio:  Usurae  an  jure  divino  vel  humano  licitae 
etc.  Femer  werden  in  folgenden  Sätzen  die  hier  eingeklammerten 
Worte  gestrichen :  Sponsalia  de  praesenti  (verum  et)  consummatum 
matrimonium  dici  non  possunt.  (Matrimonia  per  adulterium),  spon- 
salia per  fomicationem  solvuntur.  Electio  imperialis  per  auream 
Bullam  expressa  neqne  Imperatoris  (neque  Pontificis)  sanctione  abro- 


172  Protestantische  Jaristen. 

gari  potest,  —  aasserdem  BemerkuDgen,  wie:  Gefangene  seien  (ex 
verbo  Dei)  per  ministros  legis  et  evangelii  zu  belehren,  durch  den 
Passauer  Religionsfrieden  sei  tranquillitas  (nempe  religionis)  rei- 
publicae  toti  Germaniae  wiedergegeben  worden,  n.  dgl.,  endlich  viele 
Verweisungen  auf  Luther,  Melanchthon,  Flacius,  Postellns  u.  s.  w. 
und  die  Bezeichnung  Godelmanns  alsJC.  clarissimns  u.  dgl.  —  Bei 
Matthias  Co  1er,  Tractatus  de  processibus  executivis  in  causis  civi- 
libus  et  pecuniariis  ad  practicam  fori  saxonici  accommodatus,  1562 
u.  8.,  mit  d.  c.  verb.  1622,  handelt  es  sich  in  der  Expurgation  von 
Sot.  hauptsächlich  um  die  üsura.  Diese  ist  u.  a.  auch  Anlasa  zur 
Expurgation  bei  Bronchorst.  — In  den  Eesolutiones  des  H.  U.  Hun- 
nius  (S.  91)  sollen  nach  dem  span.  Index  die  Stellen  gestrichen 
werden,  an  denen  gesagt  wird:  die  Polygamie  sei  im  Alten  Test. 
nicht  nur  geduldet,  sondern  erlaubt  gewesen,  der  Concubinat  sei 
nach  canonischem  Rechte  gestattet,  zur  Gültigkeit  der  Eheabschlies- 
sung  sei  die  Einwilligung  der  Eltern  erforderlich,  die  Ehen  zwischen 
Christen  und  Juden  oder  Muhammedanem  seien  gültig,  durch  Ehe- 
bruch oder  böswillige  Yerlassung  werde  die  Ehe  aufgelöst,  das 
canonische  Recht  müsse  dem  bürgerlichen  weichen  und  sei  unver- 
nünftig. —  Von  Jo.  Harpprecht  (1560—1639)  wurde  Tractatus 
criminalis,  1603,  1605  verb.,  wahrscheinlich  u.a.  wegen  der  Bemer- 
kungen über  Hexenprocesse  (Stintzing  S.  646),  von  In  4  libros  In- 
stitutionum  juris  civ.  Justin,  commentarii,  1615  —  27  u.  s.,  die  Ed. 
novissima  von  1658  erst  1718  (zu  der  in  älteren  span.  Indices 
stehenden  Expurgation  dieses  Buches  liefert  der  von  1790  noch 
einen  Nachtrag  auf  Grund  eines  Edictes  der  Inq.  von  1777).  — 
Mit  den  Hexenprocessen  wird  auch  zusammenhangen  das  Verbot  von 
Christoph.  Crusius,  Tract.  de  indiciis  delictorum,  und  Tract.  de 
ind.  del.  specialibus  cum  praemissa  maleficiorum  eorumque  poenae 
compendiosa  relatione,  Rinteln  1683,  verb.  1714.  —  Von  den  Con- 
clusiones  practicabiles  des  Matth.  Berlichius  sagt  A.  Dandinus, 
De  suspectis  de  haeresi  p.  86,  sie  seien  (1659)  verboten  worden, 
weil  darin  der  offenbar  ketzerische  Satz  vorkomme,  maledictiones 
in  SanctoB  non  esse  blasphemias.  Man  hat  aber  ohne  Zweifel  in  dem 
Buche,  von  dem  alle  5  Theile  (1615  ff.  Jugler  2,  132)  verb.  sind, 
auch  noch  andere  anstössige  Dinge  gefunden.  —  1623  wurden  verb. 
Hieron.  Treutier  Selectarum  disputationum  ad  jus  civile  Justinia- 
neum  Volumina  duo,  zuerst  1592 — 93.,  ein  beliebtes  Lehrbuch  des 
Pandectenrechtes,  von  dem  bis  1619  mindestens  11  Auflagen  er- 
schienen (gleichzeitig  die  1625  erschienenen  Consilia  von  Treutier 
und  Andreas  Schöps ;  Stintzing  S.  465).  Bei  Sot.  wird  die  Ausgabe 
von  1603  expurgirt:  gestrichen  werden  11  Zeilen  in  der  Vorrede 
und  zwei  Stellen,  an  denen  von  der  Nothwendigkeit  des  Consenses 
der  Eltern  bei  der  Heirath  gesprochen  wird.  Dieser  Punkt  ist  u.  a. 
auch  Object  der  Expurgation  bei  Cothmann  und  Hilliger.  —  Jo. 
Jac.  Wissenbach,  In  libros  quatuor  priores  codicis  Justin.  .  .  . 
commentationes,  1660,  wurde  1661  verb.,  wie  Wissenbach  selbst  in 
der  Vorrede  zu  der  1663  erschienenen  Fortsetzung  angibt,  wegen 
der  Titel  De    summa    trinitate  etc.    (Jugler  5,  70).    Seine    Disputa- 


Schriften  über  Politik.  173 

tiones  juris  civilis;  ad  calcem  adjeetae  sunt  contradictiones  juris 
canonici,  1665,  wurden  erst  4.723  verb.  —  Von  einem  Buche  des 
Leydener  Professors  Arnold  Vinnius  (Vinnen,  f  1657),  In  4  libros 
Institutionum  imperialium  commentarius,  welches  seit  1642  oft  ge- 
druckt ist  und  von  dem  eine  zu  Venedig  1712  erschienene  Ausgabe 
1725  mit  d.  c.  verb.  wurde,  berichtet  Paquot  1,  149,  es  sei  ledig- 
lich wegen  einer  Stelle  über  die  Noth wendigkeit  des  Consenses  der 
Eltern  bei  der  Heirath  in  den  (spanischen)  Index  gekommen  und 
es  sei  dann  eine  expurgirte  Ausgabe  erschienen:  A.  Vinnii  JC, 
auctoris  damnati,  cum  expurgatione  vero  permissi,  in  4  libros  .  . , 
correctus  secundum  Indicem  expurg.  S.  Inquisitionis  Hispan.  a.  1707 
publicatum,  Lugd.  1737. 

3.  Schriften  über  Politik.  Von  Samuel  Pufendorf  (1632— 94) 
stehen  im  Index:  Introduction  k  Fhistoire  des  principaux  ^tats, 
trad.  de  Toriginal  allemand  par  Claude  Rouxel,  1687  (deutsch  1682), 
verb.  1693;  De  jure  naturae  et  gentium,  1672  u.  s.,  und  Le  droit 
de  la  nature  et  des  gens,  trad.  par  Jean  Barbeyrac,  avec  des  notes 
du  traducteur,  1706,  verb.  1714  (das  Buch  wurde  von  protestan- 
tischen Theologen  und  dem  Convertiten  Nie.  Beckmann  schon  seit 
1673  scharf  angegriffen;  E.-E.  12,  385);  Introductio  ad  historiam 
Europaeam,  lat.  reddita  a  Jo.  Frid.  Cramero  .  .  .  1704,  verb.  1737; 
De  officio  hominis  et  civis,  cum  notis  variorum,  Traj.  1740,  verb. 
1752  mit  dem  Zusätze:  et  etiam  sine  notis  (das  Buch  war  zuerst 
1673  erschienen) ;  De  statu  imperii  germanici  liber  unus,  notis  ad 
praesens  saeculum  accommodatis  et  praefatione  de  libertate  sentiendi 
in  causis  publicis  restricta  auctus  a  Jo.  Godefr.  Schaumburg,  1739, 
verb.  1754.  Letzteres  Buch  hatte  Puf.  1667  unter  dem  Namen 
Severinus  de  Monzambano  erscheinen  lassen ;  strenge  genommen  sind 
also  die  unter  diesem  Namen  erscbienenen  und  überhaupt  alle  Aus- 
gaben mit  Ausnahme  der  genannten  nicht  verb.  Im  span.  Index 
steht  von  Puf.  nur,  und  erst  seit  1787  Le  droit  .  .  .  und  Devoirs 
de  IHiomme  in  jeder  Sprache,  mit  und  ohne  die  Noten  von  Bar- 
beyrac. 

Daniel  Otto,  Dissert.  juridico-politica  de  jure  publice  Imperii 

Bomani,  1616,  verb.  1661  und  1662,    ist   das    erste  staatsrechtliche 

Compendium;  es  wird  darin  u.  a.  die  Frage  bejaht,  ob   die  Eeichs- 

atände  zur  Vertheidigung  der  Beligion  Bündnisse  gegen  den  Kaiser 

eingehen  dürfen  (Stintzing  S.  669).    Sonst    sind  noch  zu  erwähnen: 

Aulicus  politicus  diversis  regulis  .  .  .  instructus,  ante  multos  annos 

^ub  nomine  Duri  de  Pasculo    ablegatus,  .  .  .  nunc    multis    thesibus 

auctior  .  .  .  divolgatus  cura  Eberarti  de  Weihe  .  .  .  ,  Frcf.  1415*, 

14  Bl.  236  S.  4.,    verb.  1619    (steht   erst    seit  Ben.    unter  Weihe, 

früher  unter  Aulicus).     Das  Buch  war  unter  dem  Namen  Durus  de 

I^asculo  zuerst  1596,  dann  öfter,  auch  zu  Verona,  gedruckt  (Jugler, 

^,   23  L).    Zu  dem  Verbote  werden  die  Stellen  gegen  Beligionszwang 

-Anläse  gegeben  haben :  sanguine,  tormento  religionem  defendere  sei 

%ie  poUuere  et  violare  (vgl.  I  S.  578).     Weihe's  Schrift  De  contro- 

Arersia,  an  jus  pontificium  s.  canonicum  merito  et  licite  in  scholis  et 

Toto  fidelium  locum    obtinere    possit,    1588,   steht    nicht   im    Index 


ITA  Philos.,  natarwiss.  and  medicin.  Schriften. 

(Schalte  S.  31).  —  Specali  aulicaram  atque  politicaram  observa- 
tionam  libelli  octo  .  .  .  prooarante  Lazaro  Zetznero  Bibliopola  Ar- 
gentinense  1610,  über  500  S.  4.,  verb.  1621.  Eine  Aasgabe  von 
1600  enthält  nur  6,  eine  Ausgabe  von  1621  (über  800  S.)  13 
libelli.  In  allen  Ausgaben  stehen  De  conciliis  et  consiliariis  prin- 
cipuni  Frid.  Furii  (I  S.  255),  Aulicus  pol.  Duri  de  Pasculo,  eine 
Schrift  von  Jo.  Sturm,  zwei  von  Hippolytus  a  CoUibus  (Jugler  3, 
195)  und  Hypomneses  politicae  Franc.  Guicciardini,  denen  Auszüge 
aus  seinem  Geschichts werke  (I  S.  388)  beigefügt  sind.  Diese  werden 
hauptsächlich  das  Verbot  veranlasst  haben.  —  Venturae  de  Valen- 
tiis  JC.  Parthenius  litigiosus  s.  discursus  politico-juridicus  de  liti- 
giosis  nostri  saeculi  malitiis  et  de  remediis  abbreviandarum  litium, 
verb.  1623.  Der  Verf.  ist  G.  V.  Winther,  Rath  der  Herzoge  von 
Pommern  (Placcius,  Pseud.  599).  —  Pacificus  a  Lapide,  Homo  po- 
liticus  h.  e.  consiliarius  novus  officiarius  et  aulicus  secundum  bodier- 
nam  praxin,  Cosmopoli  1665,  verb.  1667.  Der  Verfasser  der  zu- 
erst 1654  erschienenen  Schrift  ist  der  preussische  Kanzler  Christoph 
Rappe.  £r  gab  die  Schrift  nochmals  1668  heraus  mit  einer  Ad- 
monitio,  worin  er  sagt,  er  habe  nicht  die  hodiema  praxis,  wie  sie 
sein  solle,  sondern  die  hodierna  praxis  der  Pseudo-Politiker  dar* 
stellen  und  damit  auch  bekämpfen  wollen.  Diese  Erklärung  ist 
durch  eine  Gegenschrift  veranlasst,  die  der  Nürnberger  Advocat 
Christoph  Peller  zuerst  1663  anonym,  dann  1669  u.  s.  unter 
seinem  Namen  veröffentlichte:  Politicus  sceleratus  impugnatus,  i.  e. 
compendium  politices  novum  sub  titulo  Hominis  politici  .  .  editum, 
notis  ubique  et  a^ditionibus  .  .  .  illustratum,  verb.  1685  (Nachr. 
von  der  Stollischen  Bibl.  2,  621).  —  Zu  einem  Thesaurus  politi- 
corum  aphorismorum  von  dem  Lütticher  Canonicus  Jo.  a  Chokier, 
der  mit  einer  Widmung  an  Paul  V.  zu  Rom  1610  u.  s.  gedruckt 
wurde  (eine  Ausgabe  von  1625*  ist  ein  Band  von  mehr  als  300  8. 
4.),  erschien  ein  Epimetron  sive  Auctarium  Thesauri  aph.  pol., 
h.  e.  Quaestionum  poiiticarum  .  .  .  libri  tres,  Frcf.  1615  (auch  1619*, 
4  Bl.  160  S.  4.),  verb.  1618  (bei  Sot.  stark  expurgirt).  Der  Verf. 
bestreitet  die  Gewalt  des  Papstes  in  weltlichen  Dingen,  tadelt  die 
Einführung  der  Inquisition  in  Belgien  durch  Karl  V.,  die  inquisi- 
tiones  severae  in  4i8sentientes  u.  dgl. 


28.    Philosophische,  naturwissenschaftliche  nnd 

medicinische  Schriften. 

Die  philosophische  Literatur  des  17.  Jahrhunderts  ist^  ab- 
gesehen von  Descartes  und  anderen,  von  denen  später  zu  handeln 
ist,  im  Index  vertreten  durch  Montaigne,  Charron,  Fludd,  Bacon 
von  Verulam,  Herbert  von  Cherbury,  Hobbes,  —  von  dem,  reif- 


Philosophische  Schriften.  175 

lieh  erst  1709,  —  Bämmtliche  Werke  verboten  worden,  und  einige 
weniger  bedeutende  Namen.  Von  Julius  Caesar  Vanini,  der  1619 
zu  Toulouse,  von  dem  Parlamente  als  Verbreiter  des  Atheismus 
yerurtheilt,  verbrannt  wurde  und  der  im  spanischen  Index  als 
impiissimus  atheus  in  der  1.  Classe  steht,  —  von  Hobbes  steht 
im  spanischen  Index  nichts,  —  wurde  in  Rom  1623  nur  ein 
Buch  mit  d.  c.  verboten  und  dieses  d.  c.  erst  unter  Benedict  XIV. 
gestrichen.  —  Die  Naturwissenschaften  sind,  abgesehen  von  Ga- 
lilei (§  48)  in  dem  Index  Alexanders  VII.  nur  durch  einige 
Chemiker  oder  Alchymisten  und  durch  eine  Anzahl  Mediciner 
vertreten.  Von  diesen  sind  einige  durch  die  um  1600  viel  er- 
örterte „magnetische  Heilung  der  Wunden"  in  den  Index  ge- 
kommen, —  J.  B.  van  Helmont,  der  dadurch  in  Belgien  in  eine 
mehrjährige  Uhtersuchung  verwickelt  wurde,  ist  nicht  darunter, 
—  Lionardo  di  Capua  durch  seine  scharfe  Kritik  der  schola- 
stischen Philosophie,  andere  aus  unbekannten,  wahrscheinlich 
gar  nicht  mit  der  Medicin  zusammenhangenden  Gründen,  wegen 
gelegentlicher  anstössiger  Aeusserungen. 

Petrus  EamuB  (de  la  Eam^e,  geb.  1515,  ermordet  in  der  Bar- 
tholomaensnacht  1572)  und  einige  Anbänger  seiner  Philosophie,  wie 
Thomas  Freigius  und  Frid.  Beurhusius,  stehen  schon  bei  Clem.  in 
der  1.  Gl.,  nicht  als  ob  man  die  Kamistische  Philosophie  geprüft 
and  verwerflich  gefunden,  sondern  weil  man  die  Namen  bei  Frisins 
fand.  Die  Pariser  Universität  hatte  allerdings  schon  1543  ein 
königliches  Verbot  von  antiaristotelischen  Schriften  von  Bamus  er- 
wirkt^). In  den  ersten  Decennien  des  17.  Jahrh.  kamen  mehrere 
Ramisten  und  Semiramisten  in  den  Index,  aber  meist  mit  nicht 
eigentlich  philosophischen  Schriften,  wie  Libavius,  Goclenius,  Alste- 
dins.  Schon  1603  wurde  aber  auch  ein  Buch  verb.,  welches  sich 
auf  dem  Titelblatt  als  der  Schale  angehörend  bezeichnet,  die  eine 
Vereinbarung  der  Ramistischen  und  der  Melanchton' sehen  Logik  an- 
strebte: Syntagma  Philippo-Rameum  artium  liberalium  methodo  bre- 
vi  ac  perspicua  concinnatum  per  Jo.  Bipsterium  (erst  Ben.  hat  Bil- 
steninm)  Marsbergianum  in  gratiam  tyronum  etc.,  Basel  1598. 
Daneben  sind  ein  paar  Compendien  der  Logik  zu  nennen:  Jo. 
Schollii  Praxis  logica,  verb.  1619,  und  Barth.  Keckermann 
Gymnasium  logicum,  verb.  1605;  von  Keckermanns  theologischen 
Schriften  steht  keine  im  Index.  —  Von  dem  Semiramisten  ßodol- 
phus  Goclenius  (Goeckel  aus  Corbach,  Prof.  in  Marburg,  1547 — 
1628;  A.  D.  B.  9,  808)  wurden  verb.  Physicae  completae  specnlum, 


1)  Werner,  Thomas  von  Aquin  8,  506. 


176  Philos.,  natarwiss.  und  medicin.  Sohrifteo. 

1604,  verb.  1613;  Fartitionum  dialecticarum  11.  2,  1595 — 1598,  und 
Controversiae  logicae,  1604,  verb.  1623;  Lexicon  philosopbicum, 
1613  u.  8.,  verb.  1633.  Der  Tractatus  de  magnetica  valnerum  cu- 
ratione  (s.  u.),  der  im  Index  mitten  unter  seinen  Scbriften  stebt,  ist 
von  seinem  gleichnamigen  Sobne  (1572— -1621).  —  Nie.  Tanrellns 
(1547—  1606)  stebt  im  span.,  aber  niebt  im  Römiscben  Index.  Von 
Daniel  Sennert,  1572 — 1637,  Prof.  der  Medicin  in  Wittenberg, 
sind  nur  die  Pbysica  bypomnemata,  1635,  1642  verb.,  und  zwar 
nur  mit  d.  c.  Kocb  Benedict  XIV.  citirt  seine  £pitome  physic&e 
oft  in  dem  Bucbe  De  beatif.  Honoratus  Fabri  polemisirt  u.  a.  gegen 
seine  Ansiebt,  die  Seele  sei  nicbt  von  Natur,  sondern  durcb  den 
Willen  Gottes  unsterblicb  (Bayle  s.  v.,  Nie.  14,  140).  Im  span. 
Index  von  1747  werden  seine  Opera  medica  expurgirt.  Mir  un- 
bekannte, wahrscheinlich  unbedeutende  Sachen  stehen  unter  Bon- 
zaeus  (vor  Ben.  Bauzeus),  Mangetus,  Rndigerus  (Ruediger),  Ulmius, 
Witekindus.  Eine  Reihe  von  Schriften  steht  im  Index  von  dem  Mediciner 
Jo.  Jonstonus  Folonus  (geb.  1603  zu  Samter  in  Polen,  aus  einer 
schottischen  Familie  stammend,  f  1675  in  Schlesien):  Naturae  con- 
st<antia;  Thaumatographia  naturalis;  Historia  universalis  civilis  et 
ecclesiastica  [ab  orbe  condito  usque  ad  a.  1633,  später  fortgesetzt 
bis  1672];  De  festis  Hebraeorum  et  Graecorum  cum  lectionnm 
philos.  miscellis,  (abgedr.  bei  Gronovius,  Thes.  VII.),  verb.  1662; 
Folymathiae  philologicae  s.  totius  rerum  universitatis  ad  snos 
ordines  revocatae  adumbratio,  1667,  verb.  1690.  Im  span.  Index 
stebt  er  in  der  1.  Cl.  (Mich,  a  S.  Jos.  3,  83). 

Von  Jo.  Blancus  (Bianchi  aus  Nizza,  Dr.  med.)  wurde  1640 
verboten  Divina  sapientia  arte  constructa  ad  cognitionem  et  amorem 
Dei  acquirendum,  1642:  Sapientiae  examen,  in  quo  eruditissimi  viri 
peripateticae  et  communis  doctrinae  apologi  dubia  proponuntnr  et 
a  Jo.  Blanco  solvuntur,  Lugd.  1640,  8,  letzteres  Buch  nach  Mazzach. 
2,  1136,  weil  der  Verfasser  sich  nicht  nur  von  der  Lehre  des  Aristo- 
teles und  den  gewöhnlichen  Ansichten  der  Philosophen,  sondern  auch 
von  der  bei  den  Theologen  üblichen  Ausdrucksweise  entfernt  und 
neue  Ansichten  vorträgt. 

Jacob  Boehme  stebt  nicht  im  Rom.  Index  (im  span.  als  Ja* 
cobus  Böhmen,  Germanus,  Lutberanus,  in  der  1.  CL),  aber  seit  1633: 
^/oXoyia  vera  J.  B.  T.  |d.  i.  Jacobi  Boehmii  Teutonici]  40  quae- 
stionibus  explicata  a  Jo.  Angelio  Werdenbagen,  Amst.  1632, 
620  S.  12.,  Böhmens  Antwort  auf  40  Fragen  des  Mediciners  Balth. 
Waltber  (Baumg.  8,  404).  Von  Werdenhagen,  Prof.  in  Helmstädt 
(1581  — 1652),  wurde  1636  noch  verb.  Universalis  introductio  in 
omnes  res  publicas  s.  Politica  generalis,  1632  (Moll,  Cimbria  2,  966). 

1676  wurden  verb.  Les  Essais  de  Michel  Seigneur  de  Mon- 
taigne, mit  dem  Zusätze:  wo  immer  und  in  welcher  Sprache  auch 
immer  gedruckt.  Die  beiden  ersten  Bücher  waren  schon  1580,  das 
ganze  Werk  1588  u.  o.  gedruckt,  zu  Venedig  1633  auch  eine  Italien. 
Uebersetzung.  Dagegen  wurde  schon  1605  das  Werk  eines  mit 
Montaigne  befreundeten  und  eine  ähnliche  philosophische  Richtung 
verfolgenden  katholischen  Geistlichen  verb.:    Liber  gallico  idiomate 


Montaigne.    Charron.    Bacon.    Hobbes  u.  a.  17? 

conscriptas  cui  titulus  est:  De  sapientia  11.  3  auct.  Petro  Cbarron 
.1.  V.  D.  Parle  1604.  Erst  seit  Ben.  stebt  der  französiscbe  Titel 
im  Index:  De  la  sagesse,  trois  livres.  Die  erste  Ausgabe:  TraitÄ 
de  la  sagesse  war  schon  1601  erschienen.  Der  vor  dem  Tode 
Charrons  1603  begonnene  Druck  der  2.  Ausgabe  wurde  31.  Dec. 
1603  von  der  Pariser  Universität  inhibirt,  bis  das  Buch  revidirt 
und  approbirt  sei  (Jourdain,  Hist.  P.  just.  19).  In  der  1605  ver- 
liotenen  Ausgabe  von  1604  ist  also  manches  geändert.  In  der  Aus- 
gabe von  1607  sind  die  weggelassenen  Stellen  beigefügt  (Bayle 
8.  V.;  noch  1830  ist  eine  deutsche  Uebersetzung  des  Buches  von 
Willemer  erschienen). 

Von  Franz  Bacon  von  Verulam  (1Ö61  — 1626)  wurde  De  dig- 
nitate  et  augmentis  scientiarum,  1605  englisch,  1624  vollständiger 
lateinisch,  mit  d.  c.  verb.,  und  zwar  erst  1669.  Bei  Sot.  stehen 
Franc.  Baconus  und  Franc.  Verulam  als  zwei  Autoren  in  der  1.  Cl. ; 
von  ersterm  wird  De  sapientia  veterum,  1617,  freigegeben,  von 
letzterm  Instauratio  magna,  1620,  expurgirt,  in  dem  Index  von 
1707  auch  die  Opera  omnia,  1665  (1  Spalte).  Erst  in  dem  Index 
von  1790  steht  Fr.  Baco  Baro  de  Verulamio.  —  Von  den  vielen 
Schriften  von  Robert  Fludd,  f  1637,  steht  nur  eine  im  Index: 
Utriusque  cosmi,  majoris  sei  licet  et  minoris,  metaphysica,  physioa 
atque  technica  historia.  Authore  Roberto  Fludd  alias  de  Fluctibus, 
Armigero  et  inMedicina  Doctore  Oxoniensi  .  .  .  1617 — 23,  3  Tomi 
Fol.  (Clement  8,  377).  Bei  Sot.  steht  er  in  der  1.  Cl.  und  wird 
potissimum  die  Medicina  catholica  verb.  — Von  Edward  Herbert, 
Lord  Cherbury,  +  1648,  wurde  1634  verb.:  De  veritate  prout  di- 
stinguitur  a  revelatione,  a  verisimilitudine,  a  possibili  et  a  falso, 
Par.  1624,  4.,  u.  o.  Sein  Buch  De  religione  gentilium  errorumque 
apud  eos  causis,  von  dem  die  erste  unvollständige  Ausgabe  zu  Lon- 
don 1645,  vollständige  Ausgaben  zu  Amsterdam  1663  (von  Isaac 
Vossius  besorgt)  und  1700  erschienen  waren  (Clement  9,  422),  wurde 
erst  1709  verb.  (in  dem  Decrete  wird  die  Ausg.  Amst.  1663  an- 
gegeben), in  demselben  Decrete:  Jo.  Musaei,  S.  Th.  Dr.  et  Prof., 
Dissertatio  de  aeterno  electionis  decreto,  an  ejus  aliqua  extra  Deum 
causa  impulsiva  detur  necne  etc.  Accessit  de  luminis  naturae  insuffi- 
cientia  ad  salutem  dissert.  contra  Eduardum  Herbert  Decher-Puris 
^Baronem  Anglum,  Jenae  1668.  Erst  Ben.  hat  Decher-Puris  in  de 
Cherbury  geändert,  führt  aber  die  zwei  Dissertationen  als  besondere 
Schriften  auf.  (De  rel.  gent.  p.  312  erklärt  Herbert,  er  unterwerfe 
«ensuram  hiinc  censurae  et  judicio  catholicae  et  orthodoxae  Eccle- 
fiiae).  —  In  diesem  Decrete  von  1709  werden  auch  sämmtliche 
Werke  von  Thomas  Hobbes  (1588 — 1679)  verb.  Vorher  war  von 
ihm  nur  verb.,  und  zwar  erst  1703 :  Leviathan  sive  de  materia, 
forma  et  potestate  civitatis  ecclesiasticae  et  civilis  .  .  .  una  cum 
appendice,  1668  (die  englische  Ausgabe  war  schon  1651  erschienen), 
und  gleichzeitig  Vita  Thomae  Hobbes  Angli  Malmesburiensis  phi- 
losophi,  Carolopoli  (London)  1681  (von  dem  Mediciuer  Rieh.  Black- 
burn;  Bayle,  Oeuvres  4,  841).  Viel  prompter  als  die  Schriften  von 
Hobbes  wurde  ein  harmloseres  Buch  auf  den  Index  gesetzt:  Religio 

Rensch,  Index  II.  |2 


178  Philos.,  naturwiss.  und  medicin.  ^hriften. 

medici.  So  in  dem  Decrete  vom  18.  Dec.  1646  und  im  Index  noch 
jetzt,  obschon  der  Verfasser,  der  Mediciner  Sir  Thomas  Browne 
(1605  —  82),  der  diese  religiösen  Betrachtungen  und  Grübeleien  zu- 
nächst für  sich  selbst  aufgezeichnet  hatte,  in  den  späteren  Ausgaben 
des  Buches  in  der  Vorrede  genannt  wird.  Das  Buch  erschien  1642 
englisch,  eine  lateinische  Uebersetzung  von  John  Merryweather  zu 
Leyden  1644.  In  Paris  galt  Browne,  dessen  Buch  viel  gelesen,  in 
mehrere  Sprachen  übersetzt  und  vielfach  nachgebildet  wurde,  — 
Religio  laici,  jurisconsulti,  medici  catholici  u.  dgl.^)  —  als  katho- 
lisch gesinnt,  in  Deutschland  als  Atheist;  in  Bom  erschien  eine 
Gegenschrift  Medicus  mediratus. 

Das  Buch  von  Julius  Caesar  Vanini,  welches  1623  mit  d.  c. 
verb.  wurde.  De  admirandis  Nuturae,  reginae  deaeque  mortalium, 
arcanis  11.  4,  Lutetiae  1616,  8.,  war  mit  königlichem  Privileg  und 
mit  einer  vom  20.  Mai  1616  datirten  Approbation  von  zwei  Doc- 
toren  der  Sorbonne,  Edm.  Corradin,  Ord.  Min.,  und  Claudius  Le 
Petit,  erschienen,  in  welcher  erklärt  wird,  es  enthalte  nichts  der 
katholischen,  apostolischen  und  römischen  Religion  Widersprechen- 
des und  sei  sehr  scharfsinnig  und  des  Druckes  durchaus  würdig. 
Auch  sein  Amphitheatrum  aeternae  providentiae  divino-magicum, 
christiano-physicum  necnon  astrologico-catholicum  adv.  veteres  phi- 
losophos  Atheos,  Epicureos,  Peripateticos  et  Stoicos,  Lugd.  1615,  8., 
war  mit  geistlicher  und  weltlicher  Approbation  erschienen.  Der 
erzbischöfliche  Censor  de  Ville  bezeugt,  das  Buch  enthalte  nichts 
von  dem  katholischen  und  römischen  Glauben  Abweichendes,  aber 
viele  scharfsinnige  und  kräftige  Argumente  gemäss  der  gesunden 
Lehre  der  bedeutendsten  Magister  der  h.  Theologie.  In  der  Vor- 
rede unterwirft  Vanini  alles  der  Censur  der  Römischen  Kirche^). 
Dieses  Buch  steht  nicht  im  Rom.  Index. 

Von  Andreas  Libavius,    einem    der  Begründer    der   wissen- 
schaftlichen Chemie,  f  1616,  stehen  im  Index  :  Defensio  et  declaratio 
perspicua  alchimiae  transmutatoriae  .  .  .  1604,  verb.   1605  (der  Titel 
scheint  aus  den  Nund.  von   1605  abgeschrieben  zu  sein),  und  Appen- 
dix necessaria  syntagmatis   arcanorum    chimicorum,  verb.  1618  (das 
1615  erschienene  Syntagma  selbst  ist  nicht  verb.).    Bei  Sot.  werden 
mehrere    andere    Werke  expurgirt.    —     1624  wurde  verb.  Symboh 
aureae  mensae;  erst  Ben.  hat  Mich.  Maierus,  Symb.  aureae  men- 
sae  duodecim   nationum  .  .  .  1617;    von   demselben   Maier  (f  1622)     ^ 
wurde  1628  noch  verb.  Verum  inventum,    h.  e.   munera  Germaniae     -^ 
ab    ipsa  primitus  reperta  et  reliquo    orbi  communicata,  1619   (diese       -* 
munera  sind:  das  deutsche  Kaiserthum,    die  Erfindung    des  Schiess-    — 
pulvers  und  der  Buchdruckerkunst,  Luthers  Reformation,  die  Reform 
der    Medicin    durch    Theophrastus    Paracelsus    und    die    Fratemitas        ^ 
roseae  crucis;    Moll,    Cimbria   1,    376).    —    Theatrum    chemicnm,    - 
praecipuos  selectorum  authorum  tractatus  de  chemiae  et  lapidis  phi- 


1)  Weingarten,  Revolutionskirchen  S.  306. 

2)  Nachr.  von  der  Stollischen  Bibl.  2,  181.  206.  Baumg.  4,  519. 


Vanini.    Libavius.    Helmont  u.  a.  17d 

losopkici  antiquitate,  praestantia  et  Operation!  bus  continens,  Argeot., 
Laz.  Zetzner,  1659,  6  vol.,  wurde  erst  1709  verb.  Bei  Sot.  wird 
die  Ausgabe  Urseliis  1602  in  3  Bänden  expurgirt. 

Die  magnetische    Heilung    der  Wunden    spielt    in   der  medici- 
nischen  Literatur  um    1600  eine  grosse  Rolle.     Bei    Sot.    wird    ein 
Tractat  von  Andreas  Libavius  De  impostoria  vulnerum  per  unguen- 
tum  armarium  sanatione  vom    J.  1594  expurgirt.     Der  jüngere  Ru- 
dolph   Goclenius    veröffentlichte    1608    zu    Marburg    Oratio    qua 
defenditur,  vulnus  non  applicato  etiam  remedio  citra  ullum  dolorem 
cnrari  naturaliter  posse,    si  instrumentum  vel  telum,   quod  sauciavit 
seu  quo  vulnus  est  inflictumi  peculiari  unguento  inunctum  obligatur, 
dann  1609:  Tractatus  de  magnetica  vulnerum  curatione   citra  ullum 
dolorem  et    remedii    applicationem    et    superstitionem,    verb.    1621. 
Gegen  diesen  Tractat  schrieb    der  Jesuit  Jo.  Roberti  Anatome    ma- 
gici  iibelli  R.  Goclenii  etc.,  1615,  und  es  folgten  nun  noch  mehrere 
Streitschriften  von  beiden  Seiten  bis  zum  Tode  des  Goclenius   1621 
(Strieder  4,  495.    Backer  I,    635).     Nun    trat   Job.  Bapt.  van  Hel- 
mont (1577 — 1644)  für  Goclenius  ein.    Die  für   seine  Schrift  schon 
ertheilte  Druckerlaubniss    der    geistlichen  Censurbehörde  wurde  auf 
Betreiben  der  Jesuiten  zurückgenommen,  die  Schrift  aber  ohne  Hel- 
monts  Vorwissen  in  Paris  1621  gedruckt:     De  magnetica  vulnerum 
naturali  et  legitima  curatione  contra  Jo.  Roberti  S.  J.     Dieser  ant- 
wortete in  Curationis   magneticae  et  unguenti  armarii  magica  impo- 
stura  clare  demonstrata  etc.,  1621.    Die    spanische  Inquisition    ver- 
bot Helmonts  Schrift  1626,  nachdem    vier   Examinatoren    27    Sätze 
daraus  censurirt  und  erklärt  hatten:    ipse    auctor   tam  videtur  hae- 
Teticus  quam    impudenter    audax;    gleichzeitig    wurden    verb.    J.  B. 
Helmontii  medici  et  philos.    per    ignem  propositiones    notatu  dignae 
depromptae  ex  ejus  disputatione  de  magn.  .  .  .    Parisiis  edita,    Col. 
1624,  16  S.  8.    Im  J.  1627  wurde  dann  von  dem  Official  des  Erz- 
l)i8chof8  von  Mecheln    gegen  Helmont   ein  Process  eingeleitet.     Die 
theologische  Facultät  zu  Löwen   gab   ein    (auch  von  Cornelius  Jan- 
eenius    unterzeichnetes)    Gutachten    ab,    worin    seine    Ansichten    als 
Icetzerisch  und  zur  diabolischen  Magie  gehörend  bezeichnet  wurden. 
Auch   die    theologische  Facultät    zu  Douay    und    die    medicinischen 
JPacultäten  beider  Universitäten  censurirten  27    Sätze    von    Helmont 
^die  oben  erwähnten  Propositiones    wurden  nochmals    gedruckt    mit 
Censurae  celeberrimorum  tota  Europa  theologornm  et  medicorum  ex 
mutographis    optima  fide  descriptae,  Leodii  1634,   20  S.  4).  Helmont 
^wurde  1634  für  kurze  Zeit  verhaftet;    es   wurde    beantragt,    ihn  zu 
"verbannen  und  sein  Buch  Öffentlich  zu  verbrennen;  man  nahm  aber 
"^on  einer  Bestrafung  Abstand,    da  er   selbst  erklärte,   er  verdamme 
«ein  Buch,    sofern    es  etwas  Bedenkliches  enthalte,    und    unterwerfe 
«ich  in  allem  der  Censur  der  Kirche  und  der  Oberen  ^).  —  Im  Rom. 


1)  G.  Broeckx,  Notice  sur  le  manuscrit  Causa  J.  B.  Helmontii  (im 
erzbischöfl.  Archiv  zu  Mecheln),  in  den  Annales  de  Pacad.  d'archeol.  de 
Belgique,  t.  9  (1852),  277;  t.  13  (1856),  306.  Haeser,  Gesch.  der  Medicin 
%  346. 


IdO  Thilos.,  naturwlss.  und  medicin.  Sokriften. 

Index  steht  Helmont,  wie  gesagt,  nicht;  aber  1659  wurde  eine  Dis- 
ceptatio  apologetica  de  sanguinis  missione  in  vulneribus  von  Hora- 
tius  Vaccherius  verb.  (1668  schrieb  der  Theatiner  Girolamo 
Vitale  Physico-theologica  de  magnetica  vulnerum  curatione;  Nico- 
demo-Toppi  139).  —  Von  dem  8ohne  J.  B.  van  Helmonts,  Franz 
Mercurius  v.  H.  (1618—99),  —  er  war  um  1662  in  seinen  jüngeren 
Jahren  einige  Zeit  im  Gefängniss  der  Inquisition  zu  Rom^),  — 
wurden  nach  seinem  Tode  zwei  anonyme  Schriften  von  der  Inqui- 
sition verb.,  ein  Compendium  der  cabbalistischen  Theologie:  Seder 
olam  sive  ordo  saeculorum,  historica  enarratio  doctrinae,  s.  1.  1693, 
196  S.  12,  verb.  1700,  und  eine  »Schrift  über  Seelen  Wanderung: 
De  revolutione  animarum  humanarum:  quanta  sit  istius  doctrinae 
cum  veritate  christianae  religionis  conformitAs.  Problematum  cen- 
turiae  duae,  lectori  modesto  modeste  propositae  et  latinitate  do- 
natae  juxta  exemplar  Anglicanum  Londini  a.  1684  Impressum  (144 
S.  12.,  in  den  Opuscula  philosophica,  Amst.  1590.  Clement  9,  369). 
Von  dem  Neapolitanischen  Mediciner  Seb.  Bartoli  (t  1676) 
wurde  1667  verb.  Astronomiae  microcosmicae  systema  novum  cum 
annexo  opusculo :  In  eversionem  scholasticae  medicinae  exercitatio- 
num  paradoxicarum  decas,  und  1669  eine  neue  Ausgabe  dieses  An- 
hangs: Artis  medicae  dogmatum  communiter  receptorum  examen, 
1666.  —  Genauer  unterrichtet  sind  wir  über  das  Verbot  der  Schriften 
eines  andern  Neapolitanischen  Mediciners,  Lionardo  di  Capoa.  Er 
war,  wie  in  dem  Avviso  vor  dem  2.  Bande  der  Discussioni  von 
Grimaldi  (s.  u.)  berichtet  wird,  zu  einem  Gutachten  über  die  Re- 
form des  medicinischen  Studiums  aufgefordert  worden  und  hatte  in 
diesem  gezeigt,  dass  für  den  Mediciner  auch  das  Studium  der  Phi- 
losophie nöthig  sei,  das  Studium  der  scholastischen  Philosophie  aber 
nicht  genüge.  Dadurch  hatte  er  sich  die  Anhänger  der  letztern  zu 
Feinden  gemacht.  Seit  Ben.  steht  im  Index  unter  seinem  Namen 
nur  Parere  divisato  in  otto  ragionamenti ;  aber  aus  den  älteren  In- 
dices  ist  zu  ersehen,  dass  es  sich  um  ein  Buch  über  Medicin  handelt 
und  dass  die  Inquisition  es  ist,  die  es  1693  verb.  hat.  Als  Titel 
wird  angegeben :  Parere  di  Lionardo  di  Capoa  divis.  in  otto  rag., 
ne'  quali  parinienti  narrandosi  l'origine  e'l  progresso  della  medicina 
chiaramente  Tincertezza  della  medicina  si  fa  manifesta.  Lionardo 
hat  aber  zwei  Schriften  veröffentlicht,  1681  Parere  sopra  Torigine 
etc.  und  acht  Jahre  später  (s.  a.)  Ragionamento  oder  Tre  ragiona- 
menti intorno  alla  incertezza  de'medicamenti  (der  Titel,  wie  er  im 
Decrete  angegeben  wird,  gehört  vielleicht  zu  einer  neuen  Ausgabe 
beider).  Die  scharfe  Kritik  der  herkömmlichen  Heilmethode  erregte 
in  Neapel  grosses  Aufsehen  (es  erschien  auch  eine  Gegenschrift  von 
Lavagna),  und  der  berühmte  Mediciner  Redi  schreibt,  die  medicini- 
schen Pfuscher  und  ihr  Anhang  (il  volgo  e  la  plebe  de'  mediconzoli) 
hätten  Lust  gehabt,  den  Entlarver  ihres  Schwindels  (ciurmeria)  zu 
steinigen  (Valery  1,  324.    Tirab.  8,  325).     Woher    die    Inquisition 


1)  Adelung,  Gesch.  der  menschl.  Narrheit  4,  298. 


Magische,  astrologische  und  ahnliche  Bücher.  181 

die  Mission  hatte,  sich  in  die  Sache  einzumengen,  ist  schwer  zn 
sagen.  Sie  verbot  aber  1700  auch  ein  ähnliches  Buch  eines  Eng- 
länders Gedeon  Harvey,  Ar«  curandi  morbos  exspectatione,  item 
de  vanitatibus,  dolis  et  mendaciis  medicorum,  Amst.  1695|  nach 
Haeser  2,  427  eine  schon  1689  englisch  erschienene  „werthlose, 
gegen  die  China  gerichtete  Schrift  von  einem  zanksüchtigen  Viel- 
schreiber, dem  Leibarzt  Karls  11."  --Von  der  Index-Congr.  wurde 
1717  eine  Schrift  eines  angesehenen  Anatomen  verb. :  Tractatus  de 
natura  substantiae  energeticae  .  .  .  auth.  Fr.  Glissonio,  Lond. 
1672.  Erklärlicher  ist,  dass  ein  halb  medicinisches,  halb  exegeti- 
sches Buch  des  Dänen  Thomas  Bartholinus,  Paralytici  Novi 
Test,  medico  et  philologico  commentario  illustrati,  verb.  wurde  (zu- 
erst 1653  gedruckt,  verb.  erst  1700;  De  morbis  biblicis  miscellanea 
medica,  1672,  steht  nicht  im  Index),  obschon  darin  die  wunderbare 
Heilung  nicht  bestritten  wird  und  Benedict  XIV.  De  beatif.  1.  4, 
p.  1,  c.  12  u.  s.  das  Buch  citirt. 

Auch  Lettera  del  Dr.  Bart.  Corte  Milanese,  nella  quäle  si 
discorre,  da  quäl  tempo  probabilmente  s'infonda  nel  feto  Tanima 
ragionevole,  von  der  Inq.  verb.  1704,  behandelt  eine  Frage,  die  auch 
von  den  Theologen  erörtert  wurde.  —  Martin  Wein  rieh  De  ortu 
monstromm  commentarius,  Lpz.  1595,  wurde  1621  mit  d.  c.  verb. 
Im  Anfange  des  17.  Jahrb.  wurden  ausserdem  noch  Schriften  verb. 
von  den  Medicinem  Caspar  Hofmann,  Godfr.  Smoll,  Chr.  Fr.  Gar- 
mann und  Henr.  Petraeus  (verschieden  von  dem  bei  Clem.  in  der 
1.  Cl.  stehenden  Henr.  Petraeus  Herdesianus). 


29.    Hagische,  astrologische  und  ähnliche  Bücher. 

Im  17.  Jahrhundert  wurde  eine  Reihe  von  Büchern  Über 
Magie,  Astrologie  u.  dgl.  verboten,  —  auch  die  Steganographie 
des  Abtes  Trithemius,  weil  man  sie  für  ein  magisches  Buch  hielt, 
—  namentlich  1623  und  1624.  Am  1.  April  1631  erliess  Urban  VIII. 
eine  eigene  Bulle  „gegen  die  Astrologen,  welche  über  den  Zu- 
stand der  Christenheit  oder  des  h.  Stuhles  oder  über  das  Leben 
des  Papstes  und  seiner  Verwandten  Berechnungen  machen," 
nahm  am  folgenden  Tage  in  einem  Breve  alle  Ermächtigungen 
zum  Lesen  verbotener  Bücher  zurück  und  schloss  bei  den  neuen 
Licenzen,  die  er  ertheilte,  die  astrologischen  Bücher  aus  ^).  Im 
18.  Jahrhundert   werden    solche   Verbote    seltener;    1732    aber 


1)  Keusch,  Galilei  S.  200.  76.  Hist.  Zts.  1P80,  43,  160. 


182  Magische,  astrologische  uud  ähnliche  Bücher. 

schritt  die  Inquisition  zum  ersten  Male  gegen  eine  Sorte  von 
Büchlein  ein,  die  in  Italien  bis  auf  diesen  Tag  viele  Abnehmer 
finden,  gegen  die  Anweisungen,  in  voraus,  speciell  nach  Träumen, 
die  Nummern  zu  berechnen,  welche  bei  den  nächsten  Ziehungen 
der  Lotterie  herauskommen  werden. 

In  dem  Decrete  vom  7.  Aug.  1603  werden  ausser  dem  Buche 
von  Godelmann  (I  S.  417)  verb.  Davidis  Origani  Glacensis  Ephe- 
merides  [Brandenburgicae  annorum  sexaginta,  Frcf.  1599]  und  Jo. 
Petri  Stupani  Tractatus  de  idololatria  et  magia,  beide  mit  d.  c. 
Der  Verfasser  des  letztern  Buches,  Giampietro  Stoppani,  einer  der 
Gründer  der  Congregation  der  Oblaten  des  h.  Ambrosius,  ein  Fami- 
liär des  h.  Carl  Borromeo  und  1580  angeblich  wunderbar  von  ihm 
geheilt,  wurde  von  ihm  1583  nach  der  Valle  Mesolcina  (Misoxer 
Thal)  gesandt,  um  dort  Ketzerei  und  Zauber-  und  Hexenwesen  zu  be- 
kämpfen, und  wird  damals  dieses  Buch  geschrieben  haben.  Was  in 
Rom  daran  missfallen,  erhellt  nicht;  jedenfalls  hat  man  Stoppani 
seine  Fehlgriffe  nicht  entgelten  lassen,  denn  er  starb  1630  als  Ge- 
neralvicar  und  Inquisitor  des  Veltlin^).  —  Die  Ephemeriden  von 
Origanus  stehen  auch  im  Liss.  1624  und  bei  Sot.  Dieser  verordnet, 
einer  Stelle  der  Vorrede  eine  Note  beizuschreiben:  die  hier  vorge- 
tragene Ansicht  über  die  Bewegung  der  Erde  sei  zwar  nicht  die 
Copernicanische,  aber  jani  parum  tuta  et  periculosa  in  fide  atque 
adeo  in  speciem  valde  adversa  nonnullis  scripturae  locis,  quantum- 
vis  Origanus  contendat  scripturam  aliorsum  trahere,  imo  videtur 
damnata  peculiari  quodara  edicto  Pauli  V.  a.  1616  (Galilei  bei  Berti, 
Antecedcnti  p.  33,  sagt:  Origanus  beweist  im  Anfange  der  Ephe- 
meriden ausführlich  die  Bewegung  der  Erde).  An  dieser  Stelle  hat 
man  in  Rom  1603  ohne  Zweifel  noch  keinen  Anstoss  genommen; 
das  Verbot  ist  vielmehr  veranlasst  durch  die  gleichfalls  von  Sot. 
monirten  astrologischen  Prognosen  und  die  Beifügung  von  Namen 
von  Ketzern  in  den   Kalendaricn-). 

1609  wurde  verb.  Steganographia  h.  e.  ars  per  occultam  scrip- 
turam animi  sui  voluntatem  absentibus  aperiendi  certam  anct.  Jo. 
Trithemio  abbate  Sponhemensi  et  maßjiae  naturalis  magistro  per- 
fectissimo,  Frcf.  1608.  Das  Buch  des  Trithemius  (f  1516)  ist  ein© 
Anweisung  zu  einer  Geheimschrift,  wurde  aber,  weil  darin  allerlei  au» 


1)  Quadrio,  Dissert.  intorno  alla  Rezia,  Mil.  1756,  III,  460.  Porta^ 
Hist  Ref.  I,  49;  U,  27. 

2)  Liss.  1624  verbietet  eine  Ausgabe  der  Ephemerides  mit  der  naiven. 
Bemerkung:  donec  ab  auctore  adhuc  superstite  recognoscantur  ad  normam 
Constitutionis  Sixti  V.  (I  S.  3:9).  Fir  expurgirt  auch  die  Ephemerides  von. 
Cyprianus  Leovitius  (ira  Rom.  Index  1.  Cl.),  Jo.  Stadius  (Lugd.  1585), 
Jo.  Meletius  (Ven.  1564).  —  Sot.  liefert  zu  einigen  astrologischen  Büchern, 
statt  sie  einfach  zu  verbieten,  spaltenlange  Expurgationen,  so  zu  dem 
Speculum  astrologiae  von  Franc.  Juntinus,  Lgd.  1583.  und  zu  einem  por- 
tugiesischen Buche  von  Joan  de  Barreira,  Cintra  1579. 


Origanus.     Stupanus.    Trithemius  a.  a.  183 

der  Magie  entnommene  Ausdrücke  gebraucht  werden,  vielfach  für 
ein  magisches  Buch  gehalten,  obschon  es  Trithemius  selbst  noch 
gegen  diese  Auffassung  vertheidigt  hatte  (Baumg.  2,327;  Kurfürst 
Friedrich  von  der  Pfalz  Hess  auf  Dujons  Betreiben  die  Original- 
handschrift verbrennen).  Auch  Possevinus,  App.  I,  945  sagt:  es  sei 
nicht  eine  clavis  polygraphiae,  sondern  superstitionis  et  periculi 
plenissimum  magiamque  sapit,  non  naturalem  illam,  quo  tarnen  no- 
mine plerique  suas  sordes  tegunt,  verum  etiam  ipsam,  quae  cum  a 
S.  Kom.  Ecclesia  prohibita  sit  una  cum  ejusmodi  libris  in  Rom.  In- 
dice,  haud  dubium  quin  et  istud  sit  ablegandum.  Dieses  Votum 
hat  denn  ohne  Zweifel  das  Buch  in  den  Index  gebracht.  Es  er- 
schienen mehrere  Vertheidigungen,  u.  a.  von  Caramuel,  Stegano- 
graphiae  necnon  Claviculae  Salomonis  Jo.  Trithemii  declaratio,  Col. 
1635  (Paquot  2,  178)  und  von  dem  Jesuiten  Caspar  Schott,  Schola 
steganographica,  1665.  Aber  noch  1684  beanstandeten  die  Römi- 
schen Censoren  in  der  Kirchengeschichte  des  Natalis  Alexander  die 
Stelle,  an  der  er  unter  Berufung  auf  Spondanus  sagt,  Trithemius  sei 
von  unkundigen  mit  Unrecht  der  Magie  verdächtigt  worden,  und 
noch  1703  wurde  verb.  Jo.  Trithemii  . . .  Steganographia,  quae  hucus- 
que  a  nemine  intellecta,  sed  passim  ut  suppositicia  [bei  Sot.  steht: 
opus  falso  Trithemio  adscriptum],  perniciosa,  magica  et  necromantica 
rejecta,  elusa,  damnata  et  sententiam  Inquisitionis  passa,  nunc  tandem 
vindicata,  reserata  et  illustrata,  auth.  Wolfg.  Ernesto  HeidelWor- 
roatiense,  Mog.  1676.  Roncaglia  (1734)  sagt  in  seinen  Noten  zu 
Natalis  Alexander  (ed.  Bing.  17,  396),  dessen  Bemerkung  über  Tri- 
themius sei  richtig,  das  Buch  aber  mit  Recht  verb.,  weil  weniger 
Unterrichtete  es  für  ein  magisches  halten  und  durch  das  Beispiel 
eines  so  bedeutenden  Mannes  zum  Aberglauben  verleitet  werden 
könnten;  von  ihm  selbst  habe  ein  nicht  ungelehrter  Mann  das  Buch 
verlangt,  um  daraus  die  Kunst  zu  lernen  investigandi  nomina  in 
lüde  Januenii  extrahenda^).  Jedenfalls  steht  der  arme  Trithemius 
noch  heute  im  Index. 

In  dem  Decrete  vom  16.  März  1621  wird  ein  Schriftchen  von 
Bon  Angelo  Gabriello  Anguisciola  —  er  war  ein  Lateranensischer 
Chorherr  und  wird  von  MazzuchelH  als  ein  frommer  und  gelehrter 
Mann  bezeichnet,  f  1643,  — ■  verb.:  Della  hebraica  medaglia  detta 
Maghen  David  &  Abraham,  Dichiaratione,  desgleichen  ein  gedrucktes 
Blatt:  Maghen  David  &  Abraham.  Breve  discorso  e  compendiosa  essa- 
minatione  della  natura  e  proprietä  di  questa  medaglia.  Estratto  dal 
libro  sopra  cio  di  Don  Angelo  etc.  Zugleich  wird  die  Medaille 
selbst  verb.  und  verordnet,  alle  Exemplare  an  die  Inquisition  ab- 
zuliefern. Die  Medaille  wird  in  der  Raccolta  s.  v.  Medaglia  be- 
schrieben: auf  der  einen  Seite  ein  Christuskopf,  umgeben  von  Kreisen 
und  Quadraten  mit  hebräischen  Buchstaben,  auf  der  andern  Quadrate 
und  Dreiecke  mit  hebr.  Buchstaben  und  Namen,  „von  denen  einige 


1)  Baillet,  Jugem.  2,  288.    Canzler  und  Meissner,   Quartalschrift  f. 
alt.  Lit.  2.  J.  (1784),  3.  Qu.  2.  H.  S.  103. 


184  Magische,  astrologische  und  ähnliche  Bücher. 

unbekannt  und  verdächtig  sind,  eines  injuriös  gegen  den  Erlöser". 
Das  Amulet  wurde  namentlich  als  wirksam  gegen  Feuersgefahr  an- 
gesehen^). Imbonati  p.  212  meint,  die  Schrift  von  Angnisciola  sei 
nur  ein  Auszug  aus  einer  handschriftlich  im  Vatican  vorhandenen 
Schrift  des  getauften  Juden  Raffaello  Aquilino,  der  uns. als  Gehülfe 
Girolamo  Muzio's  bei  seinem  Feldzuge  gegen  die  talmudischen 
Bücher  im  J.  1553  begegnet  ist  (I  S.  48).  Eine  in  eben  diesem 
Jahre  1621  zu  Bracciano  gedruckte  Schrift:  Scudo  di  Christo  ovvero 
di  David  in  tre  libri  distinto  dal  B.  D.  Carlo  de  Fabri  da  Mon- 
dolfo,  J.  U.  D.,  die  eine  andere  Erklärung  der  Medaille  und  eine 
Vertheidigung  der  Schrift  von  Angnisciola  enthält,  wurde  von  der 
Inq.  verb.,  aber  erst  1701! 

In  dem  Decret  vom  3.  Juli  1623  (Alex.  No.  27)  werden  verb. 
Antonii  Cararini  duo  libelli  astrologici.  Erst  Ben.  hat  die  Titel 
eingesetzt:  Specchio  d'astrologia  naturale,  il  quäle  tratta  dell' incli- 
natione  della  nativitä  degli  uomini,  und  Tnclinatione  e  natura  de* 
sette  pianeti  e  de'  dodici  segni  celesti.  —  In  demselben  Decret  wird 
verb.  Achmetis  Sereimi  F.  Oneirocritica  cum  notis  Nicolai  Rigaltii. 
Diese  Schrift  über  Traumdeutung  wurde  schon  1160  von  LeoTuscus 
aus  dem  Griechischen  ins  Lateinische  und  danach  von  Patr.  Tricasno 
(I  S.  395)  ins  Italienische  übersetzt,  griechisch  zuerst  zusammen 
mit  dem  Artemidoms  1603  von  Rigault  herausgegeben  (Bayle  s.  v. 
Achmet).  Diese  in  wissenschaftlichem  Interesse  veranstaltete  Ausgabe 
gehörte  offenbar  nicht  in  den  Index.  —  Im  J.  1623  wurden  ferner 
noch  verb.:  Antonii  Pjellegrini  Physiognomia  naturalis,  Mail.  1622, 
auch  die  schon  1596  zu  Venedig  erschienene  italien.  Ausgabe:  Segni 
della  natura  dell'  huemo,  und  Strozzi  Cicogna,  Palazzo  degl'  in- 
canti.  Erst  Ben.  hat  den  Titel  genauer  gegeben.  Vollständig  heisst 
er:  Palagio  degV  incanti  e  delle  gran  maraviglie  degli  spiriti  et  di 
tutta  la  natura  loro,  diviso  in  libri  45  et  in  3  prospettive:  «piri- 
tuale,  Celeste  et  elementare,  da  Strozzi  Cigogna,  gentil  huomo  Vicen- 
tino,  Teologo,  Filos.  &  Dott.  di  leggi  &  Nuncio  della  cittä  di  Vi- 
cenza  appressa  la  Sereniss.  Rep.  di  Vinegia,  Vicenza  1605,4.  Dieser 
Band,  der  also  erst  18  Jahre  nach  dem  Erscheinen  verb.  wurde, 
handelt  von  den  guttun  und  bösen  Geistern,  von  der  schwarzen 
Magie,  Goetie  undNoetik;  die  drei  Bände,  welche  de  diis  coelestibns 
(Astrologie),  de  anima  mundi  und  von  der  natürlichen  Magie  han- 
deln sollten,  sind  nicht  erschienen.  Das  Buch  ist  in  Deutschland 
ins  Lateinische  übersetzt  worden:  Magiae  omnifariae  vel  potins 
universae  naturae  theatrum  .  .  .  Auct.  D.  Strozzio  Cicogna,  ex  ital. 
lat.  opera  Caspari  Ens  L.,  Col.  1607.*  568  S.  8.  —  Cicogna  hat 
sich  übrigens  mit  fremden  Federn  geschmückt:  der  Verfasser  des 
Buches  ist  der  Can.  reg.  Thomas  Garzoni,  f  1589,  dessen  Bruder 
auch  Cicogna  zu  Venedig  wegen  unbefugter  Veröffentlichung  des 
Buches  unter  seinem  Namen  verklagte  2). 


1)  Bartolocci  4.  164.  Wolf,  Bibl.  rabb.  3,  997. 

2)  Placcius  p.  575.  Fabriciiis,  Hist.  Bibl.  476. 


Cicx)gna.  Lo  Normant.  Nouhusius  u.  a.  186 

Auch  1624  wurden  mehrere  Bücher  verboten:  Historia  memo- 
rabilis  de  tribus  energumenis,  Par.  1623,  seit  Ben.  Jo.  Le  Nor- 
mant Vera  et  memorabilis  biet,  de  tr.  en.  in  partibns  Belgii  et  de 
qoibusdam  aliis  magiae  complicibuR.  Die  Schrift,  1623  zu  Paris 
lateinisch  und  französisch  (2  vol.  8.)  erschienen,  handelt  von  den  von 
dem  Dominicaner  Franz  Dooms  1610 — 11  mit  drei  Nonnen  vorge- 
nommenen Exorcismen,  worüber  damals  mehrere  Schriften  erschienen 
(Qu^tif  II,  483).  Die  Sorbonne  censurirte  schon  1623  diese  und 
eine  zweite  Schrift  desselben  Jean  le  Normant,  Sieur  de  Chiremont: 
De  la  vocation  des  magiciens  et  magiciennes  par  le  ministere  des 
d^mons.  (Arg.  II  b  137.)  —  Marcelli  Viscardi  Necessitatis  magna- 
lia  (Ben.  hat  d.  c.  beigefügt).  —  Tragica  seu  tristium  historiarnm 
de  poenis  criminalibus  et  exitu  horribili  eorum,  qui  impietate,  blas- 
phemia  ....  ultionem  divinam  provocarunt  et  mirabiliter  perpessi 
sunt,  libri  dao,  Islebiae  1598,*  fast  700  S.  4.  Das  Buch  wird  in 
der  Vorrede  als  2.  Theil  eines  in  demselben  Verlag  erschienenen 
Buches  bezeichnet,  welches,  obschon  gewiss  bedenklicher  als  jenes, 
erst  1656  verb.  wurde:  Magica  seu  mirabilium  historiarum  de 
spectris  et  apparitionibus  spirituum,  item  de  magicis  et  diabolicis 
incantationibus,  de  miraculis,  oraculis,  vaticiniis  .  .  .  visionibus,  reve- 
lationibus  et  aliis  hujusccmodi  multis  ac  variis  praestigiis  . . .  malo- 
rnm  daemonum  libri  duo,  ex  probatis  et  Rde  dignis  historiarum 
scriptoribus  diligenter  collecti,  Islebiae  1597,*  4  (dem  Herzog  Hein- 
rich Julius  von  Braunschweig  gewidmet),  auch  Lugd.  Bat.  1656,  12. 

Edonis  (in  den  neuesten  Index- Ausgaben  falsch  Edoardi)  Neu- 
husii  Fatidica  sacra  sive  de  divina  futurorum  praenunciatione  libri 
duo,  Amst.  1630,  verb.  1640.  Das  Buch  handelt  auch  de  somniis 
divinis,  de  tempestatibus  prodigiosis,  de  monstrorum  speciebus  u.  dgl., 
und  ein  1648  erschienener  Liber  3.  de  praesensione  ex  astris  u.  dgl. 
Von  demselben  Autor  wurde  1677  verb.:  Theatrum  ingenii  humani 
sive  de  cognoscenda  hominum  indole  et  secretis  animi  moribus, 
gleichfalls  1677  Julii  Reichelti  Exercitatio  de  amuletis,  Argent. 
1676,  94  S.  4  (mit  Abbildungen).  —  Ptolemaeus  parvus  in  gene- 
thliacis  junctus  Arabibus,  auct.  Andrea  Argolo  in  Patavino  Lyceo 
mathematicas  scientias  profitente,  Padua  1652  u.  s.,  verb.  1658,  ist 
der  Königin  Christine  von  Schweden  gewidmet.  Argoli  (1570 — 1657), 
ein  angesehener  Mathematiker  und  Astronom,  war  um  1630  Lector 
der  Mathematik  in  Rom,  machte  sich  aber  dort  durch  seine  astro- 
logischen Dinge  und  seine  böse  Zunge  unmöglich  (Mazzuch.  s.  v.). 
—  Mauritius  Comes  de  Flisco  (aus  Genua),  Decas  de  fato  annisque 
fatalibuR  tam  hominibus  quam  regnis,  Frcf.  1665,  verb.  1673.  Die 
Stücke  waren  vorher  einzeln  erschienen:  Discursus  an  resp.  Veneta 
a.  1656  sit  passura  imminentes  Italiae  calamitates,  maxime  de  peste, 
1655;  De  mutationibus  sectarum,  imperiorum  et  regnorum  mundi, 
1662;  De  fato  Austriaco,  1664;  De  paroemia  pontificum:  Non  vide- 
bis  dies  Petri,  1665  u.  s.  w.  (Oldoini,  Athenae  Ligur.  s.   v.) 

Erst  1674  wurden  zwei  schon  1610  zu  Paris  gedruckte  Bücher 
verb.:  Magia  astrologica  h.  e.  P.  Constantii  Albinii  Villanovensis 
Clavis  sympathiae   Septem   metallorum    et  7  selectorum  lapidum  ad 


186  Magische,  astrologische  und  ähnliche  Bacher. 

planetas,  und  D.  Petri  ArlensiR  de  Scudalnpis  HieroBolymitaoi 
presbyteri  Sympathia  7  met.  ac  7  sei.  lap.  ad  planetas,  nach  Morbof 
Polyh.  I,  1,  c.  11  schon  zu  Madrid  1602  und  auch  zu  Rom  gedruckt, 
wo  aber  der  Sohn  des  Verfassers  die  Exemplare  zurückgekauft  habe ; 
letzterm  ist  beigefügt  Cam.  Leonardi  Speculum  lapidum  (S.  70). 
—  Ausserdem  wurden  bis  zum  J.  1700  noch  verb. :  Nie.  Groderi 
(seit  Ben.  Crogeri,  bei  Jöcher  Croeder)  Amphitheatrum  mortis  ma- 
turae,  sortis  durae,  —  Jo.  Franc.  Spina  De  mundi  catastrophe,  b. 
e.  de  maxima  rerum  mundanarum  revolutione  post  a.  1623,  —  Fas- 
ciculus  trium  yerarum  propositionum,  astronomicae,  astrologicae  et 
philosophicae.  Auth.  Immanuel  B.  T.  Y.  Rosales  Hebraeo,  Flor. 
1654,  —  Nie.  Spadon,  Studio  di  curiositä,  nel  quäle  si  tratta  di 
fisionomia,  chiromantia  e  metoposcopia,  diviso  in  dne  parti,  —  Tri- 
nnm  magicum  s.  secretorum  magicorum  opus  .  .  .  editum  a  Caesare 
Longino  Philos.,  Frcf.  1673  (enthält  auch  Goclenius  de  magnetica 
vulnerum  curatione),  verb.  1700.  —  Des  Holländers  Balthasar  Bekkers 
seit  1691  oft  gedruckte  „Bezauberte  Welt"  steht  nicht  im  Index, 
obschon  sie  1694  auch  französisch  erschienen  und  in  Rom  nicht  un- 
bekannt war  (Bened.  XIV.  De  beatif  4,  1,  39,  3). 

Dass  Delrio^s  Disquisitiones  magicae,  1593,  nicht  verb.,  sondern 
viel  benutzt  wurden,  wurde  schon  IS.  418  erinnert.  Selbst  de  Backer 
I,  257  sagt:  Le  livre  eut  beaucoup  de  vogue,  quoiqu'il  soit  rempli 
de  contes  et  de  fahles  qui  ne  meritent  pas  d'Stre  rapport6s.  II  y  cite 
une  infinit^  d'auteurs,  la  plupart  obscurs  et  inconnus.  Auch  Vinc. 
Baron,  L.  apol.  II,  163,  sagt:  Das  Buch  wäre  vielleicht  besser  nicht 
gedruckt  worden.  —  Ein  ähnliches  Werk  wie  das  von  Delrio  ist 
Epitome  delictorum  s.  de  magia  ...  11.  4,  auct.  Franc.  Torreblanca 
Villalpando  Cordubensi,  Sevilla  1618  und  sonst  (Ed.  noviss.  Lngd. 
1678*),  auch  unter  dem  Titel:  Daemonologia  s.  de  magia  naturali, 
daemonica,  licita  et  occulta,  Mog.  1623.*  Diese  Ausgabe,  ein  Quart- 
band  von  fast  700  S.,  ist  dem  Bischof  von  Würzburg  gewidmet. 
Auf  dem  Titelblatte  steht:  Nunc  jussu  Philippi  III.  conscripti  et 
ad  petitionem  Fiscalis  gen.  cum  approbatione  Senatus  Regii  et  S. 
Inq.  editi.  Es  ist  eine  Yertheidigung  des  Buches  beigedruokt,  aus 
der  sich  ergiebt,  dass  der  Verfasser  nicht  ohne  Schwierigkeit  die 
Druckerlaubniss  erhielt.  Im  span.  Index  werden  3  Stellen  expurgirt. 
Das  Buch  wird  von  Albit.  wiederholt  citirt. 

1701  verbot  die  Inquisition  eines  der  vielen  Bücher,  welche 
gegen  Ende  des  17.  Jahrb.  über  die  Wünsch elruthe  erschienen: 
La  physique  occulte  ou  traite  de  la  baguettc  divinatoire  et  de  son 
utilit6  pour  la  dicouverte  des  sources  d^eau,  des  minieres,  des  tre- 
sors  Caches  et  des  meurtriers  fugitifs,  avec  des  principes  qui  expli- 
quent  les  ph^nom^nes  les  plus  obscures  de  la  nature,  par  M.  Le 
Lorrain  de  Vallemont,  Pr6tre  et  Dr.  en  Theol.  Par.  1693.  609  8. 
12.,  —  deutsch  Nümb.  1694^).    —  1712  wurde    von  der  Inq.  ein 


1)  Ausführlich  darüber  N.  Lit.  Anz..  München  1807,  393.  Albit  p.  339 
lehrt  übrigens:  der  Gebrauch  von  duae  virgae  nucis  punicae  seu  avellanae 


Wünschelruthc.     Lotteriebücher.  187 

nicht  ernst  gemeintes  Buch  eines  andern  Abbe  über  Cabbala  und 
Kosenkreuzerei  verboten:  Le  Comte  de  Gabalis  ou  entretiens  sur 
les  Sciences  secr^tes,  Anist.  1671,  328  S.  12.  u.  s.,  und  La  suite  du 
Comte  de  Gabalis  ou  nouveaux  entretiens  sur  les  sciences  secr&tes 
touchant  la  nouvelle  philosophie,  Amst.  1708.  Der  Verfasser  hiess 
de  Villars,  Abb^  de  Montfaucon.  Nach  dem  Erscheinen  seines  Buches 
wurde  ihm  das  Predigen  untersagt;  er  wurde  1673  ermordet^). 
1752  wurde  noch  eine  italien.  Uebersetzung  verb. :  II  Conte  di  Ga- 
bali ovvero  ragionamenti  sulle  scienzc  segrete,  trad.  dal  francese 
da  nna  dama  italiana,  Londra  1751.  Nach  Bayle  s.  v.  Borri  hat 
Villars  La  chiave  del  gabinetto  del  Cavaliere  Gianfrancesco  Borri 
Milanese  benutzt.  Borri  (Burrhus)  wurde  1661  von  der  Komischen 
Inquisition  in  absentia  zum  Tode  verurtheilt  und  in  effigie  mit  seinen 
Schriften  verbrannt,  1670  in  Oesterreich  verhaftet  und  von  Leopold  I. 
unter  der  Bedingung,  dass  er  nicht  hingerichtet  werde,  nach  Rom 
ausgeliefert.  Hier  wurde  er,  nachdem  er  abgeschworen,  1672  zu 
lebenslänglicher  Haft  verutheilt,  f  1695  (K.-L.  2,  1121).  Er  steht 
auffallender  Weise  nicht  im  Index. 

Gegen  die  Lotteriebücher  erliess  die  Inquisition  1732  zwei 
Decrete.  Am  28.  Mai  verbot  sie:  Libretto  che  contiene  nove 
liste  di  tutte  le  arti,  che  sono  per  tutte  Testrazioni,  che  si  faranno 
nelli  presenti  anni  av venire,  aggiuntevi  due  liste  generali,  che  me- 
desimamente  servano  per  qualunque  estrazione,  ed  in  fine  una  gab- 
bola  [cabbala?]  per  li  nomi  della  luna  con  alcune  tariffe  de*  prezzi 
per  miglior  chiarezza  de'  giuocatori  quanto  de'  prenditori.  In  Genova 
per  il  Casamarra,  —  am  15.  Juli:  Liste  deir  arti  di  tutte  Testra- 
zioni  ridotte  per  ordine  d'alfabeto.  In  Genova  etc.  und  ein  zweites, 
dessen  Titel  Ben.  bis  zur  Unverständlichkeit  abgekürzt  hat  (Carlo 
Franc.  Capuro,  AnnotAzione  curiosa  e  distinta  ecc);  in  den  älteren 
Index -Ausgaben  füllt  er  16  eng  gedruckte  Zeilen;  etwas  abgekürzt 
lautet  er  so:  Curiosa  e  distinta  annotatione  di  tutti  li  nomi,  che 
sono  stati  sino  al  presente  nelle  liste  del  gioco  del  seminario  di  Ge- 
nova, Napoli  . .  .,  con  l'estrazioni  seguite  nelle  suddette  cittä  .  . ., 
di  piü  tre  alfabeti,  uno  de'  nomi,  Taltro  de'  cognomi  ed  il  terzo  de 
quondam  .  .  .  con  Vinterpretazione  de*  sogni  et  altre  curiositä  per 
avventurare  la  sorte  de'  giuocatori.  In  Milano  1712  con  privilegio. 
Diesem  Verbote  fügte  die  Inquisition  bei:  „Da  aber  zu  vermuthen 
ist,  dass  einige  schlechte  Menschen  ähnliche  verderbliche  Büchlein 
drucken  werden,  so  verbietet  und  verdammt  die  Inq.  unter  denselben 
Strafen  alle  entweder  schon  verfassten  und  gedruckten,  oder,  was 
Gott  verhüten  wolle,  in  Zukunft  zu  verfassenden  und  zu  druckenden 


characteribus  inscriptae  et  aqua  lustrali  benedictae  sei  als  Zauberei  straf- 
bar, dagegen  nicht  der  Gebrauch  solcher  virgac  simpliciter  bifurcatae  et 
insimul  connexae  (ohne  cbaracteres  und  Weihwasser),  quia  possunt  illae 
virgae  naturali  quodam  instinctu  se  inclinare  in  eam  partem,  ubi  condita 
sunt  metalla  vel  aquae. 

1)  Baillet  V,  249.    Freytag,  Anal.  358.    J.  G.  Hocheisen,  Diss.  phy- 
sicae,  quibus  elementicolae  Comte  de  Gabalis  examinantnr.   Witt.  1704. 


188  Geschichtliche  Schriften. 

ähnlichen  Bücher,  welche  in  irgend  einer  Weise  der  durchaus  eiteln 
und  abergläubischen  Deutung  von  Träumen  zur  Vorherbestimmung 
zufälliger  zukünftiger  Ereignisse  dienen.  Sie  ermahnt  zugleich  die 
Bischöfe  und  Inquisitoren,  sich  mit  aller  Sorgfalt  zu  bemühen,  diese 
Pest  fem  zu  halten  und  zu  unterdrücken ;  gegen  die  Uebertreter  aber 
sollen  sie  auch  mit  Geld-  und  körperlichen  Strafen  je  nach  dem 
Masse  der  Schuld  vorgehen"  (A.  I.  P.  2,  2652).  Aus  diesem  In- 
quisitionsdecrete  wird  das  allgemeine  Verbot  bei  Ben.  in  den  Decr. 
gen.  II,  14  stammen:  Libri  omnes  agentes,  ut  vulgo  dicitur,  delle 
venture  e  delle  sorti.  —  Das  Verbot  ist  nicht  wirksam  durchgeführt 
worden.  In  den  Wiener  Indices  stehen:  II  vero  mezzo  per  vincere 
all*  estrazzioni  de*  lotti,  osia  nuova  lista  generale  di  tutte  le  visioni 
notturne,  Ven.  1752,  und  II  vero  . . .  lista  gen.  contenente  quasi  tutte 
le  voci  delle  cose  popolaresche  appartenenti  alle  visioni  e  sogni  col 
loro  numero,  Ven.  1768.  Und  in  der  Allg.  evang.-luth.  K.-Z.  1883, 
585  wird  aus  Neapel  berichtet:  ,, Welche  Nummern  bei  der  nächsten 
Ziehung  glücklich  sein  werden,  ist  den  im  Laufe  der  Woche  ein- 
tretenden Ereignissen  zu  entnehmen;  denn  jedes  derselben  bedeutet 
eine  Nummer.  Hiebei  ist  aber  nicht  die  Willkür  des  Einzelnen 
massgebend,  sondern  eine  aus  unbekannter  Zeit  stammende  Fest- 
setzung. Diese  findet  sich  in  dem  Orakelbuch  Smorfia  (eigentlich: 
Fratze).  Dieses  findet  man  in  Neapel  in  der  Altstadt  in  allen  Caf(6*8, 
in  denen  das  niedere  Volk  verkehrt;  man  kauft  es  bei  den  zahl- 
reichen Strassenbuchhändlem ;  es  hat  der  Priester  wie  der  Kaufmann ; 
es  ist  hier  der  Bibel  an  Würde  gleich.  Letztere  ist  verboten,  aber 
das  heidnische  Buch  der  Smorfia  zu  verbieten,  ist  der  Kirche  i^ie 
in  den  Sinn  gekommen.^'  Das  „nie"  ist,  wie  wir  gesehen,  nicht 
richtig. 

Unter  Benedict  XIV.  wurde  1744  verb.:  Gli  avvenimenti 
felici  0  sinistri  degli  amanti,  regolati  dall*  infiuenza  de*  pianeti  Tanno 
1744,  mit  dem  gewiss  falschen  Druckort  Augusta. 


30.    Geschichtliche  Schriften. 

Es  ist  nicht  zu  verwundern,  dass  viele  geschichtliche 
Schriften  von  Protestanten  im  Index  stehen,  da  es  nicht  schwer 
ist,  in  solchen  irgend  welche  Stellen  zu  finden,  an  denen  man 
in  Rom  Anstoss  nehmen  konnte.  Es  ist  auch  nicht  za  verwan- 
dem,  dass  in  der  Auswahl  der  geschichtlichen  Schriften,  die 
man  verbot,  ebenso  wenig  ein  Plan  zu  erkennen  ist  wie  in  der 
Auswahl  der  theologischen.  Aber  auch  geschichtliche  Werke 
von  Katholiken  erregten  in  Rom  Anstoss  und  wurden  verboten. 
Das  erste  bemerkenswerthe  Beispiel  dieser  Art  ist  das  Verbot 
des  Geschichtswerkes  von  de  Thou,  um  so  interessanter,  als  wir 


6e8ckicKtliche  ^diriften.  Id9 

über  den  Grund  des  Verbotes  genau  unterrichtet  sind.  —  Im 
Index  Alexanders  VII.  stehen  fast  nur  lateinische  Schriften. 
Später  wurden  französische  und  italienische,  auch  zwei  englische, 
keine  deutsche  verboten.  Bemerkens werth  ist,  dass  im  17.  und 
18.  Jahrhundert  in  Italien  keine  nennenswerthe  Bearbeitung  der 
allgemeinen  Geschichte  erschien  und  dass  eine  1719  von  einem 
Carmeliter  herausgegebene  Uebersetzung  der  Weltgeschichte 
von  E.  Dupin  und  eine  Uebersetzung  einer  englischen  Weltge- 
schichte alsbald  verboten  wurden. 

In  grosser  Zahl  stehen  noch  heute  im  Index  kleinere  Schrif- 
ten über  kirchliche  und  politische  Vorgänge  in  verschiedenen 
Ländern,  deren  Verbot  gleich  nach  ihrem  Erscheinen  erklärlich 
ist,  die  aber  jetzt  doch  nur  für  den  historischen  Forscher  ein 
Interesse  haben,  zum  grossen  Theile  auch  für  diesen  von  geringer 
Wichtigkeit  und  zum  Theil  auch  schwer  aufzutreiben  sind. 

1.  Von  vielen  SchTiftstellern,  von  denen  geschichtliche  Werke 
oder  Werkchen  in  latein.  Sprache  im  Index  stehen,  vrird  es  genügen 
einfach  die  Namen  zu  verzeichnen.  Dahin  gehören  die  Deutschen 
und  Holländer  Roh.  Baillius,  Marcus  Zuerius  Boxhom  ^),  Jo.  Buno, 
Phil.  Camerarius,  Andr.  Corthymius,  Martin  Difenbach,  Gaspar 
Facius  (Politica  Liviana,  in  qua  pnmo,  regnum  Rom.  quibus  pacis 
et  helli  artibus  partum,  auctum  et  multiplicatum  sit  sub  regibus, 
inde,  quibus  erroribus  amissura  etc.,  161.3),  Chr.  Funccius,  Jo.  Lud. 
Gotofredus  (Archontologia,  mit  d.  c.  verb.),  M.  de  Guichardo,  Jo. 
Dietr.  van  Gulich,  Chrph.  Helvicus,  Herrn.  Kirchner,  Jo.  Isaac 
Pontanus,  Chrph.  Rupcrtus,  Elias  Schedius,  und  die  Engländer  Peter 
Heylin  (Cosmographia,  1657,  erst  1717  verb.)  und  Rob.  Johnston. 
Einige  andere  sind  speciell  zu  erwähnen : 

Ephemeris  s.  Diarium  historicum,  in  quo  est  epitome  omnium 
fastorum  et  annalinm  tam  sacrorum  quam  profanorum,  auspiciis  Nie. 
Reusneri  elaboratum  et  consummatum  ab  Elia  Reusnero,  Frcf.  1590, 
verb.  1603.  Bei  Sot.  wird  nur  verordnet,  dem  Namen  des  Verfassers 
und  zwei  anderen  Namen  die  nota  haeretici  beizufügen.  In  Reus- 
ners  Stratagematographia  s.  Thesaurus  bellicus,  Frcf.  1609,  verb. 
1623,  streicht  dagegen  Sot.  einige  Stellen,  die  den  protestantischen 
Verfasser  verrathen.  Noch  stärker  expurgirt  er  Basilicon,  Opus 
genealogicum  catholicum  de  praecipuis  familiis  imperatorum  etc., 
1592.  Dieses  Buch  steht  nicht  im  Rom.  Index.  Possevinus,  Appar. 
I,  502,  erzählt  zwar,  er  habe  von  diesem  Buche  die  Ausgabe  cum 
auctario    Nie.    Reusneri,    Frcf.  1602,    im  Auftrage    von    Cardinälen 


1)  Der  Titel  Eist.  univ.  sacra  et  profana  ad  a.  usque  1650.  Accessit 
appendix  proximorum  sequentium  annorum  res  complexa,  ist  in  den  neue- 
sten Indices  verhunzt  in  Ilist.  univ.  sacro  et  proximorum  etc. 


190  Geschichtliche  Schriften. 

dorchgeleHen  und  nachgewiesen,  dass  sie  stark  expurgirt  werden 
müsse;  man  scheint  aber  in  Korn  vergessen  zu  haben,  das  Buch  zu 
verbieten.  —  Von  dem  Mercurius  gallo-belgicus  Sleidano  succentu- 
riatus  des  Gothardus  Arthusius  Dantiscanus  wurden  1616  die  die 
Jahre  1554 — 70  behandelnden  Bände,  1623  Tomi  14.  1.  1.  verh. 
Ben.  hat  das  Verbot  auf  alle  von  Arthus  herausgegebenen  Bände 
(A.  D.  B.  1,  618)  ausgedehnt.  Seine  Commentarii  de  rebus  in  regno 
Antichrist!  memorabilibus,  1609 — 11,  sind  nicht  verb.  Im  span. 
Index  steht  er  in  der  1.  Cl.  und  werden  nur  ein  paar  Bücher  frei- 
gegeben. —  Auch  Mich.  Gasp.  Lnndorp  steht  im  span.  Index  in 
der  1.  Gl.,  im  Rom.  nur  Bellum  sexennale  civile  germanicum,  Frcf. 
1622,  4.,  verb.  1623.  —  Marquard  Freher  steht  im  span.  Index 
in  der  1.  Cl.  zweimal,  als  Theol.  Calv.  Zuingl.  und  daneben  als  JC. 
Hist.  Luth.  Im  Rom.  Index  steht  er  gar  nicht,  obschon  Nie.  Sera- 
rius  1598  an  Card.  Baronius  schrieb,  er  habe  eine  Broschüre  gegen 
Frehers  De  numismate  census  geschrieben,  worin  derselbe  die  Ka- 
tholiken mitunter  angreife  und  namentlich  sage,  Laien  und  Halbge- 
lehrte wüssten  jetzt,  was  grosse  Doctoren  und  Cardin äle  der  Römischen 
Kirche,  wie  Baronius  im  1.  Bande  der  Annalen,  nicht  wüssten 
(Baronii  Epist.  ed.  Albericius  3,  249).  —  Pallas  Rhaetica  armata 
et  togata  .  .  .  auth.  Fortunato  Sprechero  a  Berneck  Davosiano 
.  .  Bas.  1617,  4.,  u.  s.,  verb.  1621,  wird  von  Sot  ohne  Expurgation 
freigegeben  (auch  in  seiner  zu  den  Elzevir'schen  Respublicae  ge- 
hörenden Respublica  Rhaetica,  1633,  werden  nur  ein  paar  Stellen  ge- 
strichen). Seine  Historia  motuum  et  bellorum  postremis  hisce  annis 
in  Rhaetia  excitatorum,  Genf  1629,  die  jedenfalls  mehr  Anstössiges 
enthält,  obschon  Quadrio  in  der  Einleitung  seiner  Dissert.  intomo 
alla  Rezia  ihre  Objectivität  rühmt,  steht  nicht  im  Index.  —  Fri- 
derlei  Achillis  Ducis  Wörtemberg.  Consultatio  de  principatu  inter 
provincias  Europae,  habita  Tubingae  in  lUustri  CoUegio  an.  Chr. 
1613*  (Tüb.  1613  u.  s.),  750  S.  4.,  ist  eine  von  dem  Ephorus  III. 
Coli.,  Jo.  Joachim  a  Grüenthall,  herausgegebene  Sammlung  von 
Declamationen,  welche  die  hochgeborenen  Zöglinge  vorgetragen  und 
worin  der  Reibe  nach  die  einzelnen  Länder  Europa's  gepriesen  und 
herabgesetzt  werden,  bis  zum  Schlüsse  der  Herzog  Friedrich  Achiilea 
das  Facit  zieht:  in  Europa  nihil  Germania  illustrius.  —  Von  der 
Introductio  in  universam  geographiam  tam  veterem  quam  novam 
von  Phil.  Cluverius  (Klüwer),  dem  Begründer  der  wissenschaft- 
lichen historischen  Geographie,  steht  im  span.  Index  die  Original- 
Ausgabe  (1624),  im  Rom.  nur  die  Ausgabe  von  Jo.  Frid.  Hekelina 
von  1685,  und  diese  erst  seit  1709. 

1609  wurde  verb.  Hist.  Belgica  ab  a  1560  usque  ad  1600 
gallice  conscripta  et  1604  apud  S.  Gervasium  impressa;  erst  Ben, 
hat  dafür  gesetzt:  Hist.  des  Pays-Bas  depuis  l'an  1560  jusqu'ä  la, 
fin  de  1602,  tir^e  de  Thist.  de  Jean-Fran^ois  Le  Petit.  Das  Buch, 
von  Le  Petit  heisst:  Chronique  des  Provinces  Unies,  Dordrecht  1600, 
2  Fol.  Der  Auszug  ist  von  Simon  Goulart,  Prediger  in  Genf^ 
t  1628.  —  Georg  Hörn,  Prof.  der  Geschichte  in  Leyden,  f  1670^ 
steht   im  span.  Index    in  der  1.  Cl.,    ohne   dass   ein  Buch  von  ihm. 


Arthusius.    Hom.    Palma  Cayet  u.  a.  191 

erlaubt  würde.  Im  Eöm.  Index  stehen  ausser  den  bereits  erwähnten 
Schriften  seit  1685:  Orbis  imperans,  seu  tractatus  de  13  orbis  im- 
periis  historico-politicus  isque  . .  .  partim  castigatus,  partim  illustra- 
tus  a  L.  Joa.  Fellero,  Prof.  Lips.,  1677;  Orbis  politicus  imperiorum, 
regnorum,  principatuum,  rerum  publ.,  cum  memorabilibus  historicis 
et  geographia  veteri  ac  recenti  [von  diesem  Buche  ist  eine  Ed.  3 
zu  Verona  1688  erschienen ,  wie  es  scheint,  mit  berichtigenden 
Noten;  Journ.  des  Sav.  1687,  277],  und  Historia  ecclesiastica  et 
politica.  Erst  1732  wurden  verb.:  Dissertationes  historico-politicae, 
1668. 

1605  wurde  verb.  Liber  gallico  idiomate  conscriptus:  Chrono- 
logia  septennaria  ....  Auetore  P.  V.  P.  C,  1624:  Petri  Victoris 
Garetani  chronologia  septem  annorum.  Seit  Ben.  steht  dafür:  Chro- 
nologie septennaire,  ou  Thist.  de  la  paix  entre  les  rois  de  France 
et  d'Espagne,  contenant  les  choses  les  plus  memorables  .  .  .  depuis 
le  commencement  de  Tan  1598  jusqu'ä  la  fin  de  Tan  1604,  divisie 
en  7  livres,  par  P.  V.  P.  C,  1604  u.  s.  Der  Verfasser  ist  der  Con- 
vertit  Pierre  Victor  Palma  Cayet,  f  1610;  das  Buch  ist  Heinrich  IV. 
gewidmet.  Die  Sorbonne  censurirte  das  Buch  30.  Juli  1605  wegen 
der  Sätze:  Der  Papst  hat  bezüglich  der  Glaubenslehre  nicht  mehr 
Gewalt  als  ein  anderer,  wenn  er  nicht  eine  Offenbarung  erhalten, 
und  eine  solche  dürfte  nicht  angenommen  werden  ohne  Wunder.  Der 
Papst  ist  als  Bischof  dem  Erzbischof  von  Ostia  unterworfen.  Um 
die  allgemeine  Uebereinstimmung  (auf  einem  Concil)  zu  constatiren, 
ist  ein  Vorsitzender  nöthig,  und  dieser  ist  der  geistliche  Mensch,  der 
von  niemand  gerichtet  wird  und  über  alle  richtet  (1  Cor.  2,  15; 
Arg.  II  a  542).  In  der  2.  Ausgabe,  von  1 605,  steht  eine  Erklärung 
von  Cayet,  worin  er  sagt:  man  habe  sich  an  einigen  Sätzen  in  seinem 
Berichte  über  die  Regensburger  Conferenz  gestossen ;  er  theile  aber 
in  diesen  Aeusserungen  der  Disputanten,  nicht  seine  eigene  Ansicht 
mit;  bezüglich  der  von  der  Sorbonne  beanstandeten  Sätze  habe  er 
vor  einer  Commission  derselben  5.  Juli  erklärt:  er  erkenne  die 
höchste  und  unfehlbare  Autorität  der  allgemeinen  Kirche  und  des 
Papstes  an;  die  ersten  Sätze  drückten  die  Ansicht  der  Lutheraner 
aus,  in  dem  dritten  accommodire  er  1  Cor.  2,  15  auf  den  Papst; 
in  der  neuen  Auflage  habe  er  an  den  betreffenden  Stellen  deutlicher 
zwischen  der  Ansicht  der  Katholiken  und  der  Protestanten  unter- 
schieden (Clement  6,  476).  In  Rom  müssen  die  Verbesserungen 
in  den  neuen  Ausgaben  nicht  genügend  befunden  worden  sein,  da 
das  Verbot  1624  wiederholt  wurde.  Dagegen  ist  die  1608  erschie- 
nene Chronologie  novennaire  (über  die  Jahre  1589 — 98)  nicht  ver- 
boten, obschon  in  denselben  Aeusserungen  über  die  Päpste  dieser 
Zeit  vorkommen,  die  man  in  Rom  übel  nehmen  durfte^).  —  Gleich- 
zeitig   mit   dem   Buche    von  Cayet    wurde   1605    verb.:     Epitome 


1)  Beide  Werke  stehen   in  der  Nouv.  Coli,  des  mem.  von  Michaud, 
vol.  12  und  13  (mit  einer  Notiz  über  Cayets  Leben  und  andere  Schriften). 


192  Geschichtliche  Schriften* 

historiae  gallicae  h.  e.  regum  et  rerum  gallicarum  usque  ad  a.  1603 
brevie  notatio,  Frcf.  1604. 

2.  Der  erste  Band  von  Jacobi  Augusti  Thuani  Historiae 
sni  temporis,  der  die  ersten  18  (nach  der  spätem  Zählung  26) 
Bücher  enthält  und  die  Zeit  von  1546 — 60  behandelt,  erschien  1604, 
nachdem  er  vorher  Heinrich  IV.  vorgelegt  und  von  diesem  gut  ge- 
heissen  worden  war.  Der  Nuncius  beklagte  sich  über  das  Buch; 
der  König  nahm  dasselbe  anfangs  in  Schutz,  liess  jedoch  im  Mai 
1605  durch  Villeroy  de  Thou  ersuchen,  dasselbe  vorläufig  nicht  neu 
drucken  zu  lassen.  In  Kom  traten  die  Cardinäle  Serafino,  Sforza, 
Ossat  und  Duperron  der  Absicht  entgegen,  das  Buch  zu  verbieten. 
—  1606  erschien  der  2.,  1607  der  3.  Band,  welche  die  Bücher  27 
— 57  enthalten  und  bis  zum  J.  1574  gehen  (der  4.  Band,  bis  B.  80 
und  bis  zum  J.  1584,  erschien  1609).  Da  man  in  Rom  wusste,  dass 
de  Thou's  Gegner  bei  dem  Könige  Einfluss  gewonnen,  die  Cardi- 
näle Serafino  und  Ossat  mittlerweile  gestorben  waren  und  Duperron 
Rom  verlassen  hatte,  wurden  in  dem  Edict  des  Mag.  S.  Pal.  vom 
9.  Nov.  1609  Jac.  Aug.  Thuani  Historiae  verboten.  Das  Edict  er- 
regte in  Paris  um  so  mehr  Aufsehen,  als  darin  auch  das  ArrSt  des 
Parlaments  gegen  Chatel  verboten  war.  Dieses  Verbot  wurde  re- 
dressirt  (s.  u.),  aber  Jac.  Aug.  Thuani  Historiae  steht  auch  in  dem 
neuen  Edicte  vom  30.  Jan.  1610.  Der  Gesandte  de  Breves  versuchte 
auch  dieses  Verbot  rückgängig  zu  machen  oder  die  Umwandlung 
des  unbedingten  Verbotes  in  ein  Verbot  mit  d.  c.  zu  erwirken.  De 
Thou  hatte  einen  Brief  an  ihn  geschrieben,  den  er  dem  Papste  und 
dem  Card.  Borghese  in  Abschrift  überreichte.  Dieser  schrieb  .darüber 
an  den  Nuncius  in  Paris  2.  Febr.  1610:  man  wolle  sehen,  ob  das 
Buch  expurgirt  werden  könne;  das  Richtige  aber  würde  sein,  dass 
de  Thou  selbst  sein  Buch  verbessere  und  es  unbedingt  dem  Urtheile 
Roms  unterwerfe;  der  Nuncius  möge  ihn  das  in  geeigneter  Weise 
wissen  lassen,  aber  ihm  nichts  bestimmt  versprechen,  da  man  in 
Rom  fast  das  ganze  Buch  für  unerträglich  (intolerabile)  und  eine 
genügende  Umarbeitung  für  sehr  schwierig  halte  (Lacmmer,  Melet 
p.  275).  Card.  Barberini  (später  Urban  VIII.)  sprach  sich  de  Breves 
gegenüber,  wie  dieser  18.  Febr.  1610  an  de  Thou  berichtete,  in 
diesem  Sinne  ganz  offen  aus :  er  halte  eine  Verbesserung  des  Buches 
für  so  gut  wie  unmöglich;  de  Thou  zeige  sich  von  Anfang  bis  zn 
Ende  voreingenommen  gegen  alles,  was  mit  der  Ehre  und  Grösse 
der  Kirche  zusammenhange,  spreche  immer  von  den  Katholiken 
geringschätzig,  von  den  Protestanten  lobend  und  tadle  sogar,  wa0 
sein  Vater  gebilligt  habe,  die  Bartholomäusnacht  (North  Brit.  Rer- 
51  [1870],  69). 

Der  Nuncius  schlug  de  Thou  vor,  er  möge  eine  neue  Ausgabe 
veranstalten  und  darin  einiges  ändern  und  erklären,  in  der  ersteo 
sei  manches  nicht  genau  ausgedrückt  oder  abweichend  von  den^ 
Manuscripte  gedruckt.  Darauf  ging  de  Thou  nicht  ein  (Perrens  T» 
350).  Am  22.  Juni  1610  aber  schrieb  der  Jesuit  Richeome  aa^ 
Roman  de  Thou:  die  Jesuiten  seien  ganz  unschuldig  an  dem  Verbote 
seines  Buches,  —  sein  Vater  habe  ja  1546  ihre  Rechte  vertheidigi^y 


J.  A.  Tkuanos.  I9d 

—  sie  wünschten  vielmehr,  seine  Werke  möchten  überall  die  ver- 
diente Anerkennung  und  Verbreitung  finden;  dieser  ihr  Wunsch 
würde  auch  verwirklicht  werden,  wenn  de  Thou  klug  genug  sei, 
bei  dem,  was  Anstoss  erregt  habe,  Schwamm  und  Feile  anzuwenden. 
De  Thou  muss  diesen  Vorschlag  nicht  abgelehnt  haben;  denn  am 
13.  Oct.  1610  schrieb  ihm  Card,  de  la  Rochefoucauld :  P.  Richeome 
habe  ihm  seinen  Brief  gezeigt;  er  habe  sich  bei  dem  Papste  für 
ihn  verwendet;  Bellarmin  und  einige  andere  hätten  erklärt,  sie  würden 
eine  Expurgatiou  des  Werkes  gerne  sehen ;  er  wolle  denn  eine  solche 
versuchen.  Im  Jan.  1611  schrieb  er  dann,  er  habe  das  Buch  dem 
Herrn  de  Creil  gegeben,  um  es  zurecht  zu  machen.  Richeome  schrieb 
um  dieselbe  Zeit:  man  habe  von  Paris  nach  Rom  geschrieben,  das 
Arret  des  Parlaments  gegen  Bellarmins  Buch,  in  dem  doch  sehr  be- 
scheiden von  der  Gewalt  des  Papstes  gesprochen  werde,  sei  von 
de  Thou  aus  Verdruss  über  das  Verbot  seines  Buches,  als  dessen 
Urheber  man  Bellarmin  ansehe,  erwirkt  worden ;  er  glaube  das  nicht; 
er  rathe  ihm,  bezüglich  der  Correction  seines  Werkes  einige  Pariser 
Boctoren  zu  Rathe  zu  ziehen. 

Jedenfalls  hat  de  Thou  keine  im  Römischen  Sinne  expurgirte 
Ausgabe  seines  Werkes  besorgt.  In  den  späteren  Ausgaben  ist 
zwar  manches  geändert,  einiges  gemildert;  aber  die  in  Rom  bean- 
standeten Stellen  finden  sich  auch  in  diesen.  Das  Römische  Verbot 
ist  auch  nicht  modificirt  worden.  Die  nach  1610  erschienenen  Theile 
ausdrücklich  zu  verbieten,  hat  man  nicht  für  nöthig  gehalten.  Aber 
1683  wurde  noch  verb.:  Abrahami  Vechneri  Suada  Gallica,  h.  e. 
Conciones  et  orationes  Thuanaeae  .  .  . ,  Frcf.   1679. 

In  der  Londoner  Ausgabe  des  Werkes  von  de  Thou^)  sind 
die  Gutachten  abgedruckt,  welche  der  Tbeatiuer  Antonio  Caraccioli, 
ohne  Zweifel  im  Auftrage  der  Index-Congr.,  über  die  ersten  beiden 
Bände  ausgearbeitet  hat,  —  in  dem  über  den  2.  Band  ist,  wie  der 
Herausgeber  angibt,  einiges  von  Bellarmins  Hand  geschrieben, 
der  ohne  Zweifel  bei  der  Sache  betheiligt  war,  —  und  welche  ans 
darüber  Aufschluss  geben,  was  man  in  Rom  beanstandete.  Aus 
der  Vorrede  des  1.  Bandes  hebt  Caraccioli  einige  Stellen  hervor, 
wo  de  Thou  gegen  die  gerechte  Bestrafung  der  Ketzer  losziehe  und 
sich  für  Gewährung  der  Gewissensfreiheit  ausspreche  und  die  Ge- 
währung derselben  in  Frankreich  lobe.  Aus  dem  Werke  selbst  führt 
er  Stellen  an,  wo  de  Thou  selbst  tadelnd  über  Päpste  spricht  oder 
tadelnde  Bemerkungen  von  ketzerischen  Autoren  anführt,  und  viele 
Stellen,  an  denen  Ketzern  lobende  Epitheta  gegeben  werden ;  zu 
diesen  werden  auch  Beatus  Rhenanus  und  Erasmus  gezählt,  den 
de  Thou  als  grande  hujus   saeculi  decus  bezeichnet.     Zum  Schlüsse 


1)  Jac.  Aug.  Thuani  Historiae  sui  temporis  (ed.  Sam.  Buckley). 
London  1733,  VII,  44.  In  dieser  Ausgabe  VII,  19  flF.  und  in  der  Einleitung 
des  1.  Bandes  stehen  die  Actenstücko,  die  im  Texte  benutzt  worden  sind, 
wo  nicht  eine  andere  Quelle  angegeben  wird.  VII,  63—137  sind  die  im 
spanischen  Index  gestrichenen  Stellen  abgedruckt. 

Renscb.  Index   II.  13 


194  Geschichtliche  Schriften. 

beantragt  er,  den  1.  Band  unbedingt  zu  verbieten,  da  derselbe  so 
viele  und  so  abscheuliche  (tarn  foede  pestilentes)  Stellen  enthalte,  dass 
er  nicht  expurgirt  werden  könne,  ohne  die  geschichtliche  Darstel- 
lung lückenhaft  und  darum  unbrauchbar  zu  machen;  der  Verfasser 
zeige  vielfach  einen  solchen  Hass  gegen  den  Römischen  Stuhl  und 
die  Päpste,  dass  er  ein  Calvinist  zu  sein  scheine  und  in  die  1.  Cl. 
gesetzt  zu  werden  verdiene.  Auch  aus  dem  2.  Bande  führt  er  viele 
Stellen  an,  an  denen  die  Päpste  getadelt  (mordentur),  Ketzer  nicht 
nur  wegen  ihrer  Gelehrsamkeit,  sondern  auch  wegen  ihrer  Fröm- 
migkeit gelobt,  ketzerische  Secten  mit  dem  Ehrennamen  Religion 
bezeichnet  würden,  —  unter  den  gelobten  Ketzern  werden  auch  Con- 
daeus  und  Navarrus  genannt,  —  auch  das  Trienter  Concil  werde, 
wie  im  1.  Bande,  vielfach  angegriffen.  Auch  dieser  Band  sei  un- 
bedingt zu  verbieten;  ob  der  Verfasser  unter  die  Haeretici  1.  Cl. 
zu  setzen,  darüber  möge  man  die  Cardinäle  Duperron  und  du  Henry 
befragen,  die  ihn  kannten. 

In  Frankreich  wurde  das  Römische  Verbot  nicht  als  bindend 
angesehen;  noch  Arg.  I,  XLI  wird  es  als  ein  von  dem  Mag.  S. 
Pal.  für  die  Italiener  erlassenes  bezeichnet.  Auch  in  Venedig  wurde 
es  nicht  publicirt;  L'Estoile  notirt  in  seinen  M^moires  (N.  Coli,  des 
M^m.  ed.  Michaud  15,  561):  Aus  Briefen  von  Sarpi  sehe  ich,  dass 
man  in  Venedig  nach  dem  Römischen  Verbote  das  Buch  an  den 
Thüren  aller  Buchläden  affichirt  hat,  wie  um  der  Censur  des  h. 
Vaters  zu  trotzen.  In  dem  Index  von  Sandoval  vom  J.  1612  wird 
das  Buch  nur  mit  d.  c.  verboten,  aber  freilich  sehr  stark  expurgirt, 

—  die  Expurgation  der  80  Bücher  füllt  19  Quartseiten:  in  der 
Vorrede  an  Heinrich  IV.  wird  ein  Passus  von  7  Seiten  gestrichen, 

—  und  ausserdem  vorgeschrieben,  vor  das  1.  Buch  zu  schreiben: 
dieses  ganze  Geschichtswerk  ist  cautissime  et  cum  judicio  zu  lesen, 
weil  der  Verfasser  vieles  zu  Gunsten  der  Protestanten  sagt.  Der 
Lissaboner  Index  von  1624  sagt:  das  Buch  war  bisher,  nachdem  es 
expurgirt  worden,  gestattet;  jetzt  wird  es  gemäss  dem  Römischen 
Decrete  von  1610  unbedingt  verboten.  Sot.  hat  nur  die  Expur- 
gation von  Sand,  abgedruckt,  obschon  nach  dem  Tode  de  Thou's 
(t  1617)  1620  alle  188  Bücher  erschienen  waren. 

Arnauld  sagt  9,  300  im  Anschluss  an  die  S.  104  mitgetheilte 
Bemerkung  über  Grotius:  Auch  de  Thou's  Werk  ist  verboten.  Man 
würde  sich  aber  sehr  täuschen,  wenn  man  glaubte,  es  werde  darum 
nicht  gelesen.  Die  Kenntniss  der  Geschichte  hat  immer  einen  be- 
trächtlichen Theil  der  allgemeinen  Bildung  ausgemacht,  und  auch 
diejenigen,  welche  zu  Gunsten  der  Kirche  schreiben,  bedürfen  der- 
selben oft.  Es  war  darum  moralisch  unmöglich,  dass  ein  so  um- 
fangreiches, so  gut  geschriebenes  und  so  sorgfältig  ausgearbeitetes 
Geschichtswerk  wie  das  von  de  Thou  nicht  von  sehr  vielen  benutzt 
werden  sollte  trotz  des  Römischen  Verbotes  ...  So  sehr  Sie  auch 
verpflichtet  zu  sein  glauben  mögen,  zu  behaupten,  es  sei  eine  schwere 
Sünde,  verbotene  Bücher  ohne  Erlaubniss  von  Rom  zu  lesen,  so 
werden  Sie  doch  schwerlich  kühn  genug  sein,  z.  B.  einen  Juristen 
zu  verdammen,  der  ohne  Erlaubniss  bei  de  Thou  sich  über  eine  ge- 
schichtliche Thatsache  Auskunft  holt. 


Französische  Schriften. 


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Soioppins  polemisirte  gegen  de  Thou  in  dem  Scaliger  hy] 
bolimaena  1607,  nnd  in  dem  Eoclesiasticus  anctoritati  Ser.  D.  Jae 
M.  Britanniae  Regis  oppositns,  1611  (später  kritisirte  er  de  Tho 
Stil  in  dem  der  Infamia  Famiani  1658  beigedruckten  Judicium 
Btylo  bittoricö).  Der  Ecclesiasticus  wurde  1612  wegen  der  da 
enthaltenen  Schmähungen  Heinriche  IV.  und  anderer  Stellen  i 
Befehl  des  Pariser  Parlamentes  verbrannt.  Bellarmin  aber  sehr 
22.  Jan.  1612  an  Scioppius:  er  habe  das  Buch  bei  dem  Papste 
lobt;  wenn  Scioppius  auch  in  einigen  wenigen  Ansichten  von  i 
abweiche,  so  verdiene  doch  seine  Belesenheit  in  der  Bibel,  sein  Ei 
ffSar  die  Bekehrung  der  Ketzer,  seine  Freimüthigkeit  im  Tadeln 
Tbou's  und  seine  geschickte  Polemik  gegen  «Jacob  I.  alles  Lob.  1( 
erschien  in  Ingolstadt:  In  J.  A.  Thuani  historiarum  libros  nc 
tiones  lectoribus  et  utiles  et  necessariae,  auct.  Jo.  Bapt.  Gallo  . 
Geschrieben  ist  das  Buch  von  dem  Jesuiten  Jean  de  Machault,  z 
Dmck  befördert  von  Jacob  Gretser,  in  dessen  Opera  1623  es  wie< 
abgedruckt  ist.     In  Paris  wurde  dasselbe  1614  verboten. 

Von  Nie.  Abraham  Amelot  de  Uoussaye  (1634 — 1706)  wur( 
1667  verb.  Bist,  du  gouvemement  de  Venise  nnd  Supplimeni 
Fhist.  du  gouv.  de  Yenise  (conteiiant  une  relation  du  differend 
Paul  y.  et  de  la  Hepublique  de  Venise),  ferner  von  Tacite,  a 
des  notes  polii.  et  bist,  die  1.  Partie,  1690,  verb.  1721,  Tom< 
verb.  1732,  beide  mit  d.  c,  nicht  die  Uebersetzung  von  Sar] 
(beschichte  des  Trienter  Concils,  die  1685  in  2.  Auflage  ersch 
(Bayle,  Oeuvres  1,  403.  438 J.  —  Jacques  Spon,  Bist,  de  la  vi 
et  de  r^tat  de  Geneve,  2  vol.  12.,  verb.  1688,  ist  die  einzige  Seh: 
des  protestantischen  Mediciners  Spon  zu  Lyon,  die  im  Rom.  Ine 
steht;  im  span.  steht  auch  diese  nicht ^).  —  Der  französische  A 
Samoel  Sorbiere  (1615—70),  seit  1653  katholisch  (Räss,  Gonv 
titen  7,  25),  veröffentlichte  anonym  Relation  d'un  voyage  en  An| 
terre,  oü  sont  touch^es  plusieurs  choses  qui  regardent  Titat  < 
Sciences  et  de  la  religion  et  autres  matieres  curieuses,  Par.  16( 
Sie  wurde  von  der  französischen  Regierung  unterdrückt  (Nie.  4,  i 
und  rief  mehrere  Gegenschriften  hervor.  Eine  derselben,  Repon 
aux  faussetez  et  aux  invectives  qui  se  iisent  dans  la  Rel.  du  vi 
de  Sorbi&re  en  Angl.,  Amst.  1675,  wurde  nach  22  Jahren,  17 
von  der  Inq.  verb. 

Von  1700  —  1757  wurden  folgende  französ.  Schriften  verb.:  H 
toire  de  Louis  XI.  (nicht  näher  bestimmt),  verb.  1746,  wahrsche 
lieh  die  von  Duclos,  Amst.  1746,  3  vol.  8.  (Baumg.  6,  342).  —  Joi 
nal  de  Henri  III.,  Roy  de  France  et  de  Pologne,  ohne  nähere  ] 
Stimmung,  verb.  1750,  ist  ohne  Zweifel :  Journal  .  .  .  ou  memoi 
pour  servir  4  l'hist  de  France  par  M.  Pierre  de  Lestoile,  Haye 


1 
^ 


z 
t- 


1)  Seine  Miscellanea  sind  dem  Dauphin  gewidmet.  Gegen  seine  Let 
au  P.  de  la  Chaise  sur  Tantiquite  de  la  religion  schrieb  Arnauld  1687] 
marqoes  sur  une  lettre  de  M.  Spon,  wovon  Bossuet,  OeuvrcH  37,225  sa 
L'ouvrage  est  fort  et  d'une  tres  bonne  et  solide  doctrine.  Notre  hon  s 
Spon  avait  bien  dit  des  pauvretes. 


166  äeschichtliche  Schriften. 

Paris  1744,  5  vol.  12.  (herausg.  von  Lenglet  du  Fresnoy),  seit 
1621  wiederholt  gedruckt.  Das  Jonmal  dn  rfegne  de  Henri  IV., 
1741,  4  vol.  8.,  welches  viel  mehr  Anstössiges  enthält  (beide  in 
der  Nouv.  Coli,  von  Michaud,  vol.  14.  15),  wurde  in  Spanien  1750 
strenge,  in  Eom  gar  nicht  verb.  —  Hißt,  dn  r^gne  d<e  Louis  XIU. 
par  Michel  le  Vassor,  2.  Ed.  Amst.  1700 — 18,  11  vol.,  die  3 
ersten  Bände  1714,  die  anderen  1718  verb.  (Polenz,  Gesch.  des 
Calv.  5,  21.  432).  Le  Vassor  (1648—1718)  war  früher  Oratori- 
aner,  später  Anglicaner.  8ein  Traite  de  la  mani^re  d'examiner 
les  differends  de  religion,  Amst.  1697,  und  die  Uebersetzung  der 
Lettres  et  m^moires  de  Fr.  de  Vargas,  du  P.  de  Malvenda  et  de 
quelques  ^v^ques  d'Espagne  touchant  le  Concile  de  Trente,  1699, 
8.,  sind  nicht  verb.  —  Histoire  du  r^gne  de  Louis  XIII.,  .  .  . 
Paris  1716,  mit  d.  c.  verb.  1725,  von  J.  Le  Cointe,  revidirt  von 
E.  Dupin.  —  Hist.  du  rfegne  de  Louis  XIV.  .  .  .  par  H.  P.  D. 
L.  D.  E.  D.,  Amst.  1717,  und  2.  Ed.,  par  H.  P.  de  Limiers, 
Docteur  en  Droit,  1719,  verb.  1725.  —  Le  si^cle  de  Louis  XIV. 
par  M.  de  Francheville,  verb.  1753.  —  Jean  Eon sset  de  Missy, 
Hist.  memorable  des  guerres  entre  les  maisons  de  France  et  d' An- 
triebe, 1724,  2  vol.,  verb.  1752.  —  Abb6  Een^-Aubert  de  Vertot 
(1655 — 1735),  Hist.  des  chevaliers  hospitaliers  de  St.  Jean  de  Je- 
rusalem, appellez  depuis  chevaliers  de  Ehodes,  1726,  5  vol.,  verb. 
1729  (Baumg.  7,  48).  Origine  de  la  grandeur  de  la  cour  de  Eome, 
Haye  1737  (TJ.  N.  1737  B,  3),  ist  nicht  verb.  —  Isaac  de  Larrey, 
Hist.  d*Angleterre,  d'Ecoese  et  d'  Irlande,  1707  —  13,  4  Fol.,  verb. 
1732.  Larrey  war  ein  Protestant,  der  nach  der  Aufhebung  des 
Edicts  von  Nantes  Frankreich  verliess,  Historiograph  der  General- 
staaten, t  1719  zu  Berlin.  —  Continuation  de  Vhist.  univ.  de  J.-B. 
Boflsuet,  ^vlque  de  Meaux,  1704,  verb.  erst  1742,  von  J.  de  la  Barre. 
—  Methode  pour  Studier  la  geographie,  dans  laquelle  ou  donne  une 
description  exacte  de  Tunivers,  tir^e  des  meilleurs  auteurs,  avec  un 
discours  pr^liminaire  sur  T^tude  de  cette  science,  Amst.  1718,  verb. 
1725,  von  Martineau  du  Plessis,  umgearbeitet  von  Lenglet  du 
Fresnoy. 

Eines  der  wenigen  Bücher,  die  im  englischen  Original  verb. 
sind,  ist  Francis  Osborn's  Miscellaneous  works,  2  vol.,  nach  Ben. 
1737  verb.  (nicht  in  den  früheren  Indices).  Der  Publicist  Osbom 
lebte  1559 — 1659  ;  seine  Schriften  erschienen  gesammelt  1673  u.  s. 
(Cbaufepi^  3,  85).  Johnson  (bei  Lowndes)  sagt  von  ihm :  a  con- 
ceited  fellow ;  were  a  man  to  write  so  now,  the  boys  would  throw 
stones  at  him.  —  Gleichzeitig  wurde  eine  Schrift  verboten,  die  ich 
nicht  nachweisen  kann:  Much  may  be  said  on  both  sides;  a  fami- 
liär dialogue  etc.,  latine:  Plura  utrinque  dici  possunt;  dialogus  fa- 
miliaris  Eichardum  inter  et  Joannera  quondam  condiscipulos  per 
E.  Cleitron  armigerum  relatus.  —  Jacques  Melvil,  Memoires 
historiques  contenant  plusieurs  ev^nements  tres-importants,  —  womit 
nur  die  Haye  1694,  Par.  1695  erschienene  Uebersetzung  der  zu 
London  1G83  erschienenen  Memoiren  von  Sir  James  Melvil,  der  in 
Diensten  der  Maria  Stuart  stand  (1534—1606),  gemeint   sein  kann, 


Englische  und  italienische  Schriften.  197 

—  ist  durch  ein  Versehen  durch  Ben.  in  den  Index  gekommen.  In 
dem  dahei  citirten  Decrete  der  Inq.  vom  26.  Oct.  1707  und  in  den 
älteren  Indices  steht:  M^moires  de  M.  le  Chevalier  de  Melville, 
General-Major  des  troupes  de  S.  A.  S.  Monsieur  le  Duo  de  Coli  et 
Grand-Baillif  du  Comte  de  Gifhom,  Amst.  1704. 

3.  Von  italienischen  Werken  wurde  zuerst,  1605,  verh. 
Tesoro  politico;  tutte  le  sue  parti.  Erst  Ben.  hat  den  vollständigen 
Titel:  Tesoro  politico,  in  cui  si  contenprono  relationi,  instruttioni, 
trattati  e  varii  discorsi  pertinenti  alla  perfetta  intelligenza  della 
ragion  di  stato,  P.  L,  II.  e  III.,  Colonia  1598,  Milano  1600  u.  s., 
auch  lateinisch :  Thesaurus  politicus  Philippi  Honorii  J.  U.  D., 
Frcf.  1617.  Die  Verfasser  der  einzelnen  Stücke  gibt  Melzi  3,  140 
an.  —  Aless.  Campiglia,  Delle  turbolenze  della  Francia  in  vita 
del  re  Henrico  il  Grande,  Ven.  1614  u.  s.,  Ludwig  XIII.  gewidmet, 
mit  d.  c.  verb.  1621.  In  Venedig  wurde  auf  ein  Gutachten  Sarpi's 
hin  die  Publication  des  Verbotes  verweigert  (Ceochetti,  La  rep.  di 
Ven.  2,  258).  —  Continuatione  del  commentario  delle  guerre  suc- 
cesse  in  Alemagna,  del  Conte  Maiolino  Bisaccioni,  verb.  1634. 
Bisaccioni,  1582 — 1663,  gab  1633  zu  Venedig  Commentario  .  .  . 
Alemagna  dal  tempo  che  il  re  Gustave  Adolfo  si  lev6  da  Norimbergo 
heraus,  dann  1634  zwei  Continuazioni  und  1637  eine  dritte  (Maz- 
zuch.).  Der  1.  und  der  4.  Band  sind  also  jedenfalls  nicht  verb. 

Die  Schriften,  welche  Trajano  Boccalini,  1556—1613,  unter 
Gregor  XIII.  Governatore  von  Benevent,  —  „ein  hervorragender 
Publicist,  unter  den  servilen  Schriftstellern  des  Kirchenstaats  ein 
Unicum  an  Männlichkeit  und  Kraft"  (Brosch,  Gesch.  des  K.-St.  1, 
486),  —  herausgab,  wurden  nicht  verboten :  Ragguagli  di  Pamasso, 
Centuria  I.  und  IL,  Ven.  1612,  1613  (Apollo  auf  dem  Parnass  hört 
die  Klagen  der  ganzen  Welt  und  entscheidet;  der  1.  Theil  dem 
Card.  Borghese,  der  2.  dem  Card.  Gaetano  gewidmet),  auch  nicht 
die  nach  seinem  Tode  erschienene  Pietra  del  paragone  politico,  Cos- 
mopoli  1615,  die  noch  31  weitere  Ragguagli  enthält,  in  welchen  der 
Hass  des  Verfassers  gegen  die  Spanier  und  die  Jesuiten  am  stärksten 
hervortritt.  Die  von  ihm  hinterlassenen  historischen  und  politischen 
Bemerkungen  zu  Tacitus  zu  Venedig  zu  veröffentlichen,  wurde  seinem 
Sohne  nicht  gestattet.  Sie  erschienen  zu  Genf  1667,  dann  Cosmo- 
poli  1677  unter  dem  Titel  Commentarii  di  Trajano  Boccalini  Romano 
sopraTacito.  Im  folgenden  Jahre  veröffentlichte  Gr.  Leti:  La  bilan- 
cia  politica  di  tutte  le  opere  di  Traj.  Bocc. .  .  II  tutto  illustrato  dagli 
avvertimenti  del  Cav.  Lod.  du  May,  Castellana  (Genf)  1678,  3  vol.  4. 
Die  beiden  ersten  Bände  enthalten  die  Osservazioni  politiche  über 
Tacitus  mit  Noten  von  du  May,  Prof.  in  Tübingen,  der  3.  als  dessen 
Herausgeber  sich  Leti  nennt,  40  Lettere  politiche  ed  historiche,  von 
denen  aber  nur  7  von  Boccalini  sind  ^).  Diese  Bilancia  und  die  Aus- 
gabe der  Commentarii,  Cosmopoli  1677,  wurden  1679  verb.  —  Schon 


1)  Arch.  stör.  N.  S.  I  (1855),  2,  117.  Mazzuch.  8.  y. 


198  Geschichtliche  Schriften. 

1634  wurde  verb.  Degl'  avvisi  di  Parnaso,  ovvero  Compendio  de' 
Raggaagli  di  Traj.  Boccalino,  di  Franc.  Prati,  und  1658  La  segre- 
taria  d'Apollo  da  Ant.  Santacroce,  Amst.  (Ven.)  1653,  16.,  eine 
Nachahmung  der  Ragguagli;  der  Verfasser  war  Secretär  und  Theo- 
loge des  Königs  Ladislaus  von  Polen  ^). 

Von  den  bändereichen  Werken  des  Benedictiners  Vittorio  Siri, 
1625  —85,  der  als  königlicher  Historiograph  in  Frankreich  lebte, 
ist  nichts  verb.,  aber  ein  Schriftchen:  Parenesi  di  Franc.  deFranchi 
al  Dottor  Capriata  (Verfasser  einer  Geschichte  seiner  Zeit,  Tirab. 
8,  389),  con  una  lettera  informativa  del  Conte  Don  Em.  Tesauro 
a  M.  l'abate  Siri,  autore  del  Mercurio  Italiano,  s.  1.  (Turin  oder 
Genf)  1668,  12.,  verb.  1669  (vielleicht  ist  das  ganze  Schriftchen  von 
Tesauro;  Villani,  Visiera  p.  45.  Melzi  1,  428),  —  und  ein  von  Siri 
unter  dem  Namen  Collenuccio  Nicocleonte  herausgegebenes  Schrift- 
chen: Lo  scudo  e  Pasta  del  Soldato  Monferrino,  verb.  1671.  Dieses 
ist  die  Vertheidigung  einer  1640  von  ihm  unter  dem  Namen  Capi- 
tano  latino  Verita  herausgegebenen  Schrift  über  den  Krieg  von 
Monferrato:  II  politico  soldato  Monferrino,  gegen  seines  Ordensge- 
nossen, des  Sicilianers  Cesare  Gotho  Spadafora,  Lo  storico  politico 
indifferente^).  Dass  nicht  auch  diese  und  andere  Streitschriften,  in 
welchen  es  sich  um  die  Vertheidigung  der  damaligen  französischen 
resp.  spanischen  Politik  handelt,  verb.  wurden  und  noch  heute  im 
Index  stehen,  ist  weniger  bemerkenswerth,  als  dass  die  anderen  noch 
immer  fortgeführt  werden.  —  II  Mercurio,  postiglione  di  questo 
air  altro  mondo,  verb.  1669,  wird  auch  eine  solche  ephemere 
Schrift  sein. 

Pietro  della  Valle  fand,  als  er  1626  von  seinen  Reisen  zu- 
rückkehrte, bei  Urban  VIII.  eine  freundliche  Aufnahme  (er  wurde 
zum  Cameriere  d'onore  di  spada  e  cappa  ernannt).  Als  er  aber  die 
Schrift  Delle  conditioni  di  Abbas  ße  di  Persia,  air  111.  e  Eev.  Big. 
Francesco  Card.  Barberino,  Nipote  di  N.  S.  Papa  Urbano  VIII., 
Pietro  della  Valle  il  Pellegrino  drucken  lassen  wollte,  wurde  in 
Rom  das  Imprimatur  verweigert,  weil  er  darin  einen  nicht  christ- 
lichen König  zu  sehr  gelobt.  Die  Schrift  wurde  darauf,  angeblieh 
nach  einer  von  einem  Freunde  ohne  Vorwissen  des  Verfassers  ge- 
machten Abschrift,  1628  zu  Venedig  con  licenza  de^  superiori  e 
privilegio  gedruckt^),  aber  1633  verboten  mit  der  Bemerkung :  Cum 
auctor  ut  suum  tan  tum  agnoscat  librum  qui  Romae  impressus  est. 
£ine  Römische  Ausgabe  dieser  Schrift  finde  ich  nirgend  erwähnt. 
—  Von  Valle's  Bericht  über  seine  Reise  in  den  Orient  erschien  der 
1.  Band  in  Rom  1650;  die  beiden  anderen  wurden  nach  seinem  Tode 
(1652)  von  seinen  Söhnen  herausgegeben,  1658,  Alezander  VII. 
und  seinem  Neffen  gewidmet.  Nach  Ciampi,  Innocenzio  X.,  p.  252, 
wurden  darin  manche  Stellen,  namentlich  die  auf  die  spanische  Po- 


1)  Melzi  3,  47.  Marcbesi  2,  130. 

2)  Melzi  1,  390,  Aflfo  V,  205. 

3)  N.  Antol.  1879,  48,  104.  Kollar,  Analecta  Vindob.  1,  1047.  1060. 


Italienische  Schriften.  199 

litik  bezüglichen,  weggelassen.  —  Von  der  Historia  della  citta  e 
regno  di  Napoli  di  Gio.  Summonte  .  .  .  dall*  anno  1127  insino 
all'  a.  1442,  welche  schon  1601 — 43  in  4  vol.  4.  erschienen  war, 
wurde  erst  die  Ausgabe  Napoli'  1675  (Toppi  s.  v.,  Giannone,  Op. 
1,  217)  im  J.  1693  mit  d.  c.  verb.,  unbedingt  1680:  Della  congiura 
de'  ministri  del  Re  di  Spagna  contro  la  .  .  .  cittä  di  Messina,  Rac- 
conto  historico  del  D.  G.  B.  Romano  e  Colonna,  3  Parti,  1676 
(Mongitore  s.  v.). 

Im  18.  Jahrb.    wurden    einige    aus    dem  Französischen    über- 
setzte Geschichtswerke  verb. :    Storia  della  lega    fatta  in  Cambrai 
fra  Papa  Giulio  II.,  Massimiliario  I.  Imp.,  Luigi  XII.,  re  di  Francia, 
Ferdinando  V.,  re  di  Aragonia,  et  tutti  i  principi  d'Italia  contro  la 
republica  di  Yenezia,    trad.  dal  linguaggio  francese,   Anversa  1718, 
verb.  1719.    —    La  Storia   della  Chiesa   dal  principio  del  mondo 
sino    al    presente,    espressa    in  ristretto  e  trasportata    dalla    lingua 
franc.  nelV  ital.   da  Selvaggio  Canturani,    verb.    1719,    und  Storia 
profana   dal  suo    principio  sino  al  presente,    composta  nella    lingua 
franc.  dair  autore  della  Storia    della  Chiesa  e  trad.  in  lingua  ital. 
da  S.  Canturani,  Padova  1719,  verb.  1725.    Die  beiden  französischen 
Werke    sind    von    E.  Dupin;    der  Uebersetzer    war    der  Carmeliter 
Arcangelo  Agostini.  —  Storia   universale    dal  principio  del  mondo 
sino  al  presente,   trad.  dair  inglese    in  frances  e   dal  franc.  in  ita- 
liano,  verb.    1737    (erst  seit  Ben.  im  Index).    Von    dieser   erschien 
Bpäter  zu  Florenz  eine  neue  Ausgabe  mit  Noten,    die  freilich  Zacc. 
p.  217  für  ungenügend  erklärt. 

1646  wurden,  freilich  nur  mit  d.  c,  zwei  Schriften  verb.,  die 
iiber  die  Streitfrage  handeln,  ob  der  Rubicon   das  Flüsschen  Piscia- 
t^ello,  auch  Rigone  genannt,    bei  Cesena    oder  der  Luso    bei  Rimini 
sei:    Jacobi    Villani    Ariminensis  Rubicon    in    Caesenam    Scipionis 
C/laramontii,  ubi  auctor  per  prosopopoeiam  Rubiconem  fluvium  intro- 
daeit  asserentem  se  esse  Arimini,  non  Caesenae  (gegen  Chiaramon- 
t^i's  Caesenae  urbis  historiarum  11.  16,    1641),   und  die  Entgegnung 
"Von  Chiaramonti:  Vincentii  civis  Caesenatis   de  Rubicone  antiquo 
«^dv.  Ariminenses    scriptores    dissertatio,    1643    (alle    drei  Schriften 
^bgedr.  bei  Graevius,  Thes.  ant.  Ital.  VII,  2).  Der  Streit  lebte  ein 
•Jahrhundert  später  noch  einmal  wieder  auf^);    in   dem  in  Rom    er- 
scheinenden Giornale  de'  lett.  sprach  sich  Giov.  Bianchi  aus  Rimini 
den  Luso  aus;    dass  aber  ein  päpstliches  Decret  von  1756  den 
U80  für  den  wahren  Rubico   erklärt  habe   (Mannert,   Geogr.    9,  1, 
234;  Paulj,  Real-Enc.  unter  Rubico),  wird  eine  Fabel  sein. 

Auch  ein  in  Rom  selbst  gedrucktes  Buch  über  die  Anfänge 
<ier  römischen  Geschichte  steht  im  Index:  Jac.  Hugonis,  Can. 
"Xheol.  Belgae  Insulensis,  Vera  historia  Rom.  seu  origo  Latii  vel 
Xtaliae  ac  Rom.  Urbis  e  tenebris  longae  vetuRtatis  in  lucem  producta, 
Xj.  I.,    qui  primordia  Europae  ac  Latii  primaevi  annales  demonstrat 


1)  Moroni  25,  196;    57,  255.  Melzi  1,  360;    2,  155.    Uebrigens  fand 
kuch  noch  ein  drittes  Flüsschen  bei  Savignano  Advocaieu. 


200  Geschichtliche  Schriften. 

atque  urbis  conditae,  Rom  1655,  284  S.  4.,  verb.  1656.  Der  Yerf. 
meint  u.  a.:  Homer  habe  von  der  Zerstörung  Jemsalems  nnd  vom 
Leben  und  Tode  Christi  geweissagt,  Romulus  und  Remus  seien  Petrus 
und  Paulus,  die  Harpyien  die  Holländer,  welche  die  Kirchengliter 
geraubt,  die  Lotophagen  die  Lutheraner,  Jason  mit  dem  goldenen 
Vliesse  sei  der  gute  Hirt  mit  dem  Lamme  auf  der  Schulter,  Lauren- 
tia  tellus  Loreto  u.  dgl.  Auf  dem  Titelkupfer  steht:  D.  Petrus, 
veterum  Janus,  Aeneas,  Romulus,  etc.  Götze,  Merkwürd.  3,  No.  294, 
erklärt  es  für  unbillig,  die  in  diesem  Buche  enthaltenen  Dinge  der 
Römischen  Kirche  aufzubürden;  der  Theatiner  Aug.  de  Bellis,  der 
das  Buch  approbirt,  erkläre  nur:  es  sei  darin  nichts  gegen  den 
Glauben  und  die  guten  Sitten,  und  füge  bei :  Historiae  vero,  quam 
contexit,  ejusque  allusionum  fides  penes  ipsum  sit  auctorem.  Aber 
komisch  ist  doch,  dass  man  1H55  ein  Buch  approbirte,  um  es  1656 
zu  verbieten.  Eberh.  Rud.  Roth,  Prof.  in  Ulm,  hat  dagegen  die 
Diss.  de  hello  Trojano,  Jena  1672,  geschrieben.  Vgl.  Observ. 
Halenses  3,  66.  —  Ein  ebenso  grosses  Curiosum  ist  das  Verbot  einer 
Schrift,  in  der  es  sich  nach  dem  Titel  zu  urtheilen  lediglich  um  den 
Stammbaum  einer  Römischen  Adelsfamilie  handelt:  Familiäre  castigo 
apologetico  sul  discorso  genealogico  del  P.  Gamorrini  sopra  la  fami- 
glia  Confidata  d'  Assisi,  pretesa  de*  Dragoni,  dedicato  alla  veritä  da 
Latino  Volgari,  verb.  1667.  —  Auch  Giac.  Lauro,  Historia  e 
pianta  della  cittk  di  Terni,  mit  d.  c.  verb.  1646,  und  Istoria  crono- 
logioa  della  Franca  Martina  del  Dottor  D.  Isidoro  Chirulli,  Arciprete 
della  medesima  cittfi,  Napoli  1749,  verb.  1751,  werden  nur  eine 
locale  Bedeutung  gehabt  haben,  und  nur  eine  ephemere:  Fantasie 
capricciose  trasportate  in  sensi  politici  e  morali  di  Ramigdio  Gla- 
tesecha,  Accademico  de'  Fantastici  della  veneranda  Assemblea 
della  veritä,  Lipsia  (?)  1710,  verb.  1714  (von  dem  Marchese  di 
Gagliati). 

Aus  Portugal  und  Spanien  stehen  im  Index:  Manuel  Calado, 
0  valoroso  Lucideno  e  triumpho  da  liberdade;  1.  Parte,  verb.  1655 
mit  d.  c,  zu  Lissabon  IG^IS,  Fol.,  gedruckt  und  von  den  Thaten  des 
Joao  Fernandez  Vieira  handelnd,  der  1645  die  Seele  des  Aufstandes 
in  Pernambuco  war,  in  Folge  dessen  die  Holländer  ihre  Besitzungen 
in  Brasilien  verloren  (Schäfer,  Gesch.  v.  Port  4,  564).  Nach  Silva 
5,  384  erschien  löTiS  eine  neue  (Titel-)  Ausgabe,  in  welcher  einige 
Approbationen  weggelassen  sind  und  dafür  die  Notiz  der  portugie- 
sischen Censurbehörde  beigedruckt  ist :  Auf  Grund  einer  neuen  Unter- 
suchung und  entsprechend  dem  dem  h.  Officium  übersandten  Decrete 
der  Index-Congregation  vom  2^^.  März  1607  heben  wir  das  Verbot 
des  Buches  auf.  Im  Rom.  Index  steht  das  Buch  noch  heute  als 
mit  d.  c.  verb.  —  El  Marafion  y  Amazonas :  historia  de  los  descu- 
brimientos  .  .  .  en  las  dilatadas  montaflas  y  mayores  rios  de  la 
America,  por  Manuel  Rodriguez  [Jesuit],  Madrid  1684,  Fol.,  verb. 
1700,  nicht  im  span.  Index. 

4.  Von  den  kleineren  zeitgeschichtlichen  Schriften  sind  zuerst 
die  auf  Deutschland  bezüglichen  zu  erwähnen:  Discursus  historico- 
polit.  in   tres    sectiones  distributus,    quibus    errores    scripturientium 


Broscliürcn.  201 

nostri  aevi  deteguntur,  anct.  Ericho  (vor  Ben.  Henr.,  in  den  neuesten 
Indices  Enr.)  Bering ero  Philyreo,  verb.  1616.  —  Tractatus  de 
Salomonis  nuptiis  vel  Epithalamium  in  nuptias  inter  Fridericum  V. 
Comitem  Palatinum  etc.  et  Elisabetham,  Jacobi  Britanniae  Regis  etc. 
filiam  unicam  [1613],  verb.  1619.  —  Dieb  iaratione  publica  di 
Federico,  per  la  grazia  di  Dio  Re  di  Bobemia,  Conte  Palatino  del 
Reno,  Elettore  etc.  Per  quali  ragioni  babbi'  acoettata  il  govemo 
del  regno  di  Bobemia  e  delle  provincie  annesse.  Anno  1619,  7  Bl. 
4.,  üebersetzung  des  „Offenen  Ausscbreibens"  vom  28.  Oct.  1619, 
verb.  1621.  —  Sacre  de  T  Electeur  Palatin  FrHeric  Roi  de  Boerae 
en  Teglise  parocbiale  du  cbateau  de  Prague  [Traduit  de  latin  en 
fran^ais  P.  J.  B.  D.  G.,  Paris  1619,  8],  verb.  1624,  wird  Ueber- 
setzung  des  Processus  in  coronando  Hege  Bobemiae  Friderico  ejus 
nominis  primo  breviter  consignatus,  Pragae  [l620],  1  Bl.  4.,  sein 
(im  span.  Index  steht  auch  Triumpbus  bobemicus  s.  panegyricus  in 
coronationem  Friderici  V.).  —  Nescimus  quid  vesper  serus  vebat. 
Satyra  Menippea  Liberii  Vincentii  Hollandi  [Amstelodami  IV  Idus 
Sept.  1619],  verb.  1621,  ist  eine  auf  den  Ausbruch  des  deutschen 
Religionskrieges  bezügliche  Nachahmung  des  berühmten  Pamphlets 
La  Satyre  Menippee  ou  la  vertu  du  Catholicon  vom  J.  1594  (Hist. 
Zts.  1878,  379),  nach  Melzi  und  Placcius  p.  418  in  Holland  ge- 
drückt, aber  von  dem  Advocaten  Nicola  Crasso  zu  Venedig  verfasst, 
Franc,  degli  Ingenui  (Sarpi)  gewidmet^). 

Charakteristisch  für  die  Gelehrten  der  Index-Congregation  ist 
das  Schicksal  eines  Heftes  von  t35  Quartseiten,  welches  den  langen 
Titel  hat:  Machiavellizatio  qua  unitorum  animos  dissociare 
nitentibns  respondetur,  in  gratiam  Dn.  AE.  castissimae  vitae  Petri 
Pazmann  succincte  excerpta.  [Dieses  Stück  beginnt  mit  etwas  aus- 
führlicherem Titel  p.  3  und  ist  datirt  Cassoviae  a.  1620.1  Oratio 
parrhesiastica,  qua  anxilia  a  Rege  et  Ordinibus  petuntur  [für  Frie- 
drich von  der  Pfalz],  habita  Neo-Solii  in  comitiis  [p.  14].  Epistola 
Eucharii  Martini  Buddissino-Lusati  ad  celebrem  theologum  D.  Matth. 
Hoe  ab  Hoheneg  etc.  Comitem  Lat.  etc.  [p.  22,  datirt  1620].  Ad- 
ditÄ  est  epistola  C.  Scioppii,  in  qua  haereticos  jure  infelicibus  lignis 
cremari  concludit  [p.  30,  datirt  Rom  9.  Febr.  1600].  Omnia  horum 
tempornm  genio  accommodata,  lectu  dignissima.  Saragossae  1621 
cum  licentia  Off.  S.  Inq.  (Vgl.  Salig  I,  777).  In  dem  Decret  vom 
16.  März  1621  (Alex.  No.  23)  stehen  nun  unter  den  alphabetisch 
geordneten  verbotenen  Büchern,  und  noch  heute  stehen  an  ihrer 
Stelle  im  Alphabet  die  drei  ersten  Stücke,  als  ob  das  zweite  und 
dntte  besondere  Schriften  wären:  Ep.  Euch.  Martini  ad  Matthiam 
Comitem  Lateran,  (seit  Ben.  ad  M.  Hoeneg  C.  L.),  —  3fachiavelli- 
zatio  .  .  .  respondetur  (seit  Ben.  wie  in  der  Schrift  selbst  p.  3: 
Mach,  qua  un.  a.  Jesuaster    quidam  dissociare  nititar),    —    Oratio 


1)  Von  anderen  dem  Schotten  Andrew  Melvin  oder  dem  Niederländer 
Petrus  Cunaeus  zugeschrieben;  von  diesem  ist  die  Satyra  Menippea  Sardi 
venales,  1612,  die  nur  im  span.  Index  steht. 


202  Geschichtliche  Schriften. 

qaaedam  parrh.  etc.  (seit  Ben.  Oratio  parrh.).  Nur  das  dem  Sciop* 
pius  zugeschriebene  Stück  über  die  Verbrennung  der  Ketzer  steht 
nicht  in  dem  Decrete,  nnd  offenbar  hat  man  dieses  nicht  mit,  nicht 
einmal  das  Heft  mit  diesem  Stück  verbieten  wollen  and  darum  die 
drei  anderen  einzeln  aufgezählt,  und  die  Hedactoren  des  Index  Bene- 
dicts XIV.  haben,  wie  die  von  ihnen  vorgenommenen  Aenderungen 
zeigen,  das  Schrifteben  vor  sich  gehabt  und  doch  Oratio  und  Epistola 
ohne  Andeutung,  dass  sie  nur  hinter  der  Mach,  zu  finden  sind,  stehen 
lassen  ^). 

Tuba  pacis  occenta  Scioppiano  belli  sacri  classico  a  salpiste 
Theodosio  Berenico,  historiarum  et  patriae  studioso.  Fax  optima 
rerum.  Argent.  1621,  4.,  u.  s.,  verb.  1636,  ist  eine  Entgegnung 
auf  Gasp.  Scioppii,  Consiliarii  Hegii,  Ciassicum  belli  sacri  etc.,  Ticini 
1619  (Aufforderung  zur  Unterdrückung  der  Protestanten),  verfasst 
von  Mathias  Bemegger^).  Gleichzeitig  wurde  verb. :  Juris  publici 
qnaestio  capitalis,  sintne  protestantes  jure  caesareo  haeretici  et  ultimo 
supplicio  afficiendi.  Contra  sanguinarium  G.  Schoppii  Ciassicum 
tractata  a  Justo  Meiere  JC.  Acad.  Argent.  Antecessore,  Arg.  1621. 
Von  Bemegger  wurden  1659  noch  verb.  die  nach  seinem  Tode 
(f  1640)  erschienenen  Observationes  historico-politicae. 

Von  den  Schriften   über  den  westfälischen  Frieden    stehen  im 
Index,  ausser  denen  von  Hoornbeck,  Blondel  und  Conring:  Ludovici 
de  Montesperato   Vindiciae    pacificationis    Osnabr.    et    Monast.   a 
declaratione    nuUitatis  .  .  .    attentata    ab    Innocentio  X.,    Lond.  (?) 
1653,    verb.    1654,   wahrscheinlich    von    Benedict   Carpzov  II.    (A- 
D.  B.  4,  18);  —  De  regimine  saeculari  et  ecclesiastico,   cum  acceB" 
sione   eorum,    quae  durantibus  bellis    circa    statum  Imperii  Rom.  et^ 
subsecutam  in  eo  pacis  compositionem   innovata,  auth.  Theod.  Rein- 
kingk  (7.  Ed.  1717),  verb.   1661;  —  Tempi  um  pacis  et  paoiscen-' 
tium:    leges  Imperii  fundamentales,    et    imprimis   instrumenta    paci^ 
Westfal.,    Noviomagicae    et    armistitii    Katisbon.,    cum    asteriscis  »^ 
auctariis  clarissimcrum  .  .  .  scriptorum,  Frcf.  1688,  856  S.  8,  verl^  — 
1709,    unter   dem  Titel  Annotationes  ad  instrum.    pacis  Westf.  etc.  ^ 
Lips.   1697,    mit  dem  Namen  des  Verfassers,    Jac.  Otto,    erschiener' 
(Flaccius  236).    —    De  non  speranda  nova   monarchia    dialogu»-^ 
Regensb.   1681,   176  S.  12.,    wurde  erst  1714  verb.  —  Relatione 
50  ex  Pamasso  de  variis  Europae  eventibus;  adjuncta  est  ratio  statu 
David,   Judaeorum    regis,    tribus    libris    comprehensa,    Hamb.  168^ 
verb.   1686,  kenne  ich  nicht. 

Lettera  di  Giov.  Av entrot    al  Re  di  Spagna    nella  quäle  » 
dichiara  il  misterio  della  guerra  delle  17provincie  del  Paese  Bass 
tradotta  della  lengua  flamenga    secondo  Tesemplare   stampato  Ams^ 
1615,  72  S.  8.^),  verb.  1621,  mit  dem  Zusätze  quae  etiam  sub  idio» 


1)  Dem  Münchener  Exemplar  der  Mach,  ist  eine  Castigatio  libeH 
calvinistici  cui  tit.  est  Machiavellizatio  .  .  .  a  Thema  Balasfi,  electo  Episc:^ 
Bosznense,  Praep.  Posen.,  Aug.  Vind.  1720,  26  S.  4.  beigebunden. 

2)  Forschungen  zur  I).  Geschichte  11,  433.  Clemeut  3,  160. 

3)  So  gibt  Pelayo  506  den  Titel  an.  Der  Brief  erschien  in  verschie 


i 


Broschüren.  203 

mate  hispaDico  circumfertur.  J.  Aventrot,  ein  niederländischer  Cal- 
vinist, hatte  seit  1609  wiederholt  Briefe  an  Philipp  III.  gesandt, 
in  denen  er  über  die  Unterdrückung  seines  Vaterlandes  klagte.  Von 
einem  dieser  Briefe  schickte  er  7000  Exemplare  in  spanischer  Sprache 
nach  Lissabon,  die  er  durch  seinen  Diener  in  Spanien  verbreiten 
lassen  wollte;  die  Inquisition  von  Toledo  verurtheilte  diesen  10.  Mai 
1615  zu  7  Jahren  Galerenstrafe.  Aventrot  Hess  nun  den  Brief 
nochmals  drucken:  er  will  darin  beweisen,  dass  der  Papst  der  Ur- 
heber des  Krieges  in  den  Niederlanden  und  der  Antichrist  sei,  dass 
das  Reich  des  Antichrists  313  begonnen  und  1555  beendigt  sei  u.  s.w. 
Später  kam  er  selbst  nach  Spanien  um  dem  König  und  dem  Herzog 
von  Olivares  Bittschriften  um  Gewährung  der  Gewissensfreiheit  in 
Spanien  und  Flandern  zu  überreichen;  er  wurde  22.  Mai  1632  zu 
Toledo  verbrannt.  Bei  Sot.  steht  er  in  der  1.  Cl.  und  werden  „alle 
seine  Werke  in  jeder  Sprache,  gedruckte  und  geschriebene,  nament- 
lich seine  spanischen  Briefe  an  Philipp  III/*  verb.  £r  hatte  seine 
Briefe  auch  dem  Dogen  von  Venedig  geschickt;  sie  wurden  dort 
1617  auf  Befehl  des  Senats  als  gottlos  und  ketzerisch  verbrannt.  — 
Conferencia  cnriosa  de  la  asemblea  populär,  que  convoc6  en  la 
puerta  del  Sol  Catalina  della  Parra,  explicada  en  una  carta,  que 
escrive  a  Emerico  Tekeli,  verb.  1693,  steht  auch  im  span.  Index. 
Emerich  Tököly  stand  an  der  Spitze  des  ungarischen  Aufstandes 
gegen  Kaiser  Leopold  1678  (Maylath,  Gesch.  der  Magyaren  5,  28). 
Von  den  französischen  Schriften  stehen  natürlich  nicht  im 
Komischen  Index  zwei  Broschüren,  in  denen  Richelieu's  Politik,  als 
er  sich  mit  Venedig  und  England  verband,  die  Spanier  im  Veltlin 
angriff  und  mit  Holland  und  den  deutschen  Protestanten  in  Unter- 
handlung trat,  als  Verrath  an  der  katholischen  Kirche  dargestellt 
wird :  G.  G.  R.  Theologi  ad  Ludovicum  XIII.  Galliae  et  Navarrae 
fiegem  christianiss.  admonitio,  ex  gallico  in  lat.  translata,  qua  bre- 
viter  et  nervöse  demonstratur,  Galliam  foede  et  turpiter  impium 
foedus  iniisse  et  injustum  bellum  hoc  tempore  contra  catholicos 
movisse  salvaque  religione  prosequi  non  posse,  Aug.  Francorum  1625, 
55  S.  8.,  und  Mysteria  politica  h.  e.  Epistolae  arcanae  virorum 
illustrium  sibi  mutuo  confidentium,  lectu  et  consideratione  dignae, 
Neapoli  1625,  42  S.  4.,  —  wahrscheinlich  beide  von  dem  Jesuiten 
Jacob  Keller,  dem  Beichtvater  Maximilians  von  Baiern,  nach  anderen 
die  erste  Broschüre  von  dem  Jesuiten  Eudaemon-Joannis.  In  Paris 
wurden  sie  auf  Befehl  des  Parlaments  verbrannt  und  von  der  Sor- 
bonne und  der  Assemblee    du  Clerg^   censurirt^j.   —    Im  folgenden 


denen  Sprachen.  In  München  befinden  sich:  Epistola  Joannis  Aventroti 
ad  Potentiss.  Regem  Hispaniae,  in  qua  breviler  declaratur  mysterium  belli 
XVII  provinciarum  Belgicarum.  Recognita  et  aucta.  Cum  admonitione  ad 
proceres.  Ut  fuit  belgice  excusa.  Amst.  1615,  85  S.  8.,  und  Ein  Sendbrief 
Johann  Aventrots  ...  In  Hochteutsche  spräche  übersetzet  aus  dem  Nieder- 
ländischen. 80  gedruckt  in  Amsterdam  im  jähr  1616,  72  Bl.  8.  Vgl.  Cec- 
chetti.  La  repp.  di  Ven.  2,  258. 

1)  Arg.  II  b  19o.    Mercure  Jesuite  1,  773.     Jourdain  p.  109.    Prat 
4,  576.  Perrens  2,  395.  Hist.  Zts.  1878,  379. 


204  Geschichtliche  Schriften. 

Jahre  erschien  ein  neues  Pasquill  von  nur  16  Seiten:  Quaestiones 
politicae  qnodlibeticae  agitandae  in  majori  aula  Sorbonica  diebns 
saturnalitiis  praeside  Card,  de  Richelieu,  von  dem  nur  2  Exemplare 
nach  Paris  kamen,  die  aber  dort  fleissig  abgeschrieben  wurden. 
Richelieu  drohte  den  Verfasser  hinrichten  zu  lassen;  der  Jesuit 
Garasse  eilte  zu  ihm,  um  seine  Unschuld  zu  versichern  ^).  —  In  Rom 
wurde  dagegen  1646  verb. :  La  guerre  libre.  Traicte  auquel  est 
decid^e  la  question,  s'il  est  loisible  de  porter  armes  ou  service  d'un 
prince  de  diverse  religion,  trad.  del'anglais,  La  Haye  1641,.  12.  (von 
J.  Bouillon). 

Jean  Silhon,  Staatsrath  unter  Richelieu  und  Mazarin  und 
eines  der  ersten  Mitglieder  der  französischen  Akademie,  schrieb:  Le 
ministre  d*etat  avec  le  veritable  usage  de  la  politique  moderne,  2  vol. 
4.,  Paris  1631  —  43  u.  s.  In  dem  I.Bande  spricht  er  gegen  die  Ge- 
walt des  Papstes  in  weltlichen  Dingen,  in  dem  2.  gegen  die  Ver- 
grösserung  der  österreichischen  Macht.  Im  Index  steht  nur  die 
italienische  üebersetzung  (des  1.  Bandes?):  11  ministro  di  stato  del 
Sig.  de  Silhon,  transportato  dal  francese  per  Mutio  Ziccatta  (d.  i. 
Matteo  Zuccati  Venetiano),  verb.  1640.  —  Romolo  Cortaguerra, 
L'huomo  del  Papa  e  del  Re,  contra  gl'  intrighi  del  nostro  tempo 
di  Zambeccari.  All'  Illustr.  e  Rev.  Sig.  Patron  colendiss.  Mgr.  Giulio 
Mazarini,  plenipotentiario  della  Maestä  cristianissima  al  convento  di 
Colonia.  Cuneo  s.  a.,*  203  S.  12.,  verb.  1671;  Mazarin  wird  ironisch 
dafür  belobt,  dass  er  das  Unglaubliche  fertig  gebracht,  als  Mann 
des  Papstes  und  des  französischen  Königs  in  Einer  Person  aufzu- 
treten, angeblich  aus  dem  Französischen  übersetzt:  Romule  Courte- 
guerre,  LTiomme  du  Pape  et  du  Roy,  ou  repartie  veritable  nur  Ics 
imputations  calomnieuses  d'un  libelle  diffamatoire  seme  contra  Sa 
Saintet^  et  contre  S.  M.  Tres  Chr^t.  Brux.  1635,  8.  (Bibl.  Casan.). 
—  Ausserdem  stehen  noch  im  Index:  Breviarium  politicomm 
secundum  rubricas  Mazarinicas,  Col.  1684,  verb.  1687.  —  Abrige 
de  l'hist.  de  ce  si^cle  de  fer,  contenant  les  mis^res  et  les  calamitez 
des  demiers  temps,  par  Jean-Nic.  Parival,  Leyde  1653  u.  s.,  verb. 
1661.  —  Interets  et  maximes  des  princes  et  des  estats  souve- 
rains,  und  Maximes  des  princes  et  estats  souverains,  beide  Cologne 
1666,*  16.,  erst  1709  verb.:  dem  ersten  liegt  eine  um  1634  geschrie- 
bene und  dem  Card.  Richelieu  gewidmete  Schrift  Sur  les  intcrßts 
des  princes  von  dem  Herzog  Henry  de  Rohan,  dem  Haupte  der 
protestantischen  Partei  unter  Ludwig  XIII.,  zq  Grunde.  —  Nouveaux 
interets  des  princes  de  TEurope,  oü  Von  traite  des  maximes  quMls 
doivent  observer  pour  se  maintenir  dans  leurs  /jtats  et  pour  em- 
pecher  qu'il  ne  se  forme  une  monarchie  universelle,  Col.  1695*,  16., 
verb.  1687  2).  —  L'Europe  vivante  ou  relation  nouvelle  bist,  et  polit. 


1)  Avrigny,  Mem.  Eur.  1,  409. 

2)  Hinter  diesem  Verbote  steht  in  den  neuesten  Indices:  Vide  Deda- 
ratio.  Unter  Declaratio  steht  aber  das  Interim  (I  S.  528)  und  die  Con- 
fusion  ist  dadurch  entstanden,  dass  vor  Vide  das  bei  Ben.  stehende  Interim 
weggelassen  ist. 


i 


Falsche  Ablässe.  205 

de  tou8  868  ^tats  jnsqu'ä  rannte  präsente  1667,  verb.  1676,  von  Sam. 
Chappnzean  (Hoefer  s.  v.).  —  L'Europe  esclave  8i  TAngleterre  ne 
rompt  868  fers,  Col.  1702,  verb.  1709,  von  J.-P.  de  Cerdan.  —  Etat 
present  de  TAngleterre  .  .  .,  Par.  1731,  verb.  1734.  —  Besonders 
komisch  ist,  dass  noch  heute  im  Index  steht  Abr 6g i  des  mimoires 
donnes  au  Roy  snr  la  reunion  de  Tordre  et  grande  maistrise  de  St. 
Jean  etc.,  verb.  1628. 

Von  1709  an  wurden  einige  politische  Satiren  in  der  später 
von  Montesquieu  in  den  Lettres  persannes  angewendeten  Form  verb., 
zuerst:  L^espion  dans  les  cours  des  princes  chritiens,  ou  lettres  et 
memoires  d'un  envoy6  secret  de  la  Porte,  .  .  .  Col.  1696,  2  vol., 
und  die  Suite  in  3  vol.,  1697—99  (nach  Barbier  2,  176  ist  der  1. 
Band,  zuerst  1684,  von  P.  Marana);  —  1750;  L'espion  de  Tha- 
mas  Kouli  Khan  .  .  .  trad.  du  persan  par  Tabb^  de  Rochebrune,  Col. 
1746, —  und  1770:  L'espion  chinois  .  .  .  trad.  du  chinois,  Col.  1765 
(von  Ange  Goudar). 


31.     Falsche  Ablässe. 

Seit  dem  J.  1603  sind,  anfangs  von  der  Inquisition  oder  der 
Index- CoDgregation,  später  auch  von  der  AblassCongregation 
(S.  14)  sehr  viele  Bücher,  Heftchen  und  Blätter  verboten  worden, 
worin  Ablässe  verzeichnet  sind,  die  entweder  nie  oder  nicht  so, 
wie  dort  angegeben  wird,  verliehen  oder,  weil  nur  auf  eine  be- 
stimmte Zeit  verliehen,  wieder  erloschen  waren.  Bei  der  un- 
übersehbar grossen  Zahl  und  Mannichfaltigkeit  der  Ablässe, 
welche  —  trotz  dem  von  dem  Trienter  Concil  (Cont.  S.  25.,  Decr. 
de  indulg.)  ausgesprochenen  Wunsche,  es  möge  in  dieser  Hinsicht 
Mass  gehalten  werden,  —  von  den  Päpsten  verliehen  wurden^), 
war  es  nicht  zu  vermeiden,  dass  auch  ohne  irgend  welche  böse 
Absicht  Irrthttmer  und  Verwirrungen  vorkamen;  manche  der 
falschen  Ablässe  verdanken  aber  ihre  Existenz  der  Speculation 
auf  die  Dummheit  und  den  Aberglauben  des  Volkes,  und  es  ist 


1)  Card.  Baronius  schreibt  20.  Jan.  1601  an  Antonio  Talpa  (Epp. 
ed.  Albericius  3,  125):  Als  ich  gestern  Abend  den  Papst  um  den  voll- 
kommenen Ablass  bat,  fand  ich  ihn  zu  ipeiner  Verwunderung  aufs  neue 
entschlossen,  nie  mehr  einen  vollkommenen  Ablass  für  eine  Person  oder 
für  einen  Ort  zu  verleihen.  Ich  lobte  ihn  dafür;  denn  in  der  That  sind 
in  das  Ablasswesen  viele  Missbräuche  eingerissen;  ich  habe  mich  darüber 
in  den  Congregationen  früher  oft  ausgesprochen  (ne  ho  esclamato)  und 
eifrige  und  gutgesinnte  Männer  haben  mir  zugestimmt. 


206  Falsche  Ablässe. 

charakteristisch,  dass  einige  der  fabulosesten  Ablässe  vom  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts  an  bis  in  die  Gegenwart  immer  aufs  neue 
wieder  haben  desavouirt  werden  müssen. 

In  den  Decreta  generalia  Benedicts  XIV.  stehen  vier  auf 
Ablässe  bezügliche  Bestimmungen  (III,  9—12).  Im  Index  werden 
jetzt  unter  Compendio  vier  (italienische)  Ablassschriften  verboten, 
unter  Indulgentiae  11,  darunter  6  spanische,  die  1696  verboten 
wurden,  unter  Sommario  12  italienische,  unter  Sumario  eine 
spanische  und  unter  Summario  eine  portugiesische,  unter  Ablass 
auch  eine  deutsche  (verboten  1750).  Einige  andere  stehen  unter 
Diario,  Dovizie,  Folium,  Giornale.  Notizia,  Orazioni  oder  unter 
den  Namen  der  Herausgeber,  Jo.  Anicius  Dulmensis  (Francis- 
caner),  Franc,  di  S.  Lorenzo  (Trinitarier)  u.  s.  w.  Es  ist  aber 
nur  ein  verhältnissmässig  kleiner  Theil  dieser  Literatur  in  den 
Index  aufgenommen;  in  der  Raccolta  (S.  37)  füllt  der  Artikel 
Indulgenze  allein  8  Seiten  und  stehen  noch  viele  unter  Com- 
pendio und  Sommario^). 

In  den  Decr.  gen.  III  stehen:  9.  Alle  Ablässe,  welche  vor  dem 
Decrete  Clemens'  VIII.  vom  J.  1597  de  forma  indalgentiarum  für 
coronae,  grana  seu  calculi,  cruces  et  imagines  sacrae  verliehen  sind; 
alle  Ablässe,  welche  OrdeD,  Bruderschaften  u.  s.  w.  vor  den 
Bullen  Clemens'  VIII.  vom  7.  Dec.  1604  und  Pauls  V.  vom  13.  Mai 
1605  und  23.  Nov.  1610  verliehen  worden,  sind  zurückgenommen 
und  als  apokryph  anzusehen,  wenn  sie  nicht  von  denselben  Päpsten 
oder  ihren  Nachfolgern  erneuert  und  bestätigt  sind  (diese  Bestim- 
mung ist  aus  dem  Beeret  von  1G78,  s.  u.).  —  10.  Die  dem  Bir- 
gitten-Rosenkranz von  Alexander  VI.  verliehenen  Ablässe  werden 
für  apokryph  erklärt,  nicht  aber  die  von  Leo  X.  1515  verliehenen. 
—  11.  Die  den  Kreuzen  des  h.  Turibius  von  Urban  VIII.  verliehe- 
nen Ablässe  sind  als  falsch  anzusehen.  —  12.  Alle  Bücher,  Diaria, 
Summaria,  Libelli,  Folia  u.  s.  w.,  worin  Ablass- Verleihungen  verzeich- 
net sind,  sollen  nicht  ohne  Genehmigung  der  Ablass-Congregation 
herausgegeben  werden.  —  Zur  Beachtung  dieser  letzten  Bestimmung 
wurden  die  Bischöfe  1856  nochmals  aufgefordert  (A.  J.  P.  2,2293). 
Auf  eine  Anfrage  des  Bischofs  von  Perigueux  erklärte  dann  aber 
die  Ablass-Congr.  mit  Genehmigung  des  Papstes  1858:  ein  durch 
ein  päpstliches  Schreiben  bewilligter  Ablass  und  ein  Auszug  aus 
einer  von  der  Congr.  genehmigten  Sammlung  von  Ablässen  könne 
mit  Erlaubniss  des  Bischofs  gedruckt  werden;  nur  neue  Verzeichnisse 
bedürften  der  Approbation  der  Congr.  —  Erst  1807  erschien  zu  Born 


1)  Im  span.  Index  stehen  nur  wenige  von  diesen  Schriften,  von  den 
1696  verbotenen  spanischen  keine. 


Falsche  Ablässe.  207 

nnter  dem  Titel  Raccolta  di  orazioni  e  pie  opere  etc.  eine  von  der 
Ablass-Congregation  als  authentisch  anerkannte  Sammlung  der  Ab- 
lässe; sie  ist  seitdem  in  einer  Reihe  von  Auflagen  (1855  schon  die 
13.)  erschienen^). 

Schon  in  einem  Decrete  vom  J.  1603  werden  mit  d.  c.  verb. 
Liber  Indulgentiarum  Fratrum  Ordinis  Carmelitarum  und  Ord. 
Servorum,  1605  unbedingt  Tesoro  ricchissimo  delle  indulgenze 
concesse  .  .  .  alla  compagnia  posta  in  Yenetia  in  S.  Maria  Formosa, 
per  ordine  del  P.  Cesare  Henaldino  Piovano,  Yen.  1605.  Acht  im 
.1.  1613  verbotene  Indulgenze  stehen  in  der  Eaccolta  von  1624  (S. 
24.  32),  aber  nicht  im  Index.  —  Einige  Decrete  stehen  im  Bulla- 
rium,  so  die  1703 — 20  erlassenen  im  Bull.  cont.  2,  386  (ein  Breve 
Innocenz'  XL  vom  31.  Juli  1679  über  die  der  Rosenkranzbrnder- 
schaft  verliehenen  Ablässe  füllt  im  Bull.  cont.  1,  24  sechs  Seiten), 
ein  Decret  vom  J.  1754  A.  J.  P.  2,  2292.  Yon  besonderem  Interesse 
ist  ein  im  J.  1678  in  der  Druckerei  der  apostolischen  Kammer  er- 
schienenes Decret  der  Ablass-Congr.  vom  7.  März  1678,  unterzeich- 
net von  dem  Praefecten  Card.  A.  Homodeus,  worin  eine  grosse  Zahl 
von  Ablässen  verzeichnet  ist  mit  der  Erklärung,  dieselben  seien  ent- 
weder erdichtet  und  ganz  falsch  oder  von  den  Päpsten  zurückge- 
nommen oder  nur  für  eine  bereits  abgelaufene  Zeit  verliehen.  Dieses 
Decret  ist  abgedruckt  bei  Albit.  p.  518,  —  p.  506  ff.  spricht  er  über 
andere  Decrete,  —  uud  mit  einem  Commentar  bei  Thiers,  Traiti  des 
superstitions  4,  16.  120.  In  demselben  Jahre  erschien  (in  Frank- 
reich?) Decret  du  Saint  Office  de  Rome  qui  condamne  et  abolit 
comme  un  abus  toutes  les  confrairies  ou  societez  de  TEsclavage  de 
la  Mere  de  Dien,  Scapulaire  des  Cannes  et  autres  cordons,  ceintures 
etc.  et  defend  sous  de  grieves  peines  Tusage  des  chaines,  images  et 
medailles  qui  portent  les  marques  de  l'Esclavage  en  tous  les  lieux 
qui  louent  ou  approuvent  ces  devotions;  am  Schlüsse  steht:  Donn6 
ä  Rome  le  7  Mars  1678,  Le  Card.  Aloisio  Homodei;  Michel  An- 
gelo  Ricci,  Secretaire.  A  Rome  derimprimerie  de  la  R.  Chambre 
Apost.  1678.  Dieses  Schriftchen  wurde  von  der  Inq.  Fer.  lY.  25. 
Jan.  1679  verb.  mit  der  Motivirung:  es  sei  darin  ein  Decret,  wel- 
ches die  Inq.  am  5.  Juli  1673  ad  tollendos  quosdam  abusus  catenu- 
larum,  numismatum  et  societatum  Mancipiorum  B.Y.  M.  (§  35)  er- 
lassen, zum  grossen  Theile  abgedruckt,  aber  vielfach  entstellt  und 
böswillig  auf  andere  von  dem  apostolischen  Stuhle  gutgeheissene 
Bodalitates  cincturae,  scapularis  et  chordae  angewendet;  femer  sei 
darin  der  vorletzte  Paragraph  des  Decrete»  der  Ablass-Congr.  vom 
7.  März  1678  abgedruckt,  aber  mit  Weglassung  der  nöthigen  Ein- 
schränkungen, so  dass  die  genannten  Societates  und  auch  richtige 
Ablässe  als  ganz  verworfen  erschienen  (Alb.  p.  519). 


1)  Vgl.  J.  Schneider,  S.  J.,  Die  Ablässe,  6.  Aufl.  Puderb.  1878  (die 
im  folgenden  citirte  Raccolta  ist  nicht  die  hier  erwähnte,  sondern  die 
S.  37  besprochene).  Keusch,  Die  deutschen  Bischöfe  und  der  Aberglaube, 
1879.  —  üeber  den  Birgitten-Rosenkranz  (63  Ave  Maria  zum  Andenken 
an  die  G3  Lebensjahre  der  h.  Jungfrau)  s.  Schneider  S.  200. 


208  Falsche  Ablässe. 

Es  ist  weder  möglich  noch  nöthig,  alle  im  Index  stehenden 
Ablassschriften  zu  besprechen.  Es  wird  genügen,  einige  charakte- 
ristische Einzelheiten  hervorzuheben.  In  dem  Decrete  von  1678 
werden  u.  a.  verzeichnet :  a)  Ablässe,  welche  von  Johann  XXII.  den- 
jenigen verliehen  sein  sollen,  welche  meusuram  plantae  B.  M.  V. 
küssen,  und  Ablässe,  welche  geknüpft  sein  sollen  an  die  revelatio 
de  plaga  in  humero  Jesu  C.  facta  S.  Bernardo,  an  die  mensura  alti- 
tadinis  J.  C  D.  N.,  an  die  imago  aut  mensura  vulneris  lateri  ejus 
inflicti.  Der  angeblich  von  Johannes  XXII.  verliehene  Ablass  steht 
schon  in  dem  Decrete  von  1613,  und  die  Sorbonne  verbot  schon 
1635  (mit  einigen  französischen  Ablassbüchern,  Arg.  III  a  15) 
l'oraison  miraculeuse  k  la  Vierge  etc.,  avec  la  mesure  de  la  playe  du 
c6t6  de  N.  S.^)  —  b)  ein  Ablass,  welcher  der  Bruderschaft  des  h. 
Nicolaus  verliehen  worden,  wonach  durch  5  Vater  unser  und  Ave 
Maria  täglich  eine  Seele  aus  dem  Fegfeuer  befreit  werden  könne 
(nach  der  Kaccolta  schon  1604  von  der  Inq.  verboten);  —  c)  ein 
Ablass  von  80,000  Jahren,  der  auf  einer  alten  Tabelle  in  der  La- 
terankirche für  ein  Gebet  verheissen  wurde  (angeblich  von  Bonifacius 
VIII.  und  Benedict  IX.  bewilligt,  18.">6  nochmals  verdammt)  ;  — 
d)  Ablässe  für  ein  angeblich  im  Grabe  Christi  gefundenes  Gebet*); 


1)  In  dem  Enchiridion  manuale  precum,  welches  Thiers  4,  .88  be- 
spricht, steht  ein  Bild  mit  der  Unterschrift:  Haec  est  mensura  plagae,  quae 
erat  in  latere  Christi,  delata  Constantinopoli  ad  Carolum  M.  in  Capsula 
aurea,  und  mit  der  Versicherung,  es  sei  gut  gegen  Feuer-  und  Wassers- 
gefahr 11.  8.  w.  Von  der  „wahren  Länge  Jesu  Christi"  —  Papierstreifen 
von  etwa  IV^  Meter  Län^e  mit  einigen  Zeichen  und  ähnlichen  Versiche- 
rungen —  habe  ich  selbst  zwei  in  Deutschland,  eins  im  19.  Jahrb.,  ge- 
druckte Exemplare  gesehen  (letzteres  war  an  einem  Wallfahrtsorte  ge- 
kauft). Auf  der  Diöcesansynodo  zu  Münster  1749  wurde  „Gewisse  und 
wahrhafte  Länge  und  Dicke  Christi  und  Mariae"  verb.  (auch  eine  „Copie 
des  Himnielsbriefs  von  Gott  selbst  geschrieben*'  und  noch  6  ähnliche  Dinge; 
Fleur.  79,  774).  Ein  Blatt  mit  der  Inschrift  La  tres-juste  mesure  du  pied 
de  la  S.  Vierge,  tiree  du  soulier  de  cette  niere  de  Dieu,  lequel  est  con- 
serve  k  Saragosse.  und  mit  Angabe  der  Ablässe,  die  Johannes  XXII.  und 
Clemens  Vlll.  für  das  Küssen  eines  solchen  Blattes  verliehen  haben  sollen, 
beschreibt  J.  Tissot,  Le  catholicisme  et  l'instruetion  publique,  1879,  S.  49 
als  in  dem  repertoire  pieux  einer  Französin  der  Gegenwart  gefunden. 

2)  Im  spau.  Index  werden  unter  Oraciou  sechs  derartige  Gebete 
(und  ein  von  Christus  geschriebenes,  zu  Rom  auf  dem  Altare  des  h.  Petrus 
gefundenes)  erwähnt.  Thiers  4,  51  erwähnt  eine  Pratique  pour  adorer  le 
tr^s-saint  sacrament,  worin  die  bekannten  Gedichte  Anima  Christi  sancti- 
fica  me  und  Ave  verum  corpus  mit  der  Bemerkung  stehen,  sie  seien  im 
Grabe  Christi  gefunden  worden,  und  wer  sie  bei  sich  trage,  werde  keines 
plötzlichen  und  bösen  Todes,  nicht  ohne  Beicht  sterben,  vor  Pest,  Blits 
und  Zauberei  bewahrt  bleiben  u.  s.  w.  In  dem  Antidotarius  animae  von 
dem  Cistercienser-Abt  Nie.  Salicet,  Paris  1502,  steht,  Johannes  XKII. 
habe  für  das  Beten  des  ersten  Gebetes  3000  Tage  Ablass  für  Tod-  und 
20,000  für  lässliche  Sünden  verliehen.  Im  span.  Index  wird  unter  Kst^mpa 
ein  angeblich  von  Alexander  VI.  verliehener  Ablass  von  12,000  Jahren  für 
Tod-,  von  80,000  für  lässliche  Sünden  verb. 


Falsche  Ablässe.  209 

—  e)  Ablässe,  die  den  Cruces  Caravacenses  ^)  verliehen  worden 
(nach  der  Raccolta  schon  1653  nnd  1655  von  der  Inq.,  von  der 
Ablass-Congr.  nochmals  1721  unter  Indulgentiae,  auch  im  span.  In- 
dex unter  Indulgencias  verb.);  —  f)  die  Ablässe,  welche  sich  auf 
eine  Offenbarung  an  die  sei.  Johanna  vom  Kreuze  stützen  und  den 
Rosenkranzkügelchen  verliehen  sein  sollen,  welche  an  eines  der 
drei  Kügelchen  angerührt  sind,  welche  sich  im  Besitze  des  Papstes, 
des  Königs  von  Spanien  und  des  Generals  der  Minoriten-Observanten 
befinden  (schon  1613  und  nach  der  Eaccolta  auch  1635  verb.).  Diese 
drei  Kügelchen  sollen  von  den  Kosenkränzen  herrühren,  welche  die 
Franciscanerin  Juana  de  la  Cruz  (im  Anfange  des  16.  Jahrh.)  durch 
ihren  Schutzengel  in  den  Himmel  tragen  und  von  Christus  selbst 
benediciren  liess;  ausser  verschiedenen  Ablässen  hatten  sie  auch  die 
Kraft,  Besessene  zu  befreien,  Fenersbrünste  zu  löschen,  Krankheiten 
zu  heilen,  von  Versuchungen  gegen  den  Glauben,  Scrupeln  u.  s.  w. 
zu  befreien  u.  s.  w.  und  diese  Kraft  allen  an  sie  angerührten  Rosen- 
kranzkügelchen mitzutheilen.  Die  Sorbonne  censurirte  1614  eine 
französische  Uebersetzung  einer  spanischen  Biographie  der  Juana 
und  eine  Brieve  relation  touchant  les  grains  benits,  vulgairemeut 
appellez  de  S.  Jeaune,  Par.  1614  (Arg.  II  b  89).  Bei  Sot.  wird  von 
Fr.  Antonio  Daza^s  Hist.  de  Soror  Juana  de  la  Cruz  die  verbesserte 
Ausgabe  von  1614  freigegeben,  aber  im  Index  von  1707  eine  Me- 
moria über  die  Rosenkranzkügelchen  der  Juana  de  la  Cruz  verb. 
(auch  eine  Memoria  de  las  gracias  que  N.  S.  J.  C.  ha  concedido  a 
las  cruces  que  la  Ven.  Ana  de  la  Cruz  presento  a  Su  Magestad  und 
andere  über  diese  analoge  Geschichte  handelnde  Schriften  aus  dem 
J.  1649).  Nach  einem  Briefe  Benedicts  XIV.  an  den  Bischof  von 
Augsburg  vom  1.  Oct.  1745,  §  40,  ist  die  Canonisation  der  Juana 
de  la  Cruz  wegen  dieses  Schwindels  aufgegeben  worden. 

Im  J.  1689  verbot  die  Inq.  Fer.  V.  17.  Nov.  ein  Heftchen 
von  einigen  Blättern,  welches  mit  Deutschland  zusammenhängt: 
Compendio  della  confederazione  Mariana  eretta  sotto  la  protettione 
della  £.  V.  Maria  nella  chiesa  parochiale  di  S.  Pietro  della  cittä 
elettorale  di  Monaco.  In  dem  Decrete  wird  das  Verbot  in  folgender 
Weise  motivirt:  Durch  ein  Breve  vom  J.  1684  seien  der  Confra- 
temitas  B.  M,  V.  Auxiliatricis  in  der  genannten  Kirche  Ablässe  ver- 
liehen worden ;  der  Bruderschaft  werde  aber  in  diesen  Heftchen  ein 
anderer  Name  gegeben;  es  sei  von  einem  Ablass  für  die  Anrufung 
der  Namen  Jesu  und  Mariae  in  der  Todesstunde  die  Rede,  wovon 
in  dem  Breve  nichts  stehe  ;  die  Blätter  würden  in  Italien  und  anders- 
wo verbreitet,  als  ob  man  überall  ohne  weiteres  der  Bruderschaft 
beitreten  könne,  während  die  Ablässe  nur  für  solche  verliehen  seien, 
die  an  gewissen  Tagen  jene  Münchener  Kirche  besuchten  (A.  J.  P. 


1)  Ueber  dieses  angeblich  aus  der  Zeit  des  h.  Ferdinand  III.  1230 
stammende  miraculöse  Kreuz  s.  Acta  SS.  Maii  7,  893.  Die  dort  haupt- 
sächlich benutzte  Ilist.  del  mysteriöse  aparecimiento  de  la  s.  cruz  de  (Ja- 
ravaca  von  Juan  de  Robles  Corvalan,  Madrid  1615,  wird  bei  Sot.  expurgirt. 

RenBcta,  Index  II.  14 


210  Falsche  Ablässe. 

2,  2289).  —  1750  wurden  von  der  Ablass-Congr.  auch  eini^ 
deutsche  Schriftchen  verboten:  Ablas 8  des  kleinen  privilegirtcn 
Kosenkränzleins  derer  Closter-Frauen  von  der  Verkündigung  Mariae, 
welche  verliehen  hat  der  P.  Alexander  VI.,  Julius  II.  und  Leo  X., 
Passau  1747,  und  Der  Orden  des  Friedens i)  oder  deren  dreyen  An- 
dachten der  hochgelobten  .  .  .  Mutter  Gottes  Maria.  Zwei  1721 
verbotene  in  Deutschland  gedruckte  lateinische  Schriften  stehen  unter 
Indulgentiae. 

Zu  den  deutschen  Producten  dieser  Art  wird  auch  Effectus 
et  virtutes  crucis  s.  numismatis  S.  Patriarchae  Benedicti,  verb.  1678, 
zu  zählen  sein;  denn  die  BenedictuH-Medaille  ist  von  den  Benedic- 
tinern  von  Metten  aufgebracht  worden,  und  die  1678  verbotene 
Schrift  ist  ohne  Zweifel  Effectus  .  .  .  Benedicti,  item  Medicamentnm 
spirituale  contra  morbos  et  pestem  in  eodem  numismate  expresanm 
cum  benedictione  S.  Zachariae.  Cum  permissu  superiorum.  Salis- 
burgi,  typis  J.  B.  Mayr,  Aulico-Academiae  Typographi  1669,  abgedr. 
bei  Dorotheus  Ascianus  (S.  143)  p.  611 — 618.  Unter  den  effectus 
wird  ausser  der  Beseitigung  von  maleficia,  ligaturae  omneque  opus 
diaboli  u.  a.  erwähnt:  in  lacte,  faciendo  butyro  aliisque  successum 
per  maleficia  impeditum  restituit.  In  der  Benedictio  S.  Zachariae 
kommt  auch  die  Formel  vor:  Maledicti  .  .  .  daemones,  in  virtute 
verborum  istorum  Messias,  Emmanuel,  Sabaoth.  Adoratus,  Athana- 
tos,  Ischyros,  Eleison,  Tetragram maton  vos  constringimus.  —  1742 
hat  Benedict  XIV.  auf  Ersuchen  des  Abtes  von  St.  Margareth  bei 
Prag  die  Medaille  bestätigt  und  die  Weise  der  Segnung  bestimmt. 
Dabei  ist  allerdings  diese  Formel  beseitigt  worden ;  im  übrigen  aber 
unterscheiden  sich  die  Schriftchen,  durch  welche  die  Benedictiner 
im  19.  Jahrh.  diese  Medaille  empfehlen,  nicht  wesentlich,  jedenfalls 
nicht  zu  ihrem  Vortheil  von  den  1678  verbotenen  Effectus^). 

Unter  Clemens  XI.  wurden  1703  von  der  Inq.  zwei  Ablass- 
schriftcn,  beide  als  quaedam  folia  bezeichnet,  mit  wunderlichen  Titeln, 
und  mit  um  dieser  Titel  willen  verb.:  Lega  spirituale  de'  viventi 
formata  co'  morti  (Bündniss  der  Lebenden  mit  den  Verstorbenen) 
und  Lotto  spirituale  per  le  povere  anime  del  purgatorio  molto  bi- 
sognose  di  christiano  soccorso  (Geistliches  Lotto  für  die  armen 
Seelen  u.  s.  w.).  Auf  den  letzteren  Blättern,  heisst  es  in  dem  Decrete, 
die  in  Rom,  Venedig  und  vielleicht  auch  anderswo  gedruckt  seien, 
werde  eine  Anweisung  gegeben,  für  die  Verstorbenen  zu  verrichtende 
Gebete  zu  verlosen ;  sie  seien  zu  unterdrücken  wegen  des  Titels  und 


1)  So  heisst  eine  von  der  sei.  Johanna  von  Valois  (f  1605,  E.-L.  1, 
873)  gestiftete  Bruderschaft;  über  die  ihrem  wunderlichen  Rosenkranse 
verliehenen  Ablässe  (1000  Jahre  für  das  blosse  Tragen  desselben  u.  dgl.) 
ist  1868  noch  einmal  verhandelt  worden.  Acta  S.  S.  4,286. 

2)  Reusch  S.  49.  Schneider  S.  526.  Thiers  1,  303  kritisirt  ein  von 
den  französischen  Benedictinem  verbreitetes  Scbriftchen:  Les  effets  et 
vertus  de  la  croix  ou  medaille  du  grand  Patriarche  S.  Benoit.  Extrait  de 
rimprime  d'Alleraagne.  Paris,  chez  N.  Bessin  .  .  proche  la  porte  de 
TArcheveche  1668.  Avec  permission. 


Medaillen.    Scapuliere.    Gürtel.  Portiuncola.  Öll 

wegen  des  profanen  und  der  christlichen  Frömmigkeit  unwürdigen 
Arrangements.  Bezüglich  der  Lega  wird  bemerkt:  1653  seien  einer 
Bruderschaft  B.  M.  V.  del  soccorso  in  der  Jesuitenkirche  zu  Santa 
Fe,  1 680  derselben  Bruderschaft  in  der  Jesuitenkirche  zu  Innsbruck 
und  1683  der  Bruderschaft  B.  M.  V.  de  bono  remedio  in  der  Tri- 
nitarierkirche  zu  Turin  Ablässe  verliehen  worden ;  von  diesen  seien 
Summaria  auf  Blättern  gedruckt,  die,  wo  immer  und  in  welcher 
Sprache  sie  auch  gedruckt  seien,  verboten  würden,  weil  die  für  Le- 
bende verliehenen  Ablässe  auf  Verstorbene  ausgedehnt  würden,  weil 
darin  in  Widerspruch  mit  den  Breven  gesagt  werde,  auch  ein  Ver- 
storbener könne  als  den  Bruderschaften  adscribirt  angesehen  werden, 
wenn  ein  Lebender  einige  guten  Werke  für  ihn  thue,  und  weil  den 
beiden  Jesuiten-Bruderschaften  der  selbst  ausgedachte  Titel  (titulus 
proprio  marte  excogitatus)  Lega  beigelegt  sei^).  —  Später  scheint 
der  Orden  der  Minimi  die  Sache  wieder  aufgegriffen  zu  haben ;  denn 
1755  wurde  eine  Informazione  über  eine  Lega  spirituale  in 
Santa  Fe  und  in  der  Kirche  der  Minimi  des  h.  Franz  von  Paula  in 
Turin  verb. 

1712  wurden  verboten:  Breve  notizia  del  santo  habitino  che 
si  dispensa  dal  Padri  Teatini  ad  onore  dell'  Immac.  Concezione .  .  ., 
Verona  1711,  und  Sacro  diario  delle  grazie  ed  indulgeuze  concesse 
alla  compagnia  della  Cintura  detta  di  S.  Agostino  e  di  S.  Monica, 
Bologna  1707,  beide  weil  darin  viele  falsche  Ablässe  verzeichnet 
seien  ^).  Dabei  wird  aber  constatirt,  dass  es  auch  echte  Ablässe  für 
das  Tragen  des  himmelblauen  Scapuliers  der  Theatiner  und  des  Gür- 
tels der  h.  Monica  gebe,  und  seitdem  sind  deren  noch  viele  ver- 
liehen worden^).  —  In  dem  Decrete  von  1678  werden  wahre  und 
falsche  Ablässe  für  diejenigen,  die  den  Gürtel  (funiculus)  des  h. 
Franciscus  tragen,  unterschieden,  und  falsche  Ablässe  für  das  Tragen 
des  Gürtels  des  h.  Franciscus  von  Paula  erwähnt. 

Wenn  im  Index  mehrere  Schriften  über  den  Portiuncula-Ablass 
stehen,  so  trifft  das  Verbot  natürlich  nicht  diesen  Ablass  selbst, 
sondern  irgendwelche  Uebertreibungen,  die  sich  die  Franciscaner  er- 


1)  Bull.  cont.  2,  386.  Pragm.  Gesch.  der  Mönchsorden  3,  353  wird 
ein  Schrifbchen  erwähnt,  welches  nicht  im  Index  steht;  Le  commerce  des 
vivans  fait  en  füveur  des  ames  du  Purgatoire,  par  le  P.  Bonaventure  Breu- 
gue,  Gardien  des  Recollets  ä  Digne,  Lyon  1658. 

2)  Bull.  cont.  2,  443.  Falsche  Ablässe  für  den  Gürtel  der  h.  Monica 
werden  auch  in  dem  Decrete  von  1678  erwähnt.  In  der  Raccolta  steht 
ein  Sommario  dell*  indulg.,  gratie  e  privilegi  concessi  .  .  a'  Cinturati  di 
S.  Agostino,  ultimamente  confirmati  da  N.  8.  Gregorio  XIII.,  von  der  Inq. 
verb.  1634  und  1640  und  im  Index  noch  Giornale  dell'  indulg.  della 
cintura  di  S.  Agostino  e  di  S.  Monica,  verb.  1738.  Aus  der  zu  Angers 
erschienenen  Schrift:  Les  beautes  et  les  richesses  de  la  ceinture,  principa- 
leraent  de  cuir  en  Thonneur  du  glorieux  S.  Augustin  et  de  S.  Monique, 
sa  devote  mere,  par  Roland  Bourdon,  Provincial  des  Augustins  en  France, 
wird  in  der  Pragm.  Gesch.  der  Mönchsorden  6,  72  ein  satirischer  Auszug 
gegeben. 

3)  Schneider  S.  396.  437.  438.    Reusch  S.  40.  48.    A.  J.  P.  2,  1820. 


212  Falsche  Ablässe. 

laubten^).  So  wurde  ihnen  z.  B.  1657  verboten,  diesen  Ablass  in 
forma  jubilaei  zu  publiciren  (Alb.  p.  517).  Darum  wird  verboten 
Bein:  Indulgenza  plenaria  e  giubileo  perpetuo  per  tutti  li  fideli 
christiani  concessa  dalla  bocca  di  N.  S.  Giosu  Christo  ad  istanza  del 
nostro  Serafico  Padre  San  Francesco  &  intercessione  della  Pnrissima 
Vergine  e  Madre  di  Dio  alla  capella  della  Madonna  degli  Angioli 
in  Assisi  detta  Portiuncula  etc.,  la  seconda  volta  data  in  luce  dal 
P.  Fra  Michele  Angelo  di  Bogliasco  [Min.  Oss.],  Livorno  1662, 
verb.  1860  (die  1.  Ausgabe  ist  nicht  verb.;  Mazuch.  2,  1429).  — 
Erst  seit  Ben.  stehen  im  Index  zwei  schon  1698  verb.  ähnliche 
Schriften  von  Villa  Santi  und  Stef.  Tofi.  Die  Ablass-Congr.  ver- 
bot dann  noch  1735:  Notizia  vera  della  diversitä  dell*  indulg. 
plen.  quotidiana  concessa  da  P.  Inuocenzo  XII.  a  S.  Maria  degli 
Angeli  da  quella  concessa  da  Onorio  III.  alla  piccola  basilica  della 
Portiuncula,  mit  dem  Zusatz:  firma  tarnen  remanente  ind.  plen.  quoti- 
diana da  Innoc.  XII.  concessa.  —  Eine  gegen  den  Portiuncula-Ablass 
gerichtete  Schrift :  Breve  trattato  teol.  in  cui  si  esamina,  cosa  si  debba 
giudicare  dell'  Ind.  accordata,  come  volgarmente  si  dice,  da  Gesü 
Cr.  medesimo  a  S.  Francesco  etc.  (Florenz)  1789,  92  S.  8  (Nov.  lett. 
1789,  578),  ist  nicht  verb.  Eine  scharfe  Kritik  des  Portiuncula- 
Ablasses  gibt  Thiers  4,  231. 

In  der  Raccolta  und  im  span.  Index  von  1790  stehen  noch 
mehr  falsche  Ablässe.  In  letzterem  ist  u.  a.  p.  182  von  einem  Ge- 
bete die  Rede,  für  welches  Pius  V.  so  viele  Ablässe  verliehen,  als 
Sterne  am  Himmel  stehen,  p.  270  von  einem  Ablasse  von  12,000 
.Fahren,  den  S.  Petrus  und  30  Päpste  verliehen  (in  einem  1777  zu 
Mexico  gedruckten  Schriftchen),  p.  301  von  einem  1748  zu  Ant- 
werpen gedruckten  Gebetbuche,  nach  welchem  durch  ein  bestimmtes 
Gebet  nach  einer  (Joncession  Pauls  V.  fünf  Seelen  aus  dem  Fegfeuer 
befreit  werden,  und  pag.  301  wird  in  einem  1738  in  Spanien  mit 
Approbation  gedruckten  Gebetbuche  u.  a.  die  Stelle  gestrichen:  Jo- 
hannes XXII.  habe  für  ein  Gebet  so  viele  Tage  Ablass  verliehen, 
als  Leichen  in  der  betreffenden  Kirche  oder  auf  dem  Kirchhofe  be- 
graben seien.  P.  235  wird  ein  Sumario  de  las  indulgencias  del 
Ave  Maria  del  Millon  verb.,  worin  von  einem  Rosenkranze  die  Rede 
ist,  dem  (von  Urban  VIII.  und  durch  eine  Bulle  vom  J.  1750,  also 
von  Benedict  XIV.!)  das  Privilegium  verliehen  worden,  dass  jedes 
daran  gebetete  Ave   Maria  den  millionenfachen  Werth  habe. 

Bezüglich  des  Verbreitens  fabuloser  Ablässe  ist  es  im  19.  Jahrb. 
eher  schlimmer  als  besser  geworden.  1856  wurde  den  Bischöfen 
ein  Beeret  der  Ablass-Congr.  vom  31.  März  mitgetheilt,  worin  eine 
lange  Reihe  von  falschen  Ablasszetteln,  die  in  Italien,  grossentbeils 
in  Florenz  in  der  letzten  Zeit  gedruckt  seien,  verdammt  wird. 
Darunter  befindet  sich    ausser  dem    schon  1678  verdammten  Abläse 


1)  Schneider  S.  539.  Pragm.  Gesch.  7.  207.  Ueber  1769  und  1777 
erschienene  deutsche  SchriftiMi  s.  Nova  a(;ta  bist.  eccl.  1778,  755;  Acta 
bist.  eccl.  nostri  temp.  3,  25.  86. 


Schriften  gegen  und  über  Ablässe.  213 

von  80,000  Jahren  n.  a.  folgender:  ein  Gebet,  für  welcheB  PiusV. 
so  viele  Ablässe  verliehen  wie  Sterne  am  Himmel,  Sandkörner  am 
Meere,  Kräuter  auf  dem  Felde  sind:  9  Gebete,  für  welche  der  h. 
Gregor  und  sein  Nachfolger  14  Millionen  und  80,149  Jahre  Ablass 
für  jeden  Freitag  und  für  den  Charfreitag  ausserdem  8  vollkommene 
Ablässe  verliehen:  ein  auf  einem  Bilde  in  Polen  stehendes  Gebet, 
welches  Maria  sprach,  als  sie  den  Leichnam  Christi  in  ihre  Arme 
nahm;  wer  es  spricht,  dem  hat  Innocenz  XII.  bewilligt,  dass  er  15 
Seelen  aus  dem  Fegfeuer  befreit  oder  15  Sünder,  die  er  namhaft 
machen  kann,  bekehrt^). 

Einige  protestantische  Satiren  auf  das  Ablasswesen  (Fiscus, 
Giubileo)  wurden  bereits  erwähnt.  Auffallender  Weise  steht 
nicht  im  Index  eine  der  umfangreichsten  derartigen  Schriften: 
Evangelium  Romanum  prout  immediate  a  Clementis  VIII.*  manu 
Jacobo  Davyo  Ebrodunensi  episcopo  aliisque  traditum  est  et  ab 
iisdem  annunciatum.  Cui  adduntur  1.  Traetatus  de  remissione 
peccatonim  adv.  paparum  indulgentias ;  2.  Ejusdem  evangelii  per 
partes  expressa  expositio.  S.  1.  1600,  666  S.  8.,  Ph.  Mornay  du 
Plessis  dedicirt  von  J.  L.  An  der  Spitze  steht:  Evang.  Rom.  a  Per- 
rono  annunciatum.  Indulgentiae  concessae  a  Clemente  VIII.  corollis, 
granis,  cruciculis,  rosariis  .  .  .  instante  Jac.  Davyo  episc.  Ebrod., 
impressae  Romae.  Indulgenze  concesse  da  Clemente  VIII.  ad  instanza 
del  Card.  Radziwil,  Vesc.  di  Cracovia.  Roma,  P.  Blado  1592.  (Cle- 
ment 8,  139).  —  Erst  1709  wurde  verb.  Andreae  Henr.  Bucholtz, 
Eccl.  Brunsvicensis  Coadjutoris,  de  Ecclesiae  Rom.  Pontifici  subjectae 
indnlgentiis  Traetatus  theol.,  in  quo  indulgentiarum  earundem  vani- 
tas  ostenditur,  Rinteln  1657,  —  1760  Lettres  bist,  et  dogm.  sur 
les  jubil^s  et  les  indulgences  k  Toccasion  du  jubil6  unirersel  celebre 
ä  Rome  par  Benoit  XIV.  Tan  1750  et  etendu  k  tout  le  monde  cath. 
romain  en  1751,  par  Charles  Chais  (prot.  Pfarrer  im  Haag),  1751, 
3  vol.  8. 

1753  wurde  verb.  Trait^  theol.,  dogmatique  et  crit.  des  indul- 
gences et  jubiles  de  l'Egl.  catholique,  Avignon  (?)  1751,  280  S.  12. 
Die  Schrift  ist  von  dem  Pfarrer  N.  Loger  verfasst,  von  Ph.  Boidot, 
Dr.  Sorb.,  einem  Appellanten,  herausgegeben  und  lässt  die  Ablässe 
nur  als  Nachlass  der  Eirchenstrafen  gelten  (Migne  2,  613). 


11  A.  J.  F.  2,  2293.  Schneider  S.  73.  —  A.  J.  P.  22.  884  ist  die 
vom  28.  Juli  1882  datirte  Antwort  der  Ablass-Congr.  auf  eine  Anfrage 
des  Bischofs  von  Gap  abgedruckt,  der  V)erichtet  hatte,  ein  früherer  Missionar 
J.  P.  Blanchard  behaupte,  Pias  IX.  habe  ihm  vivae  vocis  oraculo  einen 
vollkommenen  Ablass  verliehen  für  alle,  welche  die  von  ihm  gesegneten 
Cracifixe  oder  Medaillen  küssen  oder  ansehen  würden,  was  hundertmal 
in  einem  Tage  geschehen  könne.  Die  Congregation  weist  den  Bischof  an, 
dafür  zu  sorgen,  dass  Blanchard  von  dieser  angeblichen  Vollmacht  keinen 
Gebrauch  mehr  mache,  und  erklärt  die  Ablässe  für  apokryph,  was  nach 
dem  curialistischen  Sprachgebrauche  nicht  etwa  so  verstanden  werden  muss, 
als  ob  Pius  IX.  jenen  (oder  einen  ähnlichen)  Ablass  gar  nicht  verliehen, 
sondern  auch  bedeuten  kann,  dass  kein  beweiskräftiges  Documeut  dafür 
vorhanden  sei    (vgl.  Acta  S.  S.  15,  37.3). 


214  Ofßcieu  und  andere  Gebete. 


32.     OfAcien  und  andere  Gebete. 

Zu  den  älteren  Verordnungen  Über  Messbuch  und  Brevier^) 
kam  unter  Urban  VIIL  1624  bezw.  1628  das  jetzt  in  den  Decr. 
gen.  IV,  5  stehende  Verbot  der  ohne  Approbation  der  Congre- 
gation  der  Riten  herausgegebenen  oder  herauszugebenden  Offi- 
eien  der  h.  Jungfrau  Maria  oder  von  Heiligen  und  anderer  der- 
artiger Sachen  hinzu.  Ausser  diesen  nicht  autorisirten  Bereiche- 
rungen des  Breviers  und  Büchern  mit  nicht  approbirten  Litanieen 
(S.  75^  steht  noch  eine  Reihe  von  einzelnen,  meist  augenscheinlich 
abergläubischen  Gebeten  und  eine  Anzahl  von  Gebetbüchern 
die  dergleichen  Gebete  enthielten,  im  Index.  In  den  Decr.  gen. 
IV,  8  werden  auch  alle  neu  erfundenen  oder  zu  erfindenden, 
von  dem  h.  Stuhle  nicht  genehmigten  Rosenkränze,  durch  welche 
der  authentische  Rosenkranz  zu  Ehren  Gottes  und  der  h.  Jung- 
frau Maria  beseitigt  werden  würde,  verboten. 

Eine  italienische  Nonne  bat  Urban  VIII.  um  die  Erlaubniss, 
das  Officium  von  den  15  Nothhelfern  (K.-L.  7,  648)  pro  sua  devo- 
tione  recitiren  zu  dürfen.  Der  Papst  überwies  das  Gesuch  der 
Riten-Congregation.  In  einer  Sitzung  dieser  am  14.  Jan.  1617  be- 
richtete Cardinal  Bellarmin:  jenes  von  dem  Fr.  Hieronymus  Capella 
verfasste  und  1613  zu  Brescia  gedruckte  Officium  und  die  in  dem 
Messbuch  der  Dominicaner  stellende  Messe  von  den  15  Nothhelfern 
seien  ohne  apostolische  Anctorität  gedruckt,  und  die  Congr.  beschloss, 
beide  vorläufig  zu  verbieten  (A.  J.  P.  7,  145).  In  der  nächsten 
Zeit  sclieint  über  andere  ähnliche  Dinge  verhandelt  worden  zu  sein; 
denn    1628  erschien    ein    von    Urban  VIII.   bestätigtes  Decret    der 


1)  lieber  das  auf  das  Missale  bezügliche  Decr.  gen.  IV,  4  s.  I S.  438. 
lieber  verbotene  und  anstössige  Messformulare  handelt  ausführlich  Thiers, 
Tr.  des  superst.  2,  344.  Er  kritisirt  scharf  die  30  Missae  de  S.  Gregorio 
pro  defunctis,  vor  denen  in  mehreren  alten  Missalen  stehe:  Incipit  Tren- 
tenarium  B.  Gregorii  Papae  quod  quicunque  dixerit  vel  dici  fecerit  ob- 
tinebit  plures  annos  et  quadragenas  Indulgentiarum  per  Innocentium  P. 
datarum.  (Sie  sind  auch  verboten;  Bened.  XIV.  De  niissa  3,  23,  3).  Er 
erwähnt  auch  Messen  de  S.  Veronica,  de  S.  Longino,  de  la  dent,  du  pre- 
puce,  du  norabril  de  N.  S.  —  Nebenbei  erwähnt  Thiers  auch  p.  326  Dinge, 
die  in  den  Calendarien  alter  Messbücher  stehen,  wie  in  dem  Missale  des 
Ordens  von  Fontevraud  von  1606  bpi  dem  Januar:  Vult  lautas  calidasque 
epulas  et  pocula  Janus,  in  einem  Missale  von  Maus  1559  beim  August: 
Raro  dormitat,  aestum  coitum  quoque  vitat,  in  dem  Missale  der  Clunia- 
censer  von  1523  und  1550:  Jani  prima  dies  et  septima  finem  minatur, 
Tertius  in  Maio  lupus  est  et  septimus  anguis. 


Brevier.  215 

Riten-Congr.y  des  Inhalts:  die  von  ihr  nicht  genehmigten  Messen, 
wie  S.  Gregorii  pro  vi  vis  et  defunetis,  15  Auxiliätonun,  de  Patre 
aeterno  [zn  Madrid  gedruckt]  n.  a.,  —  abgesehen  von  den  nur 
Ordensgeistlichen  [den  Carmelitem]  gestatteten,  wie  Eosarii,  S.  M. 
de  Carmelo  u.  a.,  —  sowie  die  nicht  approbirten  Officia  seien  als 
verboten  und  verdammt  anzusehen  bei  den  in  den  Bullen  Pius*  Y. 
über  das  Messbuch  und  Brevier  und  in  dem  Index  angedrohten 
Strafen  (A.  J.  P.  1,  1248).  Die  Index-Congr.  verbot  schon  1624 
(Alex.  No.  29):  alle  ohne  Approbation  der  Riten-Congr.  heraus- 
gegebenen oder  herauszugebenden  Officia,  wie:  Officium  parvum 
in  honorem  S.  Joseph,  Brixiae  1608;  Off.  parvum  S.  Angeli  Cu- 
stodis,  nicht  das  von  der  Congr.  approbirte,  sondern  das  Ven.  1611 
gedruckte;  Off.  quindecim  Sanetorum  Auxiliatorum,  Brixiae  1613; 
Sanctissimae  Deiparae  laudes,  150  Psalmorum  prima  verba  ^expo- 
nentes  David  (erst  seit  Ben.  unter  dem  Namen  des  Herausgebers 
Mich.  Ang.  Äthan  asius);  ein  Opusculum  mit  dem  Titel  Breve 
ad  honorem  S.  übaldi  und  ähnliche  Dinge,  welche  ohne  irgend 
welche  Approbation  in  Umlauf  sind.  Dem  entsprechend  stand  seit 
Alex,  im  Index:  alle  ohne  Approbation  der  Riten-Congr.  herausge- 
gebenen oder  herauszugebenden  Officia. 

Schon  1623  war  verb.:  Preces  devotissimae  ad  Deiparam  Vir- 
ginem  in  quatuor  magnae  devotionis  officia  distributae  a  Fr.  de- 
mente Ottardo  Ord.  Erem.  S.  Aug.,  absque  S.  Rituum  Congr.  appro- 
batione  suorumque  superiorum  licentia  impressae  (seit  Ben.  unter 
Cl.  Attardus  de  Unelia).  —  1642  wurde  verboten:  Libellus  falso 
inscriptus:  Off.  S.  Raphaelis  Archangeli  duplex,  cum  hymnis  et 
lectionibus  2.  Noct.  a  S.  Rituum  Congr.  approbatis  et  in  nova  im- 
pressione  Breviarii  Rom.,  quandocunque  evenerit,  apponendis  de 
mandato  Sanctissimi,  gedruckt  bei  dem  kurfürstlichen  Drucker  in 
München  1641.  Warum  ein  unter  Domus  stehendes  Buch  über  die 
7  Hören  1671  verb.  wurde,  erhellt  nicht. 

Ein  wunderliches  das  Brevier  betreffendes  Verbot  steht  zwar 
nicht  im  Index,  aber  in  den  Decreten  bei  Alex.  Ko.  47.  In  das 
Officium  der  h.  Catharina  von  Siena  (30.  April)  war  bei  der  Revi- 
sion des  Römischen  Breviers  unter  Ürban  VIII.  im  J.  1631  die 
Bemerkung  hineingekommen:  die  Heilige  sei  aus  der  mit  der  Fa- 
milie Borghese  verwandten  Familie  Benincasa  gewesen,  ex  Beniucasa 
nna  cum  Burghesia  familia  ex  eodem  stipite  proveniente.  In  dem 
von  Pius  II.  verfassten  Officium  hatte  das  nicht  gestanden,  aber  der 
Jesuit  Tarquinio  Gralluzzi  hatte  es  in  der  Leichenrede  auf  den  Card. 
G.  B.  Borghese,  den  Bruder  Pauls  V.,  gesagt,  die  1616  zu  Rom 
mit  einer  Dedication  an  den  Card.  Maffeo  Barberini  (später  Ur- 
l)an  VIII.)  gedruckt  war.  1641  kam  die  Sache,  wie  es  scheint,  in 
Folge  einer  Reclamation  der  Familie  Borghese,  in  der  Riten-Congr. 
zur  Sprache:  die  noch  lebenden  Mitglieder  der  Commission,  welche 
4ie  Revision  des  Breviers  im  J.  1631  besorgt  hatte,  stimmten  alle 
für  die  Streichung  der  Worte,  desgleichen  fast  alle  Cardinäle  der 
Congr.,  weil  dergleichen  genealogische  Bemerkungen  in  die  Lectionen 
des  Breviers  nur  dann  aufgenommen  zu  werden  pflegten,    wenn  sie 


216  Ofticien  und  andere  Gebete. 

unzweifelhaft  richtig  seien,  während  die  Richtigkeit  der  fraglichen 
Notiz  mit  sehr  gewichtigen  Gründen  angefochten  werde.  Die  Riten- 
Congr.  verordnete  also  28.  Sept.  1641  die  Streichung  der  Worte. 
Es  scheinen  noch  einmal  Einwendungen  erhoben  worden  zu  sein; 
denn  die  Congr.  erklärte  11.  Nov.  1641  alle  unter  ihrem  Nameu 
oder  dem  Namen  des  Papstes  über  die  Familie  der  h.  Catharina 
erlassenen  Decrete  für  irrig  und  erschlichen.  Am  22.  Jan.  1642 
verordnete  dann  die  Index-Congr.  unter  Berufung  auf  das  Decret 
vom  28.  Sept.  1641  bei  den  in  dem  Index  angedrohten  Strafen,  in 
allen  Exemplaren  des  Breviers  die  fraglichen  Worte  zu  streichen 
und  sie  in  neuen  Ausgaben  wegzulassen^). 

Ueber  die  liturgischen  Bücher  der  unirten  Orientalen  stehen 
im  Bullarium  ausführliche  Verordnungen  von  Benedict  XIV.  vom 
26.  Mai  1742,  26.  Aug.  1754  und  17.  Mai  1755.  Im  Index  steht 
nichts,  was  darauf  Bezug  hat. 

Eine  ganze  Reihe  von  Verboten  steht  seit  Ben.  unter  Orazione. 
Sie  sind  aus  der  Nota  (S.  38)  aufgenommen,  wie  auch  ähnliche 
Sachen,  die  unter  Confessione,  Contemplazione,  Epistola,  Griardino, 
Laude,  Opera,  Operetta,  Paradiso,  Passione,  Rime  stehen.  In  der 
Raccolta  stehen  noch  viel  mehr  derartige  Sachen,  u.  a.  folgende  als 
„durch  mehrere  Decrete  der  Inquisition  verboten'*:  Gebete,  welche 
verkauft  werden  als  gut  gegen  die  WaflTen,  gegen  die  Feinde,  um 
die  Folter  zu  ertragen  (per  sostenere  la  corda),  um  sich  beliebt  zu 
machen,  für  Gebärende,  um  Gefahren  zu  entgehen  und  für  andere 
Zaubereien,  mit  Missbrauchung  des  Namens  Gottes  und  der  Heiligen 
und  heiliger  oder  geweihter  Sachen,  die  man  bei  sich  tragen  oder 
verschlucken  soll ;  ein  Gebet  gegen  Waffen  und  Gefahren,  angeblich 
gefunden  im  Grabe  Christi;  Gebete  gegen  die  Pest,  angeblich  hinter- 
lassen von  dem  Bischof  Zacharias  von  Jerusalem  und  wiedergefunden 
in  einem  Benedictinerkloster  zu  Jerusalem,  bestehend  aus  einigen 
Buchstaben  des  Alphabets,  welche  gewisse  Versikel  andeuten,  die 
man  hersagen  oder  bei  sich  tragen  soll  (von  der  Inq.  verb.  1630; 
es  steht  bei  Albit.  p.  499);  an  sich  gute  Gebete,  bei  denen  gesagt 
wird,  sie  raUssten,  um  den  gewünschten  Erfolg  zq  haben,  in  einer 
bestimmten  ungewöhnlichen  Weise  gesprochen  oder  so  und  so  vielmal 
wiederholt  werden;  Gebete,  in  welchen  die  Worte  der  kirchlichen  Ge- 
bete, des  Paternoster,  Ave  Maria,  Credo,  eines  Psalmes  oder  Hymnus 
mit  injuriösen  Satiren  gegen  eine  bestimmte  Person  vermengt  sind 
(die  Racc.  nennt  sie  orationi  sacro-profane  ossiano  libelli  detti  fa- 
mosi,  ma  realmente  infami);  Zettel  (bolletini),  auf  welche  geschrieben 
ist:  Christas  natus,  Christus  passus  etc.,  um  Krankheiten  zu  heilen. 
—  Auch  im  span.  Index  werden  unter  Oracion,  Devocion,  Exercicio, 
Novena  und  sonst  viele  sonderbare  Gebete  verboten,  u.  a.  eine  an- 
geblich von  Gregorius    M.    verfasste  Deprecacion    que   contiene  los 


1)  Bened.  XIV.  Beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  8,  n.  7.  Quetif  2,  836.  A.  J.  P- 
7,  277. 


AbergläubiRche  Gebete.    Rosenkranz.  217 

2  nombrcH  de  Christo,  und  Sacrae  et  antiquae  contra  peBteni   ora- 
ones,  Compostella  1702. 

Bei  manchen  nach  1680  verbotenen  Gebetbüchern  ist  nicht 
isznmachen,  ob  sie  wegen  abergläubischer  oder  wegen  quietistischer 
estandtheile  (§  63)  im  Index  stehen.  Zu  den  ersteren  gehören 
denfalls  ein  1688  verbotenes  Enchiridion,  welches  ausser  den 
Busspsalmen  eine  Oratio  devota  Leonis  Papae  und  aliquot  ora- 
ones  adversus  omnia  mundi  pericula  enthält,  vielleicht  auch  das 
.  77  erwähnte  Vademecum^). 

1727  wurde  verb.  Coronelle  della  Santissima  Trinitü  et  di 
[aria  Sant.  estratte  dall'  opera  data  in  luce  da  Franc.  Pepe,  und 
728  mit  d.  c.  Esercizii  di  divozione  in  onore  della  Sant.  Trinita, 
f)era  di  Franc.  Pepe,  Nap.  1726,  407  S.  12.  Fabroni  10,  359 
erichtet  von  diesem  Jesuiten,  er  solle  in  Neapel  gepredigt  haben, 
Br  Verfasser  der  Regolata  devozione,  Muratori,  sei  ohne  Sacramente 
nd  als  Ketzer  gestorben  und  in  der  Hölle;  er  bestreite  dieses  in 
inem  Briefe  an  Muratori's  Neffen,  habe  aber  jedenfalls  starke  Aus- 
rücke gebraucht,  da  er  von  seinen  Oberen  zum  Schweigen  gebracht 
orden  sei,  worauf  er  gesagt  haben  solle,  die  Kinder  des  Teufels 
ätten  ihm  den  Mund  geschlossen.  In  den  N.  E.  1758,  68.  120; 
759,  151  wird  berichtet:  Pepe  habe  in  Neapel  Zettel  mit  einem 
ebete  über  die  Immac.  Conceptio  verbreitet  und  Kranken  empfohlen, 
}lcbe  Zettel  zu  verschlucken;  man  habe  sie  auch  den  Hühnern  ein- 
egeben, damit  sie  viele  Eier  legten;  er  sei  als  Deputirter  zur 
•eneralswahl  nach  Rom  geschickt  worden;  dort  seien  seine  Zettel 
af  Befehl  des  Mag.  S.  Pal.  von  der  Douane  confiscirt  worden;  da 
Benedict  XIV.  eben  gestorben  war,  habe  er  von  den  Capi  d'ordini 
es  Conclave  die  Erlaubniss  verlangt,  neue  drucken  zu  lassen,  sei 
ber  auf  Betreiben  des  Card.  Passionei  abgewiesen  worden.  Er 
tarb  1759.  —  üeber  die  Heureset  instructions  chr6tiennes  a  l'usage 
es  troupes  de  S.  M.  le  Roi  de  Sardaigne,  die  1759  von  der  Inq. 
erb.  wurden,  berichten  die  N.  E.  1758,  132  (also  vor  dem  Verbote): 
er  Rector  des  Jesuiten- Collcgs  zu  Chambery,  Portula,  habe  das 
!uch  angeblich  zu  Turin  drucken  lassen  und  dem  Könige  selbst 
berreicht.  Dieser  sei  aber  von  seinem  Sohne,  dem  Herzog  von 
avoyen  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  darin  die  Buss- 
salmen  und  das  Officium  Immac.  Conc.  französisch,  eine  neue  Litanie 
on  den  heiligen  Soldaten  und  andere  ungehörige  Dinge  ständen;  es 
abe  sich  dann  aiich  herausgestellt,  dass  das  Buch  gar  nicht  in 
'urin  approbirt  und  gedruckt  sei  (vielmehr  zu  Lyon);  der  König 
abe  darauf  das  Buch  eonfisciren  lassen  und  Portula  ausgewiesen. 
Ir  wird  dann  auch  das  Verbot  veranlasst  haben. 

Der  gewöhnliche  „authentische"  Rosenkranz  wird  bekanntlich 
af  den  h.  Dominicus  zurückgeführt  und  wurde  von  den  Domini- 
anern  zu  den  Glorien  ihres  Ordens  gezählt.  Einer  der  gelehrtesten 
Dominicaner  des   17.  Jahrb.,  Vincenz  Baron,    sagt  Apol.  I,  244:  Ut 


1)  Friedrich,  Beitr.  zur  Kirchengesch.  S.  69. 


218  Exorcismen-Bücher. 

ille  locus  deliciamm  uno  fönte  rigabatur  in  quatuor  flavios  diviso, 
sie  Praedicatomm  Ordo,  capite  et  institutione  unus,  partibus  qna- 
druplex,  rosario,  magisterio  S.  Palatii,  inquisitioniB  officio  et  S.  Tho- 
mae  doctrina  velut  quatuor  fluviis  totum  ambit  et  irrigat  orbem 
christiannm  et  qua  potest  foecundat.  Andere  Orden,  namentlich  die 
FranciRcaner,  suchten  den  Dominicanern  Concurrenz  zu  machen. 
Durch  ein  Breve  Alexandere  VII.  vom  28.  Mai  1664  wurde  ein 
von  den  Franciscanern  zu  Toulouse  gebrauchtes  Rosarium  saraphicnm 
von  9  Novenen  verb.;  im  Index  stehen  ein  Rosario  della  gloriosa 
Sant'  Anna,  vom  Mag.  S.  Pal.  1673  verb.,  Rosarium  seraphicum 
cruentis  passionis  Dominicae  vermiculatum  floribus,  quam  S.  P.  Francis- 
CUR,  vivus  sacrorum  quinque  vulnerum  Christi  bajulus.  recentissimae 
iramemoris  mundi  offert  memoriae  et  devotioni,  Yarsaviae  1705,  verb. 
1707,  und  Rosaire  et  chapelet  de  la  trös-sainte  et  adorable  Triniti 
qu'on  dit .  . .  dans  la  chapelle  des  P^res  de  la  S.  Trinit6  redemption 
des  captifs  du  couvent  de  Toulouse  (ohne  Pater  noster  und  mit  Zusätzen 
bei  dem  Gloria  Patri),  in  Folge  einer  Denunciation  des  Dominicaner- 
Generals  verb.  1714,  wie  Bened.  XIY.  De  beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  31, 
n.  27  ausführlicher  berichtet.  —  Ausser  dem  authentischen  Rosen- 
kranze sind  übrigens  mehrere  andere  mit  Ablässen  überreich  begna- 
digt (Schneider  S.  168  u.  s.). 


33.    Exorcismen-Bficlier. 

Im  J.  1614  erschien  eine  Ausgabe  des  Rituale  Romannm 
mit  einem  Breve  Pauls  V.  vom  17.  Juni,  worin  die  Bischöfe, 
Aebte  und  Pfarrer  „im  Herrn  ermahnt"  werden,  dasselbe  ein- 
zuführen. Da  die  Einführung  nicht  befohlen  wurde,  blieben 
neben  dem  Römischen  Rituale  andere  in  Gebrauch.  Auch  wurden 
vielfach  neben  dem  Rituale  Bücher  gebraucht,  welche  eine  reich- 
haltigere Sammlung  von  Segnungen,  Beschwörungen  n.  dgl. 
enthielten.  In  einem  Decrete  vom  4.  März  1709  wurden  aber 
auf  einmal  fünf  Exorcismen-Bücher  verboten,  welche  seit  einem 
Jahrhundert  in  vielen  Ausgaben  mit  kirchlichen  Approbationen 
erschienen  waren.  Dass  sie  jetzt  endlich  verboten  wurden,  er- 
klärt sich  daraus,  dass  Daniel  Francus  (S.  142)  einige  scanda- 
löse  Stellen  aus  diesen  Büchern  abgedruckt  und  dann  gesagt 
hatte,  man  möge  ihm  die  Indices  zeigen,  in  denen  sie  verboten 
seien  oder  auch  nur  ihre  Expurgation  angeordnet  sei,  und  dass 
von  einem  der  schlimmsten  dieser  Bücher,  dem  von  Hieronymus 
Mengus,  im  J.  1708  zur  Verhöhnung  der  Katholiken  zu  Frank- 


£xorci8inen-Bücher.  219 

furt  ein  Abdruck  besorgt  worden  war  (U.  N.  1708,  538).  In 
den  nächsten  Decennien  wurden  noch  einige  derartige  Bücher 
verboten,  und  einem  Index-Decrete  vom  4.  Dec.  1725  ein  allge- 
meines Verbot  beigefügt,  welches  in  folgender  Fassung  in  die 
Decreta  generalia  IV,  1..  2.  7  aufgenommen  worden  ist:  (ver- 
boten sind)  alle  nach  der  Reformation  des  Römischen  Rituale 
durch  Paul  V.  ohne  Genehmigung  der  Riten-Congregation  zu 
demselben  gemachten  oder  zu  machenden  Zusätze,  alle  von  der- 
selben Gongregation  nicht  genehmigten  kirchlichen  Benedictionen 
and  alle  Formeln  von  Exorcismen,  welche  von  den  in  den 
Regeln  des  Römischen  Rituale  vorgeschriebenen  verschieden 
sind,  und  der  Gebrauch  derselben  ohne  vorherige  Prüfung  durch 
den  Bischof.  —  Noch  1832  hat  die  Riten-Congregation  auf  die 
Anfrage,  ob  die  viel  gebrauchte,  aber  nicht  approbirte  Collectio 
s.  apparatus  absolutionum,  benedictionum,  conjurationum  etc. 
auct  Bern.  Sannig  0.  S.  Franc.  (Col.  1733*),  auf  Grund  der 
Decr.  gen.  als  verboten  anzusehen  sei,  geantwortet:  nur  die- 
jenigen Bücher  und  in  diesen  nur  diejenigen  Benedictionen  seien 
zu  gebrauchen,  die  dem  Römischen  Rituale  conform  seien  (A. 
J.  P.  1,  1249;  im  Index  steht  Sannig  nicht). 

In  dem  Beeret  von  1709  (Hanot  p.  268)  werden  fünf  Bücher 
verboten,  zunächst  zwei  von  demselben  Verfasser:  1.  Compendio  dell* 
arte  esorcistica  e  possibilita  delle  mirabili  e  stapende  operationi  delli 
demoDÜ  e  malefici.  Del  F.  Fr.  Gcrolamo  Menghi,  Minore  Osser- 
vante,  posto  in  luce  in  Bologna  per  Gio.  Rossi  1580,  auch  Bol. 
1586  u.  8.  —  2.  Flagellum  daemonum,  Auth.  P.  Fr.  Hieron.  Mengo 
.  .  Ven.  1644.  Accessit  Pars  secunda  quae  Fustis  daemonum  inscri- 
bitur,  —  das  Flagellum  auch  Bologna  1586  u.  s.,  die  Fustis  Bologna 
1584,  Ven.  1599*  u.  s.,  beide  zusammen  1600  u.  s.  Der  Titel  der 
in  dem  Decrete  stehenden  Ausgabe  heisst:  Flagellum  daemonum, 
exorcismos  terribiles,  potentissimos  et  efficaces  remediaque  probatis- 
sima  ac  doctrinam  singularem  in  malignos  Spiritus  expellendos  fac- 
turasque  et  maleficia  fuganda  de  obsessis  corporibus  complectens, 
cum  suis  benedictionibus  et  omnibus  requisitis  ad  eorum  expulsionem. 
Accessit  postremo  pars  secunda,  quae  Fustis  daemonum  inscribitur. 
Quibus  novi  Exorcismi  et  alia  nonnulla,  quae  prius  desiderabantur, 
snperaddita  fuerunt.  Auetore  E.  P.  Fv  Hieronymo  Mengo  Vitellia- 
nensi,  Ord.  Min.  Eegularis  Observantiae.  Ven.  1644.*  247  S.  8.  — 
Fustis  daemonum,  adjurationes  formidabiles,  potentissimas  et  efficaces 
in  malignos  Spiritus  fugandos  de  oppressis  corporibus  human is  ex 
Sacrae  Apocalypsis  fönte  variisque  Sanctorum  Patrum  auctoritatibus 
haustas  complectens.  Auetore  .  .  .  Opus  sane  ad  maximam  Exor- 
cistarum  commoditatem  nunc  in  lucem  aeditum.  Ven.  1644.*  232  S.  8. 


220  Exorcismen-Bücher. 

Auf  der  Rückseite  beider  Titelblätter  steht:  1623.  die  4.  Sept. 
Imprimatur.  Fr.  Franc.  Garen us  Lect.  Theol.  Vic.  S.  Inquisit.  Me- 
diol.  —  Fr.  Aloy.  Bariola  ConsuUor  S.  Oif.  pro  111.  D.  Card.  Ar- 
chiep.  —  Vidit  Saccus  pro  Excel].  Senatu.  —  In  einem  Schreiben 
der  Congr.  der  Bischöfe  und  Regularen  vom  Dec.  1700  (A.  J.  P. 
11,  902)  wird  angeordnet,  in  einem  angeblich  von  bösen  Geistern 
gestörten  Kloster  die  Exorcismen  anzuwenden,  die  in  dem  Flagellum 
daemonum  stehen.  —  Die  anderen  1709  verbotenen  Bücher  sind: 
3.  Complementiim  artis  exorcisticae  [cum  litaniis,  benedictionibns  et 
doctrinis  novis].  Auth.  Fr.  Zach.  Vicecomite,  Ord.  SS.  Barnabae 
et  Ambrosii  ad  Nemus,  Mediol.  1587,  auch  Ven.  1600,*  Col.  1608, 
Med.  1618,  Yen.  1636  (Fabricius,  Hist.  Bibl.  6,  514).  —  4.  Malleus 
daemonum.  Auth.  P.  Fr.  Alexandro  Albertino  (a  Rocha  Contrada) 
Ord.  Min.  Observ.,  Mediol.  1624.*  —  5.  Practica  exorcistamm  ad 
daemones  et  maleficia  de  Christifidelibns  expellendnm,  Fr.  Valcrii 
Polydori  Patavini  Conventnalis,   Ven.  1616. 

1725  wurde  dann  noch  verb. :  Circulus  aureus  s.  breve  com- 
pendinm  coerimoniarum  et  ritunm,  qnibns  passim  ad  snas  et  proximi 
utilitates  presbyteris  nti  contingit,  desumptnm  ex  his  quae  ab  Eccl. 
cath.  Rom.  taliter  et  sparsim  sancita  sunt,  ad  majorem  eorum  com- 
moditatem  a  P.  F.  Franc.  Maria  de  Capellis  a  Bononia,  Ord.  Min. 
Capuc.  Concionatore,  —  dieses  Buch,  das  einzige  dieser  Gruppe,  mit 
der  [von  Ben.  weggelassenen!  ausdrücklichen  Bestimmung :  quocunque 
loco  et  tempore  impressus,  —  1650  von  dem  Ordensgeneral,  dem 
Vertreter  des  Erzbischofs  und  der  Inquisition  zu  Bologna  approbirt, 
14.  Ed.  Neap.  1670,*  526  S.  16;  19.  Ed.  Ven.  1677;  21.  Ed.  Ven. 
et  Bassani  s.  a.*  —  In  diesem  Index-Decrete  werden  im  allgemeinen 
verboten  alle  von  der  Riten-Congr.  nicht  approbirten  Zusätze  zum 
Römischen  Rituale,  et  maxime  Conjurationes  potentissimae  et  effi- 
caces  ad  expellendas  et  fugandas  aereas  tempestates  a  daemonibus 
per  se  sive  ad  nutum  cujusvis  diabolici  ministri  excitatas  ex  diver- 
sis  et  probatis  auctoribus  collectae  a  presbytero  Petro  Lucatello 
tit.  S.  Cassiani  Bergomi,  et  Benedictio  aquae  quae  fit  in  Vig.  Epi- 
phaniae  (A.  J.  P.  2,  2648).  Daher  stammt  das  allgemeine  Verbot 
in  den  Decr.  gen.  und  das  Verbot  von  Lucatellus  seit  Ben.  (in  den 
früheren  Indices  steht  er  nicht). 

1727  wurden  noch  zwei  Bücher  verb.:  Manuale  exorcistamm 
ac  parochorum,  h.  e.  tractatns  de  curatione  ac  protectione  divina, 
in  quo  variis  reprobatis  erroribus  verus,  certus,  securns,  catholicus 
.  .  .  ejiciendi  daemones  .  .  .  curandi  infirmos,  ab  inimicis  se  tnendi 
Denmque  in  cunctis  necessitatibus  propitium  habendi  modus  traditnr, 
auth.  Candido  Brognolo.  Ven.  1673  (auch  Bergamo  1651  u.  b.). 
Der  Verfasser,  Minorit,  hat  auch  ein  Alexicacon  h.  e.  de  maleficiis 
et  morbis  maleficis,  Ven.  1668  Fol.,  und  1714,  2  vol.  4.,  herausge* 
geben  (Mazzuch.  s.  v.) ;  —  Manuale  commodo  per  gli  curati  e  per 
ogn'  altro  sacerdote  che  s'impieghi  al  benefizio  de'  fedeli  in  funzio- 
ni  al  sno  ministerio  spettanti,  di  Giov.  Batt.  Benamati,  Parma  1690. 

Später  wurden  noch  einige  derartige  Bücher  bald  nach  dem 
Erscheinen  verboten:  Ubaldi  Stoiber  Arraamentarium  ecclesiasticam 


Exoroismen-Bücher.  221 

complectens  arma  spiritualia  fortissinia  ad  insultus  diabolicos  eliden- 
do8  etc.  Augsb.  1736,*  2  vol.  8.,  verb.  1754.  (Der  Verfasser  war 
Minor! t,  Lector  in  Freising.)  —  Steph.  Coletus,  EnergumenoK 
dignoRcendi  et  liberandi,  tarn  maleficia  quaelibet  dissolvendi,  nee 
non  benedictiones  ntiliter  conficiendi  super  aegrotos  conipendiaria 
et  facillima  ratio,  nnd  Anonyma  quaestinncula  ex  eodem  opusculo 
desumta  de  liberandis  energumenis,  seclusa  licentia  ordinarii  [im- 
pressa]  Ven.  1762,  verb.  1763.  —  Aus  älterer  Zeit  wird  stammen: 
Dissolvitur  celebre  quaesitum  a  nemine  hactenus  discassum  pro 
exorcista  rite  edocto,  quem  fecit  idoneum  ministruni  N.  Testamenti 
donnm  Dei.  Ad  obsessam  ovem  si  quis  sacerdos  accedat,  ad  malefi- 
ciatam  liberationis  gratia,  et  benedictionis  ad  infirmam,  quid  sentiant 
pastores  eanim,  verb.  1764. 

Vor  1709  wurde  von  derartigen  Büchem  nur  verboten;  Floriano 
Canale,  Del  modo  di  conoscere  &  sanare  i  maleficiati  <&  deli*  anti- 
cbissimo  &  ottimo  uso  del  benedire,  verb.  1706  (vor  Ben.  nicht  im 
Index).  Ob  das  Eituale  seu  Caeremoniale  ecclesiasticum  juxta 
ritum  S.  Matris  Ecclesiae  Eom.  usumque  Fratrum  discalceatorum  S. 
Patris  Augustini  per  Galliam,  Par.  1632,  wegen  solcher  Formeln 
oder  wegen  beigefügter  Litanieen  oder  aus  einem  andern  Grunde 
1634  mit  d.  c.  verb.  worden,  erhellt  nicht.  —  Nicht  verboten  ist 
das  umfangreichste  derartige  Buch,  in  welchem  die  Bücher  von  Poly- 
doruß.  Menghi  (die  beiden  latein.)  und  Vicecomes  und  Petri  Ant. 
Stampae  Fuga  Satanae  und  Max.  ab  Eynatten  Manuale  exorcistarnm 
zusammengedruckt  sind:  Thesaurus  exorcismorum  et  conjurationum 
terribilium  ...  ad  maximam  exorcistarum  commoditatera  editus  et 
recusns  .  .  .  Col.,  haer.  L.  Zetzner  (1608)  und  1626.*  1232  S.  8 
(Clement  8,  193).  —  Im  span.  Index  stehen  die  hier  besprochenen 
Exorcismen-Bücher  nicht,  aber  andere, in  Spanien,  also  mit  Approbation 
der  Inquisition  gedruckte,  z.  B.  Costa,  Exorcismi  contra  tempestates, 
1636;  Jugum  ferreum  Luciferi  s.  exorc.  terribiles  contra  malignes 
Spiritus  possidentes  corpora  humana,  V^alencia  1705,  verb.  1756; 
andere  unter  Valladares  und  Vallejo  und  Expurgationen  unter  La- 
sterra  und  Paschasius. 

Wie  scandalös  es  ist,  dass  die  älteren,  sehr  viel  gebrauchten 
Bücher  dieser  Art  erst  im  18.  Jahrb.  verboten  wurden,  mögen  einige 
Auszüge  zeigen.  In  manchen  Exorcismen  (bei  Mengus,  Flag.  p.  46 
nnd  oft)  findet  sich  folgende  Formel,  mit  der  Vorschrift,  bei  jedem 
Worte  das  Kreuzzeichen  zu  machen:  Hei,  Heloym,  Heloa,  Eheye, 
TetragrammatoD,  Adonay,  Saday,  Sabaotli,  8oter,  Emanuel,  Alpha 
et  Omega,  Primus  et  Novissimua,  Principium  et  Finis,  Hagios, 
Ischyros,  Ho  Theos,  Athanatos,  Agla,  Jehoua,  Homousion,  Ya,  Mes- 
sias, Eserebeye  etc.  (Meugus  gibt  p.  25  eine  Erklärung  der  Namen), 
üapellis  p.  309  räth:  um  zu  erkennen,  ob  jemand  wirklich  besessen 
sei,  solle  man  eine  Formel,  die  jene  Namen  enthält,  auf  geweihtes 
Papier  schreiben  und  dieses  dem  Patienten,  ohne  dass  er  es  wisse, 
auflegen;  wenn  er  danach  unruhig  werde,  sei  er  besessen.  Capellis 
bemerkt  ausdrücklich,  das  sei  nicht  als  Aberglauben  anzusehen.  — 
In  anderen  Formeln  (Mengus,  Flag.  p.  86)  findet  sich :  Conjuro  vos 


222  Exorcismen- Bücher. 

per  omnia  nomiua  B.  V.  Mariae,  sc.  (bei  jedem  Namen  ein  Kreaz- 
zeichen)  Virgo,  Flos,  Nubee,  Regina,  Theotocos,  Imperatrix,  Domina, 
Aurora,  Ancilla  (folgen  noch  80).  Vicecomes  p.  554  hat  folgende 
Formel:  0  maledicti  .  .  .,  vos  ejicio  et  maledico  et  annthematizo,  et 
Ritis  a  Deo  maledicti  Ricnt  Aniadiani  et  Basilidiani,  amen ;  Ricnt 
Cherinthiani  et  Origeniani,  amen  ;  .  .  .  .  sicut  Lutherani  et  Ugle- 
nothi  (sie),  amen;  sicnt  omnes  haerebiarchae,  amen;  et  sitis  maledicti 
in  Omnibus  haeresibus,  sectis  et  schismatis  nunc  et  semper  et  in 
Raecula  saeculorum,  amen.  —  MenguR,  Flag.  p.  134  verordnet,  ein 
Bild  des  Dämons,  von  welchem  jemand  besessen .  ist,  mit  seinem 
darüber  geschriebenen  Namen,  in  einem  Feuer  zu  verbrennen,  worin 
zuvor  gesegnetes  sulphur,  galbanus,  asa  foetida,  aristolochia,  hyperi- 
con  et  ruta  hineingeworfen  sind.  Er  gibt  mehrere  Formeln  zur 
Segnung  von  Oel,  welches  bei  Besessenen  äusserlich  und  innerlich 
anzuwenden,  eine,  welche  von  einigen  dem  h.  Cyprianus  zugeschrie- 
ben werde  (p.  176),  eine,  bei  welcher  ganz  in  der  Art  eines  medi- 
cinischen  Recepts  die  Materialien  angegeben  werden,  die  damit  zu 
vermischen  sind  (p.  189:  Recipe  Rutarum,  Salviae,  Anethi  cfmas 
tres  etc.;  ähnliche  Recepte,  in  denen  auch  Helleborus  albus,  Perfo- 
rata,  Flores  genistae,  Hypericum,  Marrubium,  Urtica  aut  Iva  vor- 
kommen, p.   191.  216). 

Viele  Benedictionen  finden  sich  namentlich  bei  Capellis  p.  283 
u.  8.,  benedictio  tritici,  farinae,  leguminum,  vini  aut  aceti  u.  8.  w. 
In  fast  allen  kommt  der  h.  Ubaldus  ^),  mit  Christus  oder  Gott  coordi- 
nirt,  vor,  z.  B.  Exorcizo  et  benedico  te,  creatura  N.,  in  nomine 
Jesu  Christi  et  S.  Ubaldi;  Exorcizo  te,  creatura  incensi,  per  Deum 
vivum  ...  et  per  S.  Ubaldum,  flagellum  inferni;  In  tuo  sancto  no- 
mine Tetragrammaton  et  servi  tui  Ubaldi  eas  exorcizo  et  benedico 
et  sanctifico;  In  nomine  Jesu  et  S.  Ubaldi,  quorum  nomen  et  vir- 
tutem  invoco  super  has  herbas ;  Fax  et  benedictio  SS.  Trinitatis  et 
S.  Ubaldi  descendat  super  hanc  dorn  um.  —  Das  Buch  von  Qapellis 
beginnt  mit  einem  Passus  über  die  Wirksamkeit  (virtfi)  der  (vom 
Papste)  gesegneten  Agnus  Dei:  sie  befreien  diejenigen,  welche  sie 
andächtig  und  gläubig  gebrauchen,  von  den  Dämonen,  Hexen,  Ver- 
zauberungen (fatture),  Versuchungen,  Pfeilen,  Hagel,  Pest,  Sturm, 
Fallsucht,  Feinden,  Schiffbruch,  Feuersbrunst,  Geburtsschmerzen, 
plötzlichem  Tode,  lässlichen  Sünden ;  diese  Wirkungen  seien  ent- 
nommen aus  den  Versen,  die  Urban  V.  mit  dem  Agnus  Dei  dem 
Kaiser  der  Griechen  gesandt,  und  aus  den  Gebeten,  welche  die  Päpste 
bei  der  Benediction  der  Agnus  Dei  Rprechen.  In  letzteren  kommt 
in  der  That  so  ziemlich  alles  vor,  was  Capellis  aufzählt  2). 

Benedict  XIV.  publicirte  1752  eine  neue  Ausgabe  des  Rituale 


1)  Von  Ubaldus  berichtet  das  Römische  Brevier:  er  sei  von  Hono- 
rius  II.  (1124—39)  zum  Bischof  von  Gubbio  ernannt  und  von  Coelestin  III. 
(1191  —  98)  canonisirt  worden,  und:  Ejus  virtus  praecipue  in  effugandis 
spiritibus  immundis  elucet. 

2)  A.  J.  P.  6,  1680.  Reusch,  Die  Deutschen  Bisch.  S.  62.  Friedrich, 
Beitr.  zur  Kirchongesch.  8.  72. 


Sohriften  über  Heilige.  Heiligenbilder.  22H 

Romanam.  Sie  enthält  verhältniRsmässig  wenige  Benedictionen; 
aber  einer  zu  Rom  1874  gedruckten  Ausgabe  ist  ein  Anhang  bei- 
gefügt, in  welchem  sich  Benedictionen  nicht  nur  für  neue  Eisenbahnen, 
Telegraphen,  Brunnen,  Erzs^iessereien,  Ziegeleien  finden,  sondern  auch 
für  Bier,  Käse,  Butter,  Medicin,  Viehfutter,  Ställe,  Vögel,  Bienen 
u.  fl.  w.  und  Gebete  gegen  Mäuse,  Heuschrecken  und  andere  schäd- 
liche Thiere  (Vering,  Archiv  f.  K.-R.  1877,  224). 


34.    Schriften  fiber  Heilige.   Heiligenbilder. 

Unter  ürban  VIII.  wurde  1625  und  1634  verboten,  Schriften 
Aber  Leben  und  Wunder  nicht  heilig  oder  selig  gesprochener 
Personen  ohne  Genehmigung  zu  veröffentlichen  und  solche  Per- 
sonen wie  Heilige  oder  Selige  zu  verehren  oder  sie  mit  dem 
Heiligenschein  (cum  laureolis  aut  radiis  sive  splendoribus)  abzu- 
bilden. Solche  Bilder  werden  danach  in  den  Decreta  gen.  III,  1 
verboten  (die  anderen  auf  Bilder  bezüglichen  Verbote  der  Decr.gen. 
sind  §  38  zu  besprechen).  Im  Index  stehen  aber  ausser  Schriften 
Über  derartige  Personen  auch  Schriften  über  anerkannte  Heilige, 
welche  ohne  Zweifel  meist  wegen  frommer  Thorheiten  verboten 
worden  sind,  wie  deren  namentlich  fast  unglaubliche  in  Schriften 
Über  den  h.  Joseph  und  die  h.  Anna  vorkommen. 

Unter  Urban  VIII.  wurde  zunächst  ein  Decret  der  Inq.  von 
Fer.  V.  13.  März  1625  publicirt  (Alex.  No.  31),  eine  Bestimmung 
desselben  5.  Juni  1631  erläutert,  dann  der  Inhalt  desselben  durch 
ein  Breve  vom  5.  Juli  1634  bestätigt.  Diese  Verordnungen  sind 
bei  Albit.  p.  528  und  Bened.  XIV.  De  beatif.  1.  2,  c.  11  und  12 
abgedruckt  und  commentirt.  Sie  und  eine  Verordnung  vom  17.  Nov. 
1674  sind  1821  von  der  Riten-Congr.  wieder  eingeschärft  worden 
(Gardellini  t.  7  n.  4434).  Bezüglich  der  Schriften  über  Personen, 
die  im  Rufe  der  Heiligkeit  gestorben,  wurde  1625  verordnet,  die- 
selben seien  von  den  Ortsbischöfen  mit  Zuziehung  von  Theologen 
und  anderen  frommen  und  gelehrten  Männern  zu  prüfen,  und  wenn 
jene  sie  des  Druckes  würdig  erachteten,  sei  das  negotium  instructum 
nach  Rom  zu  schicken  und  die  Autwort  des  h.  Stuhles  abzuwarten. 
In  Rom  wurden  diese  Angelegenheiten  von  der  Riten-Congr.  oder  (wie 
es  scheint,  gewöhnlich)  von  der  Inquisition  untersucht.  Diese  be- 
Bchloss  1688:  die  zahlreichen  von  den  Relatoren  bereits  geprüften 
Bücher  sollten  den  Bischöfen  zurückgesandt  werden  ohne  eine  andere 
Krklärung  als:  die  Bücher  würden  hiermit  zurückgesandt  und  es 
werde  die  Beobachtung  der  Decrete  von  1625  und  16H4  eingeschärft; 
ebenso  sei  in  Zukunft  zu  verfahren.    Femer  wurde  verordnet,  jedem 


224  Schriften  über  Heilige.   Heiligenbilder. 

derartigen  Buche  sei  am  Anfange  und  am  Schlüsse  eine  Protestatio 
beizndrucken,  —  der  Wortlaut  derselben  ist  vorgeschrieben,  —  worin 
der  Verfasser  unter  Bezugnahme  auf  die  Verordnungen  Urbans  VIII. 
erklärt :  das,  was  er  berichte,  stütze  sich  nur  auf  eine  menschliche, 
nicht  auf  die  göttliche  Autorität  der  römisch-katholischen  Kirche 
oder  des  h.  apostolischen  Stuhles,  mit  Ausnahme  derjenigen,  die  von 
diesem  in  das  Verzeichniss  der  Heiligen,  Seligen  oder  Märtyrer  auf- 
genommen worden  seien.  Eine  solche  Protestatio  steht  z.  B.  vom 
1.  April-Bande  an  bei  den  Bollandisten. 

Das  Decret  Urbans  VIII.  wurde  anfangs  strenge  gehandhabt. 
Janus  Nicius  Erythraeus  (Epp.  ad  Tyrrh.  p.  70)  berichtet  im 
J.  1642:  er  habe  ein  Leben  des  Bischofs  Jo.  Juvenalis  Ancina  von 
Saluzzo  herausgeben  wollen,  es  sei  ihm  aber  die  Druckerlaubniss 
verweigert  worden,  weil  verboten  sei,  von  nicht  canonisirten  Personen 
wunderbare  Dinge  zu  berichten;  er  habe  sich  erboten,  diese  Stellen 
wegzulassen  und  dafür  die  Tugenden  des  Bischofs  ausführlicher  zu 
behandeln,  aber  auch  das  habe  man  beanstandet;  man  dürfe  also, 
fügt  er  bitter  bei,  über  schändliche  Thaten  und  Reden  böser  Menschen 
schreiben,  aber  nicht  über  die  Tugenden  frommer  Männer.  Man  hat 
aber  vielleicht  an  diesem  Buche  etwas  anderes  beanstandet;  denn 
in  dem  Decrete  von  1631  war  der  Magister  S.  Pal.  angewiesen» 
nur  die  Bezeichnung  der  nicht  canonisirten  Personen  als  heilig  oder 
selig  nicht  zu  dulden,  wohl  aber,  mit  dem  in  der  Protestatio  ent- 
haltenen Vorbehalt,  ea  quae  cadunt  super  mores  et  opinionem.  — 
1648  wies  die  Riten-Congr.  den  Erzbischof  von  Neapel  an,  ein  Buch 
über  das  Leben  und  die  Wunder  der  Ursula  Benincasa,  der  Stifterin 
der  Theatinerinnen,  f  1^16  (K.-L.  10,  834),  die  auf  dem  Titelblatte 
als  Beata  bezeichnet  war,  zu  confisciren  und  den  Herausgebern  den 
Process  zu  machen  (Ben.  XIV.  Beat.  1.  2,  c.  12,  n.  3).  Das  ist 
vielleicht  ein  Buch  von  dem  Theatiner  Franc.  Maria  Maggio  (Ma- 
zius,  Mongitore  p.  219.  Vezzosi  2,  4),  der  ein  sehr  fruchtbarer 
Schriftsteller  war,  eine  ganze  Reihe  von  Büchern  über  die  Benincasa 
geschrieben  hat  und  von  dem  eine  lateinische  Vita  als  zu  Palermo 
1645  und  dann  (expurgirt)  zu  Rom  1654  gedruckt  erwähnt  wird. 
Diese  steht  nicht  im  Index,  aber  sein  Compendioso  ragguaglio  della 
vita,  morte  e  monasterii  della  Madre  Orsola  Benincasa,  Neapel  1669, 
verb.  1674,  und  seine  1655  zu  Rom  gedruckte  Vita  della  Ven, 
M.  0.  B.  (nur  der  1.  Band  erschienen),  verb.  erst  1679,  gleich- 
zeitig mit  der  1671  zu  Venedig  erschienenen  Vita  della  Ven.  0.  B.« 
von  dem  Theatiner  Gio.  Bonif.  Bagatta^).  —  1657  wurde  auch 
der  Druck  einer  Biographie  des  Hippolytus  Galantinus  nur  mit 
der  Weglassung  des  B.  vor  seinem  Namen  gestattet,  und  1661 
verbot  die  Riten-Congr.  unter  den  für  das  Behalten  verbotener 
Bücher  angedrohten  Straften  ein  anonymes  Schriftchen  eines  Trini- 
tariers,  worin  der  Trinitarier  Petrus  de  Figuiera  Carpi  als  Märtyrer 


1)  Mazzucli.  s.  V.  —  Vezzosi  1, 95  verzeichnet  mehrere  Biographieen  der 
Benincasa,  eine  Rom  1G90,  430  S.  4. 


Schrifieu  über  Heilige.  Heiligenbilder.  i2& 

mit  dem  Heiligenscheine  abgebildet  war  und  die  spanischen  Bischöfe 
und  Geistlichen  aufgefordert  wurden,  seine  öffentliche  Verehrung  zu 
fördern.  Der  Nuncius  in  Spanien  wurde  beauftragt,  das  Decret  den 
Bischöfen  und  Ordensoberen  mitzutheilen  und  den  Verfasser  zu  be- 
strafen (A.  J.  P.  20,  5).     Im  Index  steht  das  Schriftchen  nicht. 

Schriften  über  nicht  canonisirte  Personen  stehen  noch  im  In- 
dex: von  Franc,  di  Poggio  über  Suor  Cherubina  dell'  Agnus  Dei, 
verb.  1679;  von  Fem.  Blas.  Franco  über  die  Franciscanerin  Maria 
de  Jesus  von  Villa  Robledo,  Madrid  1675,  verb.  1714  (von  dieser 
Sor  Maria  de  Jesus  ist  auch  ein  Buch,  Litania  y  nombres  miste- 
riosos  de  la  reyna  del  cielo,  1678  verb.);  von  dem  Jesuiten  Gius. 
Gentili  ein  zu  Rom  1739  gedrucktes  Buch  über  die  Garmeliterin 
Bosa  Maria  Serio  di  S.  Antonio,  mit  d.  c.  verb.  1746^);  von  dem 
bekannten  Jesuiten  G.  B.  Scar  am  eil  i  über  die  Franciscanerin  Maria 
Crocifissa  Satellico,  von  der  Riten-Congr.  1769  verb.  mit  dem  Zu- 
satz: salvis  tarnen  juribus  causae  (ohne  Präjudiz  für  den  Selig- 
sprechungsprocess) ;  eine  zu  Kom  1819  erschienene  emendirte  Aus- 
gabe wurde  von  der  Riten-Congr,  1820  freigegeben.  —  Im  span. 
Index  stehen  sehr  viele  span.  Schriften  über  nicht  canonisirte  Per- 
sonen 2). 

Das  Decret  von  1625  fügt  zu  dem  Verbote  der  Beilegung  der 
Titel  „heilig"  oder  „selig**  den  Vorbehalt  bei,  dass  es  in  keiner 
Weise  denjenigen  präjudiciren  solle,  welche  entweder  auf  Grund 
eines  communis  consensus  der  Kirche  oder  eines  immemorabilis 
temporum  cursus  oder  der  Schriften  von  Kirchenvätern  und  heiligen 
Männern  oder  einer  langjährigen  Kenntniss  und  Duldung  des  h.  Stuhles 
oder  des  Ortsbischofs  verehrt  würden.  Dieser  Vorbehalt  war  ge- 
eignet, Controversen  hervorzurufen.  Bald  nach  1625  entstand  ein 
Streit  zwischen  den  Erzbischöfen  von  Cagliari  und  Torres  über  die 
Frage,  ob  der  als  Schriftsteller  bekannte  Bischof  Lucifer  von  Cag- 
liari, t  um  370,  als  Heiliger  zu  verehren  sei.  Jener  beklagte  sich 
in  Rom,  dass  dieser  die  Sache  vor  die  spanische  Inquisition  ge- 
bracht, und  die  Römische  Inq.  wies  darauf  1638  den  Nuncius  an, 
den  spanischen  General-Inquisitor  aufzufordern,  die  Sache  dem  h. 
Stuhle  zu  überlassen.  Sie  verbot  dann  aber  1641  nur  bei  Strafe 
der  Excommunication,  bis  auf  weiteres  pro  und  contra  Schriften  her- 
auszugeben. Eine  Entscheidung  ist  nicht  erfolgt;  nur  wurde  1647 
die  Frage  verneint,  ob  es  gestattet  sei,  Messe  und  Officium  von  dem 
h.  Lucifer  zu  halten  und  sein  Bild  zur  Verehrung  auszustellen, 
namentlich  in  Diöcesen,  wo  das  nicht  herkömlich  sei  (Bened.  XIV. 
Beatif.  1,  40,  3).    Mit  diesem  Streite  hängt  zusammen,  dass  um  1640 


1)  A.  J.  P.  20,  34  wird  berichtet,  Benedict  XIV.  habe  1741  die  Ein- 
leitung des  Canonisationsproccsses  genehmigt,  Pius  VI.  1797  die  Wieder- 
aufnahme desselben  gestattet,  obschon  Benedict  XIV.  perpetuum  silentium 
aufgelegt,  also  den  Antrag  auf  Heiligsprechung  definitiv  abgelehnt  habe, 
womit  das  Verbot  des  Buches  zusammenhangen  wird. 

2)  Die  spanische  Inq.  befahl  1777,  auf  Bildern  der  S.  Joanna,  uxor 
Pilati,  das  uxor  Pilati  zu  streichen. 

Rensch,  Index   II.  15 


226  Schriften  über  Heilige.   Heiligenbilder. 

eine  Predigt  des  Jesuiten  Jo.  Nie.  Diana  über  den  h.  Lueifer  von 
der  sardinischen  Inquisition  verdammt  wurde;  Diana  appellirte  an 
den  Span.  General-Inquisitor,  und  dieser  cassirte  1653  das  Urtheil 
und  ernannte  Diana  zum  Consultor  (Bayle  s.  v.  Diana).  —  lieber 
eine  charakteristische  Entscheidung  Pius'  IX.,  die  mit  dem  Decrete 
von  1625  zusammenhängt,  wird  in  den  Acta  S.  S.  6,  67  berichtet. 
In  einer  in  dem  12.  October-Bande  der  Bollandisten  unter  dem 
29.  Oct.  stehenden  Abhandlung  bestreitet  der  Jesuit  Victor  de  Bück 
das  Martyrium  von  drei  in  Bergamo  besonders  verehrten  Heiligen, 
Eusebia,  Domnus  und  Domnion.  Die  Sache  wurde  von  dem  dortigen 
Bischof  an  die  Riten-Congr.  gebracht  und  diese  beschloss  20.  Aug. 
1870,  bei  aller  Achtung  vor  den  Verdiensten  der  Bollandisten  nach 
Prüfung  der  Documente  zu  erklären,  dass  die  von  de  Bück  gegen 
die  das  Martyrium  betreffende  Tradition  vorgebrachten  Argumente 
nichts  bewiesen.  Das  Decret  wurde  1.  Sept.  von  Pius  IX.  bestätigt 
uud  „für  alle,  die  sich  mit  der  Kirchengeschichte  and  h.  Archäo- 
logie beschäftigen,  vorgeschrieben,  in  den  Fällen,  wo  es  sich  um 
Heilige  oder  Selige  handelt,  die  mit  Approbation  des  h.  Stuhles  im 
Besitze  eines  öffentlichen  Cultus  sind,  sehr  vorsichtig  zu  sein  und 
immer  die  Regeln  zu  beachten,  die  Benedict  XIV.  in  der  Bulle  über 
das  Martyrologium  Rom.  n.  2  und  18  und  De  beatif.  1.  4,  p.  2, 
c.  17  n.  9.  10,  c.  13,  n.  7.  8  aufstellt."  —  Durch  ein  Decret  der 
Riten-Congr.  vom  15.  Dec.  1883  (A.  J.  P.  23,  629)  ist  die  von 
den  Grelehrten  viel  verhandelte  Frage  über  Boethius  (f  526)  dahin 
entschieden  worden,  dass  er  in  Pavia  den  cultus  immemorabilis  als 
Märtyrer  besitze. 

Von  den  Schriften  über  anerkannte  Heilige  oder  Selige  sind 
folgende  zu  erwähnen:  Compendio  della  vita  e  miracoli  del  B.  An- 
drea Avellino  Chierico  Regolare  von  Pasquino  Pignoni,  Flor.  1627, 
1642  mit  d.  c.  verb.,  weil  darin  erzählt  wird,  die  Stadt  Palermo 
sei  durch  die  Hülfe  dieses  Beato  von  der  Pest  befreit  und  dieser 
darum  1625  auf  den  Antrag  des  Senates  mit  Genehmigung  des 
Papstes  unter  die  Patronen  der  Stadt  aufgenommen  worden,  der 
Senat  aber  erklärt  hatte,  er  habe  nie  einen  solchen  Antrag  gestellt, 
das  päpstliche  Decret  sei  also  erschlichen  (A.  J.  P.  7,  275)  ;  — 
drei  italienische  Schriften  über  die  1669  canonisirte  Carmeliterin 
Maria  Magdalena  de'  Pazzi,  verb.  1680— -88  (unter  Solazzi,  Tributi 
und  Maniera  divota  da  pratticarsi  verso  la  serafica  M.  M.  dei  Pazzi 
etc.,  letztere  mit  dem  von  Ben.  weggelassenen  Zusätze  verb.:  ubi- 
cunque  et  quoc.  idiomate  fuerit  impressa);  —  ein  Buch  von  Franc. 
Noia  über  den  h.  Amatus,  Bischof  von  Kusco,  verb.  1714; —  L'in- 
tera  istoria  della  famiglia,  vita,  miracoli,  traslazione  e  culto  del 
glorioso  martire  San  Gennaro,  Vescovo  di  Benevento  .  .  .  scritta 
dal  Prete  Nicolo  Carminio  Falcone  Napoletano;  fatica  promossa 
dal  P.  F.  Ilarione  da  San  Pietro,  Napoli  1713,  ein  Folioband  mit 
schönen  Kupferstichen,  verb.  1718;  es  war  eine  Anzahl  von  Streit- 
schriften gegen  das  Buch  erschienen  (Meizi  1,  337;  2,  105).  —  Die 
zu  Palermo  gedruckten  Panegirici  di  diversi  santi  des  Capuciners 
Feiice  Brandimarte  scheinen  auf  Betreiben  eines  französischen  Con- 


Schriften  über  Heilige.  Heiligenbilder.  2^7 

sultore  der  Index-Congr.  (1678)  verb.  worden  zn  sein,  der  sich  über 
die  Aasfälle  gegen  die  Franzosen  ärgerte,  aber  auch  auf  eine  Stelle 
hinweisen  konnte,  wo  der  Capuciner  den  h.  Benedict  als  Mit-ErlÖser 
des  Abendlandes  neben  Christus  stellt  (Michaud  3,  231).  —  Eine 
Centaria  di  lettere  del  glorioso  Patriarcha  San  Francesco  da  Paolo, 
fondatore  dell'  Ordine  de'  Minimi,  herausgegeben  von  dem  General 
des  Ordens,  Franc,  da  Longobardi,  und  gedruckt  zu  Rom  1655, 
4.,  wurde  1659  verb.  mit  der  Motivirung:  cum  multa  falsa  et  apo- 
crypha  contineat;  mit  derselben  Motivirung  eine  Scelta  di  lettere 
.  .  .,  Viterbo  1657,  erst  1703.  —  Lettere  di  S.  Antonio  di  Padova, 
raccolte  da'  suoi  divoti  sermoni  da  Nie.  Graffio,  verb.  1651.  Da- 
zu kommen  noch  eine  Informazione  über  „falsche  Erscheinungen 
und  Wunder"  und  mehrere  aus  der  Nota  (S.  38)  entnommene  Schrift- 
chen unter  Historia,  Leggenda,  Vita.  —  Als  eine  der  wenigen  nicht 
italienischen  Schriften  ist  noch  zu  erwähnen  Thomas  Messingham, 
Florilegium  insulae  sanctorum  seu  vitae  et  acta  sanctorum  Hiber- 
niae,  Par.  1624,  mit  d.  c.  verb.  1634. 

Historia  sagra  di  Santa  Veneranda  Parasceve,  cittadina  di 
Sezza,  dal  P.  M.  Filippo  Ciammaricone,  Min.  Convent,  Ronsi- 
glione  1706,  verb.  1709,  nisi  corrigatur  epistola  ad  academicos  Seti- 
nos.  An  der  Heiligen  selbst  scheint  man  also  keinen  Anstoss  ge- 
nommen zu  haben,  obschon  es  sehr  bedenklich  klingt,  wenn  Toppi 
p.  286  von  einem  Carmeliter  Simone  dello  Spirito  santo  eine  zu 
Neapel  1656  erschienene  Vita  di  S.  Veneranda,  detta  dal  volgo  S. 
Venera,  dai  greci  ayia  flaouaHsvi]  verzeichnet  und  dabei  die  S.  Pa- 
rasceve als  virgine  martire  e  predicatrice  evangelica,  contemporanea 
dei  santi  apostoli  bezeichnet,  deren  Fest  am  14.  Nov.,  von  den 
Griechen  26.  Juli  gefeiert  werde  ^).  Im  Martyrologium  Rom.  steht 
am  14.  Nov.  eine  S.  Veneranda,  die  unter  Antoninus  in  Gallien  als 
Martyrin  gestorben.  —  Von  der  Vita  S.  Rusinae  seu  Rosanae  filiae 
Austeri  Romanorum  regis  verfügte  die  Index-Congr.  1661:  expun- 
gatnr  a  quocunque  libro  ubi  impressa  reperitur;  bei  Ben.  ist  dieses 
weggelassen,  so  dass  der  Schein  entsteht,  als  ob  ein  bestimmtes 
Buch  mit  jenem  Titel  verb.  wäre.  Die  Legende  wird  aus  einer 
Sacra  Rappresentazione  des  15.  Jahrb.  stammen,  worin  eine  Rosana, 
Tochter  des  Königs  Austero  von  Rom,  vorkommt;  das  ist  aber 
eine  dramatische  Bearbeitung  der  Liebesgeschichte  von  Flor  et 
Blancheflor^). 

1633  wurde  verb.:  Sanctificatio  S.  Joseph,  sponsi  Virginis,  in 


1)  In  seinem  Commentar  zu  dem  63.  Canun  der  Trullanischen  Synode 
von  692,  in  welcbem  erdichtete  Martyrergeschichten  verboten  werden, 
berichtet  Balsamon,  1148  habe  der  Patriarch  Nicolaus  eine  alberne  Vita 
der  h.  Parasceve  verbrennen  lassen  und  einen  befähigten  Mann  mit  der 
Abfassung  einer  bessern  beauftragt.  —  Eine  im  Giern,  eccl.  11,  111  ge- 
lobte Vita  di  S.  Veneranda  von  dem  dalmatinischen  Canonicus  Paulovich 
Lucich,  Ven.  1795,  erinnert  an  das  Leben  der  h.  Philumena;  Deutscher 
Merkur  1684,  217. 

2)  Symonds,  Renaissance.  Ital.  Lit.  III,  862. 


US  Schriften  über  fieilige.  tieiligenbilder. 

utero  asserta  auth.  Petro  Marchant,  0.  Min.,  Brugia  1631.  Jetzt 
werden  solche  Bücher  nicht  mehr  verboten.  Der  Redemtorist  Bouvy 
hat  1809  dieselbe  Ansicht  vertheidigt  und  der  Bischof  Laurent  in 
seinen  gedruckten  Predigten  behauptet,  die  Reinigung  des  h.  Joseph 
im  Mutterleibe  werde  mit  vollem  Recht  von  den  h.  Vätern  ange- 
nommen (Bouvy  gesteht  doch  noch,  dass  kein  Schriftsteller  vor  1400 
etwas  davon  sage),  leuchte  allen  Frommen  von  selbst  ein,  ja  ver- 
stehe sich  von  selbst^).  —  1661  wurde  mit  d.  c.  verboten:  Jose- 
phina Lucernensis,  in  qua  Lucernae  Helvetiorum  S.  Joseph,  vir 
Mariae  .  .  .  centum  elogiis  illustratur  atque  propugnatur  praeside 
Jacobo  Reiss,  Constanz  1658.  Die  Index-Congr.  erklärte,  wenn  21 
von  den  100  Elogia  und  die  ganze  am  Ende  des  Buches  stehende 
Quaestio  singularis  weggelassen  würden,  dürfe  es  neu  gedruckt 
werden  (Catalani,  Secr.  Ind.  p.  30).  —  La  famille  chr^tienne  sous 
la  conduite  de  St.  Joseph,  Paris  1644,  verb.  1671,  wurde  von  der 
Sorbonne  schon  1644  censurirt  (Arg.  III  a  53),  weniger  wegen 
einiger  Ueberschwenglichkeiten  zu  Ehren  des  h.  Joseph,  als  wegen 
mancher  Satze  über  Ehe  und  Cölibat  u.  dgl.  Als  Verfasser  gilt 
AI.  Colas  de  Portmoran.  —  1683  wurde  verb.:  Gabr.  de  S.  Maria, 
Tractado  de  las  siete  misas  del  Sefior  S.  Joseph  en  reverencia  de 
sus  siete  dolores  e  siete  gozos,  Cadiz  1670  (nicht  im  span.  Index). 
Pius  IX.  hat  1847  für  die  Verehrung  der  sieben  Schmerzen  und 
Freuden  des  h.  Joseph  einen  Ablass  verliehen    (Schneider  S.  297). 

—  Andere  auf  den  h.  Joseph  bezügliche  Schriften  stehen  unter  In- 
stitution, Manuale  und  Pastrana,  in  der  Raccolta  unter  Stellario. 

Im  J.  1666  (Alex.  No.  80)  wurden  verb.  libelli  quidam  con- 
tinenles  particularem  cultum  B.  Annae:  Orationi  quotidiane  da 
recitarsi  ad  onore  delle  grandezze  di  S.  Anna,  madre  della  madre 
di  Dio,  —  Ristretto  prattico  delle  devotioni  da  farsi  alla  glo- 
riosa  S.  Anna,  madre  della  gran  madre  di  Dio  et  ava  del  nostro 
signor  Giesü  Christo,  —  Rosario  della  glor.  S.  Anna,  in  cui  si 
da  il  modo  di  contemplare  e  riverire  i  principali  misteri  della  sua 
vita,  ad  imitatione  della  B.  Vergine  sua  figlia  (dieser  Rosenkranz 
wurde  auch  von  der  Riten-Congr.  1678  verboten,  desgleichen  ein 
Bild  der  h.  Anna  mit  einem  Ave  gratia  plena  beginnenden  Gebete). 

—  Von  1667  an  wurde  dann  noch  eine  ganze  Reihe  von  Schriften  über 
die  h.  Anna  verboten.  Manche  derselben  stehen  in  dem  Index  von 
1681  unter  Libelli  quidam  continentes  particularem  cultum  B.  Annae, 
noch  mehr  in  der  Raccolta  s.  v.  Anna  zusammen.  Seit  Ben.  stehen 
sie  im  Index  zerstreut  unter  Devozione,  Devotioni  (vier  unter  diesem 
Titel,  davon  drei  in  Neapel  erschienen),  Instruttione  und  unter  den 
Namen  der  Verfasser,  G.  B.  Magnante,  Girol.  Meazza  (Theatiner), 
Fra  Massimo  da  Monza.  —  Einige  andere  verdienen  eine  specielle 
Erwähnung.  1667  wurde  mit  d.  c.  verb.  Mater  honorificata  S.  Anna 
s.  de  laudibus,  excellentiis  ac  praerogativis  Divne  Annae,  op.  et 
studio  R.  P.  Jo.  Thomae  a  S.  Cyrillo.     Auf  den  Antrag  der  Car- 


1)  ReuHch,  Die  deutschen  Bischöfe  S.  103.  107. 


S.  Joseph.     S.  Anna.  229 

meliter  gestattete  die  Index-Congr.  1668,  um  die  Kosten  eines 
Neudmcks  des  ganzen  Baches  zu  vermeiden,  die  Correctio  auf  einem 
besondern  Blatte  zu  drucken  und  beizubinden  und  auf  dem  Titel- 
blatte beizufügen:  cum  correctione  per  S.  Congr.  Ind.  ordinata 
(A.  J.  P.  2,  2640;  im  Index  wird  nichts  davon  gesagt).  Oswald, 
Mariologie  S.  70  sagt,  das  Buch  sei  nicht  sowohl  darum  verboten 
worden,  weil  der  Verfasser  Anna  Grossmutter  Gottes  genannt,  als 
vielmehr  weil  er  andere  Cruditäten  vorgebracht  und  Anna  als 
Schwiegermutter  des  h.  Geistes  bezeichnet  habe.  Aber  1673  ver- 
bot, wie  in  der  Raccolta  s.  v.  Anna  angegeben  wird,  der  Mag.  8. 
Pal.  alle  Bücher,  Zettel  und  Gebete,  in  welchen  Anna  als  Gross- 
mutter (ava  oder  progenitrice)  Christi  oder  als  nächste  Blutsver- 
wandte der  göttlichen  Majestät  nächst  der  h.  Jungfrau  (la  piüi  stretta 
di  sangue  eolla  Maest^  divina  etc.)  oder  Christus  als  £nkel  der 
h.  Anna  bezeichnet  werde;  schon  1666  war  das  Ristretto,  in  welchem 
ava  di  Gesü  Christo  vorkommt,  verb.  und  1678  wurde  eine  Kaccolta 
mit  derselben  Bezeichnung  verb.  —  Der  Jesuit  Petrus  Ant.  Spinelli 
hatte  in  dem  Buche  Maria  Deipara  thronus  Dei,  Neapel  1613,  be- 
hauptet, Anna  und  Joachim  seien  im  Mutterleibe  geheiligt  worden; 
Jac.  Imperiali  lehrte  in  einem  zu  Rom  gedruckten  Buche,  Anna 
habe  Maria  ohne  Verletzung  der  Jungfrauschaft  empfangen,  und 
gründete  eine  Bruderschaft  zu  Ehren  der  B.  Anna  Virgo  et  Mater 
Matris  Dei.  Ein  anderer  Jesuit  in  Neapel  vertheidigte  dieselbe 
Ansicht  in  einer  kleinen  Schrift,  und  ein  dritter  forderte  in  einer 
Predigt  auf,  am  Feste  der  h.  Anna  zu  communiciren,  weil  man  im 
Abendmahle  das  Fleisch  der  h.  Anna  empfange.  Die  Inquisition 
zu  Neapel  censurirte  die  Meinung,  die  Predigt  und  die  Schrift  und 
bestrafte  den  Drucker^).  Ob  mit  dieser  Geschichte  das  Verbot 
einiger  in  Neapel  erschienenen  Schriften  (s.  o.)  zusammenhängt,  er- 
hellt nicht. 


35.     Mariologie. 

In  den  Decreta  ^eneralia  werden  II,  4  alle  nach  dem  J. 
1617  gedruckten  Schriften  verboten,  in  denen  behauptet  werde, 
Maria  sei  in  der  Erbsünde  empfangen,  oder  in  denen  gesagt 
werde,  diejenigen,  welche  meinten,  sie  sei  in  der  Erbsünde  em- 
pfangen, seien  Ketzer  und  Gottlose  (impii)  oder  begingen  eine 
Todsünde.  Dieses  Verbot  stand  schon  seit  Alexander  VII.  im 
Index  (unter  Libri)  und  ist  aus  einer  Bulle  dieses  Papstes  vom 


1)  Arg.  III  b  326.    Thiers,    Tr.  des  Superst  2,  265.    Nach  A.  J.  P. 
19,  661  wurde  die  Ansicht  des  Imperiali  1677  verdammt. 


280  Mariologie. 

3.  Dec.  1661  entnommen.  1617  hatte  Paul  V.  durch  die  Inqui- 
sition die  Aufstellung  jener  Behauptung  in  Predigten,  Vorlesungen, 
Thesen  u.  s.  w.  verbieten,  zugleich  aber  erklären  lassen,  da- 
mit solle  der  fraglichen  Ansicht  nicht  präjudicirt  werden.  Wenn 
auch  eine  Reihe  von  Büchern,  in  denen  die  Lehre  von  der  Im- 
maculata Conceptio  vertheidigt  wird,  im  Index  steht,  so  hat 
das  seinen  Grund  in  Missgriffen,  Uebertreibungen,  Incorrectheiten, 
Verketzerung  der  Gegner  und  dergleichen  Dingen,  welche  von 
den  Dominicanern  bei  der  Inquisition  oder  der  Index-Congrega- 
tion  geltend  gemacht  wurden.  Wegen  arger,  zum  Theil  sehr 
arger  Uebertreibungen,  Verirrungen  und  Geschmacklosigkeiten 
wurden  auch  mehrere  andere  mariologische  Werke  verboten, 
—  von  den  schlimmsten,  denen  von  Maria  von  Agreda  und  J. 
B.  Poza  ist  anderswo  die  Rede,  —  desgleichen  eine  Anzahl 
von  Bruderschaften  mit  ihren  Schriften,  Zetteln  und  Medaillen, 
von  denen  zwei,  die  der  Sciaven  der  Mutter  Gottes  und  die 
der  Heerde  des  guten  Hirten,  auch  in  den  Decr.  gen.  III,  3.  4 
erwähnt  werden.  Von  den  im  Index  stehenden  Schriften  gegen 
die  Uebertreibungen  der  Marienverehrung  wird  später  zu  handeln 
sein. 

1.  Das  Baseler  Concil  hatte  1439  decretirt,  die  Lehre  von 
der  unbefleckten  fimpfängniss  sei  eine  von  allen  Katholiken  festza- 
haltende.  Dem  entsprechend  beschloss  die  Sorbonne  1497,  dass 
jeder  Doctorandus  eidlich  zu  geloben  habe,  diese  Ansicht  zu  ver- 
theidigen  (die  Erklärung,  dass  die  entgegengesetzte  falsch,  gottlos 
und  irrig  sei,  wurde  später  beseitigt).  In  Rom  wurde  natürlich  das 
Baseler  Decret  nicht  anerkannt,  aber  Sixtus  IV.  verdammte  1483 
in  einer  Bulle  die  Behauptung,  die  Lehre  von  der  Imm.  Gonc.  sei 
ketzerisch  und  die  Feier  des  Festes  derselben  sündhaft,  verbot  aber 
zugleich  auch,  die  entgegengesetzte  Lehre  als  ketzerisch  zu  bezeichnen. 
Jene  Behauptung  hatte  der  Dominicaner  Vincentius  de  Bandeiis 
(Bandellus)  in  dem  Tractatus  de  singulari  pnritate  et  praerogativa 
conceptionis  Salvatoris  nostri  J.  C.  ex  auctoritatibus  260  scriptorum 
illustrium,  ed.  per  Fr.  Yincentium  de  Castronovo  0.  P.,  Bononiae 
1481,  4.,  ausgesprochen.  Der  Tractat  war  vorher,  1475,  zu  Mailand 
anonym  als  Libellus  recollectorias  de  veritate  conceptionis  B.  M. 
erschienen.  Er  wurde  1502  neu  herausgegeben  (angeblich  von  dem 
Dominicaner  Didacus  de  Deza,  Qu^tif  2,  52),  auch  Mailand  1512^). 


1)  Auch  von  J.  R.  Wetstein  s.  1.  et  a.  (Clement  2,  396).  Man  be- 
schuldigte Bandellus,  er  habe  eine  Aeusserung  der  Catharina  von  Siena 
zu  seinen  Gunsteu  gefälscht  (Quetif.  2,  834).  Anderen  Dominicaneni  sind 


ImniHCulata  Couceptiü.  231 

—  Paul III.  Hess,  als  das  Gerächt  ging,  es  solle  in  Trient  über  die  Con* 
troverae  verhandelt  werden,  einen  Tractat  gegen  die  Dogmatisirung 
der  Lehre,  den  Joh.  de  Turrecremata  zu  Basel  im  Auftrage  der  päpst- 
lichen Legaten  geschrieben,  der  aber  in  Basel  nicht  mehr  vorgelegt 
worden  war,  durch  den  Mag.  S.  Pal.  Barth.  Spina  (und  den  Domi- 
nicaner Albertus  Duimius)  herausgegeben^).  Die  Trienter  Synode 
erklärte  1546  Sess.  5.  nur :  es  sei  nicht  ihre  Absicht,  in  dem  De- 
crete  über  die  Erbsünde  Maria  mit  einzuschliessen;  sie  erneuere 
vielmehr  die  Verordnung  Sixtus'  IV.  Pius  V.  fügte  dieser  Bestim- 
mung 1570  das  Verbot  bei,  die  Controverse  in  Predigten  und  in 
öffentlichen  Zusammenkünften  von  Männern  und  Frauen  zu  erörtern 
und  sonst  die  eine  oder  die  andere  Ansicht  als  irrig  zu  bezeichnen^). 
Auch  Paul  V.  schärfte  in  einer  Bulle  vom  J.  1616  nur  die  Ver- 
ordnung Sixttts'  IV.  ein,  Hess  aber  durch  ein  Decret  der  Inquisition 
vom  31.  Aug.  1617  verbieten,  in  Predigten,  Vorlesungen,  Thesen 
u.  dgl.  zu  behaupten,  die  h.  Jungfrau  sei  in  Sünde  empfangen,  dabei 
aber  erklären,  dieser  letztern  Ansicht  solle  damit  nicht  präjudioirt 
werden.  Wie  Paul  V.  von  Philipp  III.,  so  wurde  Gregor  XV.  von 
Philipp  IV.  gedrängt,  die  Controverse  zu  entscheiden;  er  liess  durch 
ein  Decret  der  Inq.  vom  24.  Mai  1622  das  Verbot  Pauls  V.  auch 
auf  Privatgespräche  ausdehnen,  nahm  aber  davon  diejenigen  aus, 
welche  von  dem  apostolischen  Stuhle  ein  Indult  hätten,  die  Domi- 
nicaner, welche  unter  sich,  aber  nicht  in  Gegenwart  anderer,  ihre 
Ordensansicht  aussprechen  durften.  Zugleich  bestimmte  er  aber, 
diejenigen,  welche  die  Imm.  Conc.  Öffentlich  vertheidigten,  sollten 
die  entgegengesetzte  Ansicht  nicht  bekämpfen,  sondern  darüber 
schweigen,  und  in  der  Messe  und  dem  Officium  von  der  Conceptio 
Mariae  —  ein  solches,  von  Leonardus  de  Nogarolis  verfasst,  hatte 
schon  Sixtus  IV.  1476  approbirt,  Paul  V.  hatte  ein  anderes  in  das 
Brevier  aufgenommen,  —  dürfe  nicht  Conc.  Immaculata  (allenfalls 
aber  Conceptio  Mariae  immaculatae)  gesagt  werden. 

Alexander  VII.  sagt  in  der  Bulle    vom  3.  Dec.  1661:    Vetus 


Fälschungen  in  den  Schriften  des  Thomas  von  Aquin  Schuld  gegeben 
worden  (Raynaud,  Apop.  49.  Vgl.  Scheeben,  Dogm.  3,  553).  Im  Sacro 
Arsenale  von  1679  p.  499  wird  verordnet,  in  dem  Off.  de  Conc.  überall 
den  angeblichen  A usspruch  des  h.  Anselm  zu  streichen:  Non  est  verus  ama- 
tor  qui  celebrare  respuit  festum  suae  conceptionis.  —  lieber  einen  Streit 
über  die  Imm.  Conc.  in  Leipzig  im  J.  1489  s.  U.  N.  1718,  371. 

1)  Tractatus  de  veritate  conceptionis  B.  V.  pro  facienda  relatione 
coram  Patribus  Conc.  Bas.  a.  D.  1437  mense  Julio  de  mandato  Sedis  Apost. 
Legatorum  eidem  concilio  praesidentiura,  per  R.  P.  F.  Jo.  de  Turrecre- 
mata S.  T.  P.  Ord.  Praed.,  tunc  8.  Apost.  Pal.  Mag.,  postea  S.  R.  E.  Card. 
Episc.  Sabin.,  Romae  1547  (neu  herausgegeben  von  £.  B.  Pusey).  Bened. 
XIV.  De  festis  2,  15,  10.    Pusey,  Kirenicon  II,  72.  428. 

2)  Wenn  Pius  V.  unter  den  Sätzen  des  M.  Bajus  auch  (No.  73)  den 
verdammte:  „Niemand  als  Christus  ist  ohne  Erbsünde;  also  ist  die  h.  Jung- 
frau wegen  der  von  Adam  ererbten  Sünde  gestorben  und  alle  ihre  wie 
auch  der  übrigen  Heiligen  irdische  Leiden  waren  Strafen  einer  wirklichen 
oder  der  Erbsünde,"  so  wollte  er  damit  die  Controverse  nicht  berühren. 


232  Mariologie. 

est  ChriHti  fidelium  erga  B.  V.  M.  pietas  sentientium,  ejus  animam 
.  .  .  a  macula  peccati  originaliß  praeservatam  immunem,  atqne  in 
hoc  sensu  ejus  Conceptionis  festivitatem  celebrantium.  .  .  Aucta  et 
propagata  fuit  pietas  haec  et  cultus  ...  ita  ut  jam  fere  omnes 
catholici  eam  complectantur.  £r  erneuert  dann  aber  nur  die  von 
früheren  Päpsten  zu  Gunsten  jener  Ansicht  erlassenen  Decrete  und 
verbietet,  diejenigen,  welche  die  entgegengesetzte  Ansicht  festhielten, 
der  Ketzerei  oder  der  Todsünde  zu  beschuldigen,  da  dieses  von  der 
Römischen  Kirche  und  dem  apostolischen  Stuhle  noch  nicht  entschie- 
den sei.  Clemens  XI.  schrieb  1708  die  Feier  des  Festum  Concep- 
tionis B.  M.  V.  Immaculatae  allgemein  vor,  Hess  aber  ein^n  Abdruck 
der  Bulle,  worin  Festum  Immaculatae  Conceptionis  B.  M.  V.  gesetzt 
war,  confisciren  ^).  Erst  Gregor  XVI.  hat  erlaubt  in  der  Messe 
Immaculata  Conceptio  zu  sagen  und  der  Lauretanischen  Litanie  Re- 
gina sine  labe  original!  concepta  beizufügen.  1854  ist  dann  die  Lehre 
von  der  Imm.  Conc.  von  Pius  IX.  zum  Dogma  erhoben  worden.  Son- 
derbarer Weise  steht  aber  das  Decr.  gen.  II,  2  auch  noch  in  den 
nach  1854  erschienenen  Indices;  nur  ist  in  dem  neuesten  hinter 
den  Decr.  gen.  und  anderen  Monita  die  Declaratio  beigefügt:  Wie- 
wohl, nachdem  8.  Dec.  1854  das  Dogma  von  der  Imm.  Conc.  definirt 
worden,  einige  Werke,  die  darüber  handeln  und  in  den  Index  gesetzt 
worden  sind,  daraus  hätten  entfernt  werden  müssen,  so  hat  man  doch 
in  dieser  Hinsicht  nichts  ändern  wollen,  weil  diese  Werke  auch  um 
anderer  Gründe  willen  verboten  worden  sind;  darum  wird  erklärt, 
dass  dieselben  aus  dem  Grunde,  dass  ßie  auf  die  Imm.  Conc.  Bezug 
haben  und  diese  vertheidigen,  keinem  Verbote  unterliegen. 

Unter  den  Orden  standen  seit  dem  Anfange  des  17.  Jahrb. 
die  Dominicaner  mit  der  Ansicht  von  der  befleckten  Empfängniss 
allein.  Einer  der  bedeutendsten  älteren  Theologen  des  Jesuiten- 
ordens, Maldonado,  hatte  um  1570  den  Eid  der  Sorbonne  getadelt 
und  war  dafür  in  Rom  denuncirt  worden  (I  S.  450).  Aber  nach  dem 
Streite  de  auxiliis  traten  die  Jesuiten  in  corpore  auch  bezüglich  der 
Imm.  Conc.  als  Gegner  der  Dominicaner  auf   (Serry,  Hist.  p.  635). 

Der  Jesuit  J.  B.  Faure  erhebt  gegen  die  Dominicaner  in  seinem 
Commentarium  (I  S.  177)  p.  213  folgende  Anklage:  Der  Domini- 
caner Barth.  Spina,  Mag.  S.  P.  unter  Paul  III.  schrieb  gegen  die 
Imm.  Conc.  (1542),  der  Franciscaner  Petrus  de  Alva  dafür  (1655); 
dieser  steht  im  Index,  jener  nicht,  obschon  er  z.  B.  sagt:  „Wenn 
der  Papst  Schweigen  geböte,  so  wäre  er  nicht  mehr  Papst  oder 
Statthalter  Christi  .  .  .  Die  Dominicaner  können  unbeschadet  des 
Decretes  Sixtus'  V.  die  Meinung  von  der  Imm.  Conc.  als  ketzerisch 
bekämpfen**.  Diese  und  andere  Stellen  wurden  von  den  spanischen 
Gesandtschaften,  die  unter  Paul  V.,  Gregor  XV.,  ürban  VIII., 
Innocenz  X.,  Alexander  VII.  nach  Rom  kamen,  vorgelegt,  das  Buch 
aber  nicht  verboten.     Es  ist  5  —  6  mal    gedruckt  worden    [aber  nur 


;      1)  Bened.  XIV.  De  festis  2,   15,  15.  22.  23.    üeber  die  älteren  Mia- 
salien  und  Breviere  s.  Pusey,  Eirenicon  II,  370. 


Immaculata  Conceptio.  288 

vor  1617],  —  Alexander  VII.  befahl  auf  den  Titel  des  Baches  des 
Jesuiten  Martin  de  Esparza  Immaculata  Conceptio  zu  setzen.  Darauf 
verweigerte  der  Mag.  S.  P.  die  Approbation  mit  den  Worten:  Wenn 
der  Papst  das  kraft  seiner  höchsten  Gewalt  befiehlt,  mag  er  auch 
die  Veröfi'entlichung  des  Buches  befehlen;  meine  Approbation  nach- 
zusuchen, ist  dann  nicht  mehr  nöthig  [das  Buch  erschien  1655  zu 
Rom  mit  dem  Titel  Immaculata  Conc.  B.  M.  V.  deducta  ex  origine 
peccati  originalis;  Hurter,  Nom.  2,  3].  —  1646  wurden  in  Rom 
Exemplare  eines  angeblichen  Decretes  der  Inq.  vom  J.  1644  ver- 
breitet, worin  gesagt  war,  es  dürfe  nur  Conceptio  B.  M.  V.  imma- 
culatae,  nicht  immaculata  gesagt  werden,  und  darauf  hin  befahl  der 
Mag.  S.  P.,  jene  Formel  auf  Bildern  und  Bücbertiteln  zu  corrigiren. 
Die  Franciscaner  und  die  Spanier  beklagten  sich  darüber,  und  Philipp 

IV.  erwirkte  die  Cassirung  des  Decretes.  Franciscaner  und  Jesuiten  be- 
haupteten, dasselbe  sei  erschlichen  oder  gefälscht.  Die  Dominicaner  ge- 
standen endlich,  das  Decret  sei  nur  aus  einer  bestimmten  Veranlassung 
für  Bologna  erlassen.  Der  Jesuit  Consalvi,  der  in  Sachen  der  Imm. 
Conc.  von  Philipp  IV.  nach  Rom  gesandt  war,  verlangte  eine  au- 
thentische Abschrift;  das  Decret  war  aber  weder  in  Bologna  noch 
in  Rom  im  Archiv  zu  finden.  (Etwas  ähnliches  berichtet  Raynaud, 
Apop.  p.  63.)  In  der  Sache  der  Imm.  Conc.  sind  die  Dominicaner 
Partei  und  Richter  zugleich,  und  zwar  bei  einem  Gerichte,  welches 
ganz  heimlich  verhandelt.  Sie  erfahren,  was  die  Franciscaner  und 
Jesuiten  thuen  und  lehren ;  diese  aber  erfahren  nicht,  was  die 
Dominicaner  dem  Papste  und  den  Cardinälen  ins  Ohr  flüstern. 
Spanien  hat  schon  wenigstens  zwölf  Gesandtschaften  in  dieser  An- 
gelegenheit nach  Rom  geschickt.  Unter  Alexander  VII.  verlangte 
der  spanische  Gesandte,  die  Dominicaner  sollten  von  den  Verhand- 
lungen ausgeschlossen  werden;  man  hiess  sie  gehen;  der  Papst  be- 
rieth  mit  den  Cardinälen  und  liess  einen  Prälaten  als  Secretär  fun- 
giren,  und  in  acht  Tagen  war  die  Bulle  fertig.  —  Faure  hätte  noch 
beifügen  können,  dass  1 649  der  Tractat  des  Petrus  de  Vincentia  de 
conceptu  Virginis  neu  herausgegeben  wurde,  angeblich  von  dem  Do- 
minicaner Antonius  Reginaldus,  der  in  Folge  des  dadurch  entstan- 
denen Lärms  Rom  verliess,  aber  1652  zurückkehrte  (Qu6tif  2,  662). 
--  Ein  Buch  des  Dominicaners  Job.  Martinez  de  Prado,  l^otitia 
veridica  scriptorum  Ordinis  Praed.  de  praeservatione  Deiparae  im- 
maculatae  V.  M.  a  peccato  originali.  Liber  I.  praevius,  quasi  histo- 
ricus  de  statu  controversiae.  Deest  alter  scholasticus  edendus,  si 
nobis  a  S.  Sede  Apost.  fuerit  specialiter  indultum,  Alcala  1661, 
worin  namentlich  gezeigt  werden  soll,  dass  die  Lehre  des  h.  Thomas 
noch  nicht  verworfen  sei,  steht  im  span.,  aber  nicht  im  Rom.  Index. 
Prado  schrieb  auch  1662  eine  Denkschrift  für  Philipp  IV.  circa 
legem  concionatoribus  in  Hispania  impositam  de  laudanda  initio  ser- 
monis  Virginem  conceptam  sine  pecc.  orig.  Er  wurde  von  Philipp  IV. 
verbannt  (Qu6tif  2,  624).  Das  einzige  Buch  eines  Dominicaners, 
welches  wegen  der  Imm.  Conc.  verb.  wurde,  ist  das  von  Leonardi 
(S.  85).     Die  1676   erschienenen  Praescriptiones  de  conceptu  B.  M. 

V.  von  Launoy,  von  dem  sonst  so  viele  Bücher  verb.  sind,  und  die 


234 


Mariulogic. 


Dissertation  theol.  et  bist,  snr  ]a  Conception  de  la  S.  Y.,  1756, 
210  S.  12.,  worin  die  Lehre  direct  bekämpft  wird  (N.  E.  1778, 
195),  steben  nicbt  im  Index. 

Das  erste  grössere  Bucb  zu  Gunsten  der  Imm.  Conc,  welcbes 
verboten  wurde,  ist  das  des  italieniscben  Capuciners  Jo.  Maria  Za- 
morus  (Zamora),  De  eminentissimae  Deiparae  V.  M.  perfectione  IL 
3,  Ven.  1629,  Fol.,  verb.  1636.  Raynaud,  Apop.  p.  171  sagt,  es  sei 
verboten  worden,  weil  darin  die  immunitas  B.  M.  V.  a  debito 
peccati  orig.  gelehrt  werde  (Scbeeben,  Dogni.  3,  533),  und  rübmt 
die  span.  Inq.,  welche  nicbt  nur  das  Bucb  nicht  verboten,  sondern 
jene  Lebre  (bei  Poza)  gut  geheissen  habe.  —  Gleichzeitig  wurde 
verb.  Maria  concetta.  Poema  sacro  dell'  Abate  Gio.  Carlo  Coppola, 
Flor.  1635.  Der  Poet  wurde  1643  Bischof  von  Muro  und  liess  zu 
Neapel  1649  sein  Poema  nochmals  corretto  dall*  autor  medesimo 
drucken  (Nicodemi-Toppi  p.  121).  Im  Index  wird  von  dieser  Aus- 
gabe keine  Notiz  genommen. 

Die  fruchtbarsten  Schriftsteller  auf  diesem  Gebiete  waren  der 
spanische  Franoiscaner  Pedro  de  Alva  y  Astorga,  f  1667,  und  der 
Italiener  Hippolytus  Marracci  aus  der  Congr.  Cler.  Reg.  Matris 
Dei,  1 1675.  Von  Alva  wurden,  da  er  auch  „unpassende  Waffen  ge- 
brauchte und  die  Gegner,  namentlich  die  Dominicaner  zu  hart  an- 
griff** (Hurter  2,  12),  1665  einige  Bücher  verb.:  Nodus  indissolu- 
bilis  de  conceptu  mentis  et  conceptu  ventris  (Brux.  1661)  seu  sub 
alio  titulo:  Funiculi  nodi  ind.  .  .  .  ventris,  Brux.  1663,  4.,  die  2. 
Ausgabe  jenes  Buches^).  —  Sol  veritatis  cum  ventilabro  seraphico 
pro  Candida  aurora  Maria  in  suo  conceptionis  ortu  sancta,  pura,  im- 
raaculata  et  a  pecc.  orig.  praeservata,  Madrid  1660,  Fol.  —  Von 
Marracci's  mehr  als  100  Büchern  (Hurter  2,  25)  wurden  1667  verb.: 
Alloquutiones  pacificae  pro  immac.  Deiparae  Virginis  conceptione; 
£xcusatio  pro  libello  praenotato:  Fides  Cajetana,  ac  pro  opere:  Ca- 
jetanus  triumphatus  ac  triumphator  in  controversia  Conceptionis  B. 
M.  V.;  Magister  a  discipulo  edoctus  in  causa  Conc.  B.  M.  V.;  Me- 
ditamenta  circa  bullam  Alexandri  VII.  in  favorem  Deiparae  virginis 
ab  orig.  pecc.  praeservatae  editam.  —  Alva  und  Marracci  polemi- 
sirten  auch  sonst  scharf  gegen  die  Dominicaner;  letzterer  wurde  eine 
Zeit  lang  in  Rom  in  Haft  gesetzt,  weil  er  ein  Buch  gegen  die  Do- 
minicaner durch  Alva  in  Brüssel  hatte  zum  Druck  besorgen  lassen 
(V.  Baron,  Apol.  I). 

1677  wurde  verb.  Balduini  Helenoccei,  Doctoris  Theologi, 
Vera  ao  sincera  sententia  de  imm.  Conc.  Deiparae  Virginis  ejusdem- 
que  cultus  festivi  objectis,  in  qua  ad  trutinam  buUarum  Apost. 
Sedis  appenditur  et  examinatur  Synopsis  bist,  de  eadem  conceptione 
F.  Marcelli   Siderei    Cyriaci,    opusculum    extemporaneum    lucidatum 


>ti' 


1)  Clement  1,  231.  Quctif.  2,  765.  789,  wo  auch  die  Gegenschriften 
verzeichnet  sind.  —  Baillet  I,  146  sagt,  Alva  sei  le  jouet  des  Dominicains, 
la  confusion  des  Cordeliers  et  le  rebut  de  PEglise  geworden.  —  Er  schrieb 
auch  unter  dem  Namen  Petrus  a  Conceptione  und  Jo.  Garcia  de  Loaysa. 
Hurter  2,  13. 


Mariao  Himmelfahrt.  235 

sab  yelo  hominis  diaphano.  Cnm.  lic.  snp.,  Salisb.  1668,  4.,  mit  dem 
Zusätze:  qui  liber  etiam  sub  nomine  Jo.  Lud.  Schoenleben  Car- 
nioli  Labacensis  circumfertur^).  Schönleben,  geb.  zu  Laibach,  war 
bis  1651  Jesuit,  dann  Decan  zu  Laybach,  f  1681.  1679  wurde  von 
ihm  noch  verb. :  Palma  virginea  sive  Deiparae  V.  M.  de  adversariis 
suae  imm.  conceptionis  victoriae.  —  Steph.  Chiesa,  Epistolica 
Dissert.  scoti-thomistica  super  facti  quaestione,  utrum  Doctor  angelicus 
docnerit,  B.  Virginem  fuisse  immunem  a  pecc.  orig.,  Turin  1716, 
mit  d.  c.  verb.  1729.  —  Das  Buch  des  Jesuiten  Thomas  Strozzi, 
Controversia  della  Concezione  della  B.  Vergine  Maria  descritta  isto- 
ricamente,  Palermo  1700  (2.  Ed.  1703),  2  Fol.,  welches  von  Hurter 
2,  349  als  „weniger  kritisch"  bezeichnet  wird,  wurde  ohne  Zweifel 
wegen  der  Ausfälle  gegen  die  Dominicaner  (Faure  stützt  sich  bei 
der  oben  mitgetheiltea  Anklage  ausschliesslich  auf  Strozzi)  1704 
verb.  —  Im  span.  Index  steht  von  diesen  Büchern  keins,  aber  Alph. 
Sanchez  Zarzosa,  Thesaurus  Conceptionis  imm.  Y.  M.  Dei  genitricis, 
1631. 

Ausser  dem  Gedichte  von  Coppola  steht  noch  eine  Reihe  von 
anderen  Gedichten  im  Index:  Dialogo  per  musica  a  favore  deir 
imm.  Concezione  nel  primo  istante,  verb.  1680.  —  Quatre  sonnets 
k  Thonneur  de  la  tr^s-pure  et  tr^s-immacuUe  Conception  de  la  Vierge 
Marie,  par  le  Pore  Anne- Joachim  de  Jesus-Marie,  verb.  1686.  — 
La  gara  dell'  intelletto  e  della  volontä,  il  giudicio  della  sapienza 
e  la  vittoria  della  grazia,  da  cantarsi  nell'  accademia  de^  Signori 
Affidati  nella  cittä  di  Pavia  la  vigilia  deir  Imm.  Conc.  della  S. 
Vergine,  deir  accademico  Affidato  Concorde,  Pavia  1690,  verb.  1693. 
Der  Verfasser  ist  der  Principe  der  Academie,  der  Senator  Cesare 
Pagani.  —  Wahrscheinlich  hat  man  die  Verordnung  Pius'  V.,  dass 
die  Controverse  nicht  in  Predigten  oder  Versammlungen  von  Personen 
beider  Geschlechter  verhandelt  werden  solle,  auf  diese  Verse  ange- 
wendet. 

2.  Um  1670  wurde  die  Ansicht  von  der  leiblichen  Aufnahme 
Mariae  in  den  Himmel  Gegenstand  einer  Controverse.  In  der  Pariser 
Cathedrale  war  am  15.  Aug.  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrb.  aus  dem 
Martyrologium  des  Usuardus  ein  Passus  verlesen  worden,  worin  es 
heisst:  Corpus  (Mariae)  etsi  non  inveniatur  super  terram,  tamen 
£cclesia  ejus  memoriam  sie  festivam  agit,  ut  pro  conditione  camis 
eam  migrasse  non  dubitet;  quo  autem  illud  .  .  .  nutu  et  consilio 
divino  occultatum  sit,  plus  elegit  sobrietas  Ecclesiae  cum  pietate 
nescire  quam  aliquid  frivolum  et  apocryphum  inde  tenendo  docere. 
Seit  der  Mitte  des  16.  Jahrh.  war  dann  statt  dieses  Passus  eine 
Homilie  verlesen  worden,  welche  sich  an  die  Legende  anschloss. 
1668  beschloss  das  Capitel,  fortan  wieder  jene  Stelle  des  Usuardus 
vorlesen  zu  lassen.  Die  Canonici  Nie.  Ladvocat  Billiald  und  Jacob 
Gaudin  bekämpften  diesen  Beschluss,  der  Canonicus  J.  Claude  Joly 
vertheidigte  ihn.    Card.  Bona  correspondirte  darüber   1676  mit  Joly 


1)  ViUani,  Visiera  p.  63.  Backer  6,  621. 


286  Mariologie. 

und  deutete  an,  dass  er  der  allgemein  verbreiteten  Anschauung  ent- 
gegentrete^). Indess  kam  keine  von  Joly's  StreitBcliriften  in  den 
Index,  auch  nicht  J.  Boileau's  Observationes  adv.  Gaudini  1.  pro 
corpprea  SS.  Deiparae  assumptione  contra  Gl.  Jolium,  wohl  aber 
Launoy's  De  controversia  super  exscribendo  PariBiensis  Eccl.  mar- 
tyrologio  exorta  Judicium,  Lauduni  1671  (zuerst  1670,  Opp.  I,  1, 
84)  und  Diversi  generis  erratorum,  quae  in  Parthenicis  Nicolai  Bil- 
lialdi  vindiciis  [1672]  exstant,  1672,  verb.  1690  (gleichzeitig  mit 
vielen  anderen  Schriften  Launoy's  und  wohl  nicht  gerade  wegen  der 
Bestreitung  der  Legende).  Auch  eine  neue  Ausgabe  des  Pariser 
Breviers  wurde  in  Rom  1680 — 82  in  Untersuchung  genommen,  weil 
darin  das  Officium  Assumtionis  nach  üsuardus  geändert  war  (Michaud 
4,  290) ;  man  Hess  die  Sache  aber  fallen.  —  Ueber  denselben  Punkt 
entstand  nochmals  eine  Controverse,  als  der  Löwener  Professor 
P.  J.  Marant  eine  Discussio  bist.,  an  de  fide  sit  aut  saltem  ita  cer- 
tum  et  de  Ecclesiae  mente,  B.  Y.  M.  et  corpore  in  coelum  assnm- 
tam  esse,  ut  haereticum  sit  aut  saltem  temerarium  de  eo  coram  hi- 
storiae  eccl.  studiosis  modeste  inquirere,  Lov.  1 786,  283  S.  8,  trotz 
des  Abmahnens  des  Erzbischofs  und  des  Rectors  veröffentlichte^). 
—  Benedict  XIV.  De  festis  2,  8,  18  sagt:  die  leibliche  Assumtio 
Mariae  sei  eine  pia  et  probabilis  opinio,  die  zu  bestreiten  temerär 
sei,  aber  kein  Dogma;  die  dafür  angeführten  Bibelstellen  könnten 
anders  erklärt  werden,  nee  est  ejusmodi  traditio,  quae  satis  sit  ad 
evehendam  hanc  sententiam  ad  gradum  articulorum  fidei.  In  neuester 
Zeit  ivird  aber  die  Dogmatisation  der  Ansicht  betrieben,  und  Dom. 
Arnaldi,  Super  transitu  B.  M.,  Genua  1879,  hat  sogar  zu  beweisen 
versucht,  Maria  sei  gar  nicht  gestorben^). 

3.  Grossen  Lärm  erregte  es,  als  durch  ein  Edict  des  Mag.  S. 
P.  Capisucco  vom  17.  Febr.  1678  verb.  wurde:  Officio  dell'  Imma- 
colata  Concettione  della  Santissima  Yergine  nostra  Signora,  appro- 
vato  dal  Sommo  Pont.  Paolo  V.,  il  quäle  a  chi  devotamente  lo  re- 
citerä,  concede  indulgenza  di  cento  giomi,  [come  apparisce  nel  suo 
breve  dato  Roma,  3.  Luglio  1615],  in  Milano  per  Franc.  Yignone 
(es  handelt  sich  um  ein  lateinisches  Officium;  denn  es  wird  ange- 
geben, es  fange  an:  Ad  Matutinum.  Ave  Maria.  V.  Eja  mea  labia, 
nunc  annunciate,  und  schliesse  mit  der  Oration :  Dens  qui  per  imma- 
culatam  Yirginis  Conceptionem).  Das  Decret  ist  vollständig  abgedr. 
bei  Thiers,  Tr.  des  superst.  4,  144.  Das  Yerbot  wurde  vielfach  als 
ein  Yerbot  des  Officium  Imm.  Conceptionis  überhaupt  gedeutet,  als 
solches  von  den  „Jansenisten^^  in  Frankreich  und  den  Niederlanden 
eifrig  verbreitet,  von  den  Spaniern,  Franciscanern,  Jesuiten  u.  s.  w. 
sehr  übel  aufgenommen.  Der  Kaiser  Leopold  schrieb  darüber  an 
Innocenz  XI.    Dieser  antwortete  18.  Dec.  1678,  das  Schriftchen  sei 


1)  Jo.  Bonae  Epist  sei.  ed.  Sala  No.  169.  176.  183.  188.  Nat.  Alex. 
S.  2,  p.  1,  art.  3.    Harter  2,  413. 

2)  N.  E.  1786,  167;  1787,  41.  200.    Backer  6,  184. 

3)  Scheeben,    Dojirm.  3,    §   281.    Lit.    Rundschau    1883,   673.    Kath. 
1882,  1,  331. 


Officio  dell'  Immac.  Couc.  237 

verboten  worden,  weil  die  Angabe,  Paul  V.  habe  für  das  Officium 
einen  Ablass  verliehen,  unrichtig  sei  (in  dem  Beeret  der  Ablass* 
Congr.  vom  7.  März  1678  wird  dieser  Ablass  für  apokryph  erklärt), 
und  aus  anderen  Gründen;  das  Verbot  trefie  nicht  das  Officium, 
welches  seit  der  ältesten  Zeit  mit  Erlaubniss  des  h.  Stuhles  in  der 
Kirche  recitirt  werde;  der  Nuncius  werde  mündlich  eingehender 
antworten.  Die  „anderen  Gründe"  scheinen  Abweichungen  des  be- 
treffenden Officiums  von  dem  in  Kom  approbirten  gewesen  zu  sein, 
namentlich  die  Beifügung  des  immaculata  vor  Conceptio;  denn  es 
wird  berichtet,  der  Papst  habe  eine  neue  Ausgabe  genehmigt,  in 
welcher  sancta  conceptio  zu  setzen  sei,  und  in  welcher  der  Mag. 
S.  P.  auch  Domina,  exandi  orationem  meam  in  Domina,  protege  or. 
m.  und  sonst  noch  einige  Kleinigkeiten  geändert  habe.  —  £inen 
interessanten  Bericht  über  die  Vorgänge  in  Eom  gibt  ein  Brief  eines 
dortigen  Jesuiten  vom  10.  Sept.  1678^):  „Der  Mag.  S.  P.  hat  das 
Off.  kraft  eigener  Autorität  ohne  ausdrücklichen  Auftrag  und  ohne 
Vorwissen  der  Cardinäle  der  Inq.  verboten,  wie  uns  Card.  Nithard 
gesagt.  Das  Verbot  hat  viele  verletzt,  namentlich  die  Spanier. 
Unser  Cardinal  hat  das  dem  Papste  vorgestellt.  Er  hat  auch  dem 
Mag.  S.  P.  Vorhaltungen  gemacht  und  ihm  bemerkt,  das  Off.  hätte 
wegen  der  darin  erwähnten  Ablässe  nicht  unbedingt,  sondern  nur 
vorläufig,  bis  zur  Beibringung  des  betreffenden  Ablass-Breve's  ver- 
boten werden  dürfen.  Das  Verbot  braucht  uns  also  als  ein  unüber- 
legtes nicht  zu  rühren.  Der  Papst  hat  in  diesem  Jahre  viele  Ab- 
lässe, für  die  kein  Breve  existitirt,  für  ungültig  erklärt  (s.  S.  207). 
Das  haben  die  Dominicaner  benutzt,  um  das  Off.  zu  unterdrücken, 
da  sie  gegen  das  Decret  Alexanders  VII.  nichts  machen  können. 
Auch  wenn  das  Verbot  rechtsgültig  wäre,  würde  es  [als  von  dem 
Mag.  S.  P.  ausgegangen]  nur  für  den  Kirchenstaat  gelten,  nicht  für 
das  übrige  Italien,  noch  weniger  für  die  Ultramontanen.  Und  da 
das  Verbot  jenseits  der  Alpen  nur  Aergerniss  hervorgerufen  hat, 
wird  es  vielleicht  bald  modificirt  werden.  Das  ganze  litthauische 
Heer  hat  eine  ganz  militärische  Epistel  an  den  Papst  gerichtet  und 
sich  über  das  Verbot  beklagt.  Es  wäre  an  der  Zeit,  die  Frechheit 
der  Mönche  zu  unterdrücken  und  das  Decret  Alexanders  YIL, 
welches  von  einem  Papste  und  nicht  von  einem  beliebigen  Mönche 
ausgegangen  ist,  aufrecht  zu  halten/^  Ein  Kölner  Jesuit  schreibt 
26.  Aug.  1678:  „Auch  hier  verbreiten  die  Dominicaner  das  Decret. 
Da  die  Anhänger  der  Meinung  der  Franciscaner  ihren  Unwillen 
äusserten,  hat  der  Nuncius  den  Dominicaner,  der  sich  Inquisitor 
nennt,  fragen  lassen,  ob  er  das  Decret  direct  von  dem  Mag.*  S.  P. 
erhalten,  was  dieser  verneinen  musste.  Dem  Nuncius  ist  das  Decret 
nicht,  wie  andere  ])ecrete,  von  Rom  übersandt  worden.  Er  hat 
darüber  nach  Eom  geschrieben,  wie  auch  im  Namen  des  Kurfürsten 
der  Weihbischof  und  Generalvicar.  Wir  beachten  das  Decret  nicht, 
so  lange  es  uns  nicht  in  gesetzlicher  Weise  intimirt  wird.*^    In  Rom 


1)  Münchener  Hofbibl.  Codd.  Moll.  109. 


238  Mariologie. 

hat  man  das  Verbot  nicht  als  nur  für  den  Kirchenstaat  gültig  an- 
gesehen und  auch  nicht,  wie  vielfach  angegeben  wird,  cassirt;  es 
steht  in  allen  Indices,  und  erst  in  den  neuesten  ist  beigefügt :  eine 
zu  Rom  1835  mit  Erlaubniss  der  Oberen  gedruckte  emendirte  Aus- 
gabe sei  gestattet.  —  Mit  der  Controverse  über  dieses  Off.  scheint 
zusammenzuhängen:  De  Officio  Imm.  Conc.  Deiparae  antiquissimo 
et  devotissimo,  parvo  mole,  magno  mysteriis,  recens  per  auonymnm 
correcto  et  Lucensibus  typis  edito  Observationes  Sigismundi  a  S. 
Maria  Theologi  ex  SS.  Patribus  et  Doctoribus,  praesertim  Ordinis 
PP.    Praed.  desumtae,    Paris  1681,  verb.  von  der  Inq.   1682. 

Andere  Officia  wurden  wohl  auf  Grund  des  allgemeinen  Ver- 
botes der  nicht  approbirten  Officia  (Decr.  gen.  IV,  5)  oder  der 
Uebersetzung  des  Off.  parvum  (I  S.  439)  verb.  So  stehen  im  Index 
ein  Officium  .  .  .  Imm.  Conc,  zwei  Offices  de  la  Conception,  unter 
Fil.  M.  Bonini  (s.  Mazzuch.  s.  v.)  L'officio  di  M.  V.  trasportato 
air  ital.  lingua  per  comandamento  .  .  .  di  Eleonora  Aug.  Reg.  di 
Boemia  ed  üngheria,  Wien  1672,  verb,  1674,  —  De  Kleine  gety- 
den  (s.  u.)  und:  Die  Regel  des  dritten  Ordens  so  von  dem  Sera- 
phischen Patriarchen  S.  Francisco  .  .  und  (mit)  dem  Officio  B.  M.  V., 
Strassb.  1729,  verb.  1742.  —  Dazu  kommen  noch  andere  Marien- 
Gebetbücher,  von  Octavius  Bayardus  (er  bezeichnet  sich  als  Re- 
fereudario  delF  una  e  deir  altera  Segnatura,  Accademico  £tru8co 
e  Cittadino  Romano),  von  Mich.  Ang.  Athanasius  und  von  Unelia 
(S.  215);  —  Henr.  Heuel,  Off.  B.  M.  V.  parallelometricum  nna 
cum  litaniis  Lauret.  .  .  Wien  1700,  verb.  1739,  ferner  anonyme 
unter  Meditazioni,  Novena,  Orationi,  und  eine  Reihe  von  Schrift- 
chen, die  Ben.  aus  der  Nota  entnommen:  Allegrezze,  Benedizione, 
Confitemini,  Contemplazione ,  Contrasto,  Dolori,  Lamento,  Pianto, 
Orazione,  Transite.  —  Auch  einige  Sammlungen  von  Marien- 
predigten  und  dgl.  stehen  im  Index  unter  Greg.  Gallicanus  (d.  c; 
Observant  in  Mailand),  Lucas  a  Monte forti  (Minorit),  Girol.  Clo- 
dinio  seu  Klodzinsky  (Theatiner;  sein  Bruder  Carlo  wurde  1686 
General  des  Ordens,  Vezzosi  1,272),  Gins.  Saliceti  (S.  16),  Diego 
de  Lequile  (d.  c. ;  Franciscaner,  Hofprediger  des  Erzherzogs  Fer- 
dinand Karl,  später  Bischof  von  Almisso  in  Dalmatien;  Freytag, 
Anal.  524). 

Wenn  einige  Schriftchen  zu  Ehren  der  Madonna  von  Loreto 
im  Index  stehen,  so  hat  das  seinen  Grund  in  irgend  welchen  Extra- 
vaganzen ;  die  Legende  von  der  Translatio  almae  domus  Lauretanae 
ist  durch  die  Indulgirung  eines  besondern  Festes  (10.  Dec.)  durch 
InnoceÄz  X.  und  durch  die  Verleihung  von  Ablässen  für  den  Be- 
such des  h.  Hauses  durch  Paul  IL  und  Sixtus  IV.  approbirt.  Yittorio 
Briganti,  Novelli  fiori  della  Vergine  Maria  di  Loreto  e  santa  casa 
sua,  Ven.  1600,  verb.  1603  (der  Verfasser,  ein  Beneficiat  an  der 
Santa  Casa  hat  nach  Mazzuch.  1606  eine  Geschichte  der  Translation 
mit  Berichten  über  Wunder,  Verzeichniss  der  Ablässe  und  Weisungen 
für  Pilger  herausgegeben).  Aus  der  Nota  hat  Ben.  aufgenommen : 
Orazione  della  Madonna  di  Loreto,  beginnend:  0  vergin  di  Loreto, 
alma  Maria. 


Novarinus.     Sidereo  u.  a  289 

4.  £ine6  der  vielen  Bücher  des  Theatiners  Aloysina  Novari- 
nus (t  1650),  Vita  di  S.  Maria  nel  ventre  di  S.  Anna,  Verona  1641, 
ururde  1642  und  1646  mit  d.  c.  verb.,  wie  Raynaud  behauptet, 
angeblich  wegen  eines  einzigen  Wortes,  welches  noch  dazu  einer 
guten  Deutung  fähig  gewesen,  in  Wirklichkeit  wegen  der  Verthei- 
digung  der  Imm.  Conc,  —  wie  Casalas  p.  582  erwidert,  wegen 
Nicht-Beachtung  der  päpstlichen  Decrete  (gegen  die  Verketzerung 
der  Gegner),  also  nicht  wegen  des  abenteuerlichen  Themas,  welches 
nach  Vezzosi  2,  100  in  63  Capiteln  (Opuscoli  App.  p.  59 — 84)  be- 
handelt wird.  Eine  zu  Prag  gedruckte  Novena  in  onore  delli  9 
mesi  ne'  quali  la  B.  V.  dimorö  nel  ventre  di  S.  Anna,  von  der 
Inq.  1704  verb.,  steht  nur  in  der  Raccolta,  nicht  im  Index. 

Im  J.  1654  wurde  mit  d.  c.  ein  ascetisches  Werk  verb., 
welches  Vincenzo  CarafFa,  f  1649  als  7.  Greneral  der  Jesuiten,  Pseu- 
donym veröffentlicht  hatte,  und  welches  zuerst  1641  zu  Neapel, 
dann  zweimal  in  Rom  1650  und  1654  gedruckt  war:  Camino  del 
cielo  overo  prattiche  spirituali  del  P.  Luigi  Sidereo  della  Comp, 
di  Gr.j  4  vol.  12.  Raynaud  (bei  Casalas  p.  583)  sagt,  der  damalige 
Secretär  der  Index-Congr.,  Raymund  Capisucco  (er  nennt  ihn  Caput 
Cucurbitae),  hätte  auf  Betreiben  seines  zum  General  der  Domini- 
caner beförderten  Vorgängers  J.  B.  de  Marinis  das  Buch  in  den 
Index  gebracht,  weil  darin  die  Imm.  Conc.  vertheidigt  werde;  da 
sie  diesen  Grund  nicht  hätten  geltend  machen  können,  hätten  sie 
folgende  nugae  vorgebracht:  1.  Caraffa  sage,  die  h.  Jungfrau  sei 
(w&hrend  ihres  Aufenthalts)  im  Tempel  von  den  Engeln  mit  himm- 
lischem Nectar  gespeist  worden;  2.  er  sage,  die  Gnade  Maria's  sei 
vom  ersten  Augenblicke  ihres  Lebens  an  grösser  gewesen  als  die 
der  reinsten  Geschöpfe;  3.  er  citirte  den  h.  Bernardin  von  Siena, 
der  Maria  als  Dea  bezeichne.  Das  erste,  sagt  Raynaud,  lehrten 
auch  die  bedeutendsten  Väter  und  sehr  viele  Neuere;  das  zweite 
sei  eine  fromme  und  probabele  Meinung^),  die  von  vielen  vorge- 
tragen werde  unter  Berufung  auf  Ps.  86 ;  wenn  das  dritte  verdamm- 
lich  sei,  hätte  man  zuerst  den  h.  Bernardin  verdammen  müssen; 
übrigens  sei  in  Rom  um  dieselbe  Zeit  mit  Approbation  des  Mag.  S.  P. 
Vinc.  Candido  der  Commentar  des  Hipp.  Marracci  zu  den  Reden  des 
leidor  von  Thessalonich  erschienen,  in  welchem  eine  10  Seiten  lange 
Polemik  gegen  Raynaud  stehe,  der  in  dem  Nomenciator  Marianus 
gesagt,  man  solle  Maria  nicht  Dea  nennen  ;  dieses  geschehe  aber 
auch  von  vielen  anderen.    Casalas    erwidert  darauf  nur,    man  wisse 


1)  Heutzutage  wird  ohne  Widerspruch  der  Index-Congr.  gelehrt: 
jjEb  ergibt  sich  mit  Evidenz,  wie  besonders  seit  dem  Epbesinum  stets  in 
der  Kirche  festgehalten  worden,  dass  die  heiligmachende  Gnade  Mariens 
wenigstens  seit  der  Empfängniss  Christi,  —  mit  hinreichender  Sicher- 
heit aber  auch  seit  ihrer  ersten  Heiligung,  grösser  war  als  die  Gnade 
nicht  nur  der  höchstbegnadigteu  Menschen,  sondern  auch  der  höchsten 
Engel."  Scheeben,  Dogm.  3,  516.  Die  Bezeichnung  Dea  lehnt  aber 
dodi  auch  Scheeben  S.  506  ab. 


240  Mariologie. 

nicht,  warum  Caraffa's  Buch  verboten  worden  sei.  Vinc.  Baron, 
Apol.  II,  182,  gibt  dieselben  drei  Gründe  an  wie  Eaynaud.  Von 
Caraffa's  Werk  erschien  eine  neue  —  ohne  Zweifel  expurgirte  — 
Ausgabe  unter  seinem  Namen  zu  Köln  1660  (eine  deutsche  Ueber- 
setzung  Augsb.  1747). 

Ein  Buch  eines  französischen  Franciscaners  (Eecollecten), 
welches  eine  der  ärgsten  unter  den  vielen  argen  mariologischen  Ver- 
irrungen  enthält,  wurde  27  Jahre  nach  seinem  Erscheinen,  nachdem 
es  der  Bischof  Persin  von  St.  Pons  denuncirt  hatte  (Bossuet  41, 
264),  verboten :  La  devotion  k  la  Mere  de  Dieu  dans  le  tres-saint 
sacrement  de  Tautel,  fond^e  sur  les  unions  qui  sont  entre  son  fils 
et  eile  en  ce  divin  mystere.  Par  le  E.  P.  Zepherin  de  Someire, 
Narbonne  1663,  verb.  1700.  Er  lehrt,  wie  Ben.  XIV.  De  beatif. 
1.  4,  p.  2,  c.  31,  n.  32  berichtet:  in  sacramento  altaris  nos  habere 
non  tantnm  sanguinem  Deiparae,  quatenus  in  carnem  et  ossa  Christi 
mutatus  est,  sed  etiam  parteni  sanguinis  in  propria  specie,  neque 
solnm  veram  carnem  ipsius,  sed  etiam  aliquid  singulorum  membro- 
rum,  qnia  sanguis  et  lac,  ex  quibus  formatum  et  nutritum  fuit  cor- 
pus Christi,  missa  fuerunt  ab  omnibus  et  singulis  membris  B.  Y. 
Diese  Lehre  wurde,  wie  Ben.  berichtet,  als  irrig,  gefährlich  und 
ärgernissgebend  bezeichnet  und  die  darauf  basirte  Verehrung  der 
h.  Jungfrau  im  h.  Sacramente  verworfen^).  Dasselbe  hatte  tibrigens, 
wie  Ben.  beifügt,  schon  1653  der  Jesuit  Christoph  Vega  in  seiner 
Theologia  Mariana  gelehrt,  die  nicht  im  Rom.  Index  steht  (im  span. 
wird  sie  expurgirt;  in  diesem  fehlt  aber  Someire.  Mich,  a  S.  Jos. 
4,  503). 

Uebrigens  stehen  viele  Bücher,  welche  sehr  bedenkliche  Lehren 
über  Maria  vortragen,  nicht  im  Index  2).  In  dem  1631  erschienenen 
Viridarium  sacrae  et  prof.  eruditionis  -des  Jesuiten  Franc,  de  Men- 
doza  wird,  wie  Arnauld  8,  493  berichtet,  die  Frage,  utrum  B.  Vir- 
ginia cultorem  in  aetemum  damnari  omnino  impossibile  sit,  bejaht 
mit  der  Motivirung:  Haec  impossibilitas  ex  eo  oritur,  quod  B.  V. 
suo  patrocinio  semper  impetrat  a  Deo  auxilia  gratiae  congruae, 
quibus  cultores  alioqui  pravi  ac  scelerati  ad  Deum  convertuntnr, 
und  die  Recollecten  zu  Lüttich  liessen  demgemäss  1676  die  These 
vertheidigen :  Frequens  confessio  et  communio  et  cultus  B.  V.  etiam 
in  iis,  qui  gentiliter  vivunt,  sunt  signum  praedestinationis.  Der 
aus  Pascals  Provincialbriefen   bekannte   Jesuit  Paul    de  Barry    em- 


1)  Eine  ähnliche  Ansicht  hat  im  19.  Jahrh.  Oswald  vorgetragen; 
sein  Buch  ist  wegen  dieser  und  anderer  Ansichten  verboten  worden  (Schee- 
ben,  Dogm.  3,  619).  Die  Dublin  Rev.  18G7,  Jan.  p.  220.  230  nimmt  unter 
Berufung  auf  Suarez  und  andere  Jesuiten  eine  solche  Ansicht  in  Schutz 
und  meint,  Benedicts  XIV.  Angabe,  sie  sei  verdammt  worden,  werde 
irrig  sein! 

2)  Im  span.  Index  wird  seit  Sot.  s.  v.  Ponce  und  Tenauderius  eine 
fabulosa  historia  de  obstetricibus  explorantibus  virginitatem  B.  V.  erwähnt, 
die  überall  gestrichen  werden  soll. 


Someire  ü.  a.    Stellarium.  241 

pfiehlt  in  der  Schrift  Le  paradis  ouvert  k  Philagie  par  cent  devo- 
tions  ä  la  M^re  de  Dieu  (1636 — 58  in  16  Auflagen  erschienen, 
auch  ins  Deutsche,  Holländische,  Italienische  und  Lateinische  üher- 
setzt;  Backer  s.  v.)  u.  a.  folgende  Devotionen:  choisir  plut6t  l'enfer 
que  si  la  S.  Yierge  n^6tait  pas  mere  de  Dieu,  quitter  sa  place  du 
paradis,  si  hesoin  etait,  pour  c6der  k  la  S.  V.,  graver  et  former 
sur  son  coeur  le  nom  de  Marie,  par  honneur  ne  prononcer  pas  le 
nom  de  Marie  en  lisant,  mais  en  suhstituant  un  autre,  donner  des 
oeillades  amoureuses  aux  images  de  la  S.  Y.  u.  s.  w.,  und,  wie 
Thiers,  Tr.  de  superst.  4,  80  sagt,  le  hon  F^re  s'imagine  que  toutes 
ces  d^votionettes  sont  autant  de  clefs  du  paradis. 

5.  Im  J.  1640  schritt  die  Inq.  gegen  die  von  den  Francis- 
canem  gegründeten  Sodalitates  suh  nomine  Stellarii  Imm.  Concep- 
tionis  B.  M.  V,  ein.  Man  deutete  die  Vision  von  dem  Weihe  mit 
einem  Kranze  von  zwölf  Sternen  (Apok.  12,  1),  als  oh  dadurch 
dem  h.  Johannes  die  Imm.  Conc.  geoffenhart  worden  wäre,  fahricirte 
in  diesem  Sinne  eine  Collecte,  feierte  im  August  ein  Fest  vom  Stella- 
rium und  führte  einen  hesondern  Rosenkranz  mit  12  Perlen  ein. 
Die  Inq.  löste  1640  die  Bruderschaften  auf,  revocirte  ihre  Ahlässe 
und  verhot  das  Beten  der  corona  suh  titulo  Stellarii.  Das  Decret 
wurde  dem  General  der  Minoriten  intimirt  und  Fer.  V.  28.  Nov. 
1642  nochmals  bestätigt  i).  Die  Ablass-Congr.  erklärte  1678  die 
diesem  Rosenkranze  verliehenen  Ablässe  für  apokryph.  In  der  Rac- 
colta  wird  auch  ein  libretto:  Stellario  dell'  Imm.  Conc.  della  B.  Y. 
erwähnt  (auch  im  span.  Index  unter  Estellario).  Im  Rom.  Index 
steht  dieses  nicht;  aber  mit  dieser  oder  einer  ähnlichen  Deutung 
von  Apok.  12,  1  hangen  zusammen:  Lode  sopra  li  12  privilegi 
concessi  dalla  SS.  Trinita  alla  B.  Y.  M.  in  onore  della  sua  Imm. 
Conc,  Yen.,  von  der  Inq.  verh.  1712;  Corona  di  12  stelle  da 
porsi  in  capo  alla  grande  Imperatrice  del  cielo  .  .  .,  Fano  1733, 
verb.  1734;  Corona  d'oro  a  M.  Y.  contenente  i  12  privilegi  che 
gode  in  cielo,  verb.  1737. 

Ein  Decret  der  Inq.  Fer.  lY.  5.  Juli  1673  (Alb.  p.  517.  A. 
J.  P.  1,  1242)  besagt:  Ordens-  und  Weltgeistliche  hätten  Bruder- 
schaften der  Sclaven  Mariae,  Schiavi  della  Madre  di  Dio,  errichtet, 
an  die  Mitglieder  derselben  kleine  Ketten  vertheilt,  die  als  Zeichen 
dieser  Sclaverei  am  Halse  und  an  den  Armen  zu  tragen  seien,  Bilder 
und  Medaillen  verbreitet,  auf  welchen  diese  Sclaverei  dargestellt  sei, 
und  Büchlein  mit  den  Regeln  und  zur  Empfehlung  der  Bruderschaft. 
Die  Inq.  habe  diesen  Missbrauch  an  verschiedenen  Orten  durch 
specielle  Edicte  zu  unterdrücken  gesucht ;  da  derselbe  aber  in  Folge 
der  Bemühungen  einiger  immer  mehr  um  sich  greife,  erlasse  sie 
jetzt  ein  allgemeines  Edict:  die  Bruderschaften  würden  hiermit  auf- 


1)  Dieses  Decret  bei  Porter,  Systema  decretorum  p,  628.  Schneider 
S.  224  sagt:  „Es  gibt  einen  RoRCukranz  von  der  unbefl.  Empf.  von  12 
Körnern,  dessen  Ablässe  1678  für  falsch  erklärt  wurden,  und  einen  echten 
zvL  Ehren  der  12  Privilegien  Mariae,  dem  1860,  und  die  sog.  Corone  von  den 
12  Sternen,  der  1838  ein  Ablass  verliehen  wurde. 

Beuicb,  Index  II.  16 


242  Mariologie. 

gelöst,  der  Gebraueb  der  Kettchen  untersagt  und  die  Büchlein, 
Bilder  und  Medaillen  bei  den  im  Index  angedrohten  Strafen  ver- 
boten.  Es  stellte  sich  aber  heraus,  dass  es  nicht  bloss  Sclaven 
Mariae  gab.  Clemens  X.  erliess  15.  Dec.  1673  ein  Breve  (Porter, 
Systema  p.  643.  A.  J.  F.  1,  1243),  worin  es  beisst:  es  seien 
Bruderschaften  unter  der  Anrufung  des  b.  Sacramentes,  der  h.  Jung- 
frau und  des  h.  Joseph  unter  dem  Titel  ,,Heerde  des  guten  Hirten" 
mit  Erlaubniss  von  Bischöfen  und  sogar  des  Papstes  errichtet  worden, 
in  deren  Regeln  der  Gebrauch  gewisser  Kettchen  und  andere  der 
Lehre  und  Praxis  der  Kirche  nicht  entsprechende  Dinge  vorge- 
schrieben seien  und  welche  Schriften,  Blätter  und  Bilder  verbreitet 
hätten,  die  Aergemiss  geben  könnten.  Die  Bruderschaften  würden 
hiermit  nach  Anhörung  der  Inq.  aufgehoben,  die  Schriften,  Bilder, 
Kettchen  u.  s.  w.  verboten.  Demgemäss  werden  (in  den  Indices 
seit  1681  unter  Libelli,  genauer  seit  Ben.)  in  den  Decr.  gen.  III, 
3.  4  verb. :  Bilder  und  Medaillen  für  die  Bruderschaften  der  Sclaven 
der  Mutter  Gottes,  welche  die  Mitglieder  mit  Ketten  darstellen, 
und  Bücher,  in  denen  die  Regeln  stehen  .  .  .  Bilder,  Kettchen, 
Zettel  und  Bücher  für  die  Bruderschaften  vom  h.  Sacrament,  der 
h.  Jungfrau  und  des  h.  Joseph  unter  dem  Titel  He  erde  des  guten 
Hirten,  auf  welchen  Menschen  an  Christus,  das  Ciborium,  die  h.  Jung- 
frau, den  h.  Joseph  oder  einen  andern  Heiligen  angekettet  (penduli 
a  Christo  etc.)  dargestellt  werden^).  Speciell  werden  im  Index  als 
durch  ein  Decret  vom  2.  Oct.  und  das  Breve  vom  15.  Dec.  1673 
verb.  verzeichnet:  Regole  da  osservarsi  dai  devoti  di  Maria  che 
professano  d'essere  incatenati  schiavi  di  lei,  —  Lo  schiavo  della 
Madonna  santissima  ovvero  prattica  di  conservarsi  perfettamente 
per  servo  della  B.  V.  M.,  —  Catena  preziosa  de'  schiavi  della 
santiss.  ed  imroacol.  Regina  del  Cielo,  Madre  di  Dio,  —  Sommario 
della  schiavitudine  di  Giesu  sagramentato,  Maria  immacolata  e  Giu- 
seppe giusto,  intitolata  Ovile  del  buon  pastore,  —  Gregge  del 
buon  pastore  e  piü  perfetta  schiavitudine  di  Gesü  sagramentato 
.  .  .  giusto  (nach  den  älteren  Indices  ein  Zettel). 

Der  Unfug  scheint  auch  am  Rhein  und  in  Belgien  Verbreitung 
gefunden  zu  haben;  wenigstens  wird  in  den  1673  erschienenen  Mo- 
nita  des  Kölnischen  Juristen  Widenfeld  dagegen  polemisirt,  und  der 
Bischof  von  Toumay  vertheidigt  diesen  unter  Bezugnahme  auf 
das  Römische  Verbot  gegen  eine  Streitschrift  (s.  u.).  —  In  Frank- 
reich wurde  diese  Devotion  u.  a.  durch  Louis  Marie  Grignon  de 
Monfort  befördert.  Als  es  sich  bei  dessen  1838  eingeleitetem  Cano- 
nisationsprocesse   um    die  Prüfung   seiner  Schriften  handelte,  wurde 


1)  Eine  merkwürdige  ünkenntniss  des  Index  verräth  es,  wenn  der 
Jesuit  Schneider,  Die  Ablässe  S.  424  das  Decr.  gen.  III,  3  mit  der  Be- 
merkung anführt,  es  stehe  in  dem  Index,  „wie  er  auf  Befehl  S.  H.  Gre- 
gors XVI.  herausgegeben  und  1841  in  Rom  gedruckt  wurde,  in  der  Vor- 
rede S.  XLV,  No,  8**,  und  dann  vollends  noch  beifügt:  „dasselbe  Verbot 
hatte  schon  die  Congr.  der  Ablässe  durch  ein  Decret  vom  18.  Dec.  1821 
erlassen.'* 


Sclaven  Mariae.    Maria  del  Lume.  248 

gegen  eioe  snr  Tesclavage  de  la  S.  Vierge  eingewendet,  dass  darin 
das  Tragen  gesegneter  eiserner  Eettchen  als  Zeichen  de  l'esclavage 
de  J^sus  et  Marie  empfohlen  werde.  Zur  Vertheidigung  Montforts 
wurde  angeführt,  die  Devotion  der  Sclaverei  Mariae  werde  schon 
von  der  Dominicanerin  Agnes  de  Jesus,  f  1603,  erwähnt;  die  Ver- 
dammung derselben  durch  den  Index  [die  Inquisition]  beweise  nicht, 
dass  sie  nicht  vom  h.  Geiste  eingegeben  sei,  sondern  nur,  dass  sich 
Missbräuche  in  dieselbe  eingeschlichen,  die  der  h.  Stuhl  verdammt 
habe;  sie  beziehe  sich  übrigens  auch  nur  auf  Braderschaften,  nicht 
auf  einzelne  Personen  und  nicht  auf  die  Form  derselben,  die  Mont- 
fort  empfohlen  habe.  Die  Eiten-Congr.  entschied  1853:  die  Schrift 
Aber  die  Sclaverei  der  h.  Jungfrau  komme  gar  nicht  in  Betracht, 
da  nur  eine  angeblich  nach  dem  Autographon  Montforts  angefertigte 
Abschrift  vorliege,  also  nicht  erwiesen  sei,  dass  sie  von  ihm  her- 
rühre; in  den  Schriften,  von  denen  Montforts  Originalhandschrift 
vorliege,  komme  nichts  vor,  was  der  Fortsetzung  des  Canonisations- 
processes  im  Wege  stehe.  Darunter  ist  aber  ein  Trait^  de  la  vraie 
devotion  k  la  S.  V.,  von  dem  der  Promotor  fidei  bemerkt  hatte,  es 
kämen  viele  Sätze  darin  vor,  die  einer  Explication  bedürften  (A.  J. 
P.  1,  737.  1049),  und  in  welchem  auch  der  Ausdruck  Sclaven  Mariae 
gebraucht  wird^). 

Mit  den  Edicten  von  1673  war  jedenfalls  die  Sclaverei  Mariae 
nicht  für  immer  beseitigt.  Im  J.  1761  bestand  in  Montpellier  eine 
Soci^ti  de  Teeclavage  de  la  S.  V.  und  war  dort  ein  in  Paris  ge- 
drucktes Schriftchen  Dieu  seul  ou  le  saint  esclavage  de  la  M^re  de 
Dieu  verbreitet  (N.  E.  1761,  39);  die  span.  Inq.  verbot,  wie  der 
Index  von  1790  s.  v.  Aurora  zeigt,  1755  ein  zu  Granada  1701  ge- 
drucktes Sumario  de  la  Esclavitud  de  Jesus  Sacramentado,  Maria 
Immac.  y  Justo  Joseph  von  Jos.  Man.  de  la  Aurora;  die  Eiten- 
Congr.  musste  1821  die  alten  Yert)ote  in  Erinnerung  bringen,  und 
Schneider  S.  425  bemüht  sich  zu  zeigen,  dass  ein  Eescript  Gre- 
gors XVI.  von  1833,  durch  welches  angeblich  eine  Bruderschaft 
vom  Sclavendienste  Marions  genehmigt  werde,  wenn  es  echt  sei, 
sich  nur  auf  eine  Confraternitä  dei  servi  (nicht  schiavi)  di  Maria 
beziehen  könne. 

In  einem  Decrete  der  Congr.  der  Eiten  vom  27.  Jan.  1742 
(Bened.  XFV.  Beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  31,  n.  33)  heisst  es:  in  Sieilien, 
namentlich  in  Syracus  seien  drei  anonyme  Schriftchen  über  eine  An- 
dacht zu  Unserer  Lieben  Frau  vom  Lichte  (Madre  Santissima  del 
Lume)    verbreitet;    es    werde   unter  Berufung   auf  Eevelationen  zur 


1)  Diese  Schrift  ist  von  F.  W.  Faber  1863  und  von  einem  andern 
1864  in  englischer  Uebersetzung  herausgegeben  worden  und  hat  in  Eng- 
land lebhafte  Discussionen  hervorgerufen.  Man  hat  schliesslich  gesagt, 
die  uebersetzung  sei  schlimmer  als  das  Original.  Pusey,  Eirenicon  III., 
332.  Dublin  Rev.  1871,  Jan.  p.  37.  Der  Biachof  Ullathorne  von  Birming- 
ham erklärte  1866 :  man  habe  die  von  Montfort  empfohlene  Andacht  auch 
in  seiner  Diöcese  eingeführt,  er  habe  sie  aber  sofort  untersaget,  ohne  von 
dem  päpstlichen  Verbote  etwas  zu  wissen.  Th.  Lit.-Bl.  1866,  295. 


iii  Fälschungen. 

Feier  eines  Festes  mit  diesem  Namen  (am  Mittwoch  in  der  Octav 
von  Christi  Himmelfahrt)  aufgefordert,  in  der  Litanie  etwas  beige- 
fügt und  Bilder  und  Medaillen  vertheilt.  Alle  diese  Dinge  wurden 
verboten,  die  Schriftchen  suspendirt,  bis  die  Index-Congr.  sie  ge- 
prüft habe.  Diese  verbot  dann  1745:  La  divotione  di  Maria  madre 
santissima  del  Lume,  distribuita  in  tre  parti  e  dedicata  a  .  . .  Cristof. 
Fernandez  de  Cordova  e  Alagon,  Vicere  .  .  .  del  Eegno  di  Sicilia, 
da  un  Sacerdote  della  Comp,  di  Gesu,  Palermo  IT^-^S,  2  vol.  12. 
Das  Buch  ist  nach  Backer  von  dem  Jesuiten  Giov.  Ant.  Genovesi 
unter  Mitwirkung  von  Emanuel  Aguilera  verfasst.  1761  wurde  auch 
ein  span.  Schriftchen  von  Jos.  de  Tobar  verdammt:  La  invocacion 
de  N.  S.  con  el  titulo  de  Madre  sautisima  de  laLuz  .  .  reimpreso 
en  Zaragoza  1758. 

Mit  einer  andern  derartigen  Devotion  hangen  zusammen:  Gratie 
concesse  da  Maria  nostra  signora  imm.  a  molti  divoti  del  digiuno 
perpetuo  in  pane  et  acqua  in  honore  della  sua  purissima  Concettione 
.  .  .*  Col  modo  di  fare  detto  digiuno,  verb.  1683,  seit  Ben.  unter 
Buonav.  Ferrara,  —  Digiuno  perpetuo  istituito  in  onore  dell* 
Imm.  Conc.  di  Maria  sempre  virgine  nella  terra  di  Soriano,  —  Ri- 
cordo  per  il  digiuno  perp.  ist.  in  onore  dell'  Imm.  Conc,  beide 
verb.  1739. 


36.     Fälschungen. 

In  den  Decreta  generalia  II,  10  werden  verboten  alle  ge- 
schriebenen und  gedruckten  Bücher,  Tractate,  Gutachten,  Com- 
mentare  u.  s.  w.  über  die  bei  Granada  gefundenen  Bleitafeln 
(laminae  plumbeae)  mit  alten  arabischen  SchriftzUgen  und  über 
die  in  einem  Thurme  zu  Granada  gefundenen  Schriften.  In 
Schriften,  wird  beigefügt,  die  davon  nur  gelegentlich  handeln, 
sind  die  betreffenden  Stellen  zu  streichen.  Die  fraglichen  Blei- 
tafeln und  Schriften,  die  angeblich  aus  der  apostolischen  Zeit 
herrühren,  wurden  1588—97  gefunden  und,  obschon  die  Fäl- 
schung handgreiflich  ist,  erst  1639  vorläufig,  1682  definitiv  in 
Rom  verworfen.  Die  damit  in  einem  gewissen  Zusammen- 
hange stehenden  gefälschten  Chroniken  des  Flavius  Lucius 
Dexter  u.  a.  wurden  weder  in  Rom  noch  in  Spanien  verboten. 
—  Von  den  zahlreichen  Schriften  über  den  angeblichen  Brief  der 
h.  Jungfrau  Maria  an  die  Einwohner  von  Messina  kamen  zwei  in 
den  Index;  aber  von  einer  derselben,  von  dem  Jesuiten  Melchior 
Inchofer,    wurde    1633   eine  zweite  Ausgabe  frei   gegeben,    in 


Laminae  Granatenses.  245 

welcher  der  Brief  als  wahrscheinlich,  nicht,  wie  in  der  ersten, 
als  sicher  echt  bezeichnet  wurde.  —  In  den  Decr.  gen.  II,  8 
werden  alle  gedruckten  und  geschriebenen  Bücher,  Codices  und 
Blätter  über  die  angebliche  Heiligkeit.  Weissagungen,  Visionen 
und  anderen  derartigen  Zeichen  des  angeblichen  Anachoreten 
Joannes  Gala  u.  s.  w.  verboten,  und  III,  6  alle  Bilder,  welche 
diesen  Gala  als  Heiligen  oder  Seligen  darstellen.  Es  handelt 
sieh  hier  um  einen  in  seiner  Art  grossartigen,  um  1660  begon- 
nenen, 1680  durch  einen  Mitschuldigen  aufgedeckten  Betrug 
eines  Neapolitanischen  Geistlichen,  der  den  Joannes  Gala  als 
einen  Heiligen  des  12.  Jahrhunderts  rein  erfunden  hat. 

1.  Im  J.  1588  fand  man  in  Granada  beim  Abbrach  eines  alten 
Thurmes  ein  bleiernes  Kistchen  mit  einem  leinenen  Tuche  und  einem 
Knochen  nnd  einem  Pergamentblatte,  auf  dem  der  Priester  Patricius 
erklärt:  er  habe  diese  Reliquien,  die  der  Bischof  Caecilius  von  Gra- 
nada von  dem  h.  Dionjsias  erhalten,  in  den  Tagen  der  Apostel  hier 
verborgen;  der  Leinwandlappen  sei  die  Hälfte  des  Tuches,  mit  welchem 
Maria  bei  der  Passion  ihre  Thränen  abgetrocknet,  der  Knochen  sei 
von  den  Gebeinen  des  h.  Stephanus.  Ebendort  fand  man  ein  dem 
Evangelisten  Johannes  zugeschriebenes  Document,  arabisch,  griechisch 
nnd  lateinisch  auf  Pergament  geschrieben,  nnd  anderes.  Im  März 
1595  fand  man  in  einer  Höhle  in  einem  Berge  in  der  Nähe  von 
Granada  eine  Bleitafel  mit  der  Inschrift:  Corpus  ustnra  D.  Mesitonis 
martyris;  passus  est  sub  Keronis  Imp.  potentatu,  später  noch  drei 
Tafeln  mit  den  Notizen:  in  den  Höhlen  dieses  Berges  seien  die  Re- 
liquien von  drei  Schülern  des  h.  Jacobus,  Caecilius,  Hesychius  und 
Tesiphon  verborgen,  die  mit  ihren  Schülern  im  2.  Jahre  des  Nero  ver- 
brannt worden  seien,  so  wie  ein  von  dem  h.  Tesiphon  in  Bleiplatten 
eingegrabener  Über  fnndamenti  ecclesiae.  Man  fand  dann  auch  5  Blei- 
platten mit  dem  arabisch  geschriebenen  Buche.  Dieses  kündigte 
aber  wieder  die  Existenz  von  anderen  an,  die  man  dann  auch  fand. 
1597  hatte  man  18  arabisch  theils  auf  Bleiplatten,  theils  auf  Per- 
gament geschriebene  Bücher  von  Caecilius,  Tesiphon  u.  a.  in  Händen, 
n.  a.  Liber  ordinationis  missae  Jacobi  Apost.,  L>  rerum  praeclare 
gestamm  D.  N.  Jesu  et  miraculorum  ejus  et  matris  ejus,  L.  prae- 
clare gestarnm  S.  Jacobi,  L.  mysteriorum  magnorum,  L.  historiae 
sigilli  Salomonis.  Eine  von  dem  Erzbischof  von  Granada,  Pedro 
Vaca  de  Castro  y  Quiftones,  gebildete  Commission  erklärte  die  Sachen 
für  richtige  Reliquien  und  die  Lehre  der  Bücher  für  übernatürlich 
nnd  geoffenbart,  und  1608  erschien  zu  Granada  eine  Relacion  breve 
de  las  reliquias  etc.,  deren  Nachdruck  zwar  unter  Androhung  der 
Excommunication  verboten,  die  aber  zweimal  nachgedruckt  wurde. 
Der  Bischof  J.  B.  Perez  von  Segorbe  erklärte  die  Sache  gleich  für 
Betrug,  schickte  aber  sein  Gutachten   gar  nicht  an  den  Erzbischof, 


246  Fälschungeu. 

weil  das  doch  nichts  helfen  würde  ^).  Auch  einige  Gelehrte  sprechen 
sich  in  diesem  Sinne  aus;  aher  Yic.  de  la  Fuente  constatirt  mit 
Bedauern,  die  Zahl  der  berühmten  Spanier,  Inquisitoren,  Cardinäle, 
Erzbischöfe  und  Bischöfe,  welche  während  der  Begierung  der  drei 
Philippe  an  die  Geschichte  geglaubt  hätten,  sei  schrecklich  gross. 

Clemens  VIII.  erliess  mehrere  Breven  an  den  Erzbischof  von 
Granada,  worin  er  ihm  die  Veröffentlichung  der  fraglichen  Schriften 
verbot  und  befahl,  dieselben  dämmt  allem,  was  dazu  gehöre,  nach 
Rom  zu  schicken,  und  zugleich  jedermann,  welchen  Ranges  er  auch 
sein  möge,  kraft  des  h.  Gehorsams  und  unter  Androhung  arbiträrer 
Censuren  und  Strafen  untersagte,  über  die  Bücher  und  ihren  Inhalt 
irgend  ein  Urtheil  zu  fällen  (aliquid  affirmare  vel  negare  vel  alias 
de  illis  judicare).  Erst  unter  Urban  VIII.  erfolgte  die  erste  päpst- 
liche Entscheidung  in  Form  eines  Decretes  der  Inquisition  von 
Fer.  V.  5.  Mai  1639  (Alex.  No.  43).  Es  heisst  darin:  der  Erz- 
bischof von  Granada  selbst  habe  eingestanden,  dass  die  Schriften 
wegen  des  Alters  der  Sprache  und  der  ungewöhnlichen  Schriftzüge 
dunkel  und  schwer  zu  deuten,  von  verschiedenen  Uebersetzern  ver- 
schieden übersetzt  worden  seien  und  grosse  Schwierigkeiten  dar- 
geboten hätten.  Die  Päpste  seit  Clemens  VIII.  hätten  eine  Unter- 
suchung der  Bleitafeln  in  Rom  durch  Sprachkundige  und  Theologen 
für  nöthig  gehalten;  es  habe  aber  bis  jetzt  die  Uebersendung  der- 
selben nach  Rom  nicht  durchgesetzt  werden  können.  Die  Schriften 
würden  aber  vielfach  in  Büchern  und  Predigten,  auch  zur  Begrün- 
dung von  Dogmen,  mit  Ehrfurcht  citirt  und  ihnen  eine  göttliche 
und  canonische  Autorität  beigelegt,  obschon  angesehene  und  sprach- 
kundige Männer  dagegen  gewichtige  Bedenken  vorbrächten  und  be- 
haupteten, in  einigen  der  Schriften  sei  nicht  weniges  enthalten,  was 
nach  Gottlosigkeit,  Aberglauben  und  Irrthümern  rieche.  Um  also 
zu  verhüten,  dass  nicht  etwa  unter  dem  Namen  von  Aposteln  und 
Apostelschülern  falsche  Lehren  in  die  Kirche  eindrängen,  verordne 
Seine  Heiligkeit  nach  ernster  und  reiflicher  Ueberlegung  und  nach 
Anhörung  der  Vota  der  Cardinäle  der  Inq.:  die  besagten  Bücher, 
Schriften  und  Bleitafeln  seien  zu  suspendiren ;  es  dürfe  ihnen  und 
ihren  Uebersetzungen  keinerlei  Glauben  beigelegt  und  keine  reli- 
giöse Verehrung  (venerationem  sive  cultum)  erwiesen  werden,  bis 
der  apostolische  Stuhl  entscheide,  was  von  der  Qualität  und  Lehre 
derselben  und  der  Wahrheit  und  Treue  ihrer  Uebersetzungen  und 
Deutungen  zu  halten  sei;  alle  Bücher,  Tractate,  Gutachen  (responsa, 
consulta),  Commentare,  Glossen,  Zusätze  oder  Anmerkungen,  über- 
haupt alle  Schriftstücke,  handschriftliche  wie  gedruckte,  welche  ex 
profesßo  von  den  Bleitafeln  und  Schriften  handelten,  würden  suspendirt 


1)  Es  ist  gedruckt  bei  Villanueva,  Viaje  leterario  3,  259;  ebend. 
S.  278  ein  den  Erzbischof  zur  Vorsicht  mahnender  Brief  von  Benito  Arias 
Montano  vom  3.  Mai  1595.  —  Ctesiphon,  Caecilius,  Hesychius  und  4  andere 
werden  übrigens  im  Martyrologium  Rom.  15.  Mai  als  „von  den  Aposteln 
zu  Rom  zu  Bischöfen  geweiht  und  zur  Verkündigung  des  Evangeliums 
nach  Spanien  gesandt,^*   aber  nicht  als  Märtyrer  bezeichnet. 


Laininae  Granatenses.  247 

und  verboten  und  dürften  nioht  gelesen  oder  behalten  werden,  seien 
vielmehr  sofort  an  die  Bischöfe  oder  Inquisitoren  abzuliefern,  bis 
der  apostolische  Stuhl  anders  verfüge ;  Manuscripte  und  Bücher, 
in  welchen  die  Bleitafeln  oder  ihre  Lehre  nur  beiläufig  erwähnt 
würde,  sollten  bezüglich  dieser  Stellen  keinerlei  Glanben  oder  Au- 
torität haben ;  die  Stellen  seien  zu  streichen,  widrigenfalls  die  Bücher 
als  verboten,  donec  expurgentur,  anzusehen.  Die  Verhandlungen, 
Gutachten  und  ürtheile  der  von  dem  Erzbischof  von  Granada  oder 
anderswo  zusammenberufenen  Gelehrten  würden  als  jedes  Gewichtes 
und  jeder  Autorität  entbehrend  erklärt  und  dergleichen  Verhand- 
lungen für  die  Zukunft  strenge  verboten.  Auch  solle  niemand, 
wer  es  auch  sei,  fortan  etwas  zu  Gunsten  der  fraglichen  Bücher 
principaliter  vel  incidenter  schreiben,  drucken  oder  sonstwie  ver- 
breiten oder  die  Schriften  übersetzen  oder  in  Büchern,  Predigten, 
Vorlesungen,  Versammlungen,  mündlichen  oder  schriftlichen  Gut- 
achten von  den  Bleitafeln  oder  ihrer  Lehre  reden  oder  Schriftsteller, 
die  darüber  handelten,  citiren.  Die  üebertreter  dieser  Verordnung 
ohne  Unterschied  des  Standes  und  Ranges  werden  mit  der  dem 
Papste  reservirten  Excommunicatio  latae  sent.  bedroht,  Ordensgeist- 
liche ausserdem  mit  Verlust  ihrer  Aemter  und  des  activen  und  pas- 
siven Stimmrechtes,  Weltgeistliche  mit  Verlust  der  Aemter  und  mit 
der  Unfähigkeit,  solche  zu  erlangen,  Laien  mit  Geld-  und  Leibes- 
strafen. Die  Publication  des  Decretes  in  Hom  soll  für  jedermann 
so  verbindlich  sein,  als  wenn  ihm  dasselbe  persönlich  intimirt 
worden  wäre. 

Dass  man  es  in  Rom  mit  der  Durchführung  dieses  Decretes 
ernst  nahm,  zeigt  ein  Vorfall  im  März  1651,  den  Saint- Amour  in 
seinem  Journal  p.  203  berichtet:  Ein  Jesuit  berief  sich  in  einer  in 
dem  Professhause  gehaltenen  Predigt  auf  das  Zeugniss  des  h.  Ctesi- 
phon  in  den  Bleitafeln  zu  Gunsten  der  Immac.  Conceptio.  Ein  Do- 
minicaner, der  die  Predigt  gehört,  denuncirte  ihn  bei  der  Inquisition. 
Die  Papiere  des  Jesuiten  wurden  confiscirt  und  bestätigten  die  An- 
klage. Der  Papst  ertheilte  dem  General  einen  Verweis  dafür,  dass 
er  den  Jesuiten  nach  der  Predigt  noch  hatte  Messe  lesen  lassen, 
wodurch  er  irregulär  geworden  sei.  Der  Jesuit  musste,  um  von 
den  Censuren  freigesprochen  zu  werden,  in  Gegenwart  von  zwei 
Notaren  der  Inquisition  eine  von  dieser  aufgesetzte  Erklärung  von 
der  Kanzel  verlesen. 

Endlich  erliess  Innocenz  XL  unter  dem  6.  März  1682  ein 
Breve  folgenden  Inhaltes  (abgedruckt  bei  Albit.  p.  311):  er  habe 
die  Prüfung  der  bei  Granada  gefundenen  Schriften,  —  sie  werden 
einzeln  aufgezählt,  —  einigen  Cardinälen  der  Inquisition  übertragen; 
diese  hätten  nach  Anhörung  von  Qualificatoren  in  mehreren  Sitzungen 
über  verschiedene  auf  die  Glaubenslehre  und  die  Kirchengeschiohte 
bezügliche  Sätze,  die  aus  der  von  den  von  Innocenz  X.  bestellten 
üebersetzern  approbirten  üebersetzung  entnommen  seien,  mit  Ver- 
gleichung  der  in  Spanien  angefertigten  und  dem  h.  Stuhle  über- 
sandten Uebersetzungen  verhandelt  und  sich  einstimmig  für  die  Ver- 
dammung der  besagten  Bücher    und   ihres  gesammten  Inhaltes  aus- 


248  Fälsohungen. 

gesprochen,  weil  dieselben  fälschlich  als  von  der  h.  Jungfrau  Maria 
und  dem  Apostel  Jacobus  major    verfasst    oder    von    diesem  seinen 
Schülern  Thesiphon  und  Caecilius  dictirt  bezeichnet  würden,  in  Wirk- 
lichkeit aber  zum  Verderben    des    katholischen  Glaubens    verfasste 
menschliche    Erdichtungen    (figmenta)  seien,    Ketzereien    bezw.   von 
der  katholischen  Kirche  verdammte  Irrthtimer  enthielten,  dem  Texte 
der  h.  Schrift  und  der  Auslegung  der  h.  Väter  und  dem  Gebrauche 
der.  Kirche  widersprächen,    ja  manches  in  denselben    nach  Mahome- 
tismus  rieche  und  die  Gläubigen   zur  Secte  Mahomets  verlocke,  aus 
dessen  Alkoran  sowie  aus  anderen  unsauberen  Büchern  der  Mahome- 
taner  ein  nicht    unbedeutender  Theil  der  Bücher  abgeschrieben  sei. 
Demgemäss  verdamme    er    aus    eigenem    Antriebe   und  aus  sicherer 
Wissenschaft  und  nach    reiflicher  üeberlegung  und    kraft  der  Fülle 
seiner  apostolischen  Gewalt  die  besagten  Bleitafeln,  Bücher  u.  s.  w. 
und  verbiete  das  Lesen  und  Behalten  derselben  bei  Strafe  der  reser- 
virten  Excomm.  1.  sent.    Bei  derselben  Strafe  verbiete  er,  dieselben 
in  Schriften,  Predigten  u.  s.  w.    anders    zu    citiren    als  um    die  in 
ihnen  enthaltenen  falschen  Lehren  und  Offenbarungen  zu  verdammen. 
—    Von  der  Trinität  und  der  Gottheit  Christi  ist  freilich  in  diesen 
Büchern  nicht  die  Eede,   aber    von    der  Definition    der  Immaculata 
Conceptio  durch  das  Apostelconcil    und    von    der  Missionsthätigkeit 
des  h.  Jacobus  und  seiner  Schüler  in  Spanien.    Daneben  kommt  die 
Formel  vor:    es    ist   kein  Gott    als  Gott    und  Jesus    ist   der  Geist 
Gottes,  und  was  von  dem  Leben  Jesu  erzählt  wird,  steht  zum  Theil 
im  Koran.     Die  Araber    werden    als    das  Volk  bezeichnet,    welches 
Gott  erwählt  habe«    in  den  letzten  Zeiten   sein  Gesetz  zu  bewahren 
u.  dgl.    Godoy  hält   es  für  sicher,    dass  Moriscos   die  Sachen  fabri- 
cirt    haben,    und  für  wahrscheinlich,   dass  die  beiden  Moriscos,    die 
man  als  Uebersetzer  der  arabischen  Schriften  verwendete,   sie  auch 
gemacht^). 

Albizzi  sagt  in  seiner  Selbstbiographie  (vor  De  inconst.) :  ea 
sei  bei  der  Inquisition  vor  der  Entscheidung  vom  J.  1682  zehn  Jahre 
lang  über  die  Laminae  verhandelt  worden;  in  jeder  Woche  seien 
drei  Sitzungen  bei  dem  Card.  Spada  oder,  wenn  dieser  verhindert 
gewesen,  bei  dem  Card,  de  la  Cueva  oder  dem  Card,  de  Lugo  ge- 
halten worden.  An  einer  andern  Stelle  (p.  30)  sagt  er  sogar,  er 
selbst,  —  er  war  damals  Assessor  S.  Officii,  —  habe  fast  12 
Jahre  bei  der  Uebersetzung  derselben  geschwitzt  (insudavi).  Unter 
den  Gelehrten,  die  zu  Käthe  gezogen  wurden,  waren  Athanasius 
Kircher  und  Lud.  Marraci,  die  jedenfalls  mehr  von  der  Sache  ver- 
standen als  Albizzi. 

In  den  folgenden  Indices  werden  unter  Laminae  die  betreffen- 
den Stücke  wie  in  dem  Breve  einzeln  aufgezählt;  seit  Ben.  steht 
nur  Laminae  plumbeae  et  membranae  Granatenses  im  Index.  — 
In  dem  span.  Index    von    1707    (und    dem    von  1747)    wird  unter 


1)  Historia  critica  de  los  falsos  cronicones,    por  D.  Jos6  Godoy  Al- 
cantara,    Madr.  1868,  p.  44.    Vgl.  Pelayo  2,  643.    Mich,  a  S.  Jos.  2,  359. 


Chronicon  Flavii  Lucii  Dextri.  249 

Laminas  das  Breve  abgedruckt  und  dabei  bemerkt:  alle  lateiniscben 
und  spanischen  Uebersetzungen,  auch  die  Informacion  para  la  histo- 
ria  del  Sacro  Monte  .  .  .  donde  parecieron  las  cenizas  de  San  Ce- 
cilio,  Tesifon  j  Hisicio,  discipulos  del  Apostol  unico  patron  de  las 
Espafias  Santiago,  y  otros  santos  discipulos  de  ellos  y  sus  libros 
y  escritos  en  laminas  de  plomo,  und  alle  anderen  vor  1682  darüber 
erschienenen  Schriften  seien  verboten ;  dieses  Verbot  beziehe  sich  aber 
nicht  auf  das,  was  bezüglich  der  in  dem  h.  Berge  gefundenen  Keli- 
quien  erklärt  worden  sei,  und  nicht  auf  deren  Verehrung.  In  dem 
span.  Index  von  1790  wird  ausser  dem  Index  von  1747  noch  ein 
Edict  der  Inquisition  vom  2.  Oct.  1777  citirt.  Dieses  wird  sich 
auf  eine  Erneuerung  des  Schwindels  beziehen,  die  in  der  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts  versucht  wurde  und  von  der  Vic.  de  la  Fuente  5,  406 
berichtet:  Cristobal  Medina  Conde  u.  a.  gruben  in  der  Nähe  von 
Granada  Tafeln  von  Kupfer,  Blei  und  Stein  ein,  mit  Inschriften,  in 
denen  die  Immac.  Conceptio  u.  a.  gelehrt  wurde.  Der  Betrug  wurde 
entdeckt  und  die  Fabricate  wurden  mit  den  dafür  geschriebenen 
Apologieen  verbrannt. 

Mit  den  Laminae  Granatenses  hängt  eine  andere  Fälschung 
zusammen.  1594  producirte  der  Jesuit  Hieronymus  Roman  de  la 
Higuera  zu  Toledo  (1563 — 1611),  angeblich  nach  einer  Fuldaer 
Handschrift,  ein  Chronicon  Flavii  Lucii  Dextri  aus  dem  5.  Jahr- 
hundert, später  auch  Fortsetzungen  dieser  Chronik  von  Marcus  Maxi- 
mus, Bischof  von  Saragossa,  und  von  Luitprand,  Bischof  von  Cremona, 
aus  dem  10.  Jahrhundert.  Alle  drei  enthalten  Zeugnisse  für  die 
Immac.  Conceptio,  Dexter  die  Mittheilung,  das  Fest  der  Imm.  Cono. 
sei  seit  der  Predigt  des  h.  Jacobus  in  Spanien  gefeiert  worden, 
ausserdem  Mittheilungen  über  den  Brief  der  h.  Jungfrau  an  die 
Messinesen  (s.  u.)  und  über  Heilige,  die  in  den  ersten  Jahrhunderten 
in  verschiedenen  spanischen  Städten,  namentlich  in  Toledo  gewirkt 
hätten.  Higuera  hat  alle  diese  Dinge  fabricirt;  sie  sind  aber  längere 
Zeit  von  vielen  für  echt  gehalten  worden:  die  Chronik  des  Dexter 
wurde  wiederholt  gedruckt,  1627  mit  einem  Commentar  und  einer 
Vertheidigung  ihrer  Echtheit  von  dem  spanischen  Cistercienser  Franc. 
Bivarius  (de  Bivar),  der  1652  auch  den  Marcus  Maximus  commen- 
tirte,  und  noch  1695  von  dem  Cardinal  Sfondrato  in  seiner  Inno- 
centia  vindicata  zu  Gunsten  der  Imm.  Conc.  citirt  (Bossuet  40,  209). 

—  Der  Bischof  Perez  von  Segorbe  erkannte  sogleich  auch  diese 
Fälschung.     Sie  wurde  ausführlich  nachgewiesen  von  Nie.  Antonio, 

—  die  Bleitafeln  vertheidigte  er;  seine  Censura  de  historias  fabu- 
losas  ist  1742  von  Mayans  edirt  worden,  —  und  von  dem  Card. 
Aguirre  in  seiner  Ausgabe  der  spanischen  Concilien.  Die  Index- 
Congr.  hat  von  diesen  Fälschungen  keine  Notiz  genommen.  Im 
J.  1630  hiess  es  zwar,  die  Chronik  des  Dexter  solle  verboten  werden. 
Der  Cardinal  Sandoval  y  Moscoso,  Bischof  von  Jaen,  der  nach  Rom 
reiste,  um  den  Hut  zu  holen,  beabsichtigte,  sich  der  Chronik  anzu- 
nehmen, und  liess  durch  Bivar  eine  Vertheidigung  schreiben,  — 
Urbano ,  .  S.  P.  pro  Fl.  L.  Dextro  libellus  supplex  et  apologeticus 
a  Fr.  Franc.  Bivario  porrectus,  19  Bl.  Fol.;  —  als  er  aber  in  Rom 


250  Fälschungen. 

ankam,    erfuhr  er,   dasB  die  Kachriclit,   man  wolle  die  Chronik  ver- 
bieten, ein  leeres  Gerücht  gewesen^). 

2.  Der  Brief  Mariae  an  die  Einwohner  von  Meßsina  ist  abge- 
druckt bei  Fabricius,  Cod.  apocr.  N.  T.  p.  849^).  Inchofer,  derselbe, 
der  in  dem  Galilei' sehen  Processe  eine  Rolle  spielte,  hatte  1629  zn 
Messina,  angeblich  im  Auftrage  des  dortigen  Senates,  in  Folio  eine 
Schrift  herausgegeben  unter  dem  Titel  Epistolae  B.  M.  V.  ad  Messa- 
nenses  veritas  vindicata  ac  plurimis  gravissimorum  scriptornm  testi- 
moniis  et  rationibus  illustrata.  Er  wurde  nach  Rom  citirt  und  die 
Schrift  mit  d.  c.  verboten,  dieses  Verbot  aber,  wie  es  scheint,  nicht 
publicirt,  weil  Inchofer  gleich  eine  nach  den  Weisungen  der  Index- 
Congr.  corrigirte  Ausgabe  publicirte:  De  epistola  B.  M.  ad  Messa- 
nenses  conjectatio  plurimis  rationibus  et  verosimilitudinibus  locuples, 
Viterbo  1632.  In  dem  Decrete  vom  19.  März  1633  wurde  die 
erste  Ausgabe  verboten,  die  zweite  freigegeben.  Gleichzeitig  wurde 
Vindicata  veritas  Panormitana  von  dem  Ex- Jesuiten  Franc.  (Man- 
fredi)  Baronio,  Ven.  1629,  verb.,  —  ob  auch  wegen  dieser  Sache, 
erhellt  nicht.  Im  falgenden  Jahre,  1634,  wurden  von  Rochus  Pir- 
rus'  (1577  —  1651)  Notitiae  Siciliensium  ecclesiarum  (Sicilia  sacra) 
die  ersten  Theile  (Vol.  I.  IL,  Palermo  1630.  33,  Philipp  IV.  ge- 
widmet) mit  d.  c.  verb.  Ob  in  dem  Abschnitt,  worin  er  die  Echt- 
heit des  Briefes  bestreitet,  etwas  beanstandet  wurde  oder  sonst 
etwas,  weiss  ich  nicht.  In  der  Vorrede  zu  ,  der  2.  Ausgabe  (von 
1644  (das  ganze  Werk  ist  abgedr.  im  2.  Bande  des  Thesaurus 
antiq.  Sicil.  von  Graevius  und  Burmann)  sagt  Pirrus  nur,  er  habe 
pauca,  quae  sapientibus  hominibus  displicuisse  sensi,  venerationis 
et  obsequii  causa  gestrichen.  Andere  Schriften,  welche  die  Echt- 
heit des  Briefes  vertheidigten,  z.  B.  zwei  1647  von  den  Jesuiten 
P.  Belli  und  G.  B.    Appiano  veröffentlichte    (Backer  s.  v.)  und  des 


1)  Godoy  p.  128.  227.  V.  de  la  Fuente  5,  398.  —  In  Migne's  Pa- 
trologia  t.  31  ist  das  Chronicon  Dcxtri  nach  der  Ausgabe  des  Bivarius 
vollständig  abgedruckt.  Auf  der  1.  Seite  steht  aber  unten  in  ganz  kleinem 
Druck,  es  werde  jetzt  allgemein  für  eine  Fälschung  aus  dem  16.  Jahrb. 
gehalten.  Backer  und  Hurter  s.  v.  Higuera  sagen  nichts  von  der  Fälschung. 
Hurter  erwähnt  sie,  ohne  Higuera  zu  nennen,  1,  648,  wo  er  von  Bivar 
spricht. 

2)  Bened.  XIV.  De  beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  26,  n.  7  erzählt  die  Legende ; 
Als  die  Messinesen  von  dem  h.  Paulus  hörten,  dass  Maria  noch  lebe, 
schickten  sie  Gesandte  an  sie  nach  Jerusalem,  die  einen  hebräisch  ge- 
schriebenen Brief  mitbrachten.  Dieser  wurde,  ,,wenn  dem  Flavius  Dexter 
zu  glauben  ist",  480  in  Messina  wieder  aufgefunden.  Benedict  erwähnt 
c.  81,  n.  26  die  Notiz  von  R.  Pirrus,  ein  Madonnenbild,  welches  man  sab 
tabulato  quodam,  italice  literio  s.  literino,  gefunden,  habe  den  Anlass  zu 
dem  Namen  S.  Maria  de  litera  gegeben.  Er  erwähnt  auch,  dass  schon 
liaronius,  Suarez  und  Brisighella  die  Legende  bestritten.  Mabillon,  De  re 
dipl.  p.  25  berichtet  nach  R.  Pirrus,  ein  griechischer  Bischof  sei  dabei 
ertappt  worden,  als  er  das  angebliche  Original  des  Briefes  vergraben,  da- 
mit man  es  auffinde.  —  Harenberg,  Gesch.  der  Jes.  S.  1028  verzeichnet 
ausser  den  im  Texte  erwähnten  noch  7  Schriften  von  Jesuiten  über  den 
Brief.  Vgl.   Mich,  a  S.  Jos.  3,  295. 


Brief  Mariac  in  Messina.     Jo.  Cala.  251 

Dominicaners  Th.  Spada  Due  discorßi  per  la  lettera  scritta  a'  Mes- 
sanesi  dalla  B.  Y.,  Messina  1654,  wurden  nicht  verb.,  und  1718 
erschien  zu  Rom  eine  Widerlegung  der  Argumente  von  Kochus 
PirruB  von  dem  Basilianer-Abt  Petrus  Mennitus.  1734  verbot  die 
Index-Congr.  ein  Buch  mit  dem  wunderlichen  Titel  Miklat  Mamer- 
tinum  ex  s.  bibliis  et  ss.  patribus  excerptum,  quo  urbs  Messana  ad 
suam  perpetuam  protectricem  Mariam  a  S.  Epistola  quotidie  refu- 
geret,  in  horas  precarias  distributum  per  Marianum  Jesuard  um, 
Messina  1725.  Aber  schon  1737  Hess  der  Jesuit  Ph.  Scelsi  (Backer 
s.  V.)  wieder  einen  Panegirico  in  onore  della  s.  lettera  etc.  drucken, 
der  nicht  verboten  wurde,  und  Benedict  XIV.  berichtet  von  einem 
Feste  der  S.  Maria  de  litera,  welches  in  Messina  und  in  der  Kirche 
der  Sicilianer  zu  Rom  gefeiert  werde,  und  von  Ablässen  für  den 
Besuch  dieser  Kirche  und  der  Capelle  S.  Maria  de  litera  im  Dome 
zu  Messina.  Ein  ernstliches  Einschreiten  gegen  den  Schwindel  wird 
man  mit  Rücksicht  auf  die  spanische  Regierung  nicht  gewagt  haben. 
—  Die  1.  Ausgabe  von  Inchofers  Buch  steht  übrigens  seit  1632 
auch  im  spanischen  Index  mit  d.  o. ;  es  werden  aber  nur  an  einer 
Stelle  5  Zeilen  gestrichen  und  an  einer  ein  Wort  geändert.  In  den 
späteren  span.  Indices  steht  auch  noch  eine  1675  zu  Messina  ge- 
druckte Orazione  panegirica  della  sacra  lettera  ecc.  von  GioseflFo 
Galessi.  Und  noch  1806  wurde  laut  dem  Index  von  1848  in  Spanien 
ein  Abdruck  des  Briefes  verboten  wegen  der  apokryphischeft  und 
abergläubischen  Note  dazu,  in  der  demjenigen,  der  den  Brief  bei 
sich  trage,  un  feliz  suceso  y  raras  maravillas  versprochen  werden. 
3.  Carlo  Cala,  Präsident  des  königlichen  Rathes  zu  Neapel, 
ein  angesehener  Jurist,  —  ein  Buch  von  ihm  steht  im  Index,  — 
Hess  sich  von  einem  Landsmann,  dem  Priester  Ferdinande  Stocchi 
(Lo  Stocco)  aus  Cosenza  in  Calabrien,  aufbinden,  in  der  Geschichte 
des  12.  Jahrb.  kämen  ein  Joannes  und  ein  Henricus  Cala  vor,  die 
Verwandte  Heinrichs  VI.  und  tapfere  Krieger  gewesen  seien;  Jo. 
Cala  sei  später  Einsiedler  geworden,  habe  Wunder  gewirkt,  prophe- 
zeit und  fromme  Bücher  geschrieben,  sei  von  den  Päpsten  wieder- 
holt um  Rath  gefragt  worden  und  überhaupt  das  Orakel  seiner  Zeit 
gewesen.  Von  Cala  mit  archivalischen  Nachforschungen  beauftragt, 
fand  Stocchi  in  mehreren  Archiven,  u.  a.  in  zwei  Römischen,  die 
gewünschten,  von  ihm  selbst  fabricirten,  Urkunden.  Darauf  erschien : 
Istoria  dei  Suevi  nel  conquisto  de'  regni  di  Napoli  e  di  Sicilia 
per  rimperatore  Enrico  VI.,  scritta  da  Carlo  Cala,  con  la  vita  del 
B.  Giovanni  Cala,  capitan  generale  che  fü  di  detto  Imperatore,  e 
la  giunta  di  opere  di  antichissimi  autori  sopra  la  vita  cosi  secolare 
come  ecclesiastica  del  medesimo  Beato,  Napoli  1660,  Fol.  (Melzi  2, 
47).  Das  Buch  wurde  Alexander  VII.  gewidmet;  die  Inquisition 
verbot  aber  die  Fortsetzung  des  Druckes.  Einige  Jahre  später  ver- 
öffentlichte Cala  De  gestis  Suevorum  in  utraque  Sicilia  et  de  hello 
cum  Normannis  .  .  .  militiae  principibus  Jo.  Cala,  postea  Beato  .  .  . 
Neapel  1665,  2  vol.  —  Stocchi  wusste  es  auch  einzurichten,  dass 
man  die  Gebeine  des  sei.  Jo.  Cala  auffand,  —  es  sollen  Eselsknochen 
gewesen  sein,    —    es    wurde    eine  Procession    mit  denselben  veran- 


262  Nonnen-Offenbarungen. 

staltet,  —  Stocchi  soll  wälireiid  derselben  leise  gebetet  baben :  Feli- 
ces  asini,  qui  tot  meruistis  bonores,  Quot  jam  Romulei  vix  meruere 
duces,  —  der  Generalvicar  von  Cassano,  Hyacintbus  Micelli,  Hess 
sieb  bestimmen,  1678  zu  erklären:  Joannem  Cala  anacboretam  fuisse 
in  quasi  possessione  cultus  atque  ideo  in  ca  manutenendum,  und 
Neapel  wurde  nun  mit  Bildern  und  Medaillen  des  sei.  Cala  über- 
schwemmt. Die  Geschiebte  kam  dadurch  aus,  dass  ein  Mitschul- 
diger Stoccbi*s  sie  dem  Jesuiten  Pietro  Giustiniani  di  Scio  beichtete 
und  dieser  sich  von  ihm  ermächtigen  Hess,  den  Betrug  aufzudecken, 
ohne  ihn  zu  nennen.  Die  Inquisition  wurde  nun  durch  anonyme 
Denunciationen  aufmerksam  gemacht  und  erliess  Fer.  V.  27.  Juni 
1680  ein  Decret,  worin  sie  das  Decret  des  General vicars  cassirte, 
jeden  Cultus  des  Jo.  Cala  untersagte  und  verordnete,  die  Gebeine 
auf  dem  gewöhnlichen  Begräbnissplatze  zu  begraben  und  die  Bilder 
und  Medaillen  zu  vernichten.  Alle  geschriebenen  und  gedruckten 
Bücher  und  Blätter,  über  die  Heiligkeit,  Wunder  u.  s.  w.  des  Cala 
und  Abschriften  und  Abdrücke  des  Decretes  des  Generalvicars 
wurden  bei  den  Strafen  des  Index  und  des  Decretes  Urbans  VIII. 
vom  5.  Mai  1639  verboten.  Dieses  Decret  wurde  fast  wörtlicli  den 
folgenden  Indices  (unter  Libri)  einverleibt.  Im  span.  Index  steht 
nur  C.  Cala,  De  gestis  etc.^). 


37.     Nonnen-Offenbarungen. 

Von  den  zahlreichen  Offenbarungen,  welche  Klosterfranen 
erhalten  haben  wollen,  haben  keine  die  Römischen  Behörden 
80  viel  beschäftigt  wie  die  der  Maria  von  Agreda,  f  1665.  Ihre 
zuerst  1670  gedruckte  „mystische  Stadt  Gottes"  wurde  1681  von 
der  Inquisition  verboten,  das  Verbot  aber  von  Innocenz  XL  dem 
spanischen  Hofe  zu  Gefallen  suspendirt.  Seitdem  wurde  bis 
zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  wiederholt  darüber  verhandelt. 
Das  Urtheil  der  Inquisition  ist  aber  weder  förmlich  publicirt, 
noch  aufgehoben  worden,  und  es  liesse  sich  darüber  streiten, 
ob  das  Buch  der  Agreda  zu  den  verbotenen  Büchern  gehört  oder 
nicht,   wenn  es   nicht,    —  abgesehen    davon,  dass  es  nicht  im 


1)  Das  Decret  der  Inq.  steht  bei  Bened.  XIV.  De  beatif.  2,  8,  eine 
ausführliche  Darstellung  der  ganzen  Geschichte  nach  den  Acten  der  In- 
quisition im  Giornale  eccl.  VlI  (Rom  1792),  No.  13.  1793  erschienen  zu 
Rom:  In  Suevorum  et  Beati  Cala  adulterinam  historiam  adnotationes  [von 
P.  Paoli,  Präsident  der  Accademia  de'  Nobili]  latine  redditae  [von  Conte 
Azzolini  di  Brounfort];  Giorn.  eccl.  VIII,  No.  12. 


Maria  von  Agreda.  253 

Index  steht,  —  in  vielen  Ausgaben  mit  Gutheissung  der  kirch- 
lichen Behörden  verbreitet  wäre.  —  Dagegen  stehen  seit  dem 
Ende  des  17.  Jahrhunderts  im  Index  ähnliche  Schriften  einer 
andern  spanischen  Nonne,  Hippolyta  Rocaberti,  und  seit  1758 
ein  in  München  gedrucktes  deutsches  Heftchen  mit  Offenba- 
rungen einer  Clarissin. 

1.  Maria,  geboren  1602  zu  Agreda,  seit  1627  Oberin  des  dor- 
tigen, von  ihrer  Matter  gegründeten  Klosters  der  Franciscanerinnen, 
t  1665,  schrieb,  wie  ihre  Biographen  berichten,  auf  Befehl  ihres 
Beichtvaters  die  ihr  zu  Theil  gewordenen  Offenbarungen  auf,  ver- 
brannte das  Buch  auf  Befehl  eines  andern  Beichtvaters,  und  schrieb 
es  dann,  nachdem  der  erste  Beichtvater  wieder  eingetreten,  zum 
zweiten  Male.  Von  der  ersten  Aufzeichnung  war  eine  Abschrift  in 
den  Händen  Philipps  lY.  geblieben;  eine  Yergleichung  zeigte,  dass 
die  zweite  fast  wörtlich  damit  übereinstimmte.  Das  Buch  erschien 
gedruckt  unter  dem  Titel :  Mystica  Ciudad  de  Bios,  milagro  de  su 
omnipotencia  y  abismo  de  la  gracia.  Historia  divina  y  vida  de  la 
Yergen  Madre  de  Bios,  Eeyna  y  Sefiora  nuestra  Maria  santisima, 
restauradora  de  la  culpa  de  Eva  y  medianera  de  la  gracia.  Mani- 
festada en  estos  Ultimos  siglos  por  la  misma  Sefiora  a  su  esciava 
Sor  Maria  de  Jesus,  Abadesa  de  el  convento  de  la  Immaculada  Cou- 
cepcion  de  la  yilla  de  Agreda  .  .  .  para  nueva  luz  del  mundo,  ale- 
gria  de  la  Iglesia  catolica  y  confianza  de  los  mortales,  Madrid 
1670,  3  Partes  in  4  vol. 

Im  J.  1673  beschloss  die  Congregation  der  Eiten  die  Einlei- 
tung des  Seligsprechungsprocesses  der  Agreda.  1677  beauftragte 
sie  den  Card.  Portocarrero,  unter  Zuziehung  von  Consultoren  die 
Schriften  der  Agr.  zu  prüfen.  Mit  diesen  beschäftigte  sich  aber 
auch  die  Inquisition,  und  am  4.  Aug.  1681  wurde  ein  Fer.  V.  26. 
Juni  unter  dem  Yorsitz  Innocenz'  XI.  beschlossenes  Decret  ange- 
heftet, durch  welches  alle  Bände  der  „Stadt  Gottes**  einfach  ver- 
boten wurden.  In  dem  Gutachten  eines  Qualificators  der  Inquisition, 
auf  welches  hin  das  Yerbot  erfolgte  und  welches  den  Yertretem 
derjenigen,  welche  die  Seligsprechung  der  Agreda  betrieben,  mit- 
getheilt  wurde,  wird  hervorgehoben:  die  Yerfasserin  canonisire  als 
göttliche  Offenbarungen  die  besonderen  theologischen  Ansichten  der 
scotistischen  Schule  (bezüglich  der  Imm.  Conc.  und  anderer  Punkte) ; 
das  Buch  enthalte  vieles,  was  der  gesunden  Lehre  widerspreche, 
manches  Falsche,  Apokryphische  und  Unwahrscheinliche;  es  lehre, 
Fleisch  und  Blut  Mariae  seien  propria  specie  in  der  Eucharistie  ge- 
genwärtig und  könnten  durch  einen  besondem  Cult  verehrt  werden , 
Maria  selbst  habe  alljährlich  am  8.  Dec.  das  Gedächtniss  ihrer  Imm. 
Conc.  gefeiert,  sei  an  diesem  Tage,  an  allen  Sonntagen  und  an  an- 
deren Tagen  von  Engeln  in  den  Himmel  getragen  worden,  und  auf 
Erden  habe  unterdessen  ein  Engel  ihre  Stelle  eingenommen  u.  s.  w. 
Zur  weitern  Charakteristik  des  Buches  mögen  gleich  hier  noch  einige 
Auszüge  aus  den    später  von  Theologen    der   Hönnschen  Inquisition 


264  Nonnen-Ofifenbarangen. 

abgegebenen  Gutachten  beigefügt  werden:  Das  Buch  soll  göttliche 
Offenbarungen  enthalten,  von  denen  Christus  gesagt:  Ich  habe  euch 
noch  vieles  zu  sagen,  aber  ihr  könnt  es  jetzt  nicht  tragen.  Es  be- 
richtet: Maria  wurde  gleich  nach  ihrer  Geburt  von  Engeln  in  den 
Himmel  getragen  und  sah  dort  die  Trinität  per  visionem  beatificam; 
je  hundert  Engel  aus  jedem  der  neun  Chöre  waren  ihre  Schutzengel, 
zwölf  dienten  ihr  in  sichtbarer  Gestalt;  als  Kind  bat  sie  die  h. 
Anna,  ihr  ein  Kleid  zu  machen  ähnlich  dem  der  Ciarissen ;  sie  wollte 
auch  die  vier  Gelübde  ablegen  (der  Keuschheit,  der  Armuth,  des 
Gehorsams  und  der  perpetua  inclusio),  Gott  gestattete  ihr  aber  nur, 
das  der  Keuschheit  abzulegen;  Maria  war  bei  der  Verklärung  des 
Herrn  mit  zugegen;  bei  dem  letzten  Abendmahl  reichte  ihr  der 
Engel  Gabriel  die  Eucharistie;  diese  blieb  in  ihrer  Brust  unter  dem 
Herzen,  bis  nach  der  Auferstehung  Christi  der  h.  Petrus  zum  ersten 
Male  die  h.  Messe  las  und  ihr  die  Communion  reichte;  Maria  be- 
suchte den  h.  Jacobus  in  Saragossa  und  überbrachte  ihm  den  Befehl 
Christi,  dort  ihr  zu  Ehren  eine  Kirche  zu  bauen,  in  welcher  ihre 
Marmorstatue  aufgestellt  und  von  Engeln  bewacht  wurde  ^).  —  In 
der  gleich  zu  erwähnenden  Censur  der  Sorbonne  werden  mehrere 
Stellen  nicht  angeführt,  sondern  nur  die  Seitenzahlen  des  Bnches 
angegeben  mit  der  Bemerkung,  dieselben  seien  castarum  anrium 
offensivae;  ein  Römischer  Censor  weist  auf  die  mehr  als  unanstän- 
dige Beschreibung  der  Geisselung  Christi  hin  2).  Ein  Römischer 
Censor  constatirt,  dass  vieles  aus  den  Revelationen  des  sei.  Amadeus, 
anderes  aus  apokryphischen  Evangelien  stamme ;  ein  anderer  ver- 
muthet,  das  Buch  sei  von  einem  andern  verfasst,  Agr.  habe  es  nur 
aus  Gehorsam  copirt  und  zugegeben,  dass  es  unter  ihrem  Namen 
veröffentlicht  werde,  weil  man  ihr  gesagt,  das  werde  Gott  und  der 
h.  Jungfrau  zur  Ehre  gereichen. 

Die  Hand  oder  der  Einfluss  eines  Franciscaners  ist  in  dem 
Buche  gar  nicht  zu  verkennen.  Was  vom  3.  bis  8.  Capitel  steht, 
sagt  Bossuet  (30,  639),  ist  nichts  als  eine  subtile  Scholastik  nach 
den  Principien  des  Duns  Scotus.  Gott  selbst  trägt  diese  Scholastik 
vor  und  erscheint  dabei  als  erklärter  Scotist.  Dieser  Umstand  und 
namentlich  die  Bestätigung  der  Lehre  von  der  Imm.  Conc.  war  der 
Grund,  weshalb  die  Franciscaner  für,  die  Dominicaner  gegen  das  Buch 
Partei  ergriffen.  Letztere  waren  bei  der  Römischen  Inq.  und. Index- 
Congr.  einflussreich,  aber  erstere  fanden  mächtige  Bundesgenossen 
in  den  Jesuiten  und  im  spanischen  Hofe,  und  die  Rücksichtnahme 
auf  diesen  ist  in  der  Angelegenheit  der  Agreda  noch  stärker  ge- 
wesen als  bei  dem  Streite  über  die  Schriften  des  Raymundus  LuUas 
(I  S.  31).  König  Carl'  IL  von  Spanien,  die  Königin  Louise  nnd 
die  Königin  Mutter  Marianne  beschwerten  sich  über  das  Inquisitions- 


1)  Es  ist  die  Maria  del  Pilar.  Im  span.  Index  von  1790  werden  unter 
Examen  die  Schriften  verb.,  welche  „die  Tradition  von  der  Reise  Mariae 
nacli  Saragossa*'  bestreiten. 

2)  Weitere  Auszüge  im  Deutschen  Merkur  1870,  90.  Vgl.  E.  Amort, 
De  revelationibus  p.  227. 


Maria  von  Agreda.  256 

decret  von  1681  bei  Innocenz  XI.  Er  antwortete  ihnen  in  Breven 
vom  9.  !Nov.  1681 :  auf  ihren  Wunsch  habe  er,  obschon  dieses  gegen 
die  Praxis  der  Inq.  Verstösse,  das  Decret  suspendirt  (supersedendum 
duximus,  heisst  es  in  einem,  sisti  jussiraus  rei  cursum  in  dem  an- 
dern Breve);  der  Nuucius  Meilini  sei  beauftragt,  ihnen  weiteres 
mitzutheilen.  Jedenfalls  gestattete  die  span.  Inquisition  1686  aus- 
drücklich das  Lesen  des  Buches.  Carl  II.  schrieb  später  an  Alexan- 
der VIII.:  er  habe  gehört,  man  wolle  in  Rom  die  Schriften  der 
Agr.  verbieten ;  in  seinem  Gebiete  würden  sie  gedruckt  und  gelesen, 
nicht  nur  mit  Erlaubniss  der  Inq.,  die  nach  einer  elfjährigen  Prüfung 
keinen  Anlass  zu  einem  Verbote  gefunden,  sondern  auch  auf  Grund 
des  Breves  Innocenz'  XI.;  der  Papst  möge  die  Schriften  allgemein 
freigeben,  und  wenn  man  in  Rom  an  etwas  darin  Anstoss  nehme, 
möge  man  die  Franciscaner  darüber  hören.  Der  Papst  liess  durch 
den  Gesandten  antworten :  eine  neue  Verordnung  über  die  Schriften 
sei  nicht  im  Plane;  nach  dem  Breve  supersessorium  dürften  sie  (in 
Spanien)  gelesen  werden.  Carl  II.  bat  auch  Innocenz  XII.  1692 
und  1696,  das  Lesen  der  Schriften  allgemein  zu  gestatten;  der 
Papst  antwortete  beide  Male,  er  habe  fromme  und  gelehrte  Männer 
(die  Cardinäle  Campegna,  Spada  und  Laurea)  mit  einer  nochmaligen 
Prüfung  beauftragt. 

In  der  1692  gedruckten  Appendix  zu  dem  Index  von  1681 
(S.  34)  steht  auch  das  Buch  der  Agr.  Die  Franciscaner  beschwerten 
sich  darüber,  und  der  Papst  befahl,  dasselbe  in  den  folgenden  Index- 
Ausgaben  wegzulassen  (es  steht  nur  in  jener  Appendix  und  in  dem 
Abdruck  derselben  in  dem  Elenchus,  Nancy  1709).  —  Im  J.  1697 
erklärten  die  Cardinäle  Casanate  und  Noris  den  spanischen  Fran- 
ciscanern  in  Rom,  an  eine  neue  ihren  Wünschen  entsprechende  Ent- 
scheidung sei  nicht  zu  denken.  Als  aber  1713  der  Bischof  und  der 
Inquisitor  von  Ceneda  das  Buch  der  Agr.  als  ein  verbotenes  be- 
zeichneten, cassirte  die  Inq.  26.  Sept.  1713  diese  Erklärung,  weil 
das  Decretum  supersessorium  noch  in  Kraft  sei^). 

Der  1 695  zu  Marseille  erschienene,  von  zwei  Pariser  Doctoren 
approbirte  erste  Band  einer  französischen  Uebersetzung:  La  mystique 
Cite  de  Dieu  ....  traduite  de  l'espagnol  par  le  P.  Thomas  Croset, 
Recolet,  veranlasste  die  Sorbonne,  sich  mit  dem  Buche  zu  beschäf- 
tigen. Es  wurden  zunächst  22.  Mai  1696  6  Doctoren  mit  der  Prü- 
fung beauftragt  ;  deren  Bericht,  in  welchem  viele  Sätze  scharf  kriti- 
sirt  wurden,  wurde  gedruckt.  Der  Nuncius  bemühte  sich  auf  Be- 
treiben der  Franciscaner  vergeblich,  die  Discussion  zu  verhindern. 
Beim  Beginne  derselben  sprach  der  Franciscaner  Merom  von  zwei 
Breven,  in  denen  der  Papst  sich  die  Sache  reservire,  und  drohte, 
wenn  man  weiter  gehe,  an  den  Papst  zu  appelliren.  Es  stellte  sich 
aber  heraus,  dass  die  Breven  nicht  existirten.  Es  wurde  nun,  da 
152  Doctoren  ihr  Votum  abgaben  und  von  den  Vertheidigem  der 
Agr.  einige  4 — 6  Stunden  sprachen,  vom  14.  Juli  bis  17.  Sept.  1696 


1)  E.  Amort,  Controvorsia  de  reveiationibus  Agred.  p.  10. 


256  Nonnen-OffenbaruDgen. 

discutirt  und  dann  mit  einer  Mehrheit  von  50  Stimmen  die  Ver- 
dammung des  Buches  beschlossen,  welches  viele  temeräre  Sätze, 
Fabeln  und  apokryphische  Träumereien  enthalte  und  die  katholische 
Religion  der  Verachtung  der  Gottlosen  und  der  Ketzer  preisgebe, 
mit  der  Erklärung,  die  Facultät  wolle  damit  der  Verehrung  Mariae 
und  dem  Glauben  an  die  Imm.  Conc.  und  die  leibliche  Himmelfahrt 
Mariae  nicht  zu  nahe  treten^). 

Unter  Benedict  XIII.  wurden  1729  auf  den  Antrag  der  Po- 
stulatoren  für  die  Seligsprechung  der  Agreda  die  Verhandlungen 
über  das  Buch  wieder  aufgenommen  und  unter  Clemens  XII.  bis 
1734  fortgesetzt.  Die  Replik  auf  die  Censur  der  Inq.  vom  J.  1681 
wurde  einer  Commission  von  Cardinälen  überwiesen,  von  denen  der 
Dominicaner  Gotti,  ein  Gegner  der  Agr.,  eine  besonders  hervor- 
ragende Rolle  gespielt  zu  haben  scheint.  Es  erschien  ein  Decret, 
worin  das  Buch  der  Agr.  freigegeben  wurde ;  dasselbe  wurde  aber 
alsbald  für  erschlichen  erklärt ^j. 

Unter  Benedict  XIV.  kam  die  Sache  wieder  zur  Verhandlung. 
Der  Promotor  fidei,  der  Consistorialadvocat  Lud.  de  Valentibus  ver- 
fasste  1747  eine  ausführliche  Zusammenstellung  der  Bedenken^), 
und  der  Papst  schrieb  dann  an  den  General  der  Observanten,  Ra- 
phael  a  Lugagnano  16.  Jan.  1648:  Bisher  habe  man  nur  über  die 
Frage  verhandelt,  ob  das  Buch  der  Agr.  gelesen  werden  dürfe; 
jetzt  handle  es  sich  um  eine  Prüfung  desselben  behufs  Seligsprechung 
der  Verfasserin.  Dabei  kämen  mehrere  Punkte  in  Betracht.  Zu- 
nächst sei  zu  beweisen,  dass  das  Buch  wirklich  von  Agr.  geschrieben 
sei,  und  zu  dem  Ende  seien  die  beiden  Manuscripte  desselben  mit 
dem,  was  sie  sonst  geschrieben,  durch  Sachverständige  zu  vergleichen ; 
dann  sei,  da  auch  behauptet  worden  sei,  sie  habe  das  Buch  zwar 
geschrieben,  aber  verfasst  habe  es  ihr  Beichtvater,  das  Buch  hin- 
sichtlich des  Stiles  mit  den  unzweifelhaft  echten  Schriften  der  Agr. 
zu  vergleichen.  Drittens  sei  der  Inhalt  des  Buches  zu  prüfen  und 
dabei  seien  auch  das  Urtheil  der  Sorbonne  und  die  Entgegnung  des 
Card.  Aguirre  und  die  Schriften  des  Eusebius  Amort  zu  berück- 
sichtigen.    Der  Card.  Aguirre*)    behaupte  zwar,   die  Sorbonne  habe 


1)  Arg.  III  a  150.  Jourdain  Bist.  p.  281.  Bossuet,  Oeuvres  30,  637; 
40,  172.  204  etc. 

2)  E.  Amort,  De  revelationibus  p.  220. 

8)  abgedr.  bei  E.  Amort,  Controv.  p.  19;  ib.  p.  90  das  Breve. 

4)  Ueber  den  Cardinal  Aguirre  macht  Bossuet  in  seinen  Briefen 
(40,  205)  böse  Mittheilungen.  Am  10.  Juni  1696  schreibt  er:  „Aguirre 
will  sich  nicht  aussprechen;  er  will  das  Buch  nicht  gutheissen,  aber  auch 
nicht  verdammen,  was  seine  Nation  und  sein  König  gutheissen**;  4.  Sept.: 
„Aguirre  hat  endlich  offen  gesprochen;  man  ist  dahinter  gekommen,  dass 
die  Approbation  des  Buches  die  Wirkung  einer  Hofcabale  ist,  und  der 
Cardinal  hat  sich  in  Rom  meinem  Neffen  gegenüber  ziemlich  unumwunden 
darüber  geäussert";  3.  März  1698  (41,  92):  „Aguirre  hat  dem  Abbe  de 
Pomponne  einen  pitoyablen  Brief  über  die  Mere  d'Agreda  geschrieben; 
er  sagt,  diese  Affaire  könne  zu  einer  Erneuerung  des  Krieges  zwischen 
den  beiden  Kronen  führen." 


Maria  von  Agreda.  257 

die  von  ihr  censurirten  Sätze  aus  der  fraDzÖBisohen  üebersetzuDg 
entnommen,  nnd  diese  sei  nngenau ;  aber  eben  diese  Uebersetzang 
werde  in  einem  von  den  Postulatoren  eingereichten  Actenstücke  bis 
in  den  Himmel  erhoben.  Noch  nnter  Benedict  XIY.  erklärte  die 
Riten-Congr.  7.  Mai  1757,  es  sei  erwiesen,  dass  Agr.  das  Bach  ge- 
schrieben^), aber  erst  unter  Clemens  XIV.,  9.  März  1771,  der  Stil 
desselben  stimme  so  genau  mit  dem  ihrer  unzweifelhaft  echten 
Schriften  überein,  dass  man  annehmen  müsse,  sie  habe  das  Buch 
auch  verfasst  (A.  J.  P.  2,  2332).  —  Theiner  (Clemens  XIV.,  I, 
319)  berichtet:  Carl  III.  habe  bei  Clemens  XIV.,  der  als  (Francis- 
caner-)Cardinal  Postulator  für  die  Beatificatiou  der  Agr.  und  des 
Bischofs  Palafox  gewesen,  1769  auf  die  Beendigung  der  beiden  Pro- 
cesse  gedrungen;  der  französische  Gesandte  in  Madrid  habe  an 
Choiseul  geschrieben :  der  Papst  wünsche  durch  die  Approbation  des 
Buches  der  Agr.  die  Definition  der  Imm.  Conc.  vorzubereiten ;  es 
wäre  traurig,  wenn,  nachdem  der  Streit  über  die  Bulle  Ünigenitus 
eben  zu  Ende  sei,  nun  ein  neuer  Streit  über  die  Imm.  Conc.  ent- 
stände; er  möge  doch  in  Kom  gegen  das  Project  wirken;  Choiseul 
habe  denn  auch  in  diesem  Sinne  an  den  Card.  Bemis  geschrieben. 

Unter  Benedict  XIV.  schrieb  Eusebius  Amort  1744—61 
mehrere  Bücher  über  die  Agr.  und  wurde,  zumal  er  dabei  auch 
(in  der  Controversia  de  revelationibus  Agredanis,  1746)  bedenkliche 
Aeusserungen  über  die  Imm.  Conc.  gethan,  von  den  Franciscanem 
bei  dem  Kurfürsten  von  Baiem  verklagt  und  von  diesem  die  Nova 
demonstratio  de  falsitate  revelationum  Agredanarum,  1751,  verboten. 
Benedict  XIV.  lobte  brieflich  einige  Schriften  von  Amort.  Der  Mag. 
S.  Pal.  gab  sein  Buch  De  revelationibus,  visionibus  et  apparitionibus 
privatis,  1744,  dem  P.  Mamachi  zur  Prüfung;  dieser  fand  aber 
nichts  daran  zu  tadeln  als  den  schlechten  Stil^). 

Eine  definitive  Entscheidung  über  das  Buch  der  Agr.  ist  weder 
unter  Clemens  XIV.  noch  später  erfolgt.  In  den  A.  J.  P.  10,  454 
wird  berichtet:  im  April  1866  sei  durch  ein  vom  Papste  bestätigtes 
Decret  der  Index-Congr.  dem  Secretär  derselben  die  Weisung  ge- 
geben worden,  auf  etwaige  Anfragen  zu  antworten,  das  Buch  der 
-Agr«  gehöre  zu  den  verbotenen  Büchern.  Aber  damit  stimmt  doch 
nicht,  dass  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  Uebersetzungen  und  Be- 
arbeitungen des  Buches  mit  Approbationen  erschienen  sind  und  dass 
eine  ausführliche  Apologie  desselben  von  dem  Abt  Gueranger  von 
Pins  IX.  belobt  worden  ist^j. 


1)  Agreda  hatte  einige  Briefe  an  Giulio  Hospigliosi  als  Nuncius  in 
Madrid,  Cardinal  und  Papst  (Clemens  IX.)  geschrieben.  Da  sie  sich  nir- 
gends, auch  nicht  in  den  Archiven  der  Rospigliosi  und  Pallavicini,  fanden, 
forderte  Card.  Chigi,  Präsident  der  Riten-Conjz^r ,  durch  ein  Edict  vom 
2f».  Jnni  1768  unter  Androhung  der  reservirten  Excommunication  alle, 
die  von  den  Briefen  etwas  wüsstcn,  auf,  sich  zu  melden.  Es  kam  nichts 
zu  Tage.  A.  J.  P.  2,  2952. 

2)  Friedrich,  Beitr.  zur  K.-G.  des  18.  Jahrh.  S.  17. 

3)  Deutscher  Merkur   1876,   72.     Eine   1880   zu   Turin    erschienene 
Reusch,  Index   n.  X7 


iteS  Konnen-Ofifenbarungen. 

2.  Isabella  de  Eocaberti  y  Solier,  geb.  um  1550  zu  Barce- 
lona, wurde  1567  Dominicanerin,  —  ihr  Ordensname  war  Hippolyta 
de  Jesus»  —  t  1624.  Als  ihr  Seligsprechungsprocess  in  Rom  ein- 
geleitet war,  —  1676  wurden  in  der  Druckerei  der  apost.  Kammer 
zu  Rom  Informationes  pro  beatificatione  et  canonizatione  Yen.  Servae 
Dei  Hippolytae  de  Jesus  .  .  .  monialis  Ord.  S.  Dom.  gedruckt,  — 
beauftragte  ihr  Neffe,  der  Dominicaner  Jo.  Thomas  de  Rocaberti, 
seit  1676  Erzbischof  von  Valencia,  —  er  wurde  1095  General- 
Inquisitor,  t  1699,  und  ist  bekannt  als  Herausgeber  der  Bibliotheca 
pontificia  in  21  Bänden  (Hurter  2,  351),  —  seinen  Ordensgenossen 
Antonius  de  Lorea,  die  Schriften  der  Nonne,  von  denen  ein  Buch 
De  la  penitencia,  temor  de  Dios  y  meditaciones  celestiales  mit  einer 
Oracion  que  se  tuvo  en  las  honras  de  la  Ven.  Madre  Sor  Hipp,  de  Jesus 
von  dem  Jesuiten  Jaime  Puig  bereits  1643  zu  Barcelona  gedruckt 
war,  herauszugeben.  Dieselben  erschienen  zu  Valencia  1679 — 85 
in  15  Bänden.  Lorea  veröif entlichte  auch  £pitome  de  la  prodigiosa 
vida,  virtudes  y  admirables  escritos  de  la  Ven.  Madre  Hipp,  de 
Jesus  y  Rocaberti,  sacada  de  los  procesos  de  su  beatificacion  y  ca- 
nonizacion  y  otros  documentos  autenticos,  Valencia  1679,  212  S. 
Fol.  Aber  1.  Dec.  1687  wurde  nicht  nur  diese  Biographie  verb., 
sondern  auch  schon  einige  Schriften  der  Rocaberti  selbst,  und  bis 
1700  folgte  das  Verbot  weiterer  Schriften,  nach  Qu^tif,  quod  quas- 
dam  visiones  parum  graves  decentesque  exhiberent;  das  Verbot 
einiger  Bücher  wird  aber  wohl  mit  der  Verdammung  der  Lehre  des 
MolinoB  (1687)  zusammenhangen.  —  Das  Verzeichniss  der  13  Schrif- 
ten, die  verb.  wurden,  drei  mit  d.  c,  die  anderen  unbedingt,  füllt  im 
Index  fast  eine  Seite.  Es  finden  sich  darunter  zwei  Bände  De  los 
sagrados  huesos  [Knochen]  de  Cristo  und  Alaban<;as  de  los  divinos 
huesos  in  7  Büchern.  Die  anderen  Titel  klingen  unverfänglicher : 
mystische  Auslegung  des  Hohen  Liedes  und  des  Salve  Regina, 
Tractat  von  den  h.  Engeln  u.  s.  w.  ^). 

Auffallender  Weise  steht  weder  im  Rom.  noch  im  span.  Index 
ein  span.  Buch  von  Luis  de  Mesa,  Vida  y  virtudes  de  la  Ven.  Sor 
Marianna  de  Jesus,  Madr.  1661,  obschon  die  darin  mitgetheilten 
Offenbarungen  der  1620  gestorbenen  Franciscaner-Tertiarierin  von 
dem    Dominicaner   Cayetano    Benitez    de   Lugo    als    Consultor    der 


italienische  üebersetzung  wird  in  der  Civ.  catt.  S.  11,  vol.  6  (1881),  p.  92 
gelobt.  —  Die  oben  im  Text  benutzten  Actcnstücke  stehen,  wo  nicht  eine 
andere  Quelle  angegeben  wird,  in  den  A.  J.  P.  6,  1549.  2073.  Die  p.  2180 
angekündigte  Fortsetzung  des  Aufsatzes  ist  nicht  erschienen;  aber  A.  J.  P. 
9,  44  stehen  noch  einige  scharfe  Bemerkungen  über  Agr.  —  Der  Jesuit 
d'Avrigny,  dessen  Memoires  ja  aber  anonym  erschienen,  spricht  IV,  48 
spöttisch  von  der  Sache  und  meint,  es  wäre  sehr  gut  gewesen,  wenn  der 
erste  Beichtvater  das  Buch  ebenso  beurtheilt  hätte  wie  der  zweite;  es 
habe  die  Seligsprechung  der  Agr.  nicht  gefördert  und  Bayle  Anläse  ge- 
geben de  debiter  bien  des  sottises. 

1)  Quctif  (2,  844)  hat  nicht  alle  Bände  der  Gesammt- Ausgabe  ge- 
sehen; sein  Verzeichniss  der  Schriften  ist  aus  dem  Index  zu  vervollstän- 
digen; er  verzeichnet  aber  einige  Schriften,  die  nicht  verb.  sind. 


Hippolyta  Rocaberti  u.  a.  25^ 

Riten-Congr.  in  einem  1731  abgegebenen  Yotum  und,  als  dieses 
angegriffen  wurde,  in  einer  1735  in  der  Cameraldruckerei  zu  Rom 
gedruckten  Assertio  et  justificatio  voti  etc.  (abgedr.  A.  J.  P.  19, 
528)  sehr  scharf  kritisirt  wurden  und  der  Beatificationsprocess  dar- 
auf abgebrochen  wurde. 

8.  1731  veröffentlichte  der  Benedictin  er  Bern.  Pez  zu  Wien 
zwei  wunderliche  Stücke  aus  dem  13.  und  12.  Jahrb.:  Ven.  Agnetis 
Blannbekin  .  .  .  Vita  et  revelationes  auctore  anonyme  Ord.  FF. 
Min.  .  .  Accessit  Pothonis  ...  1.  de  miraculis  S.  D.  G.  Mariae 
(456  S.  8.).  Der  Kaiser  Carl  VI.  liess  auf  Betreiben  des  Grafen 
Sinzendorf  und  des  Bibliothekars  Garelli  das  Buch  wegen  seines 
anstössigen  Inhalts,  namentlich  wegen  einer  das  Praeputium  Christi 
betreffenden  Stelle  in  den  Revelationen  der  Nonne  confisciren  ^).  Es 
steht  auch  in  dem  Wiener  Index  von  1765.  Im  Rom.  Index  steht 
dieses  Buch  nicht,  aber  unter  Libellus  stehen  noch  heute  zwei 
Ausgaben  eines  deutschen  Schriftchens,  von  denen  die  eine  1758 
von  der  Inq.,  die  andere  1765  verb.  worden  (dem  deutschen  Titel 
ist  eine  latein.  resp.  Italien.  Uebersetzung  beigefügt).  Der  Titel  eines 
in  der  Münchener  K.  Bibliothek  aufbewahrten  Exemplares  (einer 
andern  Ausgabe)  lautet:  3)ie  fünf}el^en  geheime  Serben,  fo  einer 
©d^toefler  9lamen8  SRagbalena  im  Älofter  gfre^burg,  @t.  ßlarä  Crbenä 
uttb  im  Sllul^m  groffer  ^eiligleit,  öon  ß^rifto  3efu  felbften  geoffenbaret 
tootbcn.  aOBie  aud^  nad^  bem  Slblebcn  in  il^ren  ©d^riften  biefe  fotgenbe 
Offenbarung  fid^  befunben.  2Rit  Setnittigung  her  ^ol^en  Cbrigleit. 
^ünd^en,  3U  ftnben  be^  ber  Jter^Ierin  in  ber  @ruft.  Es  ist  ein  Heftchen 
von  8  Octavblättern.  Als  Probe  der  geheimen  (d.  h.  nicht  in  den 
Evangelien  erwähnten)  Leiden  Christi  mag  angeführt  werden:  7.  Sie 
schlugen  mich  durch  einen  Nagel  an  das  Erdreich  und  zogen  mich 
also  bei  den  Beinen  von  der  Statt.  8.  Sie  durchstachen  mich  mit 
mannigfaltigen  Waffen  an  den  hinteren  Theilen  meines  Leibes.  9. 
Sie  schlugen  mich  mit  Steinen  und  brannten  mich  mit  Fackeln  und 
Glut.  11.  Sie  begossen  mir  die  Wunden  mit  wallendem  Blei  und 
Pech.  Das  Schriftchen  ist  noch  1820  wieder  gedruckt  und  von  der 
baierischen  Regierung  1824  verb.  worden  (s.  u.). 

Im  19.  Jahrb.  ist  man  gegen  „Offenbarungen"  von  Nonnen 
sehr  nachsichtig  geworden.  A.  J.  P.  9,  39  wird  Klage  darüber 
geführt,  dass  die  Werke  der  Marie  Lataste  ohne  die  durch  Urban  VIII. 
1625  vorgeschriebene  Erlaubniss  des  h.  Stuhles  (S.  223)  wiederholt 
gedruckt  worden  seien,  —  mit  bischöflicher  Approbation;  sie  auf 
den  Index  zu  setzen,  davon  ist  nie  die  Rede  gewesen,  —  und  wird 
folgendes  daraus  mitgetheilt :  sie  erzählt,  sie  habe  in  der  Brust  des 
Heilands  geweilt;  dieser  habe  sein  Herz  in  das  ihrige  gelegt;  sie 
sei  in  den  Himmel    und   in  die  Mitte    der  drei  göttlichen  Personen 


1)  Hadriani  Pontii  Epist.  ad  amicum  qua  . . .  historiam  libri  rarioris 
exponit,  qoi  inscribitur:  Ven.  Agnetis  .  .  .  Adjectae  sunt  .  .  .  R.  P.  Pezii 
et  111.  Garellii  Biblioth.  Caes.  de  hoc  libro  epistolae,  1735,  32.  S.  8.  Fleur. 
74,  114.  ü.  N.  1732,  291. 


i60  Schriften  über  Orden. 

versetzt  worden;  Jesus  habe  ihr  geoffenbart,  er  habe  zwei  Jahre 
nur  von  der  Milch  Mariae  gelebt;  le  lait  ne  venait  au  sein  de  ma 
mere  que  lorsque  je  devais  teter,  dreimal  im  Tage  zu  bestimmten 
Stunden;  die  Schönheit  Christi  werde  als  eine  beaut^  physique  etlascive 
geschildert;  sie  habe  in  einer  Vision  die  Accidentien  des  Brodes  von 
der  Substanz  der  Eucharistie  getrennt  gesehen  u.  dgl. 


38.     Schriften  über  Orden. 

Der  Index  enthält  sehr  viele  Schriften  über  Orden.  Schrif- 
ten gegen  den  Ordensstand  überhaupt  oder  gegen  bestimmte 
Orden  bilden  darunter  die  Minderzahl,  die  Mehrzahl  Schriften 
von  Ordenslenten  selbst,  in  denen  sie  ihren  Orden  ungebührlich 
verherrlichen  oder  andere  herabsetzen  oder  welche  mit  den 
mancherlei,  durchgängig  kleinlichen  Streitigkeiten  der  Orden 
unter  einander  zusammenhangen.  In  den  Decreta  generalia 
steht  II,  12  das  1658  erlassene  Verbot  aller  ohne  Erlanbniss 
der  (Index-)Congregation  gedruckten  oder  zu  druckenden  Bücher, 
welche  die  Controverse  über  die  wahre  und  ununterbrochene 
Nachfolge  der  Söhne  des  h.  Franciscus  und  über  die  wahre 
Form  seiner  Capnze  behandeln,  und  III,  8  das  1663  erlassene 
Verbot  aller  Inschriften  auf  Bildern  des  h.  Franciscus  und  des 
h.  Antonius  von  Padua,  in  welchen  gesagt  wird,  die  Foim  des 
Habites,  in  welcher  sie  abgebildet  werden,  sei  diejenige,  die 
sie  selbst  getragen,  oder  in  denen  behauptet  wird,  dieser  oder 
jener  Orden  des  h.  Franciscus  sei  die  wahre,  legitime  und  unun* 
terbrochene  Nachfolge  desselben.  —  Ausserdem  stehen  im  Index 
Schriften  über  die  Streitigkeiten  der  Franciscaner  und  Domi- 
nicaner, der  Augustiner- Eremiten  und  Augustiner-Chorherren,  der 
Augustiner- Chorherren  und  Benedictiner,  der  Benedictiner  und 
Hieronymiten,  der  Mercedarier  und  Trinitarier.  Auch  einige  die 
Ordenstraditionen  der  Carmeliter  betreffende  Schriften  stehen 
im  Index,  auffallender  Weise  aber  nicht  das  von  Innocenz  XII. 
1698  ausgesprochene  Verbot  aller  Streitschriften,  die  darüber 
noch  erscheinen  würden.  Der  Streit,  welcher  darüber  zwischen 
Carmelitern  und  Jesuiten  geführt  wurde,  führte  in  Spanien  1695 
zu  einem  (1715  wieder  aufgehobenen)  Verbote  von  14  Bänden 


Capuciner  und  Fraiiciscaner.  261 

der  Acta  Sanctoram  der  Bollandisten.    In  Rom  warde  nur  ein 
Band,  und  dieser  aus  einem  andern  Grunde,  verboten. 

1.  Im  Auftrage  des  Generalcapitels  der  Capuciner  schrieb 
Zaccaria  Boverio,  —  Theologe  des  Cardinais  Franc.  Barberini  auf 
seiner  Legation  in  Frankreich  und  Spanien,  dann  Consultor  der  In- 
quisition, —  die  Geschichte  des  Ordens :  Annalium  sive  sacrarum 
historiarum  Ordinis  Minorum  S.  Francisci  qui  Capucini  nuncupantur 
Tom.  L,  Lugd.  1632,  Fol.  (1525-80).  Der  2.  Band  (1580—1612) 
erschien  erst  nach  seinem  Tode  (1638)  1639  (der  3.,  1612—38, 
von  Marcellino  da  Pisa,  erst  1676).  Es  erschien  auch  eine  italie- 
nische üebersetzung :  Annali  de'  Cappuccini  del  Z.  Boverio  tradotti 
in  volgare  da  Benedetto  San-Benedetti,  Ven.  1643,  4  vol.  4.  (auch 
eine  spanische  Üebersetzung,  Madrid  1644,  3  Fol.,  eine  französische 
erst  1675),  Das  Buch  wurde  von  den  Franciscanern  scharf  ange- 
griffen und  1651  (Alex.  No.  55)  wurden  die  beiden  Bände  des  Ori- 
ginals und  die  italienische  Üebersetzung  mit  d.  c.  verboten.  Im 
folgenden  Jahre,  19.  Nov.  1652,  gab  die  Index-Congr.  die  bean- 
standeten Stellen  an  und  gestattete,  das  Buch  nach  dieser  Expurgation 
neu  zu  drucken.  Das  Decret  steht  nicht  bei  Alex.;  aber  im  Index 
steht  seit  Alex.,  die  nach  demselben  corrigirten  Ausgaben  beider 
Bücher  seien  freigegeben.  Es  scheinen  aber  keine  neuen  Ausgaben 
gedruckt  zu  sein^).  —  1656  wurde  ein  zweites  Buch  eines  Capu- 
ciners  mit  d.  c.  verboten:  Lectiones  paraeneticae  ad  regnlam  Sera- 
phici  Patris  S.  Francisci  .  .  .  Auct.  Fr.  Cypriano  Crousers  Ant- 
werpiensi,  Col.  1625,  —  1658  ein  drittes:  Vera  et  dilucida  expli- 
catio  praesentis  status  totius  seraphicae  Fratrum  Minorum  religionig 
a  sancto  et  magno  Francisco  Patriarcha  inclito  numine  divino  inspi- 
rante  fundatae.  Per  R.  P.  Fr.  Bonitum  Combasson  Sabaudum, 
Friburgi  1628  (Aug.  Vind.  1630*.  104  S.  12.),  worin  der  Orden 
des  h.  Franciscus  über  alle  Orden,  der  Capucinerorden  über  alle 
alle  anderen  Zweige  desselben  erhoben  wird.  Gleichzeitig  wurde 
aber  auf  Betreiben  der  Capuciner  unbedingt  verboten  ein  prachtvoll 
ausgestattetes,  mit  75  Kupferstichen  illustrirtes,  von  einem  Laien 
geschriebenes,  aber  nach  dessen  Tode  von  seinem  Bruder,  einem 
Minoriten  herausgegebenes  und  einem  Cardinal  gewidmetes  Werk: 
Fiume  del  terrestre  paradiso  diviso  in  quattro  capi  o  discorsi.  Trat- 
tato  difensivo  del  Signor  Dottor  Don  Niccolö  Catalano  da  S. 
Mauro,  ove  si  ragguaglia  il  mondo  della  veritä  dell'  antica  forma 
deir  abito  de*  frati  minori  instituita  da  S.  Francesco.  Dato  alle 
stampe  dal  P.  M.  Giulio  Ant.  Catalano  da  S.  Mauro,  Min.  Prov.  di 
S.  Niccol6  Min.  Conventuale  .  .  .  dedicato  .  .  .  al  Card.  Pier  Luigi 
Carafa,  Prefetto  della  S.  Congr.  del  Concilio,  Florenz  1652,  4. 
Albit.  p.  283  sagt,  es  sei  als  injuriös  für  den  Capucinerorden  verb. 


1)  Mazzuchelli  2,  1915.  Niceron  25,  319.  Clement  5,  151.  Pragm. 
Gesch.  der  Mönchsorden  7,  44  (hier  werden  Auszüge  aus  dem  Buche  ge- 
geben). 


262  Schriften  über  Orden. 

worden.  —  Das  Decret  von  1658  (Alex.  No.  67)  enthält  auch  das 
allgemeine  Verbot,  welches  Ben.  in  die  Decr.  gen.  aufgenommen. 
Unter  dieses  fällt  auch  das  nicht  speciell  verbotenene  Buch  von 
Boverio :  Demonstrationes  undecim  de  vera  habitus  forma  a  S.  Fran- 
cisco instituta.    Ad  Urbanum  Ylll.f  Lugd.   1632. 

l^ach  diesem  Verbote  wurde  der  Streit  über  das  Habit  des 
h.  Franciscus  nicht  mehr  mit  Büchern,  aber  mit  Bildern  weiterge- 
führt. Die  Capuciner  Hessen  zu  Verona  ein  Bild  des  h.  Antonius 
von  Padua  im  Capucinerhabit  drucken  mit  der  Unterschrift:  La  vera 
forma  dell'  abito  di  S.  Francisco.  Die  Congregation  der  Riten  be- 
fahl ihnen,  unter  Bezugnahme  auf  das  Decret  von  1658,  das  in  la 
piü  vera  zu  corrigiren  (A.  J.  P.  20,  486).  Die  Index-Congr.  aber 
erweiterte  das  Verbot  von  1658  durch  ein  Verbot  in  einem  Decrete 
vom  20.  Nov.  1663  (Alex.  No.  78),  dessen  Inhalt  von  Ben.  in  die 
Decr.  gen.  lU,  8  aufgenommen  wurde.  Der  Streit  brach  nach 
wenigen  Jahren  wieder  aus.  Die  Franciscaner-Conventualen  stellten 
mit  Erlaubniss  Innocenz^  X.  in  Neapel  ein  Bild  des  h.  Antonius  in 
ihrem  Habit  aus,  wurden  aber  von  der  Congr.  der  Riten  15.  Jan. 
1667  ermahnt,  ne  victoriam  et  triuraphum  jactarent,  da  die  Contro- 
verse  über  das  Habit  des  h.  Franciscus  mit  jener  vom  Papste  er- 
theilten  Erlaubniss  nicht  entschieden  sei.  Nun  stellten  die  Capuciner 
in  Neapel  ein  Bild  des  h.  Antonius  in  ihrem  Habite  aus ;  das  wurde 
von  der  Riten-Congr.  19.  Nov.  1667  verboten.  Die  Conventualen 
Hessen  das  betreifende  Decret  drucken  und  deuteten  es  dahin,  dass 
der  h.  Antonius  überhaupt  nicht  im  Habite  der  Capuciner,  sondern 
nur  in  dem  der  Conventualen  abgebildet  werden  dürfe.  Die  Riten- 
Congr.  erklärte  darauf  21.  Juli  1668,  jenes  Verbot  gelte  nur  für 
Neapel,  und  22.  Jan.  1707  ((xardelHni  4,  3612),  es  sei  den  Capu- 
cinern  gestattet,  Bilder  des  h.  Antonius  im  Capucinerhabit  aufzustellen 
und  auch  bei  Processionen  ausserhalb  ihrer  Kirchen  umherzutragen, 
aber  nicht  unter  solchen  Bildern  Inschriften  anzubringen,  worin  das 
Capucinerhabit  als  die  verior  forma  des  Habits  des  h.  Franciscus 
bezeichnet  werde.  Benedict  XIV.,  der  über  diese  Controverse  ganz 
ernsthaft  berichtet  (Beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  21,  n.  11;  vgl.  A.  J.  P. 
20,  486),  sagt,  jetzt  stelle  jeder  Zweig  des  Franciscanerordens  die 
beiden  Heiligen  mit  Habiten  nach  seinem  Schnitt  aus^). 

Auch  die  anderen  Zweige  des  Franciscanerordens  hatten  Fehden 
unter  einander.  Urban  VIII.  verbot  15.  Mai  1628  unter  Androhung 
der  Excommunication,  zu  behaupten,  die  Conventualen  seien  nicht 
wahre  und  echte  Söhne  des  h.  Franciscus  (A.  J.  P.  20,  485),  und 
Melzi  2,  164  erwähnt  eine  zu  Lucca  1748 — 50  in  3  Quartbänden  er- 
schienene Apologie  eines  Minoriten  gegen  eine  der  Riten-Congr.  vor- 
gelegte Schrift,  worin  mit  historischen  Gründen  bewiesen  war,  dass 
alle  HeiHgen  und  SeHgen  der  beiden  ersten  Jahrhunderte  des  Francis- 


1)  Im  span.  Index  steht  auch  eine  Cuestion  medica  moral  von  dem 
Arzte  J.  B.  Manganeda  über  die  Sitte  der  Capuciner,  auch  während  schwerer 
Krankheiten  die  Kutte  auf  blossem  Leibe  zu  tragen,  Cordova  1679. 


Franciscaner  und  Doininioaner.  268 

canerordens  ansschliesslicb  den  Conventnalen  angehörten.  Diese 
Controverse  hat  aber  keine  Spuren  im  Index  hinterlassen.  Nur  im 
Bpan.  Index  steht  eine  Schrift  von  Juan  de  Solana,  worin  bewiesen 
werden  soll,  die  Observanten  seien  die  echten  Söhne  des  b.  Fran- 
ciscus.  Mit  irgend  einer  Franciscan er- Angelegenheit  hängt  aber  zu- 
sammen das  Verbot  der  Croniche  della  Eiforma  di  Basilicata  da 
Fra  Buonaventura  fAbbate)  di  Laurenzana,  Neapel  1683,  verb. 
1690;  denn  nach  Toppi  handelt  es  sich  in  dem  Buche  um  die  Pro- 
vinz Basilicata  des  Ordens  der  Observanten.  Mit  irgend  einem 
Streite  im  Franciscanerorden  in  Spanien,  über  den  ich  nichts  ge- 
funden, hangen  zusammen  eine  Elucidatio  veritatis  von  Jo.  Alvin 
(Albin),  der  als  General  der  Minoriten  bezeichnet  wird,  und  Re- 
tractorias  vozes  von  dem  Minoriten  Julian  Chumillas,  die  beide 
1693  verb.  wurden.  Dies  letztere  steht  auch  im  span.  Index  als 
1750  verb.  und  wird  dort  als  ein  Papel  von  3  Blättern  und  als 
vom  24.  Juli  1692  datirt  bezeichnet.  —  Fulgentio  Manfredi,  von 
dem  1605  Apologia  sopra  la  riformatione  deir  ordine  suo  contra 
quelli  che  sotto  pretesto  di  riformare  lo  diiformano^  verb.  wurde, 
war  nach  Alex.  No.  5  ein  Observant. 

Im  Rom.  (nicht  im  span.)  Index  steht  seit  1665:  Naturae 
prodigium  et  gratiae  portentum  h.  e.  Seraphici  P.  Francisci  vitae 
acta  ad  Christi  Domini  vitam  et  mortem  regulata  et  coaptata  a  P. 
Petro  de  Alva  et  Astorga  0.  Min.,  Madr.  1651,  Fol.,  worin  4000 
Aehnlicbkeiten  zwischen  dem  h.  Franciscus  und  Christus  nachge- 
wiesen werden,  während  in  dem  Liber  conformitatum  des  Bartholo- 
maeus  von  Pisa  doch  nur  40  nachgewiesen  waren  ^).  Gleichzeitig 
wurde  ein  Buch  eines  Gehülfen  Alva's  verb.:  Juizio  de  Salomon 
acerca  de  averiguar,  quien  sea  la  verdadera  niadre  de  un  hijo  11a- 
mado  antiguamente  Continuo,  despues  Glossa  conti nua,  y  ahora  Ca- 
tena  aurea,  sacado  a  luz  y  dispuesto  por  el  P.  Fr.  Martin  Perez 
de  Guevara  del  Orden  de  los  Menores,  1662,  worin  bewiesen  werden 
soll,  dass  die  Catena  aurea  des  Dominicaners  Thomas  von  Aquin 
ein  Plagiat  aus  einem  Werke  des  Franciscaners  Pontius  Carbo- 
nellus  sei  ^). 

2.  Mit  den  Dominicanern  zankten  sich  die  Franciscaner  nicht 
nur  über  die  Immaculata  Conceptio,  sondern  auch  über  andere  Dinge, 
unter  anderen  über  die  Stigmatisation,  welche  diese  als  eine  Art 
von  Privilegium  ihres  Ordensstifters  anzusehen  geneigt  waren.  Der 
ans  ihrem  Orden  hervorgegangene  Papst  Sixtus  IV.  verordnete  1475, 
nur  der  h.  Franciscus  dürfe  mit  den  Wundmalen  abgebildet  werden, 


1)  I  S.  238.  Pragm.  Gesch.  der  Mönchsorden  7,  145.  247.  278.  Cle- 
ment 1,  231.  Biblioth.  raisonuee  31,  1,  287.  —  Im  span.  Index  werden 
Conclusiones  verb.,  welche  Franciscaner  1742  vertheidigt  hatten,  darunter: 
Corpus  S.  P.  N.  Francisci,  ut  proponitur  sacris  stigmatibus  insignitum, 
est  adorabile  cultu  respectivo  latriae,  und  wird  (1747)  in  den  Asserta 
theologica  des  Minoriten  B.  G.  Deccrra  die  Quaestio  gestrichen  :  Qua  ado- 
ratioue  sit  adorabile  corpus  parentis  nostri  S.  Francisci. 

2)  Vinc.  BaroDi  Apol.  l,  222.  Mich,  a  S.  Jos.  3,  446. 


264  Schriften  über  Orden. 

und  verbot  1472  speciell,  zu  sagen  und  zu  predigen,  auch  die  b. 
Catharina  von  8iena  habe  das  charisma  stigmatum  gehabt,  und  sie 
mit  den  Stigmata  abzubilden.  Innocenz  YlII.  schärfte  dieses  letzte 
Verbot  ein  und  befahl,  auf  den  vorhandenen  Bildern  der  h.  Catha- 
rina die  Stigmata  zu  beseitigen.  Unter  dem  Dominicaner  -  Papst 
Pius  V.  wurde  aber  bei  der  Revision  des  Breviers  ein  ausführlicher 
Bericht  über  die  Stigmatisation  der  h.  Catharina  in  ihrem  Officium 
approbirt  und  das  Abbilden  derselben  mit  den  Stigmata  gestattet. 
Clemens  VIII.  verbot,  über  die  Sache  zu  streiten.  Benedict  XIII. 
gestattete  den  Dominicanern  1727  ein  Officium  in  honorem  impres- 
sionis  stigmatum  in  corpore  S.  Catharinae  Senensis  nach  Analogie 
des  Officium  in  hon.  impr.  st.  in  corp.  S.  Francisci,  welches  seit 
Paul  V.  im  Rom.  Brevier  (17.  Sept.)  steht  i).  —  1738  liessen  die 
Dominicaner  zu  Palma  theologische  Conclusionen  drucken  mit  einem 
Titelbild,  worauf  die  sei.  Lucia  de  Narni,  eine  Dominicanerin,  mit 
den  Stigmata  dargestellt  war.  Die  Minoriten  beklagten  sich  bei  dem 
Bischof  und  dieser  verbot  die  Conclusionen  bei  Strafe  der  Excommu- 
nication.  Die  Dominicaner  appellirten  nach  Rom  und  die  Riten- 
Congr.  erklärte  es  1740  nach  Anhörung  beider  Orden  für  erlaubt, 
die  sei.  Lucia  mit  den  Stigmata  abzubilden  (A.  J.  P.  1,  1240). 
Auf  Grund  des  Verbotes  Clemens'  VIII.  kamen  in  den  Index:  Re- 
ligiosa  difesa  del  singolar  favore  delle  sagratissime  stimraate  del 
raffigurato  di  Cristo  S.  Francesco,  fatta  da  S.  F.  Ugolini,  verb. 
1669,  und  Dialogo  traumatico  regulär,  en  el  cual  hablan  tres  pa- 
dres  del  orden  de  S.  Domingo  como  censores  de  un  tratado  intitu- 
lado :  El  humano  Seraphin  y  unico  Llagado  de  como  solo  el  glorioso 
Padre  nuestro  S.  Francisco  etc.,  Genua  1690,  verb.  1700,  —  erst 
seit  Ben.  unter  dem  Namen  des  Verfassers,  Pedro  San  che  z  Arroyo, 
Min.  Conv.,  —  wie  Benedict  XIV.  1.  c.  berichtet,  verboten,  weil 
der  Verfasser  bei  der  Besprechung  eines  Streites,  der  in  Mexico 
über  ein  Bild  des  h.  Domin icus  mit  den  Stigmata  entstanden  war, 
behauptet  hatte,  es  sei  unpassend  (nee  decuisse  nee  decere),  dass 
ein  Weib  stigmatisirt  werde,  was  man  mit  Recht  als  eine  Stichelei 
(suggillatio)  auf  die  Stigmata  der  h.  Catharina  aufgcfasst  habe.  Im 
Span.  Index  steht  nicht  der  Dialogo,  aber  El  humano  Seraphin  y 
unico  Llagado,  tratado  apologetico,  mit  dem  Namen  des  Verfassers, 
Fr.  Martin  del  Castillo. 

3.  Wie  Franciscaner  und  Capuciner,  so  befehdeten  einander 
auch  Augustiner-Eremiten  und  Augustiner-Chorherren  (Canonici  re- 
guläres; K.-L.  1,1657.  Pragmat.  Gesch.  5,319).  Von  den  auf  diese 
Fehde  bezüglichen  Schriften  stehen  im  Index:  Prosperi  Stellartii 
Augustiniomachia  i.  e.  pro  Augustino  et  Augustinianis  vindiciae 
tutelares,  Lugd.  1613,  verb.  1622,  von  dem  belgischen  Augustiner 
P.  Stellaerts  zu  Gunsten  der  Eremiten  geschrieben  (Paquot  2,  161); 
—  Jos.  Mozzagrugni  Narratio  rerum  gestarum  Canonicorum  regu- 
larium,  in  qua  praeter    eorum  originem,  ....  praecellentiam,  habi- 


1)  Bened.  XIV.  Beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  8,  n.  4. 


Augustiner  und  Benedictiner.  265 

tum,  reform ationes  in  Universum  praecipue  recensentur  reformatio 
ßjnsdem  Ordinis  in  Canonicos  reguläres  congregationis  S.  Salvatoris 
Ordinis  S.  Aug.  necnon  privilegia  etc.,  Ven.  1622,  4.,  verb.  1624 ; 
—  Apologeticus  tripartitus  pro  D.  Augustini  triplici  epistola  per 
modum  libelli  supplicis  oblatus  Summo  Pontiüci,  supremae  Pari- 
siorum  Curiae  et  Generali  Eremitarum  Ordinis,  in  quo  multae  quae- 
stiones  de  D.  Augustino  ejusque  ordine  solvuntur,  opera  ac  studio 
Prancisci  Renati  Equitis  Gallo-Belgici,  Lugd.  1645,  8.,  verb.  1646, 
^egen  die  Augustiner-Chorberren,  speciell  gegen  eine  spaniscbe  Schrift 
,,der  goldene  Leuchter  im  Tempel  Salomo's**,  von  dem  Augustiner* 
Eremiten  Carl  Moreau  geschrieben,  von  seinen  Freunden  veröffent- 
licht. Der  Verfasser  des  goldenen  Leuchters  denuncirte  das  Buch 
bei  der  Index-Congr.,  die  dasselbe  nicht  des  Inhalts,  sondern  der 
icherzhaft-satirischen  Form  wegen  verboten  haben  soll.  Darauf  er- 
schien Yindiciae  quadripartitae  pro  D.  Augustino  et  Augustinianis 
s.  epitome  omnium,  quac  disputari  hactenns  solent  circa  D.  Augustini 
)pera  quaedam,  monachatum,  habitum,  regulam,  calceaturam,  anti- 
juitatem  Ordinis  Eremitarum  ejusque  approbationem  et  reformationem. 
[Jbi  examinatur  Candelabrum  aureum  .  .  .  op.  et  studio  F.  Garoli 
lloreau,  Ord.  Erem.  S.  Aug.  Communitatis  Bituric,  Antw.  1650,  4. 
^uch  dieses  Buch  wurde  denuncirt  und  Moreau  nach  Rom  citirt. 
[Cr  schrieb  nun  Ad  Emin.  Cardinales  negotiis  et  consultationibus 
»piscoporum  et  regularium  praepositos  pro  Vindiciis  . . .  Apologeti- 
sns  11.  Oct.  1651  (nicht  gedruckt),  und  wurde  freigesprochen^). 

Stärkere  Spuren  hat  der  Rangstreit  zwischen  den  Augustiner- 
Chorherren  und  den  Benedirtinern  im  Index  znrückgelassen:  Mure- 
lulae  sacrae  vestis  sponsae  regis  vermicnlatae.  Opus  de  privilegiis 
»rdinum  regularium,  auth.  Virginio  Alviset  Bisontino,  Ven.  1661, 
^erb.  1664.  Opus  de  privilegiis  ordinum  regularium  et  in  specie 
le  privilegiis  ordinis  Bonedicti,  1673  und  Kempten  1679,  wird  eine 
xpurgirte  Ausgabe  desselben  Buches  sein.  Erath  in  dem  gleich 
n  erwähnenden  Buche  ist  besonders  verdriesslich  über  eine  Ge- 
chichte,  worin  ein  Bauer  über  das  Habit  der  Chorherren  spottet, 
ie  Alviset  aus  einer  Schrift  des  Bischofs  P.  Camutz  (Camus)  auf- 
:enommen.  —  Commentarius  theologico-juridico-historicus  in  regulam 
I.  P.  N.  Augustini  .  .  .  Auth.  D.  Augustino  Erath,  Eccl.  coUeg. 
d  B.  V.  in  Wettenhausen  Canonico  regulari.  Tom.  1.,  Wien  1689, 
50  S.  Fol.  —  Antilogia  s.  juridico-historica  defensio  et  responsio 
d  praejudicia  ecclesiasticae  hierarchiae,  clero,  specialiter  cathedrali 
t  Ordini  S.  Benedicti  illata  a  D.  Aug.  Erath  ....  studio  et 
pera  Dom.  Eusebii  Carlymmeshin  Castroferrariensis,  Wien  1715 
von  Anselm  Schramb,  Benedictiner  in  Melk),  beide  verboten  in 
inem  Decrete  der  Index-Congr.  vom  13.  Juli  1717,  in  welchem 
ugleich  beiden  Theilen  und  jedermann  Schweigen  aufgelegt  wird 
iber  die  in  diesen  Büchern  verhandelte  controversia  praecedentiae 
wischen  den  Canonici  reguläres  und  den  Benedictinern.    Erath  Hess 


1)  Villani,  Visiera  alzata  p.  108.  Pragm.  Gesch.  5,  880;  6,  53. 


266     .  Schriften  über  Orden. 

wegen  dieses  Verbotes  dem  ersten  Bande  keine  weiteren  folgen  (er 
schrieb  auch  Acta  pro  coaeva  exemptione  cathedralis  Ecclesiae  Passa- 
viensis  contra  subjectionem  metropolitanae  Eccl.  Salisburgiensis ; 
anch  bezüglich  dieses  Streites,  über  den  in  Wien  und  bei  der  Rö- 
mischen Eota  verhandelt  wurde,  wurde  Schweigen  geboten).  Aber 
in  Hildesheim  vertheidigte  den  Vorrang  der  Benedictiner  Benedictus 
St  ölte  in  dem  Tractatus  historico-juridicus  de  praecedentia  contro- 
versa  monachos  Benedictinos  inter  et  Canonicos  reguläres  S.  Au- 
gustiui,  Erfurt  1730.  Das  Buch  wurde  in  Rom  denuncirt  und  1731 
verboten.  Die  Chorherren  hefteten  das  Decret  an  den  Kirchenthüren 
an;  der  Abt  von  Gladbach,  Praeses  der  Bursfelder  Congregation, 
schrieb  nach  Rom  und  erhielt  zur  Antwort,  das  Buch  sei  nur  ver- 
boten, weil  überhaupt  verboten  sei,  über  dieses  Thema  zu  schreiben; 
der  Streitfrage  selbst  werde  damit  nicht  präjudicirt.  Ohne  Zweifel 
wurde  auch  von  des  Augsburger  Benedictiners  Corbinian  Khamm 
Hierarchia  Augustana  der  Prodromus  partis  III.  Regularis,  Augsb. 
1717,  1721  darum  verb.,  weil  darin  p.  145  eine  Abhandlung  De 
praerogativa  praecedentiae  Canonicorum  Reg.  Ord.  S.  Aug.  steht. 
—  1734  verbot  die  Index-Congr.  Repartie  de  M.  Tabbe  de  St. 
Gilles  ä  la  protestation  de  M.  Tabbe  de  Boneffe  du  2.  de  May, 
1732,  und  Apologie  pour  les  Religieux  Benedictins  du  diocise 
et  pays  de  Liege  touchant  leur  pres^ance  et  prirogatives,  pour  ser- 
vir  de  r^ponse  ä  un  ecrit  intitul6  Repartie  etc.,  1732.  Sie  fügte 
nun  aber  gleich  bei,  die  Schriftchen  würden  verboten  ob  transgres- 
sionem  impositi  silentii  etc.,  was  im  Index  billiger  Weise  auch  bei 
Stolte  (und  Ehamm)   stehen  sollte^). 

4.  Mit  einer  ganzen  Reihe  von  Schriften  ist  der  Index  be- 
reichert worden  durch  die  Streitigkeiten  zwischen  den  beiden  Orden, 
die  sich  mit  der  Loskaufung  der  Gefangenen  beschäftigten,  den  Tri- 
nitariern,  —  Ordo  Sanctissimae  Trinitatis  redemtionis  captivomm 
(della  redenzione  de'  schiavi  oder  del  riscatto,  in  Frankreich  Mathu- 
rins genannt),  gestiftet  1198  von  Job.  de  Matha  und  Felix  von 
Valois,  —  und  den  Mercedarien,  —  Ordo  B.  Mariae  de  Mercede 
redemtionis  captivomm  (auch  de  Remedio),  gestiftet  1235  von  Petrus 
Kolascus.  Im  J.  1663  beklagten  sich  die  Mercedarier  bei  dem 
Papste,  die  Trinitarier  behaupteten,  die  Loskaufung  der  Gefangenen 
sei  nicht  schon  in  der  ursprünglichen  Regel  des  Ordens  als  Zweck 
desselben  bezeichnet;  dieses  werde  namentlich  in  einer  1660  zu  Rom 
gedruckten  Biographie  der  Stifter  des  Trinitarier-Ordens  von  Franc, 
di  S.  Lorenzo  behauptet.  Die  Trinitarier  ihrerseits  sagten,  die  Mer- 
cedarier behaupteten  von  ihnen  ähnliches.  Der  Papst  beauftragte 
den  Secretär  der  Riten-Congr.,  Febeo,  zwischen  den  Generalprocura- 
toren  der  beiden  Orden  Frieden  zu  stiften,  und  diese  versprachen 
denn  auch,  das  Vortragen  jener  Behauptungen  zu  verbieten.  In  dem 
incriminirten  Buche  befahl    die   Riten-Congr.    die   betreffende   Stelle 


1)  Ziegelbauer,  Hist.  rei  lit.  1,  622  (hier  ist  auch  das  Index -Decret 
von  1717  abgedruckt).  Clements,  94.  Ueber  den  Streit  zwischen  den  beiden 
Orden  in  Burgund  s.  Dupin  19,  25.  Valery,  2,  130.  150. 


Trinitarier  und  Mercedarier.  267 

in  einer  neuen  Ausgabe  zu  corrigiren  (A.  J.  P.  8, 1140).  Ausserdem 
scheinen  sich  aber  in  den  Abläse- Verzeichnissen  der  beiden  Orden 
und  der  mit  ihnen  verbundenen  Bruderschaften  Unrichtigkeiten  ge- 
funden zu  haben.  Denn  in  dem  Decrete  der  Index-Congr.  vom 
10.  Apr.  1666  finden  sich  unter  der  Ueberschrift:  Libelli  quidam 
continentes  indulgeniias,  gratias,  privilegia  etc.  confraternitatis  S. 
Trin.  de  Hedemtione  Captivorum  et  B.  M.  de  Remedio  ausser  dem 
Compendio  della  vita  miracolosa  dei  Santi  Giovanni  de  Matha  e 
Feiice  Yalesio,  con  una  brevissima  dichiaratione  delle  s.  indulgenze 
von  Franc,  di  S.  Lorenzo  noch  8  Ablass-Bncher  und  Ablasszettel, 
die  seit  Ben.  unter  Lorenzo,  Compendio,  Confr^rie,  Institutione  und 
Sommario  stehen,  ausserdem  J.  Jenny n,  Vera  confraternitatis  S. 
Trin.  de  Red.  Capt.  et  B.  M.  de  Remedio  nee  non  vitae  SS.  Patriar- 
charum  Joannis  et  Felicis  idea.  Schon  1621  war  ein  derartiges 
Ablassverzeichnißs  (jetzt  unter  Indulgenze)  mit  d.  c.  verb.  1694 
wurde  eines  (jetzt  unter  Sommario)  von  der  Inq.  verboten,  mit  dem 
Zusätze:  impressum,  ut  falso  dicitur,  Romae  cum  insignibus  Inno- 
centii  XII.  et  Relig.  Captiv.  —  1714  wurde  ein  Rosaire  verboten 
(S.  218),  dann  1714 — 18  noch  drei  Ablassverzeichnisse  von  der  Ab- 
lass-Congr.  (jetzt  unter  Sommario;  vgl.  Bull.  cont.  II,  444 — 446). 
In  den  beiden  letzten  ist  auch  von  einem  Scapolario  ovvero  abitino 
der  Trinitarier  die  Rede;  es  ist  das  weisse  Scapulier,  von  welchem 
Schneider  S.  308  ausführlich  handelt  (Keusch,  Die  deutschen  Bischöfe 
S.  39).  Auch  die  unter  Sanz  stehenden  spanischen  Thesen  werden 
mit  diesen  Ordensstreitigkeiten  zusammenhangen.  —  1729  wurde 
noch  verb.  Jo.  a  S.  Feiice  Triumphus  misericordiae  i.  e.  sacrum 
Ordinis  SS.  Trinitatis  institutum  de  redemtione  capt.  cum  Kaien- 
dario historico  universi  ordinis,  Wien  1704.  Um  diese  Zeit  hatten 
die  beiden  Orden  wieder  eine  Differenz:  die  Trinitarier  erhielten 
1727  die  Frlaubniss,  das  Officium  B.  M.  V.  de  Remedio  am  2.  Sonntag 
im  October  zu  beten;  die  Mercedarier  machten  darauf  aufmerksam, 
dass  B.  M.  V.  de  Remedio  doch  nicht  verschieden  sei  von  B.  M. 
V.  de  Mercede,  deren  Officium  Innocenz  XII.  für  den  24.  Sept.  all- 
gemein vorgeschrieben,  worauf  1730  jene  Erlaubniss  zurückgenom- 
men wurde. 

5.  Das  erste  auf  die  Carmeliter  bezügliche  Verbot  ist  vom 
J.  1646:  Paradisus  Carmelici  decoris,  in  quo  archetypicae  religionis 
magni  patris  Heliae  prophetae  origo  et  trophaea  monstrantur  et  He- 
liades  ab  ortu  suo  usque  ad  haec  tempora  sapientia  et  mirabili  vir- 
tutg  clarentes  per  anacephalaeosin  perstringuntur.  .  .  .  Cum  apologia 
pro  Joanne  XLIV.  Patriarcha  Jerosolymitano.  Additur.in  fine  Jo. 
Trithemii  ...  1.  de  laudibus  ordinis  Carm.  ^).  Auct.  R.  P.  F.  Marco 
Ant.  A  legre  de  Casanate  Carmelita,  Hispano  Celtibero  .  .  .  Lugd. 
1639,  Fol.  (mit  vielen  Approbationen  von  Theologen).  Natürlich 
wird  Elias  als  der  Stifter  des  Ordens  dargestellt;  unter  seinen  Mit- 


1)  In    dem  Fxemplar  der  Münchener  Hofbibl.  steht  hier  Ad  fidem 
Indicis  expurgatorii  a  s.  fidei  solio  supremo  editi  nuperrime. 


268  Schriften  über  Orden. 

gliedern  fignriren  die  Propheten  Jonas,  Michaeas,  iBaias,  Jeremias^ 
£zecbiel  nnd  Daniel,  Jesus  Sirach,  die  Rechabiten  und  die  Assidäer, 
Johannes  der  Täufer,  die  h.  Jungfrau,  der  Evangelist  Marcus,  S. 
Schariotus,  abbas  conventus  Engaddi»  unus  ex  Essenis  Joannis  Bap- 
tistae  discipulis  u.  s.  w.  u.  s.  w.  (Ph.  Labbe,  Diss.  de  Script,  eccl. 
2,  826).  In  dem  Apologema  für  Johannes  von  Jerusalem  (I  S.  554) 
wird  namentlich  Baronius  bekämpft.  Natürlich  wird  auch  die  Or- 
denstradition über  das  Scapulier  ausführlich  vertheidigt.  1642  nahm 
die  Sorbonne  das  Buch  in  Untersuchung.  Launoy  schrieb  damals 
auf  Ersuchen  eines  Freundes  zwei  Abhandlungen,  die  ein  Canonicus 
von  Beauvais  ohne  sein  Vorwissen  drucken  Hess:  Dissertatio  duplex, 
una  de  origine  et  confirmatione  privilegiati  scapularis  Garmelitarum, 
altera  de  visione  Simonis  Stockii,  Lugd.  Bat.  (Beauvais)  1642.  Die 
Schrift  wurde  von  drei  Carmelitern  bekämpft  und  nun  gab  Launoy 
selbst  heraus:  De  Simonis  Stockii  visu,  de  Sabbathinae  Bullae  pri- 
vilegio  et  de  scapularis  Garmelitarum  sodalitate  dissertationes  qnin- 
que,  1642  (Opp.  II,  2,  379),  mit  anderen  Schriften  von  Launoy 
verb.  1690.  —  1684  wurde  verb.:  Historia  Carmelitana  theologice 
propugnata.  Quaestio  theologica:  Quis  prophetas  facit  successores 
post  se?  Theses  quas  tuebitur  Biterris  mense  Aprilis  1682  Philippns 
Teissier.  In  diesen  Thesen,  die  wirklich  im  Carmeliterkloster  zu 
Beziers  in  Gegenwart  des  Bischofs  vertheidigt  wurden  (abgedr.  bei 
Bayle,  Oeuvres  1,82.  Pragm.  Gesch.  der  Mönchsorden  1,  121)  wird 
u.  a.  die  freilich  auch  von  anderen  Carmelitern  vorgetragene  An- 
sicht ausgesprochen,  wahrscheinlich  seien  auch  Pythagoras  und  seine 
Schüler  und  die  Druiden  Carmeliter  gewesen. 

Als  Teissiers  Thesen  verboten  wurden,  war  der  Streit  der  Car- 
meliter mit  den  Jesuiten  (Bollandisten)  bereits  im  Gange,  der  bis 
zum  Ende  des  Jahrhunderts  dauerte.  In  den  1668  erschienenen  Acta 
Sanctorum  mensis  Martii  zeigte  Daniel  Papenbroek,  dass  Berthold 
von  Calabrien  um  1160  (29.  März)  als  erster,  Cyrillus,  1231 — 34 
(6.  März),  als  dritter  General  der  Carmeliter  anzusehen  sei.  Auch 
in  den  folgenden  Bänden  der  Acta  Sanct.  wurden  die  Ansichten  der 
Carmeliter  von  dem  Alter  ihres  Ordens  u.  s.  w.  direct  oder  indi- 
rect  bekämpft.  Es  erschien  nun  1668 — 98  eine  Reihe  von  Streit- 
schriften (Helyot  I  p.  XXXVII.  282  Backer  5,  70)  und  bald  wurde 
der  Streit  auch  in  Rom  und  bei  der  spanischen  Inquisition  anhängig 
gemacht.  Der  Hauptkämpe  der  Carmeliter  war  Sebastianus  a  S.  Paulo. 
Er  schrieb  zunächst  1683  Libellus  supplex  Innocentio  XI.  pro 
origine  et  antiquitate  Ordinis  Garmelitarum  variisque  illius  hist^is 
a  S.  Gongr.  Rituum  iterato  recognitis  et  approbatis  nee  non  Summo- 
rum  Pontif.  buUis  adv.  R.  P.  Dan.  Papebrochium  eas  ut  commenta 
et  imposturas  explodentem  exhibitus,  mit  dem  falschen  Druckort 
Frankfurt  o.  J.,  dann,  nachdem  der  Process  bereits  anhängig  war, 
Exhibitio  errorum,  quos  R.  Daniel  Papebrochius  S.  J.  commisit 
contra  Christi  paupertatem,  .  .  .  S.  PontiÄcum  acta  et  gesta,  bullas^ 
brevia  et  decreta,  Concilia,  S.  Scripturam,  Ecclesiae  capitis  prima- 
tum  et  unitatem  etc.  etc.  Gol.  1693*.  650  S.  4.  Gegen  letztere 
Schrift  erschien  Besponsio  Danielis  Papebrochii  ad  Exhibitionem  etc., 


Carmeliter  und  BoUandisten.  269 

Antw.  1696  und  1697*,  350  und  550  S.  4.,  und  als  3.  Band:  Elu- 
cidatio  historica  actorum  in  controversia  super  origine  .  .  .  S.  Or- 
dinis  B.  M.  V.  de  Monte  Carmelo,  Antw.  1698,*  212  S.  4.  (einige 
andere  Schriften  sind  beigedruckt).  —  Wie  schon  der  Titel  zeigt, 
beschränkt  sich  Seb.  a  S.  Paulo  in  seiner  Exbibitio  nicht  auf  die 
Traditionen  der  Carmeliter;  er  klagt  Pap.  u.  a.  auch  an,  dass  er 
die  Legende  von  der  Yeronica,  die  Echtheit  der  Lucasbilder,  des 
Praeputium  Christi  zu  Antwerpen^)  u.  s.  w.,  den  25jährigen  Epi- 
scopat  Petri  zu  Eom,  den  Aufenthalt  des  Lazarus,  der  Maria  und 
Martha  in  der  Provence,  die  Missionsthätigkeit  des  Dionysius  Areo- 
pagita  in  Paris,  sein  Martyrium  und  die  Echtheit  der  ihm  zuge- 
schriebenen Schriften,  das  Concil  von  Sinuessa,  die  Taufe  Constan* 
tins  durch  P.  Silvester,  die  Constantinische  Schenkung,  die  Abfassung 
des  Symbolums  Quicunque  durch  Athanasius  bestreite,  Paulus  neben 
Petrus  Bischof  von  Rom  gewesen  sein  lasse  u.  s.  w.,  ferner  dass 
er  Ketzern  epitheta  honorifica  beigelegt,  z.  B.  Cl.  Salmasius  als  eru- 
ditus  et  accuratus,  Gerhard  Yossius  als  vir  eruditissimus  bezeichne 
und  von  D.  Blondels  incredibilis  diligentia  spreche,  dass  er  ver- 
botene Bücher,  namentlich  von  Alexander  Natalis  und  Launoy,  citire 
u.  s.  w. 

Bei  der  spanischen  Inquisition  wurden  die  Acta  Sanctorum 
1691  denuncirt.  Nach  dem  Tode  des  General-Inquisitors  Diego  Sar- 
miento  de  Yolladores  und  vor  der  Ernennung  seines  Nachfolgers 
verboten  die  Provincial-Inquisitionen  von  Toledo,  Saragossa,  Madrid 
und  Yalladolid  im  Nov.  und  Dec.  1695  die  1668 — 88  erschienenen 
Bände,  je  3  vom  März  und  April,  7  vom  Mai  (die  4  letzten  ent- 
halten nichts  über  die  Carmelitertraditionen)  und  das  Propylaeum 
ad  AA.  SS.  Maii  (1685),  zusammen  14  Bände.  Das  Yerbot  wird 
in  allen  vier  Decreten  damit  motivirt,  dass  die  Bände  irrige,  ketze- 
rische, nach  Ketzerei  schmeckende,  .  .  .  . ,  für  mehrere  Päpste,  den 
apostolischen  Stuhl,  die  h.  Congregation  der  Eiten,  das  Römische 
Brevier  und  Martyrologium,  für  viele  Orden  und  namentlich  den 
der  Carmeliter  und  für  viele  Nationen  und  insbesondere  die  spanische 
beleidigende  Sätze,  auch  viele  Lobsprüche  auf  Ketzer  und  übel  be- 
rufene Autoren  enthielten.  Der  portugiesische  General-Inquisitor, 
Bischof  Joseph  de  Lancastro  (ein  Carmeliter),  beschränkte  sich  in 
seinem  Edicte  vom  24.  Jan.  1696  darauf,  zu  verordnen,  die  14 
Bände,  von  denen  er  erfahren,  dass  sie  manche  der  Lehre  der  h. 
Yäter  und  der  gewöhnlichen  Ansicht  der  Kirche  widersprechende 
Sätze  enthielten,  seien  binnen  drei  Tagen  an  die  Inquisition  abzu- 
liefern, um  von  dieser   geprüft  zu  werden^).     Pap.    und  seine  Mit- 


1)  Ich  habe  bei  Döllinger  ein  1802  zu  Born  mit  Approbation  des 
Mag.  S.  Pal.  gedrucktes  Schriftchen  gesehen  (Narrazione  critico-storica 
della  reliquia  preziosissima  del  santo  prepuzio  di  N.  S.  Gesü  Cristo  etc.), 
worin  u.  a.  p.  6  gesagt  wird,  diese  in  der  Pfarrkirche  zu  Calcata  in  der 
Diöcese  Civitä  Castellana  befindliche  Reliquie  sei  nächst  dem  h.  Sacra- 
mente  der  Eucharistie  die  werthvollste  unter  allen  Reliquien  Christi. 

2)  Ein  zu  Löwen  1696  erschienener  Abdruck  derß  Decrete:  Decreta 


Schriften  über  Orden. 


fignriren  die   Propheten  Jonas,  Michaeas,  iBaias,  Jeremiasi 
und  Daniel,  Jesus  Sirach,  die  Rechabiten  und  die  Assidaer, 
8  der  Täufer,   die    h.   Jungfrau,    der  Evangelist  Marcus,    S. 
tus,  ahbas  conventus  Engaddi,    unus  ex  Essenis  Joannis  Bap- 
iscipulis  u.  s.  w.  u.  s.  w.  (Ph.  Lubbe,   Diss.  de  Script,  ecci. 
).    In  dem  Apologema  für  Johannes  von  Jerusalem  (I  S.  554) 
amentlich  Baronius    bekämpft.     Natürlich   wird  auch  die  Or- 
dition  über  das  Scapulier  ausführlich  vertheidigt.  1642  nahm 
rbonne  das   Buch  in  Untersuchung.  I^aunov  schrieb   damals 
rsuchen   eines  Freundes  zwei  Abhandlungen,  die  ein  Ganonicus 
eaavais  ohne  sein  Vorwiseen  druckou  licss:  Dissertatio  duplex, 
de  origine  et  confirmatione  privib^giati  scaputaris  Garmelitarum, 
a  de  visione  Simonis  Stockii,    Lugd.  Hat.  (Beauvais)  1642.    Die 
ift  wurde   von  drei  Carmelitern  bekämpft  und  nun  gab  Launoy 
st  heraus:    De  Simonis  Stockii  visu,  de  Sabbathinae  Bullae  pri- 
gio  et  de  scapularis  Carmelitaruni  sodalitate  dissertationes  quin- 
,  1642    (Opp.  11,   2,  379),    mit  anderen  Schriften    von    Lannoy 
b.  1690.  —   1684  wurde  verb.:    ITistoria  Carmelitana  theologice 
bpugnata.    Quaestio   theologica:   (^uis    prophetas   facit  successores 
st  se?  Theses  quas  tuebitur  Biterris  niense  Aprilis  1682  Philippns 
eissier.    In   diesen  Thesen,   die  wirklich  im  Carmeliterkloster  zu 
eziers  in  Gegenwart  des  Bischofs  vertheidigt  wurden  (abgedr.  bei 
ayle,  Oeuvres  1,82.    Pragm.  Gesch.  der  Mönchsorden  1,  121)  wird 
.  a.  die  freilich   auch    von  anderen  Carmelitern    vorgetragene   An- 
icht  ausgesprochen,  wahrscheinlich  seien  auch  Pythagoras  und  seine 
Scbtiler  und  die  Druiden  Carmeliter  gewesen. 

Als  Teissiers  Thesen  verboten  wurden,  war  der  Streit  der  Car- 
meliter mit  den  Jesuiten  (Bollandisten)  bereits  im  Gange,  der  bis 
zum  Ende  des  Jahrhunderts  dauerte.  In  den  1668  erschienenen  Act« 
Sanctorum  mensis  Martii  zeigte  Daniel  Papenbroek,  dass  Berthold 
von  Calabrien  um  1160  (29.  :März)  als  erster,  Cyrillus,  1231 — 34 
(6.  März),  als  dritter  General  der  Carmeliter  anzusehen  sei.  Auch 
in  den  folgenden  Bänden  der  Acta  Sanct.  wurden  die  Ansichten  der 
Carmeliter  von  dem  Alter  ihres  Ordens  u.  s.  w.  direct  oder  indi- 
rect  bekämpft.  Es  erschien  nun  1668 — 08  eine  Reihe  von  Streit- 
Bchriften  (Helyot  I  p.  XXXVII.  282  Backer  5,  70)  und  bald  wurde 
der  Streit  auch  in  Rom  und  bei  der  spanischen  Inquisition  anhängig 
gemacht.  Der  Hauptkämpe  der  Carmeliter  war  Sebastianus  a  S.  Paulo. 
Er  schrieb  zunächst  1683  Libellus  sup{>lex  Innocentio  XI.  pro 
origine  et  antiquitate  Ordinis  Carmelitarum  variisque  illius  hist^is 
a  8.  Congr.  Rituum  iterato  recognitis  et  approbatis  nee  non  Summe- 
rnm  Pontif.  bullis  adv.  R.  P.  Dan.  Papebrochium  eas  ut  commenta 
et  imposturas  explodenteni  exhibitus,  mit  dem  falschen  Druckort 
Frankfurt  o.  J.,  dann,  nachdem  der  Process  bereits  anhängig  war, 
Exhibitio  errorum,  quos  R.  Daniel  Papebrochius  S.  J.  commisit 
contra  Christi  paupertatem,  .  .  .  S.  Pontificum  acta  et  gesta,  bnllaa, 
brevia  et  decreta,  Concilia,  S.  Scripturam,  Ecclesiae  capitis  prima- 
tum  et  unitatem  etc.  etc.  Col.  1693*.  650  S.  4.  Gegen  letztere 
Schrift  erschien  Besponsio  Danielis  Papebrochii  ad  Exhibitionem  etc.. 


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Carmeliter  und  BoUandisten.  269 

Antw.  1696  und  1697 ♦,  350  und  550  S.  4.,  nnd  als  3.  Band:  Elu- 
cidatio  historica  actorum  in  controversia  super  origine  .  .  .  S.  Or- 
dinis  B.  M.  Y.  de  Monte  Carmelo,  Antw.  1698,*  212  S.  4.  (einige 
andere  Schriften  sind  beigedruckt).  —  Wie  schon  der  Titel  zeigt, 
beschränkt  sich  Seb.  a  S.  Paulo  in  seiner  Exhibitio  nicht  auf  die 
Traditionen  der  Carmeliter;  er  klagt  Pap.  u.  a.  auch  an,  dass  er 
die  Legende  von  der  Yeronica,  die  Echtheit  der  Lucasbilder,  des 
Praeputium  Christi  zu  Antwerpen^)  u.  s.  w.,  den  25jährigen  Epi- 
Bcopat  Petri  zu  Eom,  den  Aufenthalt  des  Lazarus,  der  Maria  und 
Martha  in  der  Provence,  die  Missionsthätigkeit  des  Dionysius  Areo- 
pagita  in  Paris,  sein  Martyrium  und  die  Echtheit  der  ihm  zuge- 
schriebenen Schriften,  das  Concil  von  Sinuessa,  die  Taufe  Constan- 
tins  durch  P.  Silvester,  die  Constantinische  Schenkung,  die  Abfassung 
des  Symbolums  Quicunque  durch  Athanasius  bestreite,  Paulus  neben 
Petrus  Bischof  von  Eom  gewesen  sein  lasse  u.  s.  w.,  ferner  dass 
er  Ketzern  epitheta  honorifica  beigelegt,  z.  B.  Cl.  Salmasius  als  eru- 
ditus  et  accuratus,  Gerhard  Yossius  als  vir  eruditissimus  bezeichne 
und  von  D.  Blondels  incredibilis  diligentia  spreche,  dass  er  ver- 
botene Bücher,  namentlich  von  Alexander  Natalis  und  Launoy,  citire 
u.  8.  w. 

Bei  der  spanischen  Inquisition  wurden  die  Acta  Sanctorum 
1691  denuncirt.  Nach  dem  Tode  des  General-Inquisitors  Diego  Sar- 
miento  de  Yolladores  und  vor  der  Ernennung  seines  Nachfolgers 
verboten  die  ProvinciaMnquisitionen  von  Toledo,  Saragossa,  Madrid 
und  Yalladolid  im  Nov.  und  Dec.  1695  die  1668 — 88  erschienenen 
Bände,  je  3  vom  März  und  April,  7  vom  Mai  (die  4  letzten  ent- 
halten nichts  über  die  Carmelitertraditionen)  und  das  Propylaeum 
ad  AA.  SS.  Mail  (1685),  zusammen  14  Bände.  Das  Yerbot  wird 
in  allen  vier  Decreten  damit  motivirt,  dass  die  Bände  irrige,  ketze- 
rische, nach  Ketzerei  schmeckende,  .  .  .  . ,  für  mehrere  Päpste,  den 
apostolischen  Stuhl,  die  h.  Congregation  der  Biten,  das  Komische 
Brevier  und  Martyrologium,  für  viele  Orden  und  namentlich  den 
der  Carmeliter  und  für  viele  Nationen  und  insbesondere  die  spanische 
beleidigende  Sätze,  auch  viele  Lobsprüche  auf  Ketzer  und  übel  be- 
rufene Autoren  enthielten.  Der  portugiesische  General-Inquisitor, 
Bischof  Joseph  de  Lancastro  (ein  Carmeliter),  beschränkte  sich  in 
seinem  Edicte  vom  24.  Jan.  1696  darauf,  zu  verordnen,  die  14 
Bände,  von  denen  er  erfahren,  dass  sie  manche  der  Lehre  der  h. 
Väter  und  der  gewöhnlichen  Ansicht  der  Kirche  widersprechende 
Sätze  enthielten,  seien  binnen  drei  Tagen  an  die  Inquisition  abzu- 
liefern, um  von  dieser   geprüft  zu  werden^).     Pap.    und  seine  Mit- 


1)  Ich  habe  bei  Döllinger  ein  1802  zu  Born  mit  Approbation  des 
Mag.  S.  Pal.  gedrucktes  Schriftchen  gesehen  (Narrazione  critico-storica 
della  reliquia  preziosissima  del  santo  prepuzio  di  N.  S.  Gesü  Cristo  etc.), 
worin  u.  a.  p.  ß  gesagt  wird,  diese  in  der  Pfarrkirche  zu  Calcata  in  der 
Diöcese  Civitä  Castellana  befindliche  Reliquie  sei  nächst  dem  h.  Sacra- 
mente  der  Eucharistie  die  werthvollste  unter  allen  Reliquien  Christi. 

2)  Ein  zu  Löwen  1696  erschienener  Abdruck  derßDecrete:  Decreta 


270  Schriften  über  Orden. 

arbeiter  baten  nun  den  nenen  span.  General-Inquisitor  Thomas  de  Ro- 
caberti,  Erzbischof  von  Valencia  (Dominicaner),  ihnen  die  von  der 
Inq.  beanstandeten  Sätze  mitzutheilen,  damit  sie  sich  vertheidigen 
könnten.  Rocaberti  bewilligte  dieses  3.  Aug.  1696  mit  dem  Vor- 
behalt, dass  die  Sätze  bei  Strafe  der  Excommunicatio  latae  sent. 
niemand  anders  mitgetheilt,  die  Vertheidigungen  nicht  gedruckt, 
sondern  mit  allen  Concepten  der  Inq.  eingereicht  werden  sollten 
(Eluc.  p.  128).  Nach  neun  Monaten  erhielt  Pap.  über  300  Sätze 
mit  den  Gensuren  der  Qualificatoren,  verzichtete  aber  auf  die  von 
der  Inq.  vorgeschriebene  Art  der  Vertheidigung.  —  Die  Carmeliter 
baten  nach  der  Publication  des  Verbotes  von  1695  den  König,  bei 
dem  Papste  dahin  zu  wirken,  dass  die  weitere  Bekämpfung  ihrer 
Ordenstraditionen  verboten  werde.  Die  Jesuiten  reichten  eine  lange 
Supplik  ein,  worin  sie  diesen  Vorschlag  bekämpften  und  um  eine 
nochmalige  Untersuchung  baten,  indem  sie  andere  Fälle  anführten, 
wo  die  Inq.  Verbote  wieder  aufgehoben  habe  (Elucid.  p.  181).  — 
Unter  Berufung  auf  ältere  Decrete,  welche  den  Orden  verbieten, 
einander  zu  schmähen,  verbot  die  span.  Inq.  durch  Decrete  vom 
19.  Oct.  1696  und  11.  Juli  1697  (Elucid.  p.  170)  alle  auf  den 
Streit  zwischen  Jesuiten  und  Carmelitem  bezüglichen  Schriften, 
speciell  u.  a.  den  Libellus  supplex  und  die  Exhibitio  des  Seb.  a  S. 
Paulo  und  eine  zu  Sevilla  1696  gedruckte  spanische  Bearbeitung 
des  erstem  von  Daniel  de  San  Pedro.  Auch  eine  spanische  Bear- 
beitung des  ersten  Theils  von  Pap.*s  Responsio  von  dem  Jesuiten 
Antonio  Jaramillo  (Xaramilius),  Madrid  1697,  wurde  confiscirt^). 

In  Rom,  wo  die  Carmeliter  schon  1683  Klage  geführt  (Elucid. 
p.  106)  und  1690  eine  förmliche  Denunciation  angebracht,  wurde 
die  Sache  anfangs  sehr  langsam  betrieben  und  scheint  man  sich 
bald  weniger  mit  den  gegen  die  Acta  Sanctorum  vorgebrachten  An- 
klagen als  mit    dem    1685   erschienenen  Propylaeum  beschäftigt  zu 


SS.  Inquisitionis  Hispaniarum  etc.,  4  Bl.,  ist  manchen  Exemplaren  von 
Streitschriften  aus  dieser  Zeit  beigebunden.  Das  Decret  der  Inquisition 
von  Toledo  steht  auch  in  der  Biblioth.  Carmelitana  I,  843. 

1)  Avr.  4,  46,  Helyot  t.  I,  Pref.  p.  XIX  und  nach  ihnen  andere  er- 
wähnen ein  Schreiben  des  Fr.  Paulus  a  Sebastiane  aus  dem  Orden  der 
Hospitaliter  vom  h.  Johannes  de  Deo  an  seinen  General  vom  J.  1696, 
worin  gesagt  wird:  ihr  Orden  sei  noch  9  Jahrhunderte  älter  als  der  der 
Carmeliter;  Abraham  sei  ihr  erster  General  gewesen;  derselbe  habe  im 
Thale  Marare  ein  Hospiz  gegründet  und  nach  seinem  Tode  ein  zweites 
im  Limbus  für  die  ungetauften  Kinder.  Der  Brief  steht  wirklich,  wie 
angegeben  wird,  in  Pap.'s  Responsio  II,  254,  aber  Pap.  selbst  lässt  doch 
keinen  Zweifel  darüber,  dass  der  P.  Paulus  a  S.  Sebastiane  nur  erfunden 
ist,  um  den  P.  Sebastianus  a  S.  Paulo  zu  übertrumpfen.  —  Mich,  a  S. 
Jos.  2,  519  berichtet  übrigens  über  ein  1626  von  dem  Capuciner  Jean 
Bolduc  herausgegebenes  Buch  De  Ecciesia  ante  legem:  es  würden  darin 
die  Nephilim  der  vorsündfluthlichen  Zeit  als  fromme  Asceten,  die  Ena- 
kim  als  ein  von  Abraham  gegründeter  Ritterorden  dargestellt  u.  dffl. 
(Hurter  und  das  K.-L.  sprechen  von  dem  Buche  als  einem  wissenschaft- 
lichen). 


Carmeliter  und  ßollandisten.  271 

haben.  Die  Sache  kam  erst  recht  in  Fluss  nach  der  Veröffentlichung 
der  spanischen  Censur  von  1695.  Die  Jesuiten  baten  den  Papst,  er 
möge  das  decretum  atrocissimum,  Luthero  Calvinoque  dignum,  sus- 
pendiren  (Elucid.  p.  151.  161).  Mehrere  hochgestellte  Personen 
verwendeten  sich  för  sie;  Kaiser  Leopold  schrieb  über  die  spanische 
Censur  an  den  Papst  und  an  den  König  von  Spanien.  (Als  der 
letzere  Brief  gedruckt  erschien,  wurde  er  von  einem  Carmeliter  der 
span.  Inquisition  denuncirt,  freilich  mit  der  Vorbemerkung,  es  würde 
maximum  crimen  laesae  majestatis  sein,  wenn  man  den  Brief  für 
echt  halten  wollte;  Elucid.  p.  147).  Aber  1698  schrieb  der  Bene- 
dictiner  Estiennot  an  Mabillon,  der  an  den  Cardinal  CoUoredo  ge- 
schrieben,  der  Papst  müsse  die  BoUandisten  schützen  und  die  Auf- 
hebung des  spanischen  Verbots  verlangen:  „Ich  habe  mit  dem  Card. 
Casanate  darüber  gesprochen,  ob  man  nicht  eine  Suspension  des 
Decretes  erwirken  könne;  aber  die  Römische  Curie  will  sich  mit 
einem  so  resoluten  und  furchtbaren  Tribunal,  wie  die  Santa  Inqui- 
sizione  in  Spania  ist,  nicht  einlassen.  Ich  habe  die  Sache  auch  bei 
dem  [spanischen]  Card.  d'Aguirre  zur  Sprache  gebracht;  er  ant- 
wortete aber,  er  würde  dazu  nicht  nur  nicht  mitwirken,  sondern 
sich  mit  aller  Macht  widersetzen.  So  hat  also  Pap.  in  diesem 
Punkte  von  Rom  nichts  zu  hoffen"^).  Man  beschränkte  sich  darauf, 
den  Nuncius  in  Madrid  zu  beauftragen,  er  möge  den  General-Inqui- 
sitor zu  einer  Suspension  des  Decretes  zu  bestimmen  suchen  (Elucid. 
p.  162). 

Im  J.  1696  beauftragte  Innocenz  XII.  die  beiden  Ordensgc- 
nerale,  ihren  Untergebenen  die  Einstellung  des  Streites  zu  gebieten. 
Aber  der  Jesuiten-General  Hess  Pap.  gleichzeitig  mit  dieser  Mit- 
theilung schreiben,  er  dürfe  seine  Responsio  fortsetzen  (Elucid. 
p.  103),  und  auch  Seb.  a  S.  Paulo  Hess  noch  1697  zu  Antwerpen 
ein  Memoriale  pro  sacros.  Sede  Apost.  ex  parte  Seb.  a  S.  P.  .  .  . 
in  quo  refutantur  Responsiones  R.  P.  Dan.  Papebrochii,  68  S.  4. 
(nur  der  Anfang)  drucken. 

Während  die  Index-Congr.  noch  mit  den  Acta  Sanct.  oder  viel- 
mehr mit  dem  Propylaeum  beschäftigt  war,  erliess  Innocenz  XII. 
unter  dem  20.  Nov.  1698  ein  Breve  (Bull.  12,  312).  Er  beklagt 
darin,  dass  über  das  Alter  des  Carmeliterordens,  eine  Frage,  die 
gar  nichts  mit  der  Wahrheit  des  Glaubens  und  der  Sittenlehre  zu 
thun  habe,  unter  Ordensgeistlichen,  die  durch  ihre  Gelübde  beson- 
ders zu  Heiligkeit,  Gerechtigkeit  und  brüderlicher  Liebe  verpflichtet 
seien,  ein  für  die  Gläubigen  ärgerlicher  Streit  entstanden  sei  und 
in  vielen  bitteren  Schriften  fortgeführt  werde,  und  legt  dann,  ent- 
sprechend dem  Antrage  der  Congregatio  Concilii  Tridentini,  aus 
eigenem  Antriebe  und  sicherer  Wissenschaft  und  nach  reiflicher 
üeberlegung  und  kraft  der  Fülle  der  apostolischen  Gewalt  über 
die  Frage  de  primaeva  institutione  ac  successione  Ordinis  Fratrum 
B.  M.   V.    de    Carmelo    a  prophetis    Elia    et    Ellsaeo    ewiges  Still- 


1)  Thuillier,  Ouvr.  postb.  de  Mabillon  1,  804.  Val^ry,  3,  40. 


272  Schriften  über  Orden. 

schweigen  auf,  welches  von  den  Vertheidigern  beider  Ansichten  und 
allen  und  jeglichen  anderen  in  Schriften  und  Öffentlichen  Disputationen 
zu  beobachten  sei,  bei  Strafe  der  Excommunicatio  latae  sent.  Alle 
Bücher,  Thesen  und  Schriften,  welche  in  Widerspruch  mit  dieser 
Verordnung  veröflPentlicht  werden  würden,  würden  bei  den  in  den 
Eegeln  des  Index  angedrohten  Strafen  verboten  und  seien  ohne 
weitere  Erklärung  als  ausdrücklich  verboten  anzusehen.  Indess  solle 
durch  dieses  Gebot  des  Stillschweigens  keiner  der  beiden  einander 
gegenüberstehenden  Ansichten  ein  grösseres  Gewicht  gegeben  werden, 
vielmehr  sollten  beide  in  statu  quo  bleiben,  bis  der  apostolische 
Stuhl  anders  entscheide.  Auffallender  Weise  ist  dieses  allgemeine 
Verbot  nicht,  wie  ähnliche,  in  den  Index  übergegangen;  es  steht 
auch  nicht  in  den  Decr.  gen.  bei  Ben.  Es  ist  aber  nie  aufgehoben 
worden,  und  der  gute  Helyot,  der  das  Breve  sammt  dem  Decret  der 
Congregatio  Concilii  mittheilt  (I,  295),  erklärt:  das  Verbot,  über 
die  Stiftung  des  Carmeliterordens  durch  Elias  und  Elisaeus  zu  schrei- 
ben, hindere  ihn,  die  Gründe  mitzutheilen,  die  er  dagegen  vorbringen 
könnte^). 

Der  einzige  Band  der  Acta  Sanctorum,  der  schliesslich  in  Rom 
beanstandet  wurde,  ist  das  Propylaeum  in  Acta  Sanctorum,  Antw. 
s.  a.  [1685].  Der  Band  enthält  drei  besonders  paginirte  Theile: 
Apparatus  G.  Henschenii  ad  Chronologiam  Pontificiam;  Dan.  Pape- 
brochii  Conatus  chronico-historicus  ad  catalogum  Rom.  Pontificum, 
Pars  prior,  a  S.  Petro  usque  ad  Gelasium  IL,  und  Pars  secunda,  a 
Gelasio  P.  II.  ad  S.  D.  N.  Innocentium  XI.  Anstoss  nahm  man 
aber  auch  bei  diesem  Bande  schliesslich  nur  an  den  bei  einigen 
Päpsten  beigefügten  Berichten  über  die  Conclaven,  die  aus  gleich- 
zeitigen Aufzeichnungen  unverkürzt  abgedruckt  sind  und  allerdings 
manche  unerbauliche  Dinge  enthalten. 

Schon  10.  Sept.  1695  schreibt  Noris,  damals  Consultor  der 
Index-Gongr.,  an  Magliabechi:  „Das  Propylaeum  soll  mit  d.  c.  ver- 
boten werden.  Damit  man  von  mir  nicht  sagen  kann,  ich  hätte  zu 
dieser  Verdammung  mitgewirkt  aus  A erger  über  die  Pamphlete, 
welche  die  Jesuiten  gegen  mich  verbreiten,  habe  ich  der  Congre- 
gation  vorgestellt,  Pap.  polemisire  in  den  Mai-Bänden  gegen  mich 
bezüglich  der  Controverse  über  den  Semipelagianismus  des  Hilarius 
von  Arles  und  des  Vincentius  von  Lerin;  ich  könne  also  nicht 
als  Censor  fungiren,  da  Alexander  VII.  verordnet  habe,  die  Cen- 
soren  sollten  procul  ab  amore  et  odio  gegen  den  Autor  sein.  So 
bin  ich  von  der  odiösen  Censur  befreit  geblieben.  Die  Gardinäle 
haben  es  übel  genommen,  dass  Pap.  für  die  Zeit  von  1490  an  Be- 
richte über  die  Conclaven  mittheilt,    die  hier  schon  verboten  waren 


1)  Danielis  Papebrocbii  protestatio  iterata  de  silcntio  circa  primae- 
vam  S.  Ordinis  Carmelitani  institutioncm  et  antiquitatem,  scmper  sibi 
optato,  nunc  demum  inviolabiliter  teuendo,  19  S.  4.,  ist  vor  der  Publi- 
cation  des  Breve's  gedruckt  (nach  Backer  ist  die  Approbation  vom  27. 
Sept.  1698  datirt).  Pap.  hatte  wahrscheinlich  von  dem  Decret  der  Congr. 
Concilii  vom  8.  März  1G98  Kunde  erhalten. 


Carmeliter  und  BoUandisten.  278 

und  nur  darum  wollen  sie  das  Propylaeum  mit  d.  o.  verbieten/' 
Nachdem  Noris  Cardinal  und  Mitglied  der  Index-Congr.  geworden, 
schreibt  er  5.  Mai  1686 :  ,,Das  Propylaenm  ist  schon  von  zwei 
Examinatoren  verdammt  worden  und  wird  auch  von  dem  dritten 
verdammt  werden.  Ich  bin  mittlerweile  aus  einem  Gensor  ein  Eichter 
geworden,  und  will  thnen,  was  ich  kann,  um  den  guten  Namen  des 
P.  Pap.  zu  beschützen,  der  sehr  unklug  daran  gethan,  sich  mit  dem 
ganzen  Carmeliterorden  caloeatorum  et  excalceatorum  zu  brouilliren,*' 
und  in  einem  Briefe  ohne  Datum :  „In  der  Sitzung  der  Index-Congr.. 
am  6.  d.  M.,  wo  wir  zu  zehn  Cardinälen  waren,  wurde  das  Propy« 
laeum  zum  zweiten  Male  von  dem  zweiten  Examinator  verdammt 
und  das  Buch  dem  dritten  Censor  übergeben,  nach  dessen  Bericht- 
erstattung man  zum  Beschlüsse  kommen  wird.  Die  Patres  Jesuiten 
vertrauen  die  ganze  Sache  meiner  Protection  an,  und  ich  habe  ihnen 
vorgeschlagen:  während  hier  die  dritte  Prüfung  stattfinde,  solle  P. 
Pap.  auf  einem  fliegenden  Blatte  das  corrigiren,  was  er  aus  den  zu 
Lyon  gedruckten  und  schon  verbotenen  alten  Conclaven  aufgenommen 
hat  und  was  der  Grund  ist,  weshalb  die  Congregation  das  Propy- 
laenm verdammen  will"^). 

Pap.  Hess  wirklich  eine  Erklärung  drucken,  worin  er  sagt: 
er  habe  einige  Irrthümer,  die  in  früheren  Bänden  der  Acta  Sanc- 
torum  vorkämen,  in  späteren  berichtigt,  z.  B.  den  Irrthum  bezüglich 
des  Frohnleichnams-Officiums  im  Conatus  2,  51 ;  so  habe  er  auch 
verordnet,  dass  die  Geschichten  der  Conclaven  gestrichen  werden 
sollten;  er  wolle  den  ganzen  Conatus  revidiren  und  neu  drucken 
lassen  mit  Weglassung  der  Conclaven  und  mit  Verbesserungen,  die 
er  selbst  als  nöthig  erkannt  oder  die  ihm  von  der  Index-Congr. 
oder  anderen  angegeben  werden  würden  (Responsio  I,  190).  —  Mit 
den  mehrfach  erwähnten  Lyoner  Conclaven  ist  das  Buch  Conclavi 
de'  Pontefici  Rom.  quali  si  sono  potuti  trovare  fin  a  questo  giorno, 
de'  quali  si  vede  la  tavola  nel  foglio  seguente,  1667*,  583  S.  4. 
(Ranke,  Päpste  3  [WW.  39],  85*)  gemeint,  welches  aber  gar  nicht 
verboten  (vielleicht  in  Rom  confiscirt)  war,  wenigstens  nicht  im 
Index  steht. 

Seinen  Unniuth  spricht  Pap.  in  einem  Briefe  vom  4.  Oct 
1696  aus,  der  an  Delbecque,  den  Herausgeber  von  Serry's  Hist. 
Congr.  de  auxiliis  gerichtet  (und  in  dieser  p.  659  abgedruckt)  ist: 
„Ich  danke  meinem  lieben  Freunde  R.  P.  Q.  [Quesnel?]  für  seine 
Theilnahme  wegen  des  Verbotes  meiner  Bücher  in  Spanien  und  der 
noch  unwürdigem  Römischen  Censur  gegen  das  Propylaeum.  Ob 
diese  Censur  zu  einem  Decrete  führen  wird,  wird  noch  bezweifelt; 
es  ist  möglich,  dass  man  nach  Anhörung  der  Cardiuäle  und  der 
französischen  Bischöfe  ein  solches  nicht  erlässt.  Ich  hoffe,  der  erste 
Theil  meiner  Responsiones  wird  die  Censoren  umstimmen,  von  denen 
ich  annehmen  will,  dass  sie  mehr  aus  Unkenntniss  des  Sachverhalts 
als  aus  Böswilligkeit  gefehlt  und  dass   sie   anders   geurtheilt  haben 


1)  Clar.  Venet.  ad  Magliabechum  Epistolae  p.  178.  184.  187. 
BeuBob,  Index  II.  18 


274  Schriften  über  Orden. 

würden,  wenn  sie  meine  Antworten  abgewartet  hätten,  die  all- 
wöchentlich in  Rom  ankommen  [Pap.  schickte  die  Aushängebogen 
seiner  Eesponsio  nach  Rom].  Der  Sturm  wird  dazu  beitragen,  dass 
die  Acta  in  weiteren  Kreisen  bekannt  werden.  Es  wäre  gut,  wenn 
N.  [Card.  Noris]  den  Secretär  der  Index-Congr.  bestimmte,  die  Promul- 
gation des  Decretes  gegen  das  Propylaeum  durch  die  Hinweisung 
darauf  zu  hindern,  dass  durch  ein  solches  der  Respect  vor  der  Con- 
gregation  und  den  Römischen  Censuren  in  Frankreich  sehr  ver- 
mindert werden  würde  ^).  Dort  wird  das  Propylaeum  von  Bischöfen 
und  Cardinälen  sehr  gelobt  und  selbst  den  Acta  vorgezogen.*' 

Nach  den   Mittheilungen  von    Noris    musste   man    ein  Verbot 
des  Propylaeum  mit  d.  c.  erwarten;  aber  in  dem  Decrete  der  Index- 
Congr.  vom  22.  Dec.  1700  (Nam.  p.  177)  wurden  unbedingt  verb.: 
Danielis  Papebrochii  Conatus  chronico-historicus  ad  Catalogum  Bom. 
Pontiücum  cum   praevio    ad    eundem   apparatu    Godefr.    Henscbenii 
atque  Petri  Possini  a  S.  Petro  usque  ad  Pascalem  II.  deductns  ante 
tomum  ly.  de  Actis  Sanctorum  Maji  und  Conatus  .  .  .  Pontificnm, 
Pars  2.  a  Gelasio  Papa  II.  ad  S.  D.  N.  Innocentium  XI.  —  In  den 
folgenden  Index-Ausgaben  steht,  als  ob  es  sich  um  zwei  verschiedene 
Bücher  handelte    und  als   ob    das  zweite  nicht  von  Pap.  wäre,    daa 
erste  Stück  unter  Danielis,  das  zweite  unter  Conatus.  ImJ.  1749  gab 
der  Jesuit  Zaccaria  zu  Venedig  in  drei  Bänden  heraus:  Praefationes,. 
tractatus  .  .  .  monumenta  .  .  .  Actorum  Sanctorum  voluminibns  prae— 
fixa,    nunc   primum   conjunctim    edita,    und  Hess,    als  ob  der  Inder 
nicht  existirte,  im  2.  Bande  p.  1 — 538    den  Conatus  ohronico-biBto— 
ricus  D.  Papebrochii    ad    universam    seriem    Rom.   Pontifionm    cum. 
praevio  ad  eundem  apparatu  wieder  abdrucken.    Am  13.  Jnni  175T 
erklärte  nun  die  Index-Congr. :  Conatus  non  permittitur  nisi  expnnc— 
tis  historiis  conclavium  pro  electione  Rom.  Pontificum,  und  seit  Ben^ 
steht    im    Index    unter    Papebrochius :    Conatus  .  .  .    Pars  I.  et  U^ 
non  permittitur  etc.  mit  Anführung  der  Decrete  von  1700  und  1757^ 

Nach  dem  Tode  des  General- Inquisitors  Rocaberti,  —  von  denk^ 
Pap.  einmal  den  Verdacht  äussert,   er  habe  sich  durch  das   Verbote 
(vielmehr    die  Aufrechthaltung   des  Verbotes)    der  Acta    SanctomsL 
für  das  Verbot   seiner   Bibliotheca   pontificia    in  Paris    revanobiren 
wollen,    als   dessen  Urheber   man   den    P.    de  la  Chaise    angeseben. 
(Epp.  ad  Magliab.  p.  184),  —  kamen  auch  in  Spanien  für  die  Aota^ 
Sanct.  bessere  Zeiten.     Als   unter    seinem   Nachfolger  Vidal   Marin 
1707  ein  neuer  Index  gedruckt  wurde,  wurden  zwar  die   1696  mid^ 
1697   verbotenen  Bücher  von    Seb.  a  S.  Paulo,    Jaramillo    n.  8.  w-. 
darin  aufgenommen,  nicht  aber  die  Acta  Sanct.,  vielmehr  17  Quali — 
ficatoren  mit  einer  nochmaligen  Prüfung  derselben  beauftragt,  ünter"^ 
dem  General-Inquisitor  de  Giudice   wurde    dann    20.  Dec.  1715  ein»-- 


1)  Arnauld,   sonst  kein  Freund  der  Jesuiten,  schreibt  1693,    als 
sich  noch  um  die  Acta  Sanct.  selbst  handelte:  ,, Durch  eine  Verdammun^^ 
der  angeblichen  Irrthümer  Pap.'s    würde  man  sich  bei  allen  verstandigfei 
Leuten  in  und  ausserhalb  der  Kirche  blamiren*'  (Arn.  8,  598). 


Carmeliter  und  Bollandisten.  275 

Bues  Edict  publicirt,  durch  welches  das  Verbot  vom  J.  1695  rörm- 
ch  cassirt  und  bestimmt  wurde:  die  früher  verbotenen  14  Bände 
den  einfach  freigegeben;  in  dem  Propylacum  sei  der  zweite  Theil 
BS  Conatus,  ubi  conclavium  historiunculae  prostant,  zu  beseitigen; 
i  dem  3.  Märzbande  sei  der  Abhandlung  über  die  Genealogieen 
hristi  bei  Matthäus  und  Lucas  an  der  Stelle,  wo  gesagt  wird, 
ie  meisten  Ausleger  seien  temere  dem  Africanus  gefolgt,  temere 
I  facile  zu  corrigiren  (ebenso  in  dem  Apparatus  des  Propylaeum, 
'0  dieselbe  Abhandlung  steht);  im  1.  April-Bande  sei  an  zwei 
teilen  auf  Berichtigungen  zu  verweisen,  die  in  späteren  Bänden 
egeben  werden,  im  1.  Mai-Bande  eine  Stelle  zu  streichen,  wo  von 
er  Bibliothek  des  Escurial  gesagt  wird:  ubi  codicum  manu- 
3riptorum  cadavera  asservantur  et  putrescunt;  auch  in  3  anderen 
•änden  wird  je  eine  Stelle  corrigirt,  so  viel  ich  sehe,  nichts,  was 
ie  Carmeliter  angeht,  jedenfalls  nichts  von  Bedeutung.  Diese  Be- 
timmung  wurde  dann  in  den  Index  von  1747  aufgenommen  und 
on  den  Jesuiten,  die  diesen  Index  machten,  noch  mit  einigen  Redens- 
rten  verbrämt,  wie:  14  libros,  gravi  olim  censurae  subjaoentes  per 
3mpus  aliquod  proscripti  fuere,  quousque  Supr.  Inq.  Senatus  viso 
uthorum  defensorio  auditisque  iterum  iterumque  perpensis  gravis- 
imis  doctissimorum  S.  Inq.  censorum  rationibus,  teneri,  legi  .  . 
ermisit  adhibitis  sequentibus  notis  .  .  .  His  adhibitis  notis  omnes 
lias  censuras  et  prohibitiones  omnino  proüigi  et  aboleri  mandavit. 
Die  Parteinahme  der  span.  Inq.  für  die  Carmeliter  im  J.  1695 
it  um  so  aufifallender,  als  sich  dieselbe  früher  nichts  weniger  als 
önstig  gesinnt  gegen  sie  gezeigt  hatte.  Im  span.  Index  wird  schon 
Bit  1640  (Sot.  p.  988)  unter  Estampa  ein  Bild  verboten,  worauf 
ie  h.  Jungfrau  vom  Berge  Carmel  dargestellt  ist,  wie  sie  dem 
imou  Stock  das  Scapulier  übergibt  mit  den  Worten:  Pili,  reoipe 
li  ordinis  scapulare,  in  quo  quis  moriens  aeternum  non  patietur 
icendium,  und  seit  1707  verordnet,  in  dem  Compendium  privile- 
iorum  .  .  confraternitatis  Scapularis  B.  M.  V.  de  Monte  Carmelo, 
^1.  1643,  und  bei  Aubertus  Miraeus,  Ordinis  Carmelitani  origo 
tque  incrementa,  Col.  1643,  dieselbe  Geschichte  und  ausserdem 
ae  B(eatus)  vor  Joannes  Hierosolymitanus  zu  streichen.  So  strenge 
it  man  in  Rom  gegen  die  Carmeliter  nicht  gewesen.  Im  J.  1666 
shrieb  Card.  Bona  an  Christianus  Lupus,  die  Carmeliter  wollten 
m  anklagen,  dass  er  in  seinen  Schollen  Johannes  von  Jerusalem, 
en  sie  zu  den  ihrigen  zählten,  als  Ketzer  (Origenisten)  bezeichnet 
abe;  er  habe  den  Papst  über  die  Sachlage  aufgeklärt,  rathe  ihm 
her,  die  Streitschrift  der  Carmeliter  nicht  zn  beantworten  (Epp.  sei. 
d.  Sala,  No.  87).  Die  Geschichte  von  dem  Scapulier  haben  die  Carme- 
ter  ebenso  wie  die  von  der  Stiftung  des  Ordens  durch  Elias  und 
Uisaeus  nicht  nur  ohne  Einsprache  der  Index-Congr.  unzählige  Male 
rucken  lassen,  sondern  sie  steht  auch  —  freilich  etwas  vorsichtig 
tilisirt^)   —   in  dem  Officium  des  Festes  B.  M.  V.  de  Monte  Car- 


1)  Die  Lectionen  sind   von  Bellarmin  unier  Paul  V.  revidirt.   Bened. 
:iV.   De  festis  2,  6,  10. 


276  Schriften  über  Orden. 

melo  (16.  Juli),  welches  bis  1675  nur  von  den  Carmelitern  recitirt, 
dann  aber  von  Clemens  X.  für  die  spanischen  Gebiete  vorgeschrieben 
wurde  (der  Bischof  von  Antwerpen  trug  1677  in  einer  von  Papen- 
broek  verfassten  Eingabe  der  Riten- Congr.  seine  Bedenken  vor, 
£luoid.  p.  39),  und  seit  Benedict XIII.  1726  im  Römischen  Brevier 
steht.  —  Das  Buch  von  Alegre  wurde  in  Spanien  erst  1663  und 
nur  mit  d.  c.  verboten,  gleichzeitig  aber  in  derselben  Weise  eine 
Reihe  von  anderen  Büchern  von  Carmelitern,  u.  a.  ein  1636  zu  Rom 
gedrucktes  von  Michael  Mufioz,  Propugnaculum  Eliae  et  propaginis 
Carmelitanae,  und  mehrere  von  dem  Historiographen  des  Ordens 
Francisco  de  S.  Maria,  und  im  allgemeinen  alle  Bücher,  welche  lo- 
quuntur  de  monachatu  Eliae  affirmando,  quod  fuerit  Status  publicus 
tam  pro  viris  quam  pro  mulieribus  cum  tribus  votis  substantialibus 
et  professione  religiosa  sub  approbatione  istius  Ecclesiae.  Diese 
„Lehre",  dass  es  schon  im  Alten  Bunde  einen  Ordensstand  gleich 
dem  kirchlichen  gegeben,  wird  auch  als  Hauptgrund  des  Verbotes 
der  genannten  Carmeliter-Schriften  angegeben^).  1697  verbot  die 
Inquisition  mit  anderen  die  Controverse  zwischen  Carmelitern  und 
Jesuiten  betreffenden  Büchern  auch  Controversia  dogmatica  .  .  .  con- 
tra asserentes  quod  in  Y.  T.  fuit  verus  Status  religiosus,  auct.  Franc. 
Galliano  Spuche,  Ord.  S.  Hieronymi,  Madrid  1596,  und  eine  Apo- 
logia  Controversiae  etc.  von  demselben.  Die  Hieronymiten  schickten 
einen  Procurator  nach  Rom,  um  die  Cassirung  des  Verbotes  zu  be- 
treiben (Elucid.  p.  170).  Die  Bücher  wurden  in  Rom  nicht  ver- 
boten, blieben  aber  im  span.  Index. 

6.  Der  spanische  Hieronymit  Hermenegildo  de  S.  Pablo  suchte 
in  dem  Buche  Origen  y  continuaoion  del  instituto  y  religion  G-ero- 
nyma,  Madr.  1669,  verb.  1672,  nachzuweisen,  dass  der  h.  Ambro** 
sius,  dessen  Nachfolger  Simplicianus,  der  h.  Paulinus  und  viel» 
andere,  auch  der  h.  Benedictus  Hieronymiten  gewesen,  was  nament- 
lich die  Benedictiner  übel  nahmen  (Thuillier  1,  457.  Nie.  Antonio 
s.  V.).     Im  span.  Index    stehen   noch    5    spätere  Schriften  von  ihm. 

Von  mehreren  Schriften,  die  im  17.  Jahrh.  verb.  wurden,  weiss 
ich  nichts  oder  nicht  den  Grund  des  Verbotes.  Sie  stehen  im  Index 
unter  Propugnaculum  (Canonicorum  Lat.),  Riponse,  Responsomm 
(über  einen  Streit  eines  Klosters  in  civitate  Novariensi  [Novesiensi 
=  Neuss?]  mit  einer  Bruderschaft  in  Köln),  Ooms  und  Molarcha 
(über  einen  Streit  der  Birgittaner  mit  dem  Bischof  von  Gent),  Cac- 
cini  (7  Folia  und  ein  8.  unter  Torellatius  über  einen  Streit  des 
Damiauus  Caccini,  Mönches  von  Vallombrosa,  mit  seinem  General; 
Alex.  No.  73),  P.  A.  Tornamira  e  Gotho  (Benedictiner  von  Monte 
Cassino,  3  Schriften),  Yso  Pfaw  (in  St.  Gallen,  Collectarium  der  den 
Schweizer  Benedictinern  von  Urban  VIII.  verliehenen  Privilegien). 
—  Ein  ausführliches  Werk  über  das  Strafverfahren  in  Orden,  Anrea 


1)  Das  Decret  von  1663  und  eines  von  1673    8t<?hen  in  der  (hinteir 
Papebrochii   Elucidatio    abgedruckten)  Apologfia  pro  veritate,    auct.  Ant. 
Xaramilio,  p.  134. 


Ordeus-Streiiigkoiien.  Bildor.  277 

methoduB  corrigendi  reguläres,  auct.  Oct.  Spathario  de  Incisa, 
Ord.  Min.,  Col.  1623  (Pragm.  Gesch.  5,  221),  wurde  sofort  verb., 
später,  1700,  noch  Enchiridion  judiciale  Ordinis  Fr.  Min.  .  .  von 
Fr.  Emmanuel  a  Conceptione,  Liss.  1693  (es  gibt  mehrere  portu- 
giesische Ordensgeistliche  dieses  Namens ;  dieser  hiess  nach  Machado 
3,  226  in  saeculo  Manoel  Teixeira  de  Seixas,  f  1693). 

7.  Mit  Ordens-Eivalitäten  hangen  einige  jetzt  in  den  Decr. 
gen.  stehende  Verbote  von  Bildern  zusammen:  III,  2.  Bilder  Christi, 
Mariae,  der  Engel,  Evangelisten  und  anderer  Heiligen  in  anderer 
Kleidung  und  Form,  als  sie  in  der  katholischen  und  apostolischen 
Kirche  seit  alter  Zeit  gebräuchlich  ist,  oder  auch  in  der  besondem 
Kleidung  irgend  eines  Ordens.  —  5.  Bilder,  auf  denen  der  Knabe  Jesus 
dargestellt  ist  und  unter  ihm  drei  Kirchenlehrer  und  statt  der  drei 
anderen,  die  auf  den  älteren  Bildern  dieser  Art  dargestellt  waren, 
drei  Ordenpriester,  mit  der  Unterschrift:  Jesu  doctorum  intima  etc. 
—  7.  Bilder,  auf  denen  die  h.  Jungfrau  mit  dem  Kinde  dargestellt  ist 
inmitten  zweier  Heiligen  aus  der  Gesellschaft  Jesu,  wie  sie  dem  einen 
ein  Buch,  dem  andern  einen  Rosenkranz  übergibt,  mit  der  Unter- 
schrift: „Die  Mutter  Gottes  mit  dem  Sohne  inspirirt  und  empfiehlt 
der  Gesellschaft  Jesu  die  Gründung  von  Modalitäten  und  den  Ge- 
branch des  Officiums  und  des  Rosenkranzes"  ^).  Die  beiden  letzten  Ver- 
bote sind  von  der  Index-Congr.  9.  Febr.  1683  bezw.  15  Jan.  1684 
erlassen  worden  (A.  J.  P.  1,  1240).  —  Am  10.  Dec.  1636  erliess  die 
Index-Congr.  ein  eigenes  Decret  (Alex.  No.  42),  worin  sie,  um  den 
Anlass  zu  Erörterungen  (quaestiones)  unter  den  Orden  zu  beseitigen 
und  wegen  Nichtbeachtung  der  Vorschriften  des  Trienter  Concils^)  bei 
den  im  Index  und  in  den  h.  Canones  enthaltenen  Strafen  ein  Bild 
verbietet,  auf  welchem  der  h.  Basilius,  in  der  Tracht  der  Benedic- 
tiner  (cucullatus,  habitu  prorsus  Benedictino)  dargestellt  ist,  wie  er 
mit  der  Linken  seine  Ordensregel   vier  vor  ihm  knieenden   heiligen 


1)  Den  Observanten  zu  Toledo  wurde  1664  verb.,  die  h.  Jungfrau 
abzubilden,  wie  sie  dem  h.  Franciscus  und  der  h.  Clara  (statt  dem  h.  Do- 
minicus)  den  Rosenkranz  übergibt.  Bened.  XIV.  Beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  2G, 
wo  noch  andere  derartige  Verbote  angeführt  werden. 

2)  Das  Concil  von  Trient  hatte  Sess.  25  die  Aufstellung  ungewöhn- 
licher Bilder  und  ohne  Erlaubniss  des  Bischofs  verboten;  Urban  VIII. 
reservirte  in  einem  Breve  vom  15.  März  1642  die  Ertbeilung  der  Erlaub- 
niss dem  Papste  (A.  J.  P.  1,  1238)  —  1797  wurde  in  Wien  mit  Genehmi- 
gung der  k.  k.  Ccnsur  ein  Bild  der  h.  Dreifaltigkeit  verbreitet,  worauf 
der  h.  Geist  als  ein  Jüngling  mit  einer  Taube  dargestellt  war,  angeblich 
uach  einer  altern  Zeichnung  des  Hofmalers  Göz  zu  Augsburg.  Da  der 
Erzbischof  Migazzi  vorstellte,  das  Bild  sei  auf  eine  Anfrage  des  Bischofs 
von  Augsburg  von  Benedict  XIV.  [in  dem  Schreiben  an  den  Bischof  vom 
1.  Oct.  1745,  n.  8]  für  unzulässig  erklärt  worden,  wurde  es  confiscirt  (Arch. 
f.  Ost.  Gesch.  50,  368}.  Iü25  verbot  die  Inquisition,  wie  in  der  Raccolta 
8.  V.  Imagini  angegeben  wird,  Bilder,  auf  denen  die  Trinität  als  ein  Mensch 
mit  drei  Gesichtern  oder  mit  zwei  Köpfen,  zwischen  denen  eine  Taube, 
dargestellt  war,  —  Bilder  die  den  Ketzern  in  Ungarn  Anlass  gegeben, 
die  Trinität  als  Cerberus  trifaux,  Janus  trifrons  und  dgl.  zu  verspotten. 


278  Schriften  über  Orden. 

Ordensstifteni  übergibt,  während  die  Stifter  der  anderen  Orden,  auch 
der  Ritterorden  zur  Rechten  angebracht  sind,  mit  der  UnterBchrift : 
Zur  Erinnerung  an  den  Ursprung  des  gemeinsamen  coenobitischen 
Lebens  nach  der  Anordnung  des  h.  Basilius  in  Kupfer  gestochen 
von  Jo.  de  Noort  1634.  Das  Verbot  wurde  1728  erneuert  und 
steht  im  Rom.  Inde^  unter  Basilius  (im  spanischen  Index  unt-er 
Estampa  wird  das  Bild  etwas  anders  beschrieben;  als  die  vier 
Ordensstifter  werden  hier  Augustinus,  Benediotus,  Franciscus  und 
Albertus  genannt). 

8.  Von  einer  1623  verbotenen  Schrift  muss  der  Titel  etwaa 
vollständiger  angeführt  werden,  als  er  im  Index  steht:  Jo.  de  Or- 
bara.  Civitatis  Nicosiae  in  insula  Siciliae  gubernatoris,  Epistola  ad 
S.  D.  N.  Paulum  V.  P.  M.  et  ad  omnes  principes  et  propulos  christ. 
et  potissimum  ad  sacerdotes  et  religiöses,  qua  ostenditur  testimoniis 
V.  et  N.  T.  .  .  .  Ventura  esse  tempora,  in  quibus  sacerdotes  et 
religiosi  Christi  arma  ferre  contra  infideles  suscipiant,  ut  eos  de 
superficie  terrae  penitns  deleant  et  .  .  .  proponitur  forma  quaedam 
militandi  ferro  adeo  ordinata,  ut  perfectissimi  religiosi  possint  snb 
ea  militare  et  bonos  suos  mores  conservare,  Panormi  1611,  8.  Nä- 
heres über  den  Vorschlag  bei  (Pray),  Index  rar.  libr.  biblioth.  Bu- 
densis,  1781,  II,  163,  der  seinen  Auszug  mit  dem  Satze  schlieest: 
Haec  ille  sub  ardente,  ut  videtur,  coelo  natus.  23  der  36  Capitel 
handeln  übrigens  von  den  Bibelstellen,  und  die  Exegese  wird  den 
Autor  in  den  Index  gebracht  haben. 

Scalae  Jacob  virginibus  Deo   cum  proposito  perpetuae  conti- 
nentiae  in  saeculo  famulantibus  a  Rev.  D.  Jo.   Lindenbom,  S.   Th. 
Lic.  formato,    applicatae,    1666,    wurde  1667  verb.,    weil  der  Ver- 
fasser,   ein  holländischer  Geistlicher  (Hurter  2,  489),  in  dieser  fUr 
einen  von  ihm  geleiteten  Verein    von  frommen  Frauenzimmern  ver- 
fassten    Schrift    solche  in    der  Welt  lebende   Jungfrauen   über    die 
Klosterfrauen  erhob.     Qu6tif  2,  663  führt  zwei  Gegenschriften  einei» 
Dominicaners  Freylinck    au;    Heussen  erzählt   in   der  Batavia  sacr^- 
2,  124:    Lindenborn   sei,   als  er  wegen  der  holländisch  herausgege^ 
benen  Schrift  denuncirt  worden,    nach  Rom  gereist,   und  man  hab^^ 
von  einer  Censur  abgesehen  unter  der  Bedingung,    dass  er  in  einer^ 
latein.   Ausgabe  einiges  erkläre;    aber    eben    diese   latein.   Ausgabc^s- 
steht  im  Index. 

9.  Im  J.  1700  wurde  verb.  Epistola  sub  nomine  Andreac^^ 
Alciati  edita  ab  Ant.  Matthaeo  Lugd.  Bat.  1695  contra  vitam  mo — 
nasticam  ad  collegam  olim  suum,  qui  transierat  ad  Franciscanos,  Ber — 
nardum  Mattium.  Die  Epistola,  welche  von  A.  Matthaei  cum  sylloge» 
aliarum  epistolarum  etc.  herausgegeben  wurde,  ist  wirklich  von  A^ 
Alciati  (1492—1550;  Jugler  3,  38)  und  steht  seit  Ben.  auch  unter* 
seinem  Namen  im  Index. 

1755  wurde  verb.:  Ordre s  monastiques.     Histoire  extraite  d© 
tous  les  auteurs    qui    ont    conserv^   a  la  posterit6    ce    quMl  y  a  de 
plus  curieux  dans    chaque   ordre,    enrichie    d'un   trös-grand  nombre 
de  passages  des  memes  auteurs  .  .  .  Berlin  (Paris)  1751,  7  vol.  8., 
nach  Barbier  von  Abbi  Müssen.     Danach  ist  die  Pragmatische  Oe- 


Satiren.  279 

scbiclite  der  vornehmsten  Mönchsorden,  mit  Vorrede  von  Ch.  W.  Fr. 
Walch,  Lpz.  1 774—83,  10  Bände  8.  (von  dem  Rector  L.  G.  Cromo 
in  Einbeck,  unter  Mitwirkung  von  Walch)  bearbeitet. 

Von  Satiren  auf  Mönche  stehen  im  Index:  Le  moine  s6cula- 
risi,  Col.  1676,  verb.  1679,  ist  Le  moine  secularis^,  augment6  de 
nouveau  de  la  vie  des  moines  suivant  Toriginal,  Cologne  chez 
Pierre  Marteau  (in  Holland  gedruckt).  Nach  einem  Briefe  von  Bayle 
an  Minutoli  (Oeuvres  3,  553)  waren  in  einer  frühern  Ausgabe  auf 
Verlangen  der  Inquisition  de  Geneve  Stellen  über  das  unzüchtige 
Leben  der  Mönche  weggelassen.  Nach  demselben  Briefe  wurde  ein 
Geistlicher  zu  Lyon,  Du  Pr6,  für  den  Verfasser  gehalten.  Le  Ji- 
suite  s^cularisÄ,  Col.  1683,  234  8.  16.,  verb.  1687,  wird  ein  ähn- 
liches Product  sein.  —  Meliton,  L^apocalypse  de  M^liton  ou  r6v6- 
lation  des  my stires  cenobitiques,  1665,  12.,  erst  1681  verb.,  ist  von 
Claude  Pithoys,  früher  Mitglied  des  Ordens  der  Minimi,  dann  Prof. 
der  Philosophie  in  Sedan ;  er  gibt  vor,  der  Bischof  J.  P.  Camus  von 
Belley,  dessen  Schriften  er  benutzt  hat,  habe  ihm  die  Apocalypse 
dictirt  (Querard  2,  1101).  —  Le  Calvaire  profan6  ou  le  Mont 
Valerien  usurpä  par  les  Jacobins  reform^s  du  Fauxbourg  S.  Honori, 
Par.  1670,  12.,  ein  Gedicht  des  Abb6  Duval,  worin  geschildert  wird, 
wie  den  Dominicanern  der  Besitz  des  Mont  Valerien,  worüber  sie 
mit  einer  Genossenschaft  von  Weltgeistlichen  stritten,  auf  Betreiben 
des  Card,  de  Eetz  von  dem  Parlamente  zugesprochen  und  dieser  Be- 
schluss,  da  die  Weltgeistlichen  nicht  weichen  wollten)  mit  Gewalt 
durchgesetzt  und  dabei  ein  Priester  verwundet,  ein  Bauer  getödtet 
wurde  (die  Weltgeistlichen  wurden  bald  darauf  wieder  in  ihr  Recht 
eingesetzt.  Suppl.  de  Morery,  s.  v.  Valerien.  U.  N.  1735,  451). 
Das  Schriftchen  wurde  30  Jahre  nach  seinem  Erscheinen,  1700, 
verb.  und  steht  noch  heute  im  Index.  —  La  Guerre  seraphique, 
ou  histoire  des  perils  qu'a  courus  la  barbe  des  Capucins  [par  les 
violents  attaques  des  Cordeliers,  avec  une  dissertation  sur  Tinscrip- 
tion  du  grand  portail  de  r6gl.  des  Cordeliers  de  Keims,  Haye 
1740],  verb.  1752,  mit  Unrecht  vielfach  dem  bekannten  französischen 
Theologen    J.    B.    Thiers   zugeschrieben.     Von    diesem    ist   nur  die 

p.   267 — 359  stehende  Dissertation,  die  als  Diss.  sur  iHnsor 

de  Keims  „Deo  homini  et  B.  Francisco  utrique  crucifixo",  par  le 
Sieur  de  Saint-Sauveur,  Brux.  1670  und  1673,  12.,  erschienen  war 
und  auch  scharfe  Bemerkungen  über  den  Liber  conformitatum  ent- 
hält. La  guerre  ist  ohne  Zweifel  von  einem  Protestanten,  angeblich 
nach  Boverio  bearbeitet^). 


1)  Ein  Auszug  bei  Irailh  3, 176.  Vgl  Marchand  1,  8.  U.  N.  1744,  690. 
Die  Inschrift  in  Reims  wurde  in  Folge  der  Broschüre  von  Thiers  durch 
eine  andere  ersetzt:  Crucifixo  Deo  homini  et  S.  Fraucisco.  Comm.  de 
rebus  pert.  ad  Card.  Quirinum  1,  161. 


280  Jesuitica. 


39.    Jesnitica. 

Schriften  von  und  über  die  Jesuiten  sind  in  vielen  Ab- 
schnitten der  Geschichte  des  Index  zu  besprechen.  Hier  sollen 
diejenigen  zusammengestellt  werden,  welche  nicht  mit  einer 
andern  besonders  zu  behandelnden  Materie  im  Zusammenbange 
stehen.  Dahin  gehören  zunächst  mehrere  1600—1757  erschienene 
Schriften  gegen  den  Orden,  von  denen  die  bedeutendsten  von 
Katholiken  verfasst  sind,  von  dem  Jesuiten  Mariana,  von  J.  Gl. 
Scotti  und  anderen  Ex-Jesuiten,  —  dahin  gehören  auch  die 
Monita  secreta,  —  von  dem  Capuciner  Valerianus  Magni,  dem 
altern  Arnauld,  Pasquier  und  G.  Scioppius.  Von  den  protestan- 
tischen Schriften  gegen  den  Orden  steht  nur  ein  kleiner  Brnch- 
theil  im  Index.  Ferner  ist  über  einige  Controversen  zwischen 
Jesuiten  und  den  älteren  Orden  und  den  Weltgeistlichen  zu  bandeln, 
über  das  Pasquill  auf  alle  anderen  Orden  und  die  Weltgeistlichen, 
welches  1712  zu  Wien  unter  dem  harmlosen  Titel  Cura  salutis 
erschien,  über  einige  Verherrlichungen  des  h.  Ignatius  und  einige 
Controversen  über  ihn,  endlich  über  den  Orden  der  Jesuitissen, 
der  1631  unterdrückt  wurde,  später  aber  als  Institut  der  eng- 
lischen Fräulein  wieder  auflebte. 

1.  Schriften  von  Jesuiten  und  £x- Jesuiten.  ProtocatastAsis 
8.  prima  Societatis  Jesu  institutio  restauranda,  Summe  Pontifici  la- 
tino-gallica  expostulatione  proponitur  Theophili  Eugenii  zelo,  1614, 
verb.  1621.  Der  Verfasser  ist  Guillaume  Pasquelin,  der  18  Jahre 
Jesuit  war,  sich  nicht  zufrieden  gab,  als  man  ihn  nicht  zu  dea 
letzten  Gelübden  zulassen  wollte,  und  IG  13  mit  päpstlicher  Geneh- 
migung  aus  dem  Orden  entlassen  wurde.  Er  beantragt,  die  Kegeln. 
80  zu  reformiren,  dass  der  Orden  der  Idee  seines  Stifters  wieder 
entsprechend  und  den  anderen  Orden  ähnlich  werde  ^).  Di& 
Schrift  ist  abgedruckt  im  2.  Bande  der  Tuba  magna;  im  span» 
Index  steht  sie  nicht. 

In  demselben  Decrete  (Alex.  No.  23)  werden  verboten  Monita^ 
privata  Societatis  Jesu  [ex  hispanico  latine  facta],  Notobrigiae  fKrar 
kau]   1612,  sine  nomine   auctoris.     Das    Buch    war    schon  10.  Dec-- 
1616  in  einer  im  Hause    (in  palatio)  des  Card.  Bellarmin,    des  da^ 


1)  Schulte,  Gesch.  3,  1,  584.  Prat  3,  594.  Dieser  berichtet  auch  über" 
ähnliche  damals  erschienene  Schriften  und  über  die  Gegenschriften  von- 
Coton  und  Richeome. 


Protocaiastasis.  .Monita  secreta.  Mariana.  281 

maligen  PräfecteD,  gehaltenen  Sitzung  der  Index-Congr.  verb.  worden 
als  liber  falso  Societati  Jesu  adscriptus,  calunrniosus  et  diffamatio- 
oibus  plenns.  Dieses  mit  der  Unterschrift  des  Secretärs  Magd. 
Capiferrens  vom  28.  Dec.  1616  in  der  Druckerei  der  apostolischen 
Kammer  1617  gedruckte  Decret  ist  nicht  bei  Alex.,  aber  in  dem 
Krakauer  Index  von  1617  (in  welchem  auch  eine  polnische  Ueber- 
setzung  verboten  wird)  und  bei  Huylenbroucq,  Vindicationes  alterae, 
1713,  p.  110  abgedruckt.  Die  folgenden  Ausgaben  haben  etwas 
andere  Titel:  Aurea  monita  religiosissimae  Soc.  Jesu  edita  a  Theo- 
philo  EulaliOi  Placentiae  s.  a.,  Arcana  monita  religiös.  Soc.  Jesu, 
1618,  u.  s.  w.  Im  J.  1633  liess  sie  Scioppius  in  seiner  Anatomia 
p.  49  als  Instructio  secreta  (mit  einer  Aenderung  in  der  Anordnung 
und  Beifügung  von  zwei  Capiteln)  abdrucken.  Seitdem  sind  sie  oft 
lateinisch  und  in  Uebersetzungen  gedruckt.  Eine  italienische  Aus- 
gabe, Istruzioni  secrete  della  Compagnia  di  Gesü  con  aggiunte 
importanti,  wurde  1836  verb.  mit  dem  Zusätze:  opusculum  Impres- 
sum cum  ementito  editionis  loco  (Rom?).  —  Die  span.  Inq.  verbot 
erst  1634  auf  Betreiben  der  Jesuiten  eine  angeblich  von  dem  £x- 
Carmeliter  Dr.  Spinus  gemachte  Uebersetzung:  Singulares  y  secretas 
admoniciones  .  •  .,  s.  1.  et  a.»  und  nur  diese  steht  seit  Sot.  im 
Index.  —  Man  hat  vielfach  trotz  wiederholter  Erklärungen  der  Je- 
suiten gemeint,  es  seien  in  den  Monita  wirklich  von  den  Ordens- 
oberen ausgegangene  geheime  Yerhaltungsmassregeln  enthalten;  das 
Buch  ist  aber  ohne  Zweifel  eine  Satire,  in  welcher  von  dem  that- 
sächlichen  Verhalten  mancher  Jesuiten  diese  fingirten  Monita  abs- 
trahirt  sind.  Der  Verfasser  ist  allem  Anscheine  nach  ein  Ex-Jesuit, 
wahrscheinlich  der  1611  aus  dem  Orden  entlassene  Hieronymus 
Zaorowski,  Pfarrer  in  Gozdziez^). 

Discorso  del  P.  Mari  an a,  Giesuita  spagnuolo,  intorno  a'  grandi 
errori,  che  sono  nella  forma  del  governo  dei  Gesuiti  (Bordeaux  1625), 
verb.  1628  (seit  Ben.  ist  Gies.  spagn.  weggelassen).  Das  Manu- 
script  wurde  mit  anderen  Papieren  bei  der  Verhaftung  Mariana's  1609 
conÄscirt;  die  Papiere  wurden  dem  Bischof  Franc.  Sola  von  Osma 
zur  Durchsicht  gegeben.  Nach  dem  Tode  Mariana's  (16.  Febr.  1623) 
wurde  aus  Veranlassung  der  Streitigkeiten  zwischen  der  Universität 
Paris  und  den  Jesuiten  1624  eine  französische  Uebersetzung  gedruckt 
(sie  liegt  der  italienischen  zu  Grunde),  das  spanische  Orginal,  Tra- 
tado  de  las  cosas   que  ay    dignas  de  remedio    en    la    CompaÜia   de 


1)  Backer,  5,  491.  Gieseler,  K.-G.  8,  2,  656.  Pragm.  Gesch.  der 
Mönchsorden  9,  220.  270.  458.  Mastiaux,  Lit.-Ztg.  1818,  No.  94.  Friedrich, 
Beitr.  zur  Gesch.  des  Jesuitenordens,  1881,  S.  3.  Die  Monita  sind  abgedr. 
in  der  Tuba  ma^na  von  1713;  in  der  Tuba  altera  von  1715  wird  ihre  Un- 
echtheit  anerkannt.  Auch  Arnauhl  3,  143  sieht  sie  als  eine  Satirc  an. 
Von  der  Ausgabe:  Monita  secreta  Soc.  Jesu.  Instructions  secretes  des 
Jesuites.  Par  Ch.  Sauvestre,  wurden  22O0O  Exemplare  in  1^2  Jahren  ab- 
f^esetzt  und  erschien  1679  die  13.  Auflage.  H.  A.  Bergmann,  Die  geheimen 
Instructionen  für  die  Gesellsch.  Jesu,  ist  doch  nur  1867  in  3.  Aufl.  er- 
schienen. 


282  Jesuitica. 

Jesus,  steht  im  Mercure  J^s.  II,  1.  Das  Buch  wird  auch  als  Discnrso  de 
las  enfermedades  de  la  Comp,  de  Jesu,  Tract.  de  morhis  Soc.  Jesu 
citirt.  Bei  Sot.  (vorher  schon  in  dem  Index  von  Palermo  von 
1629)  steht  unter  Juan  de  Mariana:  ün  tratado  que  se  le  atribuye 
De  regimine  Societatis.  Die  Behauptung  der  Jesuiten,  die  Schrift 
sei  nicht  von  Mariana  oder  von  den  Herausgebern  interpolirt  (so 
Backer  5,  517),  ist  grundlos^). 

Von  Julius  Clemens  Scotus  (Scotti),  der  1616  zu  Rom  Jesuit 
wurde  und,  nachdem  er  die  vier  Gelübde  abgelegt,  1645  zu  Venedig 
aus  dem  Orden  austrat  und  als  Professor    der  Philosophie  und  des 
Kirchenrechts  1669  zu  Padua  starb,  wurden  1651  verb. :  Julii  Clemen- 
tis  Piacentini  ex  illustriss.  .Scotorum  familia  De  potestate  pontificia  in 
Societatem  Jesu  ...  ad  Innocentium  X.,  Paris  (Venedig)  1646*,  3908. 
4.  (Dagegen  erschien  im  Auftrag  des  Jesuiten -Generals  Vincenz  Caraffai 
Vindicationes  Societatis  Jesu,  quibus  multorum  accusationes  in  ejus, 
institutum,    leges,    gymnasia,   mores  refelluntur.    Auot.  Sfortia  Pal' 
lavicino,  Rom  1649,  400  S.  4.).    —    Julii  Clem.  Scoti    De  obliga- 
tione  regularis  extra  regulärem  domum  commorantis  ob  justum  me-- 
tum.     De  jure   tuendi  famam.     De   apostatis    et  fugitivis.    Opuscnlar 
tria,  in  quibus  juxta  principia  theologiae  tum  scholasticae  tum  posi— 
tivae  sacrorumque    canonum  ac  philosophiae    moralis   plurimae    sei — 
vuntur   quaestiones.    Coloniae    (Venedig)  1647,*   256   S.  4.    (in  deis- 
Index- Ausgaben  so  gedruckt,    als  ob    die   drei  Opuscula   besondere 
erschienen  wären).  —  Später  wurden  von  ihm  verb.  Paedia  peripa — 
tetica,  qua  omnis  docendae  ac  discendae    philosophiae    Arist.    ratic^ 
dissertationibus   octo  exponitur.     In  bis  inter   cetera   passim    aluoi — 
nationes  a  P.  Sf.  Pallavicino  in  libro  Vindiciae  .  .  .  publicatae  de — 
teguntur  ac  praesertim  antiquiores  patres  et  insignes  christiani  orbi 
academiae  ab  ipsius  injnriis  asseruntur,     Patavii  1633,    als  Paedia 
peripat.  dissertationes  octo  verb.  1654.  —  Opusculnm  de  seligendi 
opinionibus  et  auctoribus  generatim,  Patavii  1625,*  852  S.  8;  Opus 
culum   de  observandis    in  auctorum  praesertim  scientissimorum  leo 
tione,  Pat.  1652,  32  S.  8.,  als  Opuscula  duo  etc.    verb.   1656; 
endlich  1665  noch  die  pseudonyme  Schrift:  Notae  64  morales,  cen 
soriae,    historicae  ad  inscriptionem,    epistolam    ad  lectorem,    appro — ' 
bationem  et  caput  13.  introductionis  ad  Historiam  Concilii  Tridentin^ 
P.  Sfortiae  Pallavicini  e  S.  J.,  in  quibus  multa  reponuntur  cum  mal 
tiplice  eruditione  ad  utramqne  theologiam,  canonicam  conoiliaremq 
scientiam  potissimum  spectantia.     Stanislai  Felic   Coloniensis  ope 


1)  R.  Simon,    Lettres  2,  109.  Serry,  Hist.  de  aux.  p.  74.    106.  759  ^ 
Baumg.  8,  250.    Friedrich  a.  a.  0.  S.  12.     Die  Schrift  steht  auch    in  der:^- 
Obras  de  J.  Mariana   (Bibliot.  de  autores,  1854)  II,  595.    Nach  der  V 
treibuDg   der  Jesuiten  erschien:     Discurso  sobre    las  enfermedades   de   l 
Compania,  per  el  P.  Juan  de  Mariana,  con  uua   dissertacion  sobre  el  aato 
y  la  legitimidad    de    la  obra  y  un  apendice   de  v4rio8  testimonios   de  j 
suitas  espafioles  que  concuerdau  con  Mariana,  Madr.  1768,   808  S.  4.   Di 
Dissertation  ist  von  Jose  Miguel  de  Flores.  Pelayo  3,  168. 


J.  Cl.  Scotti.  Monarchia  Solipsorum.  Jarrige.  S63 

typis  evnlgatae  et  selectis  in  Eom.  Carla  viris  dicatae.  His.  additns 
est  libelluB  continens  discnssioDem  qnatuor  judiciorum  jam  impres- 
sornm  de  eadem  P.  Pallavicini  Hiatoria,  una  cnm  incommodis  ab  eo 
Rom.  Ecclesiae  illatis  ac  inferendis  ac  illins  pariter  oommodis.  Quam 
seqnitur  exceptio  contra  accusationem  Historiae  P.  Soave  Polani 
ejnsdemque  accusationis  confatatio,  Coloniae  (Padna?)  1664,*  136 
und  24  S.  4.  (beginnend:  Yiris  in  Eom.  Curia  selectis  Stan.  Felic 
Colon.  F.  P.)i). 

Scotti  wird  yielfach  als  der  Verfasser  eines  Buches  angesehen, 
welches  auffallender  Weise  nicht  im  Rom.,  wohl  aber  im  span.  Index 
steht:  Lucii  Comelii  Europaei  Monarchia  Solipsorum  ad  V.  Cl.  Leo- 
nem  Allatium,  zuerst  1646,  dann  wiederholt  gedruckt,  auch  in 
französischer,  italienischer  und  deutscher  üebersetzung.  Diese  Satire 
auf  die  Jesuiten  (soli  ipsi,  sie  denken  nur  an  sich)  ist  aber  wahr- 
scheinlich von  Melchior  Inchofer,  von  dem  Abb6  Bourgeois,  der 
damals  in  Rom  war,  erzählt,  er  habe  1645  dem  Papste  eine  Denk- 
schrift über  die  Nothwendigkeit  einer  Reform  seines  Ordens  über- 
geben, sei  in  Verdacht  gekommen,  die  Monarchia  verfasst  zu  haben, 
und  die  Jesuiten  hätten  versucht,  ihn  von  Rom  gewaltsam  wegzu- 
schaffen 2). 

Jesuita  in  ferali  pegmate  ob  nefanda  crimina  in  provincia  Gui- 
enna  perpetrata  a  Petro  Jarrigio,  antea  ejusdem  Societatis  viro, 
constitutus,  Lugd.  Bat.  1665,*  verb.  1688.  Pierre  Jarrige  trat, 
nachdem  er  20  Jahre  Jesuit  gewesen  und  die  vier  Gelübde  abgelegt, 
weil  er  sich  zurückgesetzt  glaubte,  aus  dem  Orden  aus,  wurde 
25.  Deo.  1647  zu  La  Rochelle  Protestant  und  schrieb  nun  zuerst 
Declaration  du  Sieur  Pierre  Jarrige,  cy  devant  Jesuiste  .  .  . ,  Leyde 
1648,*  87  S.  8.,  dann  Les  Jesuistes  mis  sur  T^chafaut  pour  plusi- 
eurs  crimes  capitaux  par  eux  commis  dans  la  Province  de  Guienne. 
Avec  la  response  aux  calomnies  de  Jacques  Beaufes,  Leyde  1648,* 


1)  Backer  1,  753;  3,  559.  Poggiali,  Memorie  .  .  .  di  Piacenza  2.  215. 
—  Der  General  Caraffa  beauftragte  den  Provincial  zu  Augsburg  27.  Juli 
1647,  den  Jesuiten  seiner  Provinz  mitzutheilen,  dass  der  eben  erschienene 
2.  Band  von  Scotti's  Buch  über  die  Gesellschaft  (die  1647  erschienenen 
Opuscula)  in  derselben  Weise  verboten  sei  wieder  1.  und  von  niemand  ge- 
lesen werden  dürfe  als  von  den  wenigen,  denen  er  die  Erlaubniss  ertheilt, 
den  1.  zu  lesen.  (Münch.  Hofbibl.  Cod.  Moll.  109). 

2)  Der  Bericht  von  Bourgeois  bei  Arn.  28,716;  vgl.  A.  D.B.  14,  64. 
Was  der  Jesuit  Hon.  Fabri,  ApoL  1,  470  gegen  den  Bericht  sagt,  klingt  eher 
wie  eine  Bestätigung  desselben :  Dolo  sublatum  fuisse,  mentiris  (Bourgeois 
sagt,  der  Plan  sei  vereitelt  worden);  scio  quibusdam  malevolis  et  aemulis 
hoc  in  meutern  venisse  eosque  inanem  illam  movisse  suspicionem.  Dass 
Inchofer  die  Monarchia  verfasst,  bestätigt  Fabri,  wenn  er  sagt:  Aliquid 
forte  ad  Societatcm  non  reformandam,  sed  deformandam  moliebatur,  idque 
joco  potius  quam  serio.  —  In  dem  Lit.  Wochenbl.,  Nürnb.  1770,  I,  104 
wird  eine  Notiz  von  Christoph  Arnold  mitgetheilt:  der  Verfasser  sei  der 
Maronit  Abraham  Zechelleusis  [Ecchellensis,  f  1664],  wie  ein  Verwandter 
desselben,  Nie.  Henr.  Panesius,  Wagenseil  in  Rom  mitgetheilt  habe.  — 
La  Monarchie  des  Solipses  par  J.  C.  Scotti  Jesuite,  publiee  par  d'Henin 
de  Cttvilliers,  Par.  1824. 


284  Jesuitica. 

132  und  147  S.  8.  n.  o.,  auch  in  mehrere  Sprachen  übersetzt.  Er 
-wurde  aber  sohon  1649  wieder  katholisch  und  veröffentlichte  eine 
Ketractation  du  P.  P.  Jarrige  de  la  Comp,  de  Jisus  retir6  de  sa 
double  apostasie  par  la  misericorde  de  Dieu,  Antw.  1650  (deutsch 
bei  Räss,  Conv.  6,  264),  in  welcher  er  bezüglich  der  Enthüllungen, 
die  er  in  der  frühern  Schrift  über  einzelne  Jesuiten  gemacht,  er- 
klärt, die  Schuldigen  seien  ausgestossen  worden.  Man  stellte  ihm 
frei,  ob  er  wieder  in  den  Orden  eintreten  oder  als  Weltgeistlicher 
leben  wolle;  er  zog  letzteres  vor  und  starb  1660  in  seiner  Vater- 
stadt Tülle,  üeber  seinen  Uebertritt  und  Rücktritt  und  über  sein 
Buch  ist  eine  Reihe  von  Schriften  erschienen.  Sein  Buch  wurde 
also  40  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  1.  Ausgabe  und  28  nach 
seinem  Tode  verboten^).  —  Unbekannt  ist  mir  die  1654  (Alex. 
No.  60)  verbotene  Schrift  Nuda  veritas  s.  apologetica  dilucidatio 
cujusdam  epistolae  capituli  Conimbricensis  ad  instantiam  patrum 
societatis  directae  ad  Urbanum  VIII.,  aiict.  Caesare  Digner,  quon- 
dam  solipso.  Im  span.  Index  wird  auch  eine  spanische  Ueber- 
Setzung,  Verdad  desnuda  etc.,  Venedig  1646,  verb.,  die  der  Rath 
von  Castilien  1771   verbrennen  liess. 

2.    Schriften   von    anderen  Katholiken.     In    einem    Edicte  des 
Mag.  S.  P.  vom  9.  j^ov.   1709  steht:     Oratio  M.  Antonii  Arnaldi 
Advocati  in  Parlamente  Paris,    habita    4.  et  3.    Id.    Jul.  prohibetur 
cum  annoxis  opusculis,  vid.  Arrestum  contra  Jo.  Castellum  scholasticum, 
et  Jo.  Passeratii   prnefatiuncula  in  Disputationem    de    ridiculis  cam. 
sequentibus  carminibus,    Lugduni    Bat.  ex  ofücina  Lud.  Elzevirii  a... 
1595.     Das  verbotene  Buch  enthält    die  Rede,   welche  Antoine  Ar— 
nauld,  der  Vater  des  berühmten    Theologen,    als  Advocat    der  Uni — 
versität    12.  Juli  1594    gehalten,    als    das  Pariser  Parlament    übe 
den  Antrag  verhandelte,  die  Jesuiten  aus  Frankreich  auszuweisen*) 
femer  den  von  dem  Parlamente  nach  dem  Mordversuche  Jean  Chatel 
auf   Heinrich    IV.    (27.    Dec.  1594)    gefassten    Beschluss,    wodurc 
Chatel  zum  Tode  verurtheilt  und  zugleich    decretirt  warde,  '  die  Je 
Suiten,    die  man  als  Mitschuldige  ansah,    hätten   „als  Verführer  de 
Jugend,   Störer  der  öffentlichen  Ruhe    und  Feinde    des   Königs  un 
des  Staates*'  das  Land  zu  verlassen,  endlich  eine  kleine  Streitschriffc==- 
des  Pariser  Professors  Passerat    nebst   einigen  Gedichten  gegen  dio^ 
Jesuiten.   In  dem  Edicte  des  Mag.  S.  P.  war  ausser  anderen  Büchern 
noch  das  Geschichtswerk  von  de  Thou  verboten.     Das  Ediet  wurde^" 
in    der  üblichen  Weise,    als  Placat    gedruckt,    in    Rom    angeheftet«.^ 
Als  dieses  in  Paris  bekannt  wurde,  erregte  das  Verbot  des  Werke 


1)  BackcT  3,  318.  Cret.-Joly  3,  351.  Bayle  s.  v.  Jarrige  und  Adam.^ 
Arn.  29,  400. 

2)  Sic  war  französisch  schon  1594  gedruckt:  Plaidoye  de  M.  Ant^ 
Arnauld,  advocat  en  Parlament,  pour  l'üniversitc  de  Paris  demandcsresse^ 
contrc  les  Jcsuites  defendeurs  des  12  et  18  Jaillei  1594.  Eine  anderem 
Ucbersetzung  von  1695  heisst  Actio  habita  otc,  eine  in  Deutschland  159^ 
gemachte  Phiüppica  etc.  Clement  1,  119.  —  Man  nannte  das  Plaidoyef 
später  le  peche  originel  des  Arnauld.  S.-Beuve  1,  69. 


A.  Arnauld.  Arret  gegen  Chatcl.  286 

von  de  Thou,  noch  mehr  aber  das  des  Parlamentsbeschlasses  über 
den  Königsmörder,  grosses  Aufsehen.  Allerdings  hatte  sich  schon 
Clemens  VIII.  unwillig  über  dieses  Arr§t  geäussert  nicht  nur  wegen 
der  scharfen  Anklagen  gegen  die  Jesuiten,  sondern  auch  weil  sich 
ein  weltlicher  Gerichtshof  angemasst,  den  Satz:  que  le  Roy  Henry  IV. 
k  präsent  regnant  n'est  en  ^glise  jusqu'ä  ce  quMl  ait  Tapprobation 
da  Pape  für  ketzerisch  zu  erklären ;  aber  der  Cardinal  d'Ossat  hatte 
ihn  beschwichtigt  (Avr.  1,  112).  Nun  wurde  nach  14  Jahren  unter 
Paul  V.,  der  eben  damals  nach  Beendigung  des  Venetianischen  Con- 
fiictes  mit  Heinrich  IV.  auf  gutem  Fusse  stand,  das  ArrSt  verboten ! 
Der  Generaladvocat  Louis  Servin  beantragte  im  Parlamente,  das 
Edict  des  Mag.  S.  P.  durch  Henkershand  öffentlich  verbrennen  zu 
lassen.  Der  Antrag  wäre  durchgegangen,  wenn  nicht  Heinrich  IV. 
auf  die  Vorstellungen  des  Nuncius  Ubaldini  hin  die  Beschlussfas- 
sung  bis  auf  weiteres  suspendirt  hätte.  Der  König  beauftragte  den 
Kanzler,  den  Staatssecretär  Villeroy  und  seinen  Beichtvater  P.  Coton, 
mit  Ubaldini  über  die  Sache  zu  conferiren.  Dieser  versicherte^  man 
habe  in  Rom  gewiss  nicht  den  Mordversuch  Chateis  billigen  oder 
dessen  Verurth eilung  missbilligen,  sondern  nur  einige  in  dem  ArrSt 
enthaltene  anstössige  Sätze,  —  dieselben,  an  denen  Clemens  VIII. 
AnstosB  genommen,  —  verdammen  wollen;  wenn  das  Parlament 
diese  Sätze  widerrufen  wolle,  werde  man  gewiss  das  Arret  wieder 
vom  Index  entfernen.  An  einen  Widerruf  des  Parlaments  war  na- 
türlich nicht  zu  denken,  und  so  verlief  die  Conferenz  ohne  Resultat. 
Villeroy  bestand  darauf,  das  Edict  müsse  zurückgenommen  werden, 
schlug  aber  vor,  man  möge  dieses  in  der  Weise  thuen,  dass  man 
ein  neues  Edict  drucken  lasse,  welches  einige  neue  Bücher  und  alle 
in  dem  ersten  verbotenen  mit  Ausnahme  des  die  Rede  von  Ar- 
nauld und  den  Parlamentsbeschluss  enthaltenden  verbiete,  so  dass 
durch  dieses  neue  Edict  das  frühere  stillschweigend  cassirt  würde. 
F.  Coton  scheint  in  einer  Privatbesprechung  mit  dem  Nuncius 
diesen  Vorschlag  unterstützt  zu  haben,  und  der  Nuncius  über- 
mittelte denselben  nach  Rom ;  er  fügte  bei :  „Wenn  dieses  Mittel 
dem  h.  Vater  nicht  gefiele,  müsste  man  nothwendig  ein  anderes 
finden,  um  den  König  zufrieden  zu  stellen;  sonst  würde  dem  Par- 
lament gestattet  werden,  weiter  zu  gehen;  denn  der  Kanzler  und 
Herr  de  Villeroy  haben  mir  gesagt,  der  König  habe  das  Parlament 
nur  zurückgehalten,  um  Seiner  Heiligkeit  Zeit  zu  gewähren,  die 
Sache  zu  regeln."  Der  König  Hess  auch  an  den  Gesandten  de 
Bröves  in  Rom  schreiben:  es  sei  ihm  nicht  lieb,  dass  er  sich  nicht 
Mühe  gegeben,  über  die  Verhandlungen  der  Inquisition  sich  zu 
unterrichten  und  die  Publication  des  Edictes  zu  hintertreiben,  und 
dass  der  Cardinal  de  Givry,  der  als  Protector  Frankreichs  in  Rom 
residire  und  Mitglied  der  Inquisition  sei,  zur  Zeit,  als  diese  das 
Edict  genehmigt  habe,  nicht  in  Rom  gewesen  sei ;  er  sei  auch  unwillig 
darüber,  dass  die  Cardinäle  und  Prälaten,  welche  Pensionen  von 
Frankreich  bezögen,  ihm  nicht,  wie  es  ihre  Pflicht  gewesen,  über 
das,  was  man  im  Vatican  geplant,  berichtet  hätten,  und  er  habe 
Lust,    ihnen  die  Pensionen    zu   entziehen;    der   Gesandte    solle   dem 


286  Jesuitica. 

Papste  vorstelleii^  der  König  sei  ebensowohl  wie  das  Parlament 
unzufrieden  über  das  Edict,  er  habe  vorläufig  das  Parlament  von 
Massregeln  gegen  dasselbe  zurückgehalten,  werde  aber,  wenn  man 
in  Rom  den  Fehler  nicht  redressire,  nicht  umhin  können,  dem  Par- 
lament freie  Hand  zu  lassen,  mit  dem  Edicte  zu  verfahren,  wie  es 
schon  früher  mit  päpstlichen  Bullen  verfahren  sei,  die  auch  ohne 
Ueberlegnng  erlassen  worden.  (Das  Parlament  hatte  z.  B.  1591  eine 
Bulle  Gregors  XIV.  verbrennen  lassen.)  Als  der  Gresandte  dieses 
dem  Papste  vortrug,  antwortete  er:  das  £dict  sei  mehr  durch  ein 
Versehen  als  aus  böser  Absicht  und  gewiss  nicht  in  der  Absicht, 
den  König  zu  beleidigen,  publicirt  worden  und  dgl.  Dann  fragte  er: 
welche  Genugthuung  der  König  denn  verlange.  Der  Gesandte  ant- 
wortete: er  habe  keinen  Auftrag,  eine  bestimmte  Form  vorzuschreiben, 
sondern  nur  den  Auftrag,  überhaupt  Genugthuung  zu  verlangen. 
Darauf  gestand  denn  der  Papst,  der  Nuncius  habe  ihm  bereits  einen 
Vorschlag  mitgetheilt,  mit  dem  die  französische  Eegierung  einver- 
standen sei.  In  der  That  wurde  denn  auch  30.  Jan.  1610  ein  neues 
Edict  des  Mag.  S.  P.  veröfifentlicht,  worin  das  frühere  vom  9.  Nov. 
1609  nicht  erwähnt  wird,  in  welchem  aber  zuerst  die  nämlichen 
Bücher,  die  in  diesem  stehen,  mit  einziger  Ausnahme  des  streitigen, 
dann  einige  andere  verboten  werden  ^),  und  der  Gesandte  berichtete 
am  3.  Febr.  an  den  Staatssecretär  de  Villeroy:  „Die  Sache  ist  in 
der  Weise  wieder  gut  gemacht,  wie  Sie  mit  dem  Nuncius  verab- 
redet haben.  Ich  schicke  dem  Könige  das  neue  Placat,  welches 
gedruckt  worden  ist,  um  Seine  Majestät  zufrieden  zu  stellen.  In 
der  That  hat  Seine  Heiligkeit  sich  zu  dieser  Satisfaction  sehr  bereit 
gezeigt  und  seine  Unzufriedenheit  über  das  Vorgefallene  und  grosses 
Wohlwollen  gegen  Seine  Majestät  an  den  Tag  gelegt.''  Der  Papst- 
ernannte  sogar  aus  eigenem  Antriebe  einen  zweiten  französischen. 
Cardinal  zum  Mitgliede  der  Inquisition,  damit  der  allerchristlichst» 
König,  der  älteste  Sohn  der  Kirche,  in  dieser  Behörde  besser  ver^ 
treten    sei,    —    den    Card,   de    la  Rochefoucauld,   der  freilich»    wie»=^ 


1)  Prat  3,  188  erzählt:  „Paul  V.  Hess  ein  anderes  Decret  publiciren^. 
in  welchem  dieselben  Bücher  verboten  wurden    mit  Ausnahme  des  Parla^ — 
mentsbeschlusses,    welcher  durch  andere   Bücher  ersetzt  wurde.     So  bliel^ 
das  Plaidoyer  Arnaulds  auf  dem  Index,    aber  es  steht  in  dem  neuen  De — 
crete  ohne  den  Zusatz :  cum  annexis  opusculis  vid.  Arrestum  contra  Joan^ 
nem  Castellum.**  In  der  Note  fügt  er  bei:  .,Die  beiden  Decrete  stehen  in^ 
den  Indices    1.  pr.  hispanicus  et  romanus,  Madrid  1756  Fol.,  zweite  Pagi^ 
nation  S.  205.  206.'^    Eine  zu  Madrid  1756  gedruckte  Ausgabe  derlndlce» 
gibt  es  nicht.  Prat  meint  die  von  1667,  in  welcher  die  beiden  Decret«  au^ 
den  angeführten  Seiten  stehen;  er  hat  sich  aber  nicht  die  Mühe  gegeben^ 
die  Decrete  durchzulesen;     sonst   würde   er  gesehen  haben,    dass    in  denk 
zweiten  das  Plaidoyer  Arnaulds  nicht  steht.    —    Ubaldini  schlug' vor,    ii^ 
dem  neuen  Decrete    auch  die  anonyme  Schrift   von    J.    Gilot,   Traite  de» 
droits  et  libertez  de  PEglise  gall.,    1609,    zu  verbieten,    die  man  in  Rom. 
noch  g^r  nicht  in  Händen  hatte:    man  könne  sie  sur  sa  parole  et  snr  l9 
nom  de  l'auteur  verbieten.  Das  freschah  ind^'ss  nicht;  das  Buch  wurde  aucb 
später  nicht  verboten. 


A.  Arnuuld.  £t.  Pasquier.  287 

Perrens  sagt,  zu  tugendhaft  war,  als  dass  man  ihn  in  Born  nicht 
allgemein  he  wundert,  aher  auch  zu  unhedeutend,  als  dass  man  ihn 
gefürchtet  hätte. 

Der  weitere  Verlauf  der  Sache  zeigt,  dass  die  französische 
Begierung  mit  der  Cassirung  des  Edictes  vom  9.  Nov.  1609  ehenso 
dapirt  wurde  wie  drei  Jahre  später  mit  dem  Erlass  des  Decretes 
gegen  Becanus.  In  der  Baccolta  von  1624,  in  den  Ausgahen  des 
Elenchus  von  1632  und  1640  und  in  dem  Index  Alexanders  YII. 
von  1664  steht :  Oratio  A.  Arnaldi  .  .  .  cui  annexa  sunt  sequentia 
opnsoula,  vid.  Arrestum  etc.,  in  den  folgenden  Indices  his  1752 
incl.  wörtlich  wie  in  dem  angeblich  cassirten  Decrete :  Oratio  A. 
Arnaldi  .  .  .  prohibetur  cum  annexis  opuscnlis,  quae  sunt  Arrestum 
etc.,  und  in  der  Sammlung  von  Decreten  von  1624  und  bei  Alex, 
ist  No.  10  das  Decret  vom  9.  Nov.  1609  unmittelbar  vor  dem  vom 
30.  Jan.  1610  abgedruckt  (es  steht  auch  bei  Arg.  III  a  99  in  der 
Expostulatio  von  Valerien  de  Flavigny  gegen  die  Thesis  Claromon- 
tana  von  1663,  worin  die  Jesuiten  behauptet  hatten,  das  Arret  gegen 
Chatel  sei  nie  von  der  Inq.  verdammt  worden).  Erst  bei  Ben.  und 
in  den  folgenden  Index- Ausgaben  steht:  Arnaldus  Ant.,  Oratio  con- 
tra jesuitas  habita  Parisiis  4.  et  3.  Idus  Julias  ohne  den  Zusatz  cum 
annexis  opusculis.  Diese  Aenderung  ist  aber  wohl  nur  als  eine  der 
Abkürzung  wegen  vorgenommene  anzusehen,  wie  sehr  viele  Bücher- 
titel von  Ben.  abgekürzt  worden  sind.  Dass  das  Edict  vom  9.  Nov. 
1609  als  nicht  cassirt,  also  auch  Arnaulds  Bede  sammt  dem  Parla- 
mentsbeschlusse  gegen  Chatel  als  verboten  angesehen  werden  soll, 
ergibt  sich  daraus,  dass  hinter  dem  Artikel  Arnaldus  etc.  „Decr. 
9.  Nov.  1609"  (seit  1806  in  allen  Ausgaben  verdruckt  5.  Nov.) 
beigefügt  ist. 

Von  einer  Broschüre,  die  Amauld  1602  gegen  die  Bückbe- 
rufung  der  Jesuiten  veröffentlichte,  Le  franc  et  v^ritable  discours 
au  Boy  sur  le  retablissement  qui  lui  est  demande  pour  les  Jesuites 
(120  S.  8.  und  144  S.  12.,  später  oft  gedruckt;  Prat.  2,  71),  kam 
erst  1624  die  lateinische  Uebersetzung  in  den  Index:  Ingenua  et 
Vera  oratio  ad  Begem  christiauiss.  de  eo  quod  postulatur,  ut  Jesui- 
tae  restituantur  in  regno  Galliae  (Lugd.  Bat.  1603  u.  s.).  In  dem- 
selben Decrete  von  1624  wurde  verb.  Ca techismus  Jesuitarum  seu 
examen  eorum  doctrinae.  Gemeint  ist  Le  cat^chisme  des  Jesuites 
ou  examen  de  leurs  doctrines,  Villefranche  (La  Bochelle)  1602,  also 
in  demselben  Jahre  wie  Arnaulds  Discours  erschienen,  verfasst  von 
dem  berühmten  Juristen  Ehienne  du  Pasquier  (1529 — 1615).  Der 
Jesuit  Bicheome  schrieb  dagegen  La  chasse  du  renard  Pasquin  de- 
coavert  et  pris  en  sa  tani^re  du  libelle  diffamatoire,  faux  marque 
Le  Cat.  des  Jes.,  par  Foelix  de  la  Grrace,  1603  (Perrens  2,  221). 
Man  kannte  also  den  Verfasser,  der  auch  selbst  Heinrich  IV.  ein 
Exemplar  überreicht  hatte.  Die  Jesuiten  bemühten  sich  vergebens, 
den  alten  Herrn  durch  seinen  Beichtvater  zu  einem  Widerruf  zu 
bewegen.  —  Pasquiers  Becherches  sur  l'histoire  de  France,  zuerst  1 560, 
dann  oft,  u.  a.  1622  von  seinem  Sohne  stark  vermehrt  herausge- 
geben, kamen  in  den  span.,  aber  nicht  in  den  Böm.  Index,  obschon 


288  Jesuitica. 

sehr  bedenkliche  Erörterungen  über  das  Verhältniss  der  Päpste  zu 
den  französischen  Königen  darin  vorkommen  und  der  Jesuit  Garasse 
dagegen  1622  die  Recherches  des  Recherches  schrieb,  in  5  Büchern 
mit  den  Ueberschriften :  Le  medisant,  Timpertinent,  Tignorant,  Je 
libertin,  le  glorieux^). 

Einer  der  eifrigsten  Gegner  der  Jesuiten  war  (seit  ihrem 
Streite  mit  den  alten  Orden  über  die  Klostergüter,  s.  u.)  Graspar 
Scioppius,  seit  1598  katholisch,  f  1649^).  Unter  seinem  Namen 
steht  im  Index  nur  Imfamia  Famiani,  cui  adjunctum  est  de  styli 
historici  virtutibus  ac  vitiis  Judicium  et  de  natura  historiae  et  histo- 
rici  officio  diatriba,  Sorae  1658  (auch  Amst.  1G63),  gegen  Famiani 
Stradae  de  hello  belgico,  Rom  1632,  erst  1687  verb.  —  Von  den 
Schriften,  die  er  nach  1630  anonym  oder  pseudonym,  mitunter  die- 
selbe Schrift  unter  mehreren  Titeln,  herausgegeben,  wurden  1634 
folgende  verboten:  Actio  perduellis  in  Jesuitas  S.  Rom.  Imperii 
juratos  bestes.  Auct.  Philo xeno  Melander,  1632,  deutsch  ge* 
schrieben,  auch  als  Flagellum  jesuiticum  d.  i.  Jesuitergeissel  her- 
ausgegeben, 1632*;  —  Anatomia  Soc.  Jesu  seu  probatio  Spiritus 
Jesuitarum.  Item  arcana  imperii  Jesuitici  cum  instructione  secretissima 
pro  superioribus  ejusdem  [Monita  secreta].  Et  deliciarum  Jesuitica- 
rum  specimina,  tandem  divina  oracula  de  Societatis  exitu.  Ad  exci- 
tandam  regum  et  principum  catholicorum  attentionem  utilissima.  A. 
1633,*  103  S.  4.  (auch  u.  d.  T.:  Sanctii  Galindii  e  S.  J.  Anatomia 
Soc.  J.  una  cum  aliis  opusc.  ad  salutem  ejusd.  Soc.  .  .  Lugd.  1633; 
Baumg.  3,  240).  —  Jesuita  exenteratus  s.  1.  et  a.  (1633,  deutsch). 
—  Wahrscheinlich  ist  nicht  von  Scioppius  das  gleichzeitig  ver- 
botene Buch:  Mysteria  Patrum  Jesuitarum  ex  eorum  scriptis  cum 
fide  eruta.  Accedunt  huic  editioni  auctiori  et  emendatae  duae  appen- 
dices,  Lampropoli  1633.  In  der  Vorrede  heisst  es:  das  Buch  sei 
vor  9  Jahren  französisch,  dann  englisch,  dann  wieder  vermehrt 
französisch  erschienen;  jetzt  habe  es  der  Verfasser  lateinisch  bear- 
beitet. Eine  Vertheidigung  der  Jesuiten  gegen  die  Mysteria  von 
Laurenz  Forer  wurde  beantwortet  in  Statera  qua  ponderatur  Man- 
tissae  Laur.  Forerii  Sectio  I.  quam  emisit  adv.  lib.  cui  titulus  est 
Mysteria  Patrum  Jes.,  auct.  Renate  Verdaeo,  Lugd.  1637.  Diese 
Schrift  und  das  französische  Original  der  Mysteria,  Les  my stires 
des  Peres  Jesuites  pUr  interrogations  et  reponses,  extraits  fidMement 
des  ecrits  par  eux  publies,  Villefranche  par  Eleuthire  Philalethe 
1624,  sind  von  Andr.  Rivet  und  in  dessen  Opera  3,  1228  abgedruckt. 
Möglich  wäre,  dass  die  lateinische  Uebersetzung  nicht,  wie  an- 
gegeben, von  dem  Verfasser,  sondern  von  Scioppius  ist  und  von 
diesem  auch  die  Appendices  beigefügt  sind.  Die  Mysteria  handeln 
in  der  Form  von  Dialogen  zwischen  einem  Professor  und  einena  No- 


1)  Leon  Faugere,  Oeuvres  choisies  d'Et.  Pasquier,  1849,  I,  173.  183. 
211.  217. 

2)  H.  Kowallek,  üeber  G.  Scioppius,  Forsoh.  zur  D.  Gesch.  11  (1871), 
401.  Nie.  35.  Backer  s.  v.  Forer. 


6.  Scioppius.  Val.  Magni.  2d9 

vizen  von  der  Apotheose  des  h.  Ignatins,  dem  blindem  Gehorsam, 
der  Gewalt  des  Papstes  über  die  Fürsten,  der  fides  servanda,  dem 
Beichtsiegel  und  der  Aequivocatio,  die  Anhänge  von  den  Bestre- 
bungen der  Jesuiten  im  Orient.  (Placcius  p.  604.  Baumg.  3,  255). 
—  1 665  wurde  noch  eine  hauptsächlich  über  den  Streit  zwischen  den 
Jesuiten  und  den  alten  Orden  handelnde  Schrift  verb.,  die  Scioppius 
unter  dem  Namen  Alphonsus  de  Vargas  Toletanus  herausgegeben: 
Relatio  ad  reges  et  principes  christianos  de  stratagematis  et  sophis- 
matis  politicis  Societatis  Jesu  ad  monarchiam  orbis  terrarum  sibi 
conficiendam,  in  qua  etc.,  s.  1.  1636*  (und  1641),  111  S.  4.  (neue 
Titelansgabe:  Stratagemata  et  sophismata  Jesuitarum,  Col.  1648). 

Ein  eifriger  Gegner  der  Jesuiten  war  auch  der  Capuciner 
Valerianus  Magnus  (aus  der  gräflichen  Familie  Magni  zu  Mailand), 
apostolischer  Missionar  in  Deutschland,  Polen  und  Ungarn,  dessen 
einem  Jesuiten  gegenüber  gebrauchter  Ausdruck:  Mentiris  impuden- 
tissime  durch  Pascal  (Lettres  prov.  No.  15)  zu  einem  geflügelten 
Worte  wurde.  Er  schickte  wiederholt  heftige  Anklagen  gegen  die 
Jesuiten  an  den  Papst  und  die  Römischen  Congregationen  und  gab 
schon  1653  einige  kleine  Streitschriften  gegen  sie  heraus.  1655 
erliess  die  Propaganda  (aus  einem  andern  Anlass)  ein  Decret,  worin 
den  apostolischen  Missionaren  unter  Androhung  der  Excommunication 
verboten  wurde,  irgend  etwas  ohne  ihre  schriftliche  Erlaubniss 
drucken  zu  lassen.  Magnus  veröffentlichte  ohne  Erlaubniss  1659 
Apologia  Val.  Magni  contra  imposturas  Jesuitarum.  Ad  majorem 
Dei  gloriam.  (Eine  spätere  Ausgabe,  in  der  ein  von  Magnus  1661 
in  der  Haft  geschriebener  Brief  beigefügt  ist,  ist  ein  Bändchen  von 
130  S.  16.).  Gegen  eine  unter  Titel  Audiatur  et  altera  pars  1661 
zu  Wien  veröffentlichte  Schrift  seines  frühern  Gönners,  des  Land- 
grafen Ernst  von  Hessen-Rheinfels  schrieb  ein  anderer  Capuciner 
Defensio  pro  Yal.  Magno,  in  qua  exponitur  Ecclesiae  Komano-cath. 
ffcandalum  i.  e.  Jesuitarum  haeresis  seu  atheismus  detectus  a  Theo- 
philo  secundum  apostolicam  denunciationem  Yal.  Magni,  s.  1.  1661. 
Magnus  wurde  wegen  Uebertretung  des  Decretes  der  Propaganda 
nach  Rom  citirt,  da  er  nicht  Folge  leisten  wollte,  1661  in  Wien 
von  dem  Auditor  des  Nuncius  verhaftet,  auf  Verwendung  einfluss- 
reicher  Personen  aber  gegen  Caution  freigelassen;  er  starb  in  dem- 
selben Jahre,  wahrscheinlich  auf  der  Reise  nach  Rom,  zu  Salzburg. 
Seine  Apologia  wurde  erst  1665,  die  Schrift  von  Theophilus  schon 
1664  verb.,  gleichzeitig  eine  Schrift  des  Kieler  Theologen  Chr. 
Kortholt,  worin  die  Apologia  ausgebeutet  wird  (S.  97).  Eine  1662 
verbotene  Schrift  des  Giessener  Theologen  J.  H.  Seipius,  Manes 
Roh.  Bellarmini  in  colloquio  a  Val.  Magno  Capuccino  cum  D.  Ha- 
berkom  et  theologis  Giessensibus  habito  irritati,  bezieht  sich  auf 
eine  1651  zu  Rheinfels  gehaltene  Disputation  (A.  D.  B.  20,  92). 

1618  wurde  eine  italienische  Schrift  verb.:  Instruttione 
a*  prencipi  della  maniera,  con  la  quäle  si  governano  li  Padri  Gesuiti, 
fatta  da  persona  religiosa  et  totalmente  spassionata,  im  Mercure  je- 
suite  II,  231 — 255  abgedruckt  mit  der  Angabe :  stampata  in  Milano 
1617,  e  di  nuovo  corretta  et  ristampata  in  Roma  (!)  per  Ant.  Bru- 

Beoscb,  Index   II.  19 


290  Jesuitica. 

giotti  1618.  Con  licenza  de*  nnperiori  (französisch  in  der  Monarchie 
des  Solipses,  Amst.  1754,  p.  347 — 396),  eine  nicht  satirisch,  sondern 
ernsthaft  gehaltene,  übrigens  nicht  bedeutende  Darlegung,  wie  die 
Jesuiten  sich  bei  den  Fürsten  und  Grossen  einschmeichelten,  um 
selbst  zu  herrschen.  Sie  ist  auch  1619  u.  s.  ins  Deutsche  übersetzt 
(Harenberg,  Gesch.  der  Jes.  1,  306). 

3.  Protestantische  Schrifen.  Consilium  datum  amico  de  recu- 
peranda  et  in  posterum  stabilienda  pace  Kegni  Poloniae  [in  quo 
demonstratur,  pacem  nee  stabiliri  posse,  quamdiu  Jesuitae  in  Polonia 
maneant.  Conversum  ex  Polonico  in  Latinum.  Anno  1607.*  2  Bl. 
44  S.  4.],  verb.  1609  (nochmals  gedruckt  als  Gravis  et  maximi 
momenti  Deliberatio  de  compescendo  perpetuo  crudeli  conatu  Jesui- 
tarum, de  novo  .  .  .  typis  repetita  et  dedicata  .  .  .  L.  Baroni  Alexio 
Oxensternio.  Cui  accessit  Philander  Philanax  .  .  .  Frf.  1632.* 
Die  Dedication  ist  unterzeichnet  Jonas  Henricceus  D.).  — Relatio 
nuperi  itineris  proscriptorum  Jesuitarum  ex  regnis  Bohemiae  et  Un- 
gariae  missa  ex  Helicone  juxta  Pamassum,  Prag  1619.*  32  Bl.  4., 
verb.  1623,  gegen  die  Apologia  pro  S.  J.  ex  Boemiae  regno  ab 
ejusdem  regni  statibus  religionis  sub  utraque  publico  decreto  Imme- 
rito  proscripta  a.  1618  die  8.  Junii,  Wien  1618,*  59  S.  4.,  (von 
Adam  Tanner;  Backer  2,  624).  —  Aphorismi  doctrinae  Jesuitarum 
et  aliorum  aliquot  pontificiorum,  quibus  verus  christianismus  corrum- 
pitur,  pax  publica  turbatur  (et  vincula  societatis  tolluntur,  sumpti 
ex  pontificum,  jesuitarum  et  aliorum  pontificiorum  scriptis,  dictis  et 
actis  publicis.  Nunc  reges  intelligite  etc.),  verb.  1624.  So  gibt 
L'Estoile  1608  (Nouv.  Coli,  de  M^m.  par  Michaud  15,  470)  den 
Titel  seines  Exemplares  an  mit  der  Bemerkung:  une  nouvelle  bat- 
terie  contre  les  j^suites,  mais  forte,  pour  etre  par  \k  battus  de  leurs 
Canons  meme.  Backer  I,  56  erwähnt  eine  Ausgabe  mit  dem  Zn- 
satze: Accedunt  octavae  huic  editioni  propositiones  doctr.  Jes.  col- 
lectae  ab  authore  libelli  anglici:  An  exact  discoverie  of  Romish 
doctrine,  Amberg  1609.  Becanus  schrieb  dagegen:  Aphorismi  doc- 
trinae Calvinistarum  ...  cum  brevi  responsione  ad  Aph.  falso  Je- 
suitis  impositos.  Dagegen  erschien:  Ad  M.  Becani  Aphorismos  cal- 
vinisticos  notae,  Amberg  1609.  —  Le  Mercure  jesuite  ou  recueil 
des  pieces  concernant  les  progres  des  Jesuites,  leurs  ecrits  et  diffe- 
rents  depuis  Tan  1620  jusqu^a  la  präsente  annde  1626,  le  tont  fid^- 
lement  rapporte  par  pieces  publiques  et  actes  authentiques  par  l'ordre 
des  temps,  Genf  1626  (2.  Ed.  en  deux  tomes  1631*),  verb.  1633, 
ein  Sammelwerk  des  protestantischen  Juristen  Jacques  Godefroy, 
angeblich  wörtlich  mitgetheilte  Actenstücke  zuerst  über  die  Händel 
der  Jesuiten  in  Frankreich  1620 — 24,  dann  aus  älterer  Zeit  1540 
— 1618,  zuletzt  aus  den  J.  1624 — 26,  im  2.  Bande  die  Schrift  von 
Mariana,  Bittschriften  von  Jesuiten  an  Clemens  YIII.  und  anderes 
(Baumg.  3,  246).  —  Philander  Philanax  de  natura,  fine  et  mediis 
Jesuitarum,  verb.  1633  (von  J.  Seyifert,  mit  dem  Titelblatt:  Monar- 
chia  Jesuitica  s.  Instrumenta  potentialia,  Jesuitica . .  .  nunc  primum 
public!  juris  facta,  Frf.  1632*  nebst  einigen  Gedichten,  47  S.  4., 
als  Anhang  zu  Deliberatio  s.o.).  — Ludovici  Lucii  Historia  jesui- 


Protest.  Schriften.  J.  Markiewiez.  Gura  salutis.  291 

tica,  Bas.  1627,  4.,  verb.  1646  (A.  D.  B.  19,  354).  —  La  politi- 
qne  des  J^suites,  Lond.  1699,  verb.  170(),  zuerst  s.  1.  1688,*  454 
S.  8.,  von  L.  de  Montpersan,  auch  Jurieu  zugeschrieben. 

4.  Streitigkeiten  mit  anderen  Orden  und  Weltgeistlichen.  Die 
durch  das  Restitutionsedict  vom  J.  1629  wieder  eingezogenen  Kloster- 
güter wollte  Ferdinand  II.  den  Jesuiten  zuwenden.  Darüber  ent- 
stand ein  lebhafter  Federkrieg  zwischen  den  Vertretern  der  alten 
Orden,  namentlich  dem  Benedictiner  Koman  Hai,  und  Gaspar  Sciop- 
pius  und  den  Jesuiten  Laymann,  Forer  und  Crusius^).  Merkwürdiger 
Weise  steht  ausser  der  Relatio  von  Vargas  keine  der  betreffenden 
Streitschriften  im  Index.  Dagegen  wurden  mehrere  Schriften  des 
polnischen  Domherrn  Jo.  Markiewiez  verb.,  welche  sich  auf  die 
von  den  Jesuiten  in  Polen  beanspruchte  Zehntfreiheit  und  die  darüber 
in  Rom  geführten  Processe  beziehen  {Backer  3,  243  s.  v.  Cichowski). 
Die  erste  Schrift:  Decima  cleri  saecularis  in  Regno  Poloniae  de- 
fensa  contra  exemtiones  Patrum  Soc.  Jesu  per  Jo.  Markiewiez,  J.  U. 
D.,  Canonicum  Posnan.,  P.  I.,  Siena  1643;  P.  II.,  Paris  1644,  wurde 
nicht  verb.,  aber  1655  zwei  spätere:  Speculnm  zeli  a  pessimis  ad 
exemplar  malitiae  contra  sacros  canones  et  jurisdictionem  ecclesia- 
sticam  elucubratum  et  sie  sub  nomine  ficti  cujusdam  Adami  Nie- 
sielski  ad  contemplationem  et  censuram  Joanni  Markiewiez  Canonico 
Warmiensi  in  forma  famosi  libelli  dedicatum  et  oblatum,  ab  eodem 
contemplatum,  censuratum  et  tanquam  pestiferum  et  scandalosum 
refntatum,  Gedani  1652;  Scandalum  expurgatum  in  laudem  Instituti 
Societatis  Jesu,  Gedani  1654.  Die  Schrift,  welche  Markiewiez  in 
der  ersten  als  Pseudonymes  Pasquill  bekämpft,  wurde  nachträglich 
1661  auch  verb.:  Speculum  zeli  pro  clero  in  materia  decimarum 
adv.  Polonam  Soc.  Jesu  per  replicationem  titulo  canonicam  a  Rev. 
Jo.  Markiewiez  pessimis  ad  exemplar  malitiae  lucubratum,  111.  et 
adm.  Rev.  D.  Jo.  Markiewiez  Canonico  .  .  .  neenon  S.  R.  Maje- 
statis  Secretario  et  J. IJ.D.  ad  contemplationem  abAdamo  Niesielski 
S.  R.  E.  Presbytero  dedicatum  et  oblatum,  s.  1.  et  a.  —  Zwei 
weitere  Schriften  von  Markiewiez  wurden  1674  verb.:  Veritas  bonae 
vitae  ex  oecasione  occupatae  haereditatis  Jaroslaviensis  patribus  So- 
cietatis demonstrata,  Paris  1671,  und  Summus  Pontifex  Innocentius  X. 
de  duplici  instituto  Societatis  ejusque  constitutionibus  et  declaratio- 
nibus  interrogatus  (vielmehr  interrogans  optimam  informationem  ac- 
eepit  per  Jo.  Markiewiez,  Paris  1672). 

Ein  richtiges  Jesuitenstück  verbirgt  sich  hinter  dem  harm- 
losen Titel  Cura  salutis,  sive  de  statu  vitae  mature  ac  prudenter 
^eliberandi  methodus,  per  decem  dierum  Veneris  Spiritus  Sancti,  S. 
Dei  Matris  boni  consilii,  SS.  Ignatii  et  Xaverii  honori  instituendam 
eolitam  devotionem  proposita.  Coloniae  apud  Petrum  Marteau  1716,* 
'S.,  verb.  1725.  Das  Buch  erschien  zuerst  zu  Wien  1712  mit  einer 
Vorrede  von  G.  H.  S.  J.,  d.i.  Gabriel  Hevenesi  (tl715  zu  Wien), 
dann   1714    mit   einer  Manuductio    ad  coelum,    mit    der  Bemerkung 


1)  Backer  1,  237.  460.  Salig  I,  BIO.  Arn.  80,  112.  146. 


292  Jesuitica. 

auf  dem  Titelblatte :  Sodalibus  B.  M.  Y.  sine  labe  conceptae  in  Caes. 
academico  S.  J.  CoUegio  Yiennae  erectae  in  strenam  oblatum  fuit. 
Von  dieser  Ausgabe  ist  die  Kölnische  ein  Abdruck,  mit  Weglassung 
der  Manuductio,  daher  mit  p.  142  beginnend,  mit  p.  326  schliessend. 
Gleich  p.  148  wird  berichtet,  der  h.  Aloysius  habe  zu  Madrid,  vor 
einem  Bilde  der  h.  Jungfrau  vom  guten  Bathe  betend,  eine  Stimme 
gehört,  die  ihm  befahl,  in  die  Gesellschaft  Jesu  einzutreten  und  mit 
seinem  Beichtvater  darüber  zu  reden.  Von  p.  230  an  folgen  Be- 
trachtungen, in  denen  die  Gründe  für  und  gegen  den  Eintritt  in 
einen  weltlichen  Stand,  in  den  status  Petrinus  (den  Stand  der  Welt- 
geistlichen), in  einen  Orden,  qui  habet  stabilitatem  loci  (Benedictiner, 
Praemons traten ser),  in  einen  Bettelorden  in  solcher  Weise,  mit  so 
starker  Hervorhebung  der  pericula  et  incommoda  aller  einzelnen 
Stände  vorgeführt  werden,  dass  der  um  sein  Seelenheil  Besorgte 
schliesslich  froh  darüber  sein  muss,  dass  es  noch  einen  andern  Stand 
gibt,  von  dem  dann  in  der  Weise  gehandelt  wird,  dass  die  11  Motive, 
welche  den  h.  Aloysius  bestimmten,  Jesuit  zu  werden,  und  die  6  Be- 
denken, die  sein  Vater  dagegen  erhob,  mit  ihrer  Widerlegung  angeführt 
werden.  —  Zur  Vertheidigung  der  Benedictiner,  die  besonders  schlecht 
wegkamen,  erschien  1715  zu  Kempten:  Bernardi  Pezii  Bened.  episto- 
lae  aliquot  apologeticae  pro  ord.  S.  Bened.  adv.  lib.  Cura  salutis  . . . 
Defenduntur  hie  etiam  obiter  inclytus  status  Petrinus,  ordo  Can. 
Reg.  S.  Aug.,  Cisterc,  Praemonstr.  Ed.  Rev.  D.  P.  Mellitus  Oratius 
ejusdem  ord.  1721  erschien  Dav.  Fr.  Hüffenwetter  sacerdotis  eccl. 
Dialogus  apol.  pro  statu  Petrino  s.  eccl.  adv.  lib.  Cura  .  .  .  Opusc 
posth.  ed.  a  J.  B.  Werdenhagen,  mit  scharfen  Angriffen  gegen 
die  Jesuiten.  Mehrere  Jesuiten  sprachen  sich  anderen  Ordensgeist- 
lichen  gegenüber  unwillig  über  Hevenesi's  Buch  aus  und  versicher- 
ten, auch  der  General  sei  unzufrieden  darüber.  In  dem  Buche: 
Modesti  Taubengall  Apologeticus  adv.  umbras  Oratii  Melliti  pro  fama 
A.  R.  P.  Gabrielis  Hevenesi  et  universae  Societatis  Jesu  in  causa 
libelli,  qui  Cura  sal.  inscribitur  .  .  .,  Veronae(?)  1722,*  sagt  der 
Verfasser  sogar,  es  sei  den  Jesuiten  von  ihren  Oberen  verboten, 
gegen  die  beiden  Gegenschriften  zu  schreiben,  darum  habe  er  sich 
dazu  entschlossen.  Natürlich  verbirgt  sich  hinter  dem  Namen  M. 
Taubengall  ein  Jesuit,  Marcus  Hansiz.  Es  erschienen  noch  einige 
weitere  Streitschriften^). 

5.  Schriften  über  den  h.  Ignatius.  Im  J.  1611  hatte  der  Je- 
suit Fr.  Solier  drei  nach  der  Seligsprechung  des  Ignatius  von  Loyola 
durch  Paul  V.  (1609)  in  Spanien  von  dem  Augustiner  Valderama 
und  den  Dominicanern  Deza  und  Rebullosa  gehaltene  Predigten  in 
französischer  Uebersetzung  herausgegeben:  Trois  tres-excellentes 
predications  prononcees  au  jour  et  fete  de  la  beatification  du  glo- 
rieux  patriarche  le  bienheureux  Ignace  .  .  .  Poitiers  1611.  Sie 
wurden    von    dem  spanischen    Dominicaner    Gallardo    der  Sorbonne 


1)  ü.  N.  1751,673.786.  Ziegelbauer,  Hist.  rei  lit.  8.626.  Backer  s.v. 
Hevenesi  und  Hansiz.  Roskovany,  Rom.  Pont.  8,  1176. 


J.  £.  Nieremberg.  H.  Engclgrave.  293 

denunoirty  and  diese  erklärte  1.  Oct.  1611  vier  Sätze  darin  für  resp. 
Bcandalös,  blasphemisch,  häretisch  n.  s.  w.  Einer  der  Redner  hatte 
gesagt:  Ignatius  habe  durch  seinen  auf  Papier  geschriebenen  Namen 
mehr  Wunder  gewirkt  als  Moses  und  ebenso  viele  wie  die  Apostel; 
ein  anderer  hatte  gesagt:  Auch  die  anderen  Ordensstifter  wurden 
zum  Heile  der  Kirche  gesandt;  novissime  autem  diebus  istis  locutus 
est  nobis  in  filio  sao  Ignatio,  quem  constituit  haeredem  universo- 
rum  und  auf  welchen  sich  nur  die  folgenden  Worte  nicht  anwenden 
lassen:  per  quem  fecit  et  saecula  (Hebr.  1,  2);  der  dritte  hatte  den 
Papst  als  Nachfolger  Jesu  Christi  bezeichnet  ^) .  Unter  den  Doctoren 
der  Sorbonne  meinte  nur  Andr6  Duval,  die  Sätze  liessen  sich  allen- 
falls in  einem  erträglichen  Sinne  deuten.  Selbst  der  Nuncius  Ubal- 
dini  meinte,  man  dürfe  doch  nicht  Ignatius  von  Loyola  über  die 
Apostel,  Moses  und  Ignatius  von  Antiochia  erheben  (Perrens  2,  58). 
Diese  Predigten  sind  nicht  in  den  Index  gekommen.  Aber  1646 
wurde  mit  €.  c.  verboten:  Vida  de  San  Ignacio  de  Loyola,  fnnda- 
dor  de  la  CompaÜia  de  Jesus,  resumida  y  afiadida  de  la  Bula  y 
relaciones  de  su  canonizacion  y  de  otros  graves  autores  por  Juan  Eu- 
sebio  Nieremberg,  Madrid  1631.  Eaynaud  sagt  (bei  Casalas  p.  590), 
die  Dominicaner  hätten  das  Buch  in  den  Index  gebracht,  weil  darin 
die  Geschichte  von  dem  Priester  stehe,  der  sich  während  seines 
Lebens  zu  der  Lehre  der  Dominicaner  von  der  Empfängniss  Mariae 
bekannt,  als  aber  zu  Manreea  für  ihn  die  Exequien  gehalten  wurden, 
sich  aus  dem  Sarge  erhoben  und  seine  Ansicht  retractirt  habe,  ein 
Wunder,  welches  vor  Ignatius*  Anwesenheit  in  Manresa  sich  zuge- 
tragen und  dort  durch  ein  Wandgemälde  verewigt  sei,  für  dessen 
Beseitigung  die  Dominicaner  sich  erfolglos  bemüht  hätten.  Vincenz 
Baron  (Apol.  II,  180)  sagt  aber,  das  Buch  sei  nicht  darum  verb.,  weil 
diese,  sondern  weil  andere  Wundergeschichten,  die  bei  dem  Canoni- 
sationsprocess  als  falsch  erwiesen  worden  seien,  darin  als  wahr  er- 
zählt würden;  der  spanische  Minorit  Lud.  de  Aro  habe  nach  Eom 
geschrieben,  man  möge  das  Buch  corrigiren  und  dann  freigeben,  der 
Censor  P.  Lezana  habe  aber  erklärt,  das  Buch  sei  nicht  zu  ver- 
bessern et  a  capite  ad  calcem  spongia  delendus.  Es  wurde  indess 
nur  mit  d.  c.  verb.  und  die  Bollandisten  sagen,  nur  die  2.  Ausgabe 
sei  verb.,  die  3.,  Madrid  1636  (sie  enthält  die  Biographieen  von  Ig- 
natius und  Franz  Xavier)  sei  freigegeben,  wovon  freilich  im  Index 
nichts  steht.  —  Ein  etwas  später  erschienenes  Buch  von  Henr. 
Engelgrave,  — Cr6t.-Joly  4,  227  bezeichnet  ihn,  Job.  Coster  und 
Hazart  als  die  drei  grössten  Prediger  unter  den  belgischen  Jesuiten 
(s.  Biogr.  univ.  s.v.),  —  wurde  erst  1686  (unbedingt)  verb.:  Lucis 
evangelicae  sub  velum  sacrorum  emblematum  reconditae  pars  3., 
h.  e.  Coeleste  Pantheon  sive  coelum  novum  in  fest«  et  gesta  Sanc- 
torum    totius   anni   morali    doctrina    varie   illustratum.    Pars    prima. 


1)  Arg.  IIb  50.  Flosculi  blaspheraiarum  Jesuitarum  ex  tribus  con- 
donibus  .  .  .  decerpti,  cum  Sorbonae  censura,  1612,  4.  Marchand  1,  40. 
—  Prat  3,  368  sucht  die  Prediger  zu  entschuldigen. 


294  Jesuitica. 

Es  ist  aber  nicht  auszumachen,  ob  das  Buch  wegen  der  Fabulosa 
über  den  h.  Ignatius  verboten  wurde,  die  in  der  Pragm.  Gesch.  des 
Mönchth.  9.  73  daraus  mitgetheilt  werden,  oder  wegen  anderer 
Dinge,  z.  B.  wegen  der  Stellen  über  die  h.  Anna,  die  bei  (Weller) 
Altes  und  Neues,  1762,  I,  546,  zu  lesen  sind,  z.  B.:  Filius  omnia 
nos  habere  voluit  per  Mariam;  ita  Maria,  observantia  in  matrem, 
omnia  nos  habere  voluit  per  Annam;  Jesus,  Maria  und  Anna  seien 
Trias  in  terris;  Christus  habe  bei  seiner  Empfängniss  von  Joachim 
und  Anna  aliquam  illius  substantiae  particulam  sibi  univit,  weshalb 
auch  im  Abendmahl  reperitur  aliqua  particula,  quae  ab  anima  D. 
Annae  vel  D.Joachim  informaretur ;  Alexander  VI.  habe  1494  den- 
jenigen einen  Ablass  von  30,000  Jahren  verliehen,  die  dem  Ave 
Maria  beifügten:  et  benedicta  sit  Anna  mater  tua,  ex  qua  sine  ma- 
cula  et  peccato  processisti  u.  dgl.^).  —  Kitratto  del  glorioso  capi- 
tano  di  Cristo,  difensore  et  ampliatore  della  sua  fede,  S.  Ignatio  di 
Loiola,  fondatore  della  Compagnia  di  Gesü,  1690  mit«d.  c.  verb., 
ist  mir  nicht  bekannt. 

Der  Benedictinerabt  Constantin  Gaetani  (Caietanus),  gest.  1650 
als  Greis  von  90  Jahren,  schrieb  eine  Keihe  von  Büchern,  in  welchen 
er  von  berühmten  Männern  nachzuweisen  sucht,  sie  seien  Bene- 
dictiner  gewesen.  So  vindicirte  er  seinem  Orden  Gregor  den  Grossen, 
Amalarius  Fortunatus^  Isidor  von  Sevilla,  Ildefons  von  Toledo, 
Augustinus,  den  Apostel  von  England,  und  Bonifaoius,  den  Apostel 
der  Deutschen.  Die  meisten  seiner  Bücher  wurden  in  Hom  gedruckt, 
—  er  war  Custos  der  Vaticanischen  Bibliothek,  —  und  zwar  von 
anderen  Schriftstellern  bekämpft,  aber  nicht  censurirt.  Bezüglich 
einer  von  ihm  dem  Benedictinerorden  vindicirten  Gelebrität,  des 
Verfassers  der  Bücher  von  der  Nachfolge  Christi,  hatte  er  sogar 
die  Freude,  dass  die  Propaganda  14.  Febr.  1639  entschied,  dieses 
Buch  dürfe  in  Eom  und  anderswo  unter  dem  Namen  des  Joannes 
Gersen  de  Canabaco,  Abbas  monasterii  S.  Stephani  Vercellensis, 
Ordinis  S.  Benedicti,  gedruckt  werden.  Aber  als  er  in  einem  1641 
erschienenen  Buche  zu  beweisen  suchte,  Ignatius  sei  vor  der  Grün- 
dung seines  Ordens  in  Spanien  Benedictiner  gewesen  und  seine 
Exercitien  seien  im  wesentlichen  aus  einem  Werke  eines  Benedic- 
tinerabts  Cisneros  geschöpft,  und  der  Jesuit  Jo.  Hho  dieses  Bach 
sehr  lebhaft  bekämpfte,  wurden  beide  Schriften  1646  verb.:  Con- 
stantini  Cajetani  De  religiosa  S.  Iguatii  s.  S.  Enneconis,  funda- 
toris  Soc.  Jesu,  per  Patres  Benedictinos  institutione  deque  libello 
Exercitiorum   ejusdem  ab  Exercitatorio  Garciae  Cisnerii  desumto  libri 


1)  Nach  (Dodd),  Hist.  du  College  de  Douay  p.  420  erzählt  Engel- 
grave  auch  die  dem  h.  Franz  Borgia  1569  zu  Theil  gewordene  Offenba- 
rung, dass  in  den  nächsten  800  Jahren  keiner,  der  als  Jesuit  sterbe,  ver- 
loren gehen  werde,  —  eine  Offenbarung,  über  welche  1874  der  Jesuit  J. 
Terrier  eine  besondere  Schrift  herausgegeben.  Deutscher  Merkur  1880, 
66.  —  loh  besitze  von  dem  Buche  von  Eng.  ein  Exemplar  der  3.  Ed., 
Col.  1658,  welches  im  J.  1746  ein  Schüler  eines  Jesuiten-Gymnasioms  als 
Prämie  erhalten. 


CoDst.  Cajetanus.    J.  Rho.  295 

duo,  Yen.  1641,  8.,  mit  dem  Zusätze:  quos  ipse  Abbas  Constantinus 
tanquam  suppoBitios  sive  adulteratos  non  agnoscit  (er  sagte,  der  Druck 
stimme  nicht  mit  seinem  Manuscripte  tiberein;  aber  unterschoben 
kann  das  Buch  auf  keinen  Fall  genannt  werden;  Armellini,  Biblioth. 
Ben.  -  Gas.  I,  127);  —  Joannis  Kho  Mediolanensis  Achates  ad 
D.  Const.  Cajetanum  monachum  Casinensem  et  S.  Barontii  Abbatem 
adversus  ineptias  et  malignitatem  libelli  Fseudo-Constantiniani  de  S. 
Ignatii  institutione  et  Exercitiis,  Lugd.  1644,  12.^).  —  Kho  hatte 
etwas  frtiher  ein  anderes  Buch  über  die  frühere  Lebensgeschichte 
des  Ignutius  bekämpft.  Giambattista  Castaldo  hatte  nämlich  in  der 
Vita  del  P.  Gaetano  Tiene,  fondatore  della  religione  de'  Chierici 
Regulari,  Rom  1616,  erzählt,  Ignatius  habe  einige  Jahre  vor  der 
Gründung  seines  Ordens  bei  den  Theatinem  zu  Venedig  gewohnt 
und  bei  ihnen  eintreten  wollen;  Cajetanus  aber  habe  ihn  nicht  auf- 
genommen, weil  ihm  Gott  geoifenbart  habe,  Ignatius  werde  selbst 
einen  Orden  stiften.  Dagegen  schrieb  Rho:  Ad  Jo.  Bapt.  Castal- 
dum  Inten'ogationes  apologeticae,  in  quibus  S.  Ignatii  cum  B.  Caje- 
tano  Thienaeo  colloquentis  atque  ab  eo  Theatinorum  ordinem  postu- 
lantis  rejicitur  fabula,  Lugd.  1641,  4. 

Th.  Raynaud  (bei  Casalas  p.  482)  hält  den  Dominicanern  yor: 
Leo  AUatius,  der  auch  gegen  den  halb  verrückten  Cajetanus  ge- 
schrieben, sei  nicht  in  den  Index  gekommen,  wohl  aber  Rho,  weil 
er  ein  Jesuit  sei ;  dessen  Buch  gegen  Castaldo  habe  man  nicht  ver- 
boten, weil  man  dann  auch  diesen  hätte  in  den  Index  setzen  müssen. 
Rho's  Buch  gegen  Castaldo  wurde  aber  später  verboten,  und  zwar 
ohne  dass  zugleich  Castaldo's  Buch  verboten  worden  wäre,  freilich 
erst  1693,  allem  Anscheine  nach  nur  wegen  der  scharfen  Polemik; 
denn  die  von  ihm  bekämpfte  Legende  galt  auch  bei  der  Curie  als 
Fabel,  wie  sich  aus  einem  Briefe  des  Assessor  S.  Officii,  Carlo  Viz- 


1)  Gegen  Cajetanus'  Buch,  worin  Gregor  der  Grosse  zum  Benedic- 
tiner  gemacht  wurde,  schrieb  Ant.  Gallonius  oder  unter  dessen  Namen 
Card.  JBaronius  (R.  Simon,  Lettres  2,  132;  3,  GOj.  Seine  Behauptung,  der 
Abt  Gersen  sei  der  Verfasser  der  dem  Thomas  von  Kempen  zugeschriebenen 
Nachfolge  Christi,  wurde  von  dem  Jesuiten  Heribert  Rosweyd  bekämpft 
(Backer  1,  651).  In  neuester  Zeit  haben  die  Jesuiten  in  der  Civ.  catt. 
für  Gersen  Partei  ergriffen  (Tüb.  Q.-S.  1880,  57).  —  In  dem  (von  Jesuiten 
bearbeiteten)  span.  Index  von  1747  wird  p,  813  verordnet,  in  dem  Supple- 
ment zu  Morery,  Paris  1735,  p.  169  den  Satz  zu  streichen:  man  sage,  die 
Exercitien  des  Ignatius  fänden  sich  in  einem  Manuscript  eines  Benedic- 
tiners,  welches  160  Jahre  vor  der  Geburt  des  Ignatius  geschrieben  sei, 
und  Gaetani  habe  bewiesen,  dass  die  Regel  des  Ignatius  zu  Monte  Casino 
von  vier  Benedictinern  verfasst  worden  sei,  —  weil  das  päpstlichen  De- 
creten  und  Breven  widerspreche.  Cajetanus,  Castaldus  und  Rho  stehen 
übrigens  nicht  im  span.  Index.  —  Gegen  Castaldo  polemisiren  auch  die 
Jesuiten  F.  Sacchini  in  der  Vorrede  zu  der  Hist.  Soc.  Jesu  (1615)  und 
Julius  Negroni  -in  der  Hist.  disputatio  de  S^  Ignatio  ...  et  de  B.  Caje- 
tano  Thienaeo,  Col.  1G30  (Backer  2,  139).  —  Auch  über  die  Sage,  Philipp 
Neri  habe  sich  bei  Ignatius  zur  Aufnahme  in  den  Jesuitenorden  gemeldet, 
sei  aber  zurückgewiesen  worden,  sind  im  17.  und  18.  Jabrh.  in  Italien 
Schriften  erschienen.  Melzi  1,  78.  462. 


296  Jesuitica. 

zano,  an  den  Generalvicar  von  Cosenza  vom  J.  1669  ergibt,  von 
dem  die  Münchener  Hofbibliothek  (Cod.  Moll.  104)  eine  AbBchrift 
hat.  Es  heisst  darin :  der  Papst  habe  entsprechend  dem  Votnm  der 
Cardinäle  der  Inq.  das  vor  einigen  Monaten  erschienene  Summarinm 
vitae  et  miraculornm  B.  Caietani  verbieten  wollen,  weil  es  im  Wider- 
sprach mit  den  Decreten  der  Congregation  die  Fabel  enthalte,  dass 
der  h.  Ignatius  die  Aufnahme  in  den  Theatinerorden  nacbgesneht 
habe.  Die  Theatiner  hätten  aber  versichert,  das  sei  ohne  ihr  Vor- 
wissen gedruckt  worden,  sich  auch  bereit  erklärt,  das  betreffende 
Blatt  zu  beseitigen,  und  dem  Papste  ein  Exemplar  überreichen  lassen, 
worin  die  Sache  corrigirt  sei.  Darum  habe  der  Papst  das  Verbot 
Buspendirt  und  die  Veröffentlichung  des  Buches  in  der  corrigirten 
Gestalt  gestattet.  Nicht  corrigirte  Exemplare  dürften  aber  nicht 
verkauft  werden;  widrigenfalls  werde  das  Buch  verboten  und  die 
Verwegenheit  dessen  gestraft  werden,  der  es  gewagt,  die  Decrete 
der  h.  Congregaton  ausser  Acht  zu  lassen.  Danach  ist  es  allerdings 
auffallend,  dass  Castaldo  nicht  in  den  Index  gekommen  ist. 

Der  zur  Feier  des  hundertjährigen  Bestehens  des  Ordens  1640 
zu  Antwerpen  gedruckte  Foliant:  Imago  primi  saeculi  Societatis, 
den  man  nicht  ganz  mit  Unrecht  dem  Li  her  conformitatum  S.  Fran- 
cisci  an  die  Seite  gestellt  hat^),  ist  nicht  in  den  Index  gekommen, 
wohl  aber  wegen  eines  kleinen  Versehens  die  bei  Gelegenheit  der 
ersten  Säcularfeier  des  Collegium  germanicum  im  J.  1652  von 
einem  Zöglinge  in  Gegenwart  fast  aller  Cardinäle  vorgetragene 
Festrede:  Panegyricus  de  institutione  Collegii  Germanici  et  Ungarici 
a  Comite  Eusebio  Truxes  Collegii  ejusdem  Alumno  dictus,  a  Hie- 
ronymo  Cataneo  S.  J.  scriptus  anno  saeculari  ejusdem  Collegii, 
s.  1.  et  a.  112  S.  12. 2).  Sie  wurde  einige  Tage  nach  der  Ver- 
öffentlichung durch  den  Mag.  S.  P.,  dessen  Socius  V.  Fanus  das  Im- 
primatur ertheilt  hatte,  mit  d.  c.  verboten.  Saint-Amour  (Journal 
p.  300)  will  gehört  haben,  dass  il  y  ^tait  dit  par  une  assez  sötte 
figure  de  rhetorique,  que  le  Pape  favorisait  la  h^risie.  Die  Stelle, 
die  er  meint,  kommt  aber  nicht  in  der  Rede  vor,  sondern  in  der 
vorgedruckten  Dedication  an  Innocenz  X.  In  dieser  wird  von  den 
fürstlichen  Personen  aus  Deutschland,  die  wieder  katholisch  geworden, 
und  von  der  Unterdrückung  der  Ketzerei  in  den  kaiserlichen  Erb- 
landen gesprochen  und  gesagt,  in  Bezug  auf  die  Ausbreitung  der  katho- 
lischen Religion  werde  die  Geschichte  von  Innocenz  X.  mehr  zu  berich- 
ten haben,  als  von  den  20  vorhergehenden  Päpsten.  Das  sei  Gottes 
Werk,  aber  auch  der  Papst  habe  Autheil  daran:  Tanta  benignitas, 
qua  complexus  es  adventantes  Romam  haereticos  principes,  dum 
arcte  stringit,  sinu  suo  compressit  ac  prope  elisit  Germaniae  odium. 
Ipsa  haeresis  erubuit  eum  odisse,  qui  et  eam  adeo  amaret.  Cum 
timeret  a  Te  fulmina,  dona  accepit.  In  dem  Exemplar  der  Münchener 


1)  Pragm.  Gesch.  9,  71,  456.  Deutscher  Merkur  1877,  67. 

2)  Eusebius  Graf  Truchsess  wurde  1655  Jesuit,    docirte  1658 — 66  in 
Ingolstadt  und  war  später  Secretär  des  Generals  für  die  deutsche  Assistenz. 


H.  Cataneas.  Jesuitissen.  297 

Hofbibliothek  ist  za  den  gesperrt  gedruckten  Worten  beigesebrieben : 
Propter  baec  maxime  verba  libellus  iste  jussii  Pontificis  fuit  sup- 
pressus.  Subinde  recusns  est  omissa  bac  epistola  dedicatoria  et  alia 
Bubstitnta  ad  Alexandrum  VII.  £ine  andere  Hand  bat  noch  beige- 
fügt: Snmpsit  autem  anctor  nomen  baeresis  pro  baereticis.  Backer 
verzeichnet  übrigens  keine  2.  Ausgabe;  jedenfalls  wird  im  Index 
eine  solche  nicht  als  freigegeben  erwähnt. 

6.  Die  Jesnitissen.  Im  Anfange  des  17.  Jahrb.  wollte  eine 
Engländerin,  Mary  Ward,  einen  weiblichen  Orden  nach  Analogie 
des  Jesnitenordens  gründen:  die  Nonnen  sollten  keine  Clausur  haben, 
nur  einfache  Gelübde  ablegen,  ausserhalb  des  Klosters  in  weltlicher 
Kleidang  thätig  sein  und  nicht  nur  Mädchen  unterrichten,  sondern 
auch  durch  Vorträge  und  in  anderer  Weise  für  den  katholischen 
Glauben,  namentlich  in  England  für  die  Bekehrung  der  Protestanten 
wirken;  man  sagte  sogar,  es  solle  auch  ein  viertes  Gelübde  einge- 
führt werden,  wodurch  die  Nonnen  sich  verpflichten  sollten,  sich 
als  Ifissionarinnen  zu  den  Türken  und  Ungläubigen  senden  zu  lassen. 
Die  Organisation  war  ganz  der  der  Jesuiten  nachgebildet:  sie  hatten 
eine  Generalin,  Provincialinnen,  Rectorinnen  u.  s.  w.;  ein  Jesuit 
Roger  Lee  war  der  Rathgeber  der  Mary  Ward  gewesen  und  viele 
Jesuiten  billigten  und  förderten  ihre  Absichten.  Wenn  die  Nonnen 
sich  nicht  selbst  den  Namen  Jesuitissae  beilegten,  so  wurden  sie 
doch  allgemein  so  genannt.  Eine  päpstliche  Bestätigung  erhielt  der 
Orden  nicht;  es  wurden  aber  in  Belgien,  Deutschland  und  Italien 
Häuser  gegründet.  Aber  schon  1622  berichteten  der  Stellvertreter 
des  englischen  Erzpriesters  und  seine  neun  Assistenten  sehr  un- 
g;ünstig  über  die  Jesnitissen  und  auch  von  anderen  Seiten  liefen 
Klagen  über  sie  in  Rom  ein:  die  Generalin  Mary  Ward  kleide  sich 
and  lebe  sehr  üppig,  fahre  vierspännig,  habe  auf  der  Strasse  vor 
einem  Altar  gepredigt;  die  Nonnen  ständen  im  allgemeinen  nicht  in 
Achtung ;  man  nenne  sie  wegen  ihres  fortwährenden  Hin-  und  Her- 
reisens galloping  girls  (auch  apostolicae  viragines);  sie  führten  ein 
leichtfertiges  Leben  und  manche  würden  als  Curtisanen  angesehen. 
Eine  besondere  Commission  von  vier  Cardinälen  erklärte  schon  1622 
die  Unterdrückung  des  Unfugs  für  nöthig  und  1628  verordnete  die 
E^paganda  die  Auflösung  ihrer  Niederlassungen.  Im  J.  1631  wurde 
ier  Orden  durch  ein  Breve  Urbans  VIII.  vom  13.  Jan.  (Bull.  5, 
215)  gänzlich  aufgehoben.  Die  Ward  und  eine  ihrer  Assistentinnen 
wurden  verhaftet  und  nach  Rom  gebracht;  sie  revocirten  ihre  wider- 
setzlichen Briefe  und  wurden  1637  entlassen. 

Durch  das  Breve  vom  J.  1631  wurde  aber  die  Gründung  der 
Ward  nicht  vernichtet;  sie  gründete  in  England  neue  Häuser;  in 
München  blieb  ihre  Niederlassung  unter  dem  Schutze  des  Kurfürsten 
Maximilian  besteben,  und  auch  an  anderen  Orten  in  Deutschland 
entstanden  wieder  neue.  Die  Nonnen  widmeten  sich  aber  nun  aus- 
schliesslich dem  Unterrichte  der  weiblichen  Jugend  und  nannten 
»ich  englische  Fräulein.  Ihre  Regel  wurde  von  Innocenz  XII.  und 
auf  Ersuchen  des  Kurfürsten  Max  Emmanuel  von  Baiem  von  Cle- 
mens XI.  1703  bestätigt.     Die  englischen  Fräulein  sahen  ihre  Con- 


298  Gontroverse  de  auxiliis. 

gregation  als  die  Fortsetzung  des  Ordens  der  Jesnitinnen  und  Maria 
Ward,  die  ihnen  als  Heilige  galt,  nls  ihre  Stifterin  an.  Sie  kamen 
mit  dem  Bischof  von  Augsburg  in  Conflict;  dieser  brachte  die  Sache 
1747  nach  Rom  (Fleur.  79,  313),  und  eine  Bulle  Benedict«  XIV. 
vom  30.  April  1749  (Bull.  3,  31)  belehrte  die  Nonnen,  durch  Inno- 
cenz  XII.  und  Clemens  XL,  die  ein  Institutum  virginum  anglicaram 
approbirt,  sei  die  Bulle  Urbans  VIII.  keineswegs  aufgehoben  oder 
modiücirt;  sie  dürften  nicht  die  Maria  Ward  als  ihre  Stifterin,  noch 
weniger  als  eine  Heilige  ansehen  und  nicht  an  ihrem  Todestage  die 
Missa  de  Triuitate  oder  de  omnibus  Sanctis  und  eine  Lobpredigt 
auf  sie  halten  lassen.  Demnach  wurden  denn  auch  1752  in  den 
Index  gesetzt:  Englische  Tugendschul  Maria  unter  denen  von  Ihro 
päpstl.  Heiligkeit  Elemente  XL  gutgeheissenen  und  bestättigten  Regeln 
des  von  der  hochgeborenen  Frauen  Maria  Ward  als  Stifterin  aufge- 
richteten edlen  Instituts  Maria,  insgemein  unter  dem  Namen  der 
englischen  Fräulein,  von  Marcus  Fridl,  Pfarrer  u.  s.  w.  1.  Theil, 
d.  i.  wundervolle  Lebensbeschreibung  Maria  Ward,  Stiffterin  der  eng- 
lischen Fräulein  u.  s.  w.  Augsb.  1732.  2  Theile  4.,  —  und  Knrtzer 
Begriff  des  wunderbarlichen  Lebens  Maria  Ward,  Stiffterin  der  eng- 
lischen Fräulein,  von  Joh.  Unterberg,  Augsb.  1735.  —  Auch  der 
Band  von  Corb.  Khamms  Hierarchia  Augustana,  in  welchem  p.  487 
— 568  eine  Relatio  de  Anglarum  virginum  origine  ...  et  jnsta 
defensione  steht,  ist  verb.,  aber  schon  1721  und  aus  einem  andern 
Gh-unde  (S.  266)  i). 


40.     Die  €ontroYerse  de  anxiliis. 

Zwanzig  Jahre  nach  der  VerdammuDg  der  Lehrsätze  des 
Michael  Bajos,  wenig  später  als  der  Streit  zwischen  den  Jesuiten 
und  der  Lüwener  theologischen  Facultät  (I  S.  544)  entstand  in 
Spanien  eine  Gontroverse  Über  die  Gnadeulehre  zwischen  den 
Jesuiten  und  den  Dominicanern.  Der  hervorragendste  litera- 
rische Vertreter  der  letzteren  war  Domingo  Baüez  zu  Salamanca, 
t  1604,  der  ersteren  Luis  Molina,  Professor  zu  Evora,  f  zu 
Madrid  1600.  lieber  diese  Gontroverse,  speciell  Über  Molina^s 
zuerst  1588  erschiene  Goncordia  liberi  arbitrii  cum  gratiae  donis 
etc.,  welche  von  den  Dominicanern  denuncirt  worden,  wurde  in 


1)  Vgl.  ausser  der  Bulle  Benedicts  XIV.  Je.  Coleri  Schediasma  hi- 
storicum  de  Jesuitissis  (Dissertation),  Lpz.  1719.*  63  S.  4.  Dodd-Tierney 
4,  108.  App.  227.  A.  J.  P.  14,  899.  Sainjore  I,  289.  Friedrich,  Beitr.  zur 
Gesch.  des  Jesuiten-Ordens  S.  48.  —  Die  Jesuitinnen  des  16.  Jahrh.  (R.-E. 
6t  622)  hangen  mit  den  oben  besprochenen  nicht  zusammen. 


Controverse  de  auxiliis.  299 

>m  von  1597  an  verhandelt,  von  1602—1606  in  einer  Reihe 
m  Sitzungen,  den  sog.  Congregationes  de  auxiliis,  in  Gegen- 
art der  Päpste  Clemens  VIII.  (t  5.  März  1605)  und  Paul  V. 
m  Vertretern  beider  Parteien  disputirt.  Die  Controverse  wurde 
cht  entschieden,  vielmehr  in  einer  unter  dem  Vorsitze  Pauls  V. 
n  1.  Dec.  1611  gehaltenen  Sitzung  decretirt,  es  solle  fortan 
nn  Buch  Über  die  streitige  Frage  ohne  Erlaubniss  der  Inqui- 
tion  gedruckt  werden.  Dieses  Decret  wurde  unter  Urban  VIII. 
(25  und  1641  und  unter  Alexander  VII.  1657  eingeschärft,  das 
tzte  Mal  mit  dem  Zusätze,  alle  ohne  Erlaubniss  der  Inquisition 
^druckten  oder  in  Zukunft  zu  druckenden  Schriften,  welche 
e  materia  auxiliorum  divinorum  ex  professo  oder  incidenter 
ler  unter  dem  Vorwande  der  Commentirung  des  h.  Thomas 
ler  irgend  eines  andern  Theologen  behandelten,  seien  als  ver- 
)ten  anzusehen.  Dieses  allgemeine  Verbot  steht  in  dem  Index 
lexanders  VII.  und  den  folgenden  unter  Libri,  seit  Ben.  in 
in  Decr.  gen.  II,  1.  —  Diese  Decrete  konnten  freilich  nicht 
renge  durchgeführt  werden;  sonst  hätten  nach  dem  Decrete 
)n  1611  alle  Lehrbücher  der  Dogmatik,  in  denen  die  materia 
ixiliorum  divinorum  nicht  mit  Stillschweigen  übergangen  wer- 
?n  konnte,  der  Inquisition  zur  Approbation  vorgelegt  werden 
üssen,  und  wären  nach  dem  Decrete  von  1657  alle  ohne  eine 
)lche  Approbation  bis  heute  erschienenen  derartigen  Werke, 
-  denn  das  Decr.  gen.  II,  1  steht  noch  im  neuesten  Index,  — 
8  verboten  anzusehen.  Im  Index  stehen  nur  drei,  während 
3r  Verhandlungen  in  Rom  erschienene  unbedeutende  Schriften 
)n  Ferd.  de  las  Infantas  und  P.  Beni,  ein  von  Th.  Raynaud 
iter  dem  Namen  A.  Ri viere  herausgegebenes  Pasquill  gegen 
ie  Dominicaner  und  tactlose  Biographieen  von  zwei  Hauptvor- 
ämpfem  der  beiden  streitenden  Parteien,  von  dem  Dominicaner 
homas  de  Lemos  und  dem  Jesuiten  Leonard  Lessius.  —  Später 
sraulasste  die  Veröffentlichung  der  Acten  und  die  Darstellung 
er  Geschichte  der  Congregationes,  namentlich  durch  den  Do- 
linicaner  Hyacinth  Serry  und  den  Jesuiten  Livinus  de  Meyer, 
ibhafte  Controversen ;  aber  verboten  wurden  diese  Werke  nicht  ^). 


1)  Ausser    den    unten    zu  erwähnenden  Werken  von  Serry    und    de 
ieyer  sind  im  folgenden  besonders  benutzt  die  Schriften  des  Jesuiten  G. 


800  Gontroverse  de  aoxiliis. 

1581  Hess  der  Jesuit  Michael  Marcos  zu  Salamanca  Thesen 
vertheidigen,  welche  gegen  die  Lehre  von  Bafiez  gerichtet  waren. 
Dieser  schrieh  dagegen  und  erwirkte  ein  Edict  der  spanischen  In- 
quisition, welches  13  von  ihm  denuncirte  Sätze  bis  auf  weiteres  zu 
lehren  verbot  Das  Buch  von  Molina,  Liberi  arbitrii  cum  gratiae 
donis,  divina  praescientia,  Providentia,  praedostinatione  et  reproba- 
tione  concordia,  wurde,  nachdem  es  im  Auftrage  der  portugiesischen 
Inquisition  von  dem  Dominicaner  Barth.  Fereira  geprüft  und  appro- 
birt  worden,  1588  zu  Lissabon  gedruckt  und  nach  einer  von  Bafiez 
veranlassten  neuen  Prüfung  die  Veröffentlichung  gestattet.  Die  in 
Spanien  darüber  entstandenen  Controversen  veranlassten  Clemens 
VIII.,  1594  den  streitenden  Parteien  vorläufig  Schweigen  zu  ge- 
bieten, dem  päpstlichen  Stuhle  die  Entscheidung  vorzubehalten  und 
die  Oberen  der  beiden  Orden  zur  Einsendung  von  Denkschriften 
aufzufordern.  Die  span.  Inquisition  forderte  auch  von  den  spanischen 
Universitäten  und  von  mehreren  Bischöfen  und  Gelehrten  Gatachten 
ein.  Alle  diese  Actenstücke,  eine  grosse  Eiste  voll,  wurden  1598 
nach  Rom  gesandt.  Schon  im  Nov.  1597  hatte  Clemens  VIII., 
veranlasst  durch  eine  von  Bafiez  eingesandte  Denunciation,  eine  be- 
sondere Congregation,  bestehend  aus  den  Cardinälen  Madruzzi  und 
Arigone  und  9  Theologen,  mit  der  Prüfung  des  Buches  von  Molina 
beauftragt.  Diese  beantragte  13.  März  1598,  die  Concordia  und  die 
Lehre  des  Molina  unbedingt,  seine  Commentarii  in  1.  partem  D. 
Thomae  (1593)  mit  d.  c.  zu  verbieten  (Schneemann  S.  46).  Der 
Papst  verordnete  aber  eine  nochmalige  Prüfung  mit  Berücksich- 
tigung der  aus  Spanien  eingesandten  Actenstüoke.  Die  Congrega- 
tion sprach  sich  nochmals  gegen  Molina  aus  und  bezeichnete  eine 
grosse  Zahl  von  Sätzen  desselben  als  irrig.  Ihr  Votum  wurde, 
nachdem  die  von  dem  Papst  auf  den  Wunsch  Philipps  III.  im  J. 
1599  veranstalteten  Conferenzen  von  Theologen  beider  Orden  erfolglos 
geblieben,  1600  den  Jesuiten  mitgetheilt  and  mit  ihren  Erwide- 
rungen der  Congregation  zur  nochmaligen  Revision  überwiesen.  Sie 
beharrte  im  Oct.  1600  bei  der  Erklärung,  20  Sätze  seien  zu  cen- 
suriren.  Im  Jan.  1601  ordnete  der  Papst  eine  vierte  Prüfung  in 
Gegenwart  von  je  zwei  Theologen  beider  Orden  an;  die  Congrega- 
tion gab  aber  29.  Nov.  1601  wieder  dasselbe  Votum  ab.  Nun  ver- 
ordnete der  Papst  3.  Febr.  1 602,  es  sollten  Mitglieder  beider  Orden 
in  seiner  Gegenwart  und  in  Gegenwart  der  Cardinäle  Pompeo  Ari- 
gone und  Camillo  Borghese  (später  Paul  V.)  und  der  Censoren  der 
20  Sätze  disputiren.  Dieser  Disputationen,  —  gewöhnlich  Congre- 
gationes  de  auxiliis  genannt,  —  fanden  vom  29.  März  1602  an  bis 
zum  Tode  Tode  Clemens'  VIII.  68  statt,  dann  noch  17  unter  Paul  V. 
Nach  der  letzten    Disputation    1.    März   1606   befahl  der  Papst  den 


Schneemann:  Die  Entstehung  der  thomistisch-molinistischen  Controverse, 
1879;  Weitere  Entwicklung  der  th.-mol.  Controv.,  1880,  und  Controversiae 
de  divina  gratia,  1881.  Die  zweite  ist  gemeint,  wo  einfach  Schneemann 
citirt  wird. 


CoDgregationes  de  auxiliis.  801 

Censoren,  ihre  Vota  schriftlich  ahzngeben:  alle  mit  Ausnahme  des 
Carm eliters  J.  A.  Bovius,  sprachen  sich  für  die  Censurirnng 
von  42  (der  Erzbischof  Petrus  Lombardus  von  Armagh  von  30) 
Sätzen  Molina's  aus.  Diese  Gutachten  wurden  9  Cardinälen  vor- 
gelegt und  diese  gaben  in  einer  28.  Aug.  1607  unter  dem  Vorsitze 
des  Papstes  gehaltenen  Sitzung  ihre  Vota  ab;  ihre  Ansichten  waren 
getheilt  (eine  Aufzeichnung  über  diese  Sitzung  von  der  Hand  Pauls  V. 
ist  abgedruckt  bei  Schneemann  S.  90).  Der  Papst  traf  keine  Ent- 
Scheidung.  Er  befahl  zunächst  den  Generalen  beider  Orden,  ihren 
Untergebenen  zu  verbieten,  bei  der  Erörterung  der  Frage  die  Gegner 
zu  ,»qualificiren  und  zu  censuriren.*^ 

1610  erschien  zu  Rom  von  Didacus  Alvarez,  einem  der  Ver- 
treter der  Dominicaner  in  den  Congregationen,  De  auxiliis  div. 
gratiae  et  humani  arbitrii  viribus  et  libertate  ac  legitima  ejus  cum 
efficaci  eorundem  auxiliorum  concordia  11.  12.  Darauf  wollten  die 
Jesuiten  Werke  von  Suarez  und  Lessius  drucken  lassen.  Der  Papst 
verordnete  aber  in  der  Sitzung  der  Inq.  vom  1.  Dec.  1611,  die  Nun- 
cien  zu  beauftragen,  den  Ordensoberen,  Universitäten  und  Bischöfen 
ihrer  Nunciatur  zu  eröffnen:  sie  dürften  für  kein  Buch,  welches 
über  die  Materie  de  auxiliis  handle,  wenn  auch  unter  dem  Vorwande 
des  Ck)mmentirens  des  h.  Thomas  oder  in  anderer  Weise,  die  Druck- 
erlaubniss  ertheilen;  solche  Bücher  seien  vielmehr  der  Eöm.  Inq. 
zur  Prüfung  und  Approbation  vorzulegen.  Das  General capitel  der 
Dominicaner  bat  den  Papst  12.  Juni  1612  vergebens,  er  möge  eine 
Entscheidung  geben  und  ihnen  die  Discussion   der  Frage  gestatten. 

Der  Erzbischof  von  Armagh  hatte  bereits  eine  Bulle  gegen 
Molina's  Lehre  entworfen  (abgedr.  bei  Serry,  App.  155);  es  ist  aber 
fraglich,  ob  dieses  im  Auftrage  des  Papstes  geschehen  war.  Auf 
einer  in  Rom  befindlichen  Abschrift  derselben,  die  Laemmer,  Zur 
Kirchengesch.  S.  106  bespricht,  findet  sich  die  Notiz,  die  Publica- 
tion  derselben  sei  unterblieben  auf  Betreiben  (maneggio)  des  Card, 
du  Perron,  nicht  (wie  vielfach  angegeben  wird)  darum,  weil  Paul  V. 
die  Jesuiten,  die  sich  bei  seinem  Streite  mit  Venedig  so  correct 
benommen,  nicht  habe  verletzen  wollen.  —  Neben  du  Perron  be- 
mühte sich  namentlich  Bellarmin  dafür,  dass  keine  Entscheidung 
g;egeben  werden  möge  (Schneemann  S.  75.  78).  In  einem  Briefe 
an  Clemens  VIII.  vom  J.  1602^),  den  er  diesen  gleich  nach  dem 
Durchlesen  zu  verbrennen  bittet,  räth  er  ihm,  den  bisher  zur  Ent- 
scheidung der  Frage  eingeschlagenen  Weg  zu  verlassen.  „Ihre  Vor- 
gänger haben  nicht  darauf  ihr  besonderes  Augenmerk  gerichtet, 
durch  den  Scharfsinn  ihres  Geistes  und  fleissiges  Studium  in  die 
dogmatischen  Fragen  einzudringen,  sondern  die  gemeinsame  Ansicht 
der  Kirche,  namentlich  der  Bischöfe  und  der  Gelehrten  zu  erforschen. 
Darum  haben  die  Päpste  von  dem  h.  Petrus  an  bis  auf  die  Gegen- 
wart gewöhnlich   für   die   Definition    von   Glaubenslehren    Concilien 


1)  Abgedr.  u.  a.  bei  Serry  p.  271  und  bei  Döllinger,  Beitr.  3,  83; 
▼gl.  Gott.  Gel.  Anz.  1884,  582. 


302  Controverse  de  auxiliis. 

verwendet ;  ja  sehr  viele  Päpste  haben,  ohne  selbst  zu  studiren, 
manche  Irrthümer  mit  Hülfe  der  Concilien  und  der  Universität-en 
mit  Erfolg  unterdrückt,  während  auf  der  andern  Seite  manche  durch 
ihr  vieles  Studiren  sich  und  die  ganze  Kirche  in  Gefahr  gebracht 
haben.  So  hat  Leo  X.  nicht  sonderlich  viel  studirt,  um  die  luthe- 
rische Ketzerei  zu  verdammen,  sondern  es  für  genügend  gehalten, 
die  Censuren  der  katholischen  Universitäten,  namentlich  der  Kölner 
und  der  Löwener,  gut  zu  heissen.  Auch  Paul  III.,  Julius  III.  und 
Pius  IV.  haben  sich  nicht  auf  Studien  verlegt,  aber  unt«r  Mitwir- 
kung des  Tri  enter  Concils  Wahrheiten  von  der  grössten  Bedeutung 
klar  gestellt.  .  .  .  Als  dagegen  Johannes  XXII.  auf  den  Gredanken 
gekommen  war,  die  Seelen  der  Heiligen  genössen  [vor  der  Aufer- 
stehung] nicht  die  Anschauung  Gottes,  und  meinte,  das  sei  die  An- 
sicht des  h.  Augustinus,  da  versuchte  er  diese  seine  Meinung  zur 
Geltung  zu  bringen  und  veranstaltete  nicht  nur  nicht  eine  öffent- 
liche Berathung  eines  Concils  oder  der  Universitäten,  weil  er  wusste, 
dasB  die  Pariser  Universität  gegen  seine  Meinung  war,  sondeni 
sammelte  eifrig  Stellen  des  h.  Augustinus  zu  Gunsten  derselben  und 
belohnte  diejenigen,  welche  ihm  solche  nachwiesen,  mit  Benefizien,  so 
dass  nur  wenige  mit  ihm  darüber  zu  reden  wagten.  So  verschloss  er 
sich  selbst  den  Zugang  zur  Wahrheit.  Indess  hat  er  in  den  18 
Jahren  seines  Pontißcates  sein  Ziel  nicht  erreicht,  weil  der  dem 
apostolischen  Stuhle  zur  Seite  stehende  göttliche  Beistand  nicht  zu — 

Hess,     dass    er    etwas    der    Wahrheit    Widersprechendes    decretirte ^^  e 

Gleich  nach  seinem  Tode  aber  erliess  sein  Nachfolger  ein  der  ge — ^^e 
wohnlichen  Ansicht  der  Theologen  conformes  Decret.  Ew.  Heilig — ' 
keit  wissen  auch,  in  welche  Gefahr  Sixtus  Y.  sich  und  die  ganzem 
Kirche  gebracht,  als  er  nach  seinen  Ansichten  die  Bibel  [Vulgata]  [ 
corrigiren  wollte;  ich  weiss  nicht,  ob  es  je  eine  grössere  Gefahi 
gegeben.  .  .  .  Wenn  es  sich  um  Controversen  über  Glaubenssachen. 
handelt,  so  geht  die  Sache,  wie  P.  Nicolaus  sagt,  alle  an  und  muss^-^  ^ 
sie  Öffentlich  und  nicht  insgeheim  mit  wenigen  verhandelt  werden—  äiä  ^i 
Denn  wenn  man  auch,  falls  E.  H.  die  Sache  ohne  öffentliche  Be — ^^^* 
rathung  entschieden,  verpflichtet  wäre  zu  glauben  und  zu  gehorchen,^^^:*^  *' 
so  würde  das  doch  nicht  ohne  Murren  von  Seiten  der  Kirche  un( 
der  Universitäten  geschehen,  die  sich  beklagen  würden,  dass 
nicht  gehört  worden.  Jedenfalls  ist  das  nicht  der  Weg  unserer  Vor — 'r^^^ 
fahren,  die  E.  H.  nachahmen  wollen.  ...  Es  steht  nur  ein  doppelter-:«' ^^ 
Weg  offen,  um  die  Sache  zu  Ende  zu  führen:  E.  H.  können  erstens^ 
den  Streit  dadurch  beschwichtigen,  dass  Sie  beiden  Theilen  Schweigen 
auflegen,  .  .  .  zweitens  ein  Concil  von  Bischöfen  versammeln  oder,  ^**^^' 
wenn  das  nicht  gut  scheint,  von  allen  katholischen  üniversititen  ^^  ^' 
einige  auserlesene  Theologen  nach  Rom  berufen  oder  ihnen  schrift-^ — = 
lieh  die  Hauptpunkte  der  Controverse  und  die  von  beiden  Seiten 
ausgearbeiteten  Denkschriften  zusenden  und  dann  nach  einer  solchen 
Berathung  die  Frage  mit  Hülfe  des  h.  Geistes  entscheiden.'*  Schliess-^ — ^' 
lieh  beklagt  sich  Bellarmin,  dass  Clemens  durch  scharfe  Aeusse- 
rungen  über  Molina^s  Ansicht  Anlass  dazu  gegeben,  dass  die-**"^*'® 
Gegner  sich  rühmten,  er  sei  von  der  Kichtigkeit  ihrer  Ansicht  üb< 


Bellarmin.  Fr.  Suarez.  803 

zeugt.  In  seiner  Selbstbiographie  (I  S.  505)  rühmt  sich  Bellarmin, 
er  habe  Clemens  VIII.  vorhergesa^t,  er  werde  die  Sache  nicht  ent- 
scheiden, und  diese  Vorhersagung  wiederholt,  als  der  Papst  erwiedert 
habe,  er  werde  doch  entscheiden.  Um  Bellarmin  los  zu  werden,  er- 
nannte ihn  Clemens  VIII.  zum  Erzbischof  von  Capua  (Schneemann 
8.  75).  —  Sehr  scharf  kritisirt  wird  Bellarmins  Verhalten  in  dem 
bei  seinem  Beatificationsprocesse  abgegebenen  Votum  des  Card.  Pas- 
sionei  (I  S.  505)  p.  42.  —  Card.  Baronius  war  (1603)  ein  ent- 
schiedener Gegner  Molina's  (Epist.  et  opusc.  ed.  R.  Alberici,  1759, 
n,  121;  III,  124.  142.  Patuzzi  5,  298).  —  Als  Maximilian  von 
Baiem  auf  Betreihen  der  Jesuiten  über  die  Angelegenheit  an  Cle- 
mens VIII.  schrieb,  erhielt  er  in  einem  Breve  vom  4.  Oct.  1601 
eine  ziemlich  scharfe  Zurechtweisung  (Stieve,  Briefe  u.  A.  5,  54). 

Unter  Urban  VIII.  wurde  durch  ein  Inquisitionsdecret  vom 
22.  Mai  1625  das  Decret  von  1611  noch  verschärft:  es  sollen  bis 
auf  weiteres  ohne  specielle  Erlaubniss  der  Inquisition  keine  Schriften 
veröffentlicht  werden,  welche  ex  professo  vel  incid enter  aut  prae- 
textu  commentandi  D.  Thomam  vel  quemlibet  alium  doctorem  aut 
alia  quavis  occasione,  praetextu  vel  modo  de  materia  auxiliorum  divi- 
norum  handeln,  bei  Strafe  der  Amtsentsetzung,  des  Verlustes  des  Wahl- 
rechts und  der  Erlaubniss  zu  predigen  und  zu  dociren  ipso  facto 
und  anderen  arbiträren  Strafen.  Die  gegen  dieses  Verbot  erscheinen- 
den Bücher  sind  ohne  weiteres  als  verboten  anzusehen,  die  Drucker 
mit  Geld-  und  anderen  körperlichen  Strafen  zu  belegen.  Beide 
Decrete  wurden  in  dem  Decrete  vom  1.  August  1641  über  das 
Buch  des  Jansenius  und  die  darüber  erschienenen  Streitschriften 
(Alex.  No.  46)  nochmals  wiederholt  und  durch  Androhung  der  re- 
servirten  Excommunicatio  latae  sent.  verschärft.  Das  Verbot  wurde 
unter  Alexander  VII.  von  der  Inq.  6.  Sept.  1657  noch  einmal  pu- 
blicirt  mit  dem  Zusätze:  alle  ohne  ihre  Erlaubniss  erschienenen  oder 
in  Zukunft  herauszugebenden  libri  continentes  et  tractantes  mate- 
riam  de  auxiliis  seien  absque  eo  quod  fiat  de  illis  specialis  mentio, 
ipso  facto  et  absque  alia  declaratione  pro  expresse  prohibitis  zu 
halten.  Das  Decret  ist  aber  von  Anfang  an  nicht  strenge  beobachtet 
worden.  Major  fuit  in  exponenda  lege  contentio  quam  in  servanda 
religio,  sagt  Serry  p.  616  und  zählt  eine  Reihe  von  Büchern  auf, 
in  denen  die  fragliche  Materie  behandelt  wird  und  die  im  17.  Jahrhun- 
dert gedruckt  worden  sind,  ohne  von  der  Inq.  approbirt  zu  sein,  und 
seitdem  sind  deren  noch  viel  mehr  erschienen.  Nach  dem  angeführ- 
ten Decrete  wären  diese  hunderte  von  Büchern,  obschon  keines  der- 
selben im  Index  steht,  als  verboten  anzusehen.  Das  ist  aber  schwer- 
lich die  Ansicht  der  Curie;  hätte  die  Inquisition  oder  die  Index- 
Congr.  das  Verbot  stricte  durchführen  wollen,  so  würde  sie  die 
Bücher  in  den  Index  gesetzt  haben,  wie  z.  B.  1662  mit  einem  Buche 
von  Leonardi  geschah  (S.   85). 

Der  Jesuit  Franz  Suarez,  der  freilich  eine  specielle  Weisung 
erhalten,  seine  Bücher  der  Inquisition  zur  Approbation  vorzulegen 
(§  41),  schickte  seinen  Tractat  de  gratia  nach  Rom  und  bat,  da  er 
längere  Zeit  keinen   Bescheid    erhielt,    1617  nochmals    um    die  Er- 


804  Controverse  de  auxilÜB. 

laubniss  zur  Veröffentlichung.  Darauf  schrieb  ihm  der  Card.  Bor- 
ghese  26.  April  1617:  der  Papst  sei  zwar  überzeugt,  dass  das  Buch 
ebenso  gut  sei  wie  seine  anderen  Werke;  die  Erlaubniss  zum  Druck 
könne  aber  nicht  ertheilt  werden,  da  sie  auch  anderen,  die  über 
diesen  Gegenstand  geschrieben,  verweigert  worden  sei;  wenn  aber 
das  allgemeine  Verbot  einmal  aufgehoben  werde,  wünsche  der  Papst, 
dass  das  Buch  von  Suarez  unter  den  ersten  sei,  die  gedruckt  würden 
(Serry  p.  636.  Werner,  Fr.  Suarez  I,  84).  Der  Tractat  wurde 
später,  1655  zu  Lyon,  angeblich  ohne  Zustimmung  der  Jesuiten  ge- 
druckt, dann  auch  in  die  Gesammtausgaben  der  Werke  des  Suarez, 
Venedig  1740  ff.,  Paris  1856  ff.,  aufgenommen.  Die  A.  J.  P.  6, 
2187  meinen,  er  stehe  zwar  nicht  im  Index,  falle  aber  unter  das 
von  Benedict  XIV.  erneuerte  allgemeine  Verbot  von  1657.  Der 
Bischof  Malou  dagegen  meint,  Fr.  Suaresii  Opuscula  sex  inedita, 
1859,  p.  213,  der  Tractat  sei  1655  edirt  worden  prohibitione  Sedis 
apost.  jam  vel  abrogata  vel  obsoleta,  als  ob  das  Verbot  nicht  1657 
noch  erneuert  worden  wäre.  Dass  man  in  Rom  noch  1697  das 
Decret  von  1611  als  nicht  aufgehoben  ansah,  zeigt  der  in  diesem 
Jahre  erschienene  Nodus  praedestinationis  des  Card.  Sfondrato,  dem 
ein  Decret  der  Inquisition,  Fer.  IV.  25.  Juli  1696,  vorgedruckt  ist, 
worin  dem  Cardinal  die  Druckerlaubniss  ertheilt  wird,  die  er  nach- 
gesucht, weil  es  verboten  sei,  ohne  Erlaubniss  der  Inq.  Bücher  in 
materia  de  praedestinatione  et  divinis  auxiliis  zu  veröffentlichen. 

Im  Index  stehen  einige  während  der  Verhandlungen  erschienene 
molinistische  Schriften :  Tractatus  de  praedestinatione  secundum  scri- 
pturam  sacram  et  veram  evangelicam  lucem,  divina  mediante  gratia 
ab  idiota  Ferd.  de  las  Infantas,  presbytero  Cordubensi,  composi- 
tus  et  extra  omnem  praetensionem  ipsi  verae  luci  Christo  Dei  Filio, 
a  quo  accepit  omnia,  dicatus,  Paris  1601,  verb.  1608.  Nach  der 
Vorrede  will  er  durch  göttliche  Offenbarung  belehrt  worden  sein 
(Serry  p.  276.  Arg.  III  b  168).  1605  wurde  von  ihm  verb.  Liber 
divinae  lucis  secundum  divinae  et  evangelicae  scripturae  lucem  in 
109.  Psalmi  expositionem  [in  quo  de  hum.  redemptione,  Ecclesiae 
sacramentis  etc.,  angeblich  aus  dem  Italienischen  übersetzt;  Nie. 
Antonio  I,  378;  Col.  1587.  Par.  1601]  Col.  1603.  Beide  Schriften 
stehen  auch  im  span.  Index.  —  Qua  tandem  ratione  dirimi  possit 
controversia,  quae  in  praesens  de  efficaci  Dei  auxilio  et  libero  ar- 
bitrio  inter  nonnullos  catholicos  agitatur.  Ad  Sanctiss.  et  Beatiss. 
dementem  VIII.  Auetore  Paulo  Benio  Engubino,  inter  Patavini 
collegii  theologos  minimo,  Padua  1603,  verb.  durch  ein  specielles 
Edict  des  Mag.  S.  Pal.  vom  15.  Mai  1604  de  expresso  mandato 
Clementis  VIII.  (Serry  p.  227),  dann  in  dem  Edicte  vom  16.  Dec. 
1605  (Alex.  No.  5).  Nach  Serry  wurden  der  Verfasser  und  der 
Approbator  des  Buches,  in  dem  man  24  pelagianische  Sätze  gefunden, 
nach  Rom  citirt.  Paolo  Beni,  aus  dem  Jesuitenorden  ausgetreten, 
weil  man  ihm  nicht  erlauben  wollte,  einen  Commentar  zu  Piatons 
Symposion  herauszugeben,  war  1594—99  Professor  der  Philosophie 
an  der  Sapienza,  1599 — 1625  Prof.  der  schönen  Literatur  zu  Padua, 
ein  angesehener  Philologe,   der  sich  aber  sonst  so  wenig  mit  Theo- 


Infantas.     Beni.     Kiviere.     Choquet.  305 

logie  befasste,  dass  man  vielfach  meinte,  er  habe  nur  seinen  Namen 
zu  dem  Buche  hergegeben^). 

Th.  Eaynaud  ßchrieb  eine  an  Alexander  VII.  adressirte  Ab- 
handlung Theologia  supplex  instructa  libello  pro  libera  quaestionum 
8cholasticarum  inter  doctores  discussione  cum  charitate  atque  mo- 
destia,  worin  er  um  Aufhebung  des  Verbotes  bittet,  welches,  wenn 
auch  als  ein  temporäres  Verbot  niclit  zu  missbilligen,  weniger  dem 
alten  Gebrauche  der  Kirche  als  dem  der  Heiden,  Saracenen  und 
Ketzer  entspreche,  nichts  nütze,  wohl  aber  schade  und  so  parteiisch 
gehandhabt  werde,  dass  viele  klagten,  censuram  columbas  duntaxat 
vexare;  ein  Buch  von  Guil.  Camerarius  z.  B.  sei  dem  Mag.  S.  P. 
Kiccardi  dedicirt,  in  der  Historia  vitae  S.  Pauli  von  Thomas  Mas- 
sutius  sei  eine  Stelle  gestrichen  worden,  an  der  er  von  der  Beru- 
fung des  h.  Paulus  spreche  und,  g^gQn  Calvin  polemisirend,  die 
Frage  habe  erörtern  wollen,  ob  Paulus  der  göttlichen  Gnade  hätte 
widerstehen  können.  Später  schrieb  er  ein  Epimetrum  dazu,  worin 
er  u.  a.  sagt:  kein  Vernünftiger  könne  annehmen,  dass  die  Päpste 
das  Verbot  noch  aufrecht  erhalten  wollten,  welches  jetzt  unter  den 
veränderten  Verhältnissen  nur  geeignet  sei,  die  Katholiken  zu  ge- 
niren  und  die  jansenistischen  Ketzer  zu  erfreuen;  es  dürfe  als  auf- 
gehoben angesehen  werden,  es  sei  aber  zu  wünschen,  dass  dieses 
ausdrücklich  erklärt  werde.  Alexander  VII.  bestätigte  aber  1G57 
das  Verbot.  Raynauds  Schrift  wurde  in  dem  20.  Bande  seiner  Werke 
(Apopompaeus)  1669  gedruckt;  dieser  wurde  1672  verb.  —  Eine 
Schrift,  die  Eaynaud  unter  dem  Namen  A.  Ri viere,  Dr.  Paris., 
Ord.  S.  Aug.,  drucken  Hess,  Calvinismus  bestiarum  religio  et  appcl- 
latio  pro  Dominico  Banne  Calvinismi  damnato  a  Petro  Paulo  de  Bel- 
lis  Italo,  Ord.  Praed.  apostata,  Lugd.  1630  (abgedruckt  im  Apop. 
p.  77  mit  dem  Motto:  Hinc  illae  lacrymae.  Benedicite  omnes  bestiae 
et  pecora  Domino.  Dan.  3),  wurde  1633  verb.;  es  ist  eine  bittere 
Satire  gegen  die  Dominicaner:  die  Gnadenlehre  des  Bafiez  sei  von 
der  Calvins  nicht  wesentlich  verschieden. 

1642  wurde  mit  d.  c.  verb.  Mariae  Deiparae  in  Ordinem  Prae- 
dicatorum  viscera.  Exhibet  Hyacinthus  Choquetius  (Dominicaner, 
t  1645.  Quetif  2,  542),  Antw.  1634  (593  S.  8.,  flämische  Uebers. 
von  Ed.  Bilius,  Löwen  1638).  Raynaud  (Apop.  p.  210.  298;  vgl. 
de  Meyer  I,  375)  sagt,  in  diesem  Buche  werde  u.  a.  berichtet: 
Urban  VIII.  habe  vivae  vocis  oraculo  erklärt,  so  oft  Thomas  de 
Lemos  während  der  Congregationes  de  auxiliis  disputirt,  habe  sein 
Angesicht  geglänzt  wie  das  des  Moses ;  Lemos  sei  drei  Jahre  vor 
seinem  Tode  erblindet,  aber,  während  er  Messe  gelesen,  wieder 
sehend  geworden;  als  er  gestorben,  sei  mit  vielen  anderen  auch  sein 


1)  Piu8  VI.  wird  an  diese  Schrift  nicht  gedacht  haben,  als  er  1776 
bei  der  Weihe  des  Bischofs  J.  Beni  von  Carpentras  von  Paolo  Beul  sapftc: 
Com  tot  sint  ejus  laudcs,  quot  sunt  operum  suorum  voliimina  publicis 
tjTpis  ad  immortalitcm  impressa.  Pii  VI.  Allocutioncs  ...  ed.  C.  Branca- 
doro,  1792,  p.  30.  N.  E.  1777,  26. 

Rensch.  Index  U.  20 


306  Coutroverse  de  auxiliis. 

Schüler  Nie.  Kiecardi,  der  Mag.  8.  P.,   gekommen,  um  noeli  einmal 
seine  Hand  zu    küssen;    er   habe    aber    (non    quia    statnra  posillns 
erat,  sed  cum  praepinguis  esset  ac  perobesus;  Rensch,  Galilei  S.  164) 
sich  nicht  durchdrängen  können;    da  habe  ihm  die  Leiche  die  Hand 
entgegengestreckt.    Diese  und  andere  Wundergeschichten,  fügt  Ray- 
naud bei,    hätten    einige  muthwillige  junge  Dominicaner  in  der  Mi- 
nerva dem  guten  Choquet  aufgebunden,    der   alles  für  haare  Münze 
genommen.    —    1646    wurde    eine  Biographie   eines  Jesuiten  verh., 
der    in    der  Controverse    über    die  Gnadenlehre    eine  Rolle  gespielt 
(I  S.  446):    De    vita    et  moribus   Leonardi  Lessii  e  S.  J.  "Dieologi 
liber.   Ad  utramque  provinciani  Soc.  J.  per  Belginm  jubilaeum  anno 
saeculari  suo  celebrantem.  Una  cum  [Lessii]  divinamm  perfeotionnm 
opusculo.     Cura    et    sumptibus  Thomae  Courtois,    J.    U.   Lic.    et  in 
supremo  Brabantiae  Senatu  Advocati.    Brux.  1640,*  232  und  164  S. 
8.  (auch  Par.  1644,*  183  S.  16.).  Courtois  sagt  in  der  Vorrede,  er 
habe  die  Vita  aus   dem  Nachlasse  seines  Verwandten,  des  Praemon- 
stratensers  Leonard  Scoofs,  eines  Neffen  des  Lessius.    In  dem  De- 
crete  von   1646  (Alex.  No.  48)   wird  dieser  auch  als  Verfasser  ge- 
nannt, und  unter  seinem  Namen  steht  das  Buch  im  Index.  Das  Ver- 
bot desselben    ist  allem  Anscheine    nach    dadurch    veranlasst,    dass 
darin  freilich  nicht   solche  Geschichten,    wie    sie   Choquet  auftischt, 
erzählt  werden,  aber  u   a.  berichtet  wird,  durch  die  Berührung  von 
Lipsana  des  Lessius  seien  Kranke  geheilt  worden.    Gleichzeitig  mit 
der  Vita  wurde  verb.  ein  zu  Löwen  gedrucktes  Blatt  mit  der  Ueber- 
schrift:  Ea  quae   in  Vita  R.  P.  L.   Lessii  corrigenda   yel  omittenda 
censuit  S.  Congr.  Ind.  haec  sunt,  mit  der  Erklärung,    das  Blatt  sei 
sub  falso  S.   C.    I.    nomine  gedruckt.     Die  Vita  wurde  unter  einem 
andern  Titel    von  den  Jesuiten   nochmals   herausgegeben:    R.  P.  L. 
Lessii  e  S.    J.    Theol.  Vitae   compendium.   Ed.  2.,    Ingoist.    1668,* 
220  S.    16.     In  der  Vorbemerkung    heisst    es:    man    habe  die  von 
Courtois  herausgegebene  Vita  abdrucken  lassen,  quia  hisce  partibus 
libri  exemplaria  aut  nulla  habentur  aut  rara;  diese  2.  Ausgabe  wird 
aber  wohl  expurgirt  sein. 

Das  unter  Innocenz  X.  Fer.  V.  23.  Apr.  IG54  erlassene  Decret 
der  Inq.,  worin  eine  lange  Reihe  von  Schriften  über  die  Janseni- 
stische Controverse  verboten  wird,  schliesst  mit  folgendem  Satze: 
„Da  zu  Rom  und  anderswo  Abschriften  und  vielleicht  Abdrücke 
der  angeblichen  (asserta)  Acten  der  unter  Clemens  VIII.  und  Paul  V. 
über  die  Frage  de  auxiliis  divinae  gratiae  gehaltenen  Congregationen 
im  Umlauf  sind,  —  sowohl  unter  dem  Namen  des  Fr.  Pegna,  wei- 
land Decans  der  Köm.  Kota,  wie  unter  dem  des  Thomas  de  Lemos 
0.  P.  und  anderer  Prälaten  und  Theologen,  welche  angeblich  (ut 
asseritur)  an  besagten  Conferenzen  theilgenommen,  —  auch  quoddam 
autographum  [apographum  ?]  sive  exemplar  einer  angeblichen  Bulle 
Pauls  V.  über  die  Entscheidung  der  besagten  Frage  de  auxiliis  und 
die  Verdammung  der  Ansicht  oder  Ansichten  des  L.  Molina  S.  J.: 
so  erklärt  und  verordnet  Se.  Heiligkeit  durch  dieses  Decret,  dass 
jenen  angeblichen  Acten  sowohl  zu  Gunsten  der  Ansicht  der  Domi- 
nicaner als    der  Jesniten    und   dem  Autographum  sive  exemplar  der 


Scoofs.    Acten  der  Congr.  de  auxiliis.  307 

besagten  angebliclien  Bnlle  dnrehans  kein  Glaube  beizumessen  ist 
und  dass  sie  von  keiner  der  beiden  Parteien  und  von  keiner  andern 
allegirt  werden  können  oder  sollen,  sondern  dass  bczüglicb  der 
besagten  Frage  die  Decrete  Pauls  V.  und  Urbans  VIII.  zu  beo- 
bachten sind."  Serry  (p.  XXXIX)  sagt  mit  Recht,  dass  durch  dieses 
Decret  nicht  die  Echtheit  oder  historische  Glaubwürdigkeit  der 
Acten  ^),  sondern  nur  die  Authenticität  im  juristischen  Sinne  ge- 
leugnet werde,  wie  ja  schon  der  Zusatz  zeigt,  dass  sie  nicht  alle- 
girt werden  könnten.  Schneemann  S.  151  u.  s.  behauptet  allerdings, 
es  seien  damit  die  Acten  von  Lemos  und  Peüa  und  ähnliche  [zu 
Gunsten  der  Dominicaner  lautende]  Acten  stücke  vom  h.  Stuhle  in 
dem  Sinne  für  durchaus  unglaubwürdig  erklärt  worden,  dass  sie 
nicht  als  geschichtliche  Quelle  benutzt  werden  könnten;  er  hat  es 
aber  „wegen  Mangels  an  Raum"  unterlassen,  dieses  „gegen  die  Aus- 
flüchte Serry's  zu  beweisen."  Eine  ganz  ähnliche  Erklärung  aus 
dem  J.  1657  s.  u.  §  52. 

Veranlasst  ist  das  Decret  ohne  Zweifel  dadurch,  dass  in  dem 
Jansenistischen  Streite  vielfach  auf  die  Acten  Bezug  genommen 
wurde.  Gedruckt  war  1654  nur  erst  weniges  davon  (Acta  Greg. 
Goronelli,  queis  Clementis  VIII.  ad  disputatores  oratio  continetur, 
Serry  p.  845).  —  1678  Hessen  die  Dominicaner  ein  Werk  von 
Lemos  drucken,  in  welchem  manches  aus  den  Verhandlungen  mit- 
getheilt  war:  I?anoplia  gratiae  seu  de  rationalis  creaturae  in  finem 
supematuralem  gratuita  divina  suavipotente  ordinatione  ductu,  mediis 
liberoque  processu  dissertationes  theologicae,  Leodii  [Biterris]  1678, 
4  Fol.  Die  Jesuiten  beklagten  sich  über  diese  Verletzung  der 
päpstlichen  Decrete  und  verlangten,  das  Buch  solle  verboten  oder 
ihnen  gestattet  werden,  die  Historia  controversiarum,  quae  inter 
quosdam  e  S.  Praedicatorum  Ordine  et  Soc.  Jesu  agitatae  sunt  1548 
—  1602,  libris  6  explicata  zu  veröflPentlichen,  welche  P.  Possinus 
(Poussines)  im  Auftrage  des  Generals  geschrieben,  für  die  in  Rom 
die  Druckerlaubniss  verweigert  worden  war  und  von  der  darum 
Abschriften  an  die  bedeutenderen  Collegien  gesandt  worden  waren. 
Das  Generalcapitel  der  Dominicaner  reichte  darauf  dem  Papste  eine 
Supplik  ein:  da  trotz  der  päpstlichen  Decrete  schon  viele  Bücher 
de  auxiliis,  namentlich  von  Jesuiten,  erschienen  seien,  ohne  dass 
dadurch  in  der  Kirche  eine  Verwirrung  entstanden  sei,  so  möge  der 
Papst  die  Klage  der  Jesuiten  abweisen  oder  zuvor  die  Angehörigen 
ihres  und  anderer  Orden,  die  de  auxiliis  geschrieben,  bestrafen 
lassen.     Zugleich  bat  der  General,   der  Papst  möge  den  Druck  der 


1)  Du  Vaucel  schrieb  1693  an  Arnauld  (3,  590):  wenn  die  Tradition 
de  l'Eglise  Rom.  sur  la  grace  (von  Quesnel)  denuncirt  werde,  werde  sie 
Verb,  werden,  weil  darin  einige  von  den  Actenstücken  enthalten  seien,  von 
denen  Innocenz  X.  erklärt  habe,  sie  seien  apokryph  und  verdienten  keinen 
Glauben.  Arnauld  antwortete:  das  würde  gerade  so  lächerlich  sein,  als 
wenn  man  befehlen  wollte,  zu  glauben,  es  sei  am  Mittag  nicht  hell;  denn 
die  Originale  der  in  der  Tradition  abgedruckten  Actenstückc  lägen  in  der 
Bibliothek  der  Augustiner  zu  Rom. 


308  Controverfte  de  auxiliis. 

in  der  Engelsburg  und  in  der  Barberini' sehen  und  Auguetiner- 
Bibliothek  aufbewahrten  Acten  anordnen;  sein  Orden  wolle  gern 
die  Kosten  tragen.  Die  Sache  wurde  der  Inquisition  überwiesen ; 
auf  die  Anträge  beider  Orden  wurde  nicht  eingegangen,  und 
bald  darauf  wurde  ein  Edict  des  Mag.  S.  Pal.  angeheftet,  wo- 
rin bekannt  gemacht  wurde,  dass  das  Buch  von  Lemos  in  Rom 
verkauft  werden  dürfe  (Serry  p.  XXXV.  Schneemann,  Controv. 
p.  299).  1680  wurde  auch  das  Buch  von  Leonardi  (S.  85)  freige- 
geben, ohne  dasH  eine  Weglassung  der  auf  die  niateria  aux.  div.  be- 
züglichen Stellen  verlangt  wurde. 

Später  erschienen:  Historia  congregationum  de  auxiliis,  auct. 
AuguRtino  Le  Blanc,  S.  Th.  Dr.,  Löwen  1099  (von  denv  Dominicaner 
Hyacinth  Serry  zu  Padua) ;  Acta  omniuui  congregationum  ac  dis- 
putationum  ...  de  auxiliis  div.  gratiae,  quas  disputationes  ego  Fr. 
Th.  de  Lemos  eadem  gratia  adjutus  sustinui  contra  plures  ex  So- 
cietate,  Löwen  1702  (von  dem  Benedictiner  Theodor  de  Viaixnes 
herausg.) ;  Historiae  controversiarum  de  div.  gratiae  auxiliis  .  .  . 
libri  sex,  auct.  Theodoro  Eleutherio  (von  dem  Jesuiten  Livinus  de 
Meyer),  Antw.  1705;  eine  2.  Auflage  des  Werkes  von  Serry,  mit 
einer  Vertheidigung  gegen  Meyer  vermehrt,  unter  seinem  wahren 
Namen,  Antw.  1709,  und  Historiae  controversiarum  ...  ab  objee- 
tionibus  R.  P.  H.  Serry  vindicatae  libri  tres,  auct.  Liv.  de  Meyer 
Antw.  1715  (mit  anderen  polemischen  Schriften;  beide  Werke  von 
Meyer  zusammen  in  zwei  Fol.  Venedig  1742).  Diese  Werke  ver- 
anlassten lebhafte  Controversen  und  viele  Streitschriften  (Uuetif  2, 
803.  Backer  s.  v.  Meyer J;  aber  verboten  wurden  in  Rom  nur 
(1725)  Observationos  in  controversiam  de  gratia  efficaci  relatam  in 
libris  Aug.  Le  Blanc  et  Theod.  Eleutherii,  Köln  1707,  von  Celso 
Migliavacca.  In  den  span.  Index  kam  1747  durch  die  Jesuiten 
Serry 's  Werk.  —  Ein  von  Uuesnel  verfasstes  Abrege  de  Phistoire 
de  la  Congregation  de  auxiliis,  c'est  a  dire  des  secours  de  la  grace 
de  Dieu,  tenue  sous  les  Papes  Clement  VIII  et  Paul  V,  Francf. 
1687,  von  Bayle,  Oeuvres  1,  6G8  als  eine  Arbeit  von  Meisterhand 
bezeichnet,  wurde  1695  von  Precipiano,  aber  nicht  in  Rom  verb. 

In  den  Streit  de  auxiliis  spielt  die  wunderliche  Controverse 
hinein,  ob  man  sagen  dürfe:  Non  est  de  fide,  hunc  numero  homine 
(z.  B.  Clemens  VIII.)  esse  suramum  pontificem;  Der  Jesuit  Lud. 
Turrianus  hatte  diese  These  zu  Alcalä  bei  einer  Disputation  ver- 
theidigen  lassen  (Schneemann  S.  74.  Arg.  III  b  168);  sie  wurde 
von  der  Rom.  Inquisition  verdammt  (Serry  p.  277.  838).  Die  Je- 
suiten Hessen  aber  dieselbe  These  auch  später  vertheidigen,  u.  a.  zu 
Graz  unter  Innocenz  X.,  der,  als  er  durch  die  Dominicaner  davon 
Kunde  erhielt,  die  Superioren  des  Collegs  absetzte  (Saint- Amour, 
Journal  p.  300.  334.  358).  Ein  spanischer  Dominicaner  beklagte 
sich  1614  bei  Paul  V.,  die  Jesuiten  hätten  die  Inquisition  bestimmt, 
ihm  die  Vertheidigung  der  These :  De  fide  est,  illum  numero  hominem, 
qui  modo  feliciter  gubcrnat  Ecclesiam,  esse  verum  et  summum  Pon- 
tificem (Serry  p.  840),  zu  verbieten.  Diese  These  hatte  1609  zu 
Paris  Fr.  Harlay,  Abl)6   de  Saint  Victor,    vertheidigen   wollen;   sie 


Casaisten  1600-1654.  309 

vrar  aber  von  E.  Richer  gestrichen  worden.  1611  vertheidigte  sie 
dort  ein  Dominicaner  (Perrens  2,  37).  —  Im  Index  hat  diese  Con- 
troverse  keine  ersichtlichen  Spuren  hinterlassen. 


4i.     Casuisten  1600—1654. 

Im  J.  1G02  venlaoiinte  die  Inquisition  unter  dem  Vorsitze 
Clemens'  VIII.  die  Ansicht,  unter  Umständen  könne  brieflich  oder 
durch  einen  Boten  die  Beichte  abgelegt  und  die  Lossprechung 
ertheilt  werden;  —  es  wird  das  erste  Beispiel  sein,  dass  eine 
solche  Entscheidung  der  Inquisition  mit  dem  Anspruch  auf  all- 
gemeine Geltung  publicirt  wurde.  In  Folge  dieses  Decretes  wur- 
den zwei  Bücher  der  Jesuiten  IL  Henriquez  und  Emmanuel  Sa, 
in  denen  man  freilich  auch  andere  Sätze  anstössig  fand,  und 
ein  Buch  von  M.  A.  Vivaldus  mit  d.  c.  verboten  und  wäre  bei- 
nahe auch  einer  der  berühmtesten  Theologen  des  Ordens,  Franz 
Snarez,  in  den  Index  gekommen.  In  den  folgenden  Decennien 
wurde  eine  Reihe  von  casuistischen  Büchern  wegen  laxer  Moral- 
grundsätze theils  unbedingt,  theils  mit  d.  c.  verboten,  mehrere 
von  Jesuiten,  namentlich  von  St.  Bauny  und  Fr.  Amico,  die 
seit  Pascal  zu  den  Hauptvertretern  der  Jesuitenmoral  gezählt  zu 
werden  pflegen,  aber  auch  mehrere  von  Theatinern,  M.  Vidal, 
A.  M.  Verricelli  und  Z.  Pasqualigo,  und  einige  andere. 

1.  In  der  Anklageschrift  des  Dominicaners  Baftez  vom  J.  1597 

(S.  300)    war  neben  den  9  Sätzen    von  Molina    auch  der  Satz    de- 

»uncirt  worden:  es  sei  unter  Umständen  erlaubt,  brieflich  oder  durch 

«inen  Boten    einem    abwesenden  Beichtvater    zu   beichten    und    von 

«lemselben    die  Lossprechung    zu    empfangen    (Schneemann     S.  40). 

J)ie8e  Ansicht  war  u.  a.   von  Fr.  Suarez  und  in  einem  Buche  seines 

Xehrers  Henr.  Henriquez,    Summa  moralis  sacramentorum,    Sala- 

manca  1591  u.  s.,  und  in  einem  Buche  eines  andern  portugiesischen 

•Jesuiten,  Emmanuel  Sa  (f  1596),    Aphorismi  confessariorum,    Ven. 

1595  u.  8.,  auch  Rom  1601,  vorgetragen  worden.  In  einem  Decrete 

ATom  20.  Juni   1602,   —  es  ist  ohne  Zweifel  ein  Donnerstags-Decret, 

—  machte  die  Inquisition  bekannt,  Clemens  VIII.  habe  jene  Ansicht 

als  mindestens    falsch,    temerär  und  scandalös    verdammt   und  ver- 

"boten  ;  wer  dieselbe  lehre,    vertheidige  oder  drucken  lasse  oder  sie 

in  anderer  Absicht   als  um    sie  zu  bestreiten,   erörtere    (disputative 

tractaverit),  oder  sie  direct  oder  indirect  in  Praxis  befolge  (ad  praxim 

deduxerit),    verfalle    der    reservirten    Excommunicatio     latae     sent. 

Demgemäss  wurden  die  beiden  Bücher  von  Henriquez  und  Sa  durch 


310  Casuisteii  1600— IG54. 

ein  Decret  des  Mag.  S.  P.  vom  7.  Aug.  1603  mit  d.  c.  verb.,  uod  die 
Expurgation  des  Buches  von  Sa  bei  Bras.  beginnt  mit  der  Weisung, 
B.  V.  Absolutio  no.  8  den  Satz:  ^^Dass  ein  Abwesender  loBgesprochen 
werden  könne,  wird  von  einigen  behauptet,  von  einigen  bestritten; 
ich  glaube,  dass  es  geschehen  kann,  wenn  ein  Grund  vorhanden  ist** 
u.  s.  w.,  zu  ändern  in:  ,,Die  sacramentale  Lossprechung  kann  in 
keinem  Falle  einem  Abwesenden  ertheilt  werden,  was  auch  immer 
einige  im  entgegengesetzten  Sinne  lehren  mögen  ;  so  hat  Clemens  VIH. 
erklärt**,  und  s.  v.  Confessio  n.  14  für  den  Satz:  „Einige  sagen, 
es  sei  nicht  erlaubt,  einem  Abwesenden  durch  einen  Boten  oder 
schriftlich  zu  beichten ;  ich  stimme  denjenigen  bei,  welche  dieses 
und  auch  die  Lossprechung  durch  einen  Boten  oder  Brief  gestatten," 
zu  substituiren :  „Es  ist  einem  Abwesenden  nicht  gestattet,  durch 
einen  Boten  oder  schriftlich  zu   beichten.** 

Suarez  trug  nun  in  dem  4.  Bande  seines  Commentars  zur 
Pars  3.  des  h.  Thomas  die  Meinung  vor:  wenn  der  Fapst  die  An- 
sicht, es  sei  erlaubt,  einem  Abwesenden  zu  beichten  und  von  ihm 
die  Lossprechung  zu  empfangen,  verdamme,  so  sei  das  „und**  nicht 
divisive,  sondern  complexive  zu  fassen  und  also  nicht  verboten, 
brieflicli  zu  beichten,  um  dann  persönlich  ohne  mündliche  Wieder- 
holung der  Beichte  die  Lossprechung  zu  empfangen,  wie  ja  auch 
ein  Priester  einem  Sterbenden,  der  bewusstlos  sei,  die  Lossprechung 
ertheilen  dürfe,  wenn  ihm  von  anderen  bezeugt  werde,  dass  derselbe 
zu  beichten  verlangt  habe.  Die  Inq.  beschloss  31.  Juli  1603  auf 
Grund  eines  Gutachtens  einer  aus  dem  Commissar,  dem  Mag.  S.  P. 
und  dem  Capuciner-General  bestehenden  Commission:  das  Buch  des 
Suarez  sei  zu  suspendiren,  bis  es  emendirt  sei;  die  Emendation  sei 
der  Inq.  vorzulegen;  die  schon  ausgegebenen  Exemplare  seien  wieder 
einzusammeln;  zugleich  sei  dem  P.  Suarez  zu  verbieten,  theologische 
Bücher  herauszugeben,  ohne  sie  vorher  der  Inq.  zur  Approbation 
vorgelegt  zu  haben;  auch  sei  er  zu  ermahnen,  ut  consulat  conscien- 
tiae  suae  bezüglich  der  in  dem  Decrete  vom  20.  Juni  1602  an- 
gedrohten Excommunication  ;  der  Jesuiten-General  solle  dieses  Decret 
dem  P.  Suarez  persönlich  intimiren  lassen;  ein  Beschluss  darüber, 
ob  derselbe  persönlich  vor  die  Inq.  zu  citiren  sei,  bleibe  vorbe- 
halten. Suarez  kam  Ende  1604  nach  Rom  und  überreichte  dem 
Papste  eine  Vertheidigungssehrift.  Ueber  diese  wurde  unter  Paul  V. 
(Clemens  VIII.  starb  5.  März  1605)  im  Juli  1605  in  Sitzungen 
der  Inq.  verliandelt  und  nochmals  Suarez'  Ansicht  für  unriohtig  er- 
klärt und  ihm  aufgegeben,  sein  Buch  zu  corrigiren  und  vor  dem 
Druck  der  neuen  Auflage  der  Inq.  vorzulegen.  Suarez  wollte  nun 
den  Abschnitt,  der  den  Titel  hatte:  utrum  de  necessitate  confessionis 
sit,  ut  poenitens  sacerdoti  praesenti  immediate  revelet  peocata  sua, 
umarbeiten;  die  Inq.  erklärte  aber  18.  Aug.  1605,  derselbe  sei  ein- 
fach zu  streichen.  —  Die  Inq.  bestätigte  ihre  Entscheidung  noch 
einmal  im  J.  1622  in  einer  Antwort  auf  eine  Anfrage  des  General- 
Inquisitors  von  Portugal.  —  Das  Buch  des  Suarez  ist  nicht,  wie 
die  von  Henriquez  und  Sa  mit  d.  c.  in  den  Index  gesetzt  worden, 
ohne  Zweifel    aus  Rücksicht    gegen   den    um    die  Curie    verdienten 


Briefliche  Beichte.    Fr.  Suarez.  311 

^'erfasser.  Der  Weisung  der  Inq.  entsprechend  legte  aber  Suarez 
leine  späteren  Schriften,  die  Tractate  de  gratia,  de  angelis,  de  opere 
lex  dieram  zur  Approbation  vor;  für  den  Tractat  de  gratia  wurde 
lieselbe  verweigert  (S.  303). 

1658  wurde  verboten:  A.  S.  C.  Dissertatio  pro  Francisco 
)oarez  de  gratia  aegro  oppresso  coUata  per  absolutionem  a  sacerdote 
»raesente  impensam  praevia  peccatorum  expositione  epistolari  (1655 
:n  Lyon  mit  dem  3.  Bande  des  Tractatus  de  gratia  von  Snarez  ge- 
Lruckt).  Der  Verfasser  derselben  ist  der  Jesuit  Theophil  Raynaud 
im  span.  Index  steht  statt  A.  S.  C.  Athanasins  Solerius  Comitanus). 
5r  meint,  nur  das  Decret  vom  J.  1602  sei  eine  päpstliche  Entschei- 
lung  ex  cathedra,  die  späteren  Decrete  seien  einfache  Inquisitions- 
lecrete  und  solche  seien  nicht,  wie  der  Dominicaner  Gravina  per 
^alationem  putentissimam  effutivit,  als  infallibel  anzusehen;  bei  der 
Inslegang  des  Decretes  von  1602  aber  komme  es  nicht  darauf  an, 
ras  die  Dominicaner,  die  es  concipirt,  oder  was  der  Papst  selbst 
lätten  erklären  wollen,  sondern  darauf,  was  der  Wortlaut  besage, 
—  ähnlich  wie  bei  dem  Ausspruche  des  Kaiphas  Job.  18,  14,  — 
ind  mit  diesem  stehe  die  Deutung  des  Suarez  nicht  in  Widerspruch ; 
*aul  V.  habe  als  Cardinal  auf  Suarez'  Seite  gestanden,  aber  als 
^apst  der  Ehre  seines  Vorgängers,  der  ihn  zum  Cardinal  gemacht, 
icht  zu  nahe  treten  wollen  u.  s.  w.  Die  Jesuiten  haben  diese  Ab- 
andlung  nicht  nur  in  dem  20.  Bande  der  Opera  Raynauds  (Apop. 
•.  188)  1669  wieder  abdrucken  lassen;  sie  steht  auch  trotz  des 
ndex  in  der  Gesammtausgabe  der  Werke  des  Suarez  Venedig  1740 
—51 ,  IX,  225  und  in  den  von  dem  Bischof  J.  B.  Malou  von  Brügge 
erauBgegebenen  Fr.  Snaresii  opuscula  sex  inedita,  Brüssel  1859, 
.  164  (hier  ist  auch  p.  1  die  oben  erwähnte  Vertheidigungsschrift 
es  Snarez  abgedruckt  und  ein  zweiter  Tractatus  de  confessione 
eccatorum  ab  ipso  poenitente  facienda  cum  annotationibus  incerti 
actoris  S.  J.).  In  der  Ausgabe  der  Werke  des  Suarez  Paris  1866  iF. 
it  im  22.  Bande  der  Commentar  zum  3.  Theile  des  h.  Thomas  ohne 
ie  von  der  Inq.  verordneten  Streichungen  abgedruckt,  und  stehen 
ach  andere  Sätze,  die  später  verdammt  worden  sind,  ohne  irgend- 
reiche Bemerkung,  z.  B.,  dass  man  dem  Gebote  der  jährlichen 
lommunion  auch  durch  eine  sacrilegische  Communion  genüge,  dass 
in  nicht  approbirter  Priester  von  lässlichen  Sünden  absolviren  könne 
.  dgl.i). 


1)  Die  betreffenden  Decrete  sind  in  einem  Aufsätze  in  den  A.  J.  P. 
,  2181  abfifedr.  Nach  diesem  Aufsatze  sind  die  Darstellungen  bei  Maloii 
.  XIIL,  Werner,  Fr.  Suarez  1,  77,  und  K.-L.  2,  242  zu  berichtigen.  — 
«ine  Schrift  des  Dominicaners  Franc,  de  Avila  Do  coufcssionc  per  literas 
Ive  per  internuncium  wurde  zu  Rom  1599,  Douay  1623  gedruckt.  Die 
lontroverse  wird  auch  in  dem  uugedruckten  Werke  von  Possinus  (S.  307) 
usfahrlich  behandelt.  Der  aus  dem  Galilei'scheu  Processe  bekannte  Do- 
minicaner Lorini  sagte  den  Jesuiten  nach,  sie  ertheilten  den  Florentinischen 
)amen  auf  ihren  Villen  brieflich  die  Absolution  (Schneemann  in  den 
»timmen  aus  Maria-Laach  1878,  119).  In  einem  Mauuscript  im  Müncliener 


312  Casuistcn  1606—1654. 

2.  Von  dem  Buche  des  Martinus  AlphoDSUs  Vivaldus,  Caiio- 
nicuB  regularis  Congr.  D.  Salv.,  geb.  zu  Toledo,  gest.  1605,  Cande- 
labrum  aureum  Ecclesiae  s.  Dei,  in  quo  de  septem  BacramentiB,  cen- 
ßuris  et  irregulär! tat ibus  praecipue  agitur,  bis  15U0  zwölfmal  ge- 
druckt, war  eben  im  J.  1602  (zu  Venedig)  eine  expurgirte  Ausgabe 
erBchienen,  obscbon  von  einem  frühem  Verbote  des  Buches  nicht  die 
Rede  ist.  Bras.  p.  259 — 263  gibt  an,  was  in  der  Ausgabe  Ven. 
1590  und  den  anderen  nach  der  exporgirten  Ausgabe  zu  ändern  sei. 
Die  meisten  Aenderungen  hangen  damit  zusammen,  dass  in  der 
neuen  Ausgabe  die  Bulla  Coenae  nach  der  Fassung  vom  J.  1600 
(von  Clemens  VIII.)  für  die  ältere  Fassung  von  Sixtus  V.  substi- 
tuirt  war.  1603  wurde  das  Buch  mit  d.  c.  verboten  und  es  steht 
noch  jetzt  mit  donec  prodeat  emendatnm  im  Index,  wie  sich  aus 
Bras.  p.  268  ergibt,  lediglich  darum,  weil  auch  in  der  expurgirten 
Ausgabe  von  1602  bei  der  Erörterung  der  Frage,  utrum  lioeat  con- 
literi  sacerdoti  absenti  per  literas  vel  nuncium  ac  ab  eo  absolutio- 
nem  accipere,  die  verneinende  Antwort  als  communis  opinio,  die  be- 
jahende als  verior  bezeichnet  war.  Wahrscheinlich  war  dieselbe 
Ansicht  auch  in  der  gleichzeitig  verbotenen  andern  Schrift  des 
Vivaldus,  Scuola  catholica  niorale,  in  tre  parti  principali  e  dialoghi 
trenta  divisa,  vorgetragen.  —  Liss.  1624  verordnet  bei  mehreren 
Autoreu  (Antoninus,  Petrus  Paludanus,  Sylvester)  an  der  betreffenden 
Stelle  beizuschreiben:  Sententia  de  absolutione  sacramentali  correcta 
est  a  demente  VIII.  Der  span.  Index  befiehlt,  eine  ähnliche  Notiz 
auch  dem  36.  Cap.  der  Biographie  des  Heinrich  Suso  (in  Lauren- 
tius  Surius'  Ausgabe  seiner  Werke,  1616)  beizufügen,  wo  von 
jemand  erzählt  werde,    er  habe  brieflich  gebeichtet. 

Das  Buch  von  Sa,  —  ein  Duodezband,  eine  Moral  in  lexicali- 
scher  Ordnung,  —  wurde  nicht  bloss  wegen  seiner  Lehre  über  die 
briefliche  Beichte  verboten.  In  dem  Decrete  von  1603  heisst  es:  E.  Sa 
Aphorismi  conf.  hactenus  impressi,  etiam  in  Urbe,  nisi  denuo  pro- 
deant  impressi  Romae  de  mandato  Mag.  S.  P.  emendati  et  casti- 
gati,  bei  Alex.:  impressi  ante  a.  1602,  post  autem  tale  tempus  editi 
de  mandato  Mag.  S.  P.  permittuntur,  seit  Ben. :  nisi  fuerint  ex  cor- 
rectis  juxta  editionem  Ronianam  a.  1602.  Die  erste  expurgirte  Aus- 
gabe ist,  wie  der  Wortlaut  des  Decretes  von  1603  zeigt,  nicht  1602 
erschienen,  sondern,  von  Brisighella  als  Mag.  S.  P.  approbirt,  1608. 
Bei  Bras.  steht  p.  347—370  die  Expurgation,  die  über  100  Stellen 
betrifft.  Raynaud  (Erotem.  p.  537)  u.  a.  haben  dem  Expurgator  mit 
Recht  vorgeworfen,  dass  er  zu  weit  gegangen  sei :  er  hat  nicht  nur 


Reichsarchiv  (Jesuit,  in  gen.  fasc.  26,  No.  379)  wird  unter  Propositioncs 
censura  diguae,  quas  publice  docucrunt  quidam  theologi  S.  J.,  auch  der 
Satz  verzcic^hnet:  Confessio  sacramcntalis  facta  per  literas  sacerdoti  ab- 
senti et  similitcr  absolutio  data  per  literas  ab  eodem  sacerdote  absentc 
est  vcre  absolutio  sacramcutalis  et  in  aliquibus  casibus  licitum  est  con- 
fiteri  per  literas  sacerdoti  absenti  et  ab  co  per  literas  absolvi,  und  beige- 
fügt, in  Toledo  habe  der  Jesuit  Joh.  Hieronymus  dieses  gepredigt  und  es 
werde  von  Suarcz  und  vielen  Vertheidigern  Molina's  gelehrt. 


M.  A.  Vivaldus.  E.  Sa.  313 

geändert,  was  nach  den  Grundsätzen  der  Curie  zu  beanstanden  war, 
sondern  das  Buch  nach  seinen  persönlichen  Ansichten  umgearbeitet, 
bei  casuistischen  Controversen  seine  Ansicht  der  von  Sa  substituirt, 
Verweisungen  auf  Autoren  beigefügt  u.  s.  w.  (er  corrigirt  auch  viele 
Druckfehler).  Sand,  hat  die  Expurgation  nicht  aufgenommen;  er  ver- 
ordnet nur,  zwei  Stellen  (über  die  briefliche  Beichte)  zu  streichen, 
und  sagt  dann:  ,  Alia  autem  omittuntur,  quae  neque  ad  Sancti  Off. 
Judicium  spectare  neque  gravem  offensionem  habere  videntur.  Sot. 
bat  Sa  gar  nicht,  und  Liss.  1624  verordnet,  die  Sätze  über  die  brief- 
liche Beichte  und  den  Satz,  quod  extrema  unctio  in  articulo  necessi- 
ratis  conferri  possit  cum  oleo  non  benedicto  per  episcopum,  zu 
streichen,  und  fügt  bei:  Reliqua  quae  cura  Mag.  S.  P.  Aphorismis 
iddita  fuerant  a.  1607,  ad  locupletandum  opus  spectant.  Die  späteren 
Ausgaben  haben  aber  alle  die  von  1608  zur  Grundlage;  es  sind 
hrer  viele,  —  innerhalb  30  Jahre  erschienen  30,  —  da  die  Jesuiten 
5a  zu  ihren  classischen  Moraltheologen  zählen  (Hurter  1,  152).  Nur 
;ine  zu  Ronen  gedruckte  Ausgabe  ist  ein  Abdruck  der  nicht  expur- 
prten.  Das  dortige  Parlament  wollte  1618  einschreiten;  die  Jesuiten 
wandten  sich  aber  an  die  französische  Eegierung  und  erklärten, 
3ie  Ausgabe  sei  ohne  ihre  Mitwirkung  veranstaltet,  worauf  allen 
Druckern  verboten  wurde,  Bücher  von  Jesuiten  ohne  Zustimmung 
hrer  Oberen  zu  drucken  (Prat  3,  776).  Das  Parlament  scheint 
in  dem  Anstoss  genommen  zu  haben,  was  Sa  s.  v.  Tyrannus  lehrt: 
,Wer  ein  rechtmässig  erworbenes  Gebiet  tyrannisch  regiert,  kann 
licht  ohne  ein  öffentliches  Urtheil  entsetzt  werden  (spoliari);  nach 
ler  Fällung  des  Urtheils  kann  aber  jeder  dasselbe  exequiren;  er 
tann  aber  von  dem  Volke,  auch  wenn  dasselbe  ihm  ewigen  Ge- 
lorflam  geschworen,  abgesetzt  werden  (deponi),  wenn  er,  obwohl 
tnnahnt,  sich  nicht  bessern  will.  Denjenigen  aber,  der  in  tyran- 
lischer  Weise  die  Gewalt  usurpirt  (occupantem  tyrannice  pote- 
tatem),  kann  jeder  aus  dem  Volke  tödten,  wenn  es  keine  andere 
Vbhülfe  gibt;  denn  er  ist  ein  öffentlicher  Feind."  Dieser  Passus 
var  aber  von  Bras.  nicht  beanstandet  und  steht  in  den  späteren 
vie  in  den  früheren  Ausgaben;  in  jenen  sind  nur  einige  Autoren, 
lie  dasselbe  lehren,  und  einige,  welche  sagen,  nuUi  ex  populo  Heere 
tiam   tyrannissimum,  ut  ita  dicam.  occidere,  namhaft  gemacht^). 


1)  Ich  habe  zwei  Ausgaben  verglichen:  R.  P.  Emanuelis  Sa,  Doc- 
oris  TheologiS.  J.jAphorisnii  Confossariorum,  ex  variis  doctorum  sontentiis 
ollecti.  Opusculum  theologis,  omnibusque  auimarum  curam  habentibus 
tile  ac  necessarium.  Colon iae,  P.  Aniorfort  1509  (auf  der  letzten  Seite 
ine  Approbation  von  Silv.  Pardo,  Canon,  libr.  consor,  Antw.  1697).  Apho- 
ismi  .  .  .  coUecti.  Auctore  Em.  Sa,  Lusitano,  Doctore  Theol.  S.  J.  Nupcr 
ecurate  expiirgati  a  Rov.  P.  Mag.  S.  P.  Ap.  Indicatis  doctorum  locis  anno- 
atioiiibusque  per  Andr.  Victurelliura  Bass.  Theol.  illustrati  et  aucti.  Per- 
nissu  Bup.  Ed.  ultima  prioribus  correctior.  Col.,  Jo.  Crith  1621  (hinter 
.er  Vorrede  die  Approbation  von  J.  M.  Brasichell.  S.  P.  A.  M.  Die  erste 
'on  Vittorelli  besorgte  Ausgabe  erschien  1612).  Die  zahlreichen  Zusätze 
•"on  Vittorelli  sind  mit  *  bezeichnet. 


314  Casuisteii  1600—1654. 

Von  dem  Buche  des  H.  Henriquez,  geb.  zu  Oporto  1536,  f 
zu  Tivoli  1608,  Summae  theologiae  moralis  libri  15,  in  quibus  non 
Racramentorum  solum  .  .  .  sed  etiam  indulgentiarum,  censuramm 
eccl.  .  .  .  doctrina  omnis  dilucide  explicatur,  erschien  der  1.  Band 
Salam.  1591,  der  2.  1593  (das  ganze  Werk  Yen.  1596.  1600,  Fol., 
u.  8.),  obschon  die  Ordensoberen  die  Approbation  verweigerten,  mit 
Genehmigung  der  Inquisition.  Henriquez  war  auch  an  der  Aufleh- 
nung spanischer  Jesuiten  gegen  den  General  Aquaviva  betheiligt, 
trat  aus  dem  Jesuitenorden  aus  (er  war  auch  ein  Gegner  Molina's) 
und  wurde  1594  Dominicaner,  später  wieder  Jesuit  (Hurter  1,  413. 
Cr6t.-Joly  3,  7.  Sainjore  4,  30).  —  Bei  Sot.  wird  in  seiner  Summa 
nur  ein  Wort  gestrichen,  virgo  in  dem  Satze :  Henoch  virgo  translatus 
est  in  paradisum.  In  Rom  wird  man  aber  ausser  der  Ansicht  von 
der  brieflichen  Beichte  auch  die  Stellen  beanstandet  haben,  an  welchen 
Henriquez  im  Sinne  der  spanischen  Regalisten  spricht.  Im  Liss. 
1624  wird  eine  Reihe  von  Stellen  gestrichen  und  dann  bemerkt, 
die  Summa  sei  an  den  Stellen,  wo  von  der  kirchlichen  Jurisdiction 
die  Rede  sei,  caute  et  cum  judicio  zu  lesen.  Machado  2,  452  und 
V.  de  la  Fuente  5,  442  berichten,  wie  Clement  9,  405,  Henriquez 
habe  zu  Gunsten  der  recursos  de  fuerza  einen  Tractat  de  clavibus 
Rom.  Pontificis  geschrieben,  dieser  sei  in  Rom  denuncirt  und  auf 
Betreiben  des  Nuncius  die  ganze  Auflage  verbrannt  worden,  so  dass 
nur  noch  3  oder  4  Exemplare,  eins  im  Escurial,  existirten.  Ale- 
gambe und  Sotwell  erwähnen  keine  Separatausgabe  dieses  Tractats 
und  kennen  ihn  nur  als  Bestandtheil  des  1.  Bandes  der  Summa. 
Vielleicht  ist  er  zuerst  allein,  dann  corrigirt  in  der  Summa  er- 
schienen. —  Auch  bei  Sa  findet  sich  übrigens  ein  regalistischer 
Satz:  wo  er  von  der  Excommunication  spricht,  welche  die  Bulla  Coenae 
über  diejenigen  verhängt,  qui  cursum  literarum  apostolicarnm  lai- 
cali  auctoritate  impediunt  (s.  v.  Excommunicatio  n.  16),  sagt  er: 
Non  est  autem  impedire  velle  prius  examinari  et  se  de  eo  consuli, 
ut  flt  a  Rege  Hispaniae.  Denique  facientes  contra  Papae  literas  aut 
praecepta  justa  de  causa  aut  necessitate,  non  incidunt.  Beide  Sätze 
sind  in  den  expurgirten  Ausgaben  weggelassen,  obschon  der  erste 
bei  Bras.  nicht  gestrichen  wird. 

3.  1605  wurde  verb.  Joannis  Maldonati  Summula  oasuum 
conscientiae  cuilibet  sacerdoti  confessiones  poenitentinm  andienti 
sei  tu  perutilis,  collecta  per  Fr.  Martinum  Codognat  Minimum,  1604, 
nach  Prat,  Maldonat  p.  513  eine  schlechte  Compilation  ans  Maldo- 
nats  Werken.  In  dem  Decrete  No.  5  heisst  es:  Jo.  Maldonato  falso 
adscripta,  seit  Ben.  (unter  Codognat):  quae  tamen  falso  Jo.  Maldonato 
tribuitur.  Der  Carmeliter  Jacques  Jaquet  gab  eine  französische  Ueber- 
setzung  davon  heraus,  Paris  1604.  1614.  —  Sot.  verbietet  nicht 
die  Summula,  aber  Disputationum  et  controversiarum  decisarum  . . . 
circa  Septem  sacramenta  .  .  tomi  duo,  Lugd.  1614,  und  fügt,  wie 
Liss.  1624,  bei:  Jo.  Maldonato  liber  falso  adscriptus,  ementito  im- 
pressionis  loco  Lugdunum  pro  Francofurto,  impressoris  nomine  sup- 
presso.  Auch  Alegambe  sagt:  Nee  illius  nee  uUius  de  Societate 
sunt  et  suos  etiam  errores  continent.     Es  ist   ein  allerdings  fehler- 


B.  Hcnriquez.  J   Maldonatus.    St.  Bauny  u.  a.  816 

ter  Abdruck  von  Vorlesungen,  die  Maldonat  zu  Paris  gehalten 
l  die  besser  in  den  Opera  varia  theologica  tribus  tomis  comprehensa, 
•.  1677,  Fol.,  abgedruckt  sind.  Diese  Opera  sind  nicht  von  den 
niten  herausgegeben  worden,  die  vielmehr  die  Herausgabe  zu 
iertreiben  suchten  (Valery  p.  299),  sondern  von  den  Pariser  Theo- 
en  Dubois  und  Faure,  welche  das  Werk  dem  Erzbischof  Le 
Her  von  Reims,  einem  Gegner  der  Jesuiten,  widmeten.  (Prat, 
Idonat  p.  506.) 

In  den  nächsten  Jahren  wurden  mit  d.  c.  verb.  casuistische 
»rke  von  dem  Observanten  Nicodemo  daFirenze  und  von  Garolus 
Baucio  (del  Balzo,  Priester  zu  Capua;  Mazzuch.  s.  v.),  unbe- 
gt  eins  von  dem  Priester  Pellegrinus  Polletta  de  Cisono  Vallis 
reni,  am  26.  Oct.  1640  drei  Bücher  des  Jesuiten  Stephan  Bauny 
1649) :  Theologia  moralis,  —  sie  erschien  in  4  Foliobänden  Paris 
tO — 47;  das  Verbot  bezieht  sich  also  zunächst  auf  den  1.  Band, 
[eher  de  sacramentis  et  personis  sacris  handelt,  —  Somme  des 
hes,  qui  se  commettent  en  tous  ^tats,  de  leurs  conditions  et 
klit^s,  en  quelles  occurrences  ils  sont  mortels  ou  veniels,  et  en 
die  fa^on  le  confesseur  doit  interroger  son  p^nitent,  Par.  1630, 
üd.  1638  (1639  erschien  auch  Extrait  d'un  livre  intitul6  Somme 
,  der  nicht  verb.  ist),  —  Pratique  du  droit  canonique  au  gou- 
nement  de  TFglise,  correction  des  moeurs  et  distribution  des  be- 
loes,  le  tout  au  style  et  usage  de  France,  avec  la  d^cision  des 
acipales  questions  sur  les  matiSres  ben^ficiales,  qui  se  traitent 
18  les  cours  du  royaume,  Pans  1633,  5.  £d.  1640  (wohl  als  gal- 
misch  verb.).  Von  dem  zweiten  Buche  erschien  1643  eine  Ed.  6., 
I  dem  dritten  eine  nouvelle  ed.  1644.  —  lieber  die  Somme 
rde  seit  dem  5.  Nov.  1640,  —  also  nach  dem  Römischen  Ver- 
e,  aber  ohne  Berücksichtigung  desselben,  —  auch  in  der  Sor- 
me  verhandelt.  Sechs  Doctoren  wurden  mit  der  Prüfung  des- 
sen beauftragt;  diese  theilten  ihre  Ausstellungen  Bauny  mit;  er 
läxte  darauf,  was  er  über  den  Wucher  geschrieben,  würde  er 
it  nicht  mehr  schreiben,  die  anderen  Punkte  könne  er  nicht  als 
TÜndet  anerkennen.  Die  Commission  legte  darauf  1.  Juli  1641 
laxe  Moralsätze  zur  Censurirung  vor  (Arg.  III  a  28).  Die  Pu- 
$ation  einer  Censur  der  Sorbonne  wurde  durch  den  Cardinal 
helieu  als  Kanzler  verhindert  (1644  erschien  eine  Schrift  gegen 
1  Bericht  der  Commission,  worin  angedeutet  wurde,  das  Buch  sei 
I  der  Sorbonne  approbirt,  Arg.  III  a  35).  Dagegen  veröffentlichte 

Assembl^e  du  Clergä  in  Nantes  12.  April  1641  eine  scharfe 
isur.  —  Bauny  ist  einer  der  Autoren,  welche  Pascal,  Amauld 
L  anderen  das  meiste  Material  für  ihre  Darstellung  der  Jesuiten- 
ral  geliefert    haben ;      Pascal  wendet  mit  Franz  Hallier  auf    ihn 

Worte    an  Ecce  qui  tollit  peccata  mundi.    Hurter  1,  901  feiert 

als  vir  antiquae  probitatis  et  singularis  circa  qnaestiones  omnes 

conscientia  eruditionis. 

Am  18.  Juni  1651  wurde  mit  d.  c.  verb.  Cursus  theologici 
:ta  scholasticam  hujus  temporis  Soc.  Jesu  methodum  tomus  5.  de 
e  et  justitia,    authore    R.  P.    Francisco    Amico   Consentino.    Fr. 


316  CaBuisten  1600—1664. 

Amicus  (Amico  aus  Coflcnza)  war  Jesuit  und  war  31.  Jan.  1651 
zu  Graz  gestorben;  Hurter  1,  709  nennt  ihn  einen  Mann  von  gründ- 
licher und  ausgebreiteter  Gelehrsamkeit  und  einer  durch  Klugheit 
temperirten  evangelischen  £infalt,  von  dem  man  glaube,  dass  er  die 
Taufunschuld,  die  er  in  die  Gesellschaft  Jesu  mitgebracht,  auch  in 
den  Himmel  mitgenommen.  Der  5.  Band  seines  9  Folianten  um- 
fassenden Cursus  theologicus  war  1640  zu  Douay  erschienen.  Saint- 
Amour,  der  1651  in  Rom  war,  erzählt  in  seinem  Journal  p.  98: 
der  Secretär  des  Index  habe  ein  Verzeichniss  verbotener  Bücher 
zwei  Monate  in  Händen  gehabt;  die  Publication  desselben  sei  durch 
die  Bemühungen  der  Jesuiten,  das  Verbot  des  Buches  von  Amicus 
rückgängig  zu  machen,  verzögert  worden  ;  sie  hätten  aber  nur  er- 
reicht, dass  er  nicht  als  Jesuit  bezeichnet  und  dass  dem  Verbote 
d.  c.  beigefügt  worden  sei.  In  dem  Bande  sagt  Amicus  n.  a.  (Disp. 
36,  8.  7,  n.  118):  ,.Es  ist  einem  Geistlichen  oder  Ordensmann  er- 
laubt, einen  Verleumder,  welcher  schwere  Beschuldigungen  gegen 
ihn  oder  gegen  seinen  Orden  auszustreuen  droht,  zu  tödten,  wenn 
ihm  kein  anderes  Mittel  der  Vertheidigung  zu  Gebote  steht,  wie 
ihm  denn  ein  anderes  Mittel  nicht  zu  Gebote  zu  stehen  scheint, 
wenn  der  Verleumder  entschlossen  ist,  öffentlich  und  vor  ange- 
sehenen Leuten  die  besagten  Beschuldigungen  vorzubringen,  falle  er 
nicht  getödtet  wird.  .  .  .  Weil  ich  aber  dieses  bei  anderen  Autoren 
nicht  finde,  will  ich  es  nicht  im  Gegensatze  zu  der  gewöhnlichen 
Ansicht  behaupten,  sondern  nur  disputandi  gratia  vortragen  und  dem 
verständigen  Leser  das  ürtheil  überlassen.**  Als  das  Buch  1549 
zu  Antwerpen  neu  gedruckt  werden  sollte,  hatte  Amicus  im  Re- 
gister beigefügt,  er  habe  seitdem  diese  Ansicht  auch  bei  Petrus  Na- 
varrus  und  Sayrus  gefunden.  Der  Conseil  de  Brabant  verweigerte 
aber,  nachdem  er  durch  den  Erzbischof  von  Mecheln  die  Löwener 
theologische  Facult&t  hatte  befragen  lassen,  die  DruckerlaubniAs, 
wenn  nicht  der  Passus  gestrichen  werde.  Die  Jesuiten,  welche  die 
Herausgabe  besorgten,  legten  eine  andere  Fassung  der  Stelle  vor, 
die  aber  dasselbe  besagte,  mussten  sich  indess  dazu  verstehen,  die- 
selbe wirklich  wegzulassen,  desgleichen  die  Sätze  (1.  c.  n.  130): 
„Es  ist  nicht  nur  erlaubt,  das  zu  vertheidigen,  was  man  wirklich 
besitzt,  sondern  auch  das,  worauf  man  ein  angefangenes  Recht  hat 
und  was  man  in  Besitz  zu  bekommen  hofft.  Darum  wird  es  einem 
Erben  oder  Legaten  gestattet  sein,  sich  gegen  denjenigen  zu  ver- 
theidigen, der  ungerechter  Weise  den  Antritt  der  Erbschaft  oder 
die  Auszahlung  der  Legate  hindert.  Dasselbe  ist  demjenigen,  der 
ein  Recht  auf  einen  Lehrstuhl  oder  auf  eine  Pfründe  hat,  gegen  den- 
jenigen gestattet,  der  die  Erlangung  derselben  hindert."  (Nach  dem 
Zusammenhange  meint  Amicus,  es  dürfe  auch  in  diesen  Fällen  bei 
der  Vertheidigung  eventuell  ,.bis  zur  Tödtung  des  Gegners  vorge- 
gangen werden").  Amicus  Hess  nun  andere  Moralisten  um  ein  Gut- 
achten über  seine  Ansicht  bitten  und  fand  wenigstens  bei  einem, 
der  kein  Jesuit  war,  dem  noch  zu  erwähnenden  Caramuel,  Zustim- 
mung. „Auch  andere  Theologen,  schrieb  derselbe,  lehren  wie  Amicus, 
und  es  gibt  keinen  Theologen,    der    ihm  ausdrücklich  widerspricht; 


Fr.  Amicus.  Fr.  Pellizarius  u.  a.  817 

eJso  ist  seine  Ausicht  moralisch  sicher,  die  entgegengesetzte  un- 
wahrscheinlich. Denn  wenn  über  einen  bestimmten  Punkt  nur  ein 
einziger  gewichtiger  Schriftsteller  handelt,  so  ist  dessen  Entschei- 
dung moralisch  sicher;  wird  der  Punkt  dann  auch  von  anderen  ge- 
wichtigen Schriftstellern  behandelt  und  der  erste  direct  bekämpft, 
so  hört  dessen  Ansicht  auf,  gewiss  zu  sein,  und  wird  probabeler, 
gleich  probabel  oder  weniger  probabel,  je  nachdem  der  Gegner 
weniger  oder  mehr  sind ;  unwahrscheinlich  wird  sie  erst,  wenn  sie 
von  allen  verworfen  wird.  .  .  Du  hast  diese  Lehre  gelesen  und 
fragst :  ob  ein  Ordensmann,  der  sich  mit  einem  gemeinen  Weibe 
vergangen,  welches,  da  es  sich  zur  Ehre  anrechnet,  dass  es  sich 
einem  solchen  Manne  preisgegeben,  die  Sache  erzählt  und  ihn  in 
Übeln  Ruf  bringt,  dasselbe  tödten  könne?  Was  weiss  ich?  Aber  ich 
habe  von  dem  P.  N.,  Doctor  der  Theologie,  einem  geistvollen  und 
gelehrten  Manne,  gehört:  ,Amicus  hätte  diese  Entscheidung  weg- 
lassen können;  da  sie  aber  einmal  gedruckt  ist,  muss  er  sie  auf- 
recht halten  und  wir  sie  vertheidigen"  (Wendrock  p.  379).  Die 
oben  mitgetheilten  Sätze  von  Amicus  wurden  1654  nehst  anderen 
von  Jesuiten  vorgetragenen  Sätzen  nach  Rom  gesandt  (s.  u.  §  54). 
Am  6.  Juli  1655  publicirte  darauf  der  Secretär  der  Index-Congr. 
ein  Decret  des  Inhalts:  die  Cardinäle  der  Congregation  hätten,  um 
die  Correction  des  Buches  von  Amicus  zu  vollenden,  nach  Anhörung 
der  Referenten  befohlen,  der  letzte  Theil  von  Disp.  36  s.  7,  wo  de 
damno  injuste  illato  in  bona  corporis  ejusque  compensatione  ge- 
handelt werde  (folgt  genaue  Angabe  der  oben  angeführten  ersten 
Stelle)  sei  in  neuen  Ausgaben  wegzulassen,  in  den  gedruckten  Exem- 
plaren auszustreichen.  Dieser  erste  Satz  befindet  sich  auch  unter 
den  von  Alexander  VII.  24.  Sept.  1665  (No.  17),  die  beiden  anderen 
unter  den  von  Innocenz  XI.  2.  März  1679  (No.  32.  33)  ver- 
dammten Sätzen^). 

4.  Gleichzeitig  mit  dem  Buche  von  Amicus  (1651)  wurde 
verb.  Franc.  Pellizarii  Manuale  regularium.  Tom.  I.  et  II.  (Ven. 
1647.  48).  Dass  der  Verfasser  Jesuit  war  (f  1651),  wird  auch  hier 
nicht  gesagt.  Das  Buch  wurde  unbedingt  verb.;  es  erschien  aber 
1653  zu  Lyon  eine  Ed.  2.  ah  ipsomet  authore  recognita  .  .  .  ac 
expurgata  ab  erroribus  in  priori  ed.  Veneta  commissis.  Sein  Trac- 
tatus  de  monialibus,  in  quo  resolvuntur  quaestiones  morales  ad 
illarnm  statum  pertinentes,  Bononiae  1644  u.  s.,  wurde  erst  1693 
mit  d.  c.  verb.  und.  1725 :  Excerpta  omnia  ex  tract.  de  mon.,  etiam 
italica  lingua.  Eine  expurgirte  Ausgabe,  Tract.  de  mon.  ...  Ed. 
novissima  aucta  et  correcta  juxta  animadversiones  S.  Congr.  Ind.  a 
Jo.  Franc.  Montano  ejusd.  Soc.  Theol.,  Rom  1755  u.  s.,  wurde  frei- 
gegeben (Storia  lett.  13,  337);  es  ist  darin  corrigirt  ce  qu'  avaient 
de  trop  reläche  certains  maximes  eparses  dans  ce  livre  (Backer).  — 


1)  üebcr  den  Versuch  des  Jesuiten  R.  Bauer  (K.-L.  1,  741;  2,  G31), 
Amicus  und  Bauny  rein  zu  waschen,  s.  Deutscher  Merkur  1882,  821.  329. 
Den  Amicus  sucht  auch  Stubrockius  p.  195  zu  entschuldigen. 


818  Casuisien  1600—1654. 

1646  wurde  mit  d.  c.  verb.:  Jo.  Sanchez  (spanischer  Weltgeist- 
liober)  Selectae  et  practicae  disputationes  de  rebus  in  administra- 
tione  sacramentorum,  praesertim  eucbaristiae  et  poenitentiae,  passim 
ocourrentibns,  1624  und  1636,  Fol.  Diana  bezeichnet  das  Bach  als 
immortalitate  dignissimnm ;  Hurter  1,  414  sagt  aber,  der  Yerfieisser 
sei  nimis  benignus  und  von  ihm  sei  der  von  Innocenz  XI.  1679 
(No.  4)  verdammte  Satz:  Ab  infidelitate  excusabitur  infidelis  non 
credens  ductus  opinione  minus  probabili. 

1654  wurden  drei  probabilistische  casuistische  Bächer  von 
Theatinern  verb.:  Marci  Vi  dal  Area  vitalis,  in  qua  pretiosiores 
theologiae  moralis  margaritae  ex  vastissimo  tum  theologomm  tum 
canonistarum  oceano  diligenter  collectae  recluduntur,  seu  Inquisi- 
tiones  theologicae  morales  casuum  conscientiae,  Yen.  1650,  Fol.  Eine 
neue  Bearbeitung,  die  dem  Card.  Scipio  Delci  gewidmet  ist,  Area 
salutaris  consultus  utriusque  juris  includens^  in  qua  humani  generis 
spes  naufraga  ad  salutis  portum  perducitur  s.  Inq.  mor.  cas.  consc, 
Ven.  1660,  Fol.,  wurde  16«1  mit  d.  c.  verb.  (Vezzosi  2,  477). 
Albit.  p.  464  erwähnt  als  einen  Irrthum  Vidals  den  Satz:  emitten- 
tes  Vota  biennii  in  Societate  Jesu  esse  religiosos  ex  privilegio,  da 
doch  Gregor  XIII.  in  einer  Bulle  erklärt  habe,  sie  seien  vere  et 
proprie  religiosi^).  —  Quaestiones  morales  et  legales,  auth.  Angelo 
Maria  Verricelli,  Ven.  1653,  Fol.;  bei  ihm  findet  sich  der  Satz: 
Puto  posse  me  operari  secundum  opinionem  cujusvis  recentioris  con- 
tra communem  et  contra  propriam  opinionem,  quamvis  judicem  illam 
esse  falsam  ex  principiis  intrinsecis  (Concina,  Apparatus  2,  449).  — 
Sacra  moralis  doctrina  de  statu  snpernaturali  humanae  naturae.  .  . 
ad  scholasticae  lecturae  methodum  deducta  a  Zacharia  Pasqual igo 
Veronensi,  Yen.  1650,  Fol.  Pasqualigo  war  15  Jahre  Professor  in 
Rom  und  fungirte  in  dem  Gralilei'schen  Process  als  Qualificator 
(Keusch,  Galilei  S.  275);  sein  Bach  ist  einem  der  Cardinäle  der 
Inquisition,  Marzio  Ginetti,  dedicirt.  Das  Verbot  scheint  von  der 
Inquisition  ausgegangen  zu  sein;  denn  diese  erklärte  29.  März  1656 
(Alex.  No.  54):  da  Pasqualigo  sein  Buch  in  der  von  den  Qaalifi- 
catoren  angegebenen  Weise  corrigirt  habe,  dürfe  es  neu  gedruckt 
werden.  Die  gleichzeitig  erschienene  Sacra  speculativa  doctrina  de 
Deo  ceterisque  divinitus  revelatis  ex  theologicis  principiis  ad  schol. 
lect.  meth.  ded.  ist  nicht  verboten,  scheint  aber  auch  bei  der  Inq. 
in  Untersuchung  gewesen  zu  sein:  in  der  Barberinischen  Bibliothek 
befinden  sich  Censuren  über  Propositiones  ex  theologia  speculativa 
P.  Zach.  Pasqualigi,  von  denen  einige  von  dem  Consultor  und  dem 
Commissar  der  Inq.  als  haeresim  sapientes  qualificirt  werden  (Berti, 
II  processo  originale  di  G.  Galilei,  p.  CXXXIV).  1684  wurde  aber 
der  schon  1641   zu  Verona  erschienene  Folioband:    Decisiones  mo- 


1)  Ueber  die  Gelübde  der  Jesuiten  wurde  vielfach  gestritten.  Schnee- 
mann, Entw.  S.  136.  139.  —  Auszüge  aus  einem  andern  Buche  von  Verri- 
celli, Tract.  de  apostolicis  missionibus,  Ven.  1656,  Fol.,  bei  Dorotheus 
Ascianus  p.  508. 


Paul  V.  und  Venedig.  819 

rales  juxta  principia  theologica  et  sacras  atque  civiles  legee,  mit 
d.  c.  verb.  ^). 

Die  von  dem  Dominicaner  Vincentius  Candidas  herausgegebene 
Casuistik,  Xllustriorum  disquisitionum  torai  quatuor,  Kom  1637  und 
1643,  seinem  Jugendfreunde,  dem  Card.  Pamfili  gewidmet,  wurde 
auch  wegen  laxer  Moralgrundsätze  angegriffen  und  von  dem  Ordens- 
general missbilligt,  kam  aber  nicht  in  den  Index.  Candidus  wurde 
sogar,  als  Cardinal  Pamfili  als  Innocenz  X.  Papst  geworden,  1645 
Magister  S.  Pal.  (Catalani,  De  Mag.  S.  P.  p.  173). 

Im  spanischen  Index  steht  keiner  dieser  1605—55  in  Kom 
verbotenen  Moralisten;  nur  in  dem  Tract.  de  mon.  von  Pellizarius 
wird  eine  Stelle  geändert. 


42.     Der  Streit  zwischen  Paul  Y.   und  der  Repnblilc 

Venedig,  1606.  P.  Sarpi. 

Mehr  als  die  Controverse  de  aaxiliis  beschäftigte  Paul  V. 
im  Anfange  seiner  Regierung  ein  Streit  mit  der  Republik  Venedig. 
Der  dortige  Senat   hatte  1603  und   1605    durch    Gesetze   den 
Bau  neuer  Kirchen,  Klöster  und  Hospitäler  von  seiner  Genehmi- 
gung abhängig   gemacht    und  den  Verkauf  und  das  Schenken 
TOD  Liegenschaften   an  geistliche   Corporationen   verboten   und 
zwei  Geistliche   wegen  gemeiner  Verbrechen  vor  das  weltliche 
<jericht   stellen   lassen.    In   zwei   an    den  Dogen   und  an  den 
Senat  gerichteten  Breven  vom  10.  Dec.  1605  erklärte  Paul  V. 
Jene  Gesetze  für  ungültig   und  forderte   die  Auslieferung   der 
beiden  geistlichen  Verbrecher  an  den  Nuncius.    Da  die  Vene- 
tianer  nicht  gehorchten,  verhängte  der  Papst  in  einem  an  die 
Tenetianische  Geistlichkeit  gerichteten  Monitorium  vom  17.  Apr. 
1606  über   den  Dogen    und   den  Senat  die  Excommunication, 
ttber  das  Gebiet  der  Republik  das  Interdict,  falls  nicht  binnen 
24  Tagen  nach  der  Publication  des  Monitoriums   seine  Forde- 
Yangen  bewilligt  würden.    Der  Doge  Leonardo  Donato  verbot 
4ie  Publication  des  päpstlichen  Erlasses.    Die  Jesuiten,  .Capu- 
einer  und  Theatiner,  die  einzigen  Geistlichen,  welche  das  Inter- 


1)  Laxe  Moralsätze  von  Pasqualigo,    Vidal  und  Jo.  Sanchez  s.  bei 
Concina,  Storia  del  Probab.  1,  242;  2,  380.  389.  393. 


320  Paul  V.  und  Venedig. 

dict  beobachteten,  wurden  14.  Juni  1606  ausgewiesen.  Der 
Papst  wollte  nun  die  Venetianer  mit  Krieg  überziehen;  aber 
nach  einem  Jahre  kam  durch  den  französischen  Gesandten  und 
den  Cardinal  Joyeuse  ein  Ausgleich  zu  Stande:  die  beiden 
Geistlichen  wurden  dem  französischen  Gesandten  ausgeliefert 
mit  der  Erklärung,  die  Republik  wahre  sich  das  Recht,  Ter- 
brecherische  Geistliche  zu  strafen;  die  Gesetze  wurden  nicht 
aufgehoben,  aber  die  Venetianer  versprachen,  sich  mit  gewohnter 
Frömmigkeit  zu  betragen;  der  Senat  widerrief  seine  Manifeste 
gegen  die  Censuren,  der  französische  Gesandte  suchte  in  Rom 
deren  Zurücknahme  nach  und  Card.  Joyeuse  erklärte  21.  April 
1607  in  Venedig  im  Namen  des  Papstes,  dieser  nehme  alle 
gegen  die  Republik  ergriffenen  Massregeln  zurück.  Die  Rück- 
berufung der  Jesuiten  lehnten  die  Venetianer  ab;  sie  kehrten 
erst  1057  zurück.  —  Im  J.  1606  wurden  einige  zur  Vertheidi- 
gung  der  Republik  veröffentlichte  Schriften  und  gleichzeitig  alle 
ähnlichen  bereits  erschienenen  oder  noch  zu  veröffentlichenden 
Schriften  über  das  Interdict  von  der  Inquisition  verboten.  Seit 
Alexander  VII.  stand  dann  das  allgemeine.  Verbot  der  Libri 
de  censura  et  interdicto  Pauli  V.  in  Rempublicam  Venetam  im 
Index  (vorher  schon  in  dem  Elenchus,  S.  24).  Benedict  XIV. 
hat  es  gestrichen.  —  Nebenbei  ist  zu  erwähnen,  dass  während 
des  Streites  Franz  Suarez,  etwas  später  auch  Thomas  Sanchez, 
also  zwei  der  berühmtesten  Jesuiten,  in  den  Index  gekommen 
sind,  freilich  nur  in  der  Weise,  dass  die  Ausgaben  von  Werken 
derselben ,  in  welchen  Venetianische  Drucker  curialistische 
Stellen  weggelassen  hatten,  verboten  wurden. 

Der  bedeutendste  literarische  Vertheidiger  Venedigs  war 
bekanntlich  der  Servit  Paolo  Sarpi  (1552—1623).  Er  wnrde 
1606  von  der  Inquisition  nach  Rom  citirt,  leistete  aber  natürlich 
keine  Folge  und  protestirte  25.  Nov.  fiJrmlich  gegen  die  Vor- 
ladung^). Seine  Geschichte  des  Trienter  Concils  wurde  gleich 
nach  dem  Erscheinen,  1619,  verboten,  später  auch  noch  einige 
andere    Schriften,   auch  sein  Epitaphium  und  mehrere  Biogra- 


1)  Nach  dem  Ausgleich  machte  sich  Paul  V.  Hoffnung,  man  werde 
Sarpi  und  die  anderen  Theologen  an  die  Inquisition  ausliefern.  Ranke, 
Päpste  3  (WW.  39),  102.* 


Paul  V.   und  Venedig.  821 

een  und  Vertheidigangen  Sarpi's.  Aber  merkwürdiger  Weise 
d  von  diesem  der  Curie  so  verhasstcn  Schriftsteller  nicht,  wie 
i  vielen  weniger  bedeutenden,  sämmtliche  Schriften  verboten, 
ht  einmal  die  Gesammtausgaben  seiner  Werke.  1656  er- 
ien  die  officiöse  Geschichte  des  Trienter  Coucils  von  Palla- 
ini.  Mehrere  gegen  dieselbe  gerichtete  Schriften  stehen  im 
lex,  auch  einige,  verhältnissm'ässig  wenige,  ältere  und  spätere 
icurialistische  Schriften  über  das  Concil. 

1.  Durch  ein  am  27.  Juni  1606  publicirtes  Edict  wurden 
ge  auf  das  Interdict  bezügliche  libelli  et  scripturae,  als  viele 
3.  temeräre,  .  .  .  schismatische,  irrige  und  ketzerische  Dinge  ent- 
kend,  ausdrücklich  verb.  und  zugleich  alle  anderen  ähnlichen  ge- 
ckten  und  handschriftlichen  Schriften.  Dieses  Edict  steht  nicht  bei 
X.,  wird  aber  in  einem  Edicte  der  Inquisition  vom  20.  Sept.  1606 
►.  7)  erwähnt,  worin  nach  Hinweisung  auf  das  allgemeine  Ver- 
zur  grössern  Sicherheit  vier  Schriften  mit  derselben  Qualifica- 
i  ausdrücklich  und  zugleich  nochmals  alle  ähnlichen  gedruckten 
r  zu  druckenden,  geschriebenen  oder  zu  schreibenden  Schriften 
r  das  Interdict  unter  Androhung  der  reservirten  Excommunica- 
latae  sent.  verb.  werden,  nämlich  zwei  von  Sarpi  mit  seinem 
nen  veröffentlichte:  Considerationi  sopra  le  censure  della  Santitä 
*apa  Paolo  V.  contra  la  Serenissima  Republica  di  Venetia,  del  P. 
Paolo  da  Venetia  dell'  Ordine  de'  Servi,  und  Apologia  per  le 
ositioni  fatte  dall'  III.  &  Rev.  Sig.  Card.  Bellarmino  alli  trattati 
esolutioni  di  Giov.  Gersone  sopra  la  validita  delle  scommuniche 
e  Vertheidigung  des  gleich  zu  erwähnenden  Trattato),  —  ferner: 
so  delle  ragioni  della  Ser.  Republica  di  Venetia  intorno  alle 
LCultA  che  le  sono  promosse  dalla  Santita  di  Paolo  V.,  di  Anto- 
Quirino  Senatore  Veneto  alla  sua  patria  et  a  tutto  lo  stato 
a  medesima  Republica  (56  S.  4.),  und  der  von  Sarpi  verfasste 
kttato  deir  interdetto  della  Santita  di  Papa  Paolo  V.,  nel  quäle 
emostra,  che  egli  non  e  legitimameute  publicato  e  che  per  molte 
oni  non  sono  obligati  gli  eccleeiastici  all'  essecutione  di  esso  ne 
lono  senza  peccato  osservarlo:  composto  dalli  sottoscritti  Theo- 
,  Pietro  Antonio  [Ribetti]  Archidiacono  e  Vicario  Generale  di 
lezia,  Fr.  Paolo  [Sarpi]  deir  Ordine  de'  Servi,  Theologo  della 
.  Rcpubl.  di  Venotia,  Fr.  Bernardo  Giordano  Minore  Osservante 
ologo,  Fr.  Michel  Angelo  [Bonicellil  Min.  Oss.  Theol.,  Fr.  Marc' 
onio  Capello  Min.  Conventuale  Theol.,  Fr.  Camillo  Agostiniano 
oL,  Fr.  Fulgenzio  [Micanzio]  deir  Ord.  de'  Servi  Theol.  — 
serdem  wurde  speciell  nur  noch  1609  (Alex.  No.  9)  verb.  The- 
rus  juris  executivi  etc.  in  quo  continetur  Rutgerii  Rundlant  de 
)catione  utriusque  brachii  causac  prjiesenti  Venetae  accommodatus, 
resBus  Francf.  1606.  Seit  Ben.  ist  dafür  gesetzt:  Rulandt, 
ger,  TractatuR  .  .  .  accommodatus,  qui  habetur  initio  (jetzt  ini- 
u!)  Thesauri  executivi  ecclcsiastici,  criminalis  et  civilis.  In  diesem 

ReuBcb.  Iudex    II.  21 


322  Paul  V.  und  Venedig. 

Thesaurus    stehen   nämlich   hinter    dem  Tractate   von  Rnlandt  noch 
drei  andere. 

Also  nur  ein  minimaler  Theil  der  damals  erschienenen  Streit- 
schriften wurde  speciell  verb.  UEstoile  (Mim.  15,  427)  berichtet 
im  J.  1607 :  eine  eben  in  Chur  erschienene  Sammlung  enthalte  17 
Tractate  pro  et  contra;  das  sei  etwa  der  10.  Theil  der  erschienenen; 
er  besitze  53^).  Brosch,  Gesch.  des  K.-St.  1,  351  bemerkt:  „Auch 
wer  von  dem  Meritorischen  der  Frage  absieht,  ja  für  Paul  V.  Partei 
ergreift,  wird  sich  nicht  verhehlen  können,  dass  die  von  papalistischer 
Seite  ausgesandten  Streitschriften  tief  unter  den  Yenetianischen 
stehen.  In  welch  trauriger  Gestalt  erscheinen  da  selbst  ein  Baro- 
nius,  ja  sogar  der  federgewandte  Bellarmin!  Gegen  die  von  Sarpi 
verfassten  oder  inspirirten  Meisterstücke  der  Polemik,  die  würdig 
sind,  Lessings  Anti-Göze  oder  Pascals  Provincialbriefen  zur  Seite 
gestellt  zu  werden,  gegen  die  kleine,  aber  schwerwiegende  Schrift 
des  Senators  Antonio  Quirino  verblassen  die  für  das  Interdict  unter- 
nommenen Eettungsversuche  der  Curialen  zu  farblosen  Stil-  und 
Redeübungen,  mit  denen  der  besten  Sache  nicht  zu  helfen  gewesen 
wäre.  Und  der  beiderseit«  erzielte  Erfolg  richtete  sich  diesmal 
nach  dem  Werthe.  Selbst  im  Kirchenstaate  gingen  die  Pnblica- 
tionen  der  Venetianer  von  Hand  zu  Hand.  Fragen,  welche  das 
Papstthum  der  Vergessenheit  geweiht  hatte,  wurden  nun  in  schonungs- 
loser Weise  ans  Licht  hervorgeholt  und  der  Menge  ins  Gedächtniss 
gerufen.  Nichts  Schlimmeres  konnte  der  Curie  passiren,  und  wie 
tief  sie  es  empfand,  erhellt  daraus,  dass  Paul  V.  nach  der  Aus- 
söhnung mit  Venedig  wiederholt  in  die  Signorie  drang,  sie  möge  die 
während  des  Interdictes  zu  ihren  Gunsten  erschienenen  Schriften 
verbieten.** 

Als  der  französische   Gesandte    de  Braves   im    Febmar  1609 
dem    Papste    mittheilte,    die  Venetianer   klagten    darüber,    dass  der 
Nuncius   und    der  Patriarch  den  Beichtvätern  befohlen  hätten,    die- 
jenigen nicht  loszusprechen,  welche  die  auf  das  Interdict  bezüglichen 
Schriften  läsen  oder  nicht  aus  ihren  Bibliotheken  entfernen  wollten, 
erklärte  der  Papst:    das  sei    ganz    in    der  Ordnung;    diese  Bücher 
seien  schlechter  als  die  Calvins;    in    einem    von    Fra  Paolo   hätten, 
gelehrte    Theologen,    die    es  in    seinem  Auftrage  geprüft,    acht  for- 
melle Ketzereien  notirt.  Der  Senat  bestrafte  die  Beichtväter,  welcho» 
wegen  jenes  Verhaltens  angezeigt  wurden.  —   Als  1623  Paolo  Mo— 
rosini  die  Venetianische  Geschichte  seines  Bruders  Andrea  (f  1618] 
mit  einer  Widmung  an   den  Dogen  Luigi  Priuli  herausgeben  x^lltr^    - 
verweigerte    der  Inquisitor    die  Approbation,    weil    das  Buch    am 
über  das  Interdict    handle;    der  Senat    aber    gestattete    den  Druck; 
Andreae  Mauroceni,  Reip.  Venetae  Historiographi,  Historia  Venel 
ab  a.  1521  ad  a.  1615,  Ven.  1623,  Fol.    Das  Buch  wurde  in  Roi 
12.  Dec.  1624  mit  d.  c.  verboten.    Der  Senat  Hess   durch  den  6< 


1)  Vgl.  Cocchetti,  Rep.  dl  Ven.  2,  471.  Baumg.  3,  354.  435. 


Fr.  Suarez.  828 

sandten    in  Rom  Vorstellungen  machen    und    gestattete    in  Venedig 
die  Veröffentlichung  des  Verbotes  nicht  (Cecchetti  2,  266). 

2.  Während  des  Streites  erschien  ein  merkwürdiges  Decret- 
der  Index-Congr.  vom  7,  Sept.  1606  (Alex.  No.  6).  Die  Venetia- 
nische  Censur  hatte  für  den  5.  Band  des  Commentars  des  Fr.  Sua- 
rez zum  3.  Theile  des  h.  Thomas,  der  von  den  Censuren  handelt 
(Disputatio  de  censuris,  Coimbra  1603,  Lyon  1604),  nur  unter  der 
Bedingung  die  Druckerlaubniss  ertheilt,  dass  einige  Stellen  wegge- 
lassen würden.  In  Rom  war  man  darüber  sehr  erbost,  wollte,  wie 
Sarpi  (Opere  G,  4)  erzählt,  sogar  gegen  den  Censor  mit  Censuren 
vorgehen,  beschränkte  sich  dann  aber  auf  jenes  Decret,  welches  im 
wesentlichen  so  lautet:  Die  Venetianischen  Buchhändler  Je.  Bpt. 
Giotto  und  Jo.  Ant.  und  Jac.  de  Franciscis  haben  in  der  in  diesem 
Jahre  bei  ihnen  erschienenen  Ausgabe  des  5.  Bandes  der  Werke 
des  «Jesuiten  Franz  Suarez  in  der  Disput,  de  censuris  vieles  weg- 
gelassen und  dadurch  das  Verbrechen  der  Fälschung  begangen  (falsi 
crimen  incurrendo).  Zur  Strafe  für  diese  Verwegenheit  verbietet 
ihnen  die  Index-Congr.,  in  Zukunft  irgend  welche  Bücher  zu  drucken, 
den  besagten  5.  Band  zu  verkaufen  oder  darüber  irgend  einen  Ver- 
trag abzuschliessen,  bei  Strafe  der  dem  Papste  reservirten  Exeomm. 
latae  sent.  Allen  Buchhändlern,  Kaufleuten  und  allen  anderen  Per- 
sonen, wo  sie  auch  wohnen  mögen,  wird  geboten,  den  besagten 
Band  oder  andere  von  den  besagten  Buchhändlern  in  Zukunft  heraus- 
zugebende Bücher  nicht  zu  kaufen  oder  zu  behalten,  sondern  an 
die  Ortsbischöfe  oder  Inquisitoren  abzuliefern,  bei  Strafe  der  Ex- 
eomm. 1.  sent.  und  von  500  Kammer-Ducaten,  über  deren  Verwen- 
dung die  Index-Congr.  sich  die  Verfügung  vorbehält.  Ferner  wird 
allen,  die  den  besagten  Band  behalten,  befohlen,  das  Weggelassene 
darin  zu  ergänzen.  Die  Ortsbischöfe  und  Inquisitoren  sollen  dieses 
Edict  publiciren,  und  zehn  Tage  nach  dieser  Publication  soll  es  jeden 
so  verpflichten,  als  ob  es  ihm  persönlich  intimirt  worden  wäre.  — 
In  einem  von  dem  Mag.  S.  P.  im  J.  1609  publicirten  Verzeichnisse 
verbotener  Bücher  (Alex.  No.  9)  steht  dann  der  Band  von  Suarez 
mit  der  Bemerkung,  er  sei  nur  gestattet  nach  Beifügung  der  weg- 
gelassenen Blätter  und  Stellen.  So  noch  jetzt  unter  Suarez.  Dieser 
lehrt  an  den  betreffenden  Stellen  u.  a. :  die  Unterthanen  seien  erst 
dann  verpflichtet,  dem  Fürsten  den  Gehorsam  zu  verweigern,  wenn 
derselbe  namentlich  excommunicirt  worden  sei,  unter  Umständen 
aber  schon  vorher  dazu  berechtigt,  wenn  derselbe  ein  Ketzer,  Schis- 
matiker und  Rebell  gegen  die  Kirche  sei  und  seine  Herrschaft  den 
Glauben  und  die  Religion  der  Unterthanen  gefährde ;  der  Papst  könne 
einzelne  Personen  von  der  Pflicht,  die  Steuern  zu  bezahlen,  dispen- 
siren  u.  dgl.  Das  von  Suarez  auf  8en  Wunsch  Pauls  V.  geschriebene 
und  durch  ein  Breve  vom  2.  Oct.  1607  belobte  Werk  De  immuni- 
tate  eccl.  a  Venetis  violata  et  a  Paulo  V.  juste  et  prudentissime 
defensa  wurde  damals,  da  mittlerweile  der  Streit  beendigt  war, 
nicht  gedruckt.  Das  2.  und  3.  Buch  des  Werkes  sind  bei  Malou 
(S.  311)  p.  254  gedruckt.  Im  3.  fp.  330)  vertheidigt  er  die  von 
den  Venetianern  weggelassenen  Stellen  des  Tractates  de  censuris. 


324  Paul  V.    und  Venedig. 

In  weniger  scharfer  Form  verbot  die  Index-Congr.  im  J.  1627 
(Alex.  No.  33)  alle  Ausgaben  des  3.  Bandes  der  Disputationes  de 
'sacramento  matrinionii  des  Thomas  Sanchez,  in  welchen  in  der 
Disp.  7.  ein  Passus,  —  er  ist  hinter  dem  Decrete  vollständig  abge- 
druckt und  füllt  eine  Folioseite,  —  weggelassen  sei  (Ben.  erwähnt 
speciell  Yenetianische  Ausgaben).  Es  ist  die  Stelle,  an  der  Sanchez 
die  Ansicht  vertheidigt,  die  durch  den  Papst  vorgenommene  Legiti- 
mation unehelicher  Kinder  habe  ohne  weiteres  auch  bürgerliche  Gel- 
tung. —  Der  Versuch,  ein  Verbot  des  "Werkes  von  Sanchez  wegen 
seiner  schmutzigen  Casuistik  zu  erwirken,  blieb  erfolglos  (Backer 
I,  686). 

3.  Die  Historia  del  Concilio  Tridentino  .  .  .  di  Pietro  Soave 
Polano  (London  1610,  Fol.)  wurde  22.  Nov.  1619  verb.  mit  dem 
Zusätze:  edita  in  lucem  per  Marcum  Antonium  de  Dominis  Archiep. 
olim  Spalat.,  cum  ejusdem  praefatione  et  dedicatoria  (an  Jacob  L); 
seit  Ben.  ist  dieser  Zusatz  weggelassen.  Die  2.  Edizione  riveduta 
e  corretta  dall'  autore  erschien  1629,  mit  Weglassung  der  von  Sarpi 
missbilligten  Zuthaten  von  Dominis^).  Von  den  Tebersetzungen 
wurde  nur  die  von  Le  Courayer  (wegen  der  Zuthaten)  ausdrücklich 
verb.,  und  zwar  durch  ein  Breve  Clemens'  XIL  vom  26.  Jan.  1740. 

Nach  dem  Tode  Sarpi 's  kamen  von  ihm  noch  in  den  Index: 
Petri  Sarpi  (Ben.  hat  beigefügt  qni  et  Paulus  Sarpi)  De  jure  asy- 
lorum  liber  singularis,  Lugd.  B.  1622,  verb.  1623;  —  Hist.  parti- 
colare  delle  cose  passate  tra  il  S.  P.  Paolo  V.  e  la  Ser.  Rep.  di 
Venetia  gli  anni  1605,  1606,  1607,  divisa  in  sette  libri,  Lione  1624, 
verb.  1625;  —  Hist.  sopra  li  beneficii  ecclesiastici,  verb.  1676; 
gemeint  ist  Trattato  delle  materie  beneficiarie,  der  nach  Simon,  Let- 
tres  3,  115,  nicht  von  Sarpi,  sondern  von  Fra  Fulgenzio  (Manfredi) 
verfasst  ist;  du  reste,  fügt  Simon  bei,  Fra  Fulg.  ^tait  un  autre  Fra 
Paolo;  —  Lettere  italiane  (al  Sign,  dcll'  Isola  Groslot,  1607—18) 
Verona  [Genf]  1673,  12.),  verb.  1677;  sie  sind  nach  der  Justification 
(s.  u.)  grösstentheils  unecht;  —  Scelte  lettere  inedite,  verb.  1837. 
Die  Lettere  ed.  Polidori,  Fir.  1863,  2  vol.,  sind  nicht  verb.  Ge- 
sammtausgaben  von  Sarpi's  Werken  erschienen  Ven.  1677,  6  vol. 
12.;  Helmstatt  (Verona)  1761—63,  8  vol.  4.;  Neapel  1790,  24  vol. 
(Baumg.  3,  343);  keine  derselben  ist  verb. 

1623  wurde  verboten  Folium  quoddam  continens  Epitaphium 
factum  sepulchro  Fratris  Pauli  Servitae,  incipiens  Paulus  Venetus 
Servitarum  Ordinis  Theologus,  ita  prudens,  integer,  sapiens  etc.,  tarn 
Impressum  quam  manuscriptum.  Ferner  stehen  im  Index:  Vita  del 
P.  Paolo  dell'  Ordine  de'  Servi,  Leida  1646,  verb.  1659;  sie  ist 
von  Fulgenzio  Micanzio ;  —  Memorie  aneddote  spettanti  alla  vita  ed 
agli  studi  del  somnio  filosofo  e  giureconsulto  Fra  Paolo  Servita, 
raccülte  da  Franc.  Griselini  Veneziano,  Losanna  1760,  verb.  1762; 


1)  lieber  di(3  verschiodenon  Ausgaben  und  Ueborsetzungen  s.  Baum^. 
8,  205.  R.  Simon,  Lottrcs  2,  216.  Schulte  S.  ACS.  Zur  Kritik  Sarpi's  und 
Pallavicini's  s.  Ranke,  Päpste,  WW.  39,  25.* 


Th.  Sauühez.  P.  Sarpi.  Pallaviciui.  326 

—  A.  Biancihi-Gioviiü,  Biografia  di  Fra  P.  öarpi,  1836  u,  8.,  verb. 
1837  (A.  G.  Campbell,  La  vita  di  Fra  P.  Sarpi  da  manoHcritti 
originali,  1875,  steht  nicht  im  Index);  —  Apologia  sopra  l'aatore 
della  istoria  del  Conc.  Trid.,  che  va  eotto  il  nome  di  Pietro  »Soave 
Polano,  creduta  communemente  (ma  a  torto)  produzione  di  Fra  Paolo 
Sarpi  .  .  .,  opera  del  S.  Damiano  Romano,  Regio  Avvocato  Fis- 
cale  .  .  .,  Lecce  1741,  verb.  1742;  —  Fra  Paolo  Sarpi  giustilicato. 
Dissertazione  epistolare  di  Giusto  N  a  v  e ,  Colonia  (Lncoa  oder  Yen.) 
1752,  152  S.,  verb.  1754,  eine  Vertheidigung  Sarpi's  gegen  die  in 
dem  ErlaßBC  des  Card.  Tencin,  Erzb.  von  Embrun,  gegen  Courayer 
ausgesprochene  Behauptung,  er  sei  un  vrai  Protestant  gewesen,  von 
einem  Serviten,  wahrscheinlich  Gins.  Giac.  Bergantini  (Mazzuch. 
2,  950),  nach  anderen  Buonfigliuolo  Capra;  —  Justification  do 
Fra  Paolo  Sarpi,  ou  lettres  d*un  pretre  italien  k  un  magistrat  fran- 
^ais  sur  le  caractere  et  les  sentiments  de  cet  homme  celebre,  Paris 
1811,*  72  S.  8.,  verb.  1817,  eine  massvolle  Vertheidigung  Sarpi's 
namentlich  gegen  die  Behauptung,  er  sei  innerlich  Protestant  ge- 
wesen, wahrscheinlich  von  Eustachio  Degola  geschrieben,  heraus- 
gegeben von  dem  Gerichtspräsidenten  P.-J.  Agier,  f  1823. 

4.  Als  Pallavicini  seine  Geschichte  des  Trienter  Concils  ge- 
schrieben hatte,  Hess  er  durch  den  Venetianischen  Gesandten  in 
-Rom  den  Senat  bitten,  den  Verkauf  derselben  in  Venedig  zu  ge- 
statten. Der  Senat  aber  lehnte  dieses  21.  Juni  1658  ab,  da  das 
CBuch  kein  rein  geschichtliches  sei,  sondern  viele  Ausführungen  ent- 
lialte,  welche  die  Republik  berührten  und  das  Andenken  eines  treuen 
J^ieners  derselben  verunehrten  (Cecchetti  1,  78).  —  Gegen  Palla- 
"virini's  ungünstige  Aeusserungen  über  Paul  IV.  erschien  Difesa  del 
^loriosissimo  Pontetioe  Paolo  IV.  dalle  false  calunnie  di  un  moderno 
«crittore  data  in  luce  da  Franc.  Velli  Napoletano,  Turin  1658,  Fol., 
und  gegen  eine  Vertheidigung,  die  Pallavicini  in  Form  eines  Briefes 
du  d^n  Marchese  Gianluca  Durazzo  schrieb  und  die  in  Abschriften 
verbreitet  wurde,  Difesa  del  glor.  P.  Paolo  IV.  dalle  nuove  calunnie 
del  moderno  scrittore,  ovvero  sommario  d'una  piü  lunga  risposta  alT 
Eiutore  della  lettera  scritta  a  Gianluca  Durazzo,  data  in  luce  etc. 
Turin  1658.  Beide  Schriften  wurden  noch  1658  verboten.  Der 
Verfasser  ist  der  Theatiner  Franc.  Maria  Maggie^).  Er  schrieb 
später  De  S.  P.  Pauli  IV.  inculpata  vita  disijuisitiones  historicae 
clarorum  scriptorum  e  Soc.  J.  testimoniis  explicatae,  T.  1.,  Neap. 
1672,  Fol.  —  Scipio  Henricus  (Errino),  ein  Priester  aus  Messina, 
üer  lange  in  Venedig  und  Rom  lebte  und  mit  dem  Card.  Spada 
befreundet  war,  gest.  1670  als  Professor  und  Canonicus  in  Messina 
Cer  hat  auch  über  La  lettera  della  Madonna  ai  Messanesi,  1633, 
eceschrieben)  veröffentlichte  eine  Censura  theologica  adv.  Petri  Soavi 
X^olani  de  Concilio  Trid.  pseudo-historiam,  Dillingen  1654,  8.,  Köln 
1664,  12.,  gegen  welche  Jo.  Hnr.  Heidegger  in  der  Anatome  Con- 
oilii  Trid.  polemisirt.     Einige  Jahre  später  veröffentlichte    er  unter 


1)  Villani  p.  52.  Melzi  3,  200.  Vezzosi  2,  19. 


326  Paul  V.  und  Venedig. 

dem  Namen  Caesar  Aquilinus  ein  Schrift cheu  De  tribus  histori- 
eis  Concilii  Trid.,  Amsterdam  1662,  96  S.  8,  worin  er  Sarpi  und 
Pallavicini  tadelt  und  Scipio  Henricus,  also  sich  selbst  yertheidigt, 
verb.  1668^).  —  Das  Schlimmste,  was  gegen  Pallavicini  geschrieben 
worden,  ist  eine  1677  verbotene  anonyme  Schrift  des  Abbe  Jean 
Le  Noir,  Theologal  von  Seez:  Les  nouvelles  lumieres  politiqaes 
pour  le  gouvemement  de  T^glise,  ou  Tivangile  nouveau  du  Card. 
Pallavicin,  r6v61^  par  Ini  dans  son  Eist,  du  Concile  de  Tränte,  s.  1. 
et  a.,  Par.  1676,  Col.  1687,*  264  S.  16.,  u.  s.,  auch  mit  dem  Titel 
Politique  et  intrigues  de  la  Cour  de  Rome,  ecrit  par  le  Card.  P., 
Col.  1696  (Kiflessioni  sopra  la  Storia  del  Concilio  di  Trento  scritt« 
dal  Card.  P.,  Ven.  1767,  Uebersetzung  von  Giov.  Bottari,  mit 
einem  Anhang,  Melzi  2,  258.  441).  Es  ist  eine  sehr  geschickt  grup- 
pirte  Zusammenstellung  von  wörtlichen  Auszügen  aus  der  1.  Aus- 
gabe der  Geschichte;  darunter  finden  sich  z.  B.  die  Sätze:  Aristotele 
se  non  si  fosse  adoperato  in  distinguere  accuratamente  i  generi 
della  ragione,  noi  mancaremmo  di  molti  articoli  di  fede  (p.  15,  ans 
8,  19);  nel  cielo  mistico  della  chiesa  non  si  pu6  imaginär  conjun- 
zione  di  piü  periculosa  iufluenza  che  un  sinodo  generale  (p.  58,  aus. 
16,  10).  —  lieber  Scotti  s.  S.  282. 

5.  Femer  stehen  im  Index:  Revision  du  Concile  de  Trente,. 
contenant  les  nuUitez  d'iceluy,  les  griefs  des  rois  et  princes  ohre^ 
stiens,  de  Teglise  gallicane  et  autres  catholiques,  s.  1.  et  a.  (Gen 
1600),  837  S.  8.,  verb.  1619,  von  Guillaume  Ranchin,  Prof.  de 
Rechte  zu  Montpellier  (Marchand  s.  v.);  —  Revelatio  consiliomm 
quae  initio  Synodi  Trid.  iuter  pontificem  caeterosque  principes  e 
Status  pontificios  contra  veros  et  liberos  orbis  christ.  reges,  princip 
et  ordines  sunt  inita,  in  quibus  conjurationis  Romanae  veritas,  astus 
continuatio  a  concilii  illius  publicatione  in  hunc  usque  diem  eviden 
tissime  ostenduntur,  s.  1.  1620,  4.,  verb.  1621,  in  Belgien  gedruck 
(Schelh.,  Am.  bist.  2,  418);  —  Sommairc  des  decrets  du  Concil 
de  Trente  touchant  la  reformation  de  la  discipline  ecol.  avec  de 
observations  tiri&es  de  Tusage  de  France,  Mons  1679,  verb.  1681; 
—  Lettres  anecdotes  et  m^moires  bist,  du  Nonce  Visconti,  Cardina 
pr^conis6  et  ministre  secret  de  Pie  IV.  et  de  ses  cr^atures  au  Con 
eile  de  Trente,  dont  plusieurs  intrigues  inouies  se  trouvent  dang  ce 
relations,  mises  au  jour  en  italien  et  en  franyais  par  M.  Aymon, 
ci-devant  Prälat  theologal  et  jurisconsulte  gradue  k  la  Cour  de 
Rome,  Amst.  1719,  12.,  erst  1746  verb.  (Schelh.  p.  450),  Aymon 
war  in  Holland  Protestant  geworden ;  von  seinen  anderen  polemischen 
Schriften  (Schulte  S.  261)  ist  keine  verb.  —  Dagegen  stehen  nicht 
im  Index  die  Lettres  et  memoires  de  Fr.  Vargas  concemant  le  Conc. 
de  Trente,  herausg.  von  Michel  Le  Vassor,  1699,  gegen  dessen  Vo 
rede  sich  Bossuet,  Oeuvres  42,  251  ereifert,  —  Notes  sur  le  Con 
eile  de  Trente  touchant  les  points  les  plus  importants  .  .  .  avec  un 
dissert.   sur  la  reception  et  Tautorit^   de  ce  Concile  en  France,  Col 


1)  MoDgitore  p.  210.  Baillet  5,  816. 


Der  englische  Treueid.  827 

)6,*  400  S.  8-,  in  Verbindung  mit  anderen  Jurißten  publicirt  von 
enne  Rassicüd,  (Bauing.  4,  270.  Schulte  8.  620),  und  andere  bei 
lelh.  1.  0.  verzeichnete  Schriften. 


S.     Der  Streit  fiber  den  englischen  Treneid,  1606. 

Noch  charakteristischer  für  Paul  V.  als  sein  Auftreten  gegen 
aedig  ist  sein  Verhalten  bezüglich  des  von  Jacob  I.  nach  der 
tdecknng  der  Pulververschwörong  durch  eine  Verordnung 
n  5.  Juli  1600  ttir  die  englischen  Katholiken  vorgeschriebenen 
sueides.  Der  Papst  verbot  die  Ablegung  dieses  Eides,  weil 
rin  die  Lehre,  dass  der  Papst  das  Recht  habe,  Fürsten  ab- 
letzen  und  ihre  Unterthanen  von  der  Pflicht  des  Gehorsams 
^n  sie  zu  entbinden,  als  gottlos  und  ketzerisch  bezeichnet 
rde.  Die  von  Jacob  I.  und  in  seinem  Auftrage  herausge- 
)euen  Vertheidigungen  des  Eides  gegen  die  päpstliche  Ver- 
Dimung  und  deren  Rechtfertigung  durch  Card.  Bellarmin 
rden  1609  von  der  Inquisition  verboten.  Auch  die  Streit- 
iriften  der  katholischen  Engländer  William  und  John  Barclay 
1  Thomas  Preston  (Roger  Widdrington)  gegen  Bellarmin  und 
16  Reihe  von  anderen  mit  diesem  Streite  zusammenhangenden 
hriften  kamen  in  den  Index.  —  Der  Treueid  wurde  auch  von 
ban  VIII.  1626,  und  selbst  in  einer  vorsichtigem  Fassung  von 
locenz  X.  und  Alexander  VII.  für  unzulässig  erklärt  und 
le  Reihe  von  Schriften,  namentlich  von  Peter  Walsh  (Valesius) 
'boten.  Gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  wurde  ein  solcher 
1  von  sechs  theologischen  Facultäten  und  von  den  englischen 
dstolischen  Vicaren   für  zulässig   erklärt,   und  Rom   schwieg 

KU. 

1.  Nach  der  Entdeckung  der  Pulver  Verschwörung  wurde  der  Pro- 
icial  der  Jesuiten,  Henry  Garnett,  als  angeblicher  Mitschuldiger 
gerichtet.  Von  der  1606  veröffentlichten  amtlichen  Relation  über 
uen  Process,  die  eine  Reihe  von  Streitschriften  hervorrieft),  er- 
den eine  lat.  Uebersetzung :  Actio  in  Henricum  Gametum  8.  J. 
ceteroB,    qui  proditione  longe  immanissima  .  .  .  Regem  et  regni 


1)  Clement  8,  lül.     Schelhorü,  Erg.  2,  229.     Pattison,   Casaubonus 
351.  438. 


828  Der  englische  Treueid. 

Angliae  ordines  pulvere  fulminali  e  medio  tollere  conjurarunt:  una 
cum  orationibus  delegatorum.  Adjectum  est  supplicium  de  H.  Gar- 
neto  Loiidini  sumptum.  Omnia  ex  anglico  a  Ct.  Camdeiio  latine  versa, 
Lond.  1607,  4.  Diese  wurde  1609  verb.  (noch  jetzt  ohne  Camdens 
Namen  im  Index). 

In  dem  Treueide  (oath  of  allegiauce,  nicht  zu  verwechseln  mit 
dem  oath  of  supremacy,  der  von  den  Katholiken  nicht  verlangt 
wurde)  sollten  die  Katholiken  anerkennen,  dass  Jacob  rechtmässiger 
König  von  England  sei,  dass  der  Papst  keine  Gewalt  habe,  ihn  ab- 
zusetzen oder  einen  auswärtigen  Fürsten  zu  einem  kriegerischen 
Unternehmen  gegen  ihn  zu  ermächtigen  oder  seine  Unterthanen  von 
dem  Gehorsam  gegen  ihn  zu  entbinden,  und  schwören,  dass  sie  un- 
geachtet eines  etwaigen  Excommunications-  oder  Absctzungsdecretes 
dem  Könige  gehorsam  bleiben  wollten  und  dass  sie  die  verdamm- 
lichc  Lehre,  die  vom  Papste  excommunicirten  oder  abgesetzten  Für- 
sten könnten  von  ihren  Unterthanen  oder  irgend  jemand  anders  ver- 
trieben oder  getödtet  werden,  als  gottlos  und  ketzerisch  von  Herzen 
verabscheuten;  schliesslich  sollten  sie  erklären,  dass  sie  glaubten, 
weder  der  Papst  noch  sonst  jemand  könne  sie  von  diesem  Eide  ent- 
binden. (Der  Eid  wird  lateinisch  in  dem  Breve  von  1606  mitge- 
theilt,  englisch  bei  Dodd-Tierney  4,  App.  117).  In  dem  ursprüng- 
lichen Entwürfe  war  dem  Papste  überhaupt  das  Recht  abgesprochen, 
Könige  zu  excommuniciren;  „so  weit  aber  wollte  Jacob  in  seinem 
alles  abwägendem  Sinne  nicht  gehen**  (Kanke,  Engl.  Gesch.  \VW. 
15,  53.  Dodd-Tierney  1,  72).  Die  Vertheidiger  der  Curie  erklärten 
den  Eid  für  unzulässig,  weil  darin  die  dem  Papste  in  'der  von  dem 
5.  Lateranconcil  bestätigten  Bulle  Unam  Sanctam  vindicirte  Gewalt 
bestritten  Werde.  Bossuet  (Defensio  4,  2.*^,  Oeuvres  32,  100)  er- 
klärt es  für  zulässig,  die  Ansicht,  dass  der  Papst  die  Gewalt  habe. 
Fürsten  abzusetzen,  zu  bestreiten  (uti  nos  Franci  fecimus),  aber  für 
temerär,  dass  ein  Katholik  privata  auctoritate  diese  Ansicht  für 
gottlos  und  ketzerisch  erkläre.  48  Doctoren  der  Sorbonne  erklärten 
den  Eid  einfach  für  zulässig.  —  Paul  V.  erklärte  in  dem  Breve  an 
die  englischen  Katholiken  vom  22.  Sep.  1606:  sie  könnten  nicht 
ohne  die  evidenteste  und  schwerste  Verletzung  der  göttlichen  Ehre 
und  nicht  ohne  Gefährdung  des  katholischen  Glaubens  und  ihres 
Seelenheiles  einen  Eid  ablegen,  der  vieles  enthalte,  was  dem  Glau- 
ben und  dem  Seeleuheile  augenscheinlich  widerspreche.  In  einem 
zweiten  Breve  vom  2^3.  Sept.  1607  sagt  er:  da  manche  behaupteten, 
das  erste  Breve  sei  nicht  ein  Ausdruck  seines  eigenen  Willens, 
sondern  mit  Rücksicht  auf  andere  und  auf  Betreiben  anderer  erlassen, 
so  erkläre  er,  dass  er  dasselbe  nicht  nur  motu  proprio  et  ex  certa 
scientia,  sondern  auch  nach  reiflicher  Ueberlegung  erlassen  (Arg.  III  b 
172).  Mehrere  englische  Katholiken,  u.  a.  acht  in  Newgate  gefangene 
Priester  baten  vergebens  Paul  V.,  die  Ausdrücke  anzugeben,  wegen 
deren  der  Eid  unzulässig  sei.  Dem  Jesuiten  Thomas  Garnett,  einem 
Neffen  Henry  Garnetts,  wurde  die  Freilassung  angeboten,  wenn  er 
den  Eid  ablege;    er  weigerte  sich  und  wurde  23.  Juni  1608  hinge- 


Jacob  I.  829 

richtet.  Der  Erzpriester  Georg  Black  well  leistete  1G07  den  Eid 
und  empfahl  den  Geistlichen,  denselben  nicht  zu  verweigern.  Da  er 
trotz  der  Yürstellungcn  Bellarmins  und  Parsons*  und  des  zweiten 
Breves  bei  seiner  Ansicht  verharrte,  wurde  er  1.  Febr.  1608  abge- 
setzt; er  starb,  ohne  zu  widerrufen,  25.  Jan.  1612  (Dodd-T.  4,  75. 
App.  148.  205). 

Jacob  I.  schrieb  1607  eine  Apologie  des  Eides,  von  der  1608 
eine  lateinische  Uebersetzung  (von  Sir  Henry  Savile)  erschien:  Tri- 
plici  nodo  triplex  cuneus  s.  Apologia  pro  juramento  iidelitatis  ad- 
versus  brevia  P.  Pauli  V.  et  recentes  litteras  Card.  Bellarmini  ad 
G.  Blackwelluni,  Angliae  archipresbyterum,  Lond.  1608,  8.  (die 
zwei  Breven  und  der  Brief  Bellarmins  vom  28.  Sept.  1607  sind  der 
„dreifache  Knote**).  Im  A])ril  1609  erschien  eine  zweite  Auflage 
unter  dem  Namen  des  königlichen  Verfassers  mit  einem  Preamble 
(Premonition)  to  all  Christian  Monarchs,  Free  Princes  and  States, 
in  demselben  Jahre  lateinit^ch:  Apologia  pro  juramento  fidelitatis, 
prinium  quidem  «i'wiTjC/ffic,  nnnc  vero  ab  ipso  auctore  .  .  .  Jacobo.  . 
Kege  F[idei]  l)[efenRure]  denuo  edita.  Cui  praemissa  est  Praefatio 
moniloria  Caesari  Hodolpbo  II.  ceteris(]ue  .  .  .  monarchis,  rebus- 
publicis  et  ordinibus  inscripta  eodem  auctore,  Lond.  1609.  Als  ofli- 
cieller  Verlheidiger  der  Curie  trat  Card.  Bellarmin  auf,  zunächst 
unter  dem  Namen  seines  Kajdans:  Kesponsio  Matthaei  Torti,  Pres- 
byteri  et  Theologi  Pajnensis,  ad  librum  inscriptum :  Triplici  etc., 
Köln  1608,  Rom  1609,  dann  nach  dem  Erscheinen  der  2.  Auflage 
der  Schrift  Jacobs  auch  mit  seinem  Namen  in  der  Apologia  Roberti 
S.  K.  E.  Card.  Bellarmini  pro  responsione  sua  ad  librum  Jacobi, 
Magnae  Britanniae  Regis,  cujus  titulus  est:  Tripl.  nodo  tripl.  cuneus, 
in  qua  apologia  refellitur  praefatio  nionitoria  Regis  ejusdem.  Acces- 
sit  seorsim  eadem  ipsa  responsio,  quae  sub  nomine  Matthaei  Torti 
anno  superiore  prodierat,  Köln  1610,  306  und   157  S.  8^). 

Im  Auftrafze  Pauls  V.  verbot  der  Mag.  S.  P.  23.  Juli  1609 
(Alex.  No.  8)  die  (zweite  Ausgabe  der)  Apologia  des  Königs  bei 
Strafe  der  reservirten  Excommunicatio  latae  sent.  Im  Auftrage  der 
Inquisition  verbot  der  Mag.  S.  P.  9.  Nov.  1609  (nochmals  30.  Jan. 
1610,  Alex.  No.  10.  11)    Tortura    Torti  sive  ad  Matthaei  Torti  li- 


1)  Bcllarmin  sagt  Resp.  p.  1,  §3:  Inter  onmes  convenit,  posse  Ponti- 
ficeoi  Max.  haereticos  priuci}>es  jure  deponere  et  subditos  eorum  ab  obe- 
dientia  liberarc.  Cum  hac  i'uini  conditionc  reges  terrae  adEcclesium  ad- 
mittuntiir,  ut  Pceptra  sua  Christo  subjiciant  et  fidem  ac  religionem  non 
overtere,  std  protegere,  dcfeiidcre,  non  üi)pugnare  debcant.  Quod  si  no- 
lint,  jus  est  illi,  qui  toti  Ecclesine  vice  Christi  praet-st,  cos  a  communionc 
fidelium  st'gregaru  subditisque  intcrdicerc,  ne  Ulis  pareaiit.  §  (J  sagt  er 
mit  Rücksicht  darauf,  dass  Jacob  ihm  vorgeworfen,  er  verwechsele  den 
Treueid  mit  dem  Supreniatseid:  der  Unterschied  zwischen  beiden  sei  nur 
der,  dass  in  diesem  der  Primat  mit  ausdrücklichen  Worten,  in  jenem 
verbis  obscurioribus  et  per  ambages  circumlocutionum  ad  decipicndos  in- 
i^autos  verworfen  werde.  In  der  Apologia  sagt  er  u.  a.  c.  3:  Haeresis  et 
äpofltasia  privat  haereticos  et  apostatas  multis  bonis,  quae  sunt  communia 
ridelibus,  sed  nun  privat  Puntificem  auctoritate,  quam  in  eos  habet. 


330  Der  englische  Treueid. 

brum  responsio,  qui  nuper  editus  contra  Apologiam  Serenissimi  .  .  . 
Jacobi  .  .  .  anotore  E.  Cicestriensi,  Lond.  16(J9  (von  Lancelot  An- 
drewes,  Bischof  von  Chicbester;  seit  Ben.  unter  Andrewes  im  In- 
dex). Es  wurden  nun  auch  einige  andere  Schriften  Jacobs  1.  ver- 
boten: Jacobi  I.  .  .  .  Eegis  F.  D.  BaaUindv  JtÜQov  s.  regia  insti- 
tutio  ad  Henricum  principem  primogenitum  filium  suum  etc.,  Hanoviae 
1604,  verb.  1609,  —  Meditalio  in  orationem  dominicam,  verb. 
1619,  —  Meditatio  in  cap.  27.  evang.  Matthaei  v.  27.  28.  29.,  sive 
hypotyposis  inaugurationis  regiae,  verb.  1621.  —  In  dem  Decrete 
von  1609  wurde  auch  eine  schon  30  Jahre  vorher  erschienene  Schrift 
verb.;  Vindiciae  contra  tyrannos  sive  de  principis  in  populum  po- 
pulique  in  principem  legitima  potestate  Stephano  Junio  Bruto  Celta 
auctore,  Edimburgi  (Basel?)  1579,  eine  Vertheidigung  des  Rechtes 
des  Volkes,  einen  tyrannischen  Fürsten  abzusetzen  (§.  44),  nach 
der  gewöhnlichen  Ansicht  von  Hubert  Languet,  wahrscheinlich  aber 
von  Du  Plessis-Mornay  verfasst  und  von  Villiers  herausgegeben. 
Der  in  demselben  Jahre  verbotene  Tractatus  de  jure  magistratuum 
in  subditos  et  officio  subditorum  erga  magistratus,  e  gallico  in  lat. 
coDversus,  Magdeb.  1604,  ist  ohne  Zweifel  die  fast  allen  lat.  Aus- 
gaben des  Buches  von  Junius  Brutus  beigefügte  Schrift,  welche  zu- 
erst von  den  Magdeburger  Lutheranern  1550  deutsch  herausgegeben 
und  1570 — 80  in  Frankreich  wiederholt  lateinisch  und  französisch 
gedruckt  wurde  ^). 

Gleich  nach  dem  Verbote  der  Apologie  Jacobs  I.  forderte  der 
Papst  in  Breven  und  durch  die  Nuncien  die  katholischen  Fürsten 
(auch  die  kath.  Cantone  der  Schweiz)  auf,  die  ihnen  von  dem  Könige 
übersandten  Exemplare  des  Buches,  weil  es  gegen  den  Glauben  und 
von  dem  h.  Officium  verboten  sei,  nicht  anzunehmen  und  das  Buch 
auch  ihrerseits  zu  verbieten.  Der  Madrider  Nuncius  wurde  beauf- 
tragt, den  General-Inquisitor  aufzufordern,  das  Nöthige  zu  veran- 
lassen. Der  Pariser  Nuncius  Ubaldini  berichtete  im  Sept.  1609: 
der  Minister  Villeroy  habe  ihm  gesagt,  der  König  sei  ungehalten 
darüber,  dass  der  Papst  dem  Gesandten  de  Breves  gegenüber  die 
Ansicht,  der  Papst  habe  nicht  das  Recht,  Fürsten  abzusetzen,  eine 
Ansicht,  die  auch  die  französischen  Theologen  hegten,  als  ketzerisch 
bezeichnet  habe;  er  habe  geantwortet,  jenes  Recht  werde  von  den 
allgemeinen  Concilien  und  den  anderen  Theologen  anerkannt  und 
vor  1000  Jahren  habe  der  apostolische  Stuhl  Chilperich  die  Krone 
genommen  und  sie  Pipin  gegeben,  der  französische  König  habe  also 
vor  allen  die  Pflicht,  dieses  Recht  anzuerkennen;  „so  schlössen  wir 
lachend  unser  Gespräch."  Ubaldini  wurde  in  diesen  Jahren  wieder- 
holt instruirt,  den  König   zu  strengeren  Massregeln  gegen  schlechte 


1)  Hist.  Taschenb.  1876,  304.  Polcnz,  Gesch.  des  Calv.  3,  87.  287. 
420.  Bayle  4,  569.  De  jure  mag.  .  .  .  erga  magistratus,  contra  lib.  cujusd. 
Calviniani  .  .  .  auth.  J.  B.  Ficklero,  Inp^olst.  1578,  ist  eine  katholisirte 
Ausgabe  der  Magdeburger  Schrift,  in  welcher  der  Widerstand  der  ünter- 
thanen  auf  den  Fall  beschränkt  wird,  wo  die  Obrigkeit  gegen  die  Ord- 
nung der  Kirche  Gesetze  gibt. 


W.  und  J.  Barclay.  381 

Bücher  aufzufordern;  im  Sept.  1609  berichtet  er,  der  englische  Ge- 
sandte habe  eine  französische  Uebersetzung  der  Apologie  drucken 
lassen;  er  habe  Sbirri  zu  den  Druckern  und  Buchhändlern  geschickt, 
sie  hätten  aber  nichts  gefunden.  Auch  Ubaldini's  Nachfolger  Benti- 
yoglio  wurde  1616  instruirt,  die  wiederholten  Aufforderungen  des 
Papstes  zur  Einschränkung  der  Pressfreiheit  in  Erinnerung  zu  bringen, 
und  angewiesen,  sich  mit  einigen  Buchhändlern  in  Verbindung  zu 
setzen,  dass  sie  ihn  auf  neue  Bücher  gegen  den  Glauben  und  den 
h.  Stuhl  aufmerksam  machten,  deren  Confiscation  er  dann  bei  dem 
Kanzler  zu  beantragen  habe  (Laemmer,  Mel.  Kom.  Mant.  p.  256). 
Heinrich  IV.  versprach  wirklich  anfangs,  die  Apologie  zu  verbieten, 
hob  jedoch  das  Verbot  bald  wieder  auf,  beschloss  dann  aber  auf 
Andringen  des  Nuncius,  auf  das  Buch  antworten  zu  lassen.  Die 
Jesuiten  Fronton  le  Duc  und  Coton  entzogen  sich  dem  Auftrage, 
die  Entgegnung  zu  schreiben;  sie  wurde  von  dem  Dominicaner  Nie. 
Coeffeteau  geschrieben,  fiel  aber  ziemlich  zahm  aus^).  —  Der  Eng- 
länder John  Mole,  der  mit  Lord  Eoss  in  Italien  war,  wurde,  weil 
er  in  Florenz  die  Apologie  einem  Bekannten  gegeben,  verhaftet  und 
starb  nach  dreissigjähriger  Haft  im  Gefängniss  der  Inquisition  zu 
Rom  -). 

2.  William  Barclay,  ein  katholischer  Schotte,  ein  Neffe  des 
Jesuiten  Edmund  Hay,  hatte  unter  Cujas  zu  Bourges  Jura  studirt, 
wurde  durch  Hay 's  Protection  Professor  in  Pont  a  Mousson,  ging 
aber  nach  dem  Tode  der  Königin  Elisabeth,  da  er  von  dem  Sohne 
der  Maria  Stuart  eine  Besserung  der  Lage  der  Katholiken  erwar- 
tete, nach  England.  Jacob  I.  bot  ihm  eine  Stelle  in  seinem  Eathe 
an,  wenn  er  Anglicaner  werden  wolle.  Er. kehrte  1604  nach  Frank- 
reich zurück,  wurde  Professor  in  Angers,  starb  aber  schon  1605. 
1600  hatte  er  mit  einer  Widmung  an  Heinrich  IV.  veröffentlicht 
De  regno  et  regali  potestate  adv.  Buchauanuni,  Brutum,  Bucherium 
et  reliquos  monarchomachos.  Aus  seinem  Nachlasse  gab  sein  Sohn 
John  heraus:  De  potestate  Papae,  an  et  quatenus  in  reges  et  prin- 
cipes  saeculares  jus  et  imperium  habeat,  Guil.  Barclaii  JC.  über 
posthumus,  Mussiponte  1609  (abgedr.  bei  Goldast,  Monarchia  3,  621). 
Barclay  hatte  schon  1595  mit  Eücksicht  auf  Bellarmins  Controversen 
(I  S.  503)  ein  Buch  über  dieses  Thema  mit  einer  Widmung  an 
Clemens  VIII.  geschrieben,  das  Mannscript  aber  von  dem  Drucker 
zurückgefordert  und  später  umgearbeitet.  Er  bekämpft  die  potestas 
directa  und  indirecta  des  Papstes  in  weltlichen  Dingen.  —  Ubaldini 
schrieb  im  Sept.  1609  an  Card.  Borghese:  das  Buch  von  Barclay, 
der  im  Rufe  eines  guten  Katholiken  gestorben  (Borghese  bezeichnet 
ihn  gleichwohl  in  einem  Briefe  vom  25.  Dec.  1610  als  heretico  in- 
glese),  werde  auch  von  den  angesehensten  Sorbonnisten  sehr  gelobt 
und  von  drei  der  gelehrtesten,  frommsten  und  ältesten  unter  ihnen 
als  das  nützlichste  Buch  über    diesen  Gegenstand  bezeichnet;    auch 


1)  Perrens  1,  334.  Prat  3,  148.  Bist.  Zts.  1874,  99. 

2)  R.  Gibbings,   Were  Heretics  ever  bumed  alive  at  Rome?   p.  44. 


382  Der  oDglisuhc  Treueid. 

Card,  du  Perron  solle  gesagt  haben:  es  ist  ein  gutes  nnd  nützliches 
Buch,  in  Rom  wird  man  es  freilich  nicht  als  ein  solches  ansehen 
(Laemmer,  Melet.  p.  294).  Es  wurde  in  dem  schon  erwähnten 
Decrete  vom  9.  Nov.  1609  verb.  und  Rellarmin  schrieb  dagegen 
TractatuH  de  potestate  Snmmi  Pont,  in  rebus  temporalibus  adv. 
Guil.  Barclaium,  Rom  1610^).  Ubaldini  schrieb  11.  Oct.  1610  an 
Card.  Borghese:  er  könne  Bellarmins  Buch  in  Paris  nicht  nach- 
drucken lassen  ;  man  möge  es  in  Avignon  oder  in  Flandern  drucken 
lassen  und  ihm  100  Exemplare  zur  gelegentlichen  Vertheilung 
schicken.  Borghese  schrieb  ihm  7.  Dec.  1610:  er  möge  wenigstens 
die  Veröffentlichung  eines  Buches  verhindern,  welches  man  dem 
Vernehmen  nach  in  Paris  gegen  Bellarmin  herausgeben  wolle,  und 
dem  Könige,  Kanzler  u.  s.  w.  begreiflich  machen,  dass  Bellarmins 
Buch  keine  neue,  sondern  die  von  den  kath.  Theologen  immer  fest- 
gehaltene Lehre  enthalte  (Laemmer  S.  293).  Die  Entgegnung  er- 
schien aber  doch  in  Paris:  Joannis  Barclaii  pietas  sive  publicae  pro 
regibus  ac  ])rincipibu8,  privatae  pro  Guil.  Barclaio  parente  vindi- 
ciae  adv.  Card.  Bei  lärm  ini  Tract.  de  pot.  .  . ,  Paris  1612,  verb. 
1613  (abgedr.   bei  Goldast,  Monarchia  3,  847). 

Als  Entgegnung  auf  diese  Schrift  erschien,  wahrscheinlich  im 
Auftrage  Bellarmins  Andreae  Eudaemon-Joannis  Cydonii  S.  J.  Epi- 
stola  monitoria  ad  Jo.  Barclaium  de  libro  ab  eo  i)ro  patre  suo  con- 
tra Rob.  Bellarminum  scripto,  Köln  1613.  Darin  wird  Barclay 
nicht  nur  der  Ketzerei  beschuldigt,  sondern  auch  behauptet,  er  sei 
in  England,  —  er  war  eine  Zeit  lang  Secretär  Jacobs  L,  —  Pro- 
testant geworden.  Barclay  erklärte  das  für  unwahr  und  reiste  über 
Paris  nach  Rom,  wo  er  1617  eine  Paraenesis  ad  sectarios  herausgab. 
Er  wurde  von  Paul  V.  und  Gregor  XV.  protegirt;  der  Cardinal 
Barberini  (später  Urban  VIFI.)  wurde  Pathe  seines  Sohnes;  er  starb 
1621  (Jani  Erythraei  Pinacoth.  3,  17).  Er  war  als  eleganter  La- 
teiner und  Satiriker  berühmt;  seine  1621  erschienene  Argenis  wurde 
in  mehrere  Sprachen  übersetzt.  Sein  Euphormionis  Lusinini  Saty- 
ricon  (Paris  1608;  der  1.  Theil  schon  1603  gedruckt  mit  einer 
Widmung  an  Jacob  I.)  wurde  in  Paris  auf  Betreiben  des  Nuocius 
wegen  einiger  Stellen  über  den  Papst  conflscirt  (L'Estoile  in  der 
CoUection  de  M^m.  von  Michaud  15,  448)  und  1609  verb.  (Er 
schrieb  1610    eine  Apologia  Euphormionis,     die  später  als  3.  Buch 


1)  Bellarmiu  sagt  in  dieser  Schrift  ii.  a. :  Wenn  der  Papst  kraft 
seiner  ^geistlichen  Gewalt  Fürsten  excommuniciren  kann,  so  kann  er  krafU 
derselben  auch,  falls  es  das  Bedürfniss  der  Kirche  erheischt,  Völker  von. 
dem  Eide  der  Treue  entbinden  und  bei  Strafe  der  Excommunication  die- 
selben auffordern,  dem  excommunicirten  Könige  nicht  zu  gehorchen  und, 
sich  einen  andern  König  zu  wählen  .  .  .  Barclay  fragt,  warum  denn  die 
Kirche  den  ketzerischen  Kaiser  Constantius  und  Julian  den  Abtrünnigen. 
nicht  abgesetzt  habe.  Diese  Kaiser  waren  sehr  mächtig  und  standen  an. 
der  Spitze  vieler  Lei^^ionen,  gegen  welche  die  unbewaffnete  Menge  der' 
Gläubigen  nichts  vermocht  hätte,  zumal  es  keinen  christlichen  Fürsten  gab, 
der  sie  hätte  bewaffnen  und  gegen  jene  Kaiser  führen  können  und  wollen. 


R.  Widdringtoü.  883 

des  Satyricon  gezählt  wurde ;  Bayle  s.  v.).  Bei  Sot.  p.  698  wird  das 
Sat.  expurgirt.  —  Eine  andere  Vertheidigung  Barclay's,  De  pote- 
state  papae  in  rebus  teniporalibus  .  .  .  adv.  Bellarminum  11.  2,  in 
quibns  respondetur  authoribus .  .  .  contra  Guil.  Barclaium  allatis .  . . 
quibus  morte  praeventus  non  respondit  Guil.  Barclaius,  auctore  Jo. 
[Buckridge]  Episc.  Koffensi,  London  1614,  4.,  steht,  wie  manche 
andere,  auch  lateinische  Schriften  über  den  Treueid  von  Engländern 
(Backer  1,  71),  nicht  im  Index. 

3.  unter  dem  Namen  Roger  Wid drington  schrieb  der 
Benedictiner  Thomas  Preston  (Dodd  3,  420)  zunächst:  Apologia 
Card.  Bellarmini  pro  jure  principum  adv.  suas  ipsius  rationes  pro 
auctoritate  papali  principes  saeculares  in  ordine  ad  bonum  spirituale 
deponendi,  auct.  Rugero  Widdrington,  catholico  anglo,  Cosmopoli 
1611  (abgedr.  bei  Goldast  3,  721),  dann:  Disputatio  theologica  de 
juramento  fidelitatis  S.  P.  Paulo  P.  V.  dedicata,  qua  potissimum 
omnia  argumenta,  quae  a  Card.  Bellarmino,  J.  Gretsero,  L.  Lessio, 
Martine  Becano  aliisque  nonnullis  contra  recens  fidelitatis  juramen- 
tum  ex  decreto  Eegis  et  Parliamenti  in  Anglia  stabilitum  facta  sunt, 
examinantur,  Albianopoli  1613  (erschien  in  demselben  Jahre  auch 
englisch).  Die  erste  Schrift  wurde  10.  Mai  1613  mit  anderen 
Büchern  verboten;  16.  März  1614  erschien  aber  ein  specielles  Decret 
der  Index-Congr.  (Alex.  No.  13),  worin  beide  Bücher  quovis  idio- 
mate  mit  dem  Zusätze  verboten  werden:  nisi  auctor,  qui  catholicum 
se  profitetur,  quamprimum  se  purgaverit,  censuris  ac  aliis  poenis 
ecclesiasticis  intelligat  se  omnino  coercendum.  Von  den  anderen 
unter  Widdringtons  Namen  erschienenen  Schriften  wurde  nur  noch 
(1616)  verboten:  Bugeri  Widdrington,  catholici  angli,  ad  S.  1>. 
Paulum  y.  P.  M.  humillima  supplicatio,  cui  adjungitur  appendix 
[gegen  Schulkenius],  Albianopoli  1616.  In  dieser  Schrift  hebt  er 
u.  a.  hervor,  dass  Bellarmin  ein  einflussreiches  Mitglied  der  Index- 
Congregation,  also  ihm  gegenüber  Ankläger,  Zeuge  und  Richter  in 
Einer  Person  sei^).   Vielleicht  hängt  mit  dem  Verbote  seiner  Schriften 


1)  Die  Rom.  Indexcougr.,  München  1863,  S.  31.  —  Gegen  Widdring- 
tons erste  Schrift  erschienen:  Adolphi  Schulkenii  Geldr.,  S.  Th.  apud 
Ubios  Dr.  et  Prof.  (d.  i.  Bellarmin),  Apologia  pro  Rob.  Bellarmino  Card., 
Köln  1613,  und  Juris  pontificii  sanctuarium  defensum  contra  R.  Widdr. 
auctore  Eduardo  Weston,  1613.  —  Lateinisch  schrieb  er  noch:  R.  Wid- 
drington Responsio  apologetica  ad  libellum  cujusd.  Doctoris  Theol.,  qui 
ejus  pro  jure  principum  Apologiam  tanquam  fidei  cath.  repugnanteni  falso 
criminatur,  in  cujus  praefationc  quaedam  dicuntur  de  novo  fldei  articulo 
invento  a  Leon.  Lessio  S.  J.  Theol.  in  suo  Disputatione  apolog.  pro  pot. 
b.  Pontificis,  Paris  1613,  —  Exemplar  decreti  in  quo  duo  libri  R.  W.  dam- 
nantur,  et  purgatio  ejus,  Albianop.  1614,  —  Appendix  ad  Disputaiionem 
theol.  de  jur.  nd.,  in  qua  omnia  argumenta,  quae  a  Fr.  Suarez  pro  pot. 
papali  allata  sunt,  examinantur,  1616  (Werner,  Fr.  Suarez  1,  42),  —  eng- 
lisch: A  theological  Disputation  concerning  the  oath  of  allegiance.  By  R. 
W.,  translatcd  out  of  latin  in  english  by  the  Author.  who  has  added  an 
Appendix,  1613,*  —  A  clear,  sincere  and  modest  confutation  of  the  Reply 
of  T(homas)  F(itzherbert,  S.  J.).  By  R.  W.,   161«*  (beigeb.  mit  besonderer 


334  Der  englische  Treueid. 

zusammen:  Thomae  Prestoni  et  Thomae  Greenaei  Anglorum 
Appellatio  a  Cardinalibus  ad  Indicem  deputatis  ad  ipBummet  Summum 
Ponlificem,  verb.  16.  März  1621. 

lieber  die  beiden  ersten  Bücher  von  Widdrington  gab  Sarpi 
24.  April  1614  ein  Gutachten  ab,  als  es  sich  darum  handelte,  ob 
das  Römische  Verbot  in  Venedig  anerkannt  werden  solle  (I,  S.  547 ; 
abgedr.  bei  Cecchetti,  Rep.  di  Ven.  2,  236).  Er  sagt  darin:  Das 
erste  Buch  ist  nur  eine  Streitschrift  gegen  Bellarmin,  der  neuerlich 
zu  beweisen  versucht  hat,  es  sei  ein  Glaubensartikel,  dass  die  Fürsten 
dem  Papste  in  weltlichen  Dingen  unterworfen  seien  und  dass  er  sie 
absetzen  könne.  Wer  das  Buch,  welches  drei  Jahre  verbreitet 
worden,  ohne  verboten  zu  werden,  unbefangen  liest,  wird  es  nicht 
nur  für  katholisch,  sondern  auch  für  zeitgemäss  halten.  Es  ist 
nützlich,  ja  noth wendig,  dass  solche  Bücher  von  allen  gelesen  werden, 
um  die  verderbliche  Meinung  von  der  weltlichen  Anctorität  des 
Papstes  über  die  anderen  Fürsten  auszurotten,  welche  die  Ursache 
eines  unversöhnlichen  Misstrauens  zwischen  der  kirchlichen  und  der 
weltlichen  Ordnung  ist  und  Unzufriedenen  zum  Verwände  dient, 
unter  dem  Vorgeben  der  Religion  gegen  die  Fürsten  zu  machiniren 
und  zu  rebelliren.  Das  zweite  Buch  enthält  theils  die  Lehren  des 
h.  Thomas,  theils  die  Gersons.  .  .  .  Der  Antrag  des  Nuncius,  die 
beiden  Bücher  zu  verbieten,  ist  nach !  dem  Concordate  von  1596 
nicht  zu  bewilligen.  Sarpi  räth  schliesslich,  den  Nuncius  hinzu- 
halten. Das  Verbot  wurde  in  Venedig  nicht  publicirt.  Auch  im 
span.  Index  steht  Widdrington  nicht,  im  Liss.  1624  aber:  R.  Wid- 
drington cath.  Angli,  sive  verum  sive  fictum  sit  nomen,  omnia 
opera  prohibentur  nominatim. 

4.  Ausser  den  genannten  Büchern  über  diese  Controverse 
(vgl.  S.  120)  wurden  noch  folgende  verboten:  Dens  et  rex  s.  dia- 
logus,  quo  demonstratur,  Sereniss.  Jacobum  in  regnis  suis  justissime 
sibi  vindicare,  quidquid  in  juramento  fidelitatis  requiritur,  Lond.  1615, 
verb.  1617;  —  Xenium  ad  catholicos  anglos  s.  brevis  et  dilucida 
explicatio  novi  jur.  fid.,  auth.  E.  J.  [sie]  theologo,  ut  anglocatholi- 
corum  conscicntiae  plenius  instruantur  et  tranquillentur  circa  jur. 
fid.,  lateinische  Uebersetzung  (des  Titels)  von  Widdringtons  New 
Yeares  Gift  for  English  Catholics  by  E.  T.  With  the  license  of  the 
superiors,  1620,  8.,  verb.  1621;  —  Scutum  regium  adv.  omnes  re- 
gicidas  et  regicidarum  patronos  ab  initio  mundi  usque  ad  interitnm 
Phocae  ...  11.  3,  auth.  Georgio  Hakewill  Oxon.,  1613  (anglican. 
Theologe;  Wood,  Ath.  Oxon.  3,  255),  verb.  1622;  —  Gull.  Barret 
(Jurist)  Jus  regis  s.  de  absoluto  et  independenti  saecnlarium  prin- 
cipum  dominio  et  obsequio,  Bas.  1612,  verb.  1624;  —  In  Gc- 
orgium  Blacvellum  Angliac  archipresbyterum  a  Clemente  P.  VIII. 
designatum  Quaestio  bipartita  [cujus  actio  prior  jusjurandum  de 
fidelitate,    altera    jurisjurandi   assertionem   contra  Bellarminum    con- 


Paginirung:  An  adjoinder  to  the  Land  2.  Part),  —  Last  rejoinder  to  Fitz 
herbert's  Reply,  1619. 


Hakewill,  Barret,  Marbais  u.  a.  dd5 

net,  Lond.  1609],  erst  1624  verb.,  Bericht  über  Black wells  Ver- 
öre  durch  eine  von  dem  König  ernannte  Commission  (abgedr.  bei 
roldast  3,  565,  englisch  schon  1607  gedruckt;  Butler  2,  204.  Wood, 
.th.  Oxon.  2,  122);  —  Greorgii  Dounami  (Downham)  Papa  Anti- 
tnistus  8.  Diatriba  duabus  partibus,  quarum  prior  sex  libris  vin- 
icat  Jacobi  Kegis  sententiam  de  Antichristo,  posterior  refutat  L. 
lessii  16  demonstrationes  Kegis  praefationi  monitoriae  oppositas  (in 
er  Schrift  De  Antichristo  ejusque  praecursoribus,  Antw.  1611), 
lOnd.  1620,  erst  1677  verb.;  —  A  seasonable  Discourse  shewing 
GW  that  the  oaths  of  allegiance  and  supremacy  contain  nothing 
'hieb  any  good  Christian  ought  to  boggle  at.  By  W.  B.,  von 
er  Inq.  Fer.  IV.  27.  Spt.  1679  verb.  —  Wahrscheinlich  hängt  mit 
ieser  Controverse  auch  zusammen:  Supplication  et  requete  h,  Tem- 
ereur,  aux  roys,  princes,  estats,  republiques  et  magistrats  chritiens 
ur  les  causes  d^assembler  un  concile  g^n^ral  contre  Paul  V.,  dres- 
6e  par  Nie.  de  Marbais,  Leyden  1613,  verb.  1617.  Wenigstens 
rschien  1613  zu  London:  Supplicatio  ad  imperatorem,  reges  et 
»rincipes  super  causis  generalis  concilii  convocandi  contra  PaulumV. 
luibus  adjicitur  annotatio  de  iis,  quae  Becanus  Jesuita  in  editione 
jusd.  Controversiae  anglicanae  recognovit  et  Eom.  Pontifici  dicata 
xpunxit  (Backer  I,  60;  im  span.  Index  wird  Homo  novus  als 
Same  des  Verfassers  angegeben).  Paul  V.  wird  des  Nepotismus, 
er  ünsittlichkeit,  Vernachläs8igung  der  Kirchenzucht,  Nichtbe- 
trafang  unzüchtiger  Cardinäle  und  Bischöfe  beschuldigt.  Ein  Aus- 
ug  in  der  Hist.  des  Papes  (von  Fr.  Bruys),  Haag  1732,  5,  170 
Brower-Rambach  10,  357.    Nachr.  v.  der  Stoll.  Bibl.  1,  315). 

5.  Die  Frage  wegen  des  Treueides  kam  im  J.  1647  wieder 
ur  Verhandlung.  Auf  den  Antrag  des  Lord  Fairfax  beschloss  das 
Parlament,  den  englischen  Katholiken  Duldung  zu  gewähren,  wenn 
ie  eine  Erklärung  unterschrieben  des  Inhalts:  sie  glaubten  nicht, 
.  dass  der  Papst  oder  die  Kirche  die  Gewalt  habe,  jemand  von  der 
Pflicht  des  Gehorsams  gegen  die  in  England  bestehende  Kegierung 
a  entbinden,  2.  dass  es  an  sich  oder  auf  Grund  einer  Dispensation 
es  Papstes  erlaubt  sei,  ein  einem  Haeretiker  gegebenes  Versprechen 
icht  zu  halten,  3.  dass  es  durch  eine  Dispensation  oder  einen  Be- 
3hl  des  Papstes  oder  der  Kirche  erlaubt  werden  könne,  irgend 
smand  darum  zu  tödten  oder  in  irgend  einer  Weise  anzugreifen, 
reil  er  wegen  Irrthums  oder  Haeresie  angeklagt,  verdammt,  cen- 
urirt  oder  excommunicirt  sei.  Diese  Erklärung  wurde  von  einigen 
reistlichen  und  59  Gentlemen  unterschrieben,  von  Innocenz  X.  aber 
ie  Unterzeichnung  unter  Androhung  der  Excommunication  ver- 
oten  ^). 

Giambattista    Rinuccini,    der  während  des  irischen  Aufstandes 


1)  Ch.  Butler,  Historical  Memoire  of  the  Englifth,  Irish  and  Scottish 
^atholics,  Lond.  1822,  2,  413.  DöUinger,  Lecturcs  on  the  Reunion  of  the 
])hurche8.  transl.  l)y  H.  Oxenham,  1872,  p.  118.  Zum  folgenden  vgl.  G. 
Uazzi,  Nunziatura  in  Irlanda  di  M.  G.  B.  Riimccini,  Arciv.  di  Fermo 
1645—49,  Florenz  1844  (Edinb.  Rev.  151,  487). 


336  Der  englische  Treueid. 

1645—49  als  Nuncius  in  Irland  war,  protestirte  1648  gegen  einen 
damals  abgeschlossenen  Waffenstillstand,  excommnnicirte  alle,  welche 
dazu  mitgewirkt  oder  ihm  zugestimmt,  und  legte  das  Interdict  auf 
die  Städte,  wo  er  anerkannt  werde.  Vierzehn  Bischöfe  und  viele 
Ordeusgeistliche,  auch  die  Jesuiten  erklärten  die  Censuren  für  null 
und  nichtig  und  appellirten  an  den  Papst.  Einige  seiner  Haupt- 
gegner, namentlich  den  Franciscaner  Peter  Walsh  (Valesius),  bean- 
tragte Rinuccini  1 649  nach  Rom  vor  die  Inquisition  oder  ein  anderes 
Tribunal  zu  citiren^).  Eine  Schrift,  die  Richard  Belling,  der  in 
dem  Aufstande  eine  Rolle  spielte  und  als  Abgesandter  der  Auf- 
ständischen Innocenz  X.  um  Hülfe  gebeten  hatte,  unter  dem  Namen 
Ireuaeus  Philopator  veröffentlichte,  Vindiciarum  Catholicoram  Hi- 
berniae  ad  Alitophilum  11.  2,  Paris  1650,  wurde  1654  verb. 

1660  wurde  Walsh  von  den  irischen  Bischöfen  und  Ordens- 
oberen nach  London  geschickt,  um  Carl  II.  zu  seiner  Restauration 
zu  beglückwünschen  und  freie  Religionsübung  für  die  irischen  Ka- 
tholiken zu  erwirken.  Auf  sein  Betreiben  wurde  Ende  1661  eine 
Humble  Remonstrance  of  the  Roman  Catholic  Clergy  of  Ireland  von 
dem  Bischof  von  Dromore  und  24  Geistlichen,  die  in  London  waren, 
und  von  121  Gentlemen  unterzeichnet  und  dem  Könige  tiberreicht. 
Die  Unterzeichner  erklären:  sie  würden  ungeachtet  irgendwelcher 
Erklärung  des  Papstes  dem  Könige  ihre  Unterthanentreue  bewahren 
und  räumten  niemand,  auch  nicht  dem  Papste  das  Recht  ein,  sie 
von  dieser  zu  entbinden ;  jeder  Fürst,  welcher  Religion  er  auch  an- 
gehören möge,  sei  ein  Statthalter  Gottes  auf  Erden  und  könne  gemäss 
den  Gesetzen  des  Staates  Gehorsam  in  allen  bürgerlichen  Sachen 
beanspruchen;  die  Behauptung,  irgend  ein  Einzelner  dürfe  den 
Fürsten  wegen  Religionsverschiedenheit  tödten,  sei  gottlos  und  dem 
Worte  Gottes  zuwider  (Butler  3,  419.  Auch  englische  Katholiken 
unterzeichneten  1660  Erklärungen  gegen  die  directe  oder  indirecte 
Gewalt  des  Papstes  in  weltlichen  Dingen;  Butler  2,  23).  Die  Re- 
monstranz wurde  aber  von  einigen  irischen  Bischöfen  missbilligt, 
von  der  Löwener  theol.  Facultät  censurirt  und  21.  Juli '1662  von 
dem  Nuncius  Hieron.  de  A^'ecchiis  zu  Brüssel  als  den  Erklärungen 
Pauls  V.  und  Innocenz'  X.  widersprechend  verworfen,  8.  Juli  1662 
auch  von  dem  Cardinal  Barberini  im  Namen  der  Propaganda. 
Walsh,  Redmond  Caron  und  andere  Franciscaner,  welche  sie  unter- 
zeichnet, wurden  von  ihrem  General  nach  Rom  citirt ;  jene  beiden 
leisteten  aber  keine  Folge  unter  dem  Vorgeben,  der  König  habe 
ihnen  die  Erlaubniss  zur  Reise  verweigert.  Auf  einer  Versammlung 
von  53  Bischöfen  und  Geistlichen  zu  Dublin  im  J.  1666  wurde 
nicht,  wie  Walsh  beantragte,  die  Remonstranz  gutgeheissen,  aber 
eine  Erklärung,  welche  sich  an  die  ersten  drei  der  sechs  Artikel 
der  Sorbonne  vom  J.  1GG3  (§  58)  anachloss:  der  Papst  habe  in 
weltlichen  Dingen  keine  Autorität  über  den  König;  dieser  sei  nur 
von  Gott  abhängig;    niemand  könne  von  der  Pflicht  des  Gehorsams 


1)  Butler  2,  396.  403.  446.  Aiazzi  p.  315.  324.  377.  424. 


P.  Walsh.  R.  Caroü.  8S7 

gegen  den  König  entbinden.  Die  Erklärung  'wurde  aber  von  dem 
Yicekönig  Herzog  von  Ormond  nicht  als  genügend  anerkannt.  Diese 
Versammlung  verdammte  ancli  auf  Walshs  Antrag  eine  Disputatio 
apologetica  de  jure  regni  Hiberniae  pro  catholicis  Hibernis  adv. 
haereticos  Anglos,  die  1H47  angeblich  zu  Frankfurt  superiorum  per- 
missu,  wahrscheinlich  in  Portugal  gedruckt  war  und  einen  dort  an- 
sässigen irischen  Jesuiten  Const.  O'Mahony  zum  Verfasser  hatte: 
sie  behauptet,  der  König  von  England  habe,  weil  er  ein  Ketzer 
geworden  und  die  von  Hadrian  IV.  gesetzten  Bedingungen  nicht 
gehalten,  jedes  Recht  auf  Irland  verloren,  und  fordert  die  Iren  auf, 
einen  einheimischen  König  zu  wählen  (Aiazzi  p.  256).  Auch  eine 
1658  erschienene  ähnliche  Schrift  des  Capuciners  Richard  Ferral 
wurde  verdammt  (Butler  3,  427). 

Walsh  veröffentlichte  1674  The  history  and  vindication  of  the 
Loyal  Formulary  or  Irish  Remonstrance,  so  graciously  received  by 
His  Majesty  anno  1661,  against  all  calumnies  and  censures.  In  seve- 
ral  Treatises,  with  a  true  account  and  füll  discussion  of  the  delusory 
Irish  Remonstrance  and  other  papers  framed  and  insisted  on  by 
the  National  Congregation  at  Dublin  a.  166G  and  presented  to  His 
Majesty^s  then  Lord  Lieutenant  of  that  Kingdom,  the  Duke  of  Or- 
mond, but  rejected  by  his  Grace  etc.,  The  Author  Peter  Walsh  of 
khe  Order  of  St  Francis  .  .  .  printed  a.  1674,*  c.  1000  S.  Fol.i); 
sein  Freund  Caron  hatte  schon  1665  herausgegeben  Remonstrantia 
Hibernorum  contra  Lovanienses  ultramontanasque  censuras  de  in- 
ßommutabili  regum  imperio  subditorumque  üdelitate  et  obedientia  in- 
iispensabili  ex  ss.  scripturis,  patribus,  theologis  etc.  vindicata.  Cum 
inplici  Appendice,  una  de  libertatibus  gallicanis,  altera  contra  in- 
rallibilitatem  Pontificis  Rom.  Authore  R.  P.  F.  R.  Caron,  Theologo 
3merito  (abgedr.  in  Traitez  des  droits  et  lib.  de  TEgl.  gall.,  1731, 
[I,  2).  Beide  Schriften  stehen  nicht  im  Index,  obschon  die  latei- 
lische  eine  der  bemerkenswerthesten  Bekämpfungen  der  Römischen 
Anschauungen  ist.  Dagegen  wurde  1690  verboten:  Causa  Vale- 
liana,  epistolis   ternis   praelibata:   in  antecessum  fusioris    Apolog^ae. 


1)  P.  524  ist  ein  Brief  des  bekannten  Dr.  Sorb.  H.  Holden  vom  2. 
Ipr.  1648  abgedruckt,  worin  es  heisst:  Die  Decrete  der  Rom.  Congregationen 
Verden  in  Frankreich  nicht  anerkannt.  Selbst  diejenigen,  welche  vor 
»einer  Heiligkeit  den  pflichtschuldigsten  Respect  haben,  Welt-  und  Ordens- 
geistliche,  sprechen  es  oAcn  aus.  die  Cabaleu  und  Interessen  der  Römischen 
/urie  seien  jetzt  so  allgemein  bekannt,  dass  man  von  den  Decreten  ihrer 
k>ngregationen  ausserhalb  des  Kirchenstaates  kaum  Notiz  nehme  .  .  . 
'oder,  der  in  Rom  Geschäfte  besorgt  hat,  kann  Ihnen  sagen,  dass  diese 
yongregations- Decrete  in  der  Regel  von  einigen  Cardin älen  und  Prälaten 
gemacht  werden,  die,  um  bescheiden  zu  reden,  nicht  viel  davon  wissen, 
lach  welchen  Gründen  und  Principien  die  abstrusen  dogmatischen  Fragen 
:u  entscheiden  sind  .  .  .  Ich  möchte  gern  mit  meinem  Blute  die  Ueber- 
;eugung  aller  erfahrenen  Männer  auslöschen,  dass  bei  der  Römischen  Curie 
lichts  als  Interesse  und  Parteiwesen  herrscht.  Man  kann  jetzt  von  jedem, 
1er  den  Lauf  der  Dinge  der  Welt  versteht,  hören,  dass  sie  dort  nur  ihre 
eigenen  Zwecke,  nicht  das  allgemeine  Beste  im  .Auge  haben. 

Beuch,  Index  II.  22 


838  Der  englische  Treueid. 

Quibas  accesserunt  appendicefi  duae,  una  instrumentorum,  altera  de 
Gregorio  VIT.  et  in  fine  additamentum  de  Carono.  Aathore  F.  Petro 
Valesio,  Ord.  S.  Franc,  strictae  observ.  S.  Tb.  Prof.  Lond.  1684, 
8.  (A.  E.  1685,  270).  —  Walsh  wurde  1677  von  seinen  Ordens- 
oberen, weil  er  Citationen  nach  Belgien,  angeblich  wegen  der  eng- 
lischen Gesetze,  nicht  Folge  leistete,  excommunicirt.  Er  starb  1688, 
nachdem  er  vor  Zeugen  die  Erklärung  unterschrieben,  dass  er  alle 
seine  Schriften  dem  Urtheile  des  Papstes  unterwerfe  und  alles,  was 
darin  beanstandet  werde,  zurücknehme  und,  wenn  er  am  Leben 
bleibe,  so  weit  es  nöthig  sei,  in  neueu  Schriften  retractiren  wolle 
(Butler  3,  444). 

„Die  irische  Remonstranz  wurde  verdammt,  die  Theologen, 
die  sie  entworfen,  Walsh,  Caron  und  Coppinger  [redigirt  ist  sie 
nach  Butler  3,  419  von  K.  Belling],  wurden  verfolgt  und  censurirt. 
So  war  das  Loos  Irlands  für  Jahrhunderte  besiegelt.  Dieses  Er- 
gebniss  war  den  Cromweirschen  Soldaten  und  den  englischen  und 
schottischen  Abenteurern,  welche  durch  Krieg  und  Confiscation  zu 
Besitz  gelangt  waren,  willkommen.  König  Carl  bestätigte  ihr  Eigen- 
thumsrecht  und  die  Unterdrückung  des  katholischen  Cultns.  Der 
katholische  Adel  in  Irland  fiel,  der  ganze  Grundbesitz  kam  in  pro- 
testantische Hände  und  die  Masse  der  katholischen  Bevölkerung 
wurde  zu  einem  unwissenden  und  barbarischen  Proletariat.  Aber  das 
Recht  des  Papstes,  Könige  abzusetzen,  Eide  zu  annulliren  und  zur 
Rebellion  aufzufordern,  wurde  intact  erhalten"  (DöUinger  1.  c.  p.  118). 

Von  Caron  steht  nur  ein  Buch  im  Index,  welches  mit  dieser 
Controverse  nicht  zusammenhängt:  Apostolatns  evangelicus  Missio- 
nariorum  regularium  per  Universum  mundum  cum  obligatione  pasto- 
rum  quoad  manutenentiam  evangelii,  regulis  actionum  humanamm 
et  methodo  conferendi  cum  haereticis  quibuscunque  et  infidelibus. 
Expositus  per  R.  P.  Raymundnm  Caron  um  Hibernum,  0.  Min. 
Theol.  emeritum,  Antw.  1C53,  8.,  mit  d.  c.  verb.  1662.  Es  ist  eine 
Pastoraltheologie  für  die  in  vorwiegend  protestantischen  Ländern  als 
Missionare  wirkenden  Ordensgeistlichen.  Wahrscheinlich  ist  in  den 
Erörterungen  über  die  denselben  zustehenden  Rechte,  Facultäten  und 
Privilegien  einiges  enthalten,  was  das  Verbot  veranlasst  hat.  Das 
Buch  wird  von  0.  Mejer,  Die  Propaganda  I,  194    und  oft  citirt  ^). 

Im  J.  1680  gaben  60  Doctoren  der  Sorbonne  ein  Gutachten 
ab,  dass  die  englischen  Katholiken  einen  mit  dem  Treueide  Jacobs 
gleichlautenden  Eid  salva  fide  et  tuta  conscientia  schwören  könnten 
(Arg.  III a  139).  Eine  Schrift  darüber:  English  I^yalty  vindicated 
by  the  French  Divines,  or  a  Declaration  of  threescore  Doctors  of 
Sorbone  for  the  Oath  of  Allegiance,  done  in  English  by  W.  H. 
Lond.  1681,  wurde  1682  von  der  Inq.  verb.,  gleichzeitig:  The  Ga- 
techist  catechiz'd,  or  Loyalty  asserted  in  vindication  of  the  Oath  oF* 
Allegiance  against  a  new  Catechisme  set    forth  by  a  Father  of  the  - 


1)  Walshs    und    Carons    andere   Schriften    sind   bei   Lowndes  ver- 
zeichnet. 


Spätere  Schriften.  3JJ9 

Society  of  Jesus,  by  Adolphiis  Brontius,  a  Roman  Catholick,  1681, 
nach  Dodd  3,  481  von  Edward  Gary,  einem  frühem  Offizier,  der  nnter 
Jacob  II.  Chaplain  general  der  Armee  für  die  Katholiken  war,  f  1711. 
—  BoRsuet  (Defensio  4,  23,  Oeuvres  32,  95.  102)  sagt.  Römische 
Bücherverbote  wie  das  von  1682  hätten  in  Frankreich  Ecclesiae  gal- 
licanae  vetere  atque  inolito  jure  keine  Geltung;  er  sehe  aber  nicht 
ein,  warum  den  Engländern  nicht  gestattet  sei,  das  offen  auszusprechen, 
quod  nos  Franci  publice  summa  omnium  ordinum  consensione  profi- 
temur.  Caron  (Remonstr.  p.  8)  erzählt,  was,  wenn  nicht  wahr,  sehr 
gut  erfunden  ist,  Cardinal  Barberini  habe  einem  ihm  befreundeten 
Schotten  auf  die  Frage,  warum  den  Engländern  und  Iren  nicht  das- 
selbe gestattet  werde  wie  den  Franzosen,  geantwortet:  die  Franzosen 
pflegten  über  solche  Dinge  bei  den  Römern  nicht  anzufragen. 

Auffallend   ist  es,    dass  ein  Schriftchen,    welches   zuerst  1680 
erschien  und  seitdem  30 — 40  mal   gedruckt  wurde  (vor  1684  6  mal, 
dann   wiederholt    als  Anhang    zu  Gothers   A  Papist   misrepresented 
and  represented  u.  s.;  Butler  3,  493),  nicht  verboten  ist.  Es  heisst 
Roman-Catholic  Principles  in  reference    to  God  and  the  King,    und 
enthält  die  Sätze:  „Wenn  ein  allgemeines  Concil  und  vollends  wenn 
ein  päpstliches  Consistoriuni   sich  anmassen  sollte,    einen  König  ab- 
zusetzen oder  seine  Unterthanen   von  ihrer  Treue   zu  entbinden,    so 
könnte  kein  Katholik  verpflichtet  sein,    sich  einem  solchen  Decrete 
zu  unterwerfen.     Daher    können    die  Unterthanen    des   Königs    von 
England  ohne  Verletzung  irgend  eines  katholischen  Grundsatzes  eid- 
lich die  Lehre,  dass  die  wegen  Haeresie  excommunicirten  Könige  ab- 
l^e^etzt  werden  könnten,  als  gottlos  und  verdammlich  verwerfen  .  .  . 
JDie  Katholiken  als  Katholiken  glauben  nicht,  dass  der  Papst  irgend 
eine  directe  oder  indirecte  Autorität  über  die  weltliche  Gewalt  und 
«Jurisdiction    der  Fürsten   habe.     Sollte   aber    der  Papst    die  Unter- 
t;hanen   des  Königs  wegen  Haeresie  oder  Schisma  von  ihrer  Unter- 
"thanenpflicht  entbinden  oder  dispensiren,  so  würde  eine  solche  Dis- 
pensation   null    und    nichtig    sein**    (auch    den  Satz:    „Es    ist    kein 
daubenssatz,     dass  der  Papst    für  sich,    getrennt    von    der  Kirche, 
fcei   der  Darlegung  des  Glaubens  unfehlbar  sei;    darum  verpflichten 
J)äp8tliche  Definitionen  oder  Decrete,  in  welcher  Form  sie  auch  er- 
lassen sein  mögen,  ohne  ein  allgemeines  Concil  oder  Annahme  durch 
c3ie  ganze  Kirche    niemand  bei  Strafe  der  Haeresie    zu    innerer  Zu- 
•^timmung"). 

Im  J.  1717  wurde  im  Namen  von  englischen  Katholiken  in 
JKom  angefragt,  ob  folgender  Eid  geleistet  werden  dürfe:  Ich  schwöre, 
^ass  ich  dem  König  Georg  gehorsam  sein,  in  keiner  Weise  den 
frieden  und  die  Ruhe  des  Reiches  stören  und  niemand  direct  oder 
i  ndirect  gegen  die  jetzige  Regierung  beistehen  will,  und  ich  erkläre, 
c^ass  ich  nie  von  einer  päpstlichen  Dispensation  von  diesem  Eide 
ebrauch  machen  werde.  In  dem  von  Laemmer,  Mel.  S.  258  mit- 
etheilten  Protocolle  einer  Sitzung  der  Inq.  Fer.  V.  11.  Mai  1719 
^neisst  es:  Sanctissimus  auditis  votis  Eminentissimorum  dixit,  nihil 
liud  esse  respondendum  quam  quod  consulant  theologos,  und  der 
apst  werde    sich    bei  den  katholischen  Fürsten    dafür   verwenden. 


340  Der  englische  Treueid. 

dass  sie  durch  ihre  GeBandten  die  englischen  Katholiken  gegen  Be- 
drückungen des  Parlaments  unterstützten  und  die  Kapellen  in  ihren 
Gesandtschaftsgebäuden  den  Katholiken  zugänglich  machten. 

6.  Als  es    sich    gegen  Ende    des  18.  Jahrhunderts    um    eine 
Milderung  der  englischen  Strafgesetze  gegen  die  Katholiken  handelte, 
erklärten   auf  eine  Anfrage  Pitts   im  J.  1760  die  theologischen  Fa- 
cultäten  zu  Paris,  Löwen,  Douay,  Yalladolid,  Salamanca  und  Alcala: 
der  Papst   habe   keine  weltliche  Gewalt  in  England    und  könne  die 
Unterthanen  nicht  von  dem  Treueide  entbinden    und  es  sei  keinem 
Katholiken  gestattet,    Personen  andern  Glaubens  das  Wort  nicht  zu 
halten  (Butler  1,  439),  und  die  englischen  Bischöfe  erklärten  einen 
Eid  für  zulässig,  worin  es  heisst:  „Ich  erkläre,  dass  es  kein  Artikel 
meines  Glaubens  ist  und  dass  ich  verwerfe  und  abschwöre  die  Mei- 
nung, excommunicirte  Fürsten  könnten  abgesetzt  und  ermordet  werden, 
und  dass  ich  nicht  glaube,  der  Römische  Papst  .  .  .  habe  oder  sollte 
haben  irgendwelche  zeitliche  oder  bürgerliche  Jurisdiction,  Gewalt,. 
Saperiorität  oder  Praeeminenz,  direct  oder  indirect,  innerhalb  diese» 
Reiches"  (Butler,  3,  295).  In  Rom  fragte  man  nicht  an,   wie  Chal- 
loner  sagt,    weil   der  Eid  etwas  enthalte,  was  Rom,  wenn  man  vor- 
her frage,  wahrscheinlich  missbilligen,  nach  dem  fait  accompli  aber* 
toleriren  werde  ^). 

Bei  der  parlamentarischen  Untersuchung  über  das  Seminar  za 
Maynooth  im  J.  1853  erklärten  die  dortigen  Professoren  RusselU 
Patrick  Murray  u.  a.:  Wir  lehren,  der  Papst  habe  keine  direct^ 
oder  indirecte  Gewalt  in  weltlichen  Dingen.  Die  entgegengesetzte 
Lehre  darf  als  fast  verschollen  (almost  obsolete)  angesehen  werden^ 
die  einzigen  neueren  Schriftsteller,  welche  sie  wieder  in  Aufnahme 
zu  bringen  versucht  haben,  sind  Dr.  Brownson  und  La  Mennais^)^ 
und  Murray  sagte :  unter  Pius  VI.  sei  unter  dem  Titel  The  present^ 
State  of  the  Church  of  Ireland  eine  Schrift  eines  anglicaniscben. 
Bischofs  erschienen,  in  welcher  gehässige  Bemerkungen  über  die 
Formel  Haereticos  persequar  et  impugnabo  in  dem  bischöflichen  Eide 
vorkämen;  die  vier  irischen  Erzbischöfe  hätten  sich  nach  Rom  ge- 
wendet und  in  einem  Rescript  des  Präfecten  der  Propaganda  sei 
darauf  geantwortet  worden,  diese  Worte  seien  wegzulassen,  und:  der^ 
h.  Stuhl  habe  nie  gelehrt,  dass  man  den  Ketzern  nicht  Wort  zu 
halten  brauche,  dass  der  akatholischen  Fürsten  geleistete  Eid  ver- 
letzt werden  oder  dass  der  Papst  in  deren  weltliche  Rechte  und 
Besitzungen  eingreifen  dürfe. 

7.  Mit  dem  Treueide  hängt,  so  auffallend  es  klingt,  zusammen, 
dass  1621  mit  d.  c.  verboten  wurde  Thomae  Dempsteri  de  anti- 
quitate  Romanorum,  d.  i.,  wie  erst  seit  Ben.  im  Index  steht:  Anti- 


1)  Home  and  P'or.  Rev.  2,  534.  Gladstone,  Vaticanismus,  NördL  1875 
S.  87. 

2)  Maynooth  Commission.  Report  of  H.  M.'s  Commissioners  appoin 
ted  to  inquire  into  the  management  and  government  of  the  College  o 
Maynooth.  Part  II.  Presented  to  both  Houses  of  Parliament,  Dublin  1866 
Fol.,  p.  11.  16.  23.  31  u.  s.  w.  Die  Angabe  von  Murray  p.  872. 


Politische  Doctrinen  der  Jesuiten.  341 

[uitatum  Komanarnm  corpus  absolutissimum,  in  quo  praeter  ea,  quae 

0.  Rosinus  delineaverat,  infinita  supplentur,  mutantur,  adduntur  a 
li.  Dempstero  aMurcesk  JC.  Scoto,  Col.  Allobrogum  1613,  4.  (das 
Juch  von  Jo.  Kosinus  war  schon  1583  erschienen).  Bei  Sot.  p.  647 
werden  wenigstens   nur    eine  Stelle  in   der  Dedication  an  Jacob  I., 

Zeilen  in  dem  Buche  selbst,  in  denen  von  dem  Treueide  die  Rede 
8t,  and  im  Register  die  Worte  Juramentum  fidelitatis  praestitum 
tc.  gestrichen.  Ausserdem  verordnet  Sot.  Jo.  Rosinus  und  Th. 
)empster  als  Auetores  damnati  ^u  bezeichnen.  —  Eine  andere  Schrift 
'on  Dempster  ist  aus  einem  ganz  andern  Grunde  verb.  worden.  Er 
latte  1619  zu  Bologna,  mit  einer  Widmung  an  Paul  V.  eine  Sco- 
orum  scriptorum  nomenclatura  drucken  lassen,  worin  er  274  Heilige, 
S  Päpste,  9  Cardinäle  u.  s.  w.  aus  Schottland  verzeichnet;  in  dem 
622  gedruckten  Apparatus  in  bist.  Scoticam  zählt  er  679  Heilige, 
!1  Selige  u.  s.  w.,  1603  Schriftsteller,  darunter  viele,  die  in  Wirk- 
ichkeit  Irländer,  Engländer  oder  anderer  Nationalität  gewesen  oder 
iberhaupt  nicht  existirt  haben  (Baillet  2,  161).  Gegen  die  Annexion 
on  Irländern  wurde  protestirt  in  einem  Anhange  zu  BrigidaThau- 
natorga.  Dissertatio  .  . .  habita  in  Collegio  Hibernorum,  Paris  1620, 
velcher  überschrieben  ist  De  scriptorum  Scotorum  nomencl.  a  Th. 
D.  edita  praecidaneum.    Dagegen  schrieb  Dempster  Scotia  illustrior 

1.  mendicabula  repressa  modesta  parecbasi  Th.  Dempsteri  .  .  .  qua 
ibelli  famosi  impudentia  detegitur  .  .  .,  Lugd.  (1620),  82  S.  8., 
vorauf  der  Irländer  replicirte  mit:  Hiberniae  sive  antiquioris  Scotiae 
indiciae  adv.  immodestam  parecbasim  Th.  Dempsteri,  in  quibus... 
nnumerae  ipsius  imposturae  et  mendacia  reteguntur  atque  ipse  levi 
»enicillo  depingitur,  ut  intelligat,  quod  qui  quae  vult  dielt,  quae  non 
ult  audit,  auctore  G.  F.  veridico  Hiberno,  Antw.  1621,  121  S.  8. 
üs  ist  schwer  zu  sagen,  in  welcher  der  beiden  Schriften  der  Gegner 
chlechter  behandelt  wird;  beide  wurden  1623  verb.  (Nie.  28,  316). 


[4.     Die   Censarirnng  der   politischen  Doctrinen    der 
Jesaiten  in  Frankreich,   1610  —  1625. 

In  Paris  wurde  1610  das  bekannte  Buch  von  Mariana, 
irorin  auf  Grund  der  Lehre  von  der  Volkssouveränetät  die  Er- 
lubtheit  des  Tyrannenraordes  behauptet  wird,  auf  Befehl  des 
Parlamentes  verbrannt.  In  der  nächstfolgenden  Zeit  verboten 
as  Parlament  und  die  Sorbonne  mehrere  Schriften  von  Jesuiten, 
(ellarniin,  Suarez,Santarelli  u.  a.^  in  welchen  das  Recht  des  Papstes, 
'^tlrsten  abzusetzen,  vcrtheidigt  wurde.  Paul  V.  war  über  dieses 
loTgehen  sehr  ungehalten,  verstand  sich  aber  dazu,  im  J.  1613 


342  Politische  Doctrinen  der  Jesuiten. 

ein  Buch  von  Becanus,  um  dessen  Verdammung  in  Paris  zu 
verhindern,  durch  die  Index-Congregation  mit  d.  c.  verbieten 
zu  lassen.  Dieses  Decret  ist  aber  in  keine  der  seit  1624  ver- 
anstalteten Sammlungen  und  Becanus'  Buch  in  keinen  Index 
aufgenommen,  das  Decret  also,  nachdem  es  in  Paris  seine  Dienste 
gethan,  cassirt  worden.  So  erinnert  an  die  damaligen  Verhand- 
lungen im  Index  nur  das  Verbot  des  Anti-Coton,  einer  1610 
erschienenen  Streitschrift  gegen  den  Jesuiten  Coton,  der  seine 
Ordensgenossen  nach  der  Verdammung  des  Buches  von  Mariana 
zu  vertheidigeu  versucht  hatte  ^).  —  Noch  unter  Clemens  VIII. 
wurde  1603  ein  Buch  des  Italieners  Carerius  verboten,  weil 
darin  die  Lehre  Bellarmins  von  der  bloss  indirecten  Gewalt 
des  Papstes  in  weltlichen  Dingen  bekämpft  wurde,  wie  denn 
ja  auch  von  Clemens  VIII.  das  von  Sixtus  V.  wegen  dieser  Lehre 
verbotene  Buch  Bellarmins  freigegeben  worden  war  (I  S.  503). 

1.  Im  J.   1599  erschien  zu  Toledo  das  Buch  des  Jesuiten  Joh. 
Mariana  De  rege  et  regia  institutione,  1591  auf  Ersuchen   Garcia* 
de  LoayBa's,   des  Lehrers  des  Sohnes  Philipps  II.,  des  spätem  König» 
Philipp  III.,  für  diesen  geschrieben.    Mariana  spricht  nicht  von  deuL 
Eechte  des  Papstes,    aber  von  dem  Rechte  des  Volkes,  Könige  ab— 
zusetzen,    ein  Recht,    welches  damals    auch    von  Bodin,    Buchanan» 
dem  Verfasser    der  Vindiciae  u.  a.    vertheidigt  wurde  (Huber,  Der^ 
Jesuiten-Orden  S.  246).    Der  Jesuit    Prat   berichtet  (3,  246),  Pater^ 
Eicheome   habe  das  Buch    gleich  1599  dem  General  Aquaviva    de- 
nuncirt,    und    dieser   habe    befohlen,    dasselbe   zu    corrigiren;     sech^ 
Jahre    später    hätten    die  Vertreter    der  Pariser  Ordensprovinz    die 
Censur  Richeome's  wiederholt  und  Aquaviva  habe   sie    dafür  belobt- 
und  sein  Bedauern  darüber  ausgesprochen,  dass  das  Buch  der  Wach- 
samkeit der  Oberen  entgangen  sei.     Die  liiOo  zu  Mainz  cum  privi- 
legio  S.  C.  M.  et    perraissii    superiorum  erschienene  Ausgabe^),    be- 
hauptet Prat,  sei  von  Protestanten  veranstaltet  worden.  Erst  durch 
diese  Ausgabe    wurde    das  Buch    in    Frankreich   bekannt,    wo   man 
natürlich  besonders  daran  Anstoss   nahm,  dass  Jacques  Clement,  der 
Mörder  Heinrichs  III.,    darin    als    aeternum  Galliae    decus    gefeiert 
wurde.     Am  27.  Mai   1610,   dem  Tage   der  Hinrichtung  Ravaillacs, 
des  Mörders  Heinrichs  IV.,  beschloss  das  Pariser  Parlament,   die  Sor- 
bonne anzuweisen,  baldigst  ihr  am  13.  Dec.  1413  gefasstes,  von  dem 
Constanzer  Concil  bestätigtes  Decret  über  die  Lehre  vom  Tyrannen- 


1)  F.  J.  Perrens,    L'ejjlise  et    Tetat  sous  lo  regne  de  Henri  IV.   e 
la  regcnco  de  Marie  de  Medicis,   Paris  1872,  2  vol.    —    J.  M.  Prat,   Re 
cherches  bist,  et  crit.  sur  la  Corapagnie  de  Jesus  eu  France  du  temps  d 
P.  Coton   1564—1626,  Lyon  1676,  4  vol. 

2)  Stieve,  Briefe  und  Acten  5,  916. 


J.  Mariana.  S48 

jrde  zu  erneuern.  In  der  Sitzung  der  Sorbonne  vom  4.  Juni  ver- 
ebte der  Bischof  Antoine  Rose  von  Clermont  auf  Betreiben  des 
incius  Ubaldini,  des  Bischofs  Henri  de  Gondi  von  Paris  und  der 
suiten  unter  der  Hand  die  Mitglieder  zu  bestimmen,  sich  an  den 
Stuhl  zu  wenden;  die  Facultät  fasste  indess  den  fraglichen  Be- 
blass,  und  am  8.  Juni  verordnete  das  Parlament,  dieses  Decret 
r  Sorbonne  solle  fortan  alljährlich  am  4.  Juni  in  einer  Sitzung 
r  Facultät  verlesen  und  am  ersten  Sonntage  in  allen  Kirchen  von 
iris  publicirt  werden,  ferner:  das  Buch  von  Mariana  solle,  als 
jhrere  abscheuliche  Blasphemieen  gegen  Heiniich  III.  und  die 
Irsten  und  andere  dem  Decrete  der  Sorbonne  widersprechende  Sätze 
thaltend,  vom  Henker  verbrannt  werden  und  es  solle  bei  Strafe 
8  Hochverraths  verboten  sein,  Bücher,  die  dem  Decrete  der  Fa- 
Ität  widersprächen,  zu  veröffentlichen  (Arg.  IIb  9.  Jourdain  p.  54 ; 
eces  justif.  No.  31).  —  Paul  V.  äusserte  im  Juli  1610  dem 
inzösischen  Gesandten  de  Breves  gegenüber:  er  könne  Bücher 
e  das  von  Mar.  nur  tadeln;  sie  verdienten  verbrannt  und  die 
Erfasser  bestraft  zu  werden ;  es  wäre  aber  richtiger  gewesen,  wenn 
8  Buch  auf  Befehl  des  Bischofs  von  Paris  oder  der  französischen 
.rdinäle  verbrannt  worden  wäre,  und  es  sei  nicht  in  der  Ordnung, 
88  das  Parlament  die  Pfarrer  zwingen  wolle,  sein  Decret  zu 
bliciren  ^). 

In  den  Index  kam  Mariana's  Buch  De  rege  nicht  (auch  nicht 
den  span.  Index);  aber  schon  1609  wurden  seine  Tractatus  Septem, 
d.  1609,  verb.  (sie  stehen  seit  Ben.  nicht  mehr  im  Index),  wie 
irpi  (Opcre  6,  12)  angibt,  unter  dem  Vorwande,  dass  darin  de 
xiliis  gehandelt  werde,  in  Wirklichkeit  aber,  weil  er  die  An- 
isenheit  des  h.  Jacobus  in  Spanien  gegen  Baronius  vertheidige, 
Q  Kömische  Curie  dessen  Annaleu  aber  als  ein  Evangelium  an- 
he,  wie  denn  die  Inquisition  alle  ihre  Beamten  in  Italien  ange- 
lesen habe,  darauf  zu  achten,  dass  nichts  gegen  Baronius  geschrieben 
5rde.  In  Spanien  wurde  Mar.  wegen  des  Tractatus  de  monetae 
itatione  (Klage  über  A^eränderungen  im  Münzwesen  in  Spanien) 
1  Jahr  in  Haft  gehalten ;  diesen  Tractat  verbietet  Sand.,  donec  ab 
io  auctore  correctus  denuo  excudatur;  Sot.  verordnet:  totus  ex- 
ngatur  (Mariana,  der  1624,  87  Jahre  alt,  gestorben,  hatte  also 
n  Tractat  nicht  corrigirt).  Ausserdem  werden  im  span.  Index  einige 
eilen  in  den  Tractaten  de  adventu  S.  Jacobi,  pro  editione  Vul- 
ta  (I  S  574)  und  de  morte  et  immortalitate  gestrichen.  —  XJeber 
mana's  Schrift  über  die  Jesuiten  s.  S.  281. 

2.  In  Folge  der  Angriffe,  die  das  Buch  Mariana*8  den  Jesuiten 
zog,  erliess  6.  Juli  1610  Aquaviva  ein  Decret,  worin  er  unter 
idrohung  der  Excommunication  u.  s.  w.  befiehlt,  fortan  solle  kein 
suit  öffentlich  oder  privatim,  noch  weniger  in  einem  Buche  be- 
upten,  es  sei  irgend  jemand  erlaubt,  unter  dem  Vorwande  der  Ty- 
nnei  Könige    oder  Fürsten    zu  tödten   u.  s.  w.,    damit  man   sehe. 


1)  Nütices  et  extraits  de  la  Bibl.  du  Roy  7  B,  331.  Prat  3,  248. 


344  Politische  Doctrinen  der  Jesuit-en. 

welches  in  dieser  Beziehung  die  Ansicht  der  Gesellschaft  sei,  und 
damit  nicht  der  Irrthuni  eines  Einzelnen  die  ganze  Gesellschaft  ver- 
dächtig mache  (Prat  3,  560.  Jourdain  p.  57).  P.  Coton  aher,  früher 
Beichtvater  Heinrichs  IV.,  veröffentlichte  im  Juli  ItilO  eine  Lettre 
declaratoire  de  la  doctrine  des  Peres  J^suites  confonne  aux  d^crets 
du  Goncile  de  Constance,  adress^e  ä  In  Reyne  niöre  du  Roy,  Regente 
en  France,  worin  er  mehrere  Jesuiten  citirt,  die  den  Tyrannenmord 
misshilligt,  und  behauptet,  die  Jesuiten  entfernten  sich  in  diesem 
Punkte  ebensowenig  wie  in  anderen  von  der  Lehre  der  Kirche.  Eine 
angebliche  Requete  de  rUniversite  k  la  Reine  Regente  mit  scharfen 
Angriffen  gegen  die  Jesuiten  und  den  Papst,  die  im  Sept.  1610  in 
Paris  verbreitet  wurde,  wurde  durch  einen  Anschlag  des  Rectors 
desavouirt  (Joui'dain,  P.  just.  No.  34).  Noch  im  J.  1610  erschien 
L*Anticoton  ou  r^futation  de  la  Lettre  decl.  du  P.  Coton,  livre  oh 
il  est  prouv£  que  les  Jesuites  sont  coupables  et  autheurs  du  parri- 
cide  ex^crable  commis  en  la  personne  du  Roy  Henry  IV.  dlienreuse 
memoire,  s.  1.  1610,  72  S.,  vielfach  dem  protestantischen  Theologen 
Pierre  du  Moulin  zugeschrieben,  wahrscheinlich  von  dem  Advocaten 
Cesar  de  Plaix  zu  Orleans  (Perrens  1,  443.  Clement  1,  366.  Baillet 
6,  37).  Im  Frühjahr  verhandelte  die  Sorbonne  über  eine  von  Coton 
oder  einem  andern  Jesuiten  herausgegebene  Reponse  apologetique 
h  l'Anticoton  (Prat  3,  29t>),  worin  gesagt  war,  Ravaillac  habe  nicht 
nach  Mariana's  Lehre  gehandelt:  dieser  sage,  kein  Privatmann  dürfe 
einen  rechtmässigen  Fürsten  tödten,  und  lehre  in  dieser  Hinsicht 
nichts,  was  nicht  mit  der  Lehre  der  Facultät  übereinstimme.  Die 
Facultät  censurirte  die  Schrift  nicht,  missbilligte  aber  jene  Behaup- 
tung und  erklärte,  Mariana*s  Lehre  stimme  nicht  mit  der  ihrigen 
überein;  sie  ertheilte  auch  den  vier  Doctoren,  welche  die  Schrift 
approbirt  hatten,  einen  Verweis.  Diese  appellirten  an  den  Staats- 
rath  und  verlangten,  dass  die  Sache  dem  Bischof  von  Paris  und 
anderen  Bischöfen  vorgelegt  werde.  Der  Staatsrath  war  geneigt, 
darauf  einzugehen ;  da  überreichte  eine  Deputation.  £.  Richer  an 
der  Spitze,  der  Königin  zur  Vertheidigung  der  Facultät  14  Sätze 
aus  Mariana's  Buch.  Darauf  wurde  die  Sache  fallen  gelassen^).  — 
Obschon  der  Nuncius  Ubaldini  schon  1610  über  den  Anticoton  als 
ein  höchst  verderbliches  Schriftchen  berichtete  (Laemmer,  Melet. 
p.  291 ),  wurde  erst  1621  eine  zu  Venedig  erschienene  Uebersetzung 
verb.:  L'Anticotone  (seit  Ben.  ist  beigefügt:  ovvero  confntazione 
della  lettera  dedicatoria  [so  noch  heute  statt  declaratoria]  del  P. 
Cotone). 


1)  Jourdain  p.  62.  Arg.  II  b  37.  Censura  s.  Fac.  theol.  Paris,  contra 
doctrinam  de  regum  parricidiis,  quae  continetur  in  libro  cui  tit. :  Responsio 
ad  Anticotonem.  Item  analysis  s.  tractatus  super  praecedentem  censuram 
a  quibusd.  ejusd.  s.  Fac.  theol.  Paris.,  1612,  14  S.  Baumg.  3,  526.  Der 
von  Prosper  Marchand  besorgten  Ausgrabe  der  Schrift  von  H.  Rasiel  de 
Silva  (s.  u.)  ist  beigefügt:  Anti-Cotton.  Nouv.  cd.  augmentee  de  quelques 
remarques  et  precedee  dune  dissert.  bist,  et  crit.  sur  ce  fameux  ouvrage. 
llaye  1738.*  150  S.  12. 


Anticoton.  Bellarmin.  Lessius.  845 

3.  Am  26.  Nov.  1610  verbot  das  Pariser  Parlament  auf  Grund 
Ines  ausführlichen  Vortrags  des  königlichen  Advocaten  Louis  Servin 
ei  Strafe  des  Hochverraths,  Bellarmins  Tractat  gegen  Barclay 
i.  332)  zu  besitzen  oder  zu  verbreiten,  zu  drucken  oder  feilzubieten; 
'er  ein  Exemplar  besitze,  habe  es  an  den  Generalprocurator  abzu- 
efern;  kein  Professor  dürfe  die  Lehre  des  Buches  vortragen^). 
>er  Nuncius  Ubaldini  beschwerte  sich  bei  der  Königin  über  dieses 
.rret,    welches    voll    temeritä    e    bugie    sei,    die  Lehre  der  Kirche 

I  unwürdigen  Ausdrücken  angreife  und  einen  verdienstvollen  Car- 
inal  beleidige;  er  könne  nicht  in  Paris  bleiben,  wenn  sie  nicht 
rkläre,  dass  das  Parlament  gegen  ihren  Willen  gehandelt  habe. 
>ie  Königin  suspendirte  die  Publication  und  stellte  den  Präsidenten 
e  Harlaj  zur  Rede.  Dieser  vertheidigte  das  Parlament  sehr  ener- 
isch  und  sagte  u.  a.:  wenn  jemand  zu  Lebzeiten  Heinrichs  IV. 
in  solches  Buch  nach  Frankreich  gebracht  hätte,  so  würde  dieser 
en  Betreffenden  gezüchtigt  und  den  Autor  selbst  von  Kom  haben 
den  lassen,  und  Seine  Heiligkeit  nicht  gewagt  haben  dieses  zu 
indem  (Arg.  II  b  35).  Paul  V.  belobte  die  Königin  für  das,  was 
ie  gegen  das  verwegene  Attentat  des  Parlaments  gethan,  erklärte 
ber,  das  genüge  nicht  (Laemmer  p.  294.  298).  —  Als  Lessius 
sine  Defensio  potestatis  Summi  Pontif.  adv.  libros  Eegis  M.  Bri- 
inniae,  Guil.  Barclaii  et  G.  Blacuelli  in  Flandern  veröffentlichen 
rollte,  erklärte  der  Parlamente-Präsident  Verdun  dem  Nuncius  und 
en  Pariser  Jesuiten,  die  Veröffentlichung  müsse  wenigstens  ver- 
shoben werden,  bis  die  Aufregung  über  Bellarmins  Buch  sich 
elegt  habe.  Der  Nuncius  schrieb  nach  Rom,  der  Jesuiten- General 
löge  die  Veröffentlichung  verzögern.  Das  Buch  erschien  aber 
leich  (Saragossa  1611)  und  wurde  darauf  in  Frankreich  verboten, 
.uch  das  Verbot  des  £xamen  praefationis  monitoriae  Jacobi  I.  von 
em  Augustiner  Leonard  Coqueau,  Strassb.  1610,  wurde  im  Par- 
iment  beantragt,  unterblieb  aber  auf  Betreiben  des  Nuncius  (Prat 
,  387.  Perrens  2,  24.  26). 

Im  Dec.  1612  nahm  die  Sorbonne  das  Buch  des  Jesuiten  Martin 
ecauus  (van  der  Beeck)  Controversia  anglicana  de  potestate  regia 
;  pontificis  contra  Lancelottum  Andream  sacellanum  Regis  Angliae 

II  se  episcopum  Eliensem  voeat,  pro  defensione  111,  Card.  Bellar- 
ini,   Mainz  1612*,  195  8.  8.,  in  Untersuchung    und  notirte  daraus 

a.  folgende  Stellen:  „Die  Frage,  ob  der  Papst,  welcher  Kaiser 
id  Könige  excommuniciren  kann,  sie  auch  absetzen  könne,  wird 
>n  katholischen  Autoren  mit  Recht  bejaht.  Der  Hohepriester  Jojada 
it  kraft  seiner  hohenpriesterlichen  Gewalt  die  Königin  Athalia 
lerst  als  Königin  abgesetzt,  dann  als  Privatperson  tödten  lassen, 
ieselbe  Gewalt  und  Jurisdiction,  welche  der  Hohepriester  im  Alten 


1)  Abge«lr.  Arg.  IIb  19,  auch  besonders  gedruckt  (mit  Beilagen): 
eraonstrancc  et  conclusion  des  getis  du  Roy  et  arrest  de  la  Cour  du 
arlaroent  du  2H.  Nov.  1610  sur  le  iivre  Tractatus  etc.,  1620,  143  S.,  auch 
iteinisch;  Commonefactio  etc.,  1611  (abgedr.  bei  Goldast,  Moa.  3,  762), 
laumg.  3,  513.  530. 


846  Politische  Doctrinen  der  Jesuiten. 

Bunde  hatte,  hat  der  Papst  im  Neuen;  jener  hatte  die  Gewalt, 
Könige  abzusetzen,  wenn  sie  es  verdienten ;  also  hat  auch  der  Papst 
diese  Gewalt  .  .  .  Könige  und  Fürsten,  welche  die  vom  Papste 
Klöstern  bewilligten  Privilegien  verletzen,  sind  zu  excommuniciren 
und  ihrer  Ehre  und  Würde  zu  berauben  .  .  .  Wenn  der  Papst 
unverbesserliche  Könige  absetzt,  so  thut  er  dieses  von  Amts  wegen, 
also  auch  von  Eechts  wegen;  denn  er  ist  der  allgemeine  Hirt  der 
Kirche,  zu  welchem  Christus  gesagt  hat ;  Weide  meine  Schafe  u.  s.  w. 
.  .  .  Der  Papst  ist  der  von  Christus  gesetzte  Hirt  der  ganzen 
Kirche.  Zu  den  Hunden  dieses  Hirten  gehören  auch  die  Kaiser  and 
Könige;  lässige  und  faule  Hunde  aber  sind  alsbald  von  dem  Hirten 
zu  beseitigen.  .  .  .  Die  Absetzung  der  Könige  kann  auf  verschiedene 
Weise  vorgenommen  werden;  gewöhnlich  erfolgt  sie  in  der  Weise, 
dass  der  Papst  die  Unterthanen  von  der  Pflicht  des  Gehorsams  ent- 
bindet oder  von  dem  Bande  der  Unterwerfung  löst,  durch  welches 
sie  mit  ihrem  Könige  verbunden  sind,  wozu  ihn  Christus  ermächtigt 
hat  durch  die  Worte:  Was  du  auf  Erden  lösen  wirst,  soll  auch  im 
Himmel  gelöst  sein"  (Arg.  IIb  64).  Selbst  P.  Prat  (3,  388),  gibt 
zu :  „Wie  es  gewöhnlich  geschieht,  wenn  man  eine  Sache  mit  Wärme 
behandelt,  übertrieb  Becanus  bezüglich  der  Autorität  des  Papstes 
ein  wenig  [1]  die  Consequenzen  der  Grundsätze  des  h.  Thomas,  und 
wiewohl  andere  Theologen  vor  ihm  eine  noch  strengere  Anwen- 
dung von  denselben  gemacht  und  die  Grenzen  der  päpstlichen  Ge- 
walt ebenso  weit  gesteckt  hatten  wie  er,  erschienen  doch  einige 
seiner  Behauptungen  als  übertrieben  zu  einer  Zeit,  in  welcher  man, 
weit  entfernt,  dem  Papste  das  Recht,  Könige  zu  excommuniciren 
[abzusetzen  ?],  zuzuerkennen,  ihm  kaum  das  Recht  zuerkannte,  seine 
geistliche  Jurisdiction  über  sie  auszuüben."  Der  Nuncius  Ubaldini 
war  klug  genug,  einzusehen,  dass  solche  Bücher  den  von  ihm  eifrig 
protegirten  Jesuiten  gefährlich  werden  könnten.  Er  schrieb  daher 
22.  Nov.  1(512  an  den  Cardinal  Borghese:  „Da  ich  sehe,  wie  sehr 
solche  Bücher  der  Gesellschaft  schaden,  halte  ich  es  für  angezeigt, 
dass  der  General  allen  Provinzialen  seines  Ordens  befehle,  die  Ver- 
öffentlichung keines  Buches  über  den  Tyrannenmord  und  die  Rechte 
des  Volkes  auch  gegen  rechtmässige  Fürsten  zu  gestatten,  falls 
nicht  der  h.  A^ater  und  Sie  es  für  angemessener  halten,  dass,  wenn 
man  Schriften  über  die  indirecte  Gewalt  des  Papstes  [in  weltlichen 
Dingen]  für  nöthig  hält,  die  Abfassung  derselben  Weltgeistlichen 
an  berühmten  Universitäten  oder  Theologen  aus  anderen  Orden  auf- 
getragen werde,  um  auf  diese  Weise  den  » Politikern  »^  zu  Paris 
einen  der  gewöhnlichsten  Vorwände  zur  Unterdrückung  der  Jesuiten 
zu  entziehen,  die  sie  mit  Unrecht  anklagen,  als  hätten  sie  die  wahre 
und  katholische  Ansicht  über  diesen  Punkt  zuerst  aufgebracht.  Man 
würde  dann  sehen,  dass  diese  Lehre,  wie  sie  so  viele  alte  Schrift- 
steller aus  allen  Nationen  vorgetragen  haben,  so  auch  jetzt  die  von 
allen  Orden  und  Universitäten  allgemein  anerkannte  ist"  (Prat  3, 
389 J.  Gleichzeitig  erwirkte  der  Nuncius  von  der  Königin  eine 
Ordre,  welche  dem  Parlamente  und  der  Sorbonne  verbot,  sich  mit 
dem  Buche    von    Becanus    zu   befassen.     Das  Parlament    gehorchte, 


M.  Becanus.  847  * 

in  der  Sorbonne  aber  las   1.  Dec.  1612  und  2.  Jan.  1613  Dr.  Nie. 

de   Paris    die   oben   mitgetbeilten  und    andere  Sätze  aus  dem  Bucbe 

vor  und  beantragte  die  Verdammung  desBelben,  und  als  der  Syndicus 

Dr.  Filesac,    der   ultramontan    gesinnte  Nachfolger   E.  Richers,    die 

Ordre    der   Königin    mittheilte,    beschloss  die  Facultät,    durch    eine 

Deputation    bei    ihr    dagegen  Vorstellungen    zu    machen.     Da    sich 

auch    der  Prinz    von  Conde  sehr  scharf  gegen  das  Buch   aussprach, 

wäre  es  vielleicht   gelungen,    die  Verdammung   desselben   durch  die 

Sorbonne  durchzusetzen.     Der  Nuncius   schrieb   noch  29.  Jan.  1613 

an  den  Card.  Borghese:  „Ich  weiss  ganz  sicher,  dass  die  Eicheristen 

und  Politiker,    von   ihrer  Gottlosigkeit  getrieben,    diese  Gelegenheit 

benutzen  wollen,  um  die  Sorbonne  zu  einer  Verdammung  der  Lehre 

des  Card.  Bellarmin    von    der    indirecten  Gewalt    des  Papstes    über 

die  weltlichen  Fürsten  zu  veranlassen."     Da  meldete  eine  Depesche 

des    Gesandten  de  Breves  vom  6.  Jan.  1613,  das  Buch  des  Becanus 

sei  auf  Befehl   des  Papstes    in  den  Index  gesetzt  worden.     „In  der 

That  hatte  Paul  V.,  so  erzählt  Prat  (3,  392),  der  wie  sein  Vertreter 

in  Paris    über    die  Verfolgungen,    mit  welchen  die  Richeristen  und 

Politiker    aus   Anlass    des  Buches  drohten,    und    über    das    Capital, 

welches  sie  daraus    zu  Ungunsten    der  päpstlichen  Gewalt  schlagen 

wollten,    erschrocken  war,    es   für  das    beste  Mittel,    diese   perfiden 

Pläne  zu  durchkreuzen,  gehalten,  selbst  das  Buch  der  Index-Congr. 

zu  überweisen.    Die    bestreitbaren  oder  übertriebenen  Behauptungen 

von   Becanus  benutzend,  verbot  diese  das  Buch;  aber  um  zu  zeigen, 

dass  das  Verbot  nicht  dem  ganzen  Complexe  der  Lehre  des  Buches 

gelte  und  nicht  gegen  die  Person  des  Verfassers  gerichtet  sei,  fügte 

sie  die  Formel  d.  c.  bei,    welche  sie    anzuwenden  pflegt,    wenn    sie 

im   Interesse    der  Wahrheit  einige   Sätze  eines  sonst    gut  gesinnten, 

rechtgläubigen    und     der    Kirche    ergebenen     Schriftstellers     tadeln 

HiUBS.  .  .  .  Die  Pariser  Jesuiten  waren  anfangs  etwas  bestürzt  über 

diese  Massregel,    w^urden    aber  bald    durch    den  Nuncius    und  durch 

einen  Brief   des  Generals  Aquaviva    beruhigt,  die   ihnen  begreiflich 

machten,   dass  sie  darin  ein  Zeichen  des  Wohlwollens  des  h.  Vaters 

zu    erblicken  hätten."    Aquaviva  missbilligte  übrigens  Becanus'  Buch 

in    Briefen  an  P.  Coton    und  den  Provinzial  Balthasard  (Perrens  2, 

211). 

In  Paris  wollten    manche  anfangs  nicht  glauben,    dass  man  in 
Rom    wirklich    das  Buch    verboten  habe;  aber    am  1.    Febr.     1G13 
wurde  der  Sorbonne  eine   von    dem  Nuncius   am  30    Jan.  vidirairte 
Abschrift    eines  Decretes  der    Index-Congr.    vom  3.  Jan.  1618  mit- 
getheilt,    —    die    Sitzung    hatte    ausnahmsweise    während    der    vom 
25.  Dec.  bis  6.  Jan.  dauernden  Weihnachtsferien  stattgefunden  (Sarpi 
bei  Le  Bret,  Mag.  4,  588),    —  worin  es    heisst:    da  in  dem  Buche 
des  Becanus    einige  falsche,  verwegene,  ärgernissgebende    und    auf- 
rührerische   Sätze  vorkämen,    habe    P.  Paul  V.    befohlen,    dasselbe, 
bis  es  verbessert  werde,    durchaus  zu  verbieten;    demgemäss   werde 
es  von  den  Cardinälen  der  Index-Congr.    verboten  und  verordnet,  es 
in  die  2.  Classe   des    Index  zu  setzen,    bis   eine  neue,    gemäss    den 
Regeln  des  Index  corrigirte  Ausgabe  gedruckt  sei.  —  Nach  der  be- 


'348  Politische  Doctrinen  der  Jesuiten. 

etebenden  Praxis  hatte  Becanus  die  Aenderaogen,  die  er  vornehmen 
wollte,  der  Index-Congr.  vorzulegen  und  diese  zu  entscheiden,  ob 
dieselben  genügten  (Alex.  No.  54).  Ob  dieses  geschehen,  erhellt 
nicht.  Jedenfalls  erschien  schon  wenige  Wochen  nach  dem  Verbote 
eine  Editio  recognita  et  aucta,  Mainz  1613*,  mit  der  Approbation 
des  Provinzials  Heinrich  Scheren^).  Ueber  diese  Ausgabe,  be- 
richtete der  Generalprocurator  Servin  3.  April  1613,  als  es  sich 
um  den  Antrag  auf  ein  Verbot  der  Annales  ecclesiastici  ex  XII 
tomis  Caesaris  Baronii  .  .  in  epitomen  redacti  opera  Henr.  Spondani 
handelte,  und  wies  durch  die  Anführung  vieler  Stellen  nach,  dass 
die  Aenderungen  nur  ganz  unbedeutend  seien.  „Nun  ist  aber,  fügte 
er  bei,  entweder  die  Correction  der  Römischen  Censur  entsprechend 
vorgenommen,  und  dann  ist  die  2.  Ausgabe  approbirt,  oder  die- 
jenigen, welche  die  2.  Ausgabe  besorgt,  haben  die  Censnr  nicht  be- 
achtet und  sie  illusorisch  machen  wollen.'^  Er  beantragte,  das 
Parlament  möge  das  Buch  von  Sponde  und  die  beiden  Ausgaben 
von  Becanus  prüfen  lassen  und  vorläufig  verbieten  (Arg.  II  b  73). 
Der  Kuncius  brachte  es  aber  durch  die  Vorstellung,  da  der  Papst 
die  1.  Ausgabe  verboten,  müsse  man  seine  Entscheidung  über  die 
2.  abwarten,  dahin,  dass  dem  Parlamente  und  der  Sorbonne  weitere 
Discussionen  über  das  Buch  verboten  wurden. 

Wenn  von  einem  mit  d.  c.  verbotenen  Buche  eine  Ausgabe 
erscheint,  die  von  der  Index-Congr.  als  genügend  corrigirt  anerkannt 
wird,  so  wird  das  in  den  Index-Ausgaben  ausdrücklich  gesagt 
Demgemäss  sollte  auch  das  Buch  von  Becanus  im  Index  stehen, 
entweder  mit  d.  c.  oder,  falls  die  2.  Ausgabe  als  genügend  corrigirt 
anerkannt  worden,  mit  der  Bemerkung,  diese  sei  erlaubt,  ähnlich 
wie  die  Bücher  von  Sa,  Inchofer,  Pasqualigo  u.  a.  Es  steht  aber 
in  allen  Index-Ausgaben,  die  ich  gesehen,  das  Buch  von  Becanus 
überhaupt  nicht  (auch  nicht  in  der  Raccolta  von  1624  und  dem 
Elenchus)    und,    was  noch  bemerkenswerther  ist,    in  den    seit  1642 


1)  Gontroversia  ...  et  Regia,  recognita  et  aucta.  Contra  Lanoellot- 
tum  .  .  .  vocat.  Ubi  etiam  defenditur  111.  Card.  Bellarminus  .  .,  272  S.  8. 
An  der  Spitze  steht  die  vom  29.  März  1613  datirte  Dedication:  Paulo  V. 
P.  M.  Ante  aliquot  menses  scripsi  hunc  librum  euaique  Franc.  Sfortiae 
Cardinali  dedicavi  (diese  Dedication  ist  vom  12.  Aug  1(>12).  Eundem  nunc 
rocognitum  et  auctum  sicut  et  caetera  opuscula,  quae  hactenns  contra 
perduclles  Eccle.<iac  a  me  edita  sunt,  Tuo  sisto  tribunali  ac  judicio,  ut  a 
te  si  quid  bene  scriptum  approbctiir,  si  quid  male  corrigatur  etc.  Von 
dem  Verbote  der  1.  Auflage  wird  nichts  gesagt.  Namentlich  im  4.  Capitel 
ist  manches  beigefügt.  Das  iu  Paris  besonders  beanstandete  3.  Cap.  ist  so  g^t 
wie  ganz  unverändert  geblieben;  wesrgelassen  ist  von  den  in  Paris  monirten 
Sätzen:  „Auf  die  Zustimmung  des  Volkes  kommt  so  viel  an,  dass.  wenn 
auch  ein  gesetzlicher  Thronerbe  da  wäre,  doch,  wenn  das  Volk  einen  an- 
dern wählte,  dieser  der  wahre  König  sein  würde.  Ein  Beispiel  haben  wir 
bei  Roboani  und  Jeroboam."  —  Backer  1,  60  sagt  von  der  I.Ausgabe  nur: 
Quelques  endroits  de  cette  edition  deplurent  en  France  et  ä  Rome  meme. 
In  dem  Artikel  Becanus  im  K.-L.  wird  das  Huch  gar  nicht  erwähnt.  — 
1G4.H  erschien  zu  Oppenheim:  Summa  actorum  Facnltatis  theol.  Paris, 
contra  1.  inscr.  Controversia  anglicana  etc.  Vgl.  Deutscher  Merkur  1881,10. 


A.  Schulkenius.  Fr.  Suarez.  349 

erschienenen  Sammlungen  der  Decrete,  auch  in  der  bei  Alex., 
steht  das  auf  Becanus  bezügliche  Beeret  vom  3.  Jan.  1613  nicht 
(Sarpi  a.  a.  0.  S.  595  schreibt  26.  März  1613,  er  habe  das  Decret 
trotz  aller  Mühe  nicht  bekommen  können).  Man  hat  also  augen- 
scheinlich dieses  Decret  nur  gemacht,  um  es  in  Paris  vorzuzeigen 
und  dadurch  die  Verdammung  des  Buches  durch  die  Sorbonne  zu 
hintertreiben,  und  um  es  dann,  nachdem  dieser  Zweck  erreicht  war, 
zu  cassiren^j. 

4.  Dieselbe  Lehre  wie  Becanus  trug  auch  Caspar  Scioppius  in 
dem  Ecclesiasticus  auctoritati  Eegis  Britanniae  oppositus,  Hartbergae 
1611,  vor  (Forschungen  zur  d.  Gesch.   11,  429.  474);  ergriff  darin 
auch  Heinrich  IV.  an.     Das  Buch  wurde  1612    in  Paris  verbrannt 
(Prat   3,  391),    1613    auch    das  Buch    von    Adolphus    Schulkenius 
(S.  333;  Perrens  2,  208).  —  1614  brachten  die  Pariser  Buchhändler 
von  der  Frankfurter  Messe  mit  die  Defensio  fidei  catholicae  et  apo- 
stolicae   adv.  anglicanae  sectae  errores,    cum  responsione  ad  Apolo- 
giam    pro   juramento   fidelitatis,    welche  Franz  Suarez   im  Auftrage 
Pauls  V.    geschrieben  und  wofür  dieser    ihn    in    einem  Breve    vom 
9.   Sept.    1613    belobt    hatte.     Das   Buch    war    zuerst  zu    Coimbra 
1613,    dann    zu  Köln  1614   in    Folio    gedruckt    mit  Approbationen 
der  beiden  Jesuiten-Provinziale  Joh.  Alvarus  und  Heinrich  Scheren 
und  mehrerer  Bischöfe 2).     Jacob  I.  drang  bei  Philipp  III.    und  der 
JRegentin   Maria  von  Medici    auf  Unterdrückung   desselben.     Servin 
motivirte    im    Parlament    20.  Juni   1614    den    Antrag    auf    Unter- 
drückung des  Buches    und   führte  u.  a.  folgende  Stellen  daraus  an : 
„Der  Papst  hat  den  ungerechten  und  unverbesserlichen,  namentlich 
<ien   schismatischen   und  hartnäckig  ketzerischen  Fürsten   gegenüber 
«ine  solche   Gewalt,   dass    er  sie  aus  guten  Gründen  auch  absetzen 
kann  .  .  .  Wenn   ein  König    in    rechtmässiger  Weise  abgesetzt  ist, 
xst   er  kein    rechtmässiger  Fürst  mehr,    und   wenn  er  sich  in  seiner 
Herrschaft  mit  Gewalt  zu  behaupten  sucht,  fängt  er  an  ein  Tyrann 
%a   sein  .  .  .  Wenn  ein  König  ein  Ketzer  wird,  so  wird  er  in  einem 
jsrewissen  Sinne  ipso  facto   seiner  Herrscherwürde  beraubt;  dieselbe 
tDleibt    entweder    confiscirt    oder    sie   geht    von   Rechts    wegen    auf 
deinen   rechtmässigen   katholischen  Nachfolger  über.     Aber  er  kann 
^^icht  sofort  seiner  Herrschergewalt  beraubt  werden,  sondern  behält 
^ie  und  übt  sie   rechtmässig  aus,    bis  er  durch   eine  declaratorische 
Sentenz  wegen  Ketzerei  verurtheilt  worden  ist.    Nach  dieser  Sentenz 
^ann  er  die  Herrschergewalt  nicht  mehr  rechtmässig  ausüben^  kann 
"vielmehr  als  Tyrann  bebandelt  und  von  jedem  Privatmann  getödtet 
"Werden  .  .  .    Ein  christlicher  Staat    ist  in   der  Weise    vom    Papste 
bhängig,  dass  dieser  die  Absetzung  eines  für  den  Staat  verderblichen 
Önigs   nicht  nur   anrathen   und  gutheissen,    sondern   auch  befehlen 
ann,  wenn  er  dieses    für  nöthig  hält  für  das    geistliche  Wohl  des 


1)  Deutscher  Merkur  1881,  3. 

2)  Prat  8,  564.  Perrens  2,  226.  Jourdain  p.  78.  Vd.  K.  Werner,  Fr. 
aarez  1 ,  96.  A.  Frauck  in  den  Seances  et  travaux  de  r  Acad.  des  sciences 

.  1860,  Aug.  Sept.,  bes.  p.  328.  Deutscher  Merkur  1879,  808. 


850  Politische  Doctrinen  der  Jesuiten. 

Staates,  namentlich  zur  Beseitigung  von  Ketzereien  und  Schismen. 
In  einem  solchen  Falle  findet  die  indirecte  Gewalt  üher  weltliche 
Dinge  mit  Rücksicht  auf  einen  geistlichen  Zweck  Anwendung.  Der 
Papst  kann  in  einem  solchen  Falle  unmittelbar  den  König  absetzen, 
also  kann  er  auch  den  Staat  nöthigen,  dieses  zu  thuen,  wenn  es 
erforderlich  ist  .  .  .  Ein  abgesetzter  König  darf  nicht  ohne  weiteres 
von  jedem  beliebigen  Einzelnen  getödtet  werden,  wenn  ihm  nicht 
dieses  geboten  oder  wenn  nicht  in  dem  Urtheil  ein  allgemeiner 
derartiger  Auftrag  enthalten  ist  .  .  .  Wenn  ein  Papst  einen  König 
für  einen  Ketzer  und  für  abgesetzt  erklärt  und  über  die  Ausführung 
der  Sentenz  nichts  bestimmt,  so  kann  nicht  jeder  Fürst  dem  Abge- 
setzten den  Krieg  erklären.  Dazu  ist  nur  sein  rechtmässiger  Nach- 
folger, wenn  er  katholisch  ist,  berechtigt;  wenn  ein  solcher  nicht 
da  ist  oder  sein  Recht  nicht  ausübt,  tritt  die  staatliche  Gemein- 
schaft, wenn  sie  katholisch  ist,  in  seine  Rechte  ein,  und  diese  kann 
natürlich  andere  Fürsten  um  Hülfe  angehen.  Wenn  aber  der  Papst, 
wie  das  wiederholt  geschehen  ist,  anderen  Königen  die  Gewalt  gibt, 
in  das  Reich  des  abgesetzten  Königs  einzudringen,  so  haben  sie 
das  Recht  dazu  ....  Der  Satz:  Der  Papst  hat  die  Gewalt,  ketze- 
rische und  hartnäckige  und  für  ihr  Reich  in  Sachen,  die  das  Seelen- 
heil betreffen,  verderbliche  Fürsten  abzusetzen,  gehört  zu  den  Dogmen 
des  Glaubens  und  muss  geglaubt  werden ;  denn  er  ist  enthalten  in 
den  Worten,  die  Christus  in  besonderer  Weise  zu  Petrus  gesprochen : 
Was  du  auf  Erden  binden  wirst  u.  s.  w.  und  Weide  meine  Schafe, 
wie  die  katholische  Kirche,  die  eine  Säule  und  Grundfeste  der  Wahr- 
heit ist,  diese  Worte  immer  verstanden  und  Bonifacius  VIII.  in  der 
Bulle  Unam  Sanctam  ausdrücklich  erklärt  hat."  Servin  hob  Rchliess- 
lieh  noch  hervor:  der  Jesuiten-Pro vinzial  Louis  Richeome  habe  in 
einer  1 6 1 3  zu  Bordeaux  erschienenen  Schrift  unter  Berufung  auf  Gretser, 
ClaruR  und  andere  Jesuiten  gesagt,  Mariana  lehre  nichts  anderes  als 
die  katholischen  Theologen  insgemein  und  seine  Ansicht  sei  mit 
Ausnahme  dessen,  was  er  über  die  Ermordung  Heinrichs  III.  gesagt, 
durchaus  orthodox  und  die  Lehre  des  h.  Thomas  und  aller  Lehrer 
der  Kirche;  nachdem  der  Jesuiten-General  6.  Juli  1610,  sieben 
Wochen  nach  der  Ermordung  Heinrichs  IV.,  den  Jesuiten  die  Ver- 
öffentlichung von  Schriften  über  den  Tyrannenmord,  die  Anstoss  er- 
regen könnten,  verboten,  habe  der  Jesuit  Jacob  Keller  mit  der  vom 
Febr.  lull  datirten  Approbation  seines  Provinzials  Busaeus  zu  Ingol- 
stadt die  Schrift  Tyrannicidium  s.  scitum  catholicorum  de  tyranni 
internecione,  München  1611,  152  S.  4.,  herausgegeben;  auch  die 
Jesuiten  Azorius  [Arg.  II  b  242],  Vasquez  und  Lcssius  trügen  die- 
selbe Lehre  vor.  Das  Parlament  verordnete  darauf:  das  Buch  von 
Suarez  sei  von  Henkershand  zu  verbrennen  und  strenge  zu  verbieten; 
die  Erklärung  der  Sorbonne  vom  4.  Juni  1010  und  dieses  Arret 
seien  alljährlich  in  der  Sorbonne  und  im  Jesuiten-Colleg  zu  ver- 
lesen; die  Jesuiten  Armand,  Coton,  Fronton  und  Sirmond  seien 
vor  das  Parlament  zu  citiren  und  ihnen  Vorhaltungen  darüber  zu 
machen,  dass  im  Widerspruch  mit  ihrer  eigenen  Erklärung  und 
dem  Decrete    ihres  Generals    vom  J.    1610    das  Buch    von    Suarez 


A.  Sanctarellus.  351 

gedruckt  und  nach  Paria  gebracht  worden;  auch  sei  ihnen  aufzu- 
^ben,  bei  dem  General  dahin  zu  wirken,  class  er  jenes  Beeret  er- 
aeuere,  und  in  ihren  Predigten  das  Gegentbeil  der  Lehre  des  Suarez 
vorzutragen  (Arg.  II  b  80). 

Aquaviva  erneuerte  wirklich  auf  den  Rath  Cotons  1.  Aug. 
1614  sein  Decret.  Der  Papst  aber  war  natürlich  wüthend  über 
diese  Behandlung  eines  in  seinem  Auftrage  geschriebenen  und  von 
ihm  in  einem  eigenen  Breve  belobten  Buches.  Er  verlangte  von 
1er  französischen  Regierung  Genugtbuung  und  drohte,  er  werde  das 
Arret  in  Rom  verbrennen  lassen  oder  das  Parlament  excommuniciren 
>der  den  Nuncius  abberufen,  gab  sich  aber  schliesslich  mit  der  Er- 
klärung zufrieden,  das  Arret  solle  nicht  publicirt  werden  (Prat  3,  565). 

5.  Im  J.  1625  erschien  zu  Rom  ein  Quartband:  Antonii  Sanc- 
barelli  S.  J.  Tractatus  de  haeresi,  schismate,  apostasia,  sollicitatione 
in  sacramento  poenitentiae  et  de  potestate  Summi  Pontif.  in  his  de- 
lictis puniendis.  Ad  Ser.  Principem  Mauritium  Cardinalem  a  Sabau- 
dia,  644  S.  4.*,  von  dem  General  Muzio  Vitelleschi  und  dem  Mag. 
S.  P.  Nie.  Ridolfi  approbirt.  Das  Buch  enthält  u.  a.  folgende  Sätze: 
„Wenn  ein  weltlicher  Fürst  Gesetze  erlässt,  die  den  guten  Sitten 
widersprechen,  so  kann  der  Papst  entgegengesetzte  Gesetze  erlassen 
und  dem  Fürsten  befehlen,  seine  Gesetze  wieder  aufzuheben.  Der 
Papst  kann  ketzerische  und  ungerechte  Fürsten  mit  kirchlichen  Gen- 
Buren,  auch  mit  zeitlichen  Strafen  belegen,  sie  absetzen  und  ihre 
Unterthanen  von  der  Pflicht  des  Gehorsams  entbinden.  Seine  Ge- 
walt ist  nicht  darauf  beschräukt,  die  Schuldigen  mit  kirchlichen  Cen- 
Buren  zu  belegen.  . .  Die  Bulle  Unam  Sanclam  ist  in  der  Extravagante 
Ueruit  von  Clemens  Y.  nicht  zurückgenommen,  sondern  nur  erklärt 
worden,  es  werde  in  jener  Bulle  nichts  neu  definirt,  sondern  nur 
die  Verpflichtung  ausgesprochen,  welche  die  Gläubigen  seit  dem 
Anfange  der  Kirche  immer  gehabt  haben,  dem  Papste  zu  gehorchen." 
Mit  Rücksicht  auf  diese  und  andere  Sätze  ^)  beschloss  das  Parla- 
ment 13.  März  1626:  das  Buch  sei  durch  den  Henker  öfl'entlich  zu 
verbrennen  und  dürfe  nicht  verkauft  werden;  alle  Exemplare  seien 
abzuliefern.  Ausserdem  citirte  das  Parlament  für  den  folgenden 
Tag  den  Provinzial  P.  Coton,  die  drei  Rectoren  und  drei  andere 
Jesuiten,  lieber  das  mit  ihnen  angestellte  Verhör  wurde  folgendes 
protocollirt:  „Billigen  Sie  dieses  schlechte  Buch  von  Santarelli?  P. 
Coton:  Im  Gegentheil,  wir  sind  bereit,  dagegen  zu  schreiben  und 
alles,  was  er  sagt,  zu  bestreiten;  in  unser  Haus  sind  zehn  Exem- 
plare gekommen;  wir  haben  sie  alle  vernichtet.  —  Wissen  Sie  nicht, 
dass  diese  schlechte  Lehre  von  Ihrem  General  zu  Rom  approbirt 
worden  ist?  Ja,  aber  wir  hier  können  nichts  für  diese  Unklugheit 
und  tadeln  sie  auf  das  entschiedenste.  —  Glauben  Sie,  dass  der 
Papst  den  König  excommuniciren  und  absetzen  und  seine  Unter- 
thanen   vom  Eide    der  Treue    entbinden  kann?    Wie   sollte   er  den 


1)  Arg.  IIb  203.  214.    Mercure  Jesuite  1,  888.    Polenz,   Gesch.  des 
Calv.  8,  443.  Deutscher  Merkur  1879,  315. 


862  Politische  Doctrinen  der  Jesuiten. 

König  excommuniciren,  welcher  der  älteRte  Sohn  der  Kirche  ist 
und  gewiss  nichts  thaen  wird,  was  den  Papst  dazu  nöthigen  könnte  ? 

—  Aber  Ihr  Greneral,  der  das  Buch  approbirt  hat,  hält  das  Ge- 
sagte für  unfehlbar;  sind  Sie  denn  anderer  Meinung?  Der  General, 
der  zu  Kom  wohnt,  kann  nicht  anders  als  approbiren,  was  die  Rö- 
mische Curie  approbirt.  -—  Und  Ihre  Ueberzeugung?  Ist  eine  ganz 
andere.  —  Und  wenn  Sie  zu  Rom  wären,  was  würden  Sie  thoen? 
Wir  würden  es  machen  wie  die,  welche  dort  sind.  —  Nun  geben  Sie 
ans  eine  bestimmte  Antwort.  —  Erlauben  Sie  uns,  uns  zu  besprechen." 
Den  Jesuiten  wird  gestattet,  in  ein  Nebenzimmer  zu  treten ;  nach 
einer  haben  Stunde  treten  sie  wieder  ein  und  erklären:  „Unsere 
Ueherzeugung  ist  dieselbe  wie  die  der  Sorbonne,  und  wir  werden 
dasselbe  unterschreiben,  was    der  gallicanische  Klerus  unterschreibt. 

—  Geben  Sie  uns  das  schriftlich.  —  Gestatten  Sie  uns  einige  Tage 
zur  Ueberlegung.  —  Das  Parlament  gibt  Ihnen  eine  Frist  von  drei 
Tagen." 

Dieses  Protocoll  (Arg.  II  b  205)  klingt  wie  eine  Satire ;  aher 
sicher  ist,   dass  dem  Parlamente  folgende  vom   16.  März  1626  datirte 
Erklärung    mit    den  Unterschriften    von   P.  Goton    und    15  anderen 
Jesuiten    (darunter    auch    Dionysius    Petavius)    eingereicht     wurde: 
„Wir  erklären,   dass  wir  die  schlechte  Lehre   desavouiren  und  ver- 
abscheuen,   welche    bezüglich    der   Person,    der  Autorität    und    der 
Staaten    der  Könige    in  dem  Buche    von  Sanctarellus  enthalten  ist; 
wir  erkennen  an,    dass  die  Könige  unmittelbar    von  Gott  abhängig 
sind,    und  wir  sind  bereit,    für  diese  Wahrheit  unser  Blut    zu  ver^ 
giessen  und  unser  Leben  hinzugeben.   Wir  versprechen,  die  Censnr^ 
welche  der  Klerus  oder  die  Sorbonne  über  jene   verderbliche  Lehr 
aussprechen    werden,    zu  unterschreiben    und    nie    Meinungen    ode 
Lehren  vorzutragen,    welche    mit  den    in   dieser  Hinsicht    von  de 
Klerus,  den  Universitäten  des  Reiches  und  der  Sorbonne  vorgetragene; 
in  Widerspruch  stehen."  —  Schon  22.  Febr.  1612  hatten  in  Folg 
eines  auf  den  Antrag  von  L.  Servin  gefassten  ParlaraentsbeschlusB 
der  Provinzial  Balthasard,  die  Patres  Fronton  Le  Duc,  Sirmond  un 
zwei  andere  förmlich   zu  Protocoll  erklärt,    dass  sie  mit  der  Lehn 
der  Sorbonne   übereinstimmten,    auch  bezüglich    der  Sicherung    de 
geheiligten  Person  der  Könige,    der  Aufrechterhaltung  ihrer  könig — 
liehen  Autorität  und  der  jederzeit  und  von  Alters  her  in  Frankreich- 
bewährten  und  beobachteten  Rechte  und  Freiheiten  der  gallicaniscbeik. 
Kirche  (Arg.  IIb  58). 

Die  Sorbonne  veröffentlichte  ein  vom  4.  April  1626  datirtes^^ 
Verdammungsurtheil  über  Santarelli's  Buch.  In  gleichem  Sinne  spracht 
sich  20.  April  die  Universität  Paris  aus.  Auch  die  anderen  Uni- 
versitäten, Toulouse,  Valence,  Bordeaux,  Poitiers,  Bourges,  Caen,. 
traten  dem  Urtheil  der  Sorbonne  bei.  Der  Rector  der  Pariser  Uni-^ 
versität  übersandte  die  Erklärung  der  letztern  dem  Parlamente  mit:^ 
dem  Antrage,  die  Verlesung  derselben  an  bestimmten  Tagen  zu  ver-^ 
ordnen,  erhielt  aber  ein  Schreiben  des  Königs  vom  3.  Mai,  worim. 
das  Verhalten  der  Universität  gebilligt,  ihr  aber  verboten  wurde^ 
anf  der  Einregistrirung  ihrer  Erklärung  zu  bestehen,  da  dieses  daziB> 


A.  Carerius.     B.  Choyeronius.  853 

dienen  würde,    den    eben    beigelegten   Zwist    zwischen    der  Univer- 
sität und  den  Jesuiten  wieder   anzufachen,    und    diese  das  Buch  als 
schlecht  und  verderblich  missbilligt    hätten    (Arg.  II  b  210).  —  Im 
Febr.  1627  erklärte  Card.  Richelieu,   es  sei  nicht  genug,   dass  San- 
tarelli's  Buch  öffentlich  verbrannt  worden,    —    in  seinen  Memoiren 
nennt  er  es  le  plus  mechant    de  tous    ceux    de    cette  sorte,    —    es 
müsse  auch  durch  eine  „authentische  Censnr  der  Kirche"  verdammt 
werden;    bei    den  Misshelligkeiten,     die  jetzt  zwischen  dem  Papste 
und  der  französischen  Regierung  obwalteten,  seien  Censuren  der  Sor- 
bonne und  des  Parlaments  nicht  opportun;  der  König  hoffe  aber  die 
Censurirung  des  Buches  in  Rom  zu  erwirken  (Arg.  II  b    255.  Jour- 
dain  P.  just.  p.   70).    Urban  VIII.  sprach  allerdings  sein  Bedauern 
darüber  aus,  dass  das  Buch  gedruckt  worden,  tadelte  den  Jesuiten- 
General  und  den  Mag.  S.  P.  und  verbot,  über  solche  Dinge  anders 
als  sehr  nüchtern  zu  schreiben ;  aber  von  einem  Verbote  des  Buches 
war  keine  Rede.     Auch   der  Jesuiten-General  sprach  sein  Bedauern 
aus  und  beauftragte  die  Superioren,  die  Exemplare  des  Buches  auf- 
zukaufen.    Er  Hess  dieses  sogar  in  einer  kleinen  Auflage  mit  Weg- 
lassung der  Capitel  30  und  31   des    1.  Tractets  (De  potestate  quam 
habet  Summus  Pont,    in  puniendis  principibus    haereticis,    p.  290 — 
30S),  an    denen    man    in    Paris    besonders  Anstoss   genommen,    neu 
drucken  und  schickte  die  Exemplare  dem  Pariser  Nuncius,  —  wozu 
Prat  (4,  750)    zu  bemerken  nicht  unteriässt,   die  Beseitigung  dieser 
Capitel  bedeute  nicht  ein  Aufgeben  der   darin  entwickelten  Grund- 
sätze, —  und  befahl  den  französischen  Jesuiten,  über  die  heikele  Ma- 
terie   absolument  rien  zu  schreiben    (Prat  4,  799;.    Man  dachte  so- 
gar daran,  eine  Modification  der  Censur   der  Sorbonne  zu  erwirken. 
Der  päpstliche  Steatssecretär  erklärte  aber  1626  dem  Nuncius  Spada, 
wenn  eine  solche  Modification    in  der  Form   einer  neuen  Censur  er- 
folgen solle,  müsse  diese  ganz  allgemein  gehalten  sein,  nicht  speciell 
lie  Capitel  30  und   31   erwähnen  und,  die  Richtigkeit  der  Lehre  des 
Ruches  voraussetzend,  nur  die  Inopportunität  desselben  hervorheben 
Prat  4,  760). 

Weitere  Censurirungen  ultramontaner  Bücher,  welche  die  Sor- 

>nne  1626  vorbereitete,  —  des  erwähnten  Buches  von  Spondanus, 

e  monarchia  divina,  ecclesiastica  et  saeculari  christiana,  auth.  Mich. 

luclero  Dr.  Sorb.,    auch    der   These    des  Dominicaners   Testefort: 

Scriptura  partim  Bibliis  sacris,  partim  epistolis  decretalibus  Sum- 

rum  Pont.,    quatenus  explicant  S.  Scripturam,  partim  sacris  con- 

18  continetur,  —    wurden  von  der    französischen  Regierung,    die 

lals    mit  Rom    in  Unterhandlung   stand,    unterdrückt    (Arg.  II  b 

256.   Jourdain  p.   112). 

6.    Ehe  man  in  Rom  genöthigt  war,  Bellarmins  Lehre  von  der 

ecten  Gewalt  des  Papstes  in  weltlichen  Dingen  gegen  die  Eng- 

T  und  Franzosen  zu  vertheidigen,  wurde  ein  Gegner  Bellarmins 

rirt,    der   auf  demselben  Standpunkte   stand,    von  welchem  aus 

s  V.  Bellarmins   Buch  in  den  Index   gesetzt  hatte.    Im  J.  1603 

',  mit  d.  c.  verboten    «la«   mit   Approbation  der  Inquisition  von 

gedruckte  iiiul   eineiii  Cardinal  gewidmete  Buch  De  ])otestate 

leuscli,  liidoi    11.  23 


354  Gallicftner  vor  1682. 

Romani  Pontificis  adv.  impios  politicos  libri  duo,  Alex.  Carerio 
Patavino  JC.  anctore.  Ad  111.  et  Rev.  D.  Franciscum  ex  Comitibns 
Sancti  Georgii  et  Blandratae  S.  R.  E.  Cardinali,  Patavii  1599*,  86  Bl.  4. 
Der  Verfasser,  AI.  Cariero,  Propst  und  Professor  zu  Padua  (tl626), 
vertheidigt  die  Ansicht:  Papam  habere  plenissimam  potestatem  in 
Universum  orbem  terrarum  tum  in  rebus  ecclesiasticis  tum  in  poli- 
ticis,  bestreitet  ausführlich  Bellarmins  Ansicht  (f.  50  —  58)  und  leistet 
u,  a.  folgende  Sätze:  Papa  est  fons  et  origo  omnis  principatus,  e 
quo  caeterae  potestates  defluunt  (f.  61).  Papa  in  totum  orbem 
Christ,  habet  temporale  dominium,  seu  mavis  potestatem  ac  jurisdic- 
tionem,  licet  illam  duntaxat  in  Ecclesiae  patrimonio  ordinarie  exer- 
ceat  (f.  64).  Papa  solus  monarcha  jure  merito  dici  meretur  (f.  71). 
Papa  si  ex  causa  reges  et  imperatores  destituit,  fortius  eos  insti- 
tuere  potest. .  .  Imperator  in  omnibus  subest  Rom.  Pontifici  (f.  73)^). 
—  Gleichzeitig  mit  dem  Buche  von  Cariero  wurde  ein  Bnch  eines 
französischen  Domherrn  mit  d.  c.  verb.:  Commentarii  D.  Bermondi 
Choveronii.  JC.  clariss.  et  Cathedralis  Eccl.  Vivarien.  Canonici, 
in  (s.  Lateranensis  concilii)  tit.  de  publicis  concubinariis  (Nunc  pri- 
mum  in  Germania  excusi,  Spirac  1598,*  885  8.  8.),  wahrscheinlich 
wegen  der  Stelle,  an  der  die  ])äp8tlichc  Jurisdiction  auch  auf  die 
guten  und  bösen  Engel  ausgedehnt  und  gelehrt  wird,  wenn  es  mög- 
lich wäre,  dass  ein  Engel  in  Irrthum  fiele,  würde  der  Papst  ihn 
richten  und  excommuniciren  können^). 


45.     Gallicaner  vor  1682. 

Während  man  in  Paris  die  im  Auftrage  oder  mit  Gutheis 
sung  der  Kömischen  Curie  veröffentlichten  ultramoutanen  Buche 
censurirte,  fing  man  in  Rom  an,  die  Bücher  von  französische 
Juristen  und  Theologen  zu  verbieten,  in  welchen  die  Gewal 
des  Papstes  in  weltlichen  Dingen  bestritten  und  anderseits  di 
herkömmliche   Gewalt  der   französischen  Könige   in  kirchliche 


1)  Vgl.  L'Estoile  in  der  Nouv.  Coli,   de  Mem.    (Michaud)    15,    8 
—  Cariero  hat  auch  den  Beweis  angetreten,    dass  Dante  kein  Dichter 
wesen:    Brcve   et   ingeniöse   discorso   contro   l'opera  di  Dante.    Di  Mon 
Aless.    Cariero.    AIP  111.  &  Rov.    Principe  il  S.   Dou  Luigi   Cardinale 
Este.    Padoa  1582.     Vgl.  Prciiss.  Jahrb.  (1883)   51,  259.    —    Die  Petes 
directa  wurde  um  dieselbe  Zeit  von  den  Brüdern  Thomas  und  Alex.  Boz" 
(beide  Oratorianer)  vertheidigt  (Schulte  3,  1.  463.  468).    Das  Bach  des  Z. 
Bozio,  welches  nach  Perrons  1,  470   Clemens  Vlll.  dem  französischen  G 
sandten  gegenüber  missbilligte  und  Bellarmin  widerlegen  wollte,  wird  AI 
Bozio's  De  temporali  Ecclesiae  monarchia  et  jnrisdictione  11.  V,  Born  1 
gewesen  sein. 

2)  Gregoire,  Ilist.  des  sectes  3,  159. 


£.  Richer.  355 

Dingen  vertheidigt,  oder,  was  bei  den  Theologen  mehr  hervor- 
tritt, die  Römischen  Anschauungen  über  die  kirchliche  Gewalt 
des  Papstes  bekämpft  und  die  Rechte  der  Bischöfe  vertheidigt 
werden.  Die  ersten  Schriftsteller  dieser  Richtung,  die  in  den 
Index  kamen,  waren  der  Theologe  Edmond  Richer  und  der  Jurist 
Simon  Vigor:  von  jenem  wurden  1(513  das  Schriftchen  über  die 
kirchliche  und  staatliche  Gewalt,  1622  sämmtliche  Werke  ver- 
boten, von  diesem  1613  eine  anonyme  Schrift,  1621  und  1622 
zwei  mit  seinem  Namen  veröffentlichte,  1684  die  Gesammtaus- 
gabe  seiner  Werke.  Einzelne  Schriften  wurden  verboten  von 
den  Juristen  Louis  Servin,  P.  Pithou,  P.  Dupuy  u.  a.,  von  den 
Theologen  Fr.  Vöron,  P.  de  Marca,  J.  Gerbais,  J.  Boileau  u.  a., 
auch  von  einem  Jesuiten,  M.  Rabardeau,  eine  im  Auftrage 
Richelieu's  geschriebene  Schrift.  —  In  Frankreich  wurden  diese 
Römischen  Censuren  nicht  anerkannt,  —  nur  die  gegen  Rabar- 
deau wurde  von  der  Assemblöe  du  Clergö  ausdrücklich  bestä- 
tigt; —  sie  hatten  aber  wenigstens  für  zwei  der  davon  Betrof- 
fenen unangenehme  Folgen.  Richer  wurde,  schon  ehe  sein 
Schriftchen  förmlich  verboten  war,  auf  Betreiben  der  Curie  seines 
Amtes  als  Syndictis  der  Sorbonne  von  der  französischen  Regie- 
rung entsetzt;  er  Hess  sich  bestimmen,  1622  eine  Art  von  Unter- 
werfungs-Erklärung zu  veröflfentlichen,  und  wurde  1629  von 
Richelieu  gezwungen,  eine  noch  weiter  gehende  zu  unterzeichnen. 
Pierre  de  Marca  aber  wurde,  als  er  1642  zum  Bischof  ernannt 
war,  unter  Hinweisung  auf  das  kurz  zuvor  erfolgte  Verbot  seines 
Buches  De  concordia  sacerdotii  et  imperii  durch  die  Index- 
Congregation  in  Rom  die  Bestätigung  verweigert  und  er  erhielt 
diese  erst,  nachdem  er  nach  langen  Verhandlungen  1647  eine 
Retractation  unterschrieben  hatte.  —  Im  spanischen  Index  stehen 
Ton  den  in  Rom  verbotenen  Büchern  dieser  Art  nur  das  Schrift- 
chen von  Richer,  zwei  Schriften  von  Pithou  und  einige  weniger 
bedeutende  andere. 

1.  E.  Richer  schrieb  für  eine  Ausgabe  der  Werke  Gereons, 
^ie  1606  zu  Paris  erschien,  eine  Vita  Gereons;  auf  seinen  Rath 
wurden  auch  Schriften  von  P.  crAilly,  Jac.  Almain  und  Job.  Major  bei- 
gefügt. Der  Nuncius  Barberini,  der  von  Riebers  Hauptgegner  in  der 
Sorbonne,  Andre  Duval,  von  dieser  der  Curie  unbequemen  Publi- 
kation hörte,  bestimmte  den  Kanzler  ßrulart  de  Sillery,  das  ganze 
«•Jahr  IGOG  hindurch  die   Erlaubniss  zum  Verkaufe  derselben  zu  ver- 


366  Gallicaner  vor  1682. 

weigern.  Richer  verfaeste  auch  eine  Apologie  Gersons  gegen  Bel- 
larmin, die  zunächst  in  Abschriften  circulirte  und  nach  einer  sehr 
ungenauen  ohne  Richers  Zuthuen  zuerst  1607  in  Italien  gedruckt 
wurde.  Eine  genaue  Ausgabe  erschien  erst  lange  nach  Richers 
Tode:  Apologia  pro  Jo.  Gersone,  pro  suprema  Ecclesiae  et  Concilii 
generalis  autoritate  et  independentia  regiae  potestatis  ab  alio  quam 
a  solo  Deo.  Adv.  scholae  Parisiensis  et  ejusdem  Doctoris  christia- 
nissimi  obtrectatores  per  E.  R.  D.  F.  P.,  Lugd.  Bat.  1676,  4.  Ein 
Auszug  aus  dieser  Apologie  ist  eine  kleine  Schrift,  welche  Richer, 
seit  1608  Syndicus  der  Sorbonne,  verfasste,  als  ihn  der  erste  Prä- 
sident des  Pariser  Parlaments,  Nie.  de  Verdun,  ersuchte,  die  Lehre 
der  Facultät  über  die  kirchliche  und  staatliche  Gewalt  kurz  dar- 
zustellen: De  potestate  ecclesiastica  et  politica,  mit  dem  Motto: 
Ecclesia  est  politia  monarchica  ad  fincm  supernaturalem  instituta 
regimine  aristocratico  (quod  omnium  Optimum  et  naturae  convenien- 
tissimum  est)  temperata  a  summo  animarum  pastore  Jesu  Christo. 
Die  Schrift  behandelt  den  Gegenstand  in  18  Capiteln  und  füllt  in 
der  ersten,  1611  ohne  den  Namen  des  Verfassers  in  300  Exem- 
plaren gedruckten  und  nicht  in  den  Buchhandel  gegebenen  Ausgabe 
nur  30  S.  4.^).  Noch  in  demselben  Jahre  erschien  ein  im  Auslande 
veranstalteter  Nachdruck,  Paris  1611,  48  S.  8.,  und  in  den  folgen- 
den Jahren  wurde  die  Schrift  wiederholt  gedruckt.  Als  Paul  V. 
von  dem  Inhalte  derselben  durch  Bellarmin  erfuhr,  wurde  er  sehr 
aufgebracht,  und  verlangte,  die  französische  Regierung  solle  ein- 
schreiten; der  Nuncius  Übaldini  drohte  Paris  zu  verlassen,  wenn 
man  das  Buch  passiren  lasse.  Richers  Gegner  in  der  Sorbonne, 
ausser  Duval  namentlich  Jean  Filesac  und  der  junge  Fr.  de  Harlay, 
Abbe  de  St.  Victor,  beantragten  die  Censurirung  der  Schrift;  aber 
das  Parlament  verbot  1.  Febr.  1612  der  Sorbonne,  darüber  zu  ver- 
handeln (Arg.  II  b  60).  Card,  du  Perron,  Erzbischof  von  Sens,  cen- 
surirte  das  Buch  gemeinschaftlich  mit  den  Bischöfen  seiner  Kirchen- 
provinz (ohne  Richer  zu  nennen.  Arg.  111  b  184;  Perrens  2,  146), 
und  der  Bischof  von  Paris  und  andere  Bischöfe  Hessen  diese  Cen- 
sur  von  den  Kanzeln  verlesen.  Paul  V.  war  mit  derselben  nicht 
ganz  zufrieden,  weil  darin  gesagt  war,  das  Buch  werde  verdammt 
„unbeschadet  der  Rechte  des  Königs  und  der  französischen  Krone 
und  der  Rechte,  Immunitäten  und  Freiheiten  der  gallicanischeii  ^ 
Kirche,"  belobte  aber  gleichwohl  die  Bischöfe  in  einem  Breve  voui  m 
2.  Mai  1612,  dass  sie  librum  perniciosa  doctrina  pravisque  dogma — 
tibus  refertum  verdammt  hätten  (Arg.  III  b  187).  Richer  reichti 
gegen  die  Censur  der  Bischöfe  einen  Appel  comme  d'abus  ein;  der 
selbe  wurde  aber  nicht  angenommen  (Arg.  III  b  184).  In  der  So 
bonne  agitirten  seine  Gegner   für  seine  Entfernung    vom    Syndica 


1)  Daher  der  Titel  der  Schrift  Notae  stigmaticae  in  magistrum  t- 
ginta  paginarum,  auct.  Jo.  Cosmo  Fabricio,  Frcf.  1612,  4..  deren  Aui<~'^  r- 
sohaft  Sirmond  anfangs  ableugnete,  aber  20  Jahre  später  «ingesteb  ^?ö 
musate.  Prat  3,  348. 


J 


E.  Richer.  367 

man  suchte  ihn  vergeblich  zum  Kücktritt  zu  bewegen;  am  1. 
Sept.  1612  wurde  von  der  Regierung  die  Wahl  eines  neuen  Syn- 
dicus  angeordnet;  sie  fiel  auf  Filesac  (Arg.  IIb  58.  299).  Der 
Papst  belobte  in  Breven  vom  26.  Sep.  1612  den  Prinzen  von  Conde 
und  den  Grafen  von  Soissons,  dass  sie  dafür  gesorgt,  ut  regia  auc- 
toritate  deponeretur  Richerius,  qui  adeo  male  sentiebat  de  ecclesia- 
stica  potestate  (Arg.  III  b  188).  Der  Nuncius  Ubaldini  schlug  so- 
gar vor,  Richer  gefangen  zu  setzen  oder  nach  Rom  zu  schicken. 
Er  wurde  wirklich  auf  Betreiben  des  Herzogs  von  Epernon  ver- 
haftet, aber  auf  den  Antrag  der  Universität  vom  Parlamente  bald 
wieder  in  Freiheit  gesetzt. 

In  einem  Decrete  der  Index-Congr.  vom  10.  Mai  1613  wurde 
verhoten:  De  ecclesiastica    et   politica    potestate,    Par.  1611  absque 
nomine  auctoris,  am  2.  Dec.   1622  :    Edmundi  Richeri  opera.    Cujus 
est  ctiam  liber  quidam  anonymus,  jam  alias  prohibitus  et  qui  denuo 
modo  prohibetur,    inscriptus    De  eccl.  etc.    (folgt  der  Titel  mit  dem 
Motto).     Ein  Buch  mit  dem  Titel  Edmundi  Richeri   opera  war   vor 
1622  nicht  erschienen;  das  Verbot  bezieht  sich  also  auf  die  einzeln 
erschienenen    kleinen  Schriften,    —    die    älteren    können    ausser  der 
Apologie  für   Gerson  kaum  Anstoss  erregt  haben,  und  seit  1613  war 
nur  Censura  S.    Fac.  Theol.  Par.  in    4  libros    priores    de   rep.  eccl. 
auct.  M.  A.  de    Dominis    (mit  Noten   von  Richer),    1618,    62  S.  4., 
erschienen,    —    und  ist  um  so  auffallender,    als  R.    seit  seiner  Ent- 
fernung vom  Syndicate  ganz  zurückgezogen   gelebt    und    sich   1620 
durch    den  Card,   de  Retz  hatte  hestimmen    lassen,    eine  Erklärung 
abzugeben  des  Inhalts:    er   unterwerfe    sich    und    seine  Schrift    und 
seine  ganze  Lehre  dem  ürtheil    des    apostolischen  Stuhles    und  der 
Kirche  und  bedauere,    dass    einige  Sätze  seiner  Schrift  gegen    seine 
Absicht  so  verstanden  worden  seien,     als    ob    er   der  rechtmässigen 
Autorität  des  Papstes  und  der  Bischöfe    zu  nahe  trete;    er  sei  gern 
bereit,  dieselben  im  guten  und  katholischen  Sinne  zu  erklären  (Arg. 
JI  b  301).     Diese  F^rklärung  wiederholte  er  30.  Juni  .1622  und  ver- 
öffentlichte   sie  (Arg.  III  b   187).   Da  aber  seine  Gegner  damit  nicht 
asufrieden  waren,  so  fügte  er  seinem  schon  1613  geschriebenen  Testa- 
lueDte  unter  dem  30.  Aug.  1625  einen  Zusatz  hei,  worin  es  heisst: 
,,Da  zu  fürchten  ist,  dass  man  Richer  zu  einer  Retractation  zwingen 
vrill,  die  seine  Feinde  oft  durch  Gewalt  und  Drohung  zu  erpressen 
gesucht  haben,  so  erklärt  er:  wenn  er  sich  vielleicht  in  eine  solche 
fiedrängniss  (extremites)  versetzt  finden  sollte,  dass  er  sich  genöthigt 
8ähe,    sein  Buch  abzuschwören    oder   etwas    zu    unterzeichnen,    was 
mit   seiner  Erklärung    von    1622    in    Widerspruch  stände,    so  desa- 
'Vouirt  er  eine  solche  Erklärung    als  erzwungen,    erklärt  in    voraus 
^lles   für  falsch,  unterschoben  und  nichtig,  was  man  in  diesem  Sinne 
onter   seinem  Namen  veröffentlichen  mag,    und    wünscht,    dass   man 
ihm   keinen  Glauben  beimesse,  falls  ihm  nicht  zuvor,  wie  er  wieder- 
liolt  verlangt  hat,  gestattet  wird,  die  Sätze  seines  Buches  schriftlich 
XU  erklären"   (Arg.  II  b  302).    Card.  Richelieu,  —  dem  ürban  VIII. 
<ien  Cardinalshut  für  seinen  Bruder  versprochen  haben  soll,  wenn  er, 
ciusser  anderen  Bedingungen,  eine  Retractation  Richers  beschaffe,  — 


358  Gallicaner  vor  1682. 

brachte  ihn  wirklich  dazu,  dasß  er  in  seiner,  des  Pfarrers  Talon 
und  des  hekannten  Capucinerpaters  Joseph  Gegenwart  7.  Dec.  1629 
eine  Erklärung  unterschrieb,  worin  er  zu  der  vom  J.  1622  folgen- 
den Zusatz  macht:  „Ich  unterwerfe  mein  Buch  und  alle  Sätze  des- 
selben und  ihre  Deutung  und  meine  ganze  Lehre  dem  Urtheil  der 
römisch-kath.  Kirche  und  der  Sedes  apostolica,  die  ich  als  Mutter 
und  Lehrerin  aller  Kirchen  und  als  unfehlbare  Richterin  der  Wahr- 
heit anerkenne;  quas  quidem  propositiones,  quatenus  Ecclesiae  cath., 
apost.  et  Romanae  judicio,  ut  sonant,  contrarias  vehementer  improbo 
et  condemno  (Arg.  II  b  302 ;  was  Baillet  u.  a.  von  einer  Bedrohung 
Richers  hei  P.  Joseph  durch  zwei  Männer  mit  Dolchen  erzählen, 
erklärt  Perrens  2,  438  für  eine  Fabel).  Am  24.  Dec.  1629  schrieb 
Richer  als  Codicill  zu  seinem  Testamente  eine  ausführliche  Ver- 
theidigung  seiner  Schrift  nieder  (Arg.  IIb  303). 

Lange  nach  seinem  Tode  (28.  Nov.  1631)  wurde  von  ihm 
veröffentlicht:  Historia  conciliorum  generalium,  Köln  1680  u.  s., 
3  Bände,  verb.  durch  ein  Breve  Innocenz'  XI.  vom  17.  März  1681. 
Im  J.  1670  erschien  zu  Paris:  E.  Richeri  libellus  de  eccl.  et  pol. 
pot.  necnon  ejusdem  libelli  per  eundem  Richerum  demonstratio,  dann 
zu  Köln  1701  (von  dem  Benedictiner  Thierry  de  Viaixnes  heraus- 
gegeben) De  pot.  eccl.  et  pol.  E.  Richeri  libellus  nee  non  ejusd. 
lib.  per  eund.  R.  dem.  Nova  editio  aucta  ejusd.  libelli  defensione 
nunc  primum  typis  edita  ex  manuscripto  ejusd.  authoris,  in  duos 
tomos  divisa;  cum  aliis  quibusd.  opusculis,  2  vol.  4.  (Dict.  Jans. 
3,  261).  Diese  Ausgabe  ist  ohne  Zweifel  gemeint  mit  E.  Richeri 
Dr.  Theol.  Paris,  lib.  de  eccl.  et  pol.  pot ,  Col.  1703,  in  dem  Index- 
Decrete  vom  4.  März  1709.  Seit  Ben.  steht  mit  diesem  Datum  im 
Index:  Demonstratio  libelli  etc.  —  Dagegen  stehen  auffallender 
Weise  nicht  im  Index:  Traite  des  appellations  comme  d'abus  (1625 
—26  verfasst),  Par.  1763,  2  vol.  12.  (Schulte  3,  1,  578;  ein  Aus- 
zug daraus  in  Dupins  Manuel),  und  Histoire  du  Sindicat  d'Edmond 
Richer  par  E.  R.  lui-meme,  Avignon(!)  1753,*  419  S.  12.  — 
Im  span.  Index   steht    von  Richer    nur   De  eccl.  et  pol.  pot.  ^). 

Gegen  Richer  schrieb  Andre  Duval  (er  hat  den  Namen  Riebe- 
ristes aufgebracht):  Libelli  de  ecclesiastiea  et  politica  potestate  Elen- 
chus  pro  suprema  Romani  Pontificis  in  Eccl.  authoritate,  Paris  1612, 
160  S.  8.  In  Rom  war  man  mit  dieser  Widerlegung  nicht  sehr  zu- 
frieden. Die  Inquisition  beschloss  Per.  Y.  12.  April  1612,  Duval 
auffordern  zu  lassen,  einige  Stellen  seines  Buches  zu  corrigiren,  und 
im  März  1613  übersandte  der  Nuncius  übaldini  ein  Exemplar  der 
2.  Auflage,  welche  genau  nach  den  Weisungen  der  Inq.  geändert 
war.  Namentlich  waren  einige  die  päpstliche  Unfehlbarkeit  betreffende 
Stellen  corrigirt,  z.  B.  der  Satz:  „Es  ist  nicht  de  fide,  dass  der 
Papst  unfehlbar  sei,  aber  es  ist  die  sicherere  und  wahrschein- 
lichere Ansicht,   dass  er    unfehlbar  sei,   wenn  er  als  Papst  handelt" 


1)  Laur.  Fr.  X.  Veith  erhielt  für  sein  etwas  verspätetes  E.  Richeri 
systcma  confutatum,  Augsb.  1783,  von  Pius  VI.  ein  Belobungsbreve. 


A.  Duval.  S.  Vigor.  L.  Servin.  859 

in:  ,,Es  ist  noch  nicht  definirt,  dass  der  Papst  unfehlbar  sei;  gleichwohl 
ist  es  sicher,  dass  er  unfehlbar  ist,  wenn  er  als  Papst  handelt"^). 

2.  Mit  der  Verdammung  der  Schriften  Richers  hängt  zusam- 
men die  der  Schriften  der  Juristen  Simon  Vigor  und  Louis  Servin. 
Von  ersterm,  einem  Neffen  des  Erzbischofs  von  Narbonne,  Con- 
seiller  au  grand  conseil  (1555 — 1624),  ist  die  Schrift,  die  1613  in 
demselben  Decret  wie  Richers  Schriftchen  verboten  wurde:  Ex  re- 
sponsione  synodali  data  Basileae  oratoribus  D.  Eugenii  P.  IV.  in 
congregatione  generali  3.  Non.  Sept.  1432  [Hefele,  Conc.-Gesch.  7, 
487]  pars  praecipua  et  in  eam  commentarius,  Coloniae  sumptibus 
Theophili  Franci  [Paris]  1613  absque  nomine  authoris.  Duval 
schrieb  dagegen:  De  suprema  Rom.  Pontificum  in  Eccl.  potestate 
adv.  Vigorium  JC,  1613.  Vigor  antwortete  sogleich  in  der  Apolo- 
gia  de  suprema  Ecclesiae  auctoritate  adv.  Mag.  Andr.  Duval,  Paris 
1613,  verb.  1021.  —  Gegen  die  Apologia  schrieb  Theophraste 
Bouju,  Aumonier  des  Königs,  früher  Secretär  des  Grafen  von  Sois- 
sons,  unter  dem  Namen  Beanlieu  Defense  pour  la  hierarchie  de 
TEglise  et  de  N.  S.  P.  le  Pape,  1613  (auch  latein.).  Vigor  ant- 
wortete in  De  l'estat  et  gouvernement  de  l'Egl.,  divise  en  4  livres : 
1.  de  la  monarchie  eccl^siastique  ;  2.  de  Vinfaillibilitä;  3.  de  la 
discipline  eccl.;  4.  des  conciles.  Avec  r6ponse  au  livre  de  Th. 
Bouju  dit  Beaulieu  de  la  Defense  ...  et  6pistre  sur  la  justification 
de  Durand,  1621.  4.,  verb.  1622.  Die  drei  genannten  Schriften  von 
Vigor  und  seine  Assertio  fidei  catholicae  ex  quatuor  prioribus  con- 
ciliis  oecumenicis  erschienen  als  S.  Vigorii  opera  omnia  in  4  tomos 
distributa,  Par.  1683,*  zusammen  ein  massiger  Quartband,  verb.  1684. 

Louis  Servin,  unter  Heinrich  IV.  und  Maria  von  Medici  Ge- 
neral-Advocat,  t  1626,  war  ein  eifriger  Gegner  der  Ultramontanen 
und  Jesuiten.  Als  1613  eine  Sammlung  seiner  Plaidoyez  in  4 
Bänden  8.  erschien,  schickte  sie  der  Nuncius  Ubaldini,  wahrschein- 
lich durch  die  gute  Gesinnung,  welche  der  Hof  in  der  Sache  Richers 
bekundet,  zum  Vorgehen  gegen  einen  andern  hochgestellten  Galli- 
caner  ermuthigt,  gleich  nach  Rom,  und  schon  im  Dec.  1613  sandte 
Card.  Borghese  ein  Verzeichniss  der  Irrthümer,  die  man  dort  darin 
gefunden,  mit  dem  Verlangen,  Servin  solle  retractiren.  Servin  dankte 
dafür,  dass  das  Sanctum  Officium  (die  Index-Congr.  wird  gemeint 
sein)  die  Censur  verschoben,  verlangte  aber  zunächst  Zeit  zum  Corri- 
giren;    dann  sagte   er,    man    habe    seine    Sätze   missverstanden,    er 


1)  Michaud  4,  172.  1614  erschien  eine  neue  Ausgabe  von  Duvals 
Schrift,  worin  er  das  Baseler  Concil  als  conciliabulum,  den  Papst  als  un- 
fehlbar, die  Appellation  vom  Papste  an  ein  allgemeines  Concil  als  unzu- 
lässig ]»ezeichiict.  Trotzdem  war  man  in  Rom  mit  der  Schrift  unzufrie- 
den, weil  doch  einige  gallicanische  Sätze  darin  vorkamen  (Perrens  2,  223). 
Auch  Georg  Froger,  Dr.  Sorb.,  Hess  eine  Gegenschrift  als  Manuscript 
drucken:  er  fand  Widerspruch,  weil  er  zu  viel  concedirte,  und  zog  die 
Schrift  zurück.  Ein  Stück  daraus  wurde  mit  den  Verhandlungen  über 
Becanus  gedruckt;  Mellini  verlangte  Bestrafung  des  Verfassers  (Druckers?). 
Perrens  2,  218. 


8B0  GallicaiuT  vor  lf.82. 

werde  «ie  in  anderen  Plaidoyers  besser  entwickeln,  zurücknehmen 
werde  er  nichts.  So  berichtete  T'baldini  an  Card.  Meilini,  den 
Präfecten  der  Index-Congr.  28.  Aug.  1614  M.  Erst  1622  verbot 
diese  mit  d.  c.  Lud.  Servini  actiones  forenses  gallico  sermone  4  tomis 
comprehensae  (erst  seit  Ben.  steht  der  französische  Titel  im  Index). 
—  1622  wurde  auch  mit  d.  c.  verb.  Antonii  Fabricii  Bleyniani 
(Prof.  in  Valence)  In  theoriam  et  praxin  beneficiorum  eccl.  metho- 
dica  et  familiaris  introductio,  1660,  4.  (Schulte  S.  582). 

3.  Durch  Decrete  vom  J.  1623  (Alex.  No.  26.  27)  kam  eine 
ganze  Reihe  von  französischen  Juristen  in  den  Index,  nämlich  ausser 
Fr.  Juretus  und  P.  Mathieu  (s.  o.)  mit  d.  c:  Barth,  (seit  Ben.  rich- 
tig Benigne)  Milletot,  Traite  du  delict  commun  et  cas  privilegie 
ou  de  la  puissance  legitime  des  juges  seculiers  sur  les  personnes 
ecclesiastiques,  1611  u.  s.;  der  Verfasser,  Parlamentsrath  in  Dijon, 
war  ein  Freund  des  h.  Franz  von  Sales,  der  das  Verbot  des  Bnches 
zu  hintertreiben  suchte  (Morery,  Suppl.);  —  Laurentii  Bochelli 
(Bouchel,  Parlamentsadvocat,  tl629)  Decretorum  Ecclesiae  gallieanae 
libri  VIII,  Paris  1609  (und  1621),  Fol.,  ein  Codex  juris  gallicani, 
im  4.  Buche  ein  Tractatus  de  juribus  et  libertatibus  Eccl.  gall.  (in 
dem  Decrete  No.  27  hcisst  es :  Dccreta  Eccl.  gall.,  multa  alia  etiam 
ejus  additamenta  immixta  continens ;  bei  Sot.  unbedingt  verb.).  — 
Unbedingt  wurden  verb.  Opnscula  duo  incerti  cujusdam  auctoris 
de  libertate  Ecclesiae  gall.  insertÄ  operibus  Petri  Pithoei  (ähnlich 
Sot.).  Erst  seit  Ben.  steht  dafür:  Ecclesiae  gall.  in  schismate  Sta- 
tus sive  seorsim  sive  insertus  operibus  Petri  Pithoei,  und  Les  libertez 
de  TEgl.  gall.  sive  seorsim  sive  cum  op.  P.  P.  Beide  sollten  unter 
P.  Pithoeus  stehen;  denn  in  dessen  Opera,  Paris  1609.  findet  sich 
p.  511—534  die  zweite  Schrift,  p.  535 — 697  die  erste:  Ecclesiae 
.  .  .  Status.  Ex  actis  publicis.  Estat  de  TEgl.  gall.  durant  le 
schisme.  Letzteres  sind  nur  Actenstücke  von  Carl  VL  bis  Hein- 
rich IL,  crsteres  ist  Pithou's  (1535  —  96)  berühmtes  Schriftchen, 
Les  libertez  de  TEglise  gallioane,  rcdigees  cn  83  articles,  welches 
zuerst  1594  mit  einer  Dedication  an  Heinrich  IV.  (nur  27  S.  8.), 
dann  wiederholt  gedruckt  war,  in  Frankreich  als  ein  Meisterstück 
angesehen  und  le  code  des  parlementa  wurde  (Prat  3,  338),  nament- 
lich unter  Heinrich  IV.  und  Ludwig  XIII.  „das  Gesetz  und  die 
Propheten"  der  französischen  Juristen  war  (Perrens  1,  137),  .von 
d'Aguesseau  als  Palladium  de  la  France  bezeichnet  wird  und  mit 
einem  kurzen  Commentar  den  ersten  Theil  von  Dupins  Manuel  (1824 
u.  s.)  bildet.  —  1636  und  1639  gab  ein  Freund  Pithou's,  Pierre 
Dupuy  (15^2 — 1651)  unter  Mitwirkung  seines  Bruders  Jacques  zwei 
Sammelwerke  in  je  2  Fol.  heraus:  Traitez  des  droits  et  libertez  de 
TEglise    gallicane    und  Preuves   des  libertez    de  TEgl.    gall.  (beide 


1)  Perrens  2,  216.  Prat  3,  585.  L'Estoile  in  den  Nouv.  Coli,  dt-s 
Mem.  (Michaud)  15,  362  berichtet  unter  16.  Febr.  1604,  die  Sorbonne 
habe  die  zu  Paris  gedruckten  Plaidoyers  et  arreta  de  Servin  (also  eine  altere 
Sammlung)  censurirt. 


L.  Bochellus.  P.  Pithou.  P.  Dupuy  u.  a.  861 

auch  1651  und  vermehrt  1731).  Das  erste  dieser  Werke  wird  in 
dem  Decrete  vom  26.  Oct.  1640  mit  Traitez  des  droits  et  lib.  de 
PEgl.  gall.  Par  M.  Pierre  Pithou  gemeint  sein.  Es  steht  noch 
heute  unter  Pithou,  obschon  es  ausser  dessen  Traite  noch  18  andere 
Tractate,  auch  den  von  Milletot  enthält.  —  Dupuy's  Sammelwerke 
wurden  von  den  1639  zu  Paris  versammelten  Prälaten  in  einem 
Schreiben  an  den  französischen  Episcopat  verdammt,  auf  Betreiben 
des  Nuncius  auch  von  Richelieu,  weil  sie  ohne  Privileg  erschienen 
seien,  verboten,  der  Verkauf  aber  geduldet^).  Der  Commentaire  de 
M.  du  Puy  sur  le  Trait^  de  TEgl.  gall.  par  M.  P.  Pithou  avec  trois 
autres  traites,  Par.  1652  (Nouv.  Ed.,  von  Lenglet  du  Fresnoy,  Par. 
1715,    2  vol.;    Baumg.  4,  271.  440),  steht  nicht  im  Index. 

1625  wurden  verb.:  Trattato  delle  appellazioni  nelle  materie 
ecclesiastiche  per  il  capo  di  abuso,  tradotto  dal  francese  da  Maso 
degli  Albizzi  Fiorentino,  Lyon  1624  (auch  bei  Sot.),  und  HistDria 
pontiiiciae  jurisdictionis  [ex  antiquo,  medio  et  novo  usu  .  .  .  adhi- 
bita  praxi  forensi  Galliae,  Hispaniae  .  .  .]  Auct.  Michaele  Koussel, 
Par.  1625  (auch  bei  Sot.).  Von  diesem  Buche  sagt  Zacc.  p.  318: 
es  wäre  zu  wünschen,  dass  die  fremden  Juristen  nicht  weiter  ge- 
gangen waren  als  Roussel;  es  komme  aber  auch  bei  ihm  manches 
Verwerfliche  vor,  bittere  Bemerkungen  über  Leo  X.  und  die  Con- 
cordate,  unrichtige  Sätze  über  Appellationen,  über  die  Berufung  der 
Concilien  (er  lasse  es  z.  B.  unentschieden,  ob  das  Apostelconcil  von 
Petrus  oder  von  Jacobus  berufen  worden)  n.  s.  w.  —  1627  wurden 
verb.  Gerardi  de  Mavnard  Illustres  controversiae  forenses  .  .  in 
Senatu  Tholosano  decisae,  e  gallico  sermone  in  lat.  translatae  et 
additionibus  .  .  .  auctae  a  Hieron.  Brucknero,  mit  der  Motivirung: 
in  qua  collectione  multa  falsa  dictus  Gerardus  sicut  et  in  additioni- 
bus quoque  Brucknerus  ex  propria  sententia  addunt  et  asserunt. 
Bei  Sot.  werden  die  Decisiones  novae  Tholosanae,  quas  collegit  .  .  . 
G.  de  Maynard  .  .  .  ,  transtulit  H.  Brückner,  Frcf.  1610,  2  Fol., 
expurgirt,  aber  fast  nur  Bemerkungen  von  Brückner  gestrichen. 
Von  den  Decisiones  des  Parlaments  von  Toulouse  wird  nur  eine 
(4,  100)  gestrichen,  mit  der  Ueberschrift :  Ecclesiastici  Jurisdictionen! 
Ruam  in  rebus  saecularibus  per  varias  molitiones  auxerunt,  und  zu 
einer,  2,  27,  über  üsura,  ein  Caute  lege  beigefügt.  Brückners  Be- 
merkung p.  16:  consuetudine  in  Galliis  recepta  illud  appellationum 
tanquam  ab  abusu  remedium  adv.  ecclesiasticorum  in  jura  regia  usur- 
pationes  ibidem  introductum  wird  nicht  gestrichen,  sondern  nur  die 
weitere  Bemerkung  über  das  Recht  der  protestantischen  Fürsten, 
durch  die  Consistorien  über  geistliche  Dinge  zu  entscheiden. 

Nach    einer  längern  Pause  wurde  1642  verb.    De  la  primaute 
en  TEglise  ou  de  la  hi^rarchie  d'icelle  [pour  reponse  abr6gie  et  par 


1)  Arg.  III  b  244.  A.  J.  F.  22.  752.  Perrens  2,  452.  Das  Schreiben 
^er  Prälaten  und  das  Arret  du  Conseil  prive  sind  mit  einer  Apologie  von 
I)upuy  in  der  Ausgabe  der  Traitez  von  1731  abgedr. 


362  Gallicauer  vor  1682. 

avance  au  gros  volume  du  Öieur  Blondel  de  mßme  titre].  Par  Fran- 
gois  Veron,  Lecteur  et  Predicateur  du  Roy  pour  les  controveraes 
(1575—1649;  1505  —  1620  war  er  Jesuit),  Par.  1641,  8.,  — 
gegen  ein  Buch  von  D.  Blondel,  das  vor  1757  nicht  verb.  war: 
De  la  primaute  de  TEglise.  Traite  oü  sont  confront^s  avec  la  r6- 
ponBe  du  Ser.  Roy  de  la  Gr.  Bretagne  les  Annales  du  Card.  Baro- 
nius,  les  Controverses  du  Card.  Bellarmin,  la  Reponse  du  Card,  du 
Perron  etc.,  Genf  1641,  1268  S.  Fol. 

4.  Um  1640  ging  das  Gerücht,  Richelieu  beabsichtige,  ein 
französisches  Patriarchat  zu  gründen  und  so  die  französische  Kirche 
von  Rom  unabhängiger  und  natürlich  noch  mehr  von  sich  .und  der 
französischen  Krone  abhängig  zu  machen^).  Richelieu  soll  selbst 
zu  dem  Gerüchte  Anlass  gegeben  haben,  nicht  als  ob  er  wirklich 
einen  solchen  Plan  gehabt,  sondern  um  die  Curie  einzuschüchtern, 
—  «von  einem  Patriarchate  war  übrigens  schon  1594  die  Rede  ge- 
wesen (Thuanus  116,  18)  und  wurde  auch  nochmals  1681  ge- 
sprochen; —  in  Rom  soll  man  durch  die  Berichte  des  Nuncius 
ernstlich  beunruhigt  worden  sein.  Da  erschien  zu  Paris  1640  eine 
bittere  Satire  auf  dieses  Project:  Optati  Galli  de  cavendo  schis- 
mate  liber  paraeneticus  (an  die  französichen  Bischöfe  gerichtet),  39  S. 
8.  Der  Verfasser  war  Claude  Hersent  (Hersan),  Doctor  der  Sor- 
bonne; allem  Anscheine  nach  hatte  er  im  Auftrage  oder  mit  Vor- 
wissen des  Nuncius  geschrieben.  Auf  Betreiben  Richelieu's  Hess 
das  Parlament  die  Broschüre  alsbald  verbrennen,  und  der  Erzbischof 
de  Gondi  und  die  Bischöfe  seiner  Kirchenprovinz  verdammten  sie. 
Auf  Ersuchen  Richelieu's  verfassten  mehrere  Gelehrte,  u.  a.  Isaac 
Habert,  Nie.  Rigault,  Jean  Sirmond,  Entgegnungen  (Backer  1,  597). 
Am  meisten  Aufsehen  erregte  unter  diesen  Gegenschriften  Michaelis 
Rabardei  e  S.  J.  Aurelian.  Optatus  Gallus  de  cavendo  schismate 
benigna  manu  sectus  tarde,  sed  aliquando.  u^vtoc:  €(jpa.  Par.  1641, 
4*.  Es  wird  darin  nicht  nur  bestritten,  dass  in  Frankreich  die 
kirchliche  Immunität  durch  die  weltliche  Gewalt  beeinträchtigt  werde, 
und  das  von  der  Geistlichkeit  für  den  König  verlangte  Subsidium 
und  das  Edict  über  Ehesachen  vertheidigt,  sondern  auch  bei  der 
Widerlegung  der  Anklage,  dass  Card.  Richelieu  auf  ein  Schisma 
hinarbeite,  behauptet,  die  Errichtung  eines  Patriarchates  würde  un- 
bedenklich und  ohne  Zustimmung  Roms  zulässig  sein,  wie  ja  auch 
die  Patriarchate  von  Jerusalem  und  Constantinopel  ohne  eine  solche 
entstanden  seien.  Und  das  trug  ein  Jesuit  mit  Nennung  seines 
Namens  und  mit  Approbation  seiner  Oberen  vor!  denn  in  der  Vor- 
rede sagt  Rabardeau,  er  sei  ira  Sommer  1640  von  seinen  Oberen 
beauftragt  worden,  den  Optatus  Gallus  zu  widerlegen;  diese  hätten 
dann  freilich  nach  dem  Erscheinen  anderer  Widerlegungen  die  Ver- 
öffentlichung der  seinigen  für  unnöthig  gehalten ;  ein  gelehrter  Theo- 
loge  aber,  dem  er  sein  Manuscript  gezeigt,  habe  dasselbe  bei  einem 


l)  Perrens  2,  450.    R.  Simon,    Lcttres  1,  255.    Sainjorc,  Biblioth.  2, 
350.  A.  E.  1701,  124.    Morery,    Suppl.  s.  v.  Hersent. 


Fr.  Veron.  M.  Rabardeau.  S63 

ocbgestellten  Manne  gelobt  und  dieser  babe  den  Druck  befohlen^). 
)ann  folgt  die  Approbation  des  Provinzials  vom  9.  Aug.  1641,  er- 
beilt auf  Grund  der  im  Juni  gescbriebenen  Gutbeissung  durcb  zwei 
esuiten.  —  Erst  nacb  dem  Tode  Ricbelieu's  (4.  Dec.  1642)  wurde 
as  Bucb  durcb  ein  besonderes  Decret  der  Inquisition,  Fer.  IV. 
8.  März  1643  (Alex.  No.  50)  verboten,  worin  es  heisst:  das  Buch 
ei  der  Inq.  als  ein  solches  denuncirt  worden,  welches  viele  Sätze 
nthalte,  die  in  der  Kirche  Gottes  grosses  Aergerniss  hervorrufen 
önnten  und  ein  Schisma  nicht  so  sehr  zu  beseitigen  als  zu  be- 
ünstigen  geeignet  seien;  die  Inq.  habe  bei  der  auf  Befehl  des 
^apstes  angestellten  Prüfung  erkannt,  dass  es  viele  Sätze  enthalte, 
ie  respective  temerär,  är^ernissgebend,  .  .  .  gottlos,  die  päpstliche 
fcwalt  gänzlich  zerstörend,  der  kirchlichen  Immunität  und  Freiheit 
uwider,  den  Ketzereien  der  Neuerer  sich  annähernd,  dogmatisch 
rrig  und  offenbar  ketzerisch  seien;  demgemäss  werde  es  bei  den  im 
?rienter  Concil  und  im  Index  angedrohten  Strafen  verboten.  Dieses 
)6cret  wurde  von  der  Assemblöe  du  Clerge  16.  Sept.  1645  appro- 
>irt  (Arg.  III  b  248.  Die  Angabe  p.  244,  [Hersents]  Optatus  Gal- 
U8  sei  von  der  Inq.  verboten  worden,  ist  unrichtig  und  beruht  auf 
iner  Verwechselung  mit  Rabardeau). 

Hersent  kam  später  als  Vertheidiger  des  Jansenius  in  Rom  in 
Jngelegenheiten.  Er  vertheilte  1645  in  Rom  eine  Denkschrift,  wo- 
in  er  behauptete,  Jansenius  trage  nur  die  Lehre  des  h.  Paulus  und 
les  h.  Augustinus  vor  (Super  Bulla  Urbani  VIII.  adv.  Jansenium 
it  libro  Arnaldi  admonitiones  quaedam  S.  D.  N.  Innocentio  pro 
nemoriali  offerendae,  unterschrieben:  Cl.  Hersent,  Dr.  Theol.  et 
ilegis  Christ,  concionator  Ordinarius).  Das  Hess  man  hingehen;  als 
tr  aber  1650  eine  in  Gegenwart  mehrerer  Cardinäle  in  der  Kirche 
lU  Louis  gehaltene  Predigt  mit  einer  Dedication  an  Innocenz  X., 
n  der  ähnliche  Dinge  vorkamen,  drucken  Hess  (L'empire  de  Dieu 
lans  les  Saints  ou  bien  T^loge  de  St.  Louis,  Rom  1650,  Par.  1651), 
itirte  ihn  die  Inquisition  und  wollte  ihn  verhaften  lassen;  er  ent- 
lob aber  und  wurde  nun,  weil  er  der  Citation  keine  Folge  ge- 
eistet, excommunicirt.  Der  Dominicaner  du  Faur,  welcher  im  Auf- 
rage des  Mag.  S.  P.  die  Predigt  censirt  und  approbirt  hatte,  wurde 
n  der  Minerva  in  Haft  gehalten,  entschuldigte  sich  aber  damit,  es 
;ei  ihm  nur  die  Predigt  selbst,    in   der  die  Inq.  nichts  Anstössiges 


1)  Das  yfiTof  f(fa  soll  nach  Arnauld  30,  160  andeuten,  dass  das 
3uch  auf  Richelieu's  Geheiss  erschienen.  Cret.-Joly  3,  847  sagt:  Richelieu 
iahe  sehr  schlau  gehandelt,  indem  er,  pour  combattre  Rome,  il  s'etait 
>mpare  de  son  bouclicr  (der  Jesuiten),  und  versichert,  die  französischen 
fesuiteu  hätten  sich  der  Doctrin  Rabardeau's  nicht  angeschlossen,  die 
ilömischen,  englischen  und  spanischen  Jesuiten  hätten  sie  zurückgewiesen. 
Raynaud  (Eroteni.  203;  die  Stelle  gehört  mit  zu  denen,  wegen  deren  das 
Buch  mit  d.  c.  verboten  wurde)  sagt:  das  Buch  sei  wegen  vieler  augen- 
jcheinlicher  Ketzereien  verdammt  worden;  die  schlimmste  Ketzerei,  die 
man  ihm  vorgeworfen,  sei  die  gewesen,  dass  er  bezweifelt,  ob  Salomo  ein 
canouischer  Schriftsteller  sei,  was  man  aus  den  Worten  geschlossen :  Salomo, 
ut  opinor,  scriptor  canouicus. 


364  Gallicaner  vor  1682. 

fand,  nicht  die  Widmung  an  den  Papst  vorgelegt  worden.  Albizzi, 
der  in  dieser  Affaire  die  Hauptrolle  Rpielte,  verlangte,  Hersent  »olle 
nach  Rom  kommen  und  die  Predigt  durch  eine  andere  retractiren, 
dann,  Hersent  solle  vor  dem  Nuncius  in  Paris  erklären,  dass  er 
sich  dem  Papste  unterwerfe  und  allen  jansenistischen  Meinungen 
entsage;  dann  wolle  er  sehen,  was  sich  für  ihn  thuen  lasse ^). 
Weiteres  ist  nicht  bekannt.    In  den  Index  kam  die  Predigt  nicht. 

5.  Mit  der  durch  den  Optatus  Gallus  hervorgerufenen  Con- 
troverse  hängt  auch  das  Buch  von  Pierre  de  Marca  De  coneordia 
sacerdotii  et  imperii  seu  de  libertatibus  Ecclesiae  gallicanae  11.  VIII 
zusammen^).  Optatus  Gallus  hatte  auch  gegen  das  Werk  von  Dupuy 
polemisirt  und  behauptet,  die  Errichtung  eines  französischen  Patriarcha- 
tes würde  nur  die  letzte  Consequenz  der  gallicanischen  Freiheiten  sein, 
wie  sie  Dupuy  darlege,  und  wenn  er  dabei  andeutete,  Richelieu  habe 
einen  bedeutenden  Mann  gewonnen,  um  das  Project  des  Patriarchates 
zu  vertheidigen,  so  bezog  man  das  auf  Marca,  geb.  1594,  seit  1621 
Präsident  des  Parlaments  zu  Pau,  seit  1 639  Mitglied  des  Staatsrathes. 
Diesem  ertheilte  darauf  der  König  den  Auftrag,  den  Optatus  Gal- 
lus zu  widerlegen  und  zu  zeigen,  dass  die  gallicanischen  Freiheiten 
und  die  schuldige  Achtung  vor  dem  h.  Stuhle  wohl  vereinbar,  ja 
dass  jene,  richtig  verstanden,  das  rechte  Mittel  seien,  um  die  Ein- 
tracht zwischen  den  beiden  Gewalten  zu  sichern.  1641  erschienen 
die  vier  ersten  Bücher  des  Werkes,  welche  von  der  Anctorität  des 
Papstes  und  des  weltlichen  Fürsten,  von  den  Freiheiten  der  galli- 
canischen Kirche,  der  Ausführung  der  Disciplinargesetze  nnd  der 
königlichen  custodia  canonum  et  legum  ecclesiasticamm  handeln. 
(Die  Beifügung  der  Worte  seu  de  Hb.  Eccl.  gall.  auf  dem  Titel- 
blatte hatte  der  Verleger  des  Absatzes  wegen  verlangt.)  Der  Ora- 
torianer  Jean  Morin  schickte  das  Buch  dem  Card.  Franc.  Barberini 
mit  der  naiven  Bemerkung,  es  enthalte  eine  gute  Vertheidigung  des 
h.  Stuhles.  Barberini  gab  es  dem  Assessor  des  h.  Officinms  Franc. 
Albizzi.  Dieser  lobte  die  theologische  Gelehrsamkeit  und  ciceronia- 
nische  Beredsamkeit  des  Verfassers,  fand  aber  natürlich  vieles  in 
seinem  Buche  sehr  anstössig.  Ebenso  urtheilten  der  Secretär  der 
Congr.  Concilii  Paolucci,  der  Consistorialadvocat  Franc,  de  Rabeis, 
der  Theatiner  Antoninus  Diana,  Lucas  Holstenius  (er  begutachtete  den 
historischen  Theil,    A.  J.  P.   14,  263)    und    der  Präfect   der  Index- 


1)  Journal  de  Saint-Amour  p.  47.  49.  61.  70.  121,  827.  R.  Simon, 
Lüttres  1,  258.  —  Hurter  1,  852  erzählt  ausführlich,  Hersent  sei  als  Jan- 
senist von  der  h.  Inquisition  cxüommunicirt  und  hauptsächlich  durch  seinen 
Optatus  Gallus  bekannt  geworden,  in  welchem  er  dem  Card.  Richelieu  den 
ehrgeizigen  Plan  zuschreibe,  sich  zum  Patriarchen  von  Frankreich  zu 
machen;  es  sei  nicht  zu  verwundern,  dass  das  Buch  von  allen  Seiten  in 
Frankreich  verdammt  und  verbrannt  worden  sei.  Dabei  safft  aber  Hurter 
kein  Wort  von  dem  Buche  seines  Ordensgenossen  Rabardeau  und  von 
dessen  Verdammung  in  Rom. 

2)  Vgl.  ausser  der  Vita  von  Baluze  (nach  der  Bamberger  Ausgabe 
der  Werke  Marca's  citirt)  A.  J.  P.  14,  261.  308. 


P.  de  Maroa.  365 

Congr.  Card.  Spada;  nur  der  Consistorialadvocat  Marinone  sprach 
sieb  günstiger  aus.  In  einer  Gonferenz  bei  Barberini  erklärten 
diese  alle,  das  Buch  müsse  verboten  werden.  Dieses  geschah  durch 
das  Beeret  der  Index-Congr.  vom  11.  Juni  1642  (Alex.  No.  49), 
also  vor  der  Verdammung  Rabardeau's,  Als  Marca  dieses  erfuhr, 
liess  er  ein  anonymes  Memoire  drucken,  worin  hervorgehoben  wurde, 
dass  er  eine  Reihe  von  zu  weit  gehenden  Sätzen  von  Gallicanern 
bekämpfe  und  in  Rom  eher  Anerkennung  als  eine  Censur  habe  er- 
warten dürfen  (A.  J.  P.  14,  271). 

Im  Dec.  1642  wurde  Marca,  der  seit  1632  Wittwer,  seit  1608 
Tonsurist  war,  zum  Bischof  von  Conserans  ernannt.  Im  April  1643 
liess  ihm  Card.  Barberini  durch  den  Pariser  Nuncius  Grimaldi  mit- 
theilen, seiner  Bestätigung  stehe  das  Index-Decret  im  Wege.  Er 
sandte  darauf  einen  Brief  an  Barberini,  der  im  wesentlichen  eine 
Uebersetzung  des  Memoire  ist  und  mit  der  Erklärung  schliesst:  in 
den  folgenden  Bänden  werde  er  einen  Weg  einschlagen,  auf  dem 
alles  Anstössige  beseitigt  werde;  übrigens  unterwerfe  er  alles  dem 
Urtheile  des  h.  Stuhles.  Barberini  theilte  nun  Marca  die  Bemer- 
kungen des  Römischen  Censors  (es  sind  nicht  die  von  Holstenius, 
sondern  die  von  Albizzi;  Marca  1,  CXIV ;  A.  J.  P.  14,  309)  mit, 
die  Marca  darauf  zu  widerlegen  suchte.  Noch  im  J.  1643  ver- 
öffentlichte er  eine  Dissertation  De  decreto  P.  Vigilii  pro  confirma- 
tione  5.  synodi,  von  der  er  annahm,  sie  müsse  in  Rom  Beifall 
finden,  schickte  sie  an  Barberini  und  bat  nochmals  um  seine  Be- 
stätigung. Statt  dieser  erhielt  er  von  Barberini  die  Aufforderung, 
Blondeis  Buch  gegen  den  Primat  (S.  362)  zu  widerlegen.  Marca 
antwortete:  er  übernehme  diesen  Auftrag  und  hoffe  in  zwei  Jahren 
die  Widerlegung  veröffentlichen  zu  können;  als  ejus  operae  velut 
pignus  quoddam  Schicke  er  seine  Dissertation  De  primatu  Lugdu- 
nensi  et  de  caeteris  priniatibus.  Unter  dem  11.  März  1644  ant- 
wortete Barberini,  der  Papst  habe  nach  Berathung  mit  mehreren 
Cardinälen  erklärt:  ein  Mann,  dessen  Lehre  erst  kürzlich  censurirt 
worden,  könne  nur  Bischof  werden,  wenn  er  durch  spätere  Verdienste 
seinen  Fehler  wieder  gut  gemacht;  Marca  solle  also  über  einige 
Hauptfragen  sich  in  einem  dem  h.  Stuhle  günstigen  Sinne  aus- 
sprechen und  von  der  Widerlegung  Blondeis  wenigstens  einige  Seiten 
gleich  veröffentlichen  und  darin  erkennen  lassen,  primi  illius  laboris 
hallucinationes  non  tam  tuo  commissos  fuisse  arbitrio  quam  impor- 
tuno  alienae  ambitionis  imperio  expressas.  Marca  erhielt  diesen 
Brief  zu  Barcelona,  wo  er  seit  dem  April  1614  als  General- Visitator 
von  Catalonien  fungirte.  Er  antwortete  15.  Mai:  die  erste  Forde- 
rung wolle  er  in  einem  Briefe  an  Barberini  erfüllen  (dieser  ist  ab- 
gedr.  A.  J.  P.  14,  284);  auf  die  zweite  könne  er  nicht  eingehen, 
da  er  als  ehrlicher  Mann  nicht  sagen  könne,  mihi  vim  illatam,  ut 
veritati  fumum  faciam;  sein  Buch  habe  übrigens  gerade  dem  angeb- 
lichen Projecte  eines  neuen  Patriarchates,  für  welches  er  angeblich 
habe  schreiben  sollen,  ein  Ende  gemacht;  Blondel  zu  widerlogen, 
habe  er  jetzt  keine  Zeit  und  keine  Bücher  zur  Hand.  Nar.li  der 
Thronbesteigung  Innooenz'  X.   beantragte  Card.   Bichi   10.  Dec.  1644 


366  Gallicaner  vor  1662. 

die  Präconisation  Marca's;  der  Papst  beauftragte  vier  Cardi- 
näle,  darüber  zu  berathen.  An  diese  scbrieb  nun  Marca  gleich- 
lautende Briefe,  worin  er  sagt:  kein  anderes  Buch  habe  in  Frank- 
reich zur  Hebung  des  Ansehens  des  h.  Stuhles  so  viel  beigetragen 
wie  das  seinige ;  er  babe  dasselbe  dem  Urtheile  der  Römischen 
Kirche  unterworfen  und  in  dem  Briefe  an  Barberini  versprochen, 
die  Fehler,  auf  die  man  ihn  hinweise,  in  der  2.  Auflage  zu  ver- 
bessern und  in  den  beiden  folgenden  Bänden  die  Sache  der  Kirche  zu 
vertheidigen.  Er  Hess  dann  164r>einim  wesentlichen  mit  dem  Briefe 
an  Barberini  gleichlautendes  Schriftchen  drucken:  Libellus  quo  edi- 
tionis  librorum  de  Concordia  consilium  exponit,  opus  Apost.  Sedis 
censurae  submittit  et  reges  canonura  custodes,  non  vero  auctores 
esse  docet  Petrus  de  Marca,  editus  Barcinonae  a.  1646,  und  über- 
sandte dieses  den  vier  Cardinälen  mit  einer  kurzen  Denkschrift  und 
dem  Papste  mit  einem  Briefe  vom  26.  Sept.  1646,  worin  er  sagt: 
er  gestehe,  dass  er  in  dem  im  Auftrage  des  Königs  herausgegebenen 
Buche  principis  partes  pro  muneris  mei  ratione  fovisse  praesidem- 
que  potius  egisse  quam  episcopum;  .  .  in  libello  hallucinationes 
meas  deprecatus  sum,  opus  censurae  Beatitudinis  Vestrae  snbmisi, 
quam  prona  mente  amplexurum  voveo  et  assertorem  vindicemque 
libertatis  ecclesiasticae  futurum. 

Mittlerweile  hatte  aber  Marca  neuen  Anlass  zur  Unzufrieden- 
heit gegeben.  Der  französische  Vicekönig  von  Catalonien,  GrafHar- 
court,  hatte  verordnet,  es  solle  niemand,  dem  in  Rom  ein  Beneficium 
verliehen  worden,  zum  Genüsse  desselben  zugelassen  werden,  wenn 
nicht  zuvor  constatirt  worden,  dass  die  Verleihung  auf  Empfehlung 
des  französischen  Gesandten  und  nicht  etwa  der  Gegner  der  fran- 
zösischen Herrschaft  erfolgt  sei.  Gleichwohl  war  ein  Geistlicher, 
der  in  Rom  auf  Empfehlung  des  spanischen  Gesandten  ein  Canoni- 
cat  in  Barcelona  erhalten,  durch  Beschluss  der  Mehrheit  des  Capi- 
tels  installirt  worden.  Darauf  hatte  der  Vicekönig  die  drei  Haupt- 
schuldigen nicht  gerade  förmlich  ausgewiesen,  aber  nach  Rom  ge- 
schickt, um  sich  vor  dem  Papste  zu  verantworten.  Ein  vom  1.  Jan. 
1646  datirter  Brief:  D.  Hyacintho  Mesades,  Archidiacono  Empuri- 
tano  Ecclesiae  Gerundensis,  Petrus  de  Marca  S.  D.,  worin  dieses 
Verfahren  vertheidigt  wird,  wurde  (wohl  ohne  Marca's  Vorwissen) 
gedruckt  und  verbreitet  und  auch  in  Rom  bekannt.  In  dem  Decrete 
der  Index-Congr.  vom  18.  Dec.  1646  (Alex.  No.  51)  wurde  (mit 
vielen  anderen  Büchern)  die  Concordia  nochmals  und  der  Brief 
verboten. 

Im  Juni  1647  verstand  sich  endlich  Marca  während  einer 
Krankheit  zu  einer  förmlichen  Retractation.  Sie  lautet:  „Ich  be- 
kenne, dass  ich  mich  durchaus  an  die  Lehre  von  der  kirchlichen 
Jurisdiction  und  Immunität  und  von  den  übrigen  kirchlichen  Fragen 
halte,  welche  die  Römische  Kirche  lehrt,  und  dass  ich  diese  als  das 
gemeine  canonische  Recht  ansehe.  Was  in  meinem  Buche  und  in 
dem  Briefe  an  Mesades  dieser  Lehre  widerspricht  und  durch  ein 
Decret  des  h.  Officium  [sie]  verdammt  worden  ist,  verdamme  auch 
ich  und  verspreche  ich  in  einer  zweiten  Auflage  des  BucheR  zu  yer- 


P.  de  Marca.  S67 

besRern.  Ich  bekenne  auch,  dasR  die  besonderen,  dem  gemeinen 
Rechte  widersprechenden  Rechte,  welche  in  kirchlichen  Dingen  der 
allerchristlichste  König  ausübt,  auf  Privilegien  beruhen,  die  der 
apostolische  Stuhl  der  französischen  Krone  verlielien,  und  sonst 
nicht  rechtmäsKig  ausgeübt  werden  können"  ^).  Um  dieselbe  Zeit 
schickte  er  eine  Dissertatio  de  singulari  primatu  Petri  ge^en  Barcos 
(s.  u.)  nach  Rom,  die  dem  Papste  sehr  gefiel.  Am  H,  Oct.  1647 
sollte  er  nun  präconisirt  werden;  es  geschah  nicht,  weil  sich  das 
Gei-ücht  verbreitet  hatte,  er  sei  gestorben.  Am  16.  Dec.  1647  wurde 
er  endlich  präconisirt,  2.  Febr.  1648  von  dem  Bischof  von  Babylon 
zum  Priester  geweiht,  20.  Dec.  von  dem  Erzbischof  von  Narbonne 
consecrirt2). 

Im  J.    1652    wurde    Marca   zum  Erzbischof   von  Toulouse  er- 
nannt. Auch  dies  Mal  stiess  seine  Bestätigung  in  Rom  auf  Schwierig- 
keiten,   nicht  weil  er  in  Rom    als  Jausenist    denuncirt   worden,    — 
sein  Hauptgegner  Albizzi  sagt  ausdrücklich,  des  Jansenismus  sei  er 
in  Rom  nie    verdächtig  geworden    (A.   J.  P.  14,  308),    —    sondern 
wegen    der    von   dem  Erzbischof   von  Embrun    in  Rom  denuncirten 
Ansprache,  die  §r  nach  der  Verhaftung  des  Card,  de  Retz  im  Namen 
der  in  Paris  versammelten  Bischöfe  9.  Jan.  1653  an  den  König  ge- 
halten,   und  worin  er  gebeten,    der  König    möge    den  Cardinal  frei 
lassen  und  eventuell  vor  geistliche  Richter   stellen,    und  das  Recht 
des  Königs,  Bischöfe  und  Cardinäle  zu  verbannen,  anerkannt  haben 
sollte,  während  er  doch,  wie  man  in  Rom  meinte,  ausdrücklich  hätte 
sagen  sollen,  der  König  dürfe  Cardinäle  höchstens  verhaften,  um  sie 
gleich  dem  Papste  zu  überweisen.    Der  Bischof  Bosquet  von  Lodeve, 
der  eben  in  Rom    war,    hatte  Mühe,    dem  Papste    eine    für    Marca 
günstigere    Version    der     Ansprache    glaublich     zu     machen.      Er 
wurde  erst  im  März  1654  bestätigt.    Am  26.  Febr.   1662  wurde  er 
oiach    der  Abdankung    des  Cardinais    de  Retz    zum  Erzbischof    von 
Paris  ernannt,  starb  aber  schon  drei  Tage  nach  dem  Empfange  der 
^.  Juni  ausgefertigten  Bullen,  29.  Juni  1662. 

Im  J.  1663  wurde  Marca's  Concordia  von  Etienne  Baluze  voll- 
ständig herausgegeben:  dieser  übersetzte  das  6.  und  7.  Buch  und 
^inen  Theil  des  8.,  die  sich  in  Marca's  Papieren  nur  französisch 
vorfanden,  und  vollendete  das  5.  Buch.  Diese  Ausgabe  wurde 
17.  JCov.  1664  (Alex.  No.  84)  in  folgender  eigenthümlichen  Weise 
^verboten:  De  concordia  sac.  et  imp.  s.  de  lib.  Eccl.  gall.  liber  a 
Stephano  Balutio  impressus  Parisiis  1663,  perperam  adscriptus  Petro 
^e  Marca,  ex  cujus  retractatis  scriptis  aliorumque  erroneis  sententiis 
^pera  praefati  Balutii   editus.     Es    wäre    ja    ganz    in    der  Ordnung 


1)  Marca  I,  XLV.  Was  A.  J.  P.  14,  295  von  einer,  übrigens  mit 
Ausnahme  der  Pirwähnung  des  Briefes  gleichlautonden  lletractation  vom 
^pril  1045  berichtet  wird,  scheint  auf  einem  Missverständnisse  zu  beruhen. 

2)  Albizzi  sagt,  auch  der  spanische  Canonist  Didacus  de  Covarrubias 
^ei  als  Bischof  von  Segovia  (1565)  erst  bestätijrt  vvonlen,  nachdem  er  alles 
szurückgenonimcn,  was  er  der  kirchli(;hen  Freiheit  und  Imnuinität  Wider- 
sprechendes geschrit^bi'n  (A.  J.  P.    14,  309). 


368  Gallicaner  vor  1682. 

gewesen,  wenn  man  bei  dieser  Gelegenheit  constatirt  hätte,  dass 
Marca  sein  Buch  retractirt  habe  und  voraussichtlich  selbst  nicht 
nochmals  unverändert  und  mit  dieser  Fortsetzung  publicirt  haben 
würde.  Aber  so  lantete  die  Bemerkung  so,  als  ob  Baluze  Marca 
etwas  ihm  Fremdes  unterschoben  hätte.  Im  Journ.  des  Sav.  1665, 
22  wurde  das  Decret  mit  der  Bemerkung  abgedruckt:  die  Anklage 
gegen  Baluze,  er  habe  das  Buch  fälschlich  Marca  zugeschrieben, 
sei  grundlos;  man  habe  in  Hom  augenscheinlich  diese  Adresse  ge- 
wählt, weil  man  sich  eingebildet,  das  Buch  leichter  discreditiren  zn 
können,  wenn  man  für  den  Erzbischof  Marca  einen  weniger  hoch 
gestellten  Geistlichen  substituire.  In  dem  Index  Alexanders  VII. 
vom  J.  1667  und  in  den  folgenden  Indices  wurde  die  Bemerkung 
gleichwohl  (unter  Concordia)  einfach  abgedruckt;  erst  seit  Ben.  ist 
sie  weggelassen.  Baluze^s  Ausgabe  wurde  1669  und  1670  noch- 
mals gedruckt,  mit  den  kleineren  Schriften  Marca's  und  einigen 
Zuthaten  von  Carminus  Firmianus  herausgegeben  zu  Neapel  1771 
— 80  (Bamberg  1788 — 89).  Die  Index-Congr.  nahm  davon  keine 
Notiz.  —  Im  J.  1668  Hess  ein  Verwandter  Marca's,  Abb6  Paul  de 
Faget,  Dissertation  es  postumae  sacrae  et  ecclesias^Jcae  von  ihm  mit 
einer  Biographie  zu  Paris  drucken,  erhielt  aber  die  Approbation 
der  Sorbonne  nur  unter  der  Bedingung,  dass  eine  französische  Ab- 
handlung über  die  Eucharistie  wegbleibe  und  zu  einer  lateinischen 
über  denselben  Gegenstand  Cartons  gedruckt  würden,  da  in  beiden 
Abhandlungen  Ausdrücke  vorkamen,  die  man  als  die  protestantische 
Lehre  begünstigend  ansah  (Baluze  bezweifelt  die  Echtheit).  DeT" 
protestantische  Drucker  gab  Claude  ein  nicht  castrirtes  Exemplar* 
und  so  erschien  1669  in  Holland  ein  Nachdruck.  Das  Buch  steh. 
nicht  im  Index  (Dupin  17,  170.  Bayle  s.  v.  Marca,  Note  K). 
Im  span.  Index  steht  nur  seit  1707 :  Rev.  Episc.  de  la  Marca  Ga 
lus  apud  Gotholan.  der  um  et  religiosorum  coetum  contra  Rege 
Hispaniarum  declamabat. 

6.    Im  J.  1671  gab  Jean  David  eine  ausführliche  Widerlegu 
des  7.  Buches  von  Marca's  Concordia  heraus,    unter   dem   Titel  D 
jugements  canouiques  des  eveques    (mit   einer  Dissertation    über  d 
damals  viel  besprochene  Stelle    des    h.  Augustinus    über  Concilin 
pleuarium).     In    der  Assemblee  du  Clerge    wurde  ihm  vorgeworfe: 
dass  er  lehre:  die  Sachen  der  Bischöfe  seien  in  erster  Instanz  vo 
Papste    zu   entscheiden,    ohne  Zustimmung    des  Papstes    könne    a 
einem  Concil  nichts  entschieden  werden  und  der  Papst  sei  aach  b 
züglich  der  qnaestioues  facti  unfehlbar.    Er  bestritt  in  einer  Hchri 
liehen   Erklärung  diese  Folgerungen  aus  seiner  Schrift^).   —  Geg 
ihn  schrieb   Jacques   Boileau  anonym:    De    episcoporum     antiq 
et  majoribus  causis  über,  in  quo  ss.  patrum,  pontificum  et  concil 
rum  Ecclesiae  cath.  sententiae  proferuntur  ad  confutationem  error 
Davidii  in  libro  galllce   scripto    de    judiciis    canonicis    episcopom 
Auct.   Theologo  Paris.    Dr.    Sorb.,  Leodii    (Lyon)   1678,    4.     Di 


1)  Rpciioil  d«-s  actos  du  Clerjro   1,  700.  Avr.  3,   170. 


i 


J.  David.  J.  Boileau.  J.  Gerbais.  J.  Launoy.  869 

• 

Buch  warde  alsbald  1.  Febr.  1679  verb.^).  Im  folgenden  Jahre 
verdammte  Innocenz  XI.  durch  ein  Breve  vom  18.  Dec.  1680 
(ausser  dem  Arret  du  Parlement  vom  14.  Sept.  1680,  s.  u.),  als 
eine  schismatische  und  für  den  apostolischen  Stuhl  injuriöse  Lehre 
enthaltend  ein  anderes  Buch,  welches  gleichfalls  die  Ansicht  ver- 
theidigte,  dass  die  causae  majores  in  erster  Instanz  nicht  vom  Papste, 
sondern  von  den  Comprovincialbischöfen  abzuurtheilen  seien :  Disser- 
tatio  de  causis  majori bus  ad  caput  concordantiarum  de  causis,  cum 
appendice  quatuor  monumentorum,  quibus  Ecclesiae  gall.  libertas  in 
retinenda  antiqua  episcopalium  judiciorum  forma  confirmatur,  auct. 
Jo.  Grerbais,  Dr.  Paris.  Socio  Sorb.,  Paris  1679.  Gerbais  hatte 
das  Buch  im  Auftrage  der  AssembUe  du  Clerg6  vom  J.  1665  ver- 
fasst  und  dieser  bereits  1670  das  Manuscript  überreicht;  der  Präsi- 
dent der  Versammlung  hatte  günstig  darüber  berichtet,  diese  aber 
beschlossen,  das  Manuscript  vorläufig  zurückzulegen.  Nach  dem  Er- 
scheinen des  Buches  von  David  hatten  mehrere  Bischöfe  die  Ver- 
öffentlichung gewünscht.  Diese  Umstände  hatten  wohl  den  Papst 
veranlasst,  es  nicht  einfach  in  den  Index  setzen  zu  lassen,  sondern 
durch  ein  Breve  zu  verbieten.  Der  Card.  d'Estries  rieth  Ludwig 
XIV.,  eine  Protestation  des  französischen  Episcopates  gegen  dieses 
Bcandalöse  Verbot  zu  veranlassen.  Dazu  kam  es  allerdings  nicht. 
Die  AssembUe  von  1681  beauftragte  drei  Bischöfe  mit  einer  noch- 
maligen Prüfung  des  Buches;  diese  belobten  es,  empfahlen  aber  für 
die  2.  Auflage  einige  Aenderungen^).  Eine  veränderte  Ausgabe  er- 
schien zu  Lyon  1685,*  Paris  1691.  —  Von  Gerbais  kam  später 
noch  in  den  Index:  Traite  du  cel^bre  Panorme  touchant  le  concile 
de  Basle,  mis  en  fran^ais,  Par.  1697,  verb.  von  der  Inq.  1699,  in 
Spanien  1789!  Dagegen  wurde  nicht  verb.  die  gleichzeitig  erschie- 
nene Lettre  de  TEglise  de  Li^ge  au  sujet  d'un  bref  de  Pascal  II. ; 
vgl.  I  S.  226.  283. 

Jacques  Boileau  ist  auch  der  Verfasser  der  Schrift  De  antiquo 
jure  presbyterorum  in  regimine  ecclesiastico,  auth.  Claudio  Fontejo 
Theologo,  Taurini  (Lyon)  1676,  verb.  1690,  worin  gezeigt  wird, 
dass  in  der  alten  Kirche  die  Priester  an  der  Leitung  der  Kirche 
Antheil,  auf  den  Concilien  Sitz  und  Stimme  hatten  u.  s.  w.  In  der 
Vorrede  wird  angegeben,  Claudius  Fontejus  sei  schon  gestorben  und 
in  St.  Leu  begraben.  Der  Erzbischof  Harlay  schöpfte  Verdacht 
gegen  Boileau,  beruhigte  sich  aber,  als  sich  in  den  Sterberegistern 
wirklich  ein  Cl.  Fontejus  fand  (Nie.  12,   123). 

Jo.  Launoy  vindicirte  in  der  Schrift  Eegia  in  matrimonium 
potestas,  1674  (Opp.  I,  2,  625),  den  Fürsten  das  Recht,  impedi- 
menta  dirimentia  zu  statuiren.  Dagegen  erschien  in  Rom  1674 
£cclesiastica  in  matr.  potestas  von  Dom.  Galesius,  Rubensium  Episc, 


1)  Mich,  a  S.Jos.  2,511  ist  im  Zweifel,  ob  das  Buch  von  dem  Pariser 
Theologen  oder  von  einem  holländischen  Calvinisten  Jac.  Boelius  s.  Boe- 
^ous,  der  im  span.  Index  in  der  1.  Cl.  steht,  oder  von  Jo.  Gerbais  sei. 

2)  Recueil  des  actes  du  clerge  1,  698.  Miohand  2,  208.  222;  4,  229. 

Rensoh,  Indei  U.  24 


^70  ttegalisten. 

-** 
S.  Congr.  Ind.  olim  Coneultor  et  in  Sapientia  Canonnm  Professor. 
Lannoy  antwortete  in  Contentorum  in  libro  sie  inscripto:  Dom.  Ga- 
lesii  .  .  .  erratomm  index  locnpletissimus,  1677  (Opp.  1,  2,  883). 
Beide  Schriften  wurden  1688  verb.,  dagegen  nicht  die  Vertheidignng 
Launoy's  von  J.  Boileau,  Traite  des  empechements  du  mariage, 
1691,  163  S.  8.  (Mich,  a  S.  Jos.   2,  516.  532). 

Vor  dem  J.  1682  kamen  ausserdem  noch  in  den  Index:  De 
la  puissance  royale  et  sacerdotale,  verb,  1662,  ohne  Zweifel  die 
freilich  schon  1579  anonym  erschienene  Schrift  von  Fr.  Grimaudet 
(Schulte  3,  1,  500;  trotz  dieses  Verbotes  erschienen  Oeuvres  de 
Fr.  Grimaudet  sur  les  matiferes  du  droit,  Amiens  1669); —  De  l'au- 
torite  du  Eoy  touchant  T&ge  n^cessaire  a  la  profession  solennelle 
des  religieux,  Paris  1669,  verb.  1672  (von  Fran^ois  Rolland  Le 
Vayer  de  Boutigny,  Ende  des  18.  Jahrh.  in  italienischer  und  deut- 
scher üebersetzung  neu  gedruckt;  Schulte  3,  1,  617.  Haurdau,  Hist. 
litt,  du  Maine  4,  79);  —  De  l'autorit6  des  6veques  sur  les  b6ne- 
fices,  Col.  1677,  verb^  1679;  —  Maximes  du  droit  canoniqne  de 
France  par  un  des  plus  cel^bres  avocats  du  !^j^lement  de  Paris, 
enrichies  de  plusieurs  authoritez  et  observations  tir^es  des  anciens 
dicrets  des  conciles  . .  .  par  le  Sieur  Simon,  Paris  1678.  12.,- verb. 
1680,  eine  Bearbeitung  von  Dubois'  Introduction  au  droit  ecol.  von 
D^nis  Simon;  Schulte  3,  1,  689. 


46.    Regalisten,  1600—1700. 

Der  König  von  Spanien  übte  in  seinen  Gebieten  in  kirch- 
liehen Dingen  eine  mindestens  ebenso  grosse  Gewalt  aas  wie 
der  König  von  Frankreich.  Von  den  spanischen  Schriftstellern, 
welche  diese  Rechte  des  Königs  vertheidigten  nnd  die  daranf 
gestützte  spanische  Praxis  darstellten,  —  gewöhnlich  Regalistas 
genannt,  mit  den  Josephinern  der  spätem  Zeit  zu  vergleichen, 
—  wurden  die  hervorragendsten,  Cevallos  und  Salgado,  unter 
Urban  VIII.  in  den  Index  gesetzt;  in  Spanien  wurde  aber  das 
Verbot  nicht  nur  nicht  anerkannt,  sondern  auch  von  Philipp  III. 
und  rV.  energisch  dagegen  protestirt.  Später  kam  noch  eine 
Reihe  von  Schriften  von  spanischen,  neapolitanischen,  sicilia- 
nischen  und  portugiesischen  Regalisten  in  den  Römischen,  nur 
einige  wenige  derselben  auch  in  den  spanischen  Index.  —  Der 
Streit  über  die  Monarchia  Sicula,  —  den  Inbegriff  der  weitgehen- 
den Rechte  in  kirchlichen  Dingen,  welche  die  spanischen  Könige 
in  Sicilien  auf  Grund  der  angeblich  durch  Urban  II.  1098  den 


Regalisten.  871 

Beherrschern  der  Insel  übertragenen  Legatengewalt  ausübten, 
—  hat  im  17.  Jahrhundert  im  Index  noch  keine  Spuren  hinter- 
assen.  Aber  ein  im  Sinne  der  Curie  geschriebener  Tractat, 
[en  Cardinal  Baronius  dem  1G05  erschienenen  11.  Bande 
einer  Annales  ecclesiastici  beifUgte,  hatte  zur  Folge,  dass  dieser 
}and  zwar  nicht  in  den  spanischen  Index  kam,  aber  durch  ein 
anächst  für  Sicilien  erlassenes  Edict  Philipps  IIL  im  J.  1610 
mter  Androhung  strenger  Strafen  verboten  wurde. 

1.  Die  spanischen  Könige  ernannten  nicht  nur  zu  fast  allen 
richtigen  und  eintrÄglichen  geistlichen  Stellen,  sondern  übten  auch 
ine  Oberaufsicht  über  alle  Acte  der  geistlichen  Jurisdiction  ver- 
littelst  der  sog.  Hecursos  de  fuerza  und  das  Hecht  der  Hetencion 
e  bulas.  Gegen  die  Urtheile  jedes  geistlichen  Gerichtshofes,  auch 
es  seit  1537  bestehenden  Tribunals  der  Kunciatur,  —  nur  nicht 
ler  Inquisition,  —  konnte  an  den  Consejo  real  Hecurs  ergriffen 
werden;  war  dieser  angenommen,  so  war  damit  das  Urtheil  suspen- 
irt;  wurde  dasselbe  annullirt,  so  fällte  der  Consejo  zugleich  ein 
eues.  Alle  päpstlichen  Bullen  u.  s.  w.  mussten  dem  Könige  vor- 
:elegt  werden;  fand  dieser  resp.  der  königliche  Eath,  dass  ein  päpst- 
[eher  Erlass  die  Gesetze  oder  Gewohnheiten  des  Keiches  verletze, 
o  behielt  ihn  der  König  zurück,  um  dem  Papste  Vorstellungen  zu 
lachen  und  um  Zurücknahme  oder  Abänderung  des  Erlasses  zu 
nppliciren.  Diese  Suppliken  wurden  aber  nicht  in  jedem  einzelnen 
alle  sofort  dem  Papste  vorgelegt,  sondern  in  der  Regel  in  grösse- 
2D  Zwischenräumen  durch  den  Botschafter  über  eine  Eeihe  von 
Irlassen  der  Curie  Vorstellungen  gemacht.  Meist  überliess  man  es 
emjenigen,  der  sich  durch  die  lietention  geschädigt  glaubte,  bei 
er  Curie  Klage  zu  führen,  was  ein  spanischer  Unterthan  nicht  leicht 
'agte.  Traf  eine  zweite  päpstliche  Verfügung  ein,  so  wurde  auch 
e  retinirt;  eine  etwaige  Excommunication  gegen  diejenigen,  welche 
ie  Hetention  veranlassten,  wurde  in  Spanien  als  ungültig  angesehen, 
nd  von  der  Excommunication,  mit  der  in  der  Bulla  Coenae  die- 
Digen  bedroht  werden,  welche  cursum  literarum  apostolicarum  lai- 
ili  auctoritate  impediunt,  lehrten  Sa  und  die  späteren  Eegalisten, 
e  finde  auf  die  von  dem  Könige  geübte  Retention  der  Bullen  keine 
nwendung.  So  „supplicirte**  Philipp  II.  gegen  die  Bulla  Coenae 
Las'  V.  von  1568  (I,  S.  78);  auch  die  Gregors  XIII.  von  1583 
urde  retinirt.  Später  war,  wie  Salgado  sagt,  die  Retention  päpst- 
3ber  Erlasse  eine  alltägliche  Sache  (Philippson  in  der  Hist.  Zts. 
578,  39.  269).  R.  Simon,  Lettres  1,  48,  sagt  ganz  treffend,  die 
panier  seien  nur  scheinbar  respectvoller  gegen  den  Papst  als  die 
ranzosen:  „sie  nehmen  die  päpstlichen  Bullen  mit  grosser  Ehrfurcht 
1 ;  aber  wenn  sie  finden,  dass  eine  Bulle  den  Gesetzen  und  Ge- 
olinheiten  des  Reiches  widerspricht,  so  stellen  sie  dem  Papst  in 
3r  Form  einer  Supplik  vor,  dass  dieselbe  nicht  ausgeführt  werden 
onne,  und  darauf  verschliesst  man  die  Bulle  in  einem  Koffer,  und 


372  ßegalisten. 

es  ist  nicht  weiter  mehr  die  Rede  davon;  das  nennen  sie  plegar 
la  bnla  (die  Bulle  zusammenfalten)/* 

In  Neapel  galt  als  Grundsatz,  dass  keine  päpstliche  Verord- 
nung ohne  Zustimmung  der  königlichen  Regierung,  ohne  Exequatur 
veröffentlicht  werden  dürfe.  Päpstliche  Decrete  rein  geistlichen  In- 
haltes waren  davon  allerdings  principiell  ausgenommen ;  aber  um  zu 
entscheiden,  ob  ein  Decret  rein  geistlichen  Inhaltes  sei  oder  sich 
auch  auf  das  Weltliche  beziehe,  hatte  man  einen  Cappellanu  mag- 
giore  angestellt,  und  dieser  pflegte  nach  den  Weisungen  der  Regie- 
rung zu  entscheiden    (Ranke,  Fürsten  und  Völker,  WW.   35,  225). 

Der  Trinitarier  Michael  a  S.  Josephe,  der  wiederholt  General- 
procurator  seines  Ordens  in  Rom  war,  sagt  in  seiner  Benedict  XIV. 
gewidmeten  Bibliographia  critica,  Madrid  1740,  2,  304:  die  Lehre 
des  Salgado  sei  die  allgemein  in  Spanien  geltende  und  man  dürfe 
die  dem  h.  Stuhle  wohl  bekannte  Praxis  eines  katholischen  Landes 
nicht  als  verboten  bezeichnen.  Der  ultramontane  V.  de  la  Fuente 
sucht  in  seiner  spanischen  Kirchengeschichte  5,  440  die  spanische 
Praxis,  wie  sie  sich  im  16.  und  17.  Jahrh.  gebildet,  mit  der  Spanien 
feindlichen  politischen  Haltung  einiger  Päpste,  Clemens'  VII., 
Pauls  IV.,  Urbans  VIII.,  zu  entschuldigen. 

Die  Verbote  spanischer  Regalisten  beginnen,  abgesehen  von 
Henr.  Henriquez  (S.  314)  unter  Urban  VIII.,  der  1626  auch  eine 
besondere  Congregatio  jurisdictionis  et  immunitatis  errichtete.  Der 
erste,  der  in  den  Index  kam,  war  Hieronymus  de  Cevallos  (bei  Ben. 
Caevallos  s.  Zevallos),  von  dem  1624  verb.  wurden:  Specnlum 
aureum  communium  opinionum  seu  practicae  quaestiones  commnnes 
contra  communes,  Tomus  IV.,  und  Tractatus  de  cognitione  per  viam 
violentiae  in  causis  ecclesiasticis  et  inter  personas  ecclesiasticas. 
In  letzterm  lehrt  er,  wie  Giannone  (Opp.  12,  155)  angibt,  der  Re* 
curso  de  fuerza  könne  von  dem  königlichen  Tribunal  angenommen 
werden,  ehe  eine  Sache  in  der  geistlichen  Appellationsinstanz,  von 
dem  Metropoliten  oder  dem  Kuncius  entschieden  sei,  und  constatirt, 
dass  das  königliche  Tribunal  die  Geistlichen,  die  sich  seinen  Ent- 
scheidungen nicht  fügten,  oft  mit  Sperrung  der  Temporalien  und 
Verbannung  bestrafe.  Von  der  ersten  Auflage,  Toledo  1618,  sagt 
Giannone,  seien  fast  alle  Exemplare  beseitigt,  das  Buch  dann  aber 
angeblich  zu  Köln  (1647)  neu  gedruckt  worden.  Die  erste  Auflage 
ist  schon  früher  erschienen;  denn  schon  1613  wurde  der  Nuncins 
in  Madrid  von  Rom  aus  beauftragt,  das  Verbot  des  Buches  zu  be- 
treiben und  ihm  eine  Censur  desselben  übersandt  (Laemmer,  Melet 
p.  326),  und  Philipp  III.  schrieb  schon  27.  Juli  1617  an  seinen 
Gesandten  in  Rom,  Card.  Borja,  er  habe  gehört,  dass  die  Index- 
Gongr.  das  Buch  in  Untersuchung  genommen;  der  Cardinal  solle  das 
Verbot,  welches  seinen  königlichen  Rechten  widersprechen  würde, 
zu  hintertreiben  suchen^).     —     In  demselben  Decrete  wurde  verb. 


1)  Der  Brief  ist  abgedr.    iu  (Llorente's)    Coleccion   diplomatica  de 
varios  papeles,  2.  Ed.  1822,  No.  6. 


H.  de  CeyalloB.  Fr.  Salgado.  878 

Responsorum  juris  illnstrium  et  celeberr.  jnrisconsultornm  et  di- 
versarum  academiarum  hoc  tempore  florentium  sive,  ut  reoentiores 
vocant,  consiliornm  in  Hispania,  Tom.  I.  Frcf.  (bei  Sot.  mit  d.  c). 
Der  bedeutendste  unter  den  spanischen  Eegalisten  dieser  Zeit 
war  Francisco  Salgado  de  Somoza,  früher  General vicar  von  Toledo 
unter  dem  Cardinal-Infanten,  später  Präsident  des  Rathes  von  Ca- 
stilien,  Abt  von  AlcaU  la  Real,  f  1664  (zum  Bischof  wurde  er  nicht 
ernannt,  weil  man  nicht  erwarten  konnte,  dass  er  in  Rom  bestätigt 
werden  würde).  Fuente  5,  444  sagt  von  seinem  Buche  über  den 
Recurs,  er  entwickle  die  damals  in  Spanien  geltenden  Ansichten  in 
weniger  scharfer  und  verletzender  Form  als  Cevallos,  und  stütze 
die  spanische  Theorie  auf  die  Geschichte,  die  Milde  der  Kirche  und 
päpstliche  Concessionen,  nicht  ausschliesslich  auf  die  natürliche  Pflicht 
des  Fürsten,  alle  Ungerechtigkeiten  zu  verhüten,  und  auf  die  Majestäts- 
rechte, wie  die  Regalisten  des  18.  Jahrb.,  die  darum  nicht  günstig 
über  ihn  urtheilten.  (Salgado  lehrt  auch,  Ordensgeistliche  könnten 
gegen  ihre  Oberen  keinen  Recurs  ergreifen,  was  die  Ordensgeist- 
lichen Araujo,  Torrecilla  und  Villaroel  behaupteten.)  Sein  Buch 
De  regia  protection e  vi  oppressorum  appellantium  a  causis  et  ju- 
diciis  ecclesiasticis,  Lugd.  1626,*  2  Fol.  (mit  einem  Druckprivileg 
Philipps  IV.  und  der  ausdrücklichen  Erlaubniss,  das  Buch  im  Aus- 
lande drucken  zu  lassen),  wurde  von  dem  Nuncius  in  Rom  denuncirt 
und  1628  verb.  (1669  erschien  die  4.  Auflage),  1640  sein  zweites 
Werk :  Tractatus  de  supplicatione  ad  Sanctissimum  a  literis  et  bullis 
apostolicis  nequam  et  importune  impetratis  in  perniciem  reipublicae, 
regni  aut  regis  aut  juris  tertii  praejudicium,  et  de  earum  retentione 
Interim  in  senatu,  Madrid  1639  (Lagd.  1664).  Albit.  p.  815  spricht 
sehr  scharf  (Horret  animus  etc.)  über  diese  Vertheidigung  der 
Appellationen  an  weltliche  Richter  und  der  Zurückhaltung  der  Bullen 
und  über  die  Behauptung,  die  Bulla  Coenae  sei  bezüglich  dieser 
Punkte  in  Spanien  nicht  recipirt.  —  Als  der  Gesandte  in  Rom, 
Graf  de  Oftate,  Philipp  IV.  das  Verbot  des  ersten  Buches  von  Sal- 
gado meldete,  verbot  dieser  den  Bischöfen,  das  Verbot  zu  publiciren : 
nur  die  Inquisition  dürfe  in  seinem  Reiche  nach  alter  Gewohnheit 
irgend  ein  den  Glauben  betreffendes  oder  damit  zusammenhangendes 
Edict  oder  ein  Verbot  ketzerischer  oder  heterodoxer  Bücher  publi- 
ciren. Dem  General-Inquisitor  aber  liess  er  das  ihm  von  dem 
Nuncius  eingehändigte  Breve,  worin  das  Verbot  von  Salgado^s  Buch 
niitgetheilt  war,  abfordern.  Am  10.  April  1634  schrieb  er  dann  an 
den  Card.  Borja:  er  höre,  dass  man  in  Rom  die  Veröfi'entlichung 
Von  Büchern  zu  Gunsten  der  Römischen  Anschauungen  über  kirch- 
liche Jurisdiction  befördere,  während  man  Bücher,  welche  die  könig- 
lichen Rechte  vertheidigten,  verbiete;  der  Cardinal  solle  dem  Papste 
Vorstellungen  machen  und  verlangen,  dass  man  in  Sachen,  die  nicht 
<len  Glauben,  sondern  Jurisdiction sf ragen  beträfen,  jeden  seine  Mei- 
nung sagen  lasse;  wenn  der  Papst  die  dem  Könige  günstigen  Bücher 
Verbiete,  werde  er  seinerseits  die  gegen  ihn  geschriebenen  Bücher 
Verbieten^).     —     Fuente  5,  445  berichtet,    1633  seien  der  Domini- 


1)  Pelayo  3,  853.  Der  Brief  an  Card.  Borja  bei  Llorente  No.  7  und 


374  Regalisten. 

caner  Pimentel.  Bischof  von  Cordova,  später  firzbischof  von  Sevilla, 
und  Juan  Ctaind''<^ro  y  Sotomayor  nach  Rom  gesandt  worden;  sie 
seien  dort  l<.»  -Tahre  geblieben  und  hätten  Urban  VIII.  mehrere 
Denksoh ritten  überreicht,  aber  nichts  ausgerichtet;  eine  etwas  heftige 
Denksohritt  von  Chumacero  sei  mit  einer  Erwiderung  von  Maraldi 
und  mit  Chumacero's  Replik  gedruckt ;  Pimentel  sei  unter  InnocenzX. 
CAniin*!  geworden,  Chumacero,  ein  frommer  Mann,  Präsident  des 
Rache»  von  Castilien. 

1642  wurde  von  einem  Buche  von  Jo.  de  Solorzano  Pereira, 
Disputationes  de  Indiarum  jure  in  zwei  Bänden,  liber  3.  tomi  2., 
in  »juo  de  rebus  ecclesiasticis  et  regio  circa  eas  patronatu,  unbe- 
dingt« das  übrige  mit  d.  c.  verb.  Albit.  p.  134  ereifert  sich  mit 
Beaug  auf  dieses  Werk  gegen  diejenigen  Schriftsteller,  welche,  wo 
»te  sähen,  dass  die  Fürsten  der  höchsten  Autorität  des  Papstes  be- 
dürften« diese  bis  zu  den  Sternen  erhöben,  sie  aber,  wenn  es  sich 
um  ein  Kinschreiten  gegen  sündigende  Fürsten  handle,  so  einschränk- 
ten, dass  sie  behaupteten,  der  Papst  könne  in  einem  katholischen 
Staate  nur  mit  Krlaubniss  des  Königs  eine  geistliche  Jurisdiction 
ausüben,  eine  Behauptung,  die  Innocenz  X.  als  ketzerisch  und  schis- 
uiutiseh  verdammt  habe. 

Auch  zwei  portugiesische  Werke  kamen  unter  Urban  VIII. 
In  den  Index,  1042:  Jo.  Lopez  de  Baylo,  Justificationes  motivornm, 
,   .  (|uibus   Kegia  Audientia  moveri  debet    ad  procedendnm  ad  occn- 

IMitloneni  temporalitatum  et  bannimentum  contra  £pi6C.  Algarvensem 
»  Ant.  Nusco  .  .  (nochmals  verb.  1646),  und  1640:  De  manu 
i'ogia  tnictatuH  Gabrielis  Pereira  de  Castro,  Lissabon  1622  a.  s., 
g  hil.  (Schulte  S.  755).  Albit.  p.  41  tadelt  das  Buch,  weil  darin 
illfi  der  kirchlichen  Immunität  und  Freiheit  widersprechenden  Ge- 
HnUn  Überhaupt  vertheidigt  und  speciell  behauptet  werde,  die  staat- 
ll«ib«in  (ii'Hctze  gegen  Ketzer  seien  gültig,  wenn  sie  nur  nicht  dem 
(iftiMifiiHclien  Rechte  widersprächen,  und  die  weltlichen  Richter  könnten 
dMiiifii  die  vom  (ilauben  Abgefallenen  bestrafen,  —  quot  verba,  tot 
Miiffidacin;  --•  der  Vater  des  Verfassers,  ein  gelehrter  und  sonst  der 
kirfdilicben  .lurisdiction  feindlicher  Mann,  habe  doch  in  diesem  Punkte 
dur   Wahrheit  die  Khre  gegeben. 

I.'nler  InnocenzX.  wurde  in  einem  Decrete  vom  18.  Dec,  1646 
Ml*^«.  No.  51)  das  Verbot  einiger  Schriften  wiederholt  und  eine 
UtAUti  von  anderen  Büchern  verb.,  mit  d.  c.  Fr.  de  Amaya  In  tres 
|///iit,  lihroH  cod.  Justin,  oomm.,  1639  (Nie.  Antonio  1,  400);  Mau- 
nUttu  *U:  Al/edo,  De  praecellentia  episcopalis  dignitatis  deque  epi- 
^4:h\ii  fundionibus  .  .  .,  1030  (Schulte  3,1,  756),  und  J.  B.  Larrea, 
AtU'tfiiiinui*.n  ÜHcalcs,  —  unbedingt:  De  tertiis  debitis  .  .  Kegibus 
H)*|/.  t.K   .  .  rebus  oninibus,  quae  decimantur,  auth.  Jo.  del  Castillo 


>/'  /  I^<:iii|icri',  Ilctnichtuiigcn  2,  27.  —  Der  Bischof  von  Gent,  welcher  das 
Vi.i1;oi.  dl«  crHfi'ii  Ihichüs  von  Salgado  und  anderer  Bücher  publicirt  hatte, 
K$itu\i  HJ29  von  der  Bpan.  Regierung  einen  Verweis.  Snppl.  ad  Opp.  v. 
i\*^*t9hf  App.  p.  32  ;  H.  ().  S.  22. 


Solorzaoo.  Lopez.  Pereira  u.  a.  976 

Sotomayor;  Defensa  de  la  antoridad  real  en  las  personas  eclesiasticas 
.  .  por  Fr.  Marti  j  Villadamor  1646;  De  la  potestad  secular  en 
loB  eclesiasticoß . .  por  Narciso  de  Peralta,  1646  (Schulte  S.  762); 
De  lege  politica  ejusque  natural!  executione  et  obligatione,  tarn  inter 
laicos  quam  inter  ecclesiasticos,  ratione  boni  communis,  auth.  Petro 
Gronzalez  de  Salcedo  (Cler.  reg.).  Albit.  p.  283  sagt,  dieses 
Bach  sei  zu  Madrid  mit  Approbation  des  Erzbischofs  von  Toledo  ge- 
druckt; der  Verfasser  weiche  bezüglich  der  Geltung  der  Bulla  Coenae 
in  Spanien  von  Salgado  ah,  sei  übrigens  ejusdem  farinae  homo ;  1681 
wurde   eine   vermehrte  Ausgabe    des  Werkes,    Madrid    1678,    verb. 

—  In  demselben  Decrete  von  1646  wurden  auch  zwei  portugie- 
sische Bücher  mit  d.  c.  verb.:  Fracticae  quaestiones  canonicae  et 
civiles  ...  ex  manuscr.  Fetri  Cenedo,  und  Decisiones  .  .  .  senatus 
archiepisc.  Olysipon.  .  .  .  coUectae  ab  Em.  Themudo  de  Fonseca. 

—  Der  Nuncius  verlangte,  die  1646  in  Rom  verbotenen  Bücher 
sollten  auch  in  Spanien  verboten  werden;  das  Verbot  wurde  aber 
von  dem  Rathe  von  Castilien  retinirt  (Fuente  5,  443).  Marti  und 
Peralta  stehen  jedoch  auch,  zwar  nicht  bei  Sot.,  aber  in  den  späteren 
Span.  Indices. 

Nachdem  1641  Portugal  von  Spanien  wieder  unabhängig  ge- 
worden, bemühte  sich  der  neue  König  Johann  IV.  unter  Urban  VIII. 
und  Innocenz  X.  lange  vergebens,  die  päpstliche  Anerkennung  zu 
erlangen.  Auch  den  von  ihm  ernannten  Bischöfen  wurde  die  Be- 
stätigung verweigert.  Ismael  Bouillaud  (Bullialdus,  Convertit;  Häss, 
Convertiten  5,  238)  schrieb  1649  einen  Tractat,  um  nachzuweisen, 
dasB  der  König,  nachdem  er  acht  Jahre  vergebens  gebeten,  die 
Bischöfe  durch  die  Metropoliten  könne  consecriren  lassen.  1651 
schrieb  er  im  Namen  Johanns  IV.  einen  zweiten  Tractat,  um  den 
französischen  Clerus  um  Kath  und  Vermittlung  bei  dem  Papste  zu 
bitten.  Beide  Tractate  (Pro  ecclesiis  lusitanicis  ad  clerum  gallicanum 
11.  2)  wurden  1656  zu  Strassburg  mit  einer  Dissertation  De  populi 
Rom.  fundis  gedruckt  (abgedr.  bei  Gerdes,  Scrin.  8, 499).  Nie.  1,  330 
sagt,  Bouillauds  Ansichten  seien  von  der  Inquisition  verdammt  worden. 
Sein  Vorschlag  wurde  von  der  portugiesischen  Inquisition  für  un- 
zulässig erklärt^).  In  Rom  scheint  man  davon  keine  Notiz  genommen 
zu  haben;  wenigstens  steht  die  Schrift  nicht  im  Index. 

1651  wurde  ein  spanisches  Buch  über  die  Gesetzgebung  in 
dem  damals  unter  spanischer  Herrschaft  stehenden  Sardinien  verb.: 
De  las  leyes  y  pragmaticas  reales  del  reyno  de  Sardefta,  compuestas 
y  comentadas  por  Don  Franc,  de  Vico,  libro  1.  y  2.  —  Nach 
längerer  Unterbrechung  kamen  unter  Innocenz  XI.  und  Alexander  VIII. 
noch  in  den  Index:  zwei  auf  einen  Process  des  Capitels  von  Sara- 
gossa im  J.  1645  bezügliche  Actenstücke,  unter  Luis  de  Exea  y 
Talayero  und  Memorial,  verb.  1676,  ein  zuerst  1649  zu  Coimbra, 
1678  zu  Genf  gedruckter  Tractatus  de  foro  ecclesiastico  von  Feli- 
cianus  de  Oliva  e  Souza,  General  vi  car  von  Braga  (Schulte  S.  763), 


1)  Ganis,  KirchcDgesch.  v.  Spanien  3,  2,  282, 


876  RegaliBtexL 

mit  d.  c.  verb.  1682,  —  Statuta  et  privilegia  vallis  Antigorii  (der 
Republik  Andorra)  ed.  Fr.  de  Villegas  et  Contardi,  Genf  1685, 
verb.  1688,  und  zwei  auf  transatlantische  Yerhältnisse  bezügliche 
Bücher:  Petrus  Frassus,  De  regio  patronatu  ac  aliis  nonnullis  re- 
galiis  regibus  catholicis  in  Indiarum  occident.  imperio  pertinentibus 
qnaestiones,  Madrid  1677,  verb.  1688,  und  Discurso  juridico  poli- 
tico  en  defensa  de  la  jurisdiccion  real,  ilustracion  de  la  proyision 
de  20.  Febr.  1684,  por  el  Dr.  Juan  Luis  Lopez  del  Consejo  de 
S.  M.,  Lima  1785,  von  der  Inq.  verb.  1690.  Ein  von  diesem  Lopez 
verfasster  Foliant:  Historia  legal  de  la  Bula  llamada  In  Coena  Do- 
mini, wurde  erst  1768  mit  einer  Vorrede  von  Campomanes  gedruckt 
(Pelayo  3,   156)  und  steht  nicht  im  Index. 

2.  Gegen  die  neapolitanischen  Hegalisten  begann  die  Index- 
Congr.  schon  1605  einzuschreiten.  Camillo  de  Curte,  Reggente 
(Präsident)  des  höchsten  Gerichtshofs  und  Yicekanzler  des  Reichs, 
veröffentlichte  1605  Diversorium  juris  feudalis.  Im  2.  Theile  be- 
spricht er  die  üblichen  Mittel  zur  Yertheidigung  der  königlichen  Juris- 
diction gegen  die  Prälaten :  erst  Warnung,  dann  Citation  nach  Neapel, 
eventuell  Sperrung  der  Temporalien  und  Verbannung.  Dieser  2.  Theil 
wurde  sofort  15.  Dec.  1605  verb.,  und  zwar  omnino  et  sub  anathe- 
mate  (dieses  ist  in  den  Indices  weggelassen).  Der  Viceköuig  Graf 
von  Benaventa  verweigerte  natürlich  für  das  Verbot  das  Exequatur 
(Giannone,  Op.  12,  462).  —  Petri  de  Urries  Aestivum  otium  ad 
repetitionem  rjtus  235.  Magnae  Curiae  Vicariae  Neapel,  (nach  Gian- 
none p.  264  über  die  requisiti  del  chiericato  da  riconoscersi  da  qnel 
tribunale)  wurde  1627  verb.,  das  Verbot  aber  gleichfalls  von  dem 
Vicekönig  unterdrückt.  —  1651  wurde  verb.  Caroli  Gala,  JC.  in 
supremis  Regni  tribunalibus  advocati,  de  contrabannis  clericorum  in 
rebus  extrahi  prohibitis  a  regno  Keapolitano  dissertatio  juridico- 
politica,  worin,  wie  Albit.  314  klagt,  behauptet  wird,  die  Bulla 
Goenae    sei    in  Neapel  nicht  recipirt. 

1623  wurde  unbedingt  verb.  Petri  Gambacurta  (Jesuit,  f  zu 
Palermo)  Commentariorum  de  immunitate  ecclesiarum  in  constitu- 
tionem  Gregorii  XIV.  libri  VIII,  Lugd.  1622,  690  S.  4.,  —  mit 
d.  c.  Martha  de  jurisdictione.  Erst  Ben.  hat  den  Titel  vervollstän- 
digt: Tractatus  de  jurisdictione  per  et  inter  judicem  eoclesiasticum 
et  saecularem  exercenda  (Mog.  1609  u.  s.),  nennt  aber  den  Verfasser, 
einen  Neapolitaner,  der  als  Professor  in  Padua  1623  starb,  Horatius 
statt  Hyacinthus  Antonius  Marta^).  Albizzi  in  seiner  Risposta  gegen 
Sarpi  p.  315  fühi-t  Marta  und  Botero  als  Beweis  dafür  an,  dassman 
nicht  bloss  Schriftsteller,  die  für  die  Autorität  der  Fürsten  einträten, 
sondern  auch  solche,  welche  die  päpstliche  Autorität  erhöhten,  in 
den  Index  setze. 

Fer.  V.  15.  Jan.  1654  erliess  die  Inquisition  ein  Decret 
(Alex.  No.  58)    folgenden  Inhalts:    In  Rom  und  vielleicht  auch  an 


1)  Grazie  Marta  hat  1616  Rime   drucken   lassen.    Nioodemo-Toppi 
85.  192.  Schulte  S.  467. 


C.  de  Curte.  P.  de  ürriee.  C.  Cala  u.  a.  877 

anderen  Orten  oirculire  ein  spanisches  Manuscript,  beginnend  Por 
maoo  d'este  Nuncio  recivio  Su  Excelencia  una  carta,  dem  Vernehmen 
nach  verfasst  von  Benedictus  de  Treglies,  Collateralis  Consilii  s. 
Cancellariae  Neapolitanae  Regens;  darin  komme  ausser  anderen  te- 
merären  und  scandalösen  Sätzen  der  Satz  vor:  der  Papst  könne 
seine  geistliche  Jurisdiction  über  Personen  und  Sachen  ausserhalb 
des  Kirchenstaates  nur  mit  Genehmigung  des  Landesherrn  ausüben 
and  dieser  habe  das  Kecht,  päpstliche  Rescripte  daraufhin  zu  prüfen ; 
dieser  Satz  sei  auf  Befehl  Innocenz'  X.  von  Qnalificatoren  der  In- 
quisition geprüft  und  einmüthig  für  schismatisch  und  häretisch  er- 
klärt worden;  demgemäss  verbiete  die  Inq.  in  speciellem  Auftrage 
Seiner  Heiligkeit  jenes  Manuscript,  spanisch  und  in  Uebersetzungen, 
bei  den  im  Index  angedrohten  Strafen;  der  Verfasser  aber  möge 
wissen,  dass  er,  wenn  er  nicht  baldigst  sich  expurgire,  mit 
Censuren  und  anderen  kirchlichen  Strafen  werde  belegt  werden. 
Das  Manuscript  kam  dann  unter  Bened.  de  Treglies  quoddam  ma- 
nnscriptnm  in  den  Index  Alex.  Da  aber  Treglies  in  einer  der  Index- 
Congr.  übersandten  Supplik  erklärte,  die  Schrift  sei  nicht  von  ihm 
(Zacc.  p.  225),  steht  seit  1681  im  Index:  Benedicto  de  Treglies 
falso  adscriptum  quodd.  mscr.,  seit  Ben.  mit  Weglassung  des  Namens 
Liber  ms.,  cujus  initium  etc.,  und  so  steht  dieses  Verbot,  welches 
ohne  Zurückgehen  auf  das  Decret  von  1654  ganz  unverständlich  ist, 
noch  heute  im  Index  ^). 

In  den  letzten  Jahrzehnten  des  17.  Jahrh.  kamen  aus  Neapel 
noch  in  den  Index  Franc.  Roccus,  Franc.  Broya  und  mit  d.  c.  Ca- 
rolus  Ant.  de  Luca. 

In  dem  oben  erwähnten  Decrete  von  1646  wurden  auch  mit 
i.  c.  verb.  des  toscanischen  Juristen  Franc.  Ansaldus  De  juris- 
iictione  tractatus,  Lugd.  1646  (Mazzuch.  s.  v.),  unbedingt  ein  sici- 
lianisches  Buch :  Codicis  legum  Sicularum  libri  4  a  totidem  Siciliae 
?t  Aragoniae  regibus  latarum  cum  glossis  s.  notis  juridico-politicis 
Siarii  Cutellii  (Villae  Rosatae  Comitis),  von  demselben  1654:  De 
prisca  et  recenti  immunitate  Ecclesiae  et  ecclesiasticorum  controversiae, 
Fem.  prior.  Albit.  p.  283  sagt,  dieses  letztere  Buch  und  das  des 
Gonzalez  de  Salcedo  seien  schon  vorher  von  einigen  italienischen 
Bischöfen  verb.  worden,  obschon  sie  zu  Madrid  mit  Approbation 
les  Erzbischofs  von  Toledo  erschienen  seien;  er  führt  dieses  als 
Beispiel  für  den  Satz  an,  dass  Bischöfe  solche  Verbote  erlassen 
cönnten,  wenn  sie  sähen,  dass  die  Bücher  weltlichen  Richtern  Anlass 
^äben,  die  kirchliche  Freiheit  und  Immunität  zu  verletzen.  —  1687 
vnrde  noch  verb.  Responsio  decisiva  .  .  .  Phil.  Cammarata  et 
?oyo,  Palermo    1663. 

3.  Der  1.  Band  der  Annalen  des  Baronius  erschien  1588, 
ler  2.  1590  (beide  Sixtus  V.  gewidmet),  der  3.  1592  (Philipp  II. 
gewidmet),  der  4.  1593  (Clemens  VIII.  gewidmet),  der  5.  1594. 
Ichon  diese  Bände  erregten    in  Spanien  Anstoss.     In    einem    Briefe 


1)  Im  span.  Index  stehen   unier  Copia  und  sonst  viele  Manuscripte. 


378  Begalisian. 

vom  29.  Juni  1594  schreibt  Bar.  an    Antonio  Talpa:    Er  höre  von 
verschiedenen  Seiten,  dass  in  Spanien  die  Inquisitoren  seine  Anualen 
censurirten.     Ein   Mädchen    aus   Temi,    welches   seit  vielen   Jahren 
bei    ihm  beichte,   <»in   ganz    einfältiges  Geschöpf,  welches  aber  von 
Gott    eine    besondere  Gabe  habe,    viele  Dinge  vorherzusehen,  habe 
ihm  im  Auftrage  der  Madonna  gesagt,  er  solle  sich  auf  eine  schwere 
Bedrängniss    gefasst   machen,   die    ihn    wegen   der    Annalen    treffen 
werde;  die  Madonna  aber  werde  ihn  unterstützen,  so  dass  er  schliess- 
lich den  Sieg  davon  tragen  werde.      An  demselben  Tage  habe  ihm 
ein  Pater  sub  sigillo    jene  Nachrir.ht  aus    Spanien  mitgetheilt.     Er 
habe    mit   dem  Card.  Borromeo,    dem    Präfecten    der    Index-Congr., 
und  mit  dem  Card.    Cusano  gesprochen,  und   beide  hätten  ihm  ihre 
Unterstützung    zugesagt.     Auch    der    Papst    habe    sich    wiederholte 
über  die  Annalen  lobend  geäussert.  Der  Card.  Toledo  (der  berühmte 
Jesuit,  f  löOf))  sei  sein  Gegner  und  habe  vielleicht  jene  Geschichte 
angezettelt.     „Ich  höre,  fährt  er  fort,    daös    die  spanischen  Inquisi — 
toren  ad  libitum,    ohne    Gründe   anzugeben,    in  ihren  Index  setzen 
wen  sie  wollen,  worüber    in    der  ganzen  Welt   geklagt    wird.     Ic 
bin  darauf  gefasst,    dass  sie  mich  auch  hineinsetzen;  aber  ich  hab 
grosse  Zuversicht,   dass  die  Madonna  ihre  Sache  vertheidigen  wird 
Sobald  die  Nachricht  sich  bestätigt,  denke  ich  zum  Papste  zu  gehe 
und   ihm  klar  zu  machen,  dass  die  span.  Inquisition  mich  nur  ver 
dämmt,    weil    ich    ein  Vcrtheidiger   der  kirchlichen  Immunität    bin 
Es  trifft  sich  gut,    dass  ich    als  Beweis  dafür    anführen  kann,   das 
im  letzten  Jahre  Sixtus'  V.  in  Spanien  ein  Buch   von  Giov.  de  Roi 
gegen    die  kirchliche   Freiheit    mit    einer  Dedication  an    den  Koni 
und  mit  Approbation  der  Inquisition  erschienen  ist,  welches  in  Ron: 
gleich    als    ein   blasphemisches  Buch    in  den   Index    gesetzt    wurd 
(I  S.  537).     An    diesem  Beispiele    kann    man   sehen,    von  welche 
Geiste  die  span.   Inquisitoren   beseelt  sind.     Der  Mag.  S.  Pal.,    de: 
meine  Bücher    geprüft    hat  [Barth,    de  Miranda],    ist    ein  gelehrte 
und  gewissenhafter  Spanier."  Am  28.  Aug.  1594  schreibt  er  weiter 
am  spanischen  Hofe  spreche  man    nur  lobend  von  den  Annalen;  di( 
Inquisition    scheine  also  die  Sache  heimlich  zu  betreiben    und    di 
könne  nur  dadurch  bekannt  geworden  sein,   dass  diejenigen,   welche 
dort  die  Bücher  prüften,  an  ihre  Patres  in  Rom  darüber  geschrieben r 
er  habe  nochmals  mit    dem  Card.  Borromeo    gesprochen  und  dieses 
wolle  dem  Papste  rathen,  in  der  Weise,    wie  Talpa   empfohlen^ 
die  Inquisition  zu  schreiben  (Baronii  Epp.  ed.  Alberieius  3,  65.  67)4 
Gegen  die  ersten  10  Bände  geschah  aber  in  Spanien  nichts. 

Der    11.    Band    erschien    1605.     Am  7.   Nov.    1604    schreibt' 
Bar.  an  Talpa:  er  habe  ihm  den  Tractat  (über  die  Monarohia  Sicula^ 
nach  Neapel  geschickt,  nicht  als  ob  er  im  Zweifel  darüber  gewesen* 
ob  er  ihn  verötfentlichen  solle,  denn  er  werde  mit  Zustimmung  des* 
Papstes   gedruckt   werden,    sondern   um  von  ihm  zu  hören,    wie 
in  Neapel  werde  aufgenommen  werden;  er  habe  aber  Talpa's  Rath' 
entsprechend  einiges  geändert,  um  gar  nicht  gegen  die  dem  König 
schuldige  Ehrfurcht  zu  Verstössen;    auch   der  Papst  und  einige  Car-- 
dinäle  hätten  einige  Milderungen  für  rathsam  gehalten,    und  daran 


Card.  Baronius.  879 

er  gern  eingegangen  (Epp.  3,  133).  —  In  einer  im  März  1605 
}h  dem  Tode  Clemens'  VIII.  gehaltenen  Versammlung  der  Car- 
äle  wurden  zwei  Briefe  des  Vicekönigs  von  Sicilien,  einer  an 
mena  VIII.,  einer  an  die  Cardinäle,  vorgelegt,  worin  über  den 
ictat  geklagt  und  verlangt  wurde,  derselbe  solle  als  der  Verbes- 
ang bedürftig  (also    mit  d.  c.)   verboten    werden.     Die  Ansichten 

•  Cardinäle  waren    getheilt.     Bar.   vertheidigte  sich:    der  Tractat 
von  Clemens  VIII.  und  mehreren  Cardinälen  gutgeheissen  und  auf 

fehl  des  Papstes  gedruckt  worden.  Man  beschloss  auf  den  Vor- 
lag des  Card.  Medici,  die  Sache  dem  neuen  Papste  zu  überlassen. 
*d.  Medici  wurde    selbst  Papst,  Leo  XL,    starb    aber  schon  nach 

Tagen.  Nun  hatte  Bar.  Aussicht,  gewählt  zu  werden,  erhielt 
ir  von  Spanien  die  Exclusive.  Nach  der  Wahl  Pauls  V.  schrieb 
r.  13.  Juni  1605  an  Philipp  IIL  Er  sagt  selbst,  er  habe  ab- 
itlich  bis  dahin  gewartet,  um  nicht  den  Schein  zu  erwecken,  als 
>e  er  vor  dem  Conclave  den  König  umstimmen  wollen.  An  die 
:theilung,  der  Papst  habe  den  Tractat  selbst  vor  dem  Druck  ge- 
en  und  durch  drei  Cardinäle  prüfen  lassen,  knüpft  er  die  Be- 
rkung :  Mögen  also  Laien  einsehen,  wie  bedenklich  es  für  sie  ist, 
iriften,  die  vom  apostolischen  Stuhle  gutgeheissen  sind,  zu  ver- 
nmen  und  zu  verbieten.  Weiter  sagt  er:  sein  Tractat  sei  zwar 
I  den  Dienern  des  Königs  übel  gedeutet  worden ;  von  Sr.  Majestät 
ge  er  aber  nicht  anders  denken,  als  von  dem  katholischen  Könige 

denken  sei  (Epp.  1,  97;  2,  203). 

Jo.  Moretus,  der  in  Antwerpen  die  Annalen  des  Baronius  nach- 
ickte,  bemühte  sich  vergebens,  von  der  span.  Eegierung  die  Er- 
bniss  zum  unveränderten  Abdruck  des  11.  Bandes  zu  erlangen, 
[  schlag  darum  Bar.  vor,  er  wolle  den  Tractat  weglassen  ;  dieser 
5r  bestand  in  einem  Briefe  aus  dem  J.  1606  darauf,  der  Band 
le  ohne  Weglassung  einer  Zeile  oder  gar  nicht  gedruckt  werden : 
as  ist  die  grösste  Verwegenheit,  ein  mit  apostolischer  Autorität 
Irncktes  Buch  eines  Cardinais  der  h.  Kömischen  Kirche  wegen 
end  eines  Vorwandes  der  regierenden  Herren  zu  verstümmeln. 
Lube  mir,  es  ist  besser,  dass  du  die  schon  gedruckten  Bogen  Ver- 
dens gedruckt,  als  dass  du  vor  der  ganzen  christlichen  Welt  von 

•  als  Verstümmeier  von  Büchern  öffentlich  angeklagt  wirst  und 
lern  Schaden  leidest.  Der  Band  ist  nicht  nur  in  Kom,  sondern 
;h  in  Venedig  und  Mainz  gedruckt  worden.     Die  Entschuldigung, 

du  in  deinem  Briefe  vorbringst,  gilt  nichts  in  meinen  Augen 
T  in  den  Augen  irgend  jemands,  der  erwägt,  von  welchem  Ge- 
}hte  die  Schriften  der  Cardinäle  der  h.  Römischen  Kirche  sind" 
irmann,  Sylloge  1,  738;  2,  185).  Der  Band  erschien  jedoch 
Antwerpen  wirklich  ohne  den  Tractat.  —  In  dem  1607  erschie- 
len  12.  Bande  (a.  1186  n.  26)  sagt  Bar. :  es  sei  dictu  nefas,  hor- 
dum  factu,  dass  königliche  Beamte  den  Buchhändlern  verböten, 
iriften,  die  vom  Papste  approbirt  seien,  ohne  specielle  Erlaubniss 
verkaufen.  Dieser  12.  Band  ist  der  letzte,  den  Bar.  herausge- 
)en.     Er  starb  30.  Juni  1607. 

1609    erschien    zu  Paris,  gewissermassen    als  Supplement    zu 


880  Regalisten. 

dem  11.  Bande  der  Antwerpener  Ausgabe  C.  Baronii  Tractatns 
de  mon.  Sic.  Accedit  Ascanii  Card.  Columnae  de  eodem  tractatu 
Judicium  cum  Baronii  responftione  apologetica  et  epist.  ad  Philip- 
pum  III.  (Der  Brief  des  Card.  Colonna  an  Bar.,  worin  er  ihm  vor- 
hält, dass  er  nimis  acri  stilo  geschrieben,  und  Baronius*  Antwort 
stehen  auch  in  den  Epp.  2,  165).  Der  Nuncius  in  Madrid  erhielt 
darauf  27.  Apr.  1610  den  Auftrag,  wenn  die  Rede  darauf  komme, 
zu  versichern,  der  Papst  sei  über  diese  Publication  sehr  betrübt 
und  habe  Befehl  ertheilt,  alle  nach  Italien  kommenden  Exemplare 
einzuziehen;  er  sollte  zugleich  die  Veröffentlichung  einer  Entgegnung 
oder    weiterer    Schriften    hintertreiben    (Laemmer,     Melet.    p.  281). 

Das  Edict  Philipps  III.  ist  vom  3.  Oct.  1610,  wurde  17.  Dec. 
in  Sicilien  durch  den  Card.  Doria,  19.  Febr.  1611  in  Portugal, 
28.  Febr.  in  Neapel  publicirt  (Arg.  III  b.  590.  Groldast,  Monarchia 
3,  619.  Seabra  2,  98.  fiOl).  Die  Verbreitung  von  Ausgaben  des 
11.  Bandes,  welche  den  Tractat  enthalten,  wird  darin  bei  Strafe  von 
500  Gulden,  im  Wiederholungsfälle  bei  fünfjähriger  Verbannung 
für  Adeliche,  bei  Galeerenstrafe  für  andere  verb. ;  mit  derselben 
Strafe  werden  diejenigen  bedroht,  welche  den  Band  nicht  binnen 
20  Tagen  zur  Expurgation  abliefern.  In  der  Motivirung  des  Ver- 
botes heisst  es:  der  Cardinal  spreche  in  dem  Tractate  mehr  als  An- 
kläger wie  als  Geschichtschreiber,  in  Ausdrücken,  die  sich  für  seinen 
Stand  nicht  ziemten;  er  lasse  sich  von  seinem  persönlichen  Affect 
hinreissen  und  bekunde  Unkenntniss  der  geschichtlichen  Wahrheit 
u.  s.  w.  Die  Angabe,  Philipp  III.  habe  den  Band  öffentlich  ver- 
brennen lassen,  ist  unrichtig  (Clement  2,  452).  1611  —  12  bemühte 
sich  Paul  V.  vergebens,  durch  den  Nuncius  in  Madrid  und  den 
Beichtvater  des  Königs  die  Aufliebung  des  Verbotes  zu  erwirken 
(Laemmer,  Melet.  p.  300  —  321). 

In  Rom  erregte  der  12.  Band  der  Annalen  Anstoss,  weil  Bar. 
darin  (a.  1191  p.  84)  die  Echtheit  der  Constantinischen  Schenkung 
preisgegeben  hatte.  Card,  du  Perron  (Perroniana  s.  v.  Constantin) 
sagt:  man  habe  diesen  Abschnitt  censuriren  wollen;  er  habe  es  ver- 
hindert. Ausführlicher  berichtet  darüber  Bellarmin  in  einem  Briefe 
an  Baronius  vom  9.  April  1607  (Laemmer,  Melet.  p.  364):  ,,Da 
Sie  die  Approbation  des  Papstes  haben,  meine  ich,  Sie  sollten  nichts 
ändern ;  das  wird  Ihnen  ohne  Zweifel  auch  Card,  du  Perron  sagen. 
Als  der  Papst  im  Consistorium  mit  mir  darüber  sprach,  sagte  er, 
er  habe  gehört,  dass  Sie  die  Schenkung  Constantins  anzweifelten. 
Ich  antwortete:  die  Schenkung  sei  nicht  zu  begründen;  aber  wenn 
Sie  das  Diplom  Otto's  I.  bestritten,  so  sei  das  eher  eine  Vertheidi- 
gung  als  eine  Verwerfung  der  Schenkung;  am  Schlüsse  tadelten 
Sie  freilich  diejenigen,  welche  so  viel  Werth  auf  jenes  Edict  Con- 
stantins legten,  als  ob  ohne  jene  Schenkung  die  Kirche  untergehen 
müsse.  Darauf  sagte  Se.  Heiligkeit:  alle  Canonisten  hielten  sie  für 
sicher^)  und    darum  wünsche  er,    dass    sie    nicht    bestritten    werde. 


1)  „Noch  um  1570   zählte    der  berühmte  Franz  Hursatus  22  Cano- 


Card.  Baronius.  A.  Bzovius.  381 

Du  Perron  erzählt,  er  habe  einmal  mit  dem  Papste  darüber  ge- 
iprochen;  derselbe  habe  ihm  nur  lachend  geantwortet;  Chevolete? 
Canonici  la  tengono.]  Später  brachte  mir  der  Benedictiner  Don 
jonstantino  [Gaetano,  S.  294]  ein  Schriftchen,  welches  er  für  die 
Schenkung  gesclirieben;  nachdem  ich  es  gelesen,  sagte  ich  ihm,  es 
)e weise  gar  nichts  .  .  .  Card.  Monreale  meinte,  Sie  sollten  die 
Stelle:  Habemus  firmiorem  propheticum  sermonem  weglassen;  die 
iVorte  passten  nicht  auf  die  weltliche  Herrschaft,  die  der  Papst 
loch  nicht  jure  divino  zu  besitzen  behaupte.  Ich  antwortete:  Sie 
sollten  mit  jenen  Worten  auf  die  geistliche  Autorität  des  Papstes 
iinweisen,  die  er  nicht  von  Constantin  habe,  wie  jenes  Edict  an- 
leote,  sondern  von  den  Worten  des  Evangeliums.  .  .  .  Ich  meinte 
infangs,  Sie  sollten  dem  Papste  und  den  Canonisten  zu  G-efallen 
lie  vier  letzten  Zeilen  weglassen:  Haec  dixisse  et  aperuisse  volui- 
nus  etc.  Aber  da  der  Papst  die  Stelle,  die  Card.  Monreale  mit 
iinem  Strich  bezeichnet  hatte,  gelesen  und  nichts  eingewendet  hat, 
i¥Ürde  ich  sie  nicht  weglassen,  da  ich  für  die  Weglassung  keinen 
Indern  Grrund  hatte,  als  den  Papst  nicht  zu  betrüben." 

Der  Auszug  aus  Baronius'  Annaleu  von  Henr.  Spondanus  er- 
regte in  Frankreich  Anstoss  (S.  348),  der  1617  erschienene  2.  Band 
1er  Fortsetzung  des  Dominicaners  Abraham  Bzovius  (1567 — 1637, 
ier  14.  Band  der  Annalen)  in  Baiern,  wegen  der  Darstellung  der 
beschichte  Kaiser  Ludwigs  des  Baiern.  Der  Kurfürst  Maximilian  I. 
liess  durch  Jacob  Keller,  den  Rector  des  Münchener  Jesuiten-Col- 
legs,  eine  scharfe  Widerlegung  schreiben,  die  freilich  nicht  unter 
lem  Namen  Kellers,  sondern  unter  dem  des  kurfürstlichen  Kanzlers 
jeorg  Herwart  von  Hohenburg  erschien,  —  Ludovicus  IV.  Imp. 
lefensus,  Bzovius  injuriarum  postulatus,  1618 — 19  (nochmals  ge- 
imckt  als  Annalium  eccl.  .  . .  tomi  14.  ab  A.  Bz.  conscripti  Appen- 
iix.  Ed.  2.  recognita  ab  auctore,  1621,  184  S.  Fol.;  Baumg.  2, 
237),  —  und  beklagte  sich  auch  bei  dem  Papste  und  dem  Domini- 
janer-General.  Bzovius  musste  sich  dazu  verstehen,  dem  Bande 
;ine  Erklärung  beizufügen  (sie  wurde  als  Abr.  Bzovii  Retractatio 
ie  electione  Ludovici  IV.  Imp.  1628  auch  zu  Ingolstadt  gedruckt) 
und    in    der  neuen    Auflage  (1623)    das  Anstössige    wegzulassen^). 


[listen  und  73  Juristen  mit  Namen  auf,  die  alle  in  der  Annahme  der  Echt- 
iieit  einig  seien."  Hergenröther,  Kath.  Kirche  und  christl.  Staat  S.  371. 

1)  Friedrich,  Ueber  die  Geschichtschreibunpr  unter  dem  Kurf.  Maxi- 
nilian  I.,  1872,  S.  9.  Sitzungsber.  der  baier.  Ak.  Phil.-hist.  Cl.  1874,  S.  48. 
S^och  vor  Herwärts  Buch  erschien  Denfensio  Ludovici  IV.  Imp.  ratione 
^lectionis  contra  Bzovium.  Auct.  Chrph.  Gewoldo  .  .  .  1G18  (Clement  9, 
173.  466).  Bei  Ciampi,  Innocenzo  X.  p.  252  berichtet  Niccolini  1624: 
ier  Agent  des  Kurfürsten  habe  unter  Paul  V.  und  Gregor  XV.  nicht  er- 
wirken können,  dass  Bzovius  zu  einer  Berichtigung  angehalten  werde, 
)b8chon  der  Kurfürst  gedroht  di  farli  dar  delle  pugnalate  und  die  Domi- 
licaner  aus  Baiern  zu  vertreiben ;  erst  Urban  VIII.  habe  Bzovius  zu  einer 
Berichtigung  angehalten.  Th.  Spizel  erwähnt  in  einem  Briefe  bei  J.  Bruckor, 
Sdiscell.,  1748,  p.  262:  der  baierische  Kauzler  habe  seinen  Unwillen  darüber 
a^eäussert,    dass»    obschon  Bzovius  dafür  gezüchtigt  worden,    auch    in  der 


dd2  Streitigkeiten  zwischen  Welt-  und  Ordensgeistlichen 

J.  Nicius  Eryth.,  Pin.  1,  198  sagt,  Herwärts  Buch  sei  verboten 
worden;  es  steht  nicht  im  Index,  vielleicht  ist  aber  der  Verkauf 
in  Rom  nicht  gestattet  worden.  —  Bzovius  erregte  auch  sonst  mehr- 
fach Anstoss.  Der  Florentiner  Gesandte  Niccolini  berichtet :  er 
habe  durch  den  Mag.  S.  Pal.  Ridolfi  erfahren,  das«  Bzovius  über 
Lorenzo  Medici,  Clemens  VII.  und  Cosimo  I.  ungünstig  schreibe; 
er  sei  durch  Drohungen  und  Geschenke  bestimmt  worden,  die  Stellen 
zu  ändern.  Auch  die  Franciscaner  und  die  Jesuiten  klagten  über 
ihn,  und  Raynaud  (Apop.  p.  293)  erzählt  ihm  nach:  er  habe  einem 
Bande  seiner  Annalen  Sarpi^s  Geschichte  des  Trienter  Concils  ein- 
verleiben wollen  (doch  wohl  nur  viel  daraus  abgeschrieben) ;  der 
Mag.  S.  Pal.  habe  bereits  die  Approbation  ertheilt  gehabt ;  der 
Cistercienser  Hilarion  Rancati  aber  noch  zur  rechten  Zeit  den  Un- 
rath  gemerkt  (pro  suavi  odore  autoris  exscripti  foetorem  odoratus 
de  morte  in  olla  Pontificem  admonuit). 


47.     Streitigkeiten   zwischen  Welt-   und   Ordensgeist 

liehen,  1600—1700. 

Seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  entstanden  wiederhol! 
lebhafte  Gontroversen  über  die  Stellung  der  Ordensgeistlichen 
zu  den  Bischöfen.  Jene  beanspruchten  vielfach,  als  unmittelbai 
unter  dem  Papste  stehend,  von  der  bischöflichen  Jurisdiction 
eximirt  zu  sein.  Viele  Bischöfe  dagegen  behaupteten,  in  ihren 
Diöcesen  dürfe  kein  Ordensgeistlicher  ohne  ihre  ausdrückliche 
Ermächtigung  seelsorgerliche  Functionen  vornehmen.  Der  Gegen- 
satz trat  sehr  scharf  hervor  zwischen  den  Jesuiten  und  dem 
1623  mit  dem  Titel  Bischof  von  Chalcedon  zum  apostolischen 
Vicar  für  England  ernannten  Dr.  Richard  Smith ,  der  in 
Folge  dieser  Streitigkeiten  1628  England  verlassen  mnsste  und 
bis  zu  seinem  Tode  im  J.  1655  in  Frankreich  lebte.  Ausser 
englischen  Geistlichen  betheiligten  sich  auch  die  Pariser  Theologen 
FranQois  Hallier  und  Jean  du  Vergier  de  Hauranne,  gewöhn- 
lich Abbe  de  Saint- Cy ran  genannt,  —  er  schrieb  anter  dem 
Namen  Petrus  Aurelius,  —  an  diesem  Streite.    Im  J.  1633  ver- 


Bpitome  der  Annales  Haynaldi  Ludwig  IV.  nicht  in  der  Reihe  der  Kaiser 
stehe  und  gesagt  werde,  Carl  IV.  habe  seine  Gesetze,  weil  er  ein  Ketzer 
und  Schismatiker  gewesen,  für  nichtig  erklärt-  Ueber  die  anderen  Händel 
8.  Bayle  8.  v.  Bzovius. 


in  England.  ddd 

bot  die  Index-Congregation  alle  auf  die  Controverse  zwischen 
dem  Bischof  von  Chaicedon  und  englischen  Ordensgeistlichen 
bezflglichen  Schriften,  mit  der  Erklärung,  durch  dieses  Verbot 
solle  Aber  die  Sache  selbst  nichts  entschieden  und  gegen  keinen 
der  betreffenden  Autoren  eine  Censur  ausgesprochen  werden; 
weiteres  über  die  Sache  zu  schreiben  wurde  bei  Strafe  der 
reservirten  Excommunicatio  latae  sententiae  verboten.  Es  er- 
schienen gleichwohl  noch  mehrere  Streitschriften.  Das  allge- 
meine Verbot  ging  in  den  Index  über  und  steht  seit  Benedict  XIV. 
in  den  Decr.  gen.  II,  4.  Speciell  verboten  wurde  nur  1642  ein 
Bach  des  Jesuiten  L.  Cellot  mit  d.  c.  —  Im  J.  1659  censurirte 
die  Inquisition"  mehrere  von  französischen  Ordensgeistlichen 
bei  einem  Streite  mit  dem  Bischof  Henri  Amauld  von  Angers 
und  mit  den  Pariser  Pfarrern  aufgestellte  Thesen,  verbot  aber 
zugleich  mehrere  bei  dieser  Gelegenheit  gegen  die  Ordensgeist- 
lichen erschienenen  Schriften.  Auch  sonst  wurden  mit  Rück- 
sicht auf  zu  weit  gehende  Behauptungen  Schriften  beider  Parteien 
verboten;  so  eine  im  Interesse  der  Orden  geschriebene  von 
Chassaing  und  eine  im  Interesse  der  Weltgeistlichen  geschriebene 
von  Launoj.  Als  aber  die  Sorbonne  1664  eine  unter  dem  Namen 
Jacques  Vernant  veröffentlichte  Schrift  censurirte,  in  welcher 
ausser  den  Privilegien  der  Orden  auch  die  Gewalt  des  Papstes 
in  sehr  weitgehender  Weise  dargestellt  war,  wurde  diese  Censur 
durch  ein  Breve  Alexanders  VII.  vom  25.  Juni  1665  verdammt. 
—  1693  wurde  auch  eine  massvoll  gehaltene,  dem  Fürstbischof 
von  Bamberg  und  Würzburg  gewidmete,  von  dessen  Rath  J.  F. 
Karg  verfasste  Schrift  über  die  Privilegien  der  Orden  verboten. 

1.  Nachdem  die  ganze  Hierarchie  in  England  von  Rom  ge- 
trennt war,  —  der  letzte  Rom  treu  gebliebene  Bischof,  Watson  von 
Lincoln,  starb  1584,  —  wurden  für  die  römischen  Katholiken  zu- 
nächst nicht  neue  Bischöfe  ernannt,  sondern  gemäss  den  Vorschlägen 
von  Parsons  und  anderen  Jesuiten  England  als  Missionsland  be- 
handelt und  an  die  Spitze  der  Geistlichkeit  ein  Erzpriester  gestellt^). 
Der  erste,  Georg  Blackwell,  ernannt  1598,  f  1613,  fand  bei  den 
Weltgeistlichen  vielfach  Opposition.  Parsons  beantragte  1602  das 
Verbot  von  14  theils  lateinischen,  theils   englischen  Schriften  gegen 


1)  Vgl.  zum  Folj^enden  ausser  den  bereits  erwähnten  Schriften  von 
Cerri,  Dodd-Tieruey  und  Butler  Racine  13,  624.  Flanagan,  Hist.  of  the 
Cath.  Church  2,  805.  Mejer,  Die  Propaganda  in  England  1861. 


384  Streitigkeiten  zwischen  Welt*  und  Ordensgeistlichen. 

den  Erzpriester  und  die  Jesaiten,  darunter  einer  von  John  Knsb^ 
Declaratio  motuum  ac  turbarum,  quae  ex  controversia  inter  Jesnitas 
iisque  faventein  D.  Gr.  Blackwell  ei  sacerdotes  seminariornm  ab 
obitu  Card.  Alani  (William  Allen,  f  1594)  usqne  ad  a.  1601  .  .  „ 
exhibita  ab  ipsiB  sacerdotibus,  qui  BchismatiR  sunt  insimalati  (Dodd* 
Tierny  3,  App.  158.  177).  Es  kam  aber  zu  keinem  Verbote.  AaclL 
ein  Buch  des  gleich  zu  erwähnenden  Richard  Smith,  Answer  to 
Bell's  Downfall  of  Popery,  wurde  von  Parsons  und  seinen  Freanden 
1609  und  1611  der  Inquisition  denuncirt,  aber  nicht  verb. 

1623  wurde  in  der  Person  des  William  Bishop,  Dr.  Sorb., 
nicht  ein  Bischof,  aber  ein  apostolischer  Vicar  mit  bischöflioben 
Rechten  mit  dem  Titel  Bischof  von  Chalcedon  in  partibus  infidelinm 
bestellt.  In  dem  Brevc  vom  23.  März  1623  (Dodd-T.  4,  App.  273) 
heisst  es:  ad  nostram  et  S.  Sedis  beneplacitum  omnibus  facaltatibus 
olim  archipresbyteris  deputatis  necnon  quibus  ordinarii  in  suis  dioe- 
cesibus  utuntur,  .  .  similiter  uti  possis.  In  derselben  Weise  wurd 
von  Urban  VIII.  4.  Febr.  1625  Richard  Smith  ernannt  (Arg.  II 
340).  1627  erklärte  Urban  VIII.,  Smith  sei  kein  Ordinarius 
sondern  nur  ein  Delegirter  des  Papstes.  Der  Nuncios  in  Pari 
wurde  als  zweite  Instanz  bestellt.  In  Rom  wurden  die  englische 
Angelegenheiten  in  der  Propaganda  verhandelt,  später  aber,  dami 
sie  geheimer  behandelt  werden  könnten,  der  Inquisition  überwiesen 
(Gern  p.  17).  —  Bishop  bildete  1623,  vorbehaltlich  der  Genebmi 
gung  des  Papstes,  ein  Üapitel,  und  Smith  theilte  seine  Diöcese  i 
7  Vicariate,  23  Archidiaconate  und  eine  Anzahl  von  Decanaten.^ 
Eine  Bestätigung  dieser  Organisation  ist  nicht  erfolgt,  aber  anc 
kein  Widerspruch.  Nachdem  Smith  1628  England  verlassen  hatte,K 
fungirte  ein  Generalvicar  desselben  bis  zu  seinem  Tode,  1655.  163 
kam  durch  das  Bemühen  des  Msgr.  Panzani,  der  seit  1634  al 
päpstlicher  Agent  in  England  war,  eine  Verständigung  zwisobe 
einem  Theile  der  Welt-  und  Ordensgeistlichen  zu  Stande;  sie  wa; 
aber  nicht  von  Dauer  und  die  Jesuiten  protestirten  dagegen  (Fla — 
nagan  2,  320).  —  Smith  erhielt  vorläufig  keinen  Nachfolger;  d 
Capitel  wurde  von  den  Weltgeistlichen  mit  stillschweigender  Dul 
düng  Roms  als  geistliche  Oberbehörde  anerkannt.  In  dieser  Zei 
wurde  wiederholt  vergeblich  die  Ernennung  eines  Biscbofs  bean — 
tragt;  namentlich  war  der  Convertit  Sir  Kenelm  Digby,  der  zwei — 
mal  als  Gesandter  der  Wittwe  Carls  I.,  Henriette  Marie,  in  Ro 
war,  dafür  thätig.  H.  Holden  und  Th.  White  (Blackloe,  s.  §  49 
sollen  vorgeschlagen  haben,  man  solle  in  Frankreich  einen  Bischof 
England  weihen  lassen;  der  Papst  werde  das  fait  accompli  ane 
kennen,  —  ein  Project,  welches  als  Blackloe's  Cabal  wiederholt  e 
wähnt  wird  (Butler  2,  420.  425).  1685  wurde  John  Leybam  snm 
apostolischen  Vicar  ernannt  (f  1703),  1688  wurden  vier  apostolische 
Vicare  bestellt.  Erst  1850  ist  durch  Pius  IX.  die  biscböflicbe  Hie- 
rarchie wieder  hergestellt  worden.  —  Benedict  XIV.  regelte  30. 
Mai  1753  das  Verhältnins  der  apostolischen  Vicare  zu  den  Ordens* 
geistlichen  (Mejer,  S.   105);    Leo  XIII.   erliess  wegen    der   difficnl- 


Der  Bischof  von  Chalcedon.  885 

tatea  et  dissenRns    unter    den   Bischöfen  und  Ordensgeistlichen  wie- 
der eine  Bulle  vom  8.  Mai  1881  (A.  J.  P.  20,  811). 

Zur  Vertheidigung    des  Bischofs    von    Chalcedon    schrieb  Dr. 
Matthew    Kellison,    Eector    des    englischen    Collegs    zu  Douay:    A 
Treatise  of  the  Hierarchie  and  divers  Orders  of  the  Church  against 
the  anarchie  of  Calvin,    Douay  1629.     Im  J.  1630   erschienen  eng- 
lisch, 1631   in  lat.  Uebersetzung  zwei  Schriften  von  Jesuiten  gegen 
den  Bischof:  A  modest  and  briefe  discussion  of  some  points  tanght 
by  Dr.  M.  Kellison  in  bis  Treatise  of  the  Ecclesiastical   Hierarchy, 
Rouen   1630;    Modesta    et   brevis    diseussio   aliquarum    assertionum 
D.  Doctoris  Eeliisoni,    quas    in  suo  de   eccl.   hier,    tractatu  probare 
conatur,  Aut.  Nie.  Smithaeo,  Antw.  1631,  262.  S.  12  (der  Verfasssr 
hiesB    eigentlich    Matthew    Wilson,    nannte     sich    aber    gewöhnlich 
Eduard  Knott;  die  lateinische  Uebersetzung  ist  von  Georg  Wright), 
—  und  An  Apology  of  the  Holy   See  Apostolick's    proceeding    for 
the   govemment   of  the  Catholicks  of  England   during    the    time  of 
persecution,  with  a  defence  of  a  religious  state,    written   by  Daniel 
of  Jesus,  Reader  of  Divinity,  Rouen  1630;  Danielis  a  Jesu  Apologia 
pro  modo  procedendi  Sedis  Apost.  in  regimine   Angliae  catholicorum 
tempore  persecutionis  cum   defensione  religiosi   status.  Praefixa  Ad- 
monitione  ad  lectorem  Hermanni  Loemelii,   S.  Th.    Lic.   et  Canonici 
Kegul.    Eccl.    cath.    Audomarensis ,     Audomaropoli     (Saint     Omer) 
1631.     Der  Verfasser   dieser   Schrift    einschliesslich    der  Admonitio 
liiess  John  Floyd.     Der  Bischof  selbst  betheiligte  sich  an  der  Con- 
"troverse  nur   mit  Brevis   et    necessaria  declaratio    juris    episcopalis, 
aiQot.   Richardo  Smith,  Calais  1631.    Gleichzeitig  erschien  Bref  narre 
^e  ce  qui    s'est   passe   en    suite    du    differend    meu    en    1625    entre 
l'Evesque  de  Chalcedoine,  delegne  du  Pape  aux  royauraes  d'Angleterre 
et  d*Ecosse,    et    les  Jesuites    Anglois,    1631.     Die  beiden  Schriften 
^on  Knott  und  Floyd  (die  englische  Ausgabe)  wurden  1631  von  dem 
Krzbischof   de  Gondi  von  Paris,    der  Sorbonne   und   der  Assemblee 
du  Clerge  sehr  scharf  censurirt;    die    Censuren    erschienen  1631  zu 
Paris  gedruckt:  Censura  Parisiensis  Archiepiscopi    die    30.    m.  Jan. 
1631  in  quasdam    propositiones   hibernicas    (Sätze,    welche  Ordens- 
^eistliche  ip  Irland  vorgetragen  haben  sollten,  Arg.  IIb   328.  357) 
et  duos  libellos  anglicanos  etc.;    Censura    propositionum   quarundam 
3am  ex   Hibernia  delatarum,  tum  ex  duobus  libris    anglico  sermone 
^onscriptis,  in  latinum  bona   fide   conversis  excerptarum    per   S.  Fa- 
zsaltatem  Theol.  Paris,  facta  (Arg.  II  b  329)  ;  Epistola    Archiepisco- 
pornm  et  Episc.  Parisiis  nunc  agentium  ad  Archiepiscopos  et  Episc. 
Regni  Galliae  super  animadversione  duorum  libellorum  quorum  tituli 
aunt  etc.     Gegen  diese  Censuren  erschienen:    Antonii  Goffar  S.  Th. 
Dr.  Vindiciae  pro  Nie.  Smithaeo  contra  censuram  nomine  Facultatis 
Paris,  editam    in   ejusdem   librum  cui  nomen:    Modesta  etc.,    Leodii 
1631     (von  Knott?),    und   Hermanni    Loemelii    Antwerpiensis    .  .   . 
Spongia,  qua  diluuntur  calumniae  nomine  Facultatis  Paris,  impositae 
libro   qui    inscribitur  Apologia    etc.,    nee    non    Ecclesiae   anglicanae 
Qnerimonia  apologetica    de  censura   aliquot    episcoporum    Galliae  in 
duos    fibrös   anglicanos,  Audomaropoli    1631,    242  S.  8.  (von  Floyd; 

Reuscli,  Index   II.  25 


386  Streitigkeiten  zwischen  Welt-  und  Ordensgeistlichen. 

die  Qnerimonia  auch  besonders  gedruckt).  Diese  Schrift  Hess  das 
Parlament  von  Ronen  als  libelle  diifamatoire,  plein  dMmpoBtares  et 
de  calomnies  verbrennen  (Arg.  II  b  359).  —  Die  Cansiir  der  Sor- 
bonne wurde  von  einem  englischen  Jesuiten  parodirt  in  der  Form 
einer  theologischen  Censur  des  apostolischen  Symbolum,  dessen  ein- 
zelne Artikel  als  mehrdeutig,  einer  ketzerischen  Deutung  fähig  n.  s.  w. 
bezeichnet  werden  (Arg.  IIb  351;  Raynaud,  Apop.  p.  37),  abge- 
druckt als  Anhang  zu  der  Relatio  von  Vargas  (Scioppins,  S.  289) 
und  mit  dieser  verb.  1665. 

Nun  erschienen  von  Francjois  Ballier,  Dr.  der  Sorbonne,  Defen- 
sio   ecclesiasticae    hierarchiae    seu    vindiciae    censurae    Fac.    Theol. 
Paris,  adv.    H.  Loemelii  Spongiam,    quo    libro  perspicue  et   copiose- 
explicantur  quaestiones  praecipuae    de   statu  Ecclesiae  perfeetae,    d& 
sacramento    confirmationis,    de    episcopis    et    curatis,    de  hierarchiae 
eccl.  membris  omnibus,  de  regularium  statu  etc.,   de   duplici  honor 
Delegatis  apostolicis  debito,  Par.  1632,    4.,.   und  drei  Schriften  von 
Jean  du  Vergier    de  Hauranne,    Abb^    de   Saint-Cyran,    unter    dem 
Namen  Petrus  Aurelius  Theologus:    Assertio   epistolae  111.  ac  Bev. 
Galliae  Antistitum,    qua    libros   Nie.  Smithaei    et    Danielis    a   Jes 
damnarunt,  adv.  librum  cui  titulus:  Querimonia   Eccl.  Angl.,  1632 
—  Vindiciae  censurae  Fac.  Theol.  Paris,  seu  responsio  dispunctori 
ad  libellum,  cui   titulus   H.  Loemelii  Spongia,  cujus  mendacia,   con 
tumeliae,  ignorantiae    et  haereses    novissimae    in    censuram   S.  Fac* 
Paris,  adv.  librum  pseudonymum  Danielis  a  Jesu  de  regimine  Ekscle 
siae  Anglicanae  eruuntur  et  refelluutur  ad  verbum  inserto  texta  ip 
sius  auctoris,  Par.  1632 ;     —    Confutatio  collectionis  looorum,    qaoi 
Jesuitae    compilarunt  tanquam  sibi    contumeliosos    et    injuriosoB    ex 
defensione  epistolae  Episcoporum  Galliae  et  censurae  S.  Fac.  Paris 
a  Petro  Aurelio  edita,  1633.    —    1633    erschien    noch    von  Nie  l 
Maistre,  episc.  Lombariensis,    Instauratio    antiqui  episcoporum  prin 
cipatus  et  religiosae  erga  eosdem  monachorum  et  clericorum  omni 
observantiae,  cui  praemissa  est  confutatio  rationum,  quas  Sorbonica 
censurae  objecit  Spongia. 

In  einem  Breve  an  die  englischen  Katholiken  vom  9.  Ma: 
1631  erklärte  Urban  YIII.:  die  Ordensgeistlichen  seien  kyft  aposto 
lischer  Autorität  berechtigt,  ohne  Autorisation  des  Ordinarius  Beichi 
zu  hören;  es  solle  nicht  weiter  über  die  Sache  gestritten  werden 
weitere  Erläuterungen  seien  vom  apostolischen  Stuhle  zu  erbitten. 
Unter  dem  19.  Mai  1633  erliess  die  Index-Congr.  folgendes  Deore 
(Alex.  No.  41):  Da  zwischen  dem  Bischof  von  Chaloedon  and  de 
Ordensgeistlichen  von  England  in  den  letzten  Jahren  einige  Streitig- — 
keiten  entstanden  und  aus  Anlass  derselben  verschiedene  Bücher*^ 
veröfifentlicht  worden  sind,  von  denen  die  Anhänger  beider  Parteien. 
behaupten,  es  seien  darin  mehrere  der  katholischen  Lehre  wider- 
sprechende Sätze  enthalten,  zum  Schaden  der  öffentlichen  Buhe  und 
der  brüderlichen  Liebe,  so  hat  die  Index-Congr.,  —  um  allen  Zwistig- 
keiten  gründlich  ein  Ende  zu  machen  und  den  christlichen  Frieden 
unter  den  Gläubigen  zu  befestigen,  im  Anschluss  an  die  apostoliBohen 
Schreiben,  welche  von  Clemens  VIII.    unter  dem  5.  Oct.  1602  and 


IPt,  Hallier.  Petrus  Aurelius.  dQl 

von  Urban  VIII.  unter  dem  9.  Mai  1631  zum  Zwecke  der  Unter- 
drückung jener  Streitigkeiten  in  England  und  des  Verbotes  jener 
Bücher  erlassen  worden,  welche  aber  zu  anderen  Nationen  noch 
nicht  gelangt  sind,  —  beschlossen,  dass  alle  und  jegliche  Bücher, 
Tract-ate  und  andere  Schriftstücke,  welche  in  irgendwelcher  Sprache 
und  an  irgendeinem  Orte  gedruckt  oder  auch  nur  geschrieben  sind 
und  sich  auf  die  besagten  Streitigkeiten  beziehen  oder  in  irgend 
einer  Weise  direct  oder  indirect  darauf  bezogen  werden  können  oder 
welche  die  besagten  Streitigkeiten  ex  professo  und  unmittelbar  oder 
gelegentlich  und  mittelbar  irgendwie  berühren,  zu  unterdrücken 
seien,  wie  sie  dieselben  durch  gegenwärtiges  Beeret  gänzlich  unter- 
drückt, indem  sie  allen  Gläubigen  in  der  ganzen  Welt,  welchen 
Standes  und  Eanges  sie  auch  sein  mögen,  bei  Strafe  der  dem  Papste 
reservirten  Excomm.  1.  sent  verbietet,  in  Zukunft  über  diese  Dinge 
etwas  drucken  zu  lassen,  zu  schreiben  oder  irgendwie  darüber  zu 
handeln  oder  zu  disputiren  oder  Fragen  anzuregen.  Damit  aber  nie- 
mand von  diesem  Decrete  Anlass  nehme,  gegen  andere  Beschul- 
digungen oder  Vorwürfe  auszusprechen,  erklärt  die  Congregation 
ausdrücklich,  dass  sie  für  jetzt  nicht  beabsichtigt,  über  die  Sache 
selbst  (de  meritis  causae)  etwas  zu  bestimmen  oder  gegen  irgend  einen 
Autor  oder  gegen  irgend  ein  Werk  einen  Tadel  oder  eine  Censur 
auszusprechen  (ignominiam  aliquam  vel  notam  malae  doctrinae  in- 
ferre).  Das  Urtheil  über  alles  dieses  dem  apostolischen  Stuhle  für 
eine  gelegene  Zeit  vorbehaltend,  gebietet  sie  vielmehr  für  jetzt, 
dass  vor  der  Entscheidung  des  apostolischen  Stuhles  niemand  münd- 
lich oder  schriftlich  die  Bücher,  Tractate  u.  s.  w.  der  Gegenpartei 
oder  ihre  Verfasser  als  ketzerisch  oder  dogmatisch  irrig  oder  der- 
gleichen bezeichnen  soll  (haeresis  vel  malae  doctrine  nota  seu  alia 
qoacunque  afficiat). 

Mit  diesem  Decrete  war  der  Streit  aber  keineswegs  zu  Ende. 
Noch  im  J.  1633  erschien  zu  Paris  eine  Disquisitio  decreti  S.  Con- 
gregationis  ad  Indicem  etc.  (abgedr.  im  Journal  de  Saint- Amour, 
Rec.  27—29).  Die  Schrift  ist  an  die  Cardinäle  der  Congregation 
gerichtet  und  enthält  u.  a.  folgende  Sätze:  Das  Decret  wird  von 
manchen  für  unecht  gehalten;  es  ist  in  Rom  nicht  angeheftet,  aber 
freilich  in  der  Gamerald ruckerei  gedruckt  versandt  worden.  Es  be- 
zieht sich  nach  seinem  Wortlaute  nicht  nur  auf  die  von  einzelnen 
herausgegebenen  Streitschriften,  sondern  auch  auf  die  Erklärungen 
der  französischen  Bischöfe,  des  Erzbischofs  von  Paris  und  der  Sor- 
bonne über  einige  dieser  Schriften.  Ueber  diese  Erklärungen  mag 
der  Papst  ein  Urtheil  abgeben;  aber  der  Index-Congr.  steht  es 
nicht  zu,  sie  zu  unterdrücken  und  die  ganz  richtigen  Erklärungen 
unserer  Bischöfe  und  Theologen,  wie:  die  Privilegien  der  Ordens- 
geistlichen könnten  vom  Papste  zurückgenommen  werden,  die  Oberen 
der  Ordensgeistlichen  ständen  nicht  über  den  Bischöfen  u.  dgl.,  in 
derselben  Weise  zu  verbieten  wie  die  schmählichen  Sätze  in  den 
Gegenschriften  (unter  den  Beispielen  daraus  wird  auch  die  execra- 
bilis  censura  symboli  apostolici  aufgeführt).  Floyd  veröffentlichte 
darauf  Defensio  decreti  S.  Congr.  ad  Indicem  pro  suppressione  libro- 


388  Streitigkeiten  zwischen  Welt-  und  OrdensgeistliclieiL 

rum  quomncunqne  ntriusque  partis  in  controversia  Episcopi  Chalced., 
dati  Eomae  19.  Martii  1633,  qua  contumax  ejasdem  sacri  decreti 
disquisitio  refutatur  per  Hermannum  Loemeliam,  Köln  1634.  Diese 
Schrift  wurde  29.  Nov.  1643  von  einer  Versammlung  von  franzö- 
sischen Bischöfen  verdammt,  welche  zugleich  die  Verdammung  der 
Schriften  von  Ed.  Knott  und  Floyd  mit  Angahe  der  richtigen 
Namen  der  Verfasser,  die  man  in  der  eben  1643  erschienenen  Bi- 
bliotheca  Scriptorum  Soc.  Jesu  von  Alegambe  fand  (Arg.  II  b  324), 
wiederholte.  Das  ProtocoU  der  Versammlung  wurde  1644  als  Pro- 
ces  verbal  de  Tassembl^e  etc.  gedruckt  (abgedr.  im  Recueil  des  actes 
du  ClergÄ  1,  574  und  bei  Saint- Amour  p.  29). 

Der  Abb^  de  Saint-Cyran  hatte  den  Namen  Aurelius  ange- 
nommen mit  Eücksicht  auf  den  Augustinus,  an  dem  sein  Frennd 
Cornelius  Jansenius  damals  arbeitete.  Wer  sich  hinter  diesem  Namen 
verbarg,  war  aber  noch  1635  unbekannt;  denn  als  die  AssembUe 
du  Clerg^  in  diesem  Jahre  seine  Schriften  approbirte  und  dem  Drucker 
derselben  eine  Subvention  bewilligte,  beauftragte  sie  zwei  Mitglieder, 
sich  bei  Filesac,  dem  Decan  der  theologischen  Facult&t,  nach  dem 
Namen  des  Verfassers  zu  erkundigen.  Die  AssembUe  von  1641 
Hess  eine  (wahrscheinlich  von  M.  Barcos  unter  des  Verfassers  Lei- 
tung veranstaltete)  Sammlung  der  unter  dem  Namen  Petrus  Aurelius 
erschienenen  Schriften,  die  Assembl^e  von  1645 — 46  eine  zweite 
Auflage  derselben  auf  ihre  Kosten  drucken:  Petri  Aurelii  Theologi 
Opera,  jussu  et  impensis  Cleri  Gallicani  denuo  in  lucem  edita.  In 
tres  tomos  distributa,  Par.  1646*,  ein  starker  Folioband ;  die  beiden 
ersten  Theile  enthalten  die  oben  genannten  Streitschriften,  der  erste 
auch  eine  geschichtliche  Darstellung  des  Streites,  der  3.  Adv.  Jac. 
Sirmondum  De  canone  Arausicano  et  sacramento  confirmationis  etc. 
—  Nach  der  Angabe  der  Jesuiten  wäre  die  AssemblÄe  von  1641 
überrascht  worden  und  hätte  der  König,  durch  seinen  Beichtvater 
Sirmond  von  der  Weise  unterrichtet,  wie  Card,  de  Rochefoucauld 
und  andere  Prälaten  von  Petrus  Aurelius  behandelt  waren,  den 
Drucker  verhaften  und  die  Exemplare  confisciren  lassen.  Das  Werk 
erschien  aber  jedenfalls  1646  nochmals  auf  Kosten  der  Assembl^e. 
Die  Assembl^e  von  1656  freilich  desavouirte  es,  und  Sainte  Marthe, 
der  im  4.  Bande  der  Gallia  christiana  Saint-Cyran  als  Verfasser 
gefeiert,  musste  das  Lob  streichen  (S.-Beuve  1,  314.  Clement  2,  295). 

Gegen  Hallier  und  Petrus  Aurelius  erschien  1641 :  De  hierar- 
chia  et  hierarchis  libri  9,  in  quibus  pulcherrima  dispositione  omnes 
hierarchici  gradus  et  ordines,  episcopalis,  papalis  etc.  secundum  pa- 
trum  doctrinam,  decreta  conciliorum  sine  justa  cujusquam  offensione  ex- 
plicantur,  Auct.  P.  Ludovico  Cellotio  Parisino  S.  J.  Theol.,  Bouen 
1641.  Als  Cellots  Obere  hörten,  dass  die  Sorbonne  das  Buch  censuriren 
wolle,  wandten  sie  sich  an  Card.  Richelieu  und  erklärten,  Cellot  sei  be- 
reit, zufriedenstellende  Erläuterungen  zu  geben.  Der  Cardinal  bestimmte 
darauf  einige  Doctoren,  welche  mit  Cellot,  der  mit  drei  anderen  Je- 
suiten (darunter  D.  Petau)  erschien,  mehrere  Tage  verhandelten. 
Er  nahm  einige  Sätze  zurück,  andere  milderte  oder  erläuterte  er. 
Diese  vom  22.  Mai  1641   datirte  Retractation  wurde   von  dem  Car- 


L.  Cellot.  889 

dinal  der  Facultät  mit  der  Bitte  übersandt,  sich  damit  zu  begnügen. 
Die  Sorbonne  begnügte  sich  auch  damit,  die  Retractation  zu  publi- 
ciren  und  den  Augustiner  Fr.  Labb6,  welcher  Cellots  Buch  appro- 
birt  hatte  mit  der  Formel,  es  könne  sine  formidine  censurae  ge- 
druckt werden,  die  Erklärung  unterschreiben  zu  lassen,  dass  er  alle 
von  der  Facultät  verdammten  Sätze  auch  verdamme  und  bedauere, 
die  Approbation  ertheilt  zu  haben.  Das  Buch  wurde  in  Eom  22.  Jan. 
1642  mit  d.  c.  verboten.  Im  J.  1648  erschien  dann  Lud.  Cellotii 
S.  J.  Horarum  subsecivarum  liber  singularis  ad  veram  librorum 
Francisci  Hallier  de  hierarchia  eccl.  intelligentiam,  Par.  1648,  8. 
Dieses  Buch  wurde  in  Eom  nicht  verb.,  und  die  Sorbonne  beschloss 
nur,  weil  Cellot  darin  seine  Retractation  durch  Spässe  und  Ver- 
drehungen zu  einer  Bestätigung  seiner  revocirten  Ansichten  mache, 
die  Actenstücke  über  die  Retractation  nochmals  zu  veröffentlichen 
(Arg.  III  a  40.  57).  Der  Mediciner  Hamon,  der  zu  dem  Kreise« 
von  Port-Royal  gehörte,  schrieb  damals  unter  dem  Namen  Alypius 
a  S.  Cruce  eine  Apologia  Lud.  Cellotii  tribus  libris  comprehensa  ad 
ipsummet  Cellotium,  Par.  1648.  —  Von  Cellot  erschien  später  noch 
Historia  Gotteschalci  praedestinatiani  et  acurata  controversiae  per  eum 
revocatae  dlsputatio  in  11.  5  distincta,  quibus  accedit  appendix  miscel- 
lanea  ex  opnsculis  nondum  editis  aliisque  tractatibus  historiae  lucem 
allaturis  collecta,  Par.  1655,  Fol.  Das  de  libero  arbitrio  handelnde 
opusculum  quartum  in  dieserAppendix  wurde  1732  (!)  verb.  —  Cellot 
musste  1641  ausser  vielen  Sätzen,  in  denen  er  die  Orden  erhob,  die 
Bischöfe  und  Weltgeistliohen  herabsetzte,  z.  B.  reguläres  assero  vita, 
moribns,  institutis  ad  Ecclesiam  et  sanctissimos  canones  ejus  propius 
accedere  quam  saeculares  clericos,  auch  die  Sätze  revociren:  concilio- 
mm  generalium  convocatio  periculosa,  und  doctrina  morum  a  recentio- 
ribus  sumenda,  wobei  er  die  Aeusserung  des  Valerius  Reginaldus  an- 
geführt hatte,  in  Glaubenssachen  müsse  man  die  alten  Schriftsteller  zu 
Rathe  ziehen,  in  Fragen  der  Moral  aber  die  novitii  scriptores,  qui 
temporum  nostrorum  naturam  et  studia  penitus  introspexerunt. 

Cellots  Buch  ist  das  einzige  aus  dieser  Gruppe  von  Schriften, 
welches  im  Index  steht.  In  den  Horae  p.  106  sagt  Cellot:  den  Je- 
suiten in  Rom,  welche  sich  über  das  Verbot  seines  Buches  beklagt 
hätten,  sei  geantwortet  worden,  auch  Halliers  Werke  seien  ver- 
boten. Auch  Valerien  de  Flavigny  (Arg.  III  a  99)  sagt  1663, 
Halliers  Buch  sei  verboten  worden.  Es  steht  aber  in  keinem  Index 
und  es  findet  sich  auch  kein  Decret,  worin  es  stände.  Wahrschein- 
lich hat  man  nur  sagen  wollen,  es  falle  unter  das  allgemeine  Ver- 
bot vom  J.  1633. 

2.  In  Frankreich  handelte  es  sich  bei  dem  Streite  zwischen 
den  Bischöfen  und  Pfarrern  einerseits  und  den  Ordensgeistlichen 
anderseits  um  folgende  drei  Punkte:  1.  Ordensgeistliche  behaupteten, 
sie  seien  auf  Grund  der  ihren  Orden  verliehenen  Privilegien  berech- 
tigt, überall  geistliche  Functionen  vorzunehmen,  insbesondere  zu 
predigen  und  Beicht  zu  hören.  Die  Bischöfe  behaupteten,  kein  Or- 
densgeistlicher dürfe  dieses  in  ihren  Diöcesen  ohne  ihre  Approbation 
thuen,  und  manche  Pfarrer,  keiner  dürfe  es  in  ihren  Pfarreien  ohne 


J 


390  Streitigkeiten  zwischen  Welt-  und  OrdenBgeistliohen 

ihre  Ermächtigung  thuen.  —  2.  Die  Bestimmong  des  Canons  Omnis 
ntriusque  sexus  des  4.  Lateranconcils,   dass  jeder  einmal  im  Jahre  |     c 

dem  proprius  sacerdos  beichten  nnd  einmal  im  Jahre,  und  zwar  in 
der  österlichen  Zeit  in  der  Pfarrkirche  communiciren  solle,  wnrde 
von  den  Ordensgeistlichen  in  Uebereinstimmnng  mit  mehreren 
päpstlichen  Declarationen  und  der  in  anderen  Ländern  herrschenden 
Praxis  dahin  interpretirt,  dass  proprius  sacerdos  jeder  zum  Beichthören 
autorisirte  Priester  sei  und  dass  niemand,  wenn  er  einmal  in  der  öster- 
lichen Zeit  in  der  Pfarrkirche  communicire,  behindert  sei,  auch  anders- 
wo zu  communiciren.  Die  Weltgeistlichen  dagegen  behaupteten,  nach 
dem  in  Frankreich  geltenden  Kochte  dürfe  in  der  österlichen  Zeit 
niemand  ohne  specielle  Erlanbniss  des  Pfarrers  bei  einem  andern 
als  bei  ihm  beichten  und  anderswo  als  in  der  Pfarrkirche  communi- 
ciren ;  die  Ordensgeistlichen  dürften  in  dieser  Zeit  nicht  Beicht  hören 
und  in  ihren  Kirchen  nicht  die  Communion  austheilen;  jedenfalls 
könne  der  Bischof  für  diese  Zeit  ihre  Facultäten  suspendiren  oder 
ihnen  bei  der  Ertheilung  derselben  das  Versprechen  abnehmen,  dass 
sie  dieselben  in  jener  Zeit  nicht  gebrauchen  wollten.  —  3.  Die  Be- 
stimmung des  Trienter  Concils,  an  Sonn-  und  Festtagen  der  Messe  und 
Predigt  in  der  Pfarrkirche  beizuwohnen,  wurde  von  den  Ordensgeist- 
lichen als  blosse  Ermahnung  gedeutet,  von  den  Weltgeistlichen  aber 
behauptet,  nach  französischem  Kecht  sei  jeder  verpflichtet,  wenigstens 
jeden  dritten  Sonntag  Messe  und  Predigt  in  der  Pfarrkirche  zu 
hören  ^).  —  Bezüglich  des  ersten  Punktes  unterzeichneten  29.  Febr. 
1633  Vertreter  der  Orden,  an  der  Spitze  zwei  Jesuiten,  zugleich 
im  Namen  der  übrigen  Angehörigen  ihrer  Orden  in  Gegenwart 
Eichelieu's  eine  Erklärung,  worin  sie  anerkannten,  dass  sie  in  keiner 
Diöcese  predigen  und  Beicht  hören  dürften  ohne  die  Approbation 
des  Bischofs,  die  dieser  aus  gewichtigen  Gründen  jederzeit  zurück- 
nehmen könne  (Arg.  ITT  a  44).  Diese  Erklärung  wurde  aber  von 
vielen  Ordensgeistlichen  nicht  als  bindend  angesehen.  Cellot  mnsste 
sie  1641  unterzeichnen. 

Eine  von  dem  Bischof  Henri  Arnauld  von  Angers  im  J.  1654 
erlassene  Ordonnanz  veranlasste  die  dortigen  Oberen  der  Bettel- 
orden, der  Carmeliter,  Augustiner,  Dominicaner  und  Franciscaner 
(Cordeliers  und  Recollets),  demselben  eine  Protestation  zu  überreichen: 
Trös-humble  remonstrance  faicte  par  les  religieux  k  un  grand 
prÄlat  de  France.  Die  Assembl^e  du  Clerg^  vom  J.  1655  nnd 
1656  verdammte  darauf  sechs  in  dieser  Remonstranz  nnd  in  anderen 
Streitschriften  der  Ordensgeistlichen  behauptete  Sätze  nnd  beauf- 
tragte den  Bischof,  diese  Verdammung  von  den  Ordensoberen  unter- 
zeichnen zu  lassen.  Diese  verweigerten  aber  die  Unterschrift,  appel- 
lirten  an  den  Papst  und  publicirten  eine  Justification  des  privilijges 
des  reguliers  prÄsent^e  au  Pape  et  au  Roy.  —  Gleichzeitig  war 
ein  Streit  zwischen  den  Ordensgeistlichen  und  den  Pariser  Pfarrern 


1)  Avr.  1,  307.  341.  Abrege  du  Recueil  des  actes  du  Clerg6  p.  57. 
442.  1110. 


in  Frankreich.  891 

ntstanden.  Die  Ansichten  dieser  wurden  dargelegt  in  der  Schrift: 
/ Obligation  des  fidMes  de  se  confesser  a  leur  cur6  suivant  le 
bapitre  21.  du  Concile  g^n^ral  de  Lateran,  1655,  32  S.  4.  Da- 
egen  schrieb  der  Jesuit  Jean  Bagot  Defense  du  droit  episcopal  et 
e  la  libert^  des  fideles  touchant  les  messes  et  les  confessions  d'ob- 
gation,  1655  (lateinisch  1659).  Die  Assemblee  verdammte  beide 
Icbriften,  die  erste,  weil  darin  behauptet  war,  ohne  die  Ermächti- 
nng  des  Pfarrers  könne  auch  der  Papst  oder  Bischof  in  einer 
'farrei  nicht  predigen  oder  die  Sacramente  spenden  oder  einen 
'riester  dazu  autorisiren.  Die  Pfarrer  reichten  über  diesen  Punkt 
ine  Berichtigung  ein:  Sommaire  des  declarations  des  curez,  unter- 
eichnet  von  Jean  Eousse,  Pfarrer  von  St.  Eoch,  Syndicus  der 
'farrer;  die  Assemblee  erklärte  aber,  auch  diese  enthalte  missver- 
tändliche  Sätze  ^).  —  Während  der  Verhandlungen  der  Assemblee 
rschien  ein  anonymes  Schriftchen,  worin  unter  Berufung  auf  das 
luch  von  P.  de  Marca  gesagt  war,  der  Papst  habe  kein  Recht, 
ölbst  in  anderen  als  der  Römischen  Diöcese  ohne  Erlaubniss  des 
Köcesanbischofs  kirchliche  Functionen  vorzunehmen  oder  Ordens- 
eistliche  zu  solchen  zu  ermächtigen:  Regle s  tr^s-importantes 
iries  de  deux  passages,  l'un  du  Concile  de  Florence  et  Pautre  de 
rlaber,  rapportis  par  M.  de  Marca,  Archiv,  de  Toulouse,  et  des 
nciens  papes,  pour  servir  d'iclaircissement  a  l'examen  du  livre  du 
^  Bagot  .  .  1656,  92  S.  4.  (2.  Ed.  1658).  Der  Verfasser  war 
hiy  Drappier  (59  Jahre  lang  Pfarrer  in  Beauvais,  gest.  1716  im 
Jter  von  91  Jahren),  der  zu  den  Jansenisten  gezählt  wurde,  welche 
nf  Marca  nicht  gut  zu  sprechen  waren.  Marca  beklagte  sich  in 
er  Assemblee  über  diese  Deutung  seiner  Worte:  seine  Ansicht  sei, 
aas  der  Papst  allerdings  nach  den  Canones  zu  regieren  habe, 
her  unter  Umständen  diese  moderiren  oder  von  ihnen  dispensiren 
önne.  Drappier  veröffentlichte  nach  dem  Schlüsse  der  Assemblee 
«ettre  de  lauteur  des  regles  tr^s-importantes  k  M.  de  Marca,  Ar- 
h6v.  de  Toulouse,  1657.  Marca's  Entgegnung  Contre  les  satyres 
mrde  erst  nach  seinem  Tode  von  Baluze  herausgegeben^). 

In  der  unter  dem  Vorsitze  Alexanders  VII.  Fer.  V.  30.  Jan. 
659  gehaltenen  Sitzung  der  Inq.  wurden  von  den  sechs  von  der 
LSserabUe  verdammten,  von  den  Mendicanten  der  Diöcese  Angers 
ach  Rom  gesandten  Sätzen  auf  Grund  der  einstimmigen  Censur  der 
lit  der  Prüfung  beauftragten  Theologen  und  Canonisten  vier  mit 
erschiedenen  Qualificationen  verworfen :  1.  Das  Concil  von  Trient 
erpflichtet  die  Ordensgeistlichen  in  Frankreich  nicht,  sich  für  die 
leichten  der  Weltleute  von  den  Bischöfen  die  Approbation  zu  ver- 
chaffen;  auch  können  nicht  auf  die  Autorität  dieses  Concils  hin  die 


1)  Recueil  des  actes  ...  du  Clerge  1,  656.  Arg.  III  a  74. 

2)  Marca,  Concordia  etc.,  Bamberg  1788,  V,  p.  IX  und  62.  Dupin, 
lanuel  No.  57  erwähnt  von  Drappier  noch  eine  anonyme  Schrift:  Traite 
u  gonvemement  de  l'Eglise  en  commun  par  les  eveques  et  les  eures, 
(asle  (Ronen)  1707,  2  vol.  12. 


392  Streitigkeiten  zwischen  Welt-  und  Ordensgeistliohen. 

Privilegien  der  Ordensgeistlipben  eingescliränkt  werden,  da  dasselbe 
mit  Ausnahme  der  Glaubensentscheidungen  in  Frankreich  nicht  re- 
cipirt  und  die  Bestätigungsbulle  Pius'  IV.  nicht  promulgirt  ist. 
2.  Wo  das  Concil  reeipirt  ist,  können  die  Bischöfe  die  Facultäten 
zum  Beichthören,  die  sie  den  Ordensgeistlichen  geben,  nicht  ein- 
schränken ;  ja  die  Ordensgeistlichen  sind  nicht  verpflichtet,  sich 
diese  Approbationen  zu  verschaffen,  und  wenn  sie  von  den  Biscliöfen 
nicht  approbirt  werden,  gilt  diese  Abweisung  ebenso  viel,  als  wenn 
die  Approbation  gewährt  worden  wäre.  3.  Die  Angehörigen  der 
Bettelorden,  welche  einmal  von  einem  Bischof  für  seine  Diöcese 
zum  Beichthören  apjmjbirt  worden  sind,  sind  als  approbirt  in  an- 
deren Diöcescn  anzusehen  und  bedürfen  keiner  iieuen  Approbation 
der  Bischöfe.  Die  Ordcnsgcistlichcn  haben  die  Gewalt,  aucli  ohne 
Ermächtigung  des  Bischofs  von  den  dem  Bischof  reservirten  Sünden 
loszusprechen  (dieser  letzte  Satz  steht  auch  als  No.  12  unter  den 
24.  Sep.  IGfif)  von  der  Tnq.  verdammten  Sätzen;  Alex.  No.  87). 
6.  Die  Mendicanten  dürfen  weltliche  Obrigkeiten  (judices)  ersuchen, 
den  Bischöfen  aufzugeben,  sie  mit  den  Advents-  und  Fastenpredigten 
zu  beauftragen ;  wenn  sich  die  Bischöfe  dessen  weigern,  gilt  das 
Decret  der  weltlichen  Obrigkeiten  ebenso  viel,  als  wenn  die  bischöf- 
liche Erlaubnias  ertheilt  worden  wäre.  —  Ueber  die  beiden  anderen 
Sätze:  ~  4.  Niemand  ist  in  foro  conscientiae  verpflichtet,  in  seiner 
Pfarrkirche  die  jährliche  Beichte  abzulegen,  den  Pfarrmessen  beizu- 
wohnen oder  das  Wort  Gottes,  das  göttliche  Gesetz,  die  Anfangs- 
gründe des  Glaubens  und  der  Sittenlehre  zu  hören,  die  dort  in 
Catechesen  vorgetragen  werden.  5.  Ein  derartiges  Gesetz  können 
weder  Bischöfe,  noch  Provincial-  oder  Nationalconcilien  erlassen, 
noch  können  sie  Uebertreter  desselben  mit  irgend  welchen  Strafen 
oder  kirchlichen  Censuren  belegen,  —  gab  die  Inq.  folgende  Ent- 
scheidung: der  4.  Satz  ist  bezüglich  des  ersten  und  zweiten  Punktes, 
so  unbedingt  ausgesprochen,  irrig;  werden  aber  apostolische  Privi- 
legien vorausgesetzt,  so  verdient  er  keine  Censur;  bezüglich  des 
dritten  Punktes,  des  Anhörens  des  Wortes  Gottes,  möge  die  Bestim- 
mung des  Trienter  (^ncils  beobachtet  werden.  Der  5.  Satz  verdient, 
wenn  apostolische  Privilegien  vorausgesetzt  werden,  keine  Censur; 
aber  er  ist  ebenso  wenig  wie  der  4.  öffentlich  vorzutragen.  —  Diese 
Erklärung,  wird  beigefügt,  befiehlt  Seine  Heiligkeit  allen  anzu- 
nehmen und  in  praxi  zu  beobachten,  bei  den  Strafen,  welche  gegen 
Schismatiker,  resp.  Temeräre  .  .  und  der  Ketzerei  Verdächtige  fest- 
gesetzt sind.  Gleichzeitig  verbot  die  Inq.  auf  Grund  des  einstim- 
migen Votums  der  mit  der  Prüfung  beauftragten  Theologen  vier 
französische  Schriften,  weil  sie  Sätze  enthielten,  die  in  der  Kirche 
Gottes  zu  einem  grossen  Aergerniss  und  zu  Zwistigkeiten  Anlass 
geben  könnten  und  ihre  Leetüre  Irrthümer  und  schlechte  Meinungen 
unter  den  Gläubigen  verbreiten  könnte,  nämlich  die  erwähnten  zwei 
Schriften  von  Drappier  und  L'obligation  und  das  Sommaire  von 
Eousse^).    Das  Buch  von  Bagot  wurde  nicht  verb.,  nach  Stubrockius 


1)  Bei  Alex.  No.  69  ist  nur  der  letzte,  das  Bücherverbot  enthaltende 
Theil  des  Deere tes  abgedruckt,   das  Vorhergehende  bei  Migne  II,  1268. 


Chassaing.  Guerry.  Launoy.  Karg.  893 

p.  87.  252  vielmehr  ausdrücklicli  freigegeben  und  in  Rom  selbst 
neu  gedruckt,  aber  nachträglich  10.  Juni  1659  von  der  Index-Congr. 
mit  d.  c.  die  Remonstrance  gegen  den  Bischof  von  Angers. 

1661  wurde  verb.  Privilegia  regularium,  quibus  aperte  demon- 
stratnr^  reguläres  ab  omni  ordinariorum  potestate  exemptos  esse  .  .  . 
aec  non  in  utraque  hierarchia  jurisdictionis  et  ordinis  locum  habere, 
iuct.  Brunone  Chassaing,  Ord.  Min.  Recollectorum,  Par.  1648 
[auch  1652.  1654).  Die  Assemblee  du  Clerge  von  1650  hatte  das 
Bach  censurirt  und  die  Bischöfe  aufgefordert,  den  Verfasser  ver- 
baften  zu  lassen  und  allen  Recollecten  die  Facultäten  zu  entziehen, 
bis  der  Orden  das  Buch  desavouirt  habe.  Das  Parlament  von  Bor- 
leaux  verbot  1651,  Chassaing  zu  verhaften  und  die  Recollecten  zu 
selästigen.  Nach  einigen  Jahren  wurde  er  aber  doch  von  dem  Bi- 
ichof  von  TuUe  eingekerkert  und  1654  widerrief  er  zu  Paris  ^).  — 
Btienue  Guerry,  Messe  paroissiale,  verb.  1668,  ist  mir  nicht  be- 
cannt.  Der  Jesuit  dieses  Namens  wird  bei  Backer  nicht  als  Ver- 
asser  verzeichnet.  —  Die  Schrift  Explicata  Ecclesiae  traditio  circa 
;anonem  Omnis  utriusque  sexus,  1672  (Jo.  Launoii  Opp.  I,  244), 
vorin  Launoy  nachweisen  will,  dass  unter  sacerdos  proprius  der 
?farrer  zu  verstehen  sei,  wurde  1679  verb. 

3.  1693  wurde  (nicht  mit  d.  c,  wie  Feller  angibt,  sondern 
mbedingt)  verb.  Jo.  Friderici  Karg  Bambergensis  Franconis  Pax 
eligiosa  sive  de  exemptionibus  et  subjectionibus  Religiosorum.  Opus- 
ulnm  curiosum,  utile  ac  universam  prope  authoritatis  episcopalis 
lateriam  facili  et  plana  methodo  theologice,  nomo-canonice  historice- 
ne  pertractans,  hodiernis  juribus  ac  usibus  accommodatum.  Cum 
ermissu  superiorum,  Herbipoli  1680,*  704  S.  12.  Das  Buch  ist 
em  Fürstbischof  von  Bamberg  und  Würzburg,  Peter  Phil,  von 
>ernbach,  gewidmet,  dessen  Rath  Karg  war  (später  wurde  er  Rath 
es  Kurfürsten  Max  Emmanuel  von  Baiern,  1683  auch  Decan  von 
f.  L.  F.  in  München;  er  starb  1719  als  Minister  des  Kurfürsten 
oseph  Clemens  von  Köln).  Das  Buch  enthält  auch  eine  (unbe- 
eutende)  Appendix  de  aulae  Romanae  genio  und  Actenstücke  über 
ie  DiÖcesen  Bamberg  und  Würzburg.  Von  einem  Löwener  Car- 
leliter  als  Gallicaner  angegriffen,  schrieb  er:  Fecialis  Pacis  reli- 
iosae  sub  sacratissimis  auspiciis  Eminentissimorum,  Ser.,  Celsiss., 
ev.  »S.  R.  J.  Principum  Archiepiscopali  et  Episc.  dignitate  ful- 
ontium  vindicatae  contra  consultationes  canonicas  P.  Jacobi  a  S. 
ntonio  Carmelitae  a.  1682  in  lucem  emissas,  Bamb.  1682,*  c. 
30  S.  12.  Feller  berichtet,  Karg  habe  nach  dem  Verbote  seines 
uches  dasselbe  corrigirt  und  erweitert;  das  Manuscript  dieser  be- 
t)8ichtigten  neuen  Ausgabe  befinde  sich  in  Lüttich.  Die  Ausgabe 
enedig   (Bonn)    1778    ist  ein  Abdruck  der  von  1680. 

4.  Die  in  Frankreich  herrschende  Praxis,  Weltgeistlichen,  viel- 
ich  solchen,  die  nur  tonsurirt  waren,  die  Verwaltung  und  das  Recht 
uf  die  Einkünfte  von  Abteien  und  anderen  Benefizien  zu  übertragen, 


1)  Kecueil  des  actes  1,  642.  J.  Launoii  Opp.  III,  1,  586;  IV,  2,  461. 


894  Inquisitionsprocesse  unter  Urban  VlII. 

wurde  scharf  kritisirt  von  dem  Mauriner  Fr.  Delfau  in  der  paen- 
donymen  Schrift:  L'abbe  comniendataire,  oü  l'injnstice  des  commen- 
des  est  condamnee  par  la  loi  de  Dieu,  leg  decrets  des  Papes,  les 
ordonnances  pragmatiques  et  concordats  des  rois  de  France,  par  le 
Sieur  Desboisfranc,  Cologne  (Compiegne)  1673.  Gerberon  schrieb 
unter  dem  Namen  de  Froimond  einen  zweiten  Theil  dazu.  Es  er- 
schien noch  eine  Reihe  von  Broschüren  darüber;  in  den  Index 
kam  von  dieser  ganzen  Grnippe  von  Schriften  nur  eine  von  Guy 
Drappier  anonym  herausgegebene:  Defense  des  abb^s  commenda- 
taires  et  des  eures  primitifs  cont^e  les  plaintes  des  moines  et  des 
cur68,  pour  servir  de  reponse  k  TAbbe  commendataire,  La  Haye 
1685,  verb.  1690.  Die  Schrift  ist  übrigens  nichts  weniger  als  eine 
Vertheidigung,  vielmehr  eine  bittere  Satire  auf  die  Abb^s  commen- 
dataires  und  auf  die  Cures  primitifs,  wie  man  die  Pfarrer  nannte, 
welche  die  Einkünfte  einer  Pfarrei  bezogen,  die  Verwaltung  der- 
selben aber  durch   einen  Vicarius  perpetuus  besorgen  liessen*). 

Aus  Anlass  des   Streites  über  den    Nachlass    eines   Canonicus 
regularis,  der  Pfarrer  in  Paris   gewesen,    veröffentlichte  Jean  Ger- 
bais Premiere  lettre  a  un  Benedictin   de  la  Gongr.  de  S.  Maur  tou- 
chant  le  p^cule  des  religieux  faits  eures  ou  6v^ues,  Par.  1695  un<^ 
1698,  worin  er  zeigt,  dass  nach  französischem  Rechte   der  Nachlast 
eines  Pfarrers  aus  dem  Ordensstande    nicht    den   natürlichen    Erbe 
oder  dem  Kloster,  sondern  den  Armen  und    der  Fabrik  der  Pfarre 
gehöre  (der  eines  Bischofs  den  natürlichen  Erben).    Das  Schriftcher 
wurde  1704  von  der  Inq.  verboten;   zwei  weitere   Briefe,  in  dener 
Gerbais    seine    Ansicht    gegen    Gegenschriften    vertheidigte,    steher 
nicht  im  Index  ^j. 


48.     Inquisition sprocesse  anter  Urban  YIIL 

Der  bekannteste  und  merkwürdigste  unter  den  Inquisition 
Processen  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ist  der  Gal 
lei'scbe.   Veranlasst  durch  eine  Dennnciation  gegen  Galilei,  H 
die    Inquisition    1610   zwei  Sätze,  welche  die   Copernicanisc 
Lehre  enthalten,    durch  ihre  Theologen   qualificiren:    der   ei 
wurde   für  ketzerisch,    der  andere   fltr  mindestens   dogroati 
irrig  erklärt.    Darauf  wurden  durch  die  Index-Congregation 


1)  Hist.  litt,  de  la  Congr.  de  S.  Maur  p.  88.  Sainjore  8,  1.  Haare 
Hist.  litt,  du  Maine  4,80.  Schulte  3,  1,  G27.  Abrege  du  Reoueil  des 
.  .  du  Clergo,  1764,  p.  384.  499.     lieber   die  Schrift  von  Delfau  8. 
a  S.  Jos.  2,  285. 

2)  Schulte  3,  l,  621.  Abregt  p.  727.  1169. 


Inquisitionsprocesse  unter  Urban  VIII.  895 

März  1616  das  Werk  des  Copernicus   de   revolutionibus  orbium 
coelestinm  nnd  die  Commentaria  in  Job  von  Didacns  a  Stnnica 
(Toledo  1584,  Rom  1592)   mit  d.  c,   eine   von   dem  Carmeliter 
Paolo  Antonio  Fosearini  veröflFcntlichte  Lettera  sopra  Topiniono 
de'    Pittagorici   e  del  Copernico,  Neapel  1615,   unbedingt   ver- 
boten, desgleichen    „alle  anderen   Bücher,   welche   in    gleicher 
Weise  dasselbe  lehren".    Diese  Entscheidung  über  die  Coperni- 
canische    Lehre    wurde    im  Auftrage    des   Papstes    durch    den 
Cardinal    Bellarmin  Galilei,  der  damals   in  Rom   war,   amtlich 
mitgetheilt,    und  er  versprach,    ihr  zu  gehorchen.    Da  er  1632 
in  seinem  Dialogo  sopra  i  due  massimi  sistemi  del  mondo,  Tole* 
maico  e  Copernicano,  die  beiden    Systeme  so  darstellte,    dass 
seine  Ueberzeugung  von   der  Richtigkeit   des  Coperaicanischen 
unverkennbar  hervortrat,   leitete  die  Inquisition   einen   Process 
gegen  ihn  ein,  nöthigte  ihn,  22.  Juni  1633  die  Copernicanische 
Lehre  als  Irrthum  und  Ketzerei  abzuschwören,  und  verordnete, 
der  Dialog  solle  durch  einen  öffentlichen  Erlass  verboten  werden. 
Auffallender  Weise  wurde  er  erst  in  einem  Decrete  der  Index- 
Congregation   vom   24.  Aug.  1634   (Alex.  No.  38)   mit  allerlei 
anderen  Büchern  zusammen  verboten.   —  Im  J.  1620  veröffent- 
lichte  im   Auftrage   der   Index-Congregation   der   Secretär  ein 
Itfonitum,  worin  die  in  dem  Werke  des  Copernicus  vorzunehmen- 
den Streichungen  und  Aenderungen  angegeben  werden;  nur  mit 
diesen   Aenderungen   und   mit  Beiftigung  dieser  Correctio   vor 
^er   Vorrede    des  Copernicus   dürfe   das   Werk   neu   gedruckt 
AVerden.    Die  Aenderungen  betreffen  zehn  Stellen  und  bezwecken, 
^as   Werk   so   umzugestalten,    dass  Copernicus   seine   Ansicht 
Glicht  als  begründet,   sondern   nur   als  Hypothese   vorträgt.   — 
^619  wurde  noch  Jo.  Keppleri  Epitome  astronomiae  Copemicanae, 
^618,  verboten.    Sonst  ist  kein  Buch  um  der  Copernicanischen 
liebre  willen  in  den  Index  gekommen.    Aber  die  Raccolta  von 
^624,  der  Elenchus  und  alle  Indices  bis  1757  enthalten  unter  Libri 
^as  allgemeine  Verbot:  alle  Bücher,   welche   die  Beweglichkeit 
^er  Erde  und   die  Unbeweglichkeit  der  Sonne  lehren.    In  den 
Index  Benedicts  XIV.  wurde  dieses  Verbot  auf  Grund  eines  in 
der  Sitzung  der  Index-Congregation  vom  10.  Mai  1757  gefassten 
Beschlusses  nicht  aufgenommen. 


806  Inquisitionsprocesse  unter  Urban  VIII. 

Seitdem  wurden  in  Rom  selbst  mehrere  Bücher  gedrackt, 
in  denen  die  Copernieanische  Lehre  offen  vorgetragen  wird. 
Aber  erst  11.  Sept.  1822  erklärte  die  Inquisition  förmlich,  es 
sei  in  Rom  der  Druck  von  Werken  gestattet,  in  welchen  von 
der  Beweglichkeit  der  Erde  und  der  Unbeweglichkeit  der  Sonne 
gemäss  der  allgemeinen  Ansicht  der  modernen  Astronomen  ge- 
handelt werde.  Dieser  ßeschluss  wurde  25.  Sept.  von  Pius  VII. 
bestätigt,  und  in  der  nächsten  Ausgabe  des  Index,  die  1835  er- 
schien, wurden  auch  die  Bücher  von  Copernicus,  Foscarini, 
Stunica,  Kepler  und  Galilei  weggelassen. 

Bei  dem  Inquisitionsprocess  gegen  den  Dominicaner  Thomas 
Campanella  (1626 — 29)  scheint  es  sich  weniger  um  seine  Schriften 
als  um  politische  Händel  gehandelt  zu  haben.  Wenn  1632  alle 
seine  Schriften,  die  nicht  in  Rom  gedruckt  oder  approbirt  seien, 
verboten  wurden,  so  ist  dabei  wohl  die  Verordnung  gegen  ihn 
geltend  gemacht  worden,  wonach  in  Rom  lebende  Schriftsteller 
ohne  Erlaubniss  nichts  auswärts  drucken  lassen  durften  (I S.  341), 
und  wenn  beigefügt  wird:  „da  er  dieselben  nicht  als  die  seinigen 
anerkennt '',  so  zeigt  das,  dass  Campanella  sich  mit  dieser  Aneu — 
rede  geholfen. 

Im  Anfange  der  Regierung  Urbans  VIII.,  21.  Decembt 
1624  wurde  der  frühere  Erzbischof  von  Spalatro,  MarcantonL 
de  Dominis,  der  1616  Anglicaner  geworden,  1622  nach  Roi 
zurückgekehrt  war  und  abgeschworen  hatte,  1623  aber  einei 
neuen  Inquisitionsprocesse  unterworfen  worden  and  im  Gefänj 
nisse  gestorben  war,  als  rückfälliger  Ketzer  verurtheilt  uncvJ 
seine  Leiche,  sein  Bild  und  seine  Bücher  verbrannt.  Das  hmmiM 
dcutendste  unter  diesen,  De  republica  ecclesiastica,  wurde  schoo^ 
1616,  noch  ehe  es  erschienen  war,  von  der  Index-Congregatioof 
verboten,  1621  nochmals  und  zugleich  alle  von  ihm  heraasg»^^ 
gebenen  und  herauszugebenden  Schriften. 

Im  J.  1626  wurde  auf  Urbans  VIII.  Verlangen  der  englisch:^  ^^ 
Henedictiuer  John  Barnes  in  Paris  verhaftet  und  nach  Rom 
bracht    und    von   der  Inquisition   zu  lebenslänglicher  Haft  vec 
urtheilt;  er  starb  nach  30  Jahren  irrsinnig.    Unter  den  Schriftes^  ^^ 
die  von  ihm  im  Index  stehen,  ist  eine  erst  nach    seinem  TodK^<^ 
von   Anglicanern    veröffentlichte    ironische,    Romano-Catholicic-  ^ 
pacificus,  die  merkwürdigste.  —  Girolamo  Vecchietti,   von  der27 


Galilei.  897 

1622  ein  wnnderliches  Bnch  verboten  wurde,  wnrde  Jahre  lang 
von  der  Inquisition  in  Haft  gehalten,  weil  er  sich  weigerte,  eine 
Ansicht  über  den  Tag  des  letzten  Abendmahls  zu  widerrufen, 
die  später  von  vielen  Theologen  vorgetragen  worden  ist,  ohne 
dass  sie  darum  behelligt  worden  wären.  —  Cesare  Cremonini, 
Professor  in  Padua,  wurde  wiederholt,  auch  noch  unter  ürban  VIII. 
von  der  Inquisition  zur  Rechenschaft  gezogen;  aber  unter  dem 
Schutze  der  Republik  Venedig  war  er  persönlich  sicher;  man 
mnsste  sich  darauf  beschränken,  ein  Buch  von  ihm  zu  verbieten. 
-—  Ferrante  Pallavicini  musste  seine  Pasquille  gegen  ürban  VIII. 
mit  dem  Tode  büssen;  aber  nicht  die  Inquisition,  sondern  der 
päpstliche  Legat  in  Avignon  Hess  ihn  1644  hinrichten. 

Ueber  Galilei  und  was  damit  zusammenhängt,  s.  Keusch,  Der 
ProcesB  Galilei's  und  die  Jesuiten,  1879^),  und  über  die  von  H. 
Grisar, '  Galileistudien,  1882,  nochmals  vertheidigte  Ansicht,  die 
Lehre  des  Copernicus  sei  nicht  als  haeretisch,  sondern  nur  als  temerär 
verdammt  worden,  Funk,  Zur  Galileifrage,  in  der  Tüb.  Quartalschr. 
1883,  430«).  —  Das  Monitum  vom  J.  1620  (Reusch  S.  113)  ist 
genauer  als  bei  Alex.  No.  21  in  der  Raccolta  von  1624  und  in 
den  Sammlungen  der  Decrete  von  1624—1640  (S.  23)  abgedruckt. 
Die  Ueberschrift  lautet  hier:  Monitum  S.  Congregationis  ad  Nie. 
Copemici  lectorem  ejusque  emendatio,  permissio  et  correctio,  und 
der  Schluss:  In  titulo  capitis  [1.  4,  c.  10]  dele  verba  „liorum  trium 
Riderum,"  quia  terra  non  est  sidus,    ut  facit    eam    Copernicus    (die 


1)  Das  viel  besprochene  E  pur  si  muove  (Reusch  S.  334)  findet  sich 
schon  1761  bei  Irailh  3,  49.  —  Der  Dominicaner  Vinc.  Macolauo  (Firen- 
zaola),  der  in  dem  Process  Galilei's  als  Commissar  der  Inquisition  fungirte, 
wurde  1641  Cardinal  von  St.  Clemens  (Reusch  S.  267).  Kr  spielte  bei  den 
Verhandlungen  über  den  Janseuismus  eine  Rolle.  In  der  Relation  des  Abbe 
Bourgeois  (Arnauld  28,  695.  698)  ist  wiederholt  von  ihm  die  Rede  und 
wird  u.  a.  berichtet,  in  dem  Conclave  von  1655  hätten  ihm  nur  2  oder  3 
Stimmen  gefehlt,  um  Papst  zu  werden ;  Card.  Albizzi  sei  sein  Hauptgegner 
gewesen  und  habe  gesagt,  er  sei  ein  Jansenist  und  werde  die  Bulle  gegen 
Jansenius  zurücknehmen;  die  Jesuiten  hätten  Gebete  veranstaltet,  um  seine 
Wahl  abzuwenden. 

2)  Albizzi  safft  in,  der  1678  zu  Rom  gedruckten  Risposta  gegen 
Sarpi:  Ürban  YlII.  hat  die  Meinung  Galilei's  als  haeretisch  verdammt,  und 
in  dem  von  einem  Consultor  der  Index-Congr.,  Anseimus  Dandinus,  zu 
Rom  1703  herausgegebenen,  Clemens  XI.  gewidmeten  Folianten  De  su- 
speotis  de  haeresi  heisst  es  p.  494 :  A  Copemico  renovata  est  hypotasis 
(sie)  Philolai,  sc.  solem  esse  in  mundi  centro  telluremque  gyrarc  circa 
solem,  quam  sententiam  amplexatus  Galileus  adactus  est  Romam  peterc 
et  palinodiam  cantnre.  Suspicio  poterat  esse,  ipsum  parvipendere  scripturam 
dicentem:  Oritur  sol  et  occidit,  terra  autem  in  aeternum  stat.  Praedicta 
tarnen  sententia  potius  diccuda  haeretica,  quia  directe  adversatur  s.  scrip- 
turae,   ut  patet  ex  ipsius  scripturae  verbis  mox  allatis. 


\ 


39d  tnquisitionsprocesso  unter  Ürban  VItl. 

Worte  quia  etc.  fehlen  bei  Alex.)*  —  Urban  VIII.  behielt  die  Er- 
theilung  der  Erlaubniss,    Galilei^s  Dialog    zu  lesen,  sich  selbst  vor 
(Reusch  S.  376).    Später  gehörte    er    aber    nicht  zu   den  Büchern, 
die  in  den  gewöhnlichen  Licenzen  ausgenommen  wnrden.  —  Campa- 
nella's    Apologia    pro  Galilaeo,    Frcf.  1622    (Reusch  S.  61),    wurde 
nicht  speciell  verb.,    fällt  aber  unter    das  Verbot  von  1632    (s.  u.). 
Dagegen  gehört    nicht,    wie   ich  S.  114,  durch  Wolynski   verleitet, 
angegeben  und  wie  auch  Grisar   S.  139   angibt,   zu    den  Copemica- 
nischen  Schriften :  Circulus  horologii  lunaris  et  solaris,  h.  e.  brevis- 
sima  Synopsis  historica,  typica  et  mystica  .  .  .  repraesentans  ex  V. 
et  N.   T.   continuam    seriem  praecipuaram  Ecclesiae  et  mundi  muta- 
tionum  .  .  .  auth.  Wenceslao  Budowez  .  .  .  Hanov.  1616,  274  S. 
4.,  verb.  1619.    Horologium  lunare  et    solare  bezieht   sich    anf  das 
Alte    und    Neue    Testament.    Vgl.  über   das  Buch    des    eifrig    pro- 
testantischen  Verfassers,    der    nach  der  Schlacht  am  weissen  Berge 
1621  zu  Prag  enthauptet  wurde,  und  über  die   dadurch   veranlasste 
Controverse  mit    M.  Hoe  von  Hoenegg  Clement  5,  396.   —    Ueber 
Origanus  s.  S.  182.    —    Die  Ansicht,    das  Copernicanisohe    System 
sei  auch  durch  eine  päpstliche  Bulle,  —   die  Alexanders  VIT,    vo 
J.  1664,  mit  weicher  er  seinen  Index  publicirte,  —  verdammt  worden^ 
ist  irrig  (Reusch  S.  443). 

Das  Decret  der  Index-Congr.  von   1616  und  das  Urtheil  geger: 
Galilei  von  1633  wurden  den  Inquisitoren  in  Italien  and  den  Nu. 
cien  tibersandt,    letzteres    den    Nuncien   mit  dem  Auftrage,    es    cl 
Bischöfen  ihres  Bezirkes  zu  notificiren,  damit  es  zur  Kenntnias  aA. 
Professoren  der  Philosophie  und  Mathematik  gelange  (Reusch  S.  1 
370).     In  Frankreich  wurde  es  jedenfalls  nicht  publicirt;   als  1& 
in  einer  in    dem    College  de  Clermont    vertheidigten   These    d 
Bezug  genommen  wurde,  protestirte  ein  Mitglied  der  Sorbonne, 
lerien  de  Flavigny,  gegen  diesen  Versuch,  Decreten  der  Inqnisi 

in  Frankreicli  Geltung  zu  verschaffen.     Das  ürtheil  wurde  anoh     ^J^ 

Frankreich  vielfach    nicht    beachtet.    Descartes    sagt    schon    16 
Die  Censur  ist  nicht  von  dem  Papste  oder  von  einem  Coucil  au 
sirt;  sie  rührt  nur  von  einer  Congregation  her.  Pascal,  Lettrea  p: 
18,  sagt:  Ce  fut  en  vain  que  vous    obtintes    contre  Gralil6e    ce 
cret  de  Rome,  qui    condamnait  son  opinion   touchant  le  mouvem 
de  la  terre.     Ce  ne  sera  pas  cela  qui  prouvera  qu*elle  demeare 
repos,  et  si  Ton  avait  des   observations   constantes    qui  prouv 
que  c'est  eile  qui  tourne,  tous  les  hommes   ensemble  ne  Templc 
raient  pas  de  tourner  et  ne  s'empecheraient    pas    de    toumer    au 
avec  eile.    —  Arnauld  spricht  sich  1692  bestimmter  aus:    II  n' 
presque  plus    d'astronome    qui  ne  la  croie  certaine,    ni  de  secte 
Philosophie  qui  soit  en  quelque  estime,    qui  ne  Tembrasae  (3,  5 
9,  307).   —    Der  Jesuit  Andre  wollte  1711  die  These  vertheidi 
lassen:  Systema  Copernicanum   defendimus  tanquam    hypothesim 
geniosam,    si  non  veram.    Sein  Censor  corrigirte:    elsi    non 
Aber  so  hatte  es  Andr6    nicht    gemeint.     In   seinen  CollegienhefÄ^^^ 
sagt  er  n.  a.:  Le  Systeme  de  Copernicus  a   6prouv6    le    m6me  s^^^"^ 
que  Topinion  de  Texistence  des    antipodes    avant  la  decouverte     <*" 


Galilei.  dM 

nonveau  monde.  On  Ta  combatta  d^abord  et  aprSs  bien  de  com- 
bats  il  est  demeur^  maitre  du  cbamp  de  bataille  .  .  .  Depuis  pr^s 
d^an  siecle  tous  les  astronomes  de  1  Europe  ont  adopte  le  Systeme 
de  Cop.,  rectifie  n^anmoiDS  par  le  gönie  de  Kepler  .  .  L^academie 
des  Sciences  n^en  admet  pas  d'autre^). 

Im  span.  Iudex  stehen  Copernicus,  Foscarini  und  Galilei  nicht; 
aber  in  dem  Commentar  von  Stunica  (er  hat  im  Eöm.  Index  bis 
Ben.  Astunica  geheissen)  verordnet  Sot.  zwei  Seiten  zu  streichen, 
mit  der  Bemerkung:  est  enim  jam  illa  de  motu  terrae  quiescente 
coelo  Copemici  sententia  Sedis  Apost.  decreto  reprobata,  und  auf 
dieses  Decret  wird  auch  bei  Origanus  Bezug  genommen  (S.  182). 
Kepler  und  Tycho  de  Brahe  stehen  in  der  1.  GL;  aber  mehrere 
Schriften  von  ersterm  werden  expurgirt,  andere,  darunter  auch  die 
in  Rom  verbotene  Epitome  cum  nota  auctoris  et  operis  (also  mit 
Beifügung  von  auctoris  damnati  opus  permissum  auf  dem  Titelblatte) 
freigegeben.  In  derselben  Weise  werden  auch  die  Notae  des  Nie. 
Mulerius  zu  dem  Werke  des  Copernicus,  Amst.  1617,  freigegeben. 
—  In  einer  1740  zu  Madrid  gedruckten  Uebersetzung  der  Geschichte 
Carls  XII.  (von  Voltaire)  von  Leonardo  de  Uria  y  Urueta  wird  in 
dem  Index  von  1747  u.  a.  an  der  Stelle,  wo  Gopernicus  verdadero 
fandador  der  Astronomie  genannt  wird,  verdadero  gestrichen. 

Als  es  sich  darum  handelte,  ob  das  Verbot  von  1616  in  Ve- 
nedig publicirt  werden  solle,  gab  Sarpi  sein  Gutachten  dahin  ab: 
es  könnte  nur  Verwunderung  erregen,  wenn  man  das  Buch  des  Go- 
pernicus jetzt  suspendire  (mit  d.  c.  verbiete),  welches  vor  100  Jahren 
erschienen,  von  aller  Welt  gelesen  und  bewundert,  und  weder  in 
Trient,  noch  bisher  in  Rom  verboten  worden  sei  (Gecchetti  1,  408). 
In  dem  Venetianischen  Index  von  1766  (I  S.  547)  steht  keines  der 
auf  Cop.  bezüglichen  Bücher. 

1691  wurde  der  Löwener  Professor  van  Velden  wegen  Ver- 
theidigung  einer  Gopernicanischen  These  in  einen  Process  verwickelt  ^). 
Unter  den  166  ketzerischen  Sätzen,  wegen  deren  die  spanische  In- 
quisition 1776  Pablo  de  Olavide  den  Process  machte,  befindet  sich 
auch  die  Copernicanische  Lehre  ^).  —  In  der  1739 — 42  erschienenen 
von  zwei  Mitgliedern  des  Ordens  der  Minimi,  T.  Le  Seur  und  Fr. 
.Tacquier,  besorgten  Ausgabe  der  Principia  Newtons  ist  die  Note  bei- 
gefügt: Newtonus  in  hoc  tertio  libro  telluris  motae  hypothesim  as- 
sumit.  Autoris  propositiones  aliter  explicari  non  poterant,  nisi  eadem 
quoque  facta  hypothesi.  Hinc  alienam  coaeti  sumus  gerere  perso- 
nam.  Caeterum  latis  a  Summis  Pontificibus  contra  telluris  motum 
decretis  nos  obsequi  profitemur  (Mendham,  Index  of  Gregory  XVL, 
p.  23).  —  In  der  1744  erschienenen  Ausgabe  der  Werke  Galilei's 
wurde  auch   der  Dialog  abgedruckt.     In    dem  Texte    desselben    ist 


1)  Charma  et  Mancel,,Le  Pere  Andre  I,  236.  11,  292. 

2)  Proces  de  Martin  Etienne  van  Velden,   in  der  Collection  de  me- 
moires  relatifs  ä  Phist.  de  Belgiquc,  1871.    Im  neuen  Reich  1879,  II,  409. 

3)  Villanueva,  Vida  let.  1,  18. 


400  Inqaisitionsprocesse  unter  Urban  Vtll. 

nichts  geändert;  aber  13  Randnoten  Galilei^s  sind  weggelassen  und 
40  in  eine  hypothetische  Form  gebracht  (wiederholt  „die  Bewegung 
der  Erde''  in  „die  vorausgesetzte  Bewegung  der  Erde'^  geändert), 
und  eine  Erklärung  des  Herausgebers,  eine  Abhandlang  von  Cal- 
inet,  das  Inquisitionsurtheil  und  Galilei^s  Abschwörung  beigefügt 
(Keusch  S.  440).  —  Der  Jesuit  Feller  führte  noch  1778  als  rich- 
tiger Probabilist  in  seinen  Observations  philos.  sur  les  systdmes  de 
Newton,  de  Copernic  etc.  den  Beweis,  die  Bewegung  der  Erde  sei 
nicht  so  erwiesen,  dass  man  nicht  auch  das  entgegengesetzte  System 
festhalten  könne.  Der  Dominicaner  Pini  schrieb  noch  im  19.  Jahrh. 
L^incredibilit4  del  moto  della  terra.  Ueber  dieses  Buch  schreibt 
Dom.  Testa  (es  wird  der  Secretär  Pius'  VII.  sein)  1802  an  den 
Abate  Angelo  Cesaris  (Lettere  ined.,  Mil.  1835,  p.  396):  das  Buch 
solle  8  Bände  stark  werden;  cacasangue!  tre  tomi!  man  habe  Pini 
zugeredet,  perch^  non  dasse  questo  scandalo;  ma  i  vecchi  sono  osti- 
nati,  e  la  frittata  e  fatta.  La  mangi  chi  vuole,  io  voglio  pinttosto 
morir  di  fame.  —  In  den  letzten  .Fahren  des  17.  Jahrh.  bemühte 
sich  I^ibniz,  eine  Aufhebung  der  Censuren  gegen  das  Copernicanisehe 
System,  1765  Lalande,  die  Entfernung  des  Dialogs  aus  dem  Index 
zu  erwirken^). 

Was  ich,  Der  Process  Gal.  S.  441  über  die  Vorgänge  unter 
Pius  VII.  berichtet  habe,  ist  nach  den  Mittheilungen  von  Fr.  Thiersch 
in  den  Münchener  Gelehrten  Anzeigen  1855,  IT,  189  zu  vervoll- 
ständigen. Der  Mag.  S.  Pal.,  Filippo  Anfossi,  verweigerte  dem  Ca- 
nonicus  Settele  die  Druckerlaubniss  für  seine  „Elemente  der  Optik 
und  Astronomie,*'  weil  darin  die  Copernicanisehe  Theorie  nicht  als 
blosse  Hypothese  vorgetragen  war.  Hettele  wandte  sich  an  die 
Index-Congregation,  und  diese  erklärte,  das  Buch  könne  gedruckt 
werden.  Anfossi  verweigerte  nochmals  das  Imprimatur  und  Hess  die 
a.  a.  0.  erwähnte  Abhandlung  drucken,  ohne  sie  durch  seinen  Socins 
approbiren  zu  lassen.  Settele  wandte  sich  nun  an  die  Inquisition, 
welche  gleichfalls  den  Druck  seines  Buches  (mit  der  a.  a.  0.  mit- 
getheilten,  von  dem  Commissar  M.  Olivieri  verfassten  Anmerkung) 
gestattete  und  Anfossi  einen  Verweis  ertheilte.  Nun  appellirte  An- 
fossi an  Pius  VIT.  Dieser  bestätigte  aber  den  Beschluss  der  beiden 
Congregationen,  soll  aber  dabei  sorgenvoll  ausgerufen  haben:'  Was 
werden  die  Mönche  dazu  sagen  ?  Anfossi  ertheilte  auch  jetzt  das 
Imrimatur  nicht,  Hess  es  aber  durch  seinen  Socius  ertheilen.  —  Nie. 
Wiseman,  damals  Consultor  der  Index-Congregation,  scheint  sieh 
besonders  für  Settele  bemüht  zu  haben  (K.  Gibbings,  Roman  For- 
geries  p.  29). 

2.  Campanella  (1568 — 1639),  der  schon  als  Vertheidiger  der 
Philosophie  des  Bernardino  Telesio  erwähnt  wurde  (I  S.  536)  und 
der  auch  in  dem  Galilei Vchen  Process  eine  Rolle  spielte  (Reusch 
S.  61),  war  1599 — 1626  wegen  angeblicher  politischer  Vergehen  in 


1)  M.   Lamey,    Leibniz  und  das  Studium  etc.,    1879,    S.  15.    Gritar, 
S.   167.  —   ni'her  E.  Amort  s.  Frit»(Irieh,  Beitr.  zur  Kirchengesch.  S.  66. 


Th.  Gampanella.  M.  A.  de  Üominis.  4Ö1 

Neapel    in  Haft.     Urban   YIII.    erwirkte    1626    seine  Freilassung 
nnter  der  Bedingung,   dass  die  Inquisition  ihm  den  Process  mache. 
Er  wurde  von  dieser  sehr    milde   behandelt   und  1629  freigelassen, 
verwickelte  sich  aber  in  allerlei  Händel    und  floh  im  October  1634 
nach  Frankreich;  er  starb  im  Mai  1639  zu  Paris.     £r  schrieb  von 
Paris  aus  noch  eine  Reihe  von  Briefen  an    den  Papst,   von  dem  er 
anfangs  auch  noch  eine  Pension  bezog,    und   denuncirte  darin  u.  a. 
seine  Ordensgenossen  Ridolfi  und  Eiccardi,  die  nach  einander  Magi* 
stri  S.  Pal.  waren  ^).  —  Das  oben  erwähnte  Verbot  steht  nicht  in  der 
Sammlung  der  Decrete,  aber  seit  Alex,  im  Index,  seit  Ben.  mit  dem 
Datum  21.  April   1632.     Es  wird  sich  hauptsächlich   auf  die  aller- 
dings von  Camp,  verfassten,  aber   von  Tobias  Adami   zu  Frankfurt 
veröffentlichten  Schriften,    u.  a.    die  Apologia  pro    Galilaeo,    1623, 
De  sensu  rerum  et   magia,  1620,    Realis    philosophiae    epilogisticae 
IL  4,  1623    (Baumg.  8,  HO),    und  Astrologicorum  11.  8,  1630,  be- 
ziehen (Clement  6,  151.  Quetif  2,  513).    Auch  die  Veröffentlichung 
des   1631    zu  Rom    gedruckten  Atheismus    triumphatus    (Baumg.  7, 
530)    und  der  1633    zu  Jesi   gedruckten  Monarchia  wurde,    wie  er 
in  seinen  Briefen  klagt,  durch  die  Zurückhaltung  der  Licentia  super 
publicatione  (I  S.  542)  verzögert,  und  mehrere  Schriften,   die  er  in 
Rom    zur  Censur    vorlegte,  u.   a.    ein  Commentar  zu  den  Gedichten 
Urbans  VIII.,  wurden  nicht  gedruckt.     Von   den  Schriften,    die    er 
nach   1632,  meist   zu  Paris  herausgab,    wurde   keine  verboten,    und 
das  Decret  von  1632  kann  auf  sie   doch  nicht    ausgedehnt  werden. 
Er  hatte  aber  wegen  der  in  Paris  gedruckten  Schriften  auch  Diffe- 
renzen mit  der  Sorbonne:    sie  gestattete  ihm  1635,     sich  selbst  die 
Censoren  unter  den  Doctoren  der  Facnltät  auszuwählen,  missbilligte 
aber   1636    die   für  seine  Bücher   ertheilten  Approbationen   und  er- 
klärte, sie  werde  fortan  nicht  dulden,  dass  die  Censoren  eines  Buches 
alle  dem  Orden  des  Verfassers  angehörten  (Quetif  II,  519).  —  Im 
span.  Index  steht  von  Camp,  nur  Realis  philosophiae  etc. 

3.  Marcantonio  de  Dom  in  is,  geb.  1 640  zu  Arbe  auf  einer  Insel 
an  der  dalmatischen  Küste,  —  er  stammte  aus  der  Familie,  zu  der 
Gregor  X.  gehörte,  —  1579—96  Jesuit,  1600  auf  Empfehlung  des 
Kaisers  Rudolf  zum  Bischof  von  Segni  ernannt,  seit  1602  Erzbischof 
von  Spalatro,  der  Hauptstadt  von  Dalmatien,  hatte  als  solcher  aller- 
lei Differenzen,  wurde  1615  wegen  ketzerischer  Aeusserungen  in 
Rom  denuncirt,  ging  darauf  nach  Venedig,  resignirte  mit  Geneh- 
migung Pauls  V.  zu  Gunsten  eines  Verwandten  auf  sein  Erzbisthum 
und  ging  Ende  1616,  nachdem  er  eine  Venedig  20.  Sept.  1616  da- 
tirte  Erklärung:  Marcus  Ant.  de  Dominis  Archiep.  Spalatensis  suae 
profectionis  consilium  exponens,  zu  Heidelberg  hatte  drucken  lassen 
(auch  Ven.    1616  u.  s.),    nach    England.    Jacob  I.  ernannte  ihn  zu- 


1)  Berti,  T.  Campanella,  in  der  N.  AntQl.  1878.  T.  10  und  11,  und 
Lettere  inedite  di  T.  C.  e  catalogo  de'  suoi  scritti,  in  den  Atti  della  R. 
Aoc.  dei  Lincei  S.  3,  vol.  2  (1878),  439.  Magazin  f.  d.  Lit.  des  Ausl. 
1882,  No.  22. 

Beuscb.  Index  II.  26 


«  -1 


402  Inquisitionsprocesie  unter  Urban  VIII. 

nächst  zum  Dechant  von  Windsor  und  verlieh  ihm  dann  auch  andere 
Beneficien.  Im  J.  1617  veröffentlichte  er  in  London  den  ersten,  4 
Bücher  enthaltenden  Band  seines  Werkes  De  republica  ecclesiastica 
libri  X,  Auotore  M.  A.  de  Dominis,  Archiep.  Spalatensi  (anch  Hei* 
delb.  1618),  1619  Sarpi's  GePchichte  des  Trienter  Concils.  —  Die 
Index-Congr.  verbot  schon  12.  Nov.  L616  (Alex.  No.  15)  die  oben 
erwähnte  Erklärung  mit  der  Motivirung:  sie  enthalte  Sätze,  die 
respective  formell  ketzerisch,  irrig,  schismatisch,  nach  Ketzerei 
schmeckend,  blasphemisch,  ärgernissgebend  und  die  römisch-katho- 
lische Kirche  schmähend  seien,  und  fügte  bei:  „Und  da  der  Ver- 
fasser in  diesem  Schriftchen  sagt,  er  werde  in  kurzem  ein  Werk 
de  republica  christiana  [sie]  in  zehn  Büchern  herausgeben,  and  den 
Inhalt  der  einzelnen  Bücher  angibt  und  weil  mehrere  Sätze,  die  er 
darin  lehren  will,  augenscheinlich  ketzerisch  sind,  darum  wird  auch 
dieses  Werk,  wo  immer  und  in  welcher  Sprache  es  anch  schon  ge- 
druckt sein  oder  gedruckt  werden  mag,  durch  dieses  Decret  ver- 
boten.** In  dem  folgenden  Decrete,  vom  28.  Nov.  1617,  wurde  die 
von  Dom.  anonym  veröffentlichte  Schrift  Papatus  Bomanns,  liber 
de  origine,  progressu  atque  extinctione  ipsius,  London  1617,  4., 
verb.,  femer  unter  Bezugnahme  auf  das  vorhergehende  Decret  der  "* 

mittlerweile  erschienene  1.  Band  des  Werkes  De  rep.  eccl.  als  „voll  ^' 

von  sehr    vielen    Ketzereien,  Irrthümern    und  Verleumdungen"    und  ^ 

eine  neue  Ausgabe  des  Absagebriefes :  Epistola  M.  A.  de  Dom.  Ar-  ^' 

chiep.  Spal.  ad  episcopos   Ecclesiae    christianae  conscripta,    in    qna  J*^ 

causas  discessus  a  suo  episcopatu  exponit,  Campidoni  1617.  —  In 
dem  nächsten  Decrete,  vom  18.  Mai  l<il8,  folgte  das  Verbot  der 
anonymen  Schrift  Scogli  del  Christiane  naufragio,  quäle  va  tco- 
prendo  la  santa  Chiesa  di  Christo  alli  suoi  diletti  figliuoli,  perch^ 
da  quelli  possano  allontanarsi,  s.  1.  1618,  166  S.  12.  Dom.  bespricht  ^,f 

darin  zwölf  „Klippen^^ :  Papstthum,  weltliche  Gewalt,  blinder  Glanbe, 
Kirchenbann,  Gebote  der  Kirche,  falsche  Einheit,  Messe,  Beicht, 
Fegfeuer  und  Ablass,  Anrufung  der  Heiligen,  Bilder  and  Reliquien, 
verdienstliche  Werke;  das  Schriftchen  erschien  1618  auch  englisoh 
und  franzöRisch   (Baumg.  8,  208). 

Der  1.  Band  des  Werkes  De  rep.  eccl.   wurde  15.  Dec.  1617 
von  der  Sorbonne  censurirt,  —  47  Sätze  werden  speciell  qnalificirt 
(Arg.  II  b  103),  —    7.  Dec.  1618  mit  specieller  Qualification    von 
sehr  vielen  Sätzen  von  der  Kölnischen  theologischen  Facnltät  (Arg* 
III  b  191).     Unter  Mitwirkung    £.  Kichers   erwirkte   die    Sorbonn 
auch    ein    königliches  Verbot   des    Buches    (Jourdain,  Eist.  p.  9S^ 
die  Kölnische  Facultät  beantragte    ein  Verbot    bei  dem  Knrflirste 
Der  Kölnische  Theologe    Leonardos  Marius    gab    eine  Widerlegu 
heraus:  Hierarchiae  ecclesiasticae  eatholica  assertio,   in  qua  B. 
et  Komanae   Sedis    ])rimatus    contra  haeresim    et    schisma    M.  A. 
Dominis  defonditur,  Col.  1618,  8.  (abgedr.  bei  Roccaberti,  Bibl.  t.  1 
Eine  Antwort  darauf  ist:    Sorex    primus  oras  chartarum  primi  liWz^Ti 
de    rep.    ecclesiastica   Archiepiscopi   Spal.    corrodens,    Leon.   Mars  ^o^ 
theologaster  Coloniensis,    a  Daniele  Loheto   Burgundo  Laudoner»^'/ 
ejusdem  Domini  Spal.    amanuensi,  in  muscipula    captus    et    ejusd^^ 


«/ 


^' 


M.  A.  de  Bominis.  408 

gcalpello  confossuB,  Lond.  1618,  8.  (von  Dom.  selbst  verfasst, 
Baumg.  8,  269).  Diese  Schrift  wurde  22.  Oct.  1619  verb.  (22.  Nov. 
1619  das  Werk  von  Sarpi,   S.  324). 

1620  erschien  von  dem  Werke  De  rep.  eccl.  der  2.  Theil,  das 
5.  und  6.  Buch  enthaltend,  mit  einem  Anhange  gegen  Du  Perron  und 
Suarez  (das  7.  und  9.  Buch  erschienen  Hanoviae  1622,  das  8.  und 
10.  sind  nicht  erschienen;  Baumg.  8,  209).  Er  wurde  16.  März 
1621  (Alex.  No.  23)  verb.,  zugleich  eine  italienische  üebersetzung 
des  Absagebriefes:  Manifesto  di  Monsignor  M.  A.  de  Domiuis  per 
la  sua  partita  d^Italia,  und  Predica  fatta  da  Mons.  M.  A.  de  Do- 
minis  la  1.  Domenica  deir  Avvento  1617  in  Londra  (schon  1617 
in  London  gedruckt,  auch  lateinisch  und  englisch  erschienen),  mit 
dem  Zusätze:  angeblich  auch  zu  Rom  gedruckt  cum  privilegio,  apud 
Jo.  Paulum  1618.  Zugleich  wurden  alle  von  Dom.  herausgegebenen 
und  herauszugebenden  Schriften,  wo  immer  und  in  welcher  Sprache 
auch  gedruckt,  verb. 

Pauls  V.  Nachfolger,  Gregor  XV.  (1621—23),  der  als  Car- 
dinal mit  Dom.  befreundet  gewesen,  Hess  ihn  durch  den  spanischen 
Gesandten  in  London  unter  Zusicherung  persönlicher  Sicherheit  zur 
Bückkehr  auffordern.  Er  retractirte  in  London  von  der  Kanzel 
seine  Angriffe  gegen  Rom,  wurde  im  März  1622  aus  England  aus- 
gewiesen, schwor  zu  Antwerpen,  wo  er  erkrankte,  vor  dem  Bischof 
ab  und  wurde  nach  seiner  Ankunft  in  Rom  vorläufig  in  dem  Kloster 
Araceli  untergebracht;  die  Inquisition  verurtheilte  ihn,  abzuschwören 
and  in  St.  Peter  (mit  einem  Stricke  um  den  Hals)  und  in  einem 
öffentlichen  Consistorium  Abbitte  zu  thuen,  und  legte  ihm  Buss- 
werke auf,  unter  anderm,  er  solle  zur  Vertheidigung  der  kath.  Re- 
ligion schreiben  und  seine  Verleumdungen  gegen  die  Römische  Kirche 
und  Curie  widerlegen.  Darauf  wurde  er  in  Freiheit  gesetzt.  Eine  vom 
24.  Nov.  1622  datirte  lange  Erklärung  erschien  1623  in  der  Druckerei 
der  apostolischen  Kammer  uuter  dem  Titel:  M.  A.  de  Dominis,  Ar- 
chiep.  Spal.,  sui  reditus  ex  Anglia  consilium  exponit.  Dom.  ver- 
theilte  sie  selbst,  wie  J.  N.  Erythraeus,  Pinac.  3,  17  erzählt,  an  der 
Thüre  der  päpstlichen  Capelle  an  die  Cardinäle,  als  sie  aus  der 
Messe  kamen.  Sie  wurde  wiederholt  nachgedruckt  (auch  bei  Bzo- 
vius  a.  1479,  10,  p.  160 — 170)  und  in  mehrere  Sprachen  übersetzt. 
Noch  in  demselben  Jahre  starb  Gregor  XV.  Sein  Nachfolger  Ur- 
ban  VIII.  war  nicht  so  freundlich  gegen  Dom.  gesinnt,  —  während 
des  Concia ve's  soll  Dom.  gesagt  haben :  Wenn  Barberini  Papst  wird, 
bin*  ich  verloren.  Er  wurde  wegen  heterodoxer  Aeusserungen  denun- 
cirt;  man  hegte  auch  den  Verdacht,  er  wolle  einen  Fluchtversuch 
machen.  Er  wurde  in  die  Engelsburg  gebracht  und  ein  neuer  In- 
quisitionsprocess  gegen  ihn  eingeleitet.  Der  Dominicaner-Cardinal 
Desiderius  Scaglia  führte  die  Untersuchung.  Dom.  starb  vor  der 
Beendigung  des  Processes,  nachdem  er  vor  Scaglia  und  einigen 
Beamten  abgeschworen  und  darauf  die  Sacramente  empfangen,  8.  Sept. 
1624.  (Da  sich  das  Gerücht  verbreitete,  er  sei  vergiftet  worden, 
wurde  die  Leiche  von  Aerzten  untersucht,  welche  erklärten,  er  sei 
eines  natürlichen  Todes  gestorben).    Da  es  sich  um  die  Anklage  auf 


404  inquisitionsproo^Me  unter  ürban  VIII. 

Rückfall  in  die  Ketzerei  handelte,  wnrde  die  Leiche  nicht  begraben 
und  der  Procees  weiter  geführt:  am  21.  Deo.  1624  wurde  Dom. 
in  der  Minerva  öffentlich  als  haereticns  relapsus  verurtheilt  und  dann 
die  Leiche,  sein  Bild  und  seine  Bücher  auf  dem  Campo  di  Flora 
verbrannt  *). 

In  den  älteren  Indices  werden  nach  dem  allgemeinen  Verbote 
die  einzelnen  verbotenen  Schriften  von  Dom.  verzeichnet;  seit  Ben. 
werden  De  rep.   eccl.    11.    10  et  cetera  ejusdem  opera  omnia    (also 
strenge  genommen    auch  die   Retractation  von   1623)    verb.,    ScoglL 
und    Papatus    aber    noch    immer    als    anonyme    Schriften    und    dio 
Schrift  gegen  Marias  unter  Lohetus  aufgeführt.  —  1634  wurde  ein^ 
Streitschrift    gegen    die    letzte   Schrift    von    Dom.    verb.:    Defensic» 
Ecclesiae    anglicanae    contra    M.  A.   de    Dominis    injurias,  .  .  .    D.^ 
Kichardi   Crakanthorp,  S.  T.  D.  et  Regiae  Maj.   nuper  sacellani. 
(t   1624)    opus  posthumum  a  .)o.  Barkham  in  lucem  editum,   Lond 
1625,  646  S.  4.    (Clement  7,   319).    —    Als  die   Retractotion    162J 
auch  in  Venedig    gedruckt    werden   sollte,    gab    Sarpi's    Freund   P. 
Fulgenzio  (Micanzio)  ein  Gutachten  dagegen  ab,    worin    er   hervoi 
hebt:    wenn    man  Dominis   darin    sagen  lasse,    er    habe    alle    seini 
Ketzereien  gegen  besseres  Wissen  vorgetragen,  so  sei  es  doch  besser, 
dergleichen  von  einem  Prälaten  nicht  zu  veröffentlichen;    aussei 
kämen  in  der  Schrift   beleidigende  Aeusserungen   gegen    den  Köni^ 
von  England  und  die  Protestanten    vor    und   namentlich   unter    dei 
von    ihm    abgeschworenen  Irrthümern    auch    der  Satz:    Papam    noi 
habere  potestatem    in  temporalia  in  ordine   ad  spiritualia  (Cecchett^^ 
2,  243).  —  Im  span.  Index    steht   Dom.    in    der    1.  Cl.   und    wii 
auch  sein  Bild  mit  einigen   Verwen  darunter    in    englischer    oder  ii 
einer  andern  Sprache  verb. 

4.    John  Barnes    gab  zuerst  Anstoss    durch   einen    1622 
Rheims  gedruckten  Octavband:    Examen  tropaeorum    congregationiv  ^jmmzds 
praetensae  anglicanae  Ordinis  S.  Benedicti,  worin  er  gegen  die  Vei 
einigung  der  drei  Arten  von  Benedictiuern,   die   es  in  England  galF*  ^— ^  b 
(spanische,  italienische  und   englische),  zu   einer  einzigen  Congrega^^^^^- 
tion  protestirte  (Dodd-T.  4,  91.  App.  208.  222)  und  behauptete,  vo     m  ■   t 
der  Reformation    habe   es   in    England    keine   andere    Benedictineii^HcrK** 
Congregation  gegeben   als  die    der   Gluniacenser,   und  der  Papst  8t=^^>«^i 


1)  Farlati,  IlI}Ticum  sacrum  3,  481.  Bzovius.  a.  1479,  10,  p.  160— 17fr. 
Theotimi  Eupistini  (Zaccaria)  De  doctis  cath.  viris  etc.,  1791,  p.  79.  ^ 
H.  M.  Ernesti,  Ueber  das  Recht,  bes.  der  Hierarchie,  auf  Ceusur  und  Büohei 
verböte  .  .  .  nebst  einer  Lebens-  und  Characterschilderung  des  berühmt« 
M.  A.  de  Dominis,  Lpz.  1829.  Schulte  3,  1,  471.  Den  21.  Dec.  Iö24 
nicht  nur  Bzovius  u.  a.  als  Datum  des  Autodefe  an,  sondern  auch  G. 
Doubletius  in  einem  Briefe  au  G.  1.  Vossius,  d.  d.  Rom  21.  Dec. 
(Ep.  70):  Interfui  hodie  actioni.  qua  cadaver  .  .  .  cremari  jusaum  et^ 
Auifallender  Weise  sagt  Albit  p.  121,  die  Leiche  sei  in  seinem  Beiser 
anno  jubilaei  verbrannt  worden,  und  Erythraeus,  Pinac.  3,  17  gibtPfingstöL 
1625  an.  Es  scheint,  dass  die  Publication  des  Ürtheils  21.  Dec.  1624  stat::^'  W* 
gefunden  hat,  die  Verbrennung  aber  der  grössern  Feierlichkeit  wegen  b^^"^^* 
zum  Pfingstfest  des  Jubiläumsjahres  verschoben  wurde. 


J.  Barnes.  406 

alsch  berichtet  worden,  wenn  er  die  Existenz  einer  andern  eng- 
ischen Benedictiner-Congregation  voraussetze.  Das  Buch  wurde  1624 
Alex.  No.  29)  verb.  mit  der  Bemerkung :  cujus  author  post  episto- 
am  inscribitur  Jo.  S.  Andreae  (unter  diesem  Namen  steht  es  seit 
Jen.  im  Index).  Gegen  das  Buch  schrieb  Clement  Reyner  Aposto- 
atns  Benedictinorum  in  Anglia,  Douay  1626,  Fol.  —  Im  J.  1624 
"eichte  Barnes  der  Sorbonne  eine  Dissertatio  de  aequivocatione,  wie 
!8  scheint,  lateinisch  und  französisch,  zur  Approbation  ein.  Die 
Approbation  wurde  13.  Juli  1624  ertheilt;  Barnes  wird  darin  als 
)r.  theol.,  Professor  der  englischen  Mission  (in  Douay)  und  erster 
Assistent  der  spanischen  Congregation  (er  war  in  Salamanca  Bene- 
lictiner  geworden)  bezeichnet.  Am  1.  Aug.  theilte  der  Syndicus  der 
i^acnltät  mit,  der  Nuncius  habe  ihn  ersucht,  dafür  zu  sorgen,  dass 
as  Buch  nicht  gedruckt  werde.  Die  beiden  Censoren  erklärten 
ber,  das  Buch  enthalte  nichts  Anstössiges,  und  die  Facultät  be- 
chloss,  die  Approbation  nicht  zurückzunehmen  (Arg.  II  b  146.  Boi- 
saUy  ^oyufiaaTrjg  p.  65\  Das  Buch  erschien  darauf  mit  einer  vom 
3.  Jan.  1625  datirten  Dedication  an  Urban  YIII.  In  Kom  wurde 
leichzeitig  mit  dem  oben  erwähnten  Examen,  12.  Dec.  1624,  verb. 
)i8putatio  aequivocatoria  de  licita  aequivocatione  terminornm 
to.,  liber  anonymus  contra  F.  Lessium  editus  (so  noch  jetzt).  Das 
rann  nicht  wohl  etwas  anderes  als  eine  frühere  Ausgabe  der  Schrift 
'on  Barnes  sein.  Eaynaud  (Apop.  p.  22.  174)  sagt:  Barnes  habe 
e  aequivocatione  et  restrictione  mentali,  speciell  gegen  Lessius, 
^schrieben,  und  die  lateinische  Schrift  sei  auch  ins  Französische 
hersetzt  worden;  er  (Raynaud)  sei  beauftragt  worden,  sie  zu  wider- 
5gen.  Die  Widerlegung,  die  er  unter  dem  Namen  Stephanus  Emo- 
erius  herausgab:  Splendor  veritatis  moralis  collatus  cum  tenebris 
lendacii  et  nubilo  aequivocationis  ac  mentalis  restrictionis.  Addita 
epulsione  calumniarum,  quibus  Jo.  Bamesius  Leonardum  Lessium 
neravit,  wurde  1682  auch  verboten.  —  Barnes  scheint  in  Rom 
'egen  seiner  Ansichten  oder  wegen  noch  ungedruckter  Bücher  denun- 
.rt  worden  zu  sein;  denn  im  J.  1626  forderte  der  Papst  von  dem 
tinzösischen  Könige  und  dem  Cardinal  Richelieu,  ihn  sammt  seinen 
üchem  nach  Rom  zu  schicken.  Er  wurde  5.  Dec.  1626  zu  Paris 
srhaftet,  wie  Raynaud  1.  c.  sagt,  ob  periculosas  novitates  und  als 
3vae  fidei  faber  (die  bei  ihm  gefundenen  Bücher,  wie  es  scheint, 
[anuscripte,  sind  Arg.  II  b  283  verzeichnet  und  scheinen  nicht  nach 
om  geschickt  worden  zu  sein).  Er  wurde  nach  Cambray,  von  da 
ioh  Grivolde  bei  Brüssel  gebracht,  entfloh,  wurde  aber  wieder  ein- 
dfangen,  als  er  eben  in  Antwerpen  ein  holländisches  Schiff  besteigen 
ollte.  Nach  Rom  abgeliefert,  wurde  er  von  der  Inquisition  zu 
ibenslänglicher  Haft  verurtheilt.  Im  Gefangniss  wurde  er  irrsin- 
ig  und  in  das  Irrenhaus  in  Trastevere  gebracht,  wo  er  30  Jahre 
ich  seiner  Verhaftung  starb  ^). 


1)  Vgl.   ausser  Raynaud  1.  c.   Morery,  Suppl.,  Bayle,    Wood,   Ath. 
zon.  2,  500,    Dodd.  2,  134,   Dodd-T.   4,  97.    In   manchen    Einzelheiten 


406  laquisitionsprocesse  unter  Urban  VIII. 

Das  merkwürdigste  Buch  von  Barnes  wurde  erst  längere  Zeit 
nach  seinem  Tode  gedruckt:  Catholico-Eomanus  pacificus.  Anctore 
Jo.  Bamesio  Benedictino  Anglo.  Oxoniae  1680,*  12.  (abgedr.  in 
£.  Browns  Fasciculus,  1690,  II,  826),  verb.  1682.  Das  Buch  soll 
zeigen,  quod  salva  communione  catholicae  rom.  Ecclesiae  et  ho6 
saeculo  docetur  et  antea  doctum  fuit  a  catbolicis  celebribus,  ist  also 
ein  Seitenstück  zu  Franz  V^rons  E^gle  generale  de  la  foi  catboli- 
que,  Par.  1645,  und  Heinrich  Holdens  Divinae  fidei  analysis,  Par. 
1652,  aber  freisinniger  als  diese.  Bezüglich  des  Papstes  lehrt  er, 
derselbe  stehe  unter  dem  Concil,  habe  keine  Gewalt  in  weltlichen 
Dingen  und  sei  hinsichtlich  seiner  kirchlichen  Gewalt  mit  einem 
primus  praeses  curiae  parlamentariae  zu  vergleichen.  Das  Buch 
scheint  übrigens  nicht  von  Barnes  druckfertig  hinterlassen,  sondern 
aus  seinen  Aufzeichnungen  zusammengestellt  worden  zu  sein  (Dodd- 
T.  4,  97).  —  Der  3.  Abschnitt,  De  insulae  Magnae  Britanniae  pri- 
yilegiis  wurde  schon  1656  als  Jo.  Barnesii  Benedictini  Angli  sen- 
tentia  de  Ecclesiae  Britannicae  privilegiis  ex  Cath.  Rom.  Pacifioo 
in  der  Diatriba  de  antiqua  Ecclesiae  Britannicae  libertate  (von 
John  Basire)  abgedruckt;  aber  erst  1709  wurde  die  zu  Amsterdam 
1695  erschienene  Ausgabe  dieses  Buches  und  des  Anhangs  verb. 

Einem  andern  irenischen  Buche  eines  katholischen  Engländers 
aus  dieser  Zeit  ist  es  besser  ergangen.  Unter  Carl  I.  war  der  Fran- 
ciscaner  Franciscus  a  Sancta  Clara  (sein  Familienname  war  Christo- 
pher Davenport)  Kaplan  der  Königin  Henriette  Marie;  er  verkehrte 
viel  mit  dem  Erzbischof  Land,  Cosin  und  anderen  englischen  Theo- 
logen und  suchte  eine  corporative  Reunion  der  englischen  und  der 
römisch-katholischen  Kirche  anzubahnen.  Er  verfasste  eine  Erkl&mog 
der  39  Artikel,  worin  er  diesen  eine  katholische  Deutung  zu  geben 
suchte:  Articuli  Confessionis  Anglicae  paraphrastice  exponuntur,  et 
in  quantum  cum  veritate  compossibiles  reddi  possunt,  perlustrantnr, 
zuerst  separat  gedruckt,  dann  mit  dem  Tractatus  de  praedestina- 
tione,  de  meritis  et  peccatorum  remissione,  Lugd.  Bat.  1634,  der 
1635  auch  unter  dem  Titel  Deus,  natura,  gratia  sive  Tractatus 
etc.  erschien.  Man  war  in  Rom  entschlossen,  die  erste  Ausgabe 
des  Tractats  zu  verbieten ;  das  Decret  wurde  aber  aus  Rücksicht 
gegen  die  englische  Regierung  nicht  publicirt  und  der  Verfasser 
zuvor  nach  Rom  bescbieden;  er  entschuldigte  sich  mit  Krankheit, 
scheint  aber  brieflieb  eine  befriedigende  Erklärung  gegeben  zu  haben. 
Nach  dem  Erscheinen  der  2.  Auflage,  die  keine  derartige  Erklärung 
enthielt,  war  wieder  von  der  Verdammung  des  Buches  die  Rede; 
sie  unterblieb  aber  auf  Betreiben  der  englischen  Agenten  in  Rom 
und  des  päpstlichen  Agenten  in   England,   des  Oratorianers   Gregor 


stimmen  die  Berichte  über  das  Schicksal  des  unglücklichen  Mannes  nicht 
überein.  Jedenfalls  ist  die  Angabe  im  K.-L.  1,  2033,  er  sei  1626  in  Frank- 
reich von  der  „Staatsinquisitiou"  aufgegriffen,  auf  das  Schloss  Werden  bei 
Brüssel  gebracht  und  dort  30  Jahre  in  anständiger  Haft  gehalten  worden, 
wegen  der  bestimmten  Mittheilungen  Raynauds  als  irrig  anzusehen. 
Deutscher  Merkur  1882,  371. 


H.  Veochietti.  407 

Panzani,  um  oicht  Carl  I.  zu  verletzen^  von  dem  man  damals  hoffte, 
er  werde  die  Wiedervereinigung  Englands  mit  Rom  durchsetzen. 
Bei  'Sot.  wird  das  Buch  Dens,  natura,  gratia  etc.  ex  quacunque 
editione  verboten.  Davenport  selbst  sagt,  der  spanische  Gesandte 
in  London,  Alonso  de  Cardenas,  ein  Ex-Jesuit,  habe  das  Buch,  weil 
es  Carl  I.  gewidmet  war,  in  den  spanischen  Index  gebracht  und 
sich  auch  in  Rom  für  die  Verdammung  desselben  bemüht^). 
Mich,  a  S.  Jos.  1,  376,  vermuthet,  das  Buch  sei  durch  Zusätze  von 
irgend  einer  ketzerischen  Hand  corrumpirti 

5.  Vecchietti  hatte  sein  Buch  mit  vielen  Kosten  in  Augsburg 
1621  in  Folio  drucken  lassen:  Hieronymi  Vecchietti  ab  Aegypto 
Florentini  de  anno  primitivo  ab  exordio  mundi  ad  annum  Julianum 
accommodato  et  de  sacrorum  tempomm  ratione  11.  8  (der  endlose 
Titel  steht  vollständig  bei  Schelh.,  Am.  lit.  8,  155  und  bei  Baumg. 
1,  7;  er  nennt  sich  ab  Aegypto,  weil  er  zweimal  dort  Reisen  ge- 
macht). Der  Minorit  Marcus  Antonius  Capellus,  der  gegen  Vecch. 
De  ßoena  Christi  suprema  deque  praecipuis  ejus  vitae  capitibus, 
Par.  1625,  schrieb,  sagt,  die  astronomischen  und  chronologischen 
Ansichten  desselben  seien  grossentheils  falsch ;  was  er  Theolo- 
gisches vortrage,  sei  fast  alles  insigni  aliqua  labe  aspersum.  Er 
gibt  u.  a.  eine  Deutung  der  Apokalypse,  wonach  im  Jahre  1744 
Rom  von  einem  ketzerischen  deutschen  Fürsten  erobert  werden, 
116  Jahre  in  den  Händen  der  Ketzer  bleiben  und  dann  in  die 
Hände  der  Muhammedaner  fallen  sollte.  (Der  Herzog  von  Baiern 
beklagte  sich  bei  dem  Cardinal-Nepoten  Ludovisio  auch  über  Aus- 
fälle gegen  Ludwig  den  Baiern,  die  in  dem  Buche  stehen).  Aber 
das,  woran  man  hauptsächlich  Anstoss  nahm,  war  die  in  dem  4. 
Buche  (Chronologie  des  Lebens  Christi)  Cap.  31  ff.  vorgetragene 
Aneicht,  Christus  habe  das  letzte  Abendmahl  am  13.  Nisan  gehalten, 
dasselbe  sei  kein  jüdisches  Paschamahl  gewesen  und  die  Eucha- 
ristie also  auch  nicht  mit  ungesäuertem  Brode  eingesetzt  worden. 
Gampanella  (Atti  p.  464.  489)  sagt,  18  Theologen  hätten  die  Mei- 
nung Vecchietti' s  als  ketzerisch  verdammt,  er  habe  bewiesen,  dass 
sie  nur  temerär  sei.  Die  Ansicht  ist  bekanntlich  in  der  griechischen 
Kirche  die  herrschende ;  sie  wurde  auch  von  Suarez  u.  a.  als 
Ketzerei  bezeichnet,  später  aber  auch  von  manchen  orthodoxen 
Theologen  vorgetragen  und  freilich  vielfach  bekämpft,  aber  nie 
wieder  von  Rom  aus  censurirt'^).  Vecch.  wird  von  seinem  Zeitge- 
nossen J.  N.  Erythraeus  als  ein  Sonderling,  aber  als  ein  sonst  ganz 
achtbarer  Mann  geschildert.  Er  starb  nicht  im  Gefängnisse,  wie 
Dupin  17,  8  angibt,    sondern  wurde    nach  Jahre  langer    Haft    frei- 


1)  Paraphrastica  Expositio  Articulorum  Confessionis  Anglicanae  . .  . 
by  Franc,  a  Sancta  Clara  .  .  .  Reprinted  from  the  Edition  in  Latin  of 
1646  .  .  .  To  which  are  prefixed  an  Introduction  and  a  Sketch  of  the  Life 
of  the  Author.  Edited  by  the  Rev.  Fr.  G.  Lee  .  .  .  Lond.  1865.  4.  Vgl. 
Fr.  G.  Lee,  Essays  on  the  Re-Ünion  of  Christendom,  1867,  p.  118. 

2)  Bened.  XIV.  De  festis  1,  6,  7—16.  Nat.  Alex.  Suppl.  Tomi  1. 
p.  163. 


406  InquisitionsprooesBO  unter  Urban  VIII. 

gelassen;  er  starb  (nach  1632)  83  Jahre  alt.  In  der  Laarentiaiii- 
sehen  Bibliothek  zn  Florenz  befinden  sich  mehrere  AnfsätEe,  die 
er  im  Geföngnisse  zur  Vertheidigung  seiner  Meinungen  geschrie- 
ben^).    Im  span«  Index  steht  er  nicht. 

6.   Cesare  Cremonini,  seit  1591  Professorin  Padua,  f  1631, 
der  letzte  dortige  Vertreter  des  Averroismus,   entwickelte  in  seinen 
Büchern  das,    was    er  als  die  Lehre  des  Aristoteles  ansah,  und  be- 
gnügte   sich,    wie  Pomponatius    u.  a.,    bezüglich  des  Widerspruchs 
dieser    Lehre  mit    den  christlichen  Glaubenswahrheiten   mit  Erklä- 
rungen wie :    Quae  philosophi    dicta  non  sunt  retinenda,    quia    non 
illud  est  sentiendum,    quod  sentit  Aristoteles,  sed  quod  sentit  veri- 
tas  christiana.     Die  Angabe  von  Tiraboschi  7,  434,    er  sei   bis  zu 
seinem  Tode  im  friedlichen  Besitze  seines  Lehrstuhles  gewesen,  ist 
unrichtig.     Ueber    einen    Process,    den    die    Inquisition    1611    oder 
früher  gegen  ihn  einleitete  (Reusch,  Galilei  S.  29),  ist  nichts  weiter 
bekannt.     Zu  einem  neuen  Process  gab  seine  1613  zu  Venedig  ge- 
druckte Disputatio    de  coelo   Anlass.    Als  die  Römische  Inquisition 
1614  den  Process  einleitete,    erhob    der   Senat   von  Venedig  durch 
den  Gesandten  dagegen  Einsprache  (Cecchetti  2,  258),   und  deshalb 
wird  Crem,  nicht  nach  Rom  citirt  worden  sein.    Der  Inquisitor  von 
Padua  übersandte    ihm   ein  Schriftstück,    worin    die    Ausstellungen 
verzeichnet  waren,  die  man  in  Rom  an  dem  Buche  gemacht  Crem. 
antwortete  darauf,    erhielt    aber   dann  von  dem  Inquisitor  ein  Ver- 
zeichniss  der  vorzunehmenden  Aenderungen.    Man  gab  sich  schliess- 
lich zufrieden,  als  Crem,  versprach,    in  einer  neuen  Schrift  die  ge- 
wünschten Berichtigungen  zu  geben.     Diese  erschien   1616:    Apolo- 
gia  dictorum  Aristotelis    de   qninti    coeli    substantia.    Aber   3.  Juli 
1619  schrieb    der  Inquisitor   von  Padua    an    ihn  im  Auftrage    des 
Papstes:    die  Apologia   enthalte   keine  genügende  Verbesserung  der 
Disputatio    und    bedenkliche  Sätze;    er   möge    also    beide  Schriften 
nach  den  Weisungen  der   Inquisition  corrigiren,    widrigenfalls   man 
sie  verbieten    werde.     Crem,   antwortete:    bezüglich  der  Disputatio 
sei  man  früber  übereingekommen,    dass  er  sie  in  der  Apologria  be- 
richtigen solle;    das    habe  auch  der  Senat  genehmigt;    nachdem  er 
die  Apologia  veröffentlicht,  halte  er  sich  nicht  für  verpflichtet  oder 
berechtigt,  an  der  Disputatio  etwas  zu  ändern ;    die  ihm  übersandten 
Bemerkungen  über  die  Apologia  wolle  er  erwägen,  mit  dem  Inqui- 
sitor darüber  sprechen  und  in  seinem  Buche  De  coeli  efßoientia  be- 
rücksichtigen ;     seine  Darlegung  der  Lehre  des  Aristoteles  halte  er 
übrigens    für  richtig  und  könne    er    nicht    für  unrichtig  erklären; 
man  möge   jemand   beauftragen,   in    ähnlicher  Weise  gegen   ihn  sn 
schreiben,    wie  Niphus   gegen  Pomponatius   geschrieben    (I  S.  60); 
diese    Widerlegung    solle    dann    unbeantwortet    bleiben^).     Endlich 


1)  Tirab.  8,  100.  J.  N.  Erythraeus,  Pinac.  1, 196.  Mich,  a  S.  Josephe  I, 
428—439  (hier  ist  die  Stelle  über  das  letzte  Abendmahl  abgedruckt). 

2)  Berti  in  den  Atti  della  R.  Acc.  dei  Lincei,   8.  8,  vol.  2    (1878), 
273.  Renan,  Averroes  p.  867.  Cantü,  Eretici  8,  145.  Clement  7,  838. 


G.  Cremonini.  Ferrante  Pallavicino.  409 

wurde  in  dem  Decrete  der  Index-Congr.  vom  18.  Jan.  1622  (Alex. 
No.  25)  die  Disputatio  de  coelo  „euBpendirt,  bis  der  Verfasser  sie 
corrigirt  habe/'  und  erklärt:  wenn  er  das  nicht  binnen  Jahresfrist 
gethan,  sei  das  Buch  ohne  weitere  Erklärung  als  verboten  anzu- 
sehen. In  dem  Decrete  vom  3.  Juli  1623  wurde  es  aber  doch  aus- 
drücklich als  gänzlich  und  ohne  irgendwelche  Einschränkung  und 
Restriction  verboten  erklärt.  Es  steht  auch  im  span.  Index.  Die 
Apologia  wurde  nicht  verb.  —  Im  J.  1626  denuncirte  P.  An- 
gelo  Castellari  Crem,  in  Rom,  er  habe  gesagt,  die  Seele  sei  sterb- 
lich, die  Welt  ewig  u.  dpfl.  Der  Secretär  der  Inquisition,  Card. 
Meilini,  beauftragte  den  Nuncius  und  den  Inquisitor  zu  Venedig, 
Zeugen  zu  verhören ;  der  Process  scheint  aber  nicht  weiter  verfolgt 
worden  zu  sein. 

7.  Ferrante  Pallavicino,  geb.  1615,  früher  Lateranensischer  Chor- 
herr, ein  liederlicher  Literat,  machte  sich  den  Barberini  namentlich 
durch  drei  anonyme  Schriften  verhasst.  Die  erste,  II  Corriere  svaligiato, 
soll  der  Inquisitor  zu  Venedig  approbirt  haben;  der  Senat  verbot  den 
Druck  und  als  sie  doch  bei  Ginifacio  Spirantini,  d.  i.  Franc.  Picci- 
nini  1641  erschien,  Hess  er  auf  den  Antrag  des  Nuncius  Vitellio 
Pall.  für  einige  Monate  gefangen  setzen.  1642  folgten:  Bacci- 
nata  ovvero  battarella  per  le  Api  Barberine  in  occasione  della 
mossa  delle  armi  di  N.  S.  Urbano  VIII.  contro  Parma.  Nella  stam- 
peria  di  Pasquino  a  spese  di  Marforio,  mit  einer  Dedication  an  den 
Nuncius  Vitellio,  und  Dialogo  molto  curioso  e  degno  fra  due  gen- 
tilhuomini  Acanzi,  cioe  soldati  volontarii  dell'  Altezze  Ser.  di  Mo- 
dena  e  Parma,  sopra  la  guerra  che  detti  principi  fanno  contro  il 
Papa,  con  un  breve  discorso  in  fine  fatto  da  Pasquino  a  P.  Urbano 
VIII.  —  Die  Barberini  gewannen  für  eine  grosse  Summe  einen 
jungen  Franzosen,  Ch.  de  Bresche,  der  sich  mit  Pall.  befreun- 
dete, ihn  durch  das  Vorgeben ,  Card.  Richelieu  sei  über  seine 
Schriften  sehr  erfreut,  zu  einer  Reise  nach  Frankreich  verleitete 
und  ihn  dort,  ohne  dass  er  es  merkte,  in  das  päpstliche  Gebiet 
führte,  wo  er  verhaftet  wurde.  Er  wurde  14  Monate  in  Haft  ge- 
halten und  5.  März  1644  zu  Avignon  enthauptet.  Der  Verräther 
wurde  auf  Anstiften  des  Card.  Mazarin  ermordet.  —  Verboten  wur- 
den von  Pall.  bei  seinen  Lebzeiten,  1642,  nur  Lettere  amorose,  La 
pudicitia  schernita  und  La  rete  di  Volcano,  ein  mythologischer  Ro- 
man, dann  1646:  II  Corriere,  ferner  II  divortio  Celeste  cagionato 
dalle  dissolutezze  della  sposa  rumana  e  consecrato  alla  simplicitä 
dei  scropolosi  cristiani,  Villafranca  1643,  während  der  Haft  in  Avig- 
non geschrieben  (nur  1  Buch ;  es  sollten  3  werden ;  vervollständigt 
von  Gr.  Leti,  Genf  1679);  endlich  L'anima  di  F.  Pall.,  eine  aus 
Anlass  seiner  Hinrichtung  verfasste  bittere  Schrift,  angeblich  von 
Giov.  Franc.  Loredano,  in  zwei  Vigilie.  1665  erschien  ein  zweites 
Bändchen;  eine  vollständige  Ausgabe,  L'anima  di  F.  Pall.  divisa  in 
sei  vigilie,  Col.  1675,  2  vol.  12.,  wurde  1676  verboten.  —  Die  bis 
1655  nicht  verbotenen  Schriften  von  Pall.  erschienen  gesammelt 
mit  einer  Vita  von  Girolamo  Brusoni  und  einem  ungenauen  Ver- 
zeichnisse sämmtlicher  Schriften  zu  Venedig  1655,    4  vol.  12.;    die 


410  Katholisohe  Theologen. 

verboteDen  als  Opere  scelte  zu  Yillafranca  (Genf)  I66O9  2  voL  — 
1661  wurden  dann  9  von  Brusoni  als  nicht  verboten  bezeichnete 
Schriften  verboten.  Es  sind  lauter  obsoöne  Sachen,  auch  die  von 
Pall.  selbst  als  opera  spirituale  bezeichnete  Le  bellezze  dell'  anima, 
1640,  und  die  opere  scritturali:  Susanna,  Giuseppe,  Sansone,  Ber* 
sabea.  Auffallender  Weise  wurden  erst  1669  verboten:  Baecinata 
und  Dialogo  und  die  gleichfalls  schon  1642  erschienene  Bettorica 
delle  puttane.  —  Im  span.  Index  steht  nur  Divortio,  und  zwar  eine 
Ausgabe  Ingolstadt  (!)  1643 1). 


49.     Katholisehe  Theologeo. 

Um  nicht  die  Darstellnng  der  grossen  Controversen,  welche 
im  17.  und  18.  Jahrhundert  die  Römischen  Censurbehörden  be- 
schäftigten, der  Jansenistischen,  gallicanischen  und  quietistischen, 
unterbrechen  zu  müssen,  schicke  ich  die  Besprechung  derjenigen 
in  dieser  Zeit  verbotenen  Schriften  von  katholischen  Theologen 
voraus,  welche  mit  jenen  Controversen  in  keinem  Zasammen- 
hange  stehen.  Unter  diesen  ist  zunächst  der  Engländer  Thomas 
White  zu  nennen,  neben  J.  B.  Poza  (§  50)  der  einzige  Schrift- 
steller dieser  Kategorie,  von  dem  (1661)  sämmtliche  Schriften 
verboten  wurden.  Ausser  ihm  kamen  nur  ganz  wenige  englische 
Schriftsteller  in  den  Index,  -—  merkwürdiger  Weise  einige  eng- 
lische Catechismen  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrhunderts,  — 
auch  nur  wenige  deutsche  Schriften,  im  17.  Jahrhundert  n.  a. 
zwei  von  dem  Abt  Hirnhaim,  ein  4  Seiten  füllender  Unions- 
vorschlag von  dem  Jesuiten  Joh.  Dez  und  ein  irenisches  Buch 
des  Convertiten  M.  Praetorius,  1732  eine  der  derben  polemischen 
Schriften  von  Weislinger.  Neben  dieser  einen  deutsch  ge- 
schriebenen Schrift  findet  sich  auch  eine  ganz  unbedeutende 
holländische.  Spanien  und  Portugal  sind,  abgesehen  von  Poza, 
in  dieser  Kategorie  noch  schwächer  vertreten,  sehr  stark  aber 
Frankreich   und   Italien.     Neben   vielen    weniger  bedeutenden. 


1)  Poggiali,  Mem.  .  .  .  di  Piacenza  2.  170.  Marchand»  Dict.  8.  ▼. 
—  1663  erschien  eine  deutsche  üebersetzung  von  „Auserlesenen  Werken" 
Pallavicino's:  die  himmlische  Ehescheidung,  der  geplfinderte  Postrenter 
u.  s.  w.  Ins  Französische  wurden  viele  derselben  ttbersetEt,  II  IHvortiö 
auch  ins  Englische. 


Th.  White.  411 

theilweise  ganz  unbedeutenden  Schriften  wurden  aus  Frankreich 
vor  dem  Erscheinen  des  Index  Alexanders  VII.  Bücher  von 
P.  Halloix  und  Fr.  Combefis  verboten,  später  viele  Schriften 
von  Richard  Simon,  einzelne  von  J.  B.  Thiers,  Jacques  Boileau 
u.  a.,  aus  Italien  einige  interessante  Schriften  von  Capassi  und 
Serry  und  sehr  viele  unbedeutende.  —  Im  spanischen  Index 
stehen  Th.  White,  R  Simon  und  manche  andere  dieser  Schrift- 
steller nicht 

1.  Thomas  White,  in  Douay  gebildet,  1617  zum  Priester  ge- 
weiht, lebte  theils  in  England,  theils  im  Ausland  (zu  Paris,  Douay, 
Rom,  Lissabon)  und  starb  1676,  94  Jahre  alt.  Dodd  3,  285  ver- 
zeichnet 48  Schriften  von  ihm  (35  lateinische),  die  er  theils  unter 
seinem  richtigen  Namen  (Cartesius  nennt  ihn  Yitus),  theils  unter  den 
Namen  Thomas  Anglus  ex  Albiis  East-Saxonum,  William  Richworth, 
Blackloe  u*  a.  veröffentlichte^).  —  Alle  Schriften  von  ihm,  die  im 
Iudex  stehen,  wurden  von  der  Inquisition  verboten,  und  zwar  zum 
Theil  Fer.  V.,  zuerst:  Sonus  buccinae  sive  tres  tractatus  de  virtu- 
tibus  fidei  et  theologiae,  de  principiis  earundem  et  de  erroribus 
oppositis,  Authore  Thoma  Anglo  ex  Albiis  East  Saxonum,  Par.  1654, 
verb.  Fer.  IV.  12.  Mai  1655;  —  Tabulae  suffragiales  de  terminan- 
dis  fidei  litibus  ab  Ecclesia  cath.  fixae,  occasione  Tesserae  ipsvötavi- 
fAüß^  Romanae  inscriptae  adv.  folium  unum  Soni  buccinae,  Anth. 
Thoma  Anglo  etc.,  Lond.  1655,  und  Tesserae  il/sviwvv^tjg  Romanae 
evulgatio,  eodem  anthore  (ein  Anhang  zu  d^n  Tabulae),  verb.  Fer. 
V.  6.  Sept.  1657  (mit  Pascals  Briefen).  In  dem  Decrete  der  Index- 
Congr.  vom  10.  Juni  1658  werden  diese  beiden  Schriften  nochmals 
und  Thomae  Angli  .  .  .  Institutiones  peripateticae  ad  mentem  snmmi 
viri  clarissimique  philosophi  Eenelmi  Equitis  Digbei  und  ejusdem 
Appendix  theologica  de  origine  mundi,  London  1647,  verb.  Sir  Ee- 
nelm  Digby,  1603 — 65,  an  dessen  philosophische  Ansichten  sich 
White  anschloss  und  mit  dem  er  auch  sonst  befreundet  war  (S.  384), 
war  ein  Gegner  Descartes'  (seit  1631  Katholik;  Räss,  Convert. 
5,  445).  Sonus  buccinae  wurde  wahrscheinlich  wegen  der  Appendix 
verboten,  welche  gegen  die  Schrift  des  Franciscaners  Macedo :  Mens 
divinitus  inspirata  SS.  Papae  Innocentio  X.  super  quiuque  proposi- 
tionibus  Corn.  Jansenii,    London  1643,    gerichtet   ist.     Macedo   ant- 


1)  Vgl.  ausser  Dodd.  8,  286.  360,  Butler  2,  425,  Chalmers  s.  v. 
White,  Bayle  s.  v.  Anglus,  Clement  1,  348,  K.-L.  1,  883.  In  der  Schrift 
De  mundo  dialogi  tres,  Par.  1642,  446  S.  8.,  nennt  er  sich:  Thomas  An^rlus 
e  generosa  Alhiorum  in  Oriente  Trinobantum  pro8apia  oriundus.  Von 
seinen  englischen  Schriften  habe  ich  gesehen:  The  Dialogues  of  Wm. 
Richworth,  or  the  judgment  of  common  sense  in  the  joice  of  religion, 
Par.  1640,  12.  An  Apology  for  Rushworths  Dialogues,  wherein  the  excep- 
tions  of  the  Lords  Falkland  and  Digby  are  answered  and  the  arts  of 
their  oommended  DaiUe  discovered.  By  Th.  White,  Gent.,   Par.  1654,  12, 


410  Katholische  Theologen. 

verbotenen  als  Opere  ßcelte  zu  Yillafranca  (Genf)  1660,  2  vol.  — 
1661  wurden  dann  9  von  Brusoni  als  nicht  verboten  bezeichnete 
Schriften  verboten.  Es  sind  lauter  obscöne  Sachen,  auch  die  von 
Pall.  selbst  als  opera  spirituale  bezeichnete  Le  bellezze  dell'  anima, 
1640,  und  die  opere  scritturali:  Susanna,  Giuseppe,  Sansone,  Ber* 
sabea.  Auffallender  Weise  wurden  erst  1669  verboten:  Baccinata 
und  Dialogo  und  die  gleichfalls  schon  1642  erschienene  Bettorica 
delle  puttane.  —  Im  span.  Index  steht  nur  Divortio,  und  zwar  eine 
Ausgabe  Ingolstadt  (!)  1643 1). 


49.     Katholisehe  Theologeo. 

Um  nicht  die  Darstellung  der  grossen  Controversen,  welche 
im  17.  und  18.  Jahrhundert  die  Römischen  Censurbehörden  be- 
schäftigten, der  Jansenistischen,  gallicanischen  und  quietistischen, 
unterbrechen  zu  müssen,  schicke  ich  die  Besprechung  derjenigen 
in  dieser  Zeit  verbotenen  Schriften  von  katholischen  Theologen 
voraus,  welche  mit  jenen  Controversen  in  keinem  Zasammen- 
hange  stehen.  Unter  diesen  ist  zunächst  der  Engländer  Thomas 
White  zu  nennen,  neben  J.  B.  Poza  (§  50)  der  einzige  Schrift- 
steller dieser  Kategorie,  von  dem  (1661)  sämmtliche  Schriften 
verboten  wurden.  Ausser  ihm  kamen  nur  ganz  wenige  englische 
Schriftsteller  in  den  Index,  —  merkwtlrdiger  Weise  einige  eng- 
lische Gatechismen  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrhunderts,  — 
auch  nur  wenige  deutsche  Schriften,  im  17.  Jahrhundert  u.  a. 
zwei  von  dem  Abt  Hirnhaim,  ein  4  Seiten  füllender  Unions- 
Vorschlag  von  dem  Jesuiten  Job.  Dez  und  ein  irenisches  Buch 
des  (Konvertiten  M.  Praetorius,  1732  eine  der  derben  polemischen 
Schriften  von  Weislinger.  Neben  dieser  einen  dentsch  ge- 
schriebenen Schrift  findet  sich  auch  eine  ganz  unbedeutende 
holländische.  Spanien  und  Portugal  sind,  abgesehen  von  Poza, 
in  dieser  Kategorie  noch  schwächer  vertreten,  sehr  stark  aber 
Frankreich   und   Italien.     Neben   vielen   weniger  bedeutenden. 


1)  Poggiali,  Mem.  .  .  .  di  Piacenza  2.  170.  Marchand,  Dict.  8.  v. 
—  1663  erschien  eine  deutsche  üebersetzung  von  „Auserlesenen  Werken" 
Pallavicino^s:  die  himmlische  Ehescheidung,  der  gepliinderte  Postrenter 
u.  s.  w.  Ins  Französische  wurden  viele  derselben  übersetzt,  II  Divortio 
auch  ins  Englische. 


Th.  White.  411 

theilweise  ganz  unbedeutenden  Schriften  wurden  ans  Frankreich 
vor  dem  Erscheinen  des  Index  Alexanders  Vn.  Bttcher  von 
P.  Halloix  und  Fr.  Combefis  verboten,  später  viele  Schriften 
von  Richard  Simon,  einzelne  von  J.  B.  Thiers,  Jacques  Boileau 
u.  a.,  aus  Italien  einige  interessante  Schriften  von  Gapassi  und 
Serry  und  sehr  viele  unbedeutende.  —  Im  spanischen  Index 
stehen  Th.  White,  R  Simon  und  manche  andere  dieser  Schrift- 
steller nicht. 

1.  Thomas  White,  in  Douay  gebildet,  1617  zum  Priester  ge- 
weiht,  lebte  theils  in  England,  theils  im  Ausland  (zu  Paris,  Douay, 
Rom,  Lissabon)  und  starb  1676,  94  Jahre  alt.  Dodd  3,  285  ver- 
zeichnet 48  Schriften  von  ihm  (35  lateinische),  die  er  theils  unter 
seinem  richtigen  Namen  (Cartesius  nennt  ihn  Yitus),  theils  unter  den 
Namen  Thomas  Anglus  ex  Albiis  East-Saxonum,  William  Richworth, 
Blackloe  u*  a.  veröffentlichte^).  —  Alle  Schriften  von  ihm,  die  im 
Index  stehen,  wurden  von  der  Inquisition  verboten,  und  zwar  zum 
Theil  Fer.  V.,  zuerst:  Sonus  buccinae  sive  tres  tractatus  de  virtu- 
tibus  fidei  et  tbeologiae,  de  principiis  earundem  et  de  erroribus 
oppositis,  Authore  Thema  Anglo  ex  Albiis  East  Saxonnm,  Par.  1654, 
verb.  Fer.  IV.  12.  Mai  1655;  —  Tabulae  suffragiales  de  terminan- 
dis  fidei  litibus  ab  Ecclesia  cath.  fixae,  occasione  Tesserae  ipsvdwyi' 
fiüß^  Romanae  inscriptae  adv.  folium  unum  Soni  buccinae,  Anth. 
Thoma  Anglo  etc.,  Lond.  1655,  und  Tesserae  xfjBvivDvvfiwi;  Romanae 
evulgatio,  eodem  anthore  (ein  Anhang  zu  d^n  Tabulae),  verb.  Fer. 
V.  6.  Sept.  1657  (mit  Pascals  Briefen).  In  dem  Decrete  der  Index- 
Congr.  vom  10.  Juni  1658  werden  diese  beiden  Schriften  nochmals 
und  Thomae  Angli  .  .  .  Institutiones  peripateticae  ad  mentem  summi 
viri  clarissimique  philosophi  Eenelmi  Equitis  Digbei  und  ejusdem 
Appendix  theologica  de  origine  mundi,  London  1647,  verb.  Sir  Ee- 
nelm  Digby,  1603 — 65,  an  dessen  philosophische  Ansichten  sich 
White  anschloss  und  mit  dem  er  auch  sonst  befreundet  war  (S.  384), 
war  ein  Gegner  Descartes'  (seit  1631  Katholik;  Räss,  Convert. 
5,  445).  Sonus  buccinae  wurde  wahrscheinlich  wegen  der  Appendix 
verboten,  welche  gegen  die  Schrift  des  Franciscaners  Macedo :  Mens 
divinitus  inspirata  SS.  Papae  Innocentio  X.  super  quiuque  proposi- 
tionibus  Corn.  Jansenii,    London  1643,    gerichtet   ist.     Macedo   ant- 


1)  Vgl.  ausser  Dodd.  3,  286.  360,  Butler  2,  425,  Chalmers  s.  v. 
White,  Bayle  s.  v.  Anglus,  Clement  1,  348,  K.-L.  1,  883.  In  der  Schrift 
De  mundo  dialogi  tres,  Par.  1642,  446  8. 8.,  nennt  er  sich :  Thomas  Anfflus 
e  generosa  Albiorum  in  Oriente  Trinobantum  prosapia  oriundus.  Von 
seinen  englischen  Schriften  habe  ich  gesehen:  The  Dialogues  of  Wm. 
Richworth,  or  the  judgment  of  common  sense  in  the  joice  of  religion, 
Par.  1640,  12.  An  Apology  for  Rushworths  Dialogues,  wherein  the  excep- 
tions  of  the  Lords  Falkland  and  Digby  are  answered  and  the  arts  of 
their  commended  Daille  discovered.  By  Th.  White,  Gent.,   Par.  1654,  12« 


412  Katholische  Theologen. 

wertete  mit  Sonus  litai  adv.  sonum  buccinae,  1654,  und  gegen  diese 
Schrift  sind  White's  Tabulae  gerichtet.  In  einem  1660  an  die  nie- 
derländischen Bischöfe  geschriebenen  Briefe,  der  in  den  1660  er- 
schienenen Inst,  ethicae  abgedruckt  ist,  sagt  White:  das  habe  ihm 
die  Ungnade  der  Curie  zugezogen,  dass  er  den  Satz:  Summe  Pen- 
tifici  a  Christo  datum,  ut  propositiones  dubias  in  articules  fidei  trans- 
ferat  dono  quodam  prophetico  spiritus  sancti  in  mosaicis  pentificibus 
ab  evangelista  notato,  entschieden  bekämpft  habe  (haeresees  et  ar- 
chihaeresees  et  sceleratissimae  praxeos  ebelo  cenfixi). 

Auf  das  Zureden  seiner  Freunde  unterzeichnete  White  18.  Mai 
1 657  eine  Erklärung,  dass  er  alle  seine  theologischen  Schriften  dem 
Urtheile  der  Kirche  und  des  apostolischen  Stuhles  unterwerfe.  Der 
Präsident  des  englischen  Collegs  zu  Douay,  Dr.  Georg  Leybum, 
erklärte  aber  in  einem  Briefe  an  Holden,  diese  Erklärung  genüge 
nicht,  da  man  die  Ausdrücke  von  einer  Unterwerfhng  unter  den 
h.  Stuhl  in  Verbindung  mit  der  Kirche,  also  unter  ein  allgemeines 
Cencil  verstehen  könne.  Darauf  unterzeichnete  White  2.  Juli  eine 
zweite  Erklärung,  dass  er  alle  seine  theologischen  Schriften  dem 
Römischen  Stuhle,  dem  Nachfolger  des  h.  Petrus,  dem  Papst«,  auch 
ohne  ein  allgemeines  Concil  unterwerfe.  —  Auf  Betreiben  Leybums 
censurirte  im  J.  1660  die  theologische  Facultät  zu  Douay  22  Sätze 
aus  White's  Schriften.  Auch  einige  Erklärungen  von  englischen 
Geistlichen  erschienen  gegen  ihn,  unter  anderen  eine,  deren  Unter- 
zeichner ihren  herzlichen  Abscheu  über  die  von  White  1655  währeud 
Cromwells  Pretectorat  geschriebene  Schrift  The  greunds  ef  ebedience 
and  govemment  aussprechen. 

Im  J.  1661  Fer.  V.  17.  Nov.  erliess  dann  die  Inq.  ein  Ediot, 
welches  sich  nur  mit  White  beschäftigt:  Auf  Grund  der  vielfachen 
und  fortgesetzten  Klagen  über  die  Bücher  und  die  Lehre  des  Themas 
Albius  Blachous  [sie]  oder  Withus  Anglus,  die  von  verschiedenen 
Seiten  an  den  apostolischen  Stuhl  gelangt  sind,  hat  Alexander  YII. 
die  unten  verzeichneten  von  ihm  herausgegebenen  und  nach  Bern 
gesandten  Schriften  durch  die  Inq.  genau  prüfen  lassen.  Auf  Grund 
des  darüber  erstatteten  Berichtes,  dass  dieselben  mehrere  augen- 
scheinlich ketzerische  und  andere  resp.  dogmatisch  irrige,  temeräre, 
ärgemissgebende,  aufrührerische  und  falsche  Sätze  enthalten,  und 
ferner,  dass  aus  Anlass  dieser  Bücher  unter  sonst  rechtschaffenen 
und  katholischen  Männern  bedenkliche  Zwistigkeiten  und  Aergemisse 
entstanden  sind,  hat  Seine  Heiligkeit  nach  Anhörung  der  Vota  der 
Cardinäle  der  Inq.,  damit  nicht  dieses  Gift  weiter  um  sich  greife, 
diese  Bücher  und  alle  anderen  Werke  desselben  Verfassers,  gedruckte 
und  handschriftliche,  verdammt  und  verboten.  .  .  Der  Verfasser  möge 
wissen,  dass  er,  wenn  er  nicht  baldigst  sich  reinigt  (se  expurgaverit), 
den  Censuren  und  anderen  kirchlichen  Strafen  verfällt.  —  Die  in 
diesem  Edicte  speciell  verbotenen  Schriften  sind,  ausser  Sonus  buc- 
cinae  und  Tabulae:  Villicationis  suae  de  medie  animarum  statu  ratio 
episcopo  Chalcedonensi  reddita,  Par.  1653,  12.;  Menumetham  ex- 
cantatus  sive  animadversiones  in  libellum  famosum  inscriptnm  de 
Anglicani  Cleri  retinenda  in  Apost.     Sedem  observantia  (von  Robert 


Th.  White.  418 

Pngh),  ßothom.  1660;  Institationam  ethicamm  sive  staterae  momm 
apÜs  rationum  momentis  libratae  tomi  3,  Lond.  1660,  zus.  818  S.  12.; 
Statera  appensa  quoad  salatis  assequendae  facilitatem,  Lond.  1661 ; 
Muscarinm  ad  immissos  a  Dr.  Thamone  calnmniaram  crabrones  et 
sopbismatum  scarabaeos  censurae  Duacenae  vindices  abigendos,  Lond. 
1661 ;  Obedience  and  government,  Lond.  1655. 

Den  Ansichten,  die  White  über  den  Mittelzustand  (dasPurga- 
toriamj  vorgetragen,  wnrde  vorgeworfen,  das  G«bet  für  die  Ver- 
storbenen werde  dadurch  zu  einer  nichts  bedeutenden  Geremonie  ge- 
macht. £r  schrieb  zur  Vertheidigung  derselben  noch:  Exceptiones 
dnornm  theologorum  Paris,  adv.  doctrinam  Albianam  de  medio  ani- 
marum  statu  et  aliis  cum  Th.  Albii  responsis,  Lond.  1662^).  Die 
Institutiones  ethicae  gab  er  nochmals  heraus  unter  dem  Titel:  Dux 
vitae  .  .  .,  Eleutheropoli  1672.  Dagegen  schrieb  der  kath.  Erz- 
bischof von  Dublin,  Peter  Talbot;  De  efficaci  reniedio  contra  atheis- 
mum  et  haereses  et  speciatim  contra  gravem  errorem  Th.  Albi  seu 
Blacloi  in  libro  Statera  morum  damnato  a  S.  Inq.  Eom.  a.  1661, 
requirentis  plus  quam  moralem  evideutiam  ad  assensum  fidei  divinae 
ideoque  rejicientis  necessitatem  piae  affectionis  in  voluntate  ad  illum, 
Par.  1674. 

Als  White  das  Edict  der  Inquisition  erhalten,  schrieb  er  an 
den  Papst:  wenn  Seine  Heiligkeit  ohne  weitere  gesetzliche  Formen 
zur  Yerhängung  der  angedrohten  Strafen  schreiten  wolle,  wolle  er 
nicht  opponiren,  sondern  sich  demüthig  fügen.  Er  veröffentlichte 
aber  auch  Exetasis  scientiae  requisitae  in  theologo  ad  censuras  sen- 
tentiis  theologicis  inferendas,  oblata  Em.  et  Rev.  Dnis  S.  R.  E. 
Cardinalibus  Congr.  S.  Inq.  a  Thoma  Anglo,  1662,  von  der  Inq.  Fer. 
V.  31.  Mai  1663  verb.  —  Holden  veröffentlichte  1662  über  das  Deoret 
der  Inquisition  das  Schriftchen  A  check,  or  enquiry  into  the  late 
act  of  the  Roman  Inquisition,  busily  and  pressingly  dispersed  over 
all  England  by  the  Jesuits.  Er  sagt  darin,  einige  Schriften  seien 
gar  nicht  bedenklich;  das  Decret,  welches  voll  fehlerhafter  Angaben 
sei,  sei  vielleicht  unterschoben,  jedenfalls  keine  Sentenz  der  Kirche 
und  dgl.  Als  eine  fehlerhafte  Angabe  führt  er  speciell  an,  dass 
die  Statera  appensa  quoad  salutis  assequendae  facilitatem  verboten 
werde,  die  gar  nicht  von  White,  sondern  von  John  Sergeant  ver- 
fasst  (auf  dem  Titelblatte  steht:  Authore  J.  S.)  und  eine  Schrift  gegen 


1)  Zwei  Briefe  von  Henr.  Holden  über  die  22  in  Douay  verdammten 
Sätze  und  über  De  mcdio  animarum  statu  sind  abgedruckt  in  der  Pariser 
Ausgabe  seiner  Divinae  fidei  analysis  von  1737  p.  405—448.  Dieses  be- 
rühmte Werk  von  Holden  (zuerst  1652  erschienen)  wurde  auch  angegriffen. 
In  dem  Cursus  completus  theol.  von  Migne  6,  790  ist  das  l.  liuch  des- 
selben weggelassen  mit  der  Motivirung:  multis  propositionibus  nota  cen- 
floria  inusta  fuit  (nicht  in  Rom)  quasi  male  sonantibus  minusque  ortho- 
dox iae  germanis.  —  Chalmers  s.  v.  White  p.  424  berichtet,  das  Unterhaus 
habe  1666  die  Commission  against  atheism  and  profaneness  ermächtigt, 
eine  Untersuchung  über  atheistische  und  irreligiöse  Schriften  einzuleiten, 
namentlich  über  Hobbes'  Leviathan  und  das  Buch  eines  gewissen  White 
De  medio  animarum  statu! 


414  Katholische  Theologen. 

White's  Statera  morum  sei.  Wahrscheinlich  hat  man  die  Gegenschrift: 
Staterae  aeqailibrium  quoadsalutis  asseqaendae  facilitatem,  anth.  Th. 
Anglo,  verbieten  wollen.  Seit  Ben.  steht  das  Bnch  unter  Statera 
.  .  .  authore  J.  S.,  während  White's  Schriften  nicht  mehr  einzeln 
verzeichnet  werden. 

,yAuch  nach  dem  Tode  Blackloe's  (White's)  blieb  Blackloist 
ein  Parteiname.  Man  nannte  so  nur  zu  oft  jeden  Geistlichen ,  der 
sich  für  die  Anstellung  eines  Bischofs  aussprach,  an  die  Unfehlbar- 
keit des  Papstes  nicht  glaubte,  seine  Gewalt,  Fürsten  abzusetzen 
(deposing  power),  bestritt,  Loyalität  gegen  die  bestehende  Kegierung 
empfahl,  mit  Recht  oder  Unrecht  Ansprüchen  der  Ordensgeistlichen 
entgegen  trat  oder  gegen  irgendwelche  ultramontane  Extravaganzen 
protestirte.  Später  wurde  dafür  die  Bezeichnung  Jansenist  Mode*' 
(Butler  2,  432). 

Der  vorhin  erwähnte  John  Sergeant,  ein  Convertit  (nicht  bei 
Räss),  ein  geborener  Irländer,  der  aber,  nachdem  er  in  Lissabon  zum 
Priester  geweiht  worden,  40  Jahre  in  England  als  Missionar  wirkte, 
gest.  1707,  86  Jahre  alt,  hatte  erst  später  mit  den  Lidex*Behörden 
zu  thun.  Seine  Methodus  compendiosa,  qua  recte  investigatnr  et 
certo  invenitur  fides  christiana,  Paris  1674,  12.,  wurde  von  dem  er- 
wähnten Erzbischof  Talbot  in  dem  Buche  Blacloanae  haeresis  olim 
in  Pelagio  et  Manichaeo  damnatae,  nunc  denuo  renascenti»  historia 
et  confutatio.  Auetore  M.  Lomino  Theologo,  angegriffen.  Der  En* 
bischof  bewirkte  auch,  dass  die  Sätze  Sergeants  1675  von  der  Sor- 
bonne censurirt  wurden,  und  denuncirte  ihn  in  Rom.  Sergeant 
schrieb  darauf  Querimonia  Jo.  Sergeant  adv.  M.  Lominum  exhibita 
S.  Congregationi  Cardinalium.  Von  Rom  erhielt  er  eine  von  Fr. 
Laurea  de  Laurea  unterzeichnete,  vom  25.  Juli  1676  datirte  Monitio 
ad  Dom.  Sergeantium  dirigenda  pro  declaratione  suae  doctrinae  circa 
evidentiam  fidei  et  regulae  fidei,  worin  es  heisst:  in  der  Methodus 
und  in  anderen  Schriften  kämen  Sätze  vor,  die  beanstandet  worden 
seien;  er  solle  in  der  Schrift,  die  er  in  Aussicht  gestellt,  sich  über 
vier  Puncte,  die  in  seinen  bisherigen  Schriften  unklar  (obscure)  vor- 
getragen seien,  klar  und  deutlich  erklären  (es  bandelt  sich  dabei  um 
das  Verhältniss  von  Glauben  und  Wissen).  Sergeant  veröffentlichte 
nun  Clypeus  septemplex  sive  declaratio  Jo.  Sergeantii  circa  doctrinam 
in  libellis  suis  contentam,  exhibita  S.  Congregationi  Emin.  .  .  .  Car- 
dinalium, Douay  1677,  8.;  Vindiciae  J.  S.  tribunalibas  Romano  et 
Parisiensi,  ubi  ab  Hl.  Petro  Talbot  Archiep.  Dublin,  de  doctrina 
prava  accusatus  fuit,  in  librorum  suorum  defensionem  exhibitae. 
Yindiciae  alterae  s.  explicatio  complurium  propositionum  e  libris  J. 
S.  a  Rev.  P.  Talbot  .  .  .  excerptarum  et  Em.  Card.  Spada,  Nuncio 
tunc  temporis  apud  Christ.  Regem  Apostolico,  exhibitarum  1678, 8. 
(Dodd.  3, 472).  Damit  scheint  man  sich  in  Rom  zufrieden  gegeben 
zu  haben;  wenigstens  kam  von  Sergeants  Schriften  ausser  der  oben 
erwähnten  keine  in  den  Index  ^). 


1)  Bei  Bouillier,  Hist.  de  la  philos.  Cart^sienne  2,  495  wird  Sergeant 
als  Gegner  des  Cartesius  besprochen. 


Fr.  Porter.    Bon.  Baro.    Th.  Bonartes.  416 

1682  wurde  ein  in  Rom  mit  allen  erforderlicHen  Approbationen 
der  Druckerei  der  apoBtolischen  Kammer  gedrucktes  Buch  des  in 
Q  Kloster  Sant'  Isidoro  zu  Rom  lebenden  irischen  Franciscaners 
inciscusPorter,  gest.  1712,  — es  ist  nicht  zu  ersehen,  warum,  — 
b.:  Syntagma  variarum  Ecclesiae  definitionum  in  materia  fidei  et 
mm  a  saeculo  lY.  ad  praesens  usque  tempus  editarum,  1681*, 
l  S.  8^).  1690  verbot  die  Inquisition:  Opuscula  prosa  et  metro, 
omento  etiam  varia.  Author  Bonaventura  Baro  Hybernus  Clon- 
liensis,  Seraphici  Ordinis  Franciscani  Lector,  Trinitarii  Histori- 
,  Magni  Ducis  Theologus,  Joannis  Scoti  vindex  eto.  Auch  dieser 
,  Bon.  Baron,  ein  Neffe  Lucas  Waddings,  lebte  in  Sant'  Isidoro, 
696.  Einzelne  Schriften  von  ihm  waren  seit  1653  in  Rom,  Lyon, 
In  U.S.W,  gedruckt.  Die  Opuscula  sind  zu  Lyon  1669  (1671?) 
3  (5?)  Foliobänden  erschienen*).  Vielleicht  sind  sie  den  Domi- 
amem  in  der  Inquisition  zu  scotistisch  gewesen  (s.  u.).  —  Von 
Bm  dritten  irischen  Franciscaner,  Ant.  Bruodinus  wurde  1668 
zu  Prag  1664  gedrucktes  Buch  verb.  (Hurter  2,  29).  —  Con- 
dia  scientiae  cum  fide  e  difficillimis  philosophiae  et  theologiae 
olasticae  quaestionibus  concinnata,  libris  5  comprehensa.  Auth. 
>ma  Bonartes  Nordtano  Anglo.  Col.  1659,  verb.  1662.  Vinc. 
*on,  Libri  apol.  I,  405  spricht  ausführlich  über  das  Buch  und 
t,  der  Verfasser  trage  haereses  crassissimas  vor:  fidei  christ. 
steria  evertit  et  toUit,  praecipue  mysteria  inoarnationis  et  trans- 
stantiationis,  Christum  purum  hominem  facit,  negat  unionem  hypo- 
tioam,  negat  corpus  Christi,  quod  est  in  coelo,  esse  idem  in  altari 
Backer  hatte  in  der  1.  Aufl.  das  Buch  unter  Olivier  Boonaerts 
>nartius)  gesetzt,  hat  es  aber  in  der  2.  gestrichen.  —  1734  und 
verbot  dieinq. A  catechism  forthose  that  are  more  advanced 
years  and  knowledge,  1724;  Catechism  or  abridgment  of 
istian  doctrine,  1725;  Instructions  and  prayers  for  children, 
h  a  catechism  for  young  children,  1724;  und  1739:  The  Lives 
the  Saints,  1724,  4  vol. 


1)  Porter  gab  das  Buch  unter  einem  andern  Titel  erweitert  (und 
rigirt)  nochmals  heraus:  Systema  decretorum  dogmaticorum  ab  initio 
centis  ecclesiae  per  S.  Pontifices,  concilia  generalia  et  partioolaria  hu- 
ijue  editarum  juxta  17  saeculorum  ordinem  distributum  .  .  .,  Avignon 
3,*  Fol.  Bossuet  (Exposition,  1686,  Avert.  p.  26)  erwähnt  von  ihm,  er 
e  seine  Exposition  ins  Irische  übersetzt,  Rom  1675,  und  in  seine 
aris  evangelica  ad  radicem  haeresis  posita,  1674,  einen  grossen  Theil 
lelben  aufgenommen.  Später  trat  er  als  Gegner  Bossuets  auf:  er  schrieb 
en  den  Brief  der  französischen  Bischöfe  gegen  den  Card.  Sfondrato  und 
en  die  Declaration  von  drei  Bischöfen  (Bossuet  u.  a.)  gegen  Fen^lon. 
ztere  Schrift  wollten  einige  Examinatoren  nicht  annehmen;  der  Com- 
lar  der  Inquisition,  bei  dem  er  sich  beklagte,  versprach  ihm,  er  werde 
Schrift  den  Examinatoren  zuschicken  und  diese  verpflichten,  sie  zu 
n  (Corr.  de  F^n.  8,  882).  Auch  in  den  Jansenistischen  Händeln  spielte 
1682  in  Rom  eine  Rolle.  L    de  Meyer  1,  78.  Serry  p.  718. 

2)  Jo.  a  S.  Antonio,  Biblioth.  universa  Franciscana.  Madrid  1732, 
.  Bon.  Baronius.  Hurter  2,  29. 


416  Katholisohe  Theologen« 


2.  Von  dem  Prämonstratenser-Abt  Hieronymns  Hirnbaim  zn 
Prag,  t  1679,  wurden  1680  mit  d.  c.  verb. :  Meditationes  pro  sId- 
guli8  anni  diebus  ex  s.  scriptura  excerptae*,  qnibus  accesserant  ora- 
tiones  quaedam  selectae  ac  privilegiatae  cum  indalgentiarum  lacra- 
bilium  catalogo,  1682  unbedingt  seine  bekanntere  Sobrift  De  typbo 
generis  humani  sive  scientiarum  bumanarum  inani  ao  ventoso  tu- 
more,  difficultate,  labilitate,  falsitate,  jactantia,  praesumptione,  in* 
commodis  et  perioulis,  1676,  „die  Durcbfübrung  eines  ziemlich  tri- 
vialen SkepticismuB,  welcher  der  Eeibe  nach  alle  Wissenschaften, 
die  Theologie  nicht  ausgenommen,  als  unzuverlässig  aufzuzeigen  ver- 
sucht und  mit  cyniscbem  Wohlbehagen  die  Schattenseiten  der  ge- 
lehrten Stände  vorführt,  um  schliesslich  in  dem  bloss  unmittelbaren 
G-lauben  an  die  göttlicbe  Offenbarung  und  in  der  praktischen  Weis- 
heit eines  demüthigen  und  entsagenden  Lebens  die  letzte  Zuflucht 
zu  finden"  (A.  D.  B.  12,  467).  —  Durch  ein  besonderes  Decret  Fer.  V 
30.  April  1685  verdammte  die  Inquisition  quocunque  idiomate  aut 
versione  einen  libellulus  quatuor  paginarum:  Articuli  fidei  prae- 
cipui  ad  unionem  utriusque  ficclesiae,  Komano-catholicae  et  Luthe- 
ranae,  Argentorati  1685  (bei  dem  Drucker  des  Fürstbischofs  und 
des  Seminars  gedruckt).  Dieses  Unionsprogramm,  —  auch  deutsch 
erschienen:  „Die  fürnehmsten  Glaubens-Articul,  beede  Kirchen,  nem- 
lich  die  Eömisch-catholische  und  die  Lutherische  mit  einander  zu 
vereinigen,  Strassburg  1685",  abgedr.  ü.  N.  1718,  969, —  rührt  von 
dem  Jesuiten  Job.  Dez  (1643 — 1712)  her,  der  1687  die  grössere 
Schrift:  La  rduniou  des  protestants  de  Strasbourg  k  TFglise  romaine^ 
igalement  n^oessaire  pour  leur  salut  et  facile  selon  leurs  principes, 
herausgab,  welche  der  Convertit  Ulrich  Obrecht  ins  Deutsche  über- 
setzte. Es  rief  eine  Reihe  von  Gegenschriften  hervor  (Backer  1, 
262.  Salig  1,  829.  Hurter  2,  684).  Das  Inquisitionsdecret  (abgedr. 
U.  N.  1718,  952)  wurde  zu  Worms  und  Speyer  an  den  Eirchen- 
thüren  angeheftet.  —  1687  verdammte  die  Inq.  eine  zweite  irenische 
Schrift:  Tuba  pacis  ad  universas  dissidentes  in  Occidente  ecclesias, 
sive  discursus  theol.  de  unione  ecclesiarum  romanae  et  protestan- 
tium  necnon  amica  compositione  controversiarum  fidei  inter  hosce 
ooetus,  in  Dei  0.  M.  quam  maximam  gloriam,  universae  J.  C.  eccle- 
siae  bono  exhibitus  per  Matthaeum  Praetorium,  Memela-Pros- 
sum,  Col.  1685,  88  S.  4.  Praetorius  war  noch  Prediger  in  Nie- 
budzen  bei  Gumbinnen,  als  er  das  Manuscript  dieser  Sohrifk  der 
theologischen  Facultät  zu  Eönigberg  übersandte.  Erst  nach  zwei 
Jahren,  nachdem  er  Secretär  und  Historiograph  des  Königs  Johann  IIL 
von  Polen  geworden,  erhielt  er  es  mit  tadelnden  Bemerkungen  von 
Dr.  M.  Zeidler  zurück.  Er  wurde  1684  katholisch  und  liess  nun 
die  Schrift  zu  Amsterdam  drucken,  mit  einer  Widmung  an  Inno- 
cenz  XL,  Kaiser  Leopold  I.,  die  Könige  von  Frankreich,  Polen 
u.  s.  w.  Sie  ist  „wegen  einiger  unzulässiger  Zugeständnisse  in  den 
Römischen  Index  geratheu",  sagt  Häss,  Convert.  8,  345.  Auch  diese 
Schrift  rief  eine  Eeibe  von  Entgegnungen  hervor.   Sie  wurde»  nach- 


H.  Himhaim.  J.  Dez.  M.  Praetorius.  N.  Weislinger  u.  a.         417 

dem  Praetorius  als  kath.  Pfarrer  1707  gestorben  war,  nochmals  (ex- 
purgirt?)  zu  Köln  1711  gedruckt  i). 

Das  1732  verbotene  Buch  von  Job.  Nie.  Weislinger  ist: 
Hnttenus  delarvatus,  das  ist,  wahrhafte  Nachricht  von  dem  authore 
der  verschreyten  epistolarum  obscurorum  virorum  Ulrich  von  Hüt- 
ten ....  Constanz  und  Augsburg  1730,  520  S.  8  (in  den  älteren 
Indices  steht  der  ganze  Titel  in  lat.  Uebersetzung  unter  Huttenus). 
Weislinger  erwähnt  das  Verbot  in  seinen  späteren  Schriften  nicht 
(Schelh.  Erg.  1,  172),  ebenso  wenig  Alzog  in  seinem  Aufsatze  über 
W.  im  Freib.  Diöcesan  -  Archiv  I  (1865).  —  Unter  Benedict  XIV. 
1755  wurde  noch  verb.  Justificatio  parvuli  sine  martyrio  et  sacra- 
mento  baptismi  in  re  suscepto  decedentis  von  dem  baierischen  Fran- 
ciscaner  Venustianus  Hiebel. 

Die  1703  verbotene  holländische  Schrift  (erst  seit  Ben.  im 
Index)  ist  die  zu  Amsterdam  erschienene  Onderwys  voor  de  eerste 
h.  Communie,  dat  is  de  geestelycke  bruyloft  (Hochzeit)  van  de 
jonghe  kinderen,  gemaekt  door  eenen  Priester  der  Societeyt  Jesu. 
Sommervogel  verzeichnet  eine  1661  erschienene  4.  Ausgabe,  48  S. 
12.,  und  sagt,  das  Schriftchen  sei  oft  gedruckt.  —  Historiae  eccle- 
Biastioae  compendium  a  C.  n.  usque  ad  a.  1700,  Antw.  1736,  verb. 
1737,  kenne  ich  nicht. 

3.  In  dem  Buche  des  spanischen  Jesuiten  Alvarez  Cienfuegos 
(1657 — 1739),  Aenigma  theologicum  seu  potius  aenigmatum  et  ob- 
senrissimarum  quaestionum  compendium,  Wien  1717,  2  Fol.  (der 
vollständige  Titel  füllt  bei  Hurter  2,  947  eine  halbe  Seite),  sollen 
die  Bömischen  Theologen  einige  Speculationen  über  die  Trinität 
und  die  göttliche  Freiheit  beanstandet  haben.  Es  kam  aber  jeden- 
falls nicht  zu  einem  Verbote,  Cienfuegos  wurde  sogar  1720  auf  die 
Empfehlung  Carls  VI.  Cardinal.  Auch  die  in  seiner  Vita  abscon- 
dita  seu  speciebus  eucharisticis  velata  .  .  .  Kom  1728,  Fol.,  vorge- 
tragene Abendmahlslehre  wurde  angegriffen  (Hurter  1.  c.  K.-L.  1, 
625).  —  Von  dem  portugiesischen  Jesuiten  Stephan  Fagundez,  f  1645, 
wird  berichtet,  sein  Tractatus  in  5  Ecclesiae  praecepta,  Lugd.  1626, 
2  Fol.,  sei  von  der  Inquisition  von  Castilien  verb.,  aber  nach  dem 
Eracheinen  seiner  Vertheidigung,  Informatio  pro  opinione  esus  ovorum 
et  lacticiniorum  tempore  quadragesimae,  Lugd.  1630,  Fol.,  wieder 
freigegeben  worden  (Hurter  1,902.  Giannone,  Opp.  12,487).  — 
Der  berühmte  portugiesische  Jesuit  Antonio  Vieira  wurde  1667  von 
der  Inquisition  zu  Coimbra  processirt  und  zur  Abschwörung  de 
levi  und  zu  einjähriger  Internirung  in  dem  Noviziat  verurtheilt. 
Die  Anklagepunkte  waren  zum  Theil  aus  seinen  Predigten  entnom- 
men, hauptsächlich  aber  aus  einer  ungedruckten  Schrift:  Esperangas 


1)  Des  M.  Praetorius  .  .  .  Aufruf  zur  Vereinigung  an  alle  in  Glau- 
benssachen im  Occident  von  einander  abweichenden  Kirchen.  Aus  dem  Lat. 
übers,  [von  Pf.  Spenrath  in  XantenJ,  mit  einer  theologischen  Vorerinne- 
rong  und  mehreren  [berichtigenden]  Anmerkungen  vermehrt  durch  A.  .1. 
Binterim,  Aachen  1822;  2.  A.   1826. 

Beiuob,  Index  II.  27 


418  Katholische  Theologen. 

de  Portugal,  Quinto  Imperio  do  Mundo,  worin  die  Weissagungen  des 
Schusters  Gonsaliannes  Bandarra  commentirt  waren:  vor  dem  Ende 
der  Tage  werde  der  König  von  Portugal,  der  wiederauferstandene 
Sebastian,  als  Kaiser  an  die  Spitze  des  fünften  Weltreiches  treten. 
Auch  von  einem  lateinischen  Werke  von  Vieira,  Clavis  prophetAmm, 
—  es  sollte  eine  Anleitung  zur  Deutung  der  biblischen  Propheten 
in  4  Büchern  werden,  ist  aber  nicht  vollendet  und  nicht  gedruckt,  — 
ist  in  dem  Processe  die  Rede.  In  dem  Urtheil  wird  gesagt,  anoh 
die  Römische  Inquisition  habe  Sätze  von  Vieira  qualificiren  lassen. 
Darüber  ist  sonst  nichts  bekannt.  1669  reiste  er  nach  Rom  und 
überreichte  Clemens  X.  eine  Denkschrift  über  das  Verfahren  der 
portugiesischen  Inquisition^).  In  den  span.  Indices  von  1707,  1747 
und  1790  wird  die  Uebersetzung  von  Vieira's  Predigten  exporgirt 
(nur  einige  Ausdrücke  werden  gestrichen  oder  corrigirt).  Im  Rom. 
Index  steht  nur  Crisis  paradoxa  super  tractatu  insignis  P.  Antonü 
Vieyrae  Lusitani  S.  J.  de  regno  Christi  in  terris  consummato  vel 
de  opere  illo  magno  universalis  spei  scopo  Clavis  prophetamm  nnn- 
cupato,  cum  criticis  reflexionibus  atque  illustrationibus  super  omni* 
bus  et  singulis  ipsius  operis  ac  tractatus  materiis  et  assertionibns, 
verb.  1759,  nach  Machado  4,  168  s.  1.  (London)  1748,  4.,  von  dem 
Augustiner  Ignacio  de  S.  Teresa,  Erzbischof  von  Goa,  f  1751. 

4.    Ein  französischer  Jurist  Fran^ois  de  Monceaux  de  Fridevalle  ^^ 

zu  Arras,    der  seit  1587  einige  Schriften   über  das  Alte  Testament  ^it 

veröffentlicht  hatte,  kam  1609  in  den  Index    mit  dem  wunderlichen  Mm 

Buche:    Aaron    purgatus  s.  de  vitulo  aureo  libri  duo,    simnl  chera-  ^M' 

binorum  Mosis,  vitulorum  Jeroboam,  teraphorum  Michae  formam  et  .J-^t 

historiam  explicantes,    auth.    Franc.    Moncaeo  Fridevalliano    Atre- 
batio,  Atrebati  1606.     Er  meint,    Aaron  habe  nicht  in  götzendiene- 
rischer Absicht  das  goldene  Kalb  angefertigt,  es  sei  ein  geflügeltes 
Kalb  gewesen,  wie  deren  ja  auch  zwei  (die  Cherubim)  auf  der  Bundes- 
lade gewesen  u.  s.  w.,  und  er  hat  sein  Buch  Paul  V.  dedicirt,  der 
ja,    wie  er  meinte,    sich    für   seinen  Vorgänger    Aaron    interessiren 
müsse.     Das  Buch  ist  übrigens  im  7.  Bande  der  Critici  sacri  abge- 
druckt und  ein  Doctor  der  Sorbonne,    Robert   Visorius   hat  es,   ob- 
schon    es    von    zwei  Theologen  approbirt    war,    widerlegt:    Aaronifl 
purgati  8.  pscudocherubim   ex  aureo  vitulo  conflati  destructio,    Par. 
1609,  8.2).  —  Auch  P.  Fr.  Claudii  Rango  lii  Crespeiensis-Valesii,  Or 
dinis  Minimorum  S.  Fr.  de  Paula,  Commentariorum  in  libros 
Tomus  I.  Lut.  1621,*  Fol.,  noch  1621  verb.,  ist  Paul  V.  gewidmel 
in  der  Vorrede  sagt  der  Verfasser  (Cl.  Rangueil),  er  habe  auch  äA 


— «- 


>r 


1)  Das  ürtheil  der  Inquisition  vom  23.  Dec.  1667  bei  Seabrm»  % 
327—360;  vgl.  1, 153  (die  Verlesung  desselben  dauerte  2V4  Stunden).  Ä^>ie 
Denkschrift:  Noticias  reconditas  do  modo  de  proceder  k  inquisicion  ^e 
Portugal  com  os  seus  pregos:  informacao  que  ao  P.  demente  X.  de^c:^^  0 
P.  A.  Vieyra,  ist  Liss.  1821  gedruckt.  Vgl.  A.  du  Boys,  Documenta  nc^"*^^» 
et  inedits  sur  Tlnq.  Port,  im  Corresp.  1859,  47,  483.  Eine  Stelle  ^ 
Vieira's  Clavis  wird  iu  Agiers  Buch  über  Lacunza  p.  119  mitgetheilt 

2)  Hurter  1,  356.  Gibbings,  Au  exact  repriut  p.  41. 


«u 


A.  Vieira.  P.  Picherellus.  F.  Halloix.  Fr.  Coinbefis  u.  a.  419 

^ermilias  damnatae  memoriae  benutzt,  weil  er  das  meiste  vor  seinem 
Lbfall  geschrieben;  de  potestate  et  jurisdictione  ecclesiastica,  de 
ure  regis  et  fisci,  de  gratia  efficaci  u.  s.  w.  habe  er  [in  den  vielen 
nd  langen  Digressionen  seines  Commentars]  das  vorgetragen,  quae 
•robabiliora  visa  sunt,  ut  si  quis  melius  sentiret,  liceret  a  me  dis- 
entire.  Dabei  wird  er  manches  vorgetragen  haben,  was  ausser  der 
ienntzung  Vermigli's  der  Index-Congr.  nicht  gefiel.  Den  2.  Band, 
er  1624  erschienen  ist,  scheint  man  in  Rom  übersehen  oder,  da  in 
em  Decrete  von  1621  nicht  ausdrücklich  der  I.  Band  genannt  ist, 
Is  in  voraus  mit  verboten  angesehen  zu  haben.  —  Von  Pierre 
*icherel,  der  von  de  Thou  und  Casaubonus  als  gelehrter  Mann  ge- 
ahmt wird,  1561  an  dem  Religionsgespräche  zu  Poissy  theil- 
lahm  und  1590  als  Katholik  starb,  war  In  Cosmopoeiam  ex  Gen. 
ap.  1 — 5  paraphrasis  cum  annotationibus,  Par.  1579,  4.,  und  nach 
einem  Tode :  P.  Picherellus  in  Matth.  cap.  26,  Coenantibus  etc., 
•ar.,  1596,  8.  gedruckt.  1629  erschienen  zu  Leyden,  von  Andr. 
livet  herausgegeben,  Petri  Picherelli  Opuscula  theol.  quae  repe- 
iri  potuerunt,  partim  antea,  partim  nunc  primum  edita.  Die  Sor- 
onne  verdammte  das  Buch  1.  Sept.  1629  in  den  schärfsten  Aus- 
rücken: sie  bezeichnet  den  Autor  als  perduellis  und  Ecclesiae 
atholicae  deletor  und  sagt,  die  von  nescio  qui  besorgte  Ausgabe 
einer  opuscula  contra  missae  sacrificium  et  cultum  imaginum,  a 
inltis  annis  consarcinata,  carie  obsita  et  exesa,  sei  ein  libellus 
efarius,  putente  haereseos  Calvin,  lepra  ubique  interpunctus  et 
lens  ut  antrum  tartari  (Arg.  II  b  286).  In  Rom  wurde  das  Buch 
rst  1658  verb.  In  dem  Decrete  (Alex.  No.  67)  werden  die  Opus- 
ula  verzeichnet:  Expositio  verborum  institutionis  Coenae  Domini  ex 
ap.  26.  Matth.;  Diss.  de  missa  et  annexis;  Diss.  de  imaginibus 
abita  ad  Fanum  Germani  coram  Regina  Matre  1562;  Appendix 
d  diss.  de  missa  et  Maldonati  duobus  praelectionibus  in  Ps.  110. 
rh.  Pope  Blount,  Censura  p.  725). 

Das  Buch  des  belgischen  Jesuiten  Petrus  Halloix,  f  1656, 
^rigenes  defensus  s.  Origenis  .  .  .  amatoris  Jesu  vita,  virtutes,  do- 
amenta,  item  veritatis  super  ejus  vita,  doctrina,  statu  exacta  dis- 
nisitio,  Leodii  1648,  Fol.,  wurde  1655  mit  d.  c.  verb.  Albit.  p.  9 
Igt,  das  Buch  sei  zu  der  Zeit,  als  er  Assessor  S.  Off.  gewesen, 
erboten  worden,  weil  darin  parum  modeste  von  der  5.  Synode  ge- 
)rochen  werde,  die  Origenes  verdammte:  Halloix  bezeichnet  sie 
8  Justiniani  conciliabulum  iustigante  diabolo  concitatum,  behauptet 
)er,  sie  habe  den  Origenes  nicht  verdammt.  Card.  Noris  polemi- 
rt  gegen  ihn  in  der  Diss.  de  5.  synodo  (1673^).  —  Ein  gleich- 
iitig  mit  dem  Buche  von  Halloix  erschienenes  Werk  des  franzö- 
Bchen  Dominicaners   Franc.    Combefis,   Historia   haeresis    Mono- 


1)  Die  Sorbonne  verweigerte  1526  die  Approbation  für  eine  Apologie 
»s  Origenes  von  Jac.  Merlin.  Arg.  II  a  X.  —  Ueber  die  1864  in  Rom 
•scbiencne  Vertbeidigung  des  Origenes  von  A.  Vincenzi  s.  Th  Lit.-Bl.  186C, 
16. 


420  Katholische  Theologen. 

thelitarum  sanctaeque  in  eam  6.  Synodi  actorum  viodiciae,  Par. 
1648,  wurde  erst  1662,  aber  unbedingt  verboten.  Quetif,  der  2, 
678  ausführlich  über  Combefis  handelt,  sagt  nichts  über  den  Grund 
des  Verbotes;  ohne  Zweifel  ist  es  hauptsächlich  seine  Darstellung 
der  Verdammung  des  V.  Honorius  (Arnauld  9,  302);  Raynaud  stellt 
ausserdem  (Apop.  p.  302)  eine  Reihe  von  unehrerbietigen  pole- 
mischen AeuRserungen  gegen  Baronius  zusammen  und  macht  ihm 
auch  (p.  272)  zum  Vorwurf,  dass  er  p.  244  die  Ansicht  des  Bar- 
cos  über  Petrus  und  Paulus  (s.  n.)  vortrage  und  am  Ende  seines 
Buches  nur  halb  berichtige. 

Vera  idea  theologiae  cum  historia  ecclesiastica  sociatae 
s.  quaestioues  juris  et  facti  theologicae  steht  im  Index  ohne  Angabe 
des  Datums  des  Verbotes  (Ben.  citirt:  App.  Ind.  Clem.  XL;  es  steht 
zuerst  in  der  App.  von  1704).  Der  Verfasser  ist  der  Jesuit  Jo. 
Gisbert,  der  in  Tours  und  Toulouse  docirte,  1 1710.  Das  Buch  ist 
zuerst  Toulouse  1676,  dann  Paris  1689  und  noch  wiederholt  im 
18.  .Jahrb.  in  Deutschland  (Wien  1750)  gedruckt.  Wenigstens  die 
Ausgabe  Paris  1689*  hat  den  vollständigen  Titel:  Vera  .  .  .  theo- 
logicae, olim  ad  disputandum  propositae  et  propugnatae  a  R.  P.  Jo. 
Gisbert,  S.  J.  Sac.  et  Regio  Theol.  Prof.  in  Academia  Tolos.  (c.  400  S. 
8.).  Das  Buch  enthält  eine  Rt^ihe  von  ganz  kurzen  Abhandlungen 
über  allerlei  Themata,  viele  über  die  Gnadenlehre,  und  in  diesen 
mag  die  Index-Congr.  Anstössiges  gefunden  haben.  Dass  es  ohne  den 
Namen  des  Verfassers  im  Index  steht,  mag  Anlass  dazu  gegeben 
haben,  dass  man  das  Verbot  übersehen  (auch  Backer,  Ed.  2.,  I, 
2145  erwähnt  dieses  nicht)  und  das  Buch  wiederholt  neu  gedruckt 
hat.  Gisbert  hat  übrigens  noch  ein  anderes  ähnliches  Bach  ge- 
schrieben: Scientia  religionis  aniversa  s.  christiana  theologia  histo- 
riae  eccl.  nova  methodo  sociata,  Par.  1689,  2  vol.  8.  —  Metho- 
dicus  ad  positivam  theologiam  apparatus,  auth.  Petro  Annato, 
Congregationis  doctrinae  christianae  P.  Generali,  Ed.  2.,  Paris  1705, 
2  vol.,  von  der  Inq.  verb.  1714.  Der  Verfasser  war  ein  Neffe  des 
Jesuiten  Franz  Annat,  f  1715.  Das  Buch  ist  zuerst  1700  erschienen 
und  die  2.  Auflage  wurde  in  den  Mem.  de  Trevoux  1706,  art.  50 
unbedingt  gelobt.  In  der  zu  Würzburg  1726  gedruckten  Editio 
prima  in  Germania  correctior  et  auctior  steht  in  der  Vorrede:  Tu- 
tiorem  Apparatum  invenies  in  hac  4.  editione  (die  3.  war  zu  Ven. 
1725  erschienen),  quippe  qui  sub  S.  Pontificis  auspiciis  benevola 
manu  recusus  (Magna  Bibl.  eccl.  s.  v.  Annatus).  Wenn  also,  wie 
es  scheint,  trotz  des  unbedingten  Verbotes  von  1714  eine  Expur- 
gation  in  Rom  genehmigt  worden  ist,  hätte  Ben.  nicht  d.  c.  bei- 
fügen, sondern  die  corrigirte  Ausgabe  freigeben  sollen.  Im  span. 
Index  wird  die  Ausgabe  Ven.   1725  freigegeben. 

Jean  Baptiste  Thiers,  Baccalaureus  der  Theologie,  war  einige 
Jahre  Regens  des  College  Du  Plessis,  dann  Pfarrer,  zuletzt  zu  Vi- 
bray,  f  1703,  60  Jahre  alt.  »^ein  Buch  De  festorum  dierum  immi- 
nutione,  1668,  welches  er  herausgegeben,  nachdem  die  französischen 
Bischöfe  auf  den  Wunsch  des  Königs  einige  Feste  aufgehoben,  wurde 
1672  mit  d.  c.  verb.     Thiers  schrieb,    als   ihm  das  Verbot  bekannt 


J.  Gisbert.  P.  Aunatus.  J.  B.  Thiers.  421 

wurde,  an  den  Card.  Bona  und  bat  ihn  um  Mittheilang  dessen,  was 
die  Index-Congr.  beanstande,    damit    er  dieses  als  gehorsamer  Sohn 
der  Römischen  Kirche    in    der    2.  Auflage    verbessere    und    in  dem 
grösBem  Werke,    an    dem  er  arbeite,    De  festorum    dierum    institu- 
tione,    incremento    et   imminutione    (es    ist   nicht    erschienen)    nicht 
wieder  Fehlgriffe  mache.     Bona  antwortete  14.  Juni  1696:    die  In- 
dex-Congr.  verlange,    dass   alle  Stellen  geändert  würden,    in    denen 
den  Bischöfen  das  Recht  zugesprochen  werde,  Feiertage  aufzuheben ; 
sie  habe  auch  daran  Anstoss  genommen,  dass  er  in  der  Vorrede  Ca- 
ramuel  einen  theologus  perversae  doctrinae  und  im  40.  Cap.  dessen 
Ansichten    pestilentiores    nenne,     was    doch    einem     noch    lebenden 
Bischof  gegenüber  zu  bitter  sei;  er  persönlich  rathe  ihm  noch,    auf 
dem  Titel    pro    defensione   wegzulassen,    das,    was  er  von  der  Ein- 
führung von  Festen    durch  Fürsten  sage,    besser  zu    explicireu  und 
noch    einiges    andere    zu    ändern,     namentlich     auch    den    £rasmus 
(nosti,  quis  ille  fuerit)  nicht  so  hoch   zu  stellen.    Thiers  antwortete, 
er  werde  die    von    der   Index-Congr.    verlangten    und,    wenn    Bona 
darauf    bestehe,    auch    die    von    ihm    vorgeschlagenen   Aenderungen 
(über  die  er  Bemerkungen  macht)  vornehmen ;  dass  Caramuel  Bischof 
sei  und  noch  lebe,  habe  er  nicht  gewusst;  was  den  Hauptpunkt  be- 
treffe, so  müsse  er  doch  bemerken,  dass  früher  thatsächlich  Bischöfe 
Feste  aufgehoben  hätten.    Auf  letzteres  antwortete  Bona,  in  Fragen 
der  Disciplin  dürfe  man  nicht  omissa  quaestione  juris  veterum  facta 
geltend   machen.     Später    schickte    Thiers    Bona    seinen    Traitc    de 
Texposition  du  s.   sacrement    de  Tautel,   1672    (^egen    die  häufigen 
Expositionen).       Das    Buch    wurde    von    Bona    gelobt    und     nicht 
verb.  ^).      Die  einzige   andere    seiner    zahlreichen  Schriften,    welche 
im  Index  steht,  ist  Traite  des  superstitions  qui  regardent  les  sacre- 
mentSy  selon  TEcriture  sainte,  les  Decrets  des  Conciles  et  les  Senti- 
ments  des  S.  Peres  et  des  Th^ologiens,  Paris  1679,  2  vol.  12.,  verb. 
1703.     Nach  Thiers'  Tode  erschienen  1704    noch    2    Bändchen  und 
mehrere  Auflagen  (4.  Ed.  revüe,  corr.  et  augm.    Avignon  [?]  1777,* 
4  vol.   12.);  alle  4  Bändchen  wurden   1757  verb.    Das  Werk  ist  mit 
grosser  Belesenheit,    ernst  und  in  kirchlichem  Geiste    und  massvoll 
geschrieben,    enthält    sehr   viel    schätzbares  Material,    aber    freilich 
manche  Bemerkungen,  die  man  in  Rom  übelnehmen  musste,    so  na- 
mentlich im  4.  Bande  über  Ablässe,  privilegirte  Altäre,  Portiuncula, 
Bulla  sabbatina,  im  2.  Bande  über  fabuloae  Reliquien,    die    Bemer- 
kung, es  sei  nicht  in  der  Ordnung,  einem  Kinde  viele  Vornamen  zu 
geben,  obschon  Alexander  VII.  einem  Neffen,  den  er  taufte,   13  ge- 
geben; der  h.  Birgitta  sei  geoffenbart  worden,  Maria  sei  unbefleckt 
empfangen,  der  h.  Catharina  von  Siena    das   (xegentheil,    Card.    Ca- 
jetan    gebe  der  letzern  den  Vorzug,    weil  sie    regelrecht    canonisirt 


1)  Epistolae  sei.  Jo.  Bona  ed.  Sala,  No.  205.  209.  265.  2r>9.  821. 
Hurter  2,  848.  Von  dem  Traite  de  l'exposition  erschien  die  4.  Ausgabe 
A-vignon  1777,*  2  vol.  üeber  die  Dissert.  sur  la  sainte  lärme  de  Vandome, 
Par.  1699,  s.  Sainjore  3,  337. 


422  Katholische  Theologen. 

worden  sei,  Birgitta  aber  von  Bonifaz  IX.   während   des   Schisma^s, 
als  kein  unzweifelhafter  Papst  da  war  (2,  277). 

Jacques  ßoileau,  geb.  1635,  Dr.  thcol.  1662,  20  Jahre  General- 
vicar  von  Sens,  seit  1694  Canonicus  in  Paris,  f  1716,  steht  nicht 
mit  seinem  Namen  im  Index,  aber  mit  einer  Pseudonymen  Schrift 
und  mit  zwei  anonymen.  Er  wird  von  Sainte-Beuve  5,  516  als 
Docteur  de  plus  d'humeur  que  de  goüt  bezeichnet,  und  sein  eigener 
Bruder,  der  Dichter,  soll  von  ihm  gesagt  haben:  S'il  n'avait  M 
Docteur  en  Sorbonne,  il  se  serait  fait  Docteur  de  la  comWie  ita- 
lienne^).  Sainte-Beuve's  Charakteristik  passt  besonders  auf  seine 
Historia  flagellantium,  de  recto  et  perverso  flagrorum  usu  apud 
christianos,  ex  antiquis  Scripturae,  Patrum,  Pontificum,  Conciliorum 
et  scriptorum  profanorum  monumentis  .  .  expressa,  Par.  1700,*  12., 
verb.  1709.  In  dem  Index-Decrete  steht  unmittelbar  dahinter:  Liber 
apologeticus  J.  B.  Thiers,  in  quo  exacte  omnia  argumenta  convellit. 
Das  kann  nur  Thiers'  Critique  de  Thist.  des  flagellants  et  justifi- 
cation  de  l'usage  des  disciplines  volontaires,  Par.  1703,  12.,  sein. 
Wörtlich  so  wie  im  Decrete  stand  auch  in  den  Indices  bis  auf 
Ben.,  der  das  Buch  gestrichen  hat.  Es  gab  Anlass  zu  einer  Sa- 
tire, Lob  der  h.  Disciplin,  die  in  den  Ordres  monastiques  4,  262 
(Pragm.  Gesch.  3,  163;  s.  o.  S.  278)  abgedruckt  ist.  —  Andere 
Schriften  von  Boileau  sind  anderswo  erwähnt,  eine  schon  I  S,  16. 
Im  span.  Index  stehen  unter  Boileau  eine  französische  Uebersetzung 
der  Hist.  flag.,  Amst.  1723,  und  Hist.  confessionis  auricalaris 
(gegen  Dallaeus),  1683,  dagegen  nicht  die  beiden  anderen  Schriften. 

Richard  Simon,  geb.  1638  zu  Dieppe,  1662 — 78  Oratorianer, 
1 1712,  wurde  am  schärfsten  in  seinem  eigenen  Vaterlande  ange- 
griffen, namentlich  von  Bossuet  und  Arnauld,  die,  so  grosse  Theo- 
logen sie  auch  waren,  für  die  historisch-kritische  Behandlung  der 
Bibel,  für  welche  Simon  bahnbrechend  wurde,  gar  kein  Verständ- 
niss  hatten^).  Die  Histoire  critique  du  Vieux  Testament  wurde, 
nachdem  sich  S.  die  Druckerlaubniss  verschafft,  1678  zu  Paris  ge- 
druckt. Arnauld  schickte  Bossuet  die  Vorrede  und  das  Inhaltsver- 
zeichniss ;  dieser  glaubte  daraus  zu  ersehen,  dass  das  Buch  un.  amas 


1)  (Irailh),  QucrelleB  litt,  l,  297.  Nie.  12,  128.  Ucber  Boileau 'b  Hist. 
disquisitio  de  re  vestiaria  hominis  sacri,  1704,  h.  Sainjorc  S,  322.  Er  ist 
auch  der  Verfasser  des  Schriftchens;  Joxtf.taartjg  s.  de  librorum  circa  res 
theol.  approbatione  disquisitio  hist.,  Antw.  1708,*  16.  —  Seinen  Bruder, 
den  Dichter,  reizte  Boileau,  auf  eine  ungünstige  Kritik  seiner  Satiren  von 
dem  Jesuiten  Buffier  in  den  Mem.  de  Trevoux  von  1703,  welche  auch  die 
Hist.  flagcllantium  verhöhnt  hatten  (turlupine),  zu  antworten  (Boileau  aux 
prises  avec  les  jesuites,  1706).  Er  wollte  eine  Satire  De  l'equivoque  gegen 
die  Jesuiten  von  Trevoux  in  die  Ausgaben  der  Satiren  von  1710  und  1718 
aufnehmen;  die  Jesuiten  erwirkten  aber  ein  Verbot  des  Königs.  S.-Beuve 
5,  616. 

2)  A.  Bernus,  Kichard  Simon,  1869.  A.  M.  P.  Ingold,  Essai  de  Biblio- 
graphie Oratorienne,  1880—82,  p.  121.  K.-L.  10,  157.  Bossuet,  Oeuvres 
88,  302.  Sainjore  4.  1.  9:  La  suppression  de  l'Hist.  .  .  en  1678. 


J.  Boileau.  R.  Simon.  Th.  Smith.  423 

d'impiet^B  et  an  rempart  de  libertinage  sei,  nnd  erwirkte  durch  den 
Kanzler  Le  Tellier  ein  Arr^t  des  Staatsrathes  vom  19.  Juni  1678, 
das  Buch  zu  conßsciren.  Die  ganze  Auflage  von  1300  Exemplaren 
wurde  bis  auf  6  oder  7  verbrannt.  S.  wurde  aus  der  Congregation 
des  Oratoriums  ausgeschlossen  und  eine  G-eneral Versammlung  der 
Congregation  im  J.  1681  beauftragte  den  F.  Thomassin,  dem  Card. 
Casanate  zu  schreiben,  sie  desavouire  das  Buch  und  den  Verfasser. 
1683  wurde  das  Buch  von  der  Index- Congr.  verboten,  mit  dem  Zu- 
sätze cujuscunque  impressionis  (es  war  in  Amsterdam  1680  ein 
Nachdruck  erschienen,  von  dem  ein  Theil  der  Exemplare,  um  die 
Einführung  in  Frankreich  zu  erleichtem,  den  Titel  Hist.  de  la  reli- 
gion  des  juifs  etc.  hat).  Im  J.  1685  erschien  eine  neue  Auflage 
zu  Roterdam,  augeblich  von  einem  Frotestanten,  in  Wirklichkeit 
von  S.  selbst  besorgt.  Gleichzeitig  erschienen  von  ihm  zwei  Yer- 
theidigungen :  Hieronymi  Le  Camus  Theologi  Faris.  Judicium  de  nu- 
pera  Isaaci  Vossii  ad  iteratas  F.  Simonii  objectiones  responsione, 
Edinburgi  (Roterdam)  1685,  64  S.  8.,  und  R.  Simonis  Gallicanae 
Ecclesiae  Theologi  Opuscula  critica  adv.  Isaacum  Yossium  Angli- 
canae  Eccl.  Canonicum.  Defenditur  sacer  codex  ebraicus  et  B.  Hie- 
ronymi tralatio,  ib.  86  S.  8.,  und  im  folgenden  Jahre:  R6ponse  au 
livre  intitul6  Sentiments  de  quelques  th^ologiens  de  Hollande  sur 
l'Hist.  crit.  du  V.  T.  [von  Jo.  Clerious,  1685]  par  le  Frieur  de 
Bolleville,  Roterdam  1686,  256  S.  4.  Diese  drei  Schriften  wurden 
1687  verb.;  es  sind  die  einzigen  von  den  zahlreichen  auf  die  Hist. 
crit.  du  y.  T.  bezüglichen  Streitschriften,  die  im  Index  'stehen;  auch 
die  Schrift  De  Tinspiration  des  livres  sacr^s  .  .  .  par  le  Frieur  de 
Bolleville,  1687  (gegen  Dupin),  wurde  nicht  verb. 

Schon  1686  wurde  verb.  das  ganz  harmlose  anonyme  Schrift- 
chen No verum  Bibliorum  polyglottorum  Synopsis,  Ultrajecti  1684, 
31   S.  8.,  worin  S.  in  Form  eines  Briefes  von  Origenes   Adamantius 
an  Anibrosius,  datirt  Fatmos  20.  Aug.  1684,  den  schon  in  der  Hist. 
crit.  angedeuteten  Flau  einer  neuen  Folyglottenbibel  entwickelt.  Die 
Fortsetzung,    welche   unter  dem  Titel  Ambrosii    ad   Origenem    Epi- 
stola  de  novis  bibliis  polyglottis,    ib.   1685,    14  S.  8.,    erschien,  ist 
nicht  verb.  —  Gleichzeitig  wurde  aber  ein  Buch  von  S.  über  einen 
andern  Gegenstand  verb.:    Histoire    critique    de    la   creance    et    des 
coutnmes  des  nations  du  Levant,  publice  par  le  Sr.  de  Moni,  Francf. 
(Roterdam?)  1684,  230  S.  12.  (später  nochmals   herausgegeben  als 
Hist.  crit  des  dogmes,  des  controverses,  des  coutumes  et  des  oM- 
monies    des  chretiens  orientaux,    par  R.  Simon,   ci-devant  Fretre  de 
rOratoire,  Trevoux   1711;    Dupin  19,  75;    U.  N.    1709,    258).     In 
den  beiden  ersten  Capiteln  polemisirt  S.  gegen  De  graecae  Ecclesiae 
Iiodiemo  statu  epistola,    auth.    Thoma  Smith,    Oxf.  1676;    Ed.  2. 
«t  emendatior,    Lond.  1678.    Smith    (Frof.  in  Oxford)  antwortet«  in 
Ifiscellanea,  in  quibus   continentur:    Fraemonitio  ad  lectorem  de  in- 
fantium  communione    apud  Graecos.  Defensio   libri  de  graecae  Eccl. 
statu  contra  objectiones  authoris  Historiae  crit.  super  fide  et  ritibus 
Orientalium.    Brevis  et  succincta  narratio  de  vita,  studiis,   gestis  et 
martyrio  D.  Cyrilli  Lucarii  Fatriarchae  Ctp.  Commentatio   de  hym- 


424  Katholische  Theologen. 

nie  matntino  et  vespertino  graeconim.  Exercitatio  theol.  de  causis 
remediisque  diBsidiorum,  qnae  orbem  cbristianum  hodie  affligunt, 
Lond.  1686,  198  S.  8.  Dieses  Buch  von  Smith  wurde  1690  verb., 
die  (2.  Ausg.  der)  Epistola  erst  1718!  —  S.  schrieb  noch  La  cre- 
ance de  VEgl.  Orientale  sur  la  transsubstantiation  aveo  une  r^ponse 
aux  nouvelles  objections  de  M.  Smith,  oü  Ton  fait  voir  que  Cyrille 
Lucare  .  .  .  qu'il  honore  du  titre  de  saint  martyr,  a  6te  un  impo* 
steur,  Par.  1687,  303  S.  12.,  und  Smith  antwortete  in  einem  2. 
Bande  Miscellanea,  1690.  Aber  diese  und  andere  Streitschriften 
kamen  nicht  in  den  Index  (von  Smith  nur  noch  Vitae  quorundam 
eruditissimorum  et  illustrium  virorum,  1707,  verb.  1709).  —  Die 
Schrift  über  die  orientalische  Kirche  verwickelte  S.  auch  in  einen 
Federkrieg  mit  Amauld  und  seinen  Freunden  (Ingold  p.  147).  Im 
J.  1692  schreibt  Amauld  (3,  527)  wiederholt  sehr  bitter  über  ihn 
an  du  Yaucel  nach  Bom:  er  sei  un  tres-m^chant  homme  nnd  ein 
Socinianer,  und  seine  Bücher  müssten  verb.  werden,  schon  wegen 
dessen,  was  er  über  die  Inspiration  und  über  den  Muhammedanis- 
mus  sage  (S.  sagt  in  seiner  Vertheidigung,  Lettres  3,  243,  Amauld 
finde  es  anstössig,  dass  er  eine  ganz  objective  Darstellung  der  mn- 
hammedanischen  Theologie  ohne  Polemik  gegeben,  und  meine  auch, 
er  beurtheile  den  Islam  zu  milde),  namentlich  aber,  weil  er  die 
Beweise  für  den  Glauben  der  griechischen  Kirche  bezüglich  der 
Eucharistie  abschwäche  (S.  antwortet,  Sainjore  1,  302:  er  habe  nur 
gesagt,  durch  Arnauld  sei  die  Frage,  ob  die  Griechen  an  die  Trans- 
substantiation glaubten,  nicht  erledigt),  und  weil  er  sage,  die  Kirche 
der  drei  ersten  Jahrhunderte  habe  Aenderungen  des  Textes  der 
biblischen  Bücher  geduldet. 

Dieser  letzte  Vorwurf  bezieht    sich    auf    die    mittlerweile   er- 
schienenen Bücher:    Histoire   oritique    du  texte  du  Nouveau  Testa- 
ment,   Roterdam  1689,    und    Hist.  crit.  des  versions  du  N.  T.,    ib. 
1690,  denen  1693  die  Hist.   crit.  des   principaux  commentateurs   du 
N.  T.  folgte.     Auch  Bossuet    urtheilte    über    diese    Bücher    ebenso 
hart  (und  ungerecht)  wie  Arnauld :  On  apprend  dans  cet  ouvrage  k 
estimer  Grotius  et  les  ünitaires  plus  que  les  p^res,  et  il  n^a  eher- 
ch6    dans    ceux-ci   que  des   fautes  et    des    ignorances  .  .  .    C'est  la 
plus  mince  th^ologie  qui  soit  au  monde  .  .  .  II  ne  fait   que  donner 
des  vues  pour  trouver  qu'il  n'y  a  rien  de  certain  .  .  .    L'erudition 
y  est  m^diocre  et  la  malignite  dans  le  supreme  d^gr^  (Oeuvres  37, 
485).     Besondern  Anstoss    nahm    Bossuet   wie    Arnauld  an  den  Be- 
merkungen (namentlich  im  3.  Theile)    über  die  Gnadenlehre  des  h. 
Augustinus.     Er  schrieb  gegen  ihn   eine  Defense  de   la  tradition  et 
des  saints  peres  (erst  1763  gedruckt;    Oeuvres  4,  440;  5,   1).     Im 
Febr.  1694  schreibt  Amauld  (3,  737)  ganz  unwillig  an  du  Yaucel: 
wamm  denn  der  letzte  Band  über  das    N.  T.    noch    nicht  verboten 
sei,    was  er  doch  schon  wegen    der  Aeusserungen  über  Augnstinus 
verdiene.     Aber  dieser  3.  Theil  wurde  überhaupt  nicht  verb.,    iind 
die  beiden  ersten  erst  1700,   dagegen   schon  1693  ein  pseudonyme^ 
Buch    über    einen    ganz    andern,     die    Curie    mehr    interessirendeim 
Gegenstand:    Histoire  de  Torigine    et  du  progr^  des  revenus  eccl6^ 


R.  Simon.  426 

siafitiqnes,  ou  il  est  traite  selon  TaDcien  et  le  nouveau  droit  de 
tout  ce  qui  regarde  les  matieres  b^n^ficiales,  de  la  regale,  des  in- 
vestitures,  des  nominations  aux  bencfices  .  .  .  .,  par  Jerome 
a  Costa,  Docteur  en  Droit  et  Protonotaire  apostolique,  Francf.  (Ro- 
terdam?)  1684,  346  S.  12.  (Basel  1706,  2  vol.),  ein  Supple- 
ment zu  Sarpi's  Historia  sopra  li  beneficii  eccl.  (einen  Nachtrag 
dazu,  über  Revenuen  aus  Reliquien,  Ablässen  und  dgl.  gibt  Sainjore 
3,  331). 

Die  schärfste  Verurtheilung  erfuhr  in  Frankreich :  Le  Nouveau 
Testament  de  notre  Seigneur  J^sus-Christ,  traduit  sur  l'ancienne 
edition  latine,  avec  des  remarques  literales  et  critiques  sur  les  prin- 
cipftles  difficult^s,  Trevoux  1702,  4  vol.  8.  Bossuet  meinte  anfangs, 
das  Buch  könne  durch  Cartons  corrigirt  werden,  und  es  wurden  wirk- 
lich solche  gedruckt  (Oeuvres  38,  803).  Aber  schon  15.  Sep.  1702 
erliess  Card.  Noailles  auf  Bossuets  Betreiben  eine  Ordonnanz  gegen 
das  Buch,  welche  in  allen  Pariser  Kirchen  verlesen  wurde.  Er  rügt 
darin,  der  üebersetzer,  der  sich  schon  durch  mehrere  Werke  ver- 
dächtig gemacht,  habe  die  Uebersetzung  anonym  und  ohne  Appro- 
bation veröflFentlicht  (sie  war  durch  zwei  von  Noailies  und  Bossuet 
vorgeschlagene  Theologen  geprüft  worden);  die  Vorrede,  die  Ueber- 
setzung und  die  Noten  enthielten  Fehler;  viele  Stellen  seien  zu  frei 
übersetzt  und  abgeschwächt;  es  werde  in  ungehöriger  Weise  über 
die  Vulgata  und  die  alttestam entlichen  Citate  gesprochen  u.  s.  w.  (die 
Ordonnanz  mit  Simons  Yertheidigung  in  seinen  Lettres  2,  333). 
29.  Sept.  schrieb  auch  Bossuet  eine  Ordonnanz,  worin  das  Buch 
verb.  wurde,  weil  die  Uebersetzung  untreu,  temerär  und  ärgerniss- 
gebend,  der  Commentar  voll  temerärer,  der  Tradition  widersprechen- 
der, gefährlicher  und  zu  Irrthum  und  Ketzerei  führender  Erklärungen 
sei.  Die  Ordonnanz  wurde  erst  3.  Dec.  1702  in  den  Kirchen  der 
Diöcese  Meaux  verlesen,  weil  der  Kanzler  Pontchartrain  die  Ab- 
änderung von  zwei  Stellen  in  dem  ersten  Drucke  verlangte.  Bald 
darauf  erschienen  von  Bossuet:  Instructions  sur  la  version  etc.  Auch 
über  diese  hatte  Bossuet  Verhandlungen  mit  dem  Kanzler,  der  an- 
fangs verlangte,  sie  müssten  von  Doctoren  approbirt  werden ;  auch  in 
diesen  wurden  zwei  Stellen  geändert.  Simon  erhielt  für  eine  Er- 
widerung nicht  die  Druck erlaubniss  (sie  ist  in  den  Lettres  3,  291 
und  bei  Sainjore  1,  378  gedruckt).  Nicht  ohne  Mühe  bewirkte 
Bossuet,  dass  durch  ein  Arret  des  Staatsrathes  vom  22.  Jan.  1703 
das  für  die  Uebersetzung  ertheilte  königliche  Privileg  zurückge- 
nommen wurde.    11.  März   1704  wurde  sie  in  Rom  verb. 

Erst  nach  dem  Tode  Simons,  1714,  wurde  verb.  Biblioth^que 
critique,  ou  Recueil  de  diverses  pieces  critiques,  dont  la  plüpart  ne 
Bont  point  imprim^es  ou  ne  se  trouvent  que  tr^s-difficilement,  pu- 
blikes par  Mr.  de  Sainjore  qui  y  a  ajoute  quelques  notes,  Amster- 
dam (Nancy)  1708 — 10,  4  vol.  12.  Aufsätze  und  Noten  sind  alle 
von  S.  In  Folge  einer  Denunciation  Renaudots  bei  dem  Kanzler 
Pontchartrain  war  in  Paris  schon  durch  ein  Arret  des  Staatsrathes 
vom  5.  Aug.  1710  die  Confiscation  und  Verbrennung  des  Werkes 
angeordnet  worden.  —  Die  Lettres  choisies  de   M.    Simon,    oü   Ton 


426  Katholische  Theologen. 

trouve  un  grand  nombre  de  faitBanecdotesde  literatnre,  1700 — 1705, 
3  vol.  12  (Nouv.  id,  .  .  augm.  dun  vol.  et  de  la  vie  de  l'au- 
teur  par  M.  Bmzen  la  Martini^re,  Amet.  1730'*',  4  vol.  12.),  stehen 
nicht  im  Index,   obschon  aucK  sie  viel  Anstössiges  enthalten. 

Die  Explication  litterale,  historique  et  dogmatique  des  pri- 
ores et  des  c^r^monies  de  la  messe  von  dem  Oratorianer  Pierre 
Le  Brun  (1661—1729),  Par.  1716—26,  4  vol.  8.  (Ingold  p.  74), 
wurde  von  dem  Jesuiten  Bougeant  u.  a.  angegriffen,  weil  darin 
eine  ähnliche  Ansicht  von  der  Consecration  vertheidigt  wurde 
wie  früher  von  Ambrosius  Catharinus  und  Cheffontainea  (I  S. 
567;  E.-L.  1,  604).  Das  Werk  scheint  auch  in  Rom  dennncirt 
worden  zu  sein;  wenigstens  berichtet  Fabroni,  Vitae  It.  13,  248, 
von  Ginsto  Fontanini,  er  habe  Le  Bruns  Schriften  in  Schutz  ge- 
nommen, nachdem  derselbe  sich  bereit  erklärt,  einiges  zu  verbessern. 
—  Pierre  Faydit  (1644—1709),  bis  1671  Oratorianer,  gab  durch 
allerlei  Schriften  Anstoss,  am  meisten  durch  Alteration  du  dogme 
theologique  par  la  pbilosophie  d^Aristote,  ou  fausses  idees  des  scho- 
lastiques  sur  toutes  les  matiöres  de  la  religion.  Tome  I.  Traite  de 
la  trinit6,  s.  1.  1696,  498  S.  12.  Bossuet  (38,  33)  sagt  davon:  Le 
malheureux  Faydit,  apr^s  avoir  si  longtemps  souill^  sa  plume  impie 
et  licencieuse  dans  toutes  sortes  d'emportements  et  d'erreurs,  s^est 
fait  prendre  enfin  pour  oser  publier  un  livre  abominable  sur  la 
trinit^,  oü  il  pousse  le  blasph^me  jusqu'ä.  dire  qu'il  y  a  trois  dieux 
.  .  .  M.  de  Paris  a  remis  .  .  .  un  ordre  du  roi  pour  le  mettre  k 
S.  Lazare^).     Das  Buch  steht  nicht  im  Index. 

5.  Im  J.  1610  (Alex.  No.  11)  wurden  verboten:  Apparatns 
in  Bevelationem  J.  C.  auct.  (ruil.  Alabastro  Anglo,  Antw.  1607, 
et  Antithesis  Bened.  a  Benedictis  Veneti  contra  Guil.  Whitakerom, 
nisi  fuerint  ex  correctis  ab  auctoribus  et  Eomae  approbante  Magistro 
S.  Pal.  Der  zweite  Autor  war  ein  Italiener,  Bened.  de'  Benedetti, 
und  sein  Buch  heisst:  Antithesis,  qua  [tam]  falsum  esse,  quod  vica- 
riuB  Dei  sit  Antichristus,  quam  falsum  est,  quod  Christus  sit  An- 
tichr.,  demonstratur  contra  impii  G.  Whitakeri  haeretici  Angli  (er 
steht  in  der  1.  Gl.]  thesim,  qua  Eom.  Pontificem  esse  illum  Anti- 
christum,  quem  venturum  Scriptura  praedixit,  demonstrare  conator, 
Coloniae  1608,  4.  (Mazzuch.  2,  813).  Der  erste  war  ein  Engländer, 
ein  angesehener  Dichter,  der  als  Kaplan  des  Grafen  Essex  nach 
Cadiz  kam,  dort  um  1597  katholisch,  später  aber  wieder  Anglioaner 
wurde  und  nach  1630  starb  (Bayle  s.  v.,  Clement  1,  HO).  Sein 
Apparatus  in  Revelationem  J.  C.,  sive  nova  et  admirabilis  ratio  in- 
vestigandi  prophetiarum  mysteria  ex  s.  scriptura  seipaam  interpre- 
tante,  zuerst  1602,  dann  Antw.  1607,  stammt  aus  seiner  katholi- 
schen Periode,    hat    aber  wohl    wegen    der  cabbalistisohen  Tendenz 


1)  Bouillier,  Hist.  de  la  phil.  Cartes.  2,  385.  Ingold  p.  47.  Clement 
8,  273.  —  Faydit  schrieb  auch  gegen  Tillemont;  die  Fortsetzung  der 
Polemik  wurde  ihm  aber  untersagt.  S.-Beuve  4,  5:  Tillemont  trouva  son 
Zolle  dans  l'abbe  Faydit,  critique  petulant  qui  n*a  menag6  ni  Fen^lon 
ni  Bossuet  ni  personne. 


6.  Alabaster.  B.  a  Benedictis.  H.  Florentinius  u.  a.  427 

\.ii8toB8  erregt.  Expurgirte  Ausgaben,  wie  sie  in  dem  Decrete  in 
^.nssicbt  genommen  werden,  scheinen  von  beiden  BücÜern  nicht  er- 
ichienen  zn  sein.  Dass  noch  jetzt  im  Index  die  Formel  nisi  fuerit 
)tc.  steht,  ist  also  sinnlos. 

1658  wurde  verb.  Apologia  in  difesa  d'una  dottrina  dell'  Eccell. 
3ig.  Pietro  Conti  Romano,  raccolta  e  data  in  luce  da  Ferd.  Cla- 
irestain  Salisburgese ,  und  1663:  Yeritä  e  religione.  Christiani 
nanifesti  contro  le  due  false  ed  irreligiöse  apologie,  manuscritta  e 
itampata  di  P.  Conti  Sezzese,  detto  volgarmento  V  Alius  Dens,  per 
Msersi  ostinato  a  difendere:  Alius  Dens  est  possibilis.  Opera  deir 
ibate  Aless.  Guarino,  Nizza  1658.  —  Vinc.  Baron  berichtet  Apol. 
L,407:  der  Satz:  Aliquis  (offenbar  verdruckt  für  alius)  Deus  est 
3088ibilis,  sei  zu  Venedig  von  einem  ausgestossenen  Jesuiten,  aber 
luch  von  mehreren  Theologen  des  Ordens  vertheidigt  worden.  Von 
)inem  anderen  Pietro  Conti,  dem  Augustiner  Petrus  de  Comiti- 
bus,  wurde  Summae  philosophicae  Pars  I.  tribus  tomis  distincta, 
totam  physicam  complectens,  1673  mit  d.  c.  verb.  Hurter  2,  19 
3rwähnt  von  ihm  Theologia  scholastica,  Ven.  1680 — 84,  11  vol.  12. 

Hieronymus  Florentinius  aus  Lucca,  Clericus  regularis  Con- 
jregationis  Matris  Dei,  t  1678,  veröffentlichte  1658  zu  Lyon  eine 
Dispntatio  de  ministrando  baptismo  humanis  foetibus  abortivorum, 
nit  einer  aus  Kom  datirten  Epistola  pro  censura  von  Jo.  Caramuel 
lud  einer  Censura  (Approbation)  von  P.  Michael  de  Alcantara,  der 
lieh  als  Generalprocurator  des  Ordens  S.  Mariae  de  Mercede,  Qua- 
ificator  der  spanischen  Inquisition  und  Consultor  der  Index-Congr. 
)ezeichnet.  Er  schickte  sein  Schriftchen  an  mehrere  theologische 
ind  medicinische  Facultäten  und  viele  Gelehrte  und  konnte  in  einem 
left  von  40  Seiten  günstige  Urtheile  von  6  Universitäten  und  30 
xelehrten  (darunter  viele  Jesuiten)  drucken  lassen.  Gegen  eine  zu 
?l8toja  1662  erschienene  nicht  günstige  Beurtheilung  schrieb  unter 
lern  Namen  Martinus  ab  Holuberveso  entweder  sein  Ordensgenosse 
3art.  Beverini  (.Placcius  p.  365  und  Mazzuch.)  oder  er  selbst  (Melzi 
1, 8)  Responsio  apologetioa  pro  sententia  P.  Hier.  Florentini  de 
laptismo  abortivorum  adv.  objecta  D.  Vigilantii  ab  Arce.  Die  In- 
!ex-Congr.  aber  verbot  1.  April  1666  diese  Eesponsio  und  erklärte, 
ie  Disputatio  sei  nach  der  1666  erschienenen  neuen  Ausgabe  zu 
orrigiren.  Diese  hat  den  Titel:  Disputatio  ...  in  hac  2.  impres- 
ioBe  ab  eodem  auctore  S.  Ind.  Congregationis  jussu  recognita  et 
eclarata,  Lucca  1666,  60  S.  4.  Flor,  erklärt  darin:  er  empfehle 
icht  mehr,  jeden  foetus  zu  taufen,  auch  quando  est  adeo  exiguus, 
t  grani  hordeacii  magnitudinem  non  excedat,  et  vix  apparent  signa 
itae,  sondern  nur  illos,  in  quibus  apparent  lineamenta  foetus  hu- 
lani  propria,  trage  seine  Ansicht  auch  nicht  als  sicher,  sondern  als 
robabel  vor  und  wolle  niemand  unter  einer  Todsünde  verpflichten, 
ir  in  praxi  zu  folgen,  und  nicht  einen  neuen  Ritus  einführen,  was 
ar  der  Congregation  der  Riten  und  dem  Papste  zustehe.  1672 
688  er  dann  in  Rom  mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  eine  Dis- 
atatio  secunda  de  baptismo  humanis  foetibus  abortivis  sub  eonditione 
onferendo   drucken   und  1674  zu  Lyon:    De  hominibus  dubiis  bap- 


428  Katholische  Theologen. 

tizandis  pia  prothesis  olim  siib  Lugdnnensi  prelo  a  1658  edita,  a 
nullo  prius  asserta,  unica  tunc  disputatione,  nnnc  tribns  saperadditis 
consißtens.  Und  in  unseren  Tagen  haben  die  Herausgeber  der  A. 
J.  P.  den  Gegenstand  für  wichtig  und  interessant  genug  gehalten, 
um  die  Disputatio  von  1666  mit  einem  ausführlichen  Bericht  über 
die  Sache  (5,1112—38)  abdrucken  zu  lassen  (6,1280  —  1339). 

Der  Minorit-Conventual  Angelus  Vulpes  a  Montepiloso  in 
Neapel,  t  1647  (Hurter  1,  717),  veröffentlichte  dort  Sacrae  Theolo- 
giae  summa  Joannis  Duns  Scoti,  Doctoris  subtillssimi,  et  Commen- 
taria,  quibus  ejus  doctrina  elucidatur,  comprobatur,  defenditur;  opus 
ex  ejusdem  doctoris  contextu  industriose  non  minus  quam  fideliter 
excerptum  et  a  nemine  usque  modo  typis  traditum,  1622 — 45,  12 
Fol.  (4  Partes  k  3  Tomi).  Dagegen  schrieb  der  Dominicaner  Hya- 
cinthus  de  Hugeriis  Defensorium  doctrinae  S.  Thomae  contra  objecta 
Ang.  Vulpis,  Neapel  1655,  Fol.  Verboten  wurde  1659  Tom.  3. 
Partis  4.  Dann  scheint  man  erst  im  18.  Jahrh.  das  Buch  wieder 
vorgenommen  zu  haben;  von  1714  an  wurden  die  einzelnen  Bände  in 
bunter  Ordnung,  jeder  unter  einem  andern  Datum  verb.,  Tom.  1.  und 
2.  Partis  1.  und  Tom.  1.  Partis  2.  mit  d.  c,  die  anderen  unbedingt, 
zuletzt  1725  Tom.  1.  Partis  1.  ^).  —  Um  irgendwelche  scotistische 
Subtilitäten  wird  es  sich  handeln  in  Matth.  Ferchii  Defensio  vesti- 
gationum  peripateticarum  ab  offensionibus  Belluti  et  Mastrii,  1646, 
mit  d.  c.  verb.  1655.  Die  Vestigationes  perip.  hatte  er  Patavii 
1639  drucken  lassen.  Bonav.  Belluti  (Mazzuch.  s.  v.)  und  Bartol. 
Mastrio  haben  zusammen  mehrere  scholastische  Werke  herausgegeben. 
Es  erschien  unter  dem  Namen  von  Mastrio  1647  eine  Entgegnung 
von  Ottavio  Camerani  (Melzi  2,  169).  Alle  vier  Streitenden  waren 
Minoriten-Conventualen.  —  Decisiones  theologicae  ex  4  sententianim 
libris  omnium  theologorum  principis  Jo.  Duns  Scoti  selectae  a  F. 
Bonav.  Mini  a  S.  Cruce  Regularis  Observantiae  in  forma  thesium, 
Lucae  1694,  wurde  verb.  1695,  vielleicht  wegen  des  dem  Duns 
Scotus  gegebenen  Epithetons.  Andere  scotistische  Thesen  stehen  im 
Index  unter  Duffy  und  Ign.  Oudin  (Thomisticum  Quare  solutnm  per 
scotisticum  Q,uia). 

Co  pia  d'una  lettera  scritta  da  un  Padre  Chierico  regolare 
Teatino  ad  una  signora  sua  penitente,  divota  del  ss.  sacramento  deir 
altare,  mit  d.  c.  verb.  1622,  ist  nach  Mazzuch.  und  Vezzosi  von 
Paolo  Barisoni  aus  Padua,  seit  1591  Theatiner,  f  1648.  Das 
Schriftchen  Dell'  uso  frequente  dell'  eucaristia,  welches  er  1625  zu 
Padua  anonym,2l643  mit  seinem  Namen  veröffentlichte,  wird  eine 
verbesserte  Ausgabe  des  Briefes  sein.  —  Von  einem  Capuciner  Mario 
de*  Big  non i  da  Venezia,  f  l^^O  (Mazzuch.  2,  1221),  wurden 
1672—74  einige  15 — 20  Jahre  vorher  erschienene  Bände  Predigten 
verb.     Der   deutsche   Franciscaner  Bruno  Neusser    hatte    davon    «u 


1)  In  den  neuesten  Indices  steht  unter  Vulpes  bei  T.  8.  P.  4.  irrig 
1759  statt '1659  und  der  Titel  des  Buches  von  dem  Namen  des  Verfassers 
getrennt. 


Italiener.  429 

Köln  1663  eine  latein.  üebersetzang  herausgegeben,  die  aach  nach 
dem  Verbote  des  Orginals  1676  nochmals  gedruckt  wurde.  —  Von 
dem  Prof.  Hieronymus  Columbns  (Columbinus)  zu  Perugia  wurde 
1661  De  angelica  et  humana  hierarchia  11.  8  verb.  und  erst  1691 : 
In  sanctam  Jesu  C.  temporalem  nativitatem  quonam  pacto  planetae 
ac  sydera  Christo  Domino  famulentur,  theol.  disquisitio,  Bologna 
1619.  —  1646  wurde  von  Ant.  Koccus  verb.  Animae  rationalis 
immortalitas  simul  cum  ipsius  vera  propagatione  ex  semine,  also 
generatianistisch,  —  1674  ein  schon  1647  erschienener  Tractatus  de 
Bcrupulis  von  Jo.  Ang.  Bossius,  der  nach  Mazzuch.  eine  Zeit  lang 
General  der  Barnabiten  und  1665  als  Assistent  des  Grenerals  zu 
£om  gestorben  war. 

Ant.  Heraudo,  Eiflessioni,  quae  additae  sunt  libro  qui  inscri- 
bitur:  Casi  et  avvenimenti  della  confessione,  scritti  dal  P.  Christoforo 
Vega,  wurde  1668  verb.  mit  dem  Zusätze:  nisi  fuerint  ex  correctis 
juxta  editionem  Komannm  a.  1668.  Das  Verbot  wurde  also  erst 
publicirt,  nachdem  die  expurgirte  Ausgabe  erschienen  war:  Casi  .  .  . 
scritti  in  lingua  spagnuola  dal  P.  Chr.  de  Vega  S.  J.  e  transpor- 
tati  ...  da  un  sacerdote  della  stessa  compagnia.  Aggiuntevi  in 
quest'  ultima  impressione  con  un'  aviso  al  lettore  alcune  utili  rifles- 
sioni  da  Ant.  Heraudo  di  Levenzo,  sacerdote  secolare,  nuovamente 
corrette,  Rom  1668.  Die  verbotene  Ausgabe  war  zu  Cuneo  1661, 
12.,  das  spanische  Original,  Casos  raros  de  la  confesion,  zu  Valencia 
1656  u.  8.  erschienen.  Ausser  Christ,  de  Vega  (f  1672)  werden 
aber  auch  Geronimo  Lopez  u.  a.  als  Verfasser  genannt.  Der  italie- 
nische Uebersetzer  ist  nach  einigen  der  Jesuit  Gius.  Fozio,  nach 
anderen  der  Jesuit  Gius.  Alione;  Ant.  Heraudo  scheint  nur  der  an- 
genommene Name  des  letztern  zu  sein  (Melzi  1,  180).  Das  Schrift- 
chen  enthält  Erzählungen  von  der  Bestrafung  solcher,  die  ungültige 
Beichten  abgelegt,  und  ist  von  den  Jesuiten  viel  verbreitet  worden  ^). 
—  Biflessi  morali  e  christiani  cavati  per  lo  piü  dall'  epistole  di  S. 
Paolo  ...  da  Maddalena  Hommetz  Patina,  Padua  1680,  mit  d.  c. 
verb.  1682.  M.  Hommetz  war  die  Gattin  des  Charles  Patin,  der 
Professor  der  Medicin  zu  Paris  und,  aus  Frankreich  verbannt,  1676 
— 81  zu  Padua  war,  1681  nach  Paris  zurückkehrte  und  1683  starb. — 
Assertum  responsivum  P.  Mag.  Fr.  Hieronymi  Michelini  Aesinatis 
Augustiniani  pro  defensione  castitatis  conjugalis  .  .  .,  Ancona  1647, 
und  S.  Congr.  Supr.  ac  Univ.  Inq.  de  ürbe.     Aesina  facti  et  juris 


1)  In  München  ist  eine  italienische  Ausgabe :  Casi . . .  opera  del  P.  Chr. 
Vega  . . .  Aggiuntovi  in  questa  impressione  da  un  altro  Padre  ...  II  modo 
di  far  bene  la  confessione  con  illustri  e^empii  d'essa,  Bassano  s.  a.  132  S. 
16.,  und  ,, Traurige  Geschieht  von  der  Beicht  .  .  .  erstlich  durch  R.  P. 
Chr.  de  Vega  aus  der  Ges.  J.  Priestern  in  span.  Sprach  zusammengezogen 
Und  beschrieben,  danach  durch  andere  gleiches  Ordens  Priestern  in  die 
Welsche  und  teutsche  Sprach  treulich  übersetzet,  München  1719,  c.  230  S. 
16.,  zusammengebunden  mit:  Freuden-Geschicht  von  der  Beicht,  d.  i.  Seeliger 
Ausgang  der  recht  Beicht-  und  Büssenden  .  .  .  beschriben  durch  einen 
Priester  der  Ges.  J.,  München   1707,  320  S.  Ui. 


430 


Katholische  Theologen. 


pro  jnstitia  edicti  moderni  episcopi  Aesini  prohibentis  qoendam  li- 
bellum  in  ci vitale  et  tota  dioecesi  a.  1698,  beide,  ersteres  mitd.  c, 
von  der  Inq.  verb.  1703.  Michelini  scheint  sich  über  das  Verbot 
seines  Buches  durch  den  Bischof  von  Jesi  bei  der  Inquisition  be- 
schwert zu  haben,  und  die  zweite  Schrift  ein  für  den  Inqaisitions- 
process  gedrucktes  Schriftstück  des  Bischofs  zu  sein. 

Schon  1.  April  1688  verdammte  die  Inquisition  Conclusiones 
ex  philos.  ac  theol.  selectae,  pro  solemniis  I).  Dominici  propugnan- 
dae  a  Fr.  Henr.  Ant.  Verzelli  Servita  in  conventu  8.  Annnntiatae 
de  Florentia,  praeside  P.  M.  Gerardo  Capassi  Florentino,  in  eo- 
dem  coenobio  studii  regente,  Flor.  1687.  Wie  Fabroni,  Vitae  7, 
232  berichtet,  hatte  der  Dominicaner- General  Cloche  vier  dieser 
Thesen  denuncirt:  was  die  Theologen  lumen  gloriae  nannten,  sei 
Gott  selbst;  das  sog.  Athanasianische  Symbolum  sei  wahrscheinlich 
nicht  von  Athanasius;  Christus  habe  nicht  die  Materie  und  Form 
aller  Sacramente  genau  bestimmt  und  die  Kirche  könne  darum  Be- 
stimmungen darüber  treifen;  es  sei  besser,  bei  der  Darstellung  der 
Abendmahlslehre  statt  des  den  V'ätern  bis  zum  12.  Jahrb.  fremden 
und  erst  in  den  peripatetischen  Schulen  aufgekommenen  Ausdruckes 
accidentia  die  Bezeichnung  species  anzuwenden.  Fabroni  berichtet 
weiter,  Cap.  habe  eine  Vertheidigung  geschrieben,  die  man  in  Kom 
als  genügend  angesehen  und  die  selbst  Cloche  befriedigt  habe,  und 
Prosper  Lambertini  habe  gesagt,  Cap.  sei  nur  unvorsichtig  gewesen 
in  der  Vertheidigung  von  Ansichten,  die  damals  in  Italien  unerhört 
gewesen  seien,  30  Jahre  später  aber  nicht  nur  ohne  Gefahr,  son- 
dern auch  cum  aliqua  laude  hätten  vertheidigt  werden  können  ^). 
Die  Conclusiones  blieben  aber  im  Index.  Cap.  wurde  1690  Secre- 
tar  des  Serviten-Generals,  gelangte  später  zu  anderen  Ordensämtem 
und  wurde  sogar  Consultor  Indicis.  Es  kamen  aber  noch  einige 
andere  Sachen  von  ihm  in  den  Index,  wo  sie  freilich  nicht  unter 
seinem  Namen  stehen.  Der  Grossherzog  Cosimo  III.  war  ein  be- 
sonderer Verehrer  des  h.  Crescius  und  seiner  Genossen,  hatte  eine 
Kirche  derselben  restauriren  lassen  und  veranlasste  die  Veröffent- 
lichung von  Acta  passionis  SS.  Crescii  et  Soc.  Martyrum  ex  mss. 
codd.  biblioth.  Mediceo  -  Laurent.,  Metrop.  ficcl.  Flor,  et  Sapientiae 
Rom.  nunc  primum  edita  et  a  Jac.  Laderchio  Congr.  Oratorii  Urbis 
Presbytero  asserta  et  illustrata,  Flor.  1707,  Fol.  Capassi  hatte  La- 
derchi  schon  1706  gesagt,  er  halte  diese  Acten  für  sehr  unzuver- 
lässig, und  schrieb  nach  dem  Erscheinen  des  Buches  in  demselben 
Sinne  an  Foutanini.  Dieser  Brief  kam  in  Laderchi's  Hände  und  er 
Hess  ihn  mit  einer  Entgegnung  drucken:    Lettera  ad  un  Cavaliere 


tm 


1)  M.  Germain    schrieb    20.  Juni    1688    an  Magliabeohi:     Je 


compassion  au  P.  Capassi,  II  faut  etre  sage  et  ne  s'exposer  pas  ä  une  dis 

?race  par  une  deniangeaison  d'ecrirc  ce  qu'on  doit  prevoir  quMl  deplair<* 
1  no  tiendrait  qu'ä  nous  de  bicn  publier  des  affaires  que  nous  avor» 
tirees  do  differcnts  endroits,  niais  Tinteret  commun  de  PEglise  et  le  not 
en  particulier  uous  fera  toujours  taire,  quand  il  sera  dangereux  de  pari 
et  do  se  produire. 


G.  Capassi.  J.  Laderchi.  H.  Serry.  431 

Fiorentino  devoto  de^  santi  martiri  Cresci  e  compagni  in  risposta  di 
quella  scritta  dal  P.  Fr.  Gherardo  Capassi  deir  Ordine  dei  Servi  di 
Maria  a  Giusto  Fontanini  contro  gli  atti  de'  medesimi  santi,  dati  alla  luce 
da  Giac.  Laderchi  . .  .  Cap.  antwortete  sehr  scharf  in  Nugae  Laderchia- 
nae  in  epistola  ad  equitem  Florentinum  snb  nomine  et  sine  nomine 
Petri  Donati  Polydori  (so  hatte  Laderchi  den  Cavaliere  genannt) 
vulgata,  Centuria  prima,  accurante  M.  Antonio  Gatto  J.  C,  Genua 
1709  (eine  Centuria  2.  ist  nicht  erschienen).  Beide  Schriften  wur- 
den 1712  von  der  Inq.  verb.  In  Florenz  wurden  die  Nugae  im 
Sept.  1709  auf  Befehl  des  Grossherzogs  verbrannt  und  Cap.  verlor 
sein  Amt  als  Theologe  des  Grossherzogs  und  des  Cardinais  Medici  ^). 
In  £om  nahm  man  das  Verbrennen  des  Buches,  worüber  der  h. 
Stuhl  noch  kein  Urtheil  gefällt,  übel.  Cap.  ging  Ende  1709  nach 
Rom  und  wurde  dort  Theologe  der  Cardinäle  Imperiali  und  Conti. 
Es  wurden  abfällige  mündliche  und  briefliche  Bemerkungen  über 
die  Bulle  Unigenitus  von  ihm  bekannt;  um  sich  zu  rehabilitiren, 
schrieb  er  auf  Veranlassung  des  Card.  Imperiali  eine  Widerlegung 
eines  französischen  Briefes,  worin  Clemens  XI.  gerathen  wurde, 
Erklärungen  zu  der  Bulle  zu  geben.  Als  Card.  Conti  als  Innocenz 
XIII.  Papst  geworden,  hiess  es,  er  werde  Cap.  za  seinem  Theologen 
machen,  und  die  Gegner  der  Bulle  knüpften  daran  Hoffnungen ; 
aber  seine  Feinde,  namentlich  die  Cardinäle  Corsini  und  de  Giudice, 
hintertrieben  nicht  nur  seine  Ernennung,  sondern  hätten  ihn  auch 
in  einen  Inquisitionsprocess  verwickelt,  —  auch  die  Thesen  von 
1688  wurden  damals  wieder  hervorgesucht,  —  wenn  nicht  der  Papst 
und  Msgr.  Lambertini  ihn  geschützt  hätten.  Innocenz  XIII.  fragte 
ihn  mehrfach  um  Rath  und  veranlasste  ihn,  die  (nicht  gedruckten) 
Riflessioni  d*un  religioso  divotissimo  della  S.  Sede  sopra  un  modo 
di  levare  li  occorrenti  dissidii  per  la  constit.  Unigenitus  zu  schrei- 
ben.    Auch  bei  Benedict  XIII.  stand  er  in  Gunst,  f  1737. 

Von  dem  gelehrten  Dominicaner  Jac.  Hyacinthus  Serry,  geb. 
1659  zu  Toulon,  seit  1697  Professor  in  Padua,  f  1738,  wurde  die 
Geschichte  der  Congregationes  de  auxiliis  nur  in  Spanien  (1701), 
nicht  in  Rom  verb.  (S.  308).  Das  erste  Buch,  welches  in  den  Rom. 
Index  kam,  sind  die  Exercitationes  historicae,  criticae,  polemicae  de 
Christo  ejusque  virgine  matre,  quibus  judaeorum  errores  de  pro- 
misso  sibi  liberatore  nova  methodo  refelluntur,  christianae  religionis 
mysteria  omnia  ad  certam  historiae  fidem  exiguntur,  explicantur, 
defenduntur,  habitae  in  academia  Patavina  .  .  .  Ven.  1719,  4.  (^schlech- 
ter Nachdruck  Mailand  1719),  von  der  Inq.  verb.  1722.  Da  er 
wegen  dieses  Buches  und  des  Verbotes  auch  bei  den  Venetianischen 
Behörden  verdächtigt  und  ihm  in  Folge  davon  eine  Gehaltserhöhung 


1)  Weiteres  über  den  Streit  bei  Fabroni  7,  236.  210.  Villarosa, 
Scritt.  Filipp.  p.  151.  Muratori,  Lettere  ined.,  p.  236.  Clar.  Ven.  ad  Magliab. 
Epp.  p.  263.  292.  Von  der  Lettera  erschien  eine  expurgirte  Ausgabe: 
Lettera  ...  in  risposta  ad  alcuue  difficoltä  e  dubbiezze  motivate  contro 
gli  atti  .  .  .  Vgl.  J.  M.  Thomasii  opera  7,  406. 


432  Katholische  Theologen. 

vorenthalten  wurde  ^),  schrieb  er  1726  eine  Yertheidignng:  Difesa 
del  libro  intit.  Exercitationes  .  .  .  per  la  condanna  segnita  di  detto 
libro,  scritta  dal  medesimo  autore  e  presentata  alle  S.  £.  i  Befor- 
matori  dello  studio  di  Padova,  erst  1755  gedruckt,  Padna  (Lugano?), 
20  S.  4.  (Storia  lett.  13,  356),  abgedr.  in  den  Opera  omnia,  Lugd. 
1770.  III,  283;  von  den  Exercitationes  ist  in  den  Opera  III,  1 
eine  Umarbeitung  abgedruckt,  die  Serry  im  Manuscript  hinterlassen. 
Er  sagt  darin,  er  habe  die  Verdammung  dem  Card.  Fabroni  zu  ver- 
danken, der  ihm  wegen  eines  andern  Buches,  für  dessen  Verfasser 
er  ihn  mit  Unrecht  gehalten,  feind  gewesen  sei;  der  Cardinal  habe 
aber,  obschon  er  in  der  Inquisition  dominirt  habe,  nicht  durchsetzen 
können,  dass  man  irgendwelche  Sätze  seines  Buches  für  ketzerisch 
oder  irrig  erklärt  habe.  „Nun  weiss  aber  jeder,  fährt  er  fort,  der 
die  Praxis  der  Köm.  Curie  kennt,  dass  Verbote  von  Büchern,  bei 
denen  nicht  die  Qualification  ketzerisch  oder  irrig  angewendet  wird, 
namentlich  von  Büchern  über  Geschichte  und  Kritik,  in  Rom  so  ge- 
wöhnlich sind  und  aus  so  unbedeutenden  Gründen  erfolgen,  dass  ein 
Schriftsteller,  dem  dergleichen  passirt,  dadurch  wenig  oder  nichts 
von  seinem  Ansehen  bei  den  Gelehrten  und  Einsichtigen  verliert, 
weil  man  weiss,  dass  Rom  in  solchen  Fällen  nichts  censurirt  als 
die  unerbittliche  Strenge,  mit  welcher  kritische  Geschichtschreiber 
von  gutem  Geschmack  die  herrschenden  Meinungen  und  Vorartheile 
des  unwissenden  Volkes  bekämpfen  müssen."  Weiter  berichtet  er: 
er  habe  einen  bei  Benedict  XIII.  sehr  angesehenen  Mann  gebeten, 
ihm  das  Gutachten  des  Serviten  Pieri  zu  verschaffen,  anf  welches 
hin  die  Inquisition  sein  Buch  verboten  habe,  damit  er  dieses  danach 
corrigiren  könne;  derselbe  habe  ihm  geantwortet,  das  gehe  nicht 
an,  habe  ihm  aber  einige  Hauptpunkte  angegeben:  er  habe  bestrit* 
ten,  dass  die  Eltern  Mariae  Joachim  und  Anna  geheissen  und  dass 
der  Heiland  nach  der  Auferstehung  zuerst  seiner  Mutter  und  dann 
erst  der  Maria  Magdalena  erschienen  sei.  Er  habe  diese  Ansichten 
vertheidigt  und  darauf  einen  zweiten  Brief  vom  3.  Juni  1726  er- 
halten, worin  ihm  gesagt  worden  sei,  der  stilo  mordace,  in  dem  er 
Baronius  u.  a.  angegriffen,  habe  am  meisten  Anstoss  erregt.  Sehr 
scharf  hatte  er  auch  die  Maria  von  Agreda  angegriffen.  Die  legen- 
darischen Elemente  in  den  gewöhnlichen  Darstellungen  des  Lebens 
Jesu  und  Mariae  vertheidigte  gegen  Serry  Ant.  Sandini,  Prof.  im 
Seminar  zu  Padua,  in  der  Historia  sacrae  familiae  ex  antiquis  monn- 
mentis  collectii,  Padua  1734.  Serry  antwortete  in  den  Animadyersio* 
nes  anticriticae  in  Eist,  ab  Ant.  Sandini  novissime  scriptam,  Paris 
1735,8.,  die*  nicht  verb.  sind^). 


1)  Cecchetti,  Repubbl.  di  Ven.  2,  258  berichtet:  der  Venetianische 
Senat  habe  1722  ohne  Mitwirkung  der  Inquisition  und  ohne  dass  ein 
Römisches  Verbot  vorgelegen,  das  Buch  verboten,  weil  es  zwar  keine 
Ketzereien,  aber  punti  controversi  d'istoria  sacra  enthalten  habe! 

2)  Storia  lett.  13,  856  wird  noch  erwähnt  Matthaei  Basile  Archiep. 
Panormit  adv.  Exercitationes  H.  Serry,  accurante  Jac.  Basile  S.  J.,  firatris 
filio,  Neapel  17ö5,    worin  ausser  den  Namen  Joachim  und  Anna  auch  die 


M.  Amatus  a.  a.  Italiener.  433 

MicliaeliB  Amati,  Presbyteri  Neapolitani,  de  piscium  atque 
aviam  esus  consuetadine  apud  quosdam  cbristifideles  in  antepaschali 
jejunio,  quem  niemorat  Soor.  l.  5.  suae  historiae,  dissertatio  histo- 
rico-philologica,  Neapel  1723,  verb.  1737.  In  den  M6m.  de  Trev. 
1724,  1107  wird  darüber  berichtet :  in  einem  Kloster  zu  Neapel 
seien  in  der  Fastenzeit  selectißsiniae  alitum  species  aufgetragen  wor- 
den und  Streit  darüber  entstanden,  ob  dieses  erlaubt  sei.  M.  d'A- 
mato  (1682 — 1729;  er  hat  noch  einige  andere  Dissertationen  ge- 
schrieben, war  königlicher  Kaplan  und  Rathgeber  des  Yicekönigs 
bei  den  Streitigkeiten  mit  Clemens  XL;  Mazzuch.)  sei  beauftragt 
worden,  die  Sache  zu  untersuchen;  er  berufe  sich  darauf,  dass  nach 
Soor.  5,  22;  Niceph.  12,  34  im  Alterthum  Vögel  als  Fastenspeise 
angesehen  worden  seien,  dass  der  h.  Benedict  seinen  Mönchen  den 
Genuss  des  Fleisches  von  Vierfüsslern,  aber  nicht  von  Vögeln  ver- 
boten, und  dass  auch  in  anderen  Orden  wenigstens  Wasservögel 
als  Fastenspeise  angesehen  würden;  natürlich  fehlt  auch  nicht  die 
Berufung  auf  Gen.  1,  20 1). 

Andere,  mir  nicht  bekannte  und  jedenfalls  nicht  bedeutende 
italienische  Schriften  stehen  im  Index  unter  Fr.  Benvenuti,  Fil.  M. 
Bonini,  Bern,  a  Bononia  (Capuciner),  P.  Bozi,  Salv.  Cadana  (Mino- 
rit),  P.  Ciofiius,  St.  Consalvi,  Ant.  Cam.  Leoni,  Philibertus  Mar- 
chinus  (Barnabit,  Hurter  1,  507),  Carolus  Mazzius  (Priester  in  Flo- 
renz, mit  Mabillon  befreundet,  f  1689  ;  Marc  magnum  sacramenti 
matrimonii  in  exiguo,  Ven.  1686,  Fol.,  verb.  1700;  Bayle,  Oeuvres 
1,  720),  Carlo  Ant.  Muratore,  J.  B.  Pasquali,  P.  Eossetto,  G.  Sa- 
limbeni,  J.  D.  Sanctorius,  Castorius  Soranus,  Placidus  de  Titis  (Oli- 
vetaner),  M.  da  Veglia,  J.  M.  Velmatins,  Jac.  Viviani,  Ant.  Zerola 
(Bischof  von  Minori,  Praxis  episcopalis,  mit  d.  c.  verb..  Schulte  3, 
1,  464),  —  femer  unter  Catechesi,  Compendio,  Instruttione,  Bifles- 
sioni  intomo  ecc,  Bitratto  di  Cristo. 

M.  Germain  berichtet  im  J.  1685  (ValÄry  1,  135)  aus  Rom 
über  ein  Buch,  welches  unterdrückt  wurde,  aber  nicht  im  Index 
steht:  „Ich  habe  ein  Buch  gesehen,  welches  den  lateinischen  Titel: 
„von  dem  doppelten  Martyrium  der  italienischen  Bischöfe"  hat  (De 
duplioi  agone  martyrii?).  Die  Herabsetzung  derselben,  die  Demüthi- 
gungen,  denen  man  sie  unterwirft,  die  Pensionen,  die  man  ihnen 
aufladet,  die  Entziehung  der  canonischen  Gerichtsbarkeit  u.  s.  w. 
werden  darin  lebhaft  geschildert.  Das  Buch  enthält  auch  einiges 
über  das  eigentliche  Martyrium,  und  das  hat  die  Censoren  verleitet, 
die  Druckerlaubniss  zu  geben.  Aber  Leute,  die  scharfsichtiger 
sind  als  sie,  haben  gemerkt,  dass  der  Verfasser,  ein  Neapolitanischer 


Legenden  von  deren  langer  Unfruchtbarkeit,  von  der  Opferung  Mariae, 
ihrer  Verlobung  im  14.  oder  15.  Jahre  u.  s.  w.  und  die  Vorstellungen, 
dass  Ochs  und  Esel  an  der  Krippe  standen,  dass  die  Magier  drei  Könige 
waren,  u.  dgl.  gegen  Serry  vertheidigt  werden. 

1)  Reusch,  Bibel  und  Natur  S.  100.  Eine  ausführliche  casuistische 
Erörterung  über  diese  wichtige  Materie,  die  Abbe  Craisson  1877  veröffont- 
licht,  8.  Deutscher  Merkur  1877,  111. 

Beiiaob,  Index   II.  28 


484  J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaud. 

Bischof  au8  dem  Ordensstande,  unter  der  Hand  Dinge  sagt,  welche 
die  Curie  graviren.  Darum  ist  das  Buch  unterdrückt  worden.  Die 
französischen  Bischöfe  dürfen  sich  wohl,  wie  einer  von  ihnen  früher 
gethan  hahen  soll,  Päpste  ihrer  Diöcesen  nennen,  wenn  sie  sich  mit 
den  italienischen  vergleichen,  die  ein  einfacher  Prälat  der  Cnrie  pro- 
cessiren  und  ahsetzen  kann."  —  In  J.  M.  Thomasii  Opera,  Rom 
1754,  VII,  198  sind  Osservazioni  (von  einem  von  der  Inq.  oder  der 
Index-Congr.  hestellten  Censorj  üher  die  Dottrina  cristiana  (eine  Art 
von  Catechismus)  von  Ottavio  Imherti  della  Congr.  della  dottr. 
crist.  d'Avignon,  Viterbo  1710,  und  Riflessioni  von  Tomasi  über 
diese  Censur  abgedruckt.  Tomasi  rechtfertigt  oder  entschuldigt  die 
beanstandeten  Stellen  und  ihm  wird  es  also  Imberti  zu  verdanken 
haben,  dass  er  nicht  in  den  Index  gekommen.  —  Von  Msgr. 
G.  B.  de  Luca  berichtet  der  französische  Gesandte  Duc  d'Estrdes 
1678,  der  Druck  eines  kirchenrechtlichen  Buches,  welches  er  unter 
dem  Titel  Miscellanea  herausgeben  wollte,  sei  verboten  worden, 
weil  er  und  die  Cardinäle  der  Inquisition  Klage  geführt.  1681 
war  die  Rede  davon,  die  Inq.  wolle  zwei  Bücher  von  ihm  ver- 
bieten. De  Luca  wurde  aber  noch  in  demselben  Jahre  Cardinal, 
t  1683  (Michaud  1,  451;  4,  158). 


50.     J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaud. 

Diese  beiden  Jesuiten  verdienen  in  der  Geschichte  des  Index 
in  einem  besondern  Paragraphen  besprochen  zu  werden,  nicht 
nur  wegen  des  Charakters  der  von  ihnen  verbotenen  Schriften, 
sondern  namentlich  wegen  der  Verhandlungep,  die  das  Verbot 
derselben  veranlasste.  Von  Juan  Batista  Poza  aus  Bilboa, 
t  1660,  wurde  1628  das  1626  zu  Alcala  gedruckte  Elncidarium 
Deiparae  verboten,  vielleicht  das  schlechteste  unter  den  vielen 
schlechten  Büchern  über  die  h.  Maria  (§  35).  Poza  remonstrirte 
gegen  das  Verbot  in  einer  solchen  Weise,  dass  1632  alle  seine 
Schriften  verboten  wurden.  In  seiner  Opposition  gegen  die 
Index- Congregation  fand  er  einen  Rückhalt  bei  der  spanischen 
Inquisition,  welche  nicht  nur  das  Römische  Verbot  nicht  pnb- 
licirte,  sondern  Poza's  Buch  expurgirt  freigab.  —  Theophile 
Raynaud,  geb.  1583  zu  Sospello  bei  Nizza,  seit  1602  Jesuit,  f  1663, 
war  ein  talentvoller,  gelehrter  und  fruchtbarer  Schriftsteller. 
Mit  der  Index-Congregatiou  kam  er  zuerst  wegen  einer  bittern 
»Satire  gegen  die  Gnadenlehre  der  Dominicaner  in  Conflict  (S.  305), 
dann  1646  wegen  der  Vertheidigung  der  Ansicht,  die  in  Folge 


.1.  B.  Poza.  485 

der  Verpflegung  von  Pestkranken  Gestorbenen  seien  als  Märtyrer 
anzasehen,  und  wegen  anderer  barocker  Thesen,  die  er  aufzu- 
stellen liebte.  1659  wurde  eine  Schrift  Raynauds  über  die 
kirchlichen  Bücherverbote  verboten.  Er  veröffentlichte  darauf 
Pseudonym  eine  scharfe  Satire  auf  die  die  Inquisition  und  Index- 
Congregation  beherrschenden  Dominicaner.  Dieselbe  wurde  so- 
fort verboten,  bald  darauf  aber  auch  zwei  ebenso  scharfe  Ent- 
gegnungen der  Dominicaner.  Ausserdem  kamen  noch  zwei 
Pseudonyme  Vertheidigungen  des  Fr.  Suarez  von  Raynaud  in 
den  Index  (8.311. 405).  Vom  J.  1665  an  erschien  zu  Lyon,  von  Ray- 
naud selbst  noch  begonnen,  von  seinem  Ordensgenossen  Bertet 
vollendet,  eine  Gesammtausgabe  seiner  Werke  in  19  Foliobänden. 
In  diese  wurden  natürlich  die  verbotenen  Schriften  nicht  auf- 
genommen; aber  1669  veröffentlichten  die  Jesuiten  mit  einem 
falschen  Druckorte  einen  20.  Band  unter  dem  Titel  Apopom- 
paeus  (der  Stindenbock,  Lev.  16,  10),  in  welchem  die  verbotenen 
Bttcher  mit  einigen  nicht  verbotenen  sauber  zusammengedruckt 
sind.    Der  Band  wurde  1672  verboten  M. 

1.  Das  Buch  von  Poza  heisst:  Elucidarlum  Deiparae  auctore 
Jo.  Poza  S.  J.  Cantabro  in  Coli.  Coraplut.  S.  Th.  Prof.  Praevius 
Explorator,  majori  ex  parte  pagnax  et  conteutiosus.  De  chronogra- 
phia  et  geographia  myRteriorum  Virgiuis  1.  1.  De  re  paterna  1.  2. 
De  corpore  Virginia  1.  3.  Supplementura  pro  definiendo  immaculato 
conceptu  1.  4.  Compluti  1626,  Fol.  (Lugd.  1627»,  1250  S.  4.).  Das 
Bach  ist  von  dem  Provincial  Lud.  de  Palma  approbirt.  In  der  Vor- 
rede wird  ein  2.  Band  in  Aussicht  gestellt,  der  Possessor  pacatus, 
iloridns  et  mysticus  heissen  und  in  4  Büchern  de  multiplici  mater- 
nitate,  de  virtutibus,  gestis  et  eventibus,  de  sanetitate,  morte,  fune- 
ralibus  et  gloria  und  de  singularibus  et  universalibus  praerogativis 
handeln  sollte.  Zur  Begründung  des  oben  ausgesprochenen  ürtheils 
roUssen  einige  Scandalosa  aus  dem  Buche  mitgetbeilt  werden  (man 
braucht  zu  diesem  Zwecke  nicht  das  Buch  selbst,  sondern  nur  die 
Expurgation  bei  Sot.  zu  lesen).  L.  2,  tr.  4  wird  behauptet:  Mira- 
culosior  est  conceptio  Mariae  quam  Jesu,  si  non  consideretur  hypo- 


1)  Cret.-J.  sagt  3,  338:  Card.  Richelieu  habe  Raynaud  gewinnen 
wollen,  um  ihn  gegen  die  spanischen  und  deutscheu  Anfeindungen  wegen 
Reiner  politischen  Vorbindung  mit  Protestanten  (S.  203)  zu  vertheidigon, 
und  er  habe  ihn.  da  er  darauf  nicht  einging,  verfolgt;  einige  Jahre  später 
liabe  er  das  Bisthum  Genf  abgelehnt.  4,  209  sagt  er  von  Raynaud:  11  lui 
fallait  du  brnit.  et  de  l'eclat,  du  mouvement  et  de  la  dispute.  Doue  dos 
vertos  du  religieux,  il  n^appuraissait  dans  le  monde  (|ue  poiir  onvenimer 
les  querelles.  Vgl.  (.Foly),  RemarqiK'S  crit.  sur  lo  Dict.  »b»  Bavie,  1752, 
p.  650. 


436  J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaud. 

statica  anio  et  quod  miraculum  accidit  in  parta  Salvatoris;  tr.  5 
wird  die  Frage  behandelt:  An  Maria  faerit  pater  et  mater  sive  ma- 
tripater  Jesu,  und  u.  a.  behauptet:  Maria  paternum  simul  et  matemum 
concursum  praestitit  ut  matripater  ad  formationem  Jesu.  Femer 
notirt  8ot.  noch  n.  a.  folgende  Sätze :  Anna  et  Joachimus  nnllam 
levissimam  culpam  commiserunt,  ...  in  utero  materno  ab  injuria 
originali  mundantnr,  .  .  .  quoad  internam  sanctitatem  apoetolis  prae- 
ponendi ;  Maria  in  ventre  matris  nutriebatur  ore  et  non  more  aliorum 
puerorum;  corpora  Deiparae  et  Jesu  ab  instanti  conceptionis  fuisse 
praedita  ossibus,  nervis  et  partibus  carneis ;  Maria  ex  miraculo  fnit 
femina;  nunquam  muliebria  passa  est  aut  fluxiones  menstmas  ex- 
perta.  Die  üeberschriften  von  L.  3,  tr.  18 — 20  lauten:  Maria  de 
suo  corpore  nutrit  humanuni  genus  in  eucharistia.  De  üb  quae  ha- 
bent  ex  Deiparae  lacte  et  sanguine  capilli  Christi  in  euch.  De  ma- 
teria  lactis  et  sanguinis  Deiparae  permanente  sub  membris  Jesu  in 
euch. 

Der  Nuncius  in  Madrid  bemühte  sich  vergebens,  die  Pnbllcation 
des  Römischen  Verbotes  des  Elucidarium  von  1628  in  Spanien  zu 
erwirken.  Die  Inquisition  behielt  sich  eine  selbständige  Prüfung 
des  Buches  vor.  Sie  wollte  1631  Poza  sogar  zum  Qualificator  er- 
nennen, was  der  Nuncius  denn  doch*  durch  die  Hinweisung  auf  das 
Römische  Verbot  hintertrieb.  In  Belgien  forderte  der  Nuncius  den 
Erzbischof  von  Mecheln  auf,  das  Römische  Verbot  zu  publiciren ;  die 
Infantin  Isabella  Clara  Eugenia  aber  befahl  diesem  7.  Jan.  1633, 
die  Publication  zu  verschieben,  bis  sie  von  Madrid  Weisungen  ein- 
geholt haben  werde  ^j.  Die  Gutachten,  welche  im  Auftrage  der  In- 
quisition 1629 — 1633  von  spanischen  Theologen  abgegeben  wurden, 
fielen  grossen theils  ungünstig  für  Poza  aus.  Von  mehreren  der- 
selben wusste  er  sich  Abschriften  zu  verschaffen;  er  schrieb  Ent- 
gegnungen darauf  und  Hess  diese  drucken^).  Auch  zwei  an  Urban 
VIII.  gerichtete  Vertheidigungen  gegen  das  Römische  Verbot  wurden 
1631  gedruckt:  Sanctissimo  Domino  Nostro  Urbano  Papae  VIII. 
Natio  et  cognatio  Cantabrica  Jo.  Baptistae  Poza  e  Soc.  J.  in  causa 
judiciali  tomi  primi  Elucidarii  (anfangend  mit  den  Worten :  Beatissime 
Pater,  Cantabricum  dominium  et  cognatio  Jo.  B.  Poza  e  Soc.  J.  ad 
pedes  V.  S.  abjecti  partes  judicialis  defensionis  tomi  1.  Eluc.  ultro 
suscipiunt),  und  S.  D.  N.  Urbano  P.  VIII.  Cognatio  Cantabrica  J. 
B.  Poza  e  Soc.  J.  in  causa  judiciali  tomi  1.  Eluc.  (anfangend:  Bea- 
tissime pater,  Dr.  D.  Jo.  de  Uribe  y  Yarza  nomine  cognationis  Can- 
tabricae  Jo.  B.  Poza  e  Soc.  .1.  ad  pedes  V.  S.  abjectus  partes  jud. 
def.  tomi  1.  Eluc.  ultro  suscipit).  In  der  ersten  dieser  Schriften 
wird  u.  a.  gesagt:  Poza  habe  allen  Respect  (omnem  urbanitatem  et 
reverentiam  impendit)    vor   den  Magistri  S.  Pal.    und  allen  Dienern 


1)  Appendix  zu  dem  Suppl.  ad  Opp.  v.  Espen,  1768,  p.  32. 

2)  Bei  Seabra  2,  513  ist  ein  von  einem  Jesuiten,  wahrscheinlich 
von  Poza  seUjst  verfasster  Boricht  Dt*  lo  sucedido  con  la  Inquisicion  de 
EspaHa  sr)l)ro  el  tomo  1.  del  Elucidario  y  Apologia  abgedruckt. 


J.  B.  Poza.  437 

des  apostolischen  Stuhles,  aher  wenn  es  sich  um  die  Entscheidung 
über  Lehren  handle,  dürfe  er  seine  Einreden  und  Vertheidigungen 
gegen  alle  Personen  und  Gerichte  dem  obersten  Statthalter  Christi 
vortragen,  da  nur  der  h.  Stuhl  die  unfehlbare  Regel  der  Wahrheit 
sei;  man  habe  ihm  Geringschätzung  der  h.  Yäter  vorgeworfen;  die 
Kirchenväter  und  Scholastiker  habe  er  mit  der  Intention  durchge- 
lesen, sie  alle  dem  h.  Stuhle  unterzuordnen  und  zu  zeigen,  dass  ihre 
Autorität  ohne  die  Approbation  dieses  h.  Stuhles  gering  sei,  so  dass 
der  apostolische  Thron  auch  eine  Lehre  [die  von  der  Immaculata 
Conceptio],  die  das  Gegentheil  der  Ansicht  nicht  weniger  von  den 
Lehrern  der  alten  Kirche  sei,  unbedenklich  deüniren  könne;  auch 
Card.  Bellarmin  sei  durch  die  Intriguen  der  Angeber  und  Censoren 
in  den  Index  gekommen,  aber  durch  Gottes  Vorsehung  befreit  wor- 
den; die  Censuren  der  Römischen  Theologen  über  Poza^s  Buch,  — 
sie  werden  einmal  scelestae  genannt,  —  verdienten  scharfen  Tadel 
und  müssten,  wenn  sie  gedruckt  würden,  expurgirt  werden  ;  der 
Papst  möge  sich  doch  an  Apg.  25,  16  erinnern:  Non  est  Romanis 
consuetudo  damnare  aiiquem  hominem,  priusquam  is,  qui  accusatur, 
praesentes  habeat  accusatores  locumque  defendendi  accipiat.  Uebri- 
gens  wird  dem  Papste  ganz  ruhig  ins  Gesicht  gesagt:  Die  Index - 
Congr.  habe  in  Spanien  und  in  den  spanischen  Gebieten,  Indien  und 
Sicilien,  keine  Jurisdiction,  und  die  Spanier  beanspruchten  für  ihre 
Inquisition  das  Recht,  auch  diejenigen  Bücher,  die  von  den  Trienter 
Vätern  und  anderen  Tribunalen  oder  Congregationen  verboten  wor- 
den, unter  Umständen  freizugeben  oder  nochmals  zu  prüfen  und  zu 
expurgiren  ^). 

Das  konnte  man  sich  in  Rom  doch  nicht  bieten  lassen.  In 
einem  Decrete  der  Index-Congr.  vom  9.  Sept.  1 632  (Alex.  No.  36), 
welches  sich  nur  mit  Poza  beschäftigt,  werden  seine  sämmtlichen 
Werke  verboten,  speciell  die  beiden  an  tJrban  VIII.  gerichteten 
Schriften,  ein  Memorial  a  los  juezes  de  la  verdad  y  doctrina  [nach 
Sot.  Barcelona  1626],  dasselbe  lateinisch,  ein  libellus  sine  titulo, 
cujus  initium:  El  Doctor  Don  Juan  de  Uribe  j  Yarza  [bei  Sot.  y 
Arcja]  en  su  nombre  y  en  el  de  los  parientes  y  deudos  del  P.  J. 
B.  Poza  de  la  Comp,  de  Jesus  [bei  Sot.  werden  zwei  mit  diesen 
Worten  beginnende  an  den  König  von  Spanien  gerichtete  Denk- 
schriften verzeichnet],  und  alle  anderen  Tractate,  Apologieen,  Infor- 
mationen, Bittschriften  und  sonstigen  Schriften  zur  Vertheidigung 
des  Elucidarium  oder  der  Lehre  des  besagten  Poza,  gedruckte  und 
handschriftliche.  —  Seit  Ben.  wird  im  Index  nur  das  Elucidarium 
einzeln  genannt,  dann  nicht,  wie  in  dem  Decrete  opera  omnia,   son- 


1)  Diese  Auszüge  gibt  Gibbings,  An  exact  reprint  etc.  p.  63.  Gegen 
^en  Vorwurf,  er  trage  ganz  neue  Lehren  vor,  beruft  sich  Poza  auf  die 
^on  der  Synode  von  Constantinopel  von  536  citirte  Bibelstelle  (Sir.  25,  J)) : 
^eatus  qui  praedicat  verbum  inauditum.  So  steht  allerdings  in  älteren 
Coiiciliensammlungen.  Natürlich  ist  aber  zu  lesen:  praedicat  in  audituni 
C<>  ^trjyovfifi'og  dg  (pm  nxov6iT0)Vf  Vulg.  V.  12:  qui  enarrat  justitiam  auri 
sndienti). 


438  J.  B.  ViyAA  und  Th.  Raynaud. 

dern  nur  j^Mv  Tractate"  u.  8.  w.  —  In  den  Bpauischen  Indices  von 
1632  (vun  Zapata)  und  von  1640  (von  Sot.)  steht  Poza  nicht;  ewt 
in  eii^em  Supplement  zu  letzterm,  welches  auch  1640  oder  bald 
darauf  gedruckt  zu  sein  scheint  (in  dem  Nachdruck  von  1667  p.  989), 
wird  das  Elucidarium  expurgirt  und  werden  die  in  dem  Kömischen 
Decrete  von  1632  verzeichneten  Apologieen  verboten  donec  prodeat 
expurgatio,  ausserdem  noch  ein  Quartheft:  Primeras  lecciones  que 
por  la  catedra  de  placitis  philosoph.  etc.  (nach  ßacker  schon  1612 
zu  Madrid  gedruckt).  —  Poza  wurde  nun  auch  seiner  Aemter  ent- 
setzt ;  er  verlebte  seine  letzten  Jahre  im  Golleg  zu  Cuenca 
(Backer  5,  588).  Es  scheint  ihm  auch  das  Schriftstellern  verboten 
worden  zu  sein;  wenigstens  werden  keine  nach  1640  erschienene 
Schriften  von  ihm  genannt.  —  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  Sot.  bei 
Poza  auch  vieles  streicht,  was  auf  die  Immac.  Conc.  Bezug  hat;  so 
die  Bezeichnung  der  Lehre  der  Dominicaner  als  sententia  non  pia 
statt  minus  pia,  die  Behauptung,  opinionem  piam  de  Conc.  plena, 
propria  et  absoluta  canonizatione  decretam  esse  quoad  veritatem  et 
sanctitateni  illius  ex  vi  decreti  Gregorii  XV.,  die  Deduction,  Mariam 
non  potuisse  contrahere  culpam  originalem  nee  debitum  illius,  und 
die  Abschnitte,  in  denen  er  beweisen  will,  die  die  Imm.  Conc.  bestrei- 
tenden Stellen  bei  Thomas  von  Aquin  seien  unterschoben. 

Im  J.  1633  erschien  in  Mailand:  Actio  haeresis  in  Societatem 
Jesu.  Epiphaneia  et  plerophoria  Magistri  Francisci  Roales  (mit  Ap- 
probation der  Inquisition,  des  Erzbischofs  und  des  Senates  von  Mai- 
land). Der  Verfasser,  ein  spanischer  Priester,  der  früher  Professor 
in  Salamanca  und  Lehrer  des  Infanten  Ferdinand  gewesen,  in  Mai- 
land, wie  es  scheint,  mit  Scioppius  bekannt  geworden  war,  sagt:  er 
habe  Poza  von  Anfang  an  offen  bekämpft,  ihn  auch  bei  der  Inqui- 
sition f()rmlich  denuncirt;  da  dessen  Schriften  jetzt  in  Rom,  gleich- 
wohl aber  noch  immer  nicht  in  Spanien  verboten  worden,  und  Poza 
und  seine  Parteigenosssen  fortführen,  durch  Apologieen  und  Libelle 
die  Komischen  und  die  spanischen  Censoren  zu  verhöhnen,  so  trete 
er  als  der  am  heftigsten  Angegriffene  mit  dieser  öffentlichen 
Anklage  auf,  —  er  wendet  sich  damit  an  den  Papst,  den  Kaiser, 
die  Könige,  Fürsten  u.  s.  w.,  —  und  zwar  nicht  bloss  gegen  Poza, 
sondern  auch  gegen  die  Jesuiten,  die  ihn  noch  immer  dooiren  Hessen 
und  durch  viele  Schriften,  die  sie  überall  unentgeltlich  vertheilten, 
vcrtheidigten.  Diese  Schrift  wurde  von  der  span.  Inquisition  am 
30.  Juni  1634  (zugleich  mit  den  Monita  secreta)  verboten,  also 
mindestens  6  Jahre  früher  als  Poza's  Buch,  1665  auch  in  Kom  als 
Anhang  zu  der  Relatio  von  Vargas    (S.  289)^).      Bei  Vargas  findet 


1)  Die  Actio  haeresis  ist  auch  in  des  Henr.  a  S-  Ignatio  Tuba  I, 
331 — 344  und  im  4.  Bande  von  MariaJes'  Bibliotheca  (1660)  abfiredruckt 
Das  Decrct  der  span.  Inquisition  befindet  sich  im  Münchener  Reichsarchiv; 
vgl.  Friedrich,  Beitr.  zur  Gesch.  des  Jesuiten-O.  S.  5.  Roales  wurde  in 
Folge  der  Klagen  der  Jesuiten  von  dem  Cardinal-Infanten  entlassen  und 
später  von  Philipp  II.  aus  Spanien  verbannt.  Huylenbroucq,  Yindicationes 
alterac  p.  30.  —  Quetif  2,  558  erwähnt  eine  Schrift  des  Dominicaners  Jo. 


J.  H.  Puza.     A.  de  Vargas.  439 

i'ich  auch  (p.  106  und  p.  35)  eine  kurze,  nicht  sonderlich  witzige 
i^atire  auf  Poza  in  der  Form  einer  Parodie  des  apostolischen  Syni- 
bolums:  Societatis  Jesu  novum  fidei  symbolum  in  Hispania  proniul- 
^tum:  Credo  in  duos  Deos,  quorum  unus  ülii  pater  et  mater  cKt 
netaphorice  in  generatione  aeterna,  alter  metaphorice  mater  et  pater 
est  in  generatione  temporali,  cui  consequens  est,  ut  tarn  Deo  Patri 
]nam  B.  Virgini  nomen  matripater  conveniat  etc.  (Die  dahinter 
itehende  Censura  in  symbolum  apostolorum  hängt  nicht  mit  Poza 
Eusammen,  S.  386). 

In  dem  Decrete  Alex.  Xo.  85  steht  hinter  der  Relatio  von 
^argas:  item  tres  libelli  huic  annexi,  und  als  diese  werden  genannt 
lie  Actio  von  Roales,  Soc.  Jesu  novum  üdei  symbolum  und  Sedis 
ipoRtolioae  censura  prima  adv.  novam,  falsam,  impiam  et  haereti- 
sam  Soc.  Jesu  doctrinam  nuper  in  Hispania  publicatam.  Unter 
lieser  Ueberschrift  steht  p.  90  und  91  nichts  anderes  als  das  Index- 
Decret  von  1632  gegen  Poza,  welches  man  doch  nur  aus  reiner 
Gedankenlosigkeit  verbieten  und  bis  jetzt  im  Index  belassen  konnte, 
wenn  man  nicht  bloss  die  Ueberschrift  hat  verbieten  wollen.  Die 
tres  libelli  werden  übrigens  auf  dem  Titelblatte  nicht  genannt  und 
und  nicht  mit  besonderer  Paginirung  beigedruckt.  Seit  Ben.  werden 
de  irrthümlich  als  besondere  Schriften  von  Yargas  aufgeführt. 

Im  span.  Index  wird  von  einem  Dr.  Juan  del  Espino  auKser 
mderen  papeles  eine  Acusacion  publica  contra  la  doctrina  del  Kluci- 
lario  verb.  Es  ist  ohne  Zweifel  der  Ex-Carroeliter  Spinus,  dem  die 
Fesuiten  auch  die  span.  Uebersetzung  der  Monita  secreta  zuschrieben 
8.  281).  Weder  im  Römischen  noch  im  spanischen  Index  stehen 
sie  fallen  aber  unter  das  allgemeine  Verbot  der  Index-Congr.  vom 
r.  1632):  Votum  Piatonis  de  examine  librorum,  Caesaraugustae 
.639,  —  nach  Backer  unter  dem  Namen  Antonius  de  Saura  von 
^oza  herausgegeben,  auch  von  Raynaud,  Apop.  p.  70  als  von 
'oza  verfasst  citirt,  —  und  Opusculum  de  gestis  circa  doctrinas  et 
ibros  a  temporibus  Ezechiae  regis  usque  ad  annum  1632^).  In 
etzerm  werden  in  chronologischer  Ordnung  wirkliche  oder  erdich- 
ete  Thatsachen,  die  mit  der  Censur  von  Büchern  zusammenhangen, 
usammengestellt  und  daran  kurze  Reflexionen  angeknüpft.  So  im 
anfange:  Einige  dem  Salomo  zugeschriebene  Bücher,  wie  ein  Buch 
Iber  die  Genien  und  eine  Hygromantie  wurden  von  dem  König 
ilzechias  verbrannt,  wie  Glycas  nach  Eusebius  berichtet.  Denn  bei 
ler  Vernichtung  schädlicher  Bücher  hat  keine  Rücksicht  der  Person 
:a  gelten.  —  Manche  dieser  Notizen  sind  nicht  ohne  Interesse,  z.  B. : 
3a8  Constanzer  Concil,  obschon  ein  allgemeines,  wird  bezüglich 
leiner  Behauptungen   über   die  Auctorität   eines  allgemeinen  Concils 


Vlph.  Baptista  gegen  Poza :  Apologia  por  la  autoridad  de  lo8  doctorus  de 
a  iglesia  y  sanctos  iiadres  contra  un  Memorial  intit.  A  los  jucze»  de  la 
/erdad  y  doctrina,  Saragossa  1628,  von  Jo.  Paulus  Nazarius  0.  P.  ins 
Lateinische  übersetzt. 

1)  Abgedruckt  bei  Seabra  2,  618—668.  Giannone,  Opere  12  (post.  1), 
&91  gibt  einige  Auszüge  daraus. 


440  J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaad. 

über  den  Papst  von  dem  Florenzer  und  den  Lateran-Concilien  ver- 
worfen. Keine  Synode  oder  Congregation  kann  es  hindern,  dass 
ungerechte  Decrete  oder  falsche  Censuren  über  Lehren  von  dem 
apostolischen  Stuhle  cassirt  werden;  denn  die  Päpste  verdammen 
auch  die  Irrthümer  der  allgemeinen  Concilien  (S.  552).  Was  in  den 
Schriften  von  Katholiken  zu  expurgiren  ist,  muss  einzeln  angegeben 
werden,  namentlich  wenn  die  Verdammung  einer  Schrift  in  katholi- 
schen Ländern  keinen  Beifall  findet  (S.  526).  Der  Bischof  Virgi- 
lius  behauptete  die  Existenz  von  Antipoden  und  wurde  von  P.  Za- 
charias  dafür  excommunicirt.  Dieses  und  andere  Beispiele  lehren, 
dass  man  in  Eom  keine  Anklagen  wegen  naturwissenschaftlicher, 
philosophischer  und  medicinischer  Controversen  annehmen  sollte,  und 
dass  man  Römischen  Entscheidungen  mitunter  mit  gebührendem  Ge- 
horsam widersprechen  darf,  zumal  wenn  sie  sich  nicht  auf  solche 
Wahrheiten  beziehen,  für  welche  Christus  gestorben  ist  (S.  539). 
In  dem  Trienter  Index  stehen  keine  spanischen  Schriftsteller,  in  dem 
von  Clemens  VIII.  nur  solche,  die  vorher  von  der  spanischen  Inq. 
verdammt  worden  oder  wie  Jo.  de  Roa  später  von  ihr  verdammt 
wurden ;  bis  zum  Ende  des  Pontificates  Pauls  V.  hat  die  Index-Congr. 
kein  spanisches  Buch  verboten  (S.  566). 

1634  wurde  ein  Schriftchen  verb.,  welches  1631*  in  Rom  mit 
Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  gedruckt  war:  Prattica  per  ajutare  a 
ben  morire  anco  per  quelli,  che  solo  sanno  leggere,  e  per  imparare 
a  ben  vivere  da  quello,  che  occorre  e  si  deve  fare  nel  t«mpo  della 
morte.  Composta  dal  P.  Gio.  Batt.  de  Vilela  della  Comp,  di  G., 
282  S.  16.  In  der  Vorrede  sagt  der  Verfasser,  er  habe  diese 
Sammlung  von  Belehrungen  und  Gebeten  für  Kranke  ursprünglich 
spanisch  herausgegeben  auf  den  Wunsch  des  Grosscomthurs  von 
Aragonien  Don  Juan  de  Vilela  (wohl  eines  Verwandten),  der  sie 
dann  in  Biscaya  habe  verbreiten  lassen.  Im  span.  Index  steht  das 
Büchlein  nicht.  Nach  Backer  ist  es  auch  ins  Lateinische  übersetzt 
(Praxis  juvandi  etc.),  Wien  1634  und  1714.  Nach  den  Angaben 
von  Th.  Raynaud  und  Casalas  (p.  592)  ist  das  Schriftchen  verboten 
worden,  weil  darin  einiges  aus  Poza  abgeschrieben  war.  Er  wird 
eine  neue  Ausgabe  von  dessen  Practica  de  ayudar  a  morir,  Madrid 
1619,  sein. 

Es  gereicht  den  Jesuiten  nicht  zur  Ehre,  dass  sie  ein  enfant 
terrible  wie  Poza  nicht  sofort  entschieden  desavouirt  haben.  Th. 
Raynaud  hält  in  seiner  Schrift  gegen  die  Dominicaner  (bei  Casalas 
p.  459.  592)  diesen  vor:  sie  hätten  Poza,  einen  Mann  von  ausge- 
zeichneter Begabung  und  Gelehrsamkeit,  schlimmer  als  Luther  und 
Calvin  infamirt  und  sprächen  noch  immer  von  ihm  in  den  härtesten 
Ausdrücken,  während  er  doch  in  drei  kräftigen  Apologieen  seine 
Lehre  begründet  und  nachgewiesen,  dass  er  nichts  gesagt  habe, 
was  nicht  vor  ihm  ein  Dominicaner  gelehrt;  sein  Hauptverbrechen 
sei  in  den  Augen  der  Dominicaner  der  von  ihm  geführte  Beweis, 
dass  sie  die  Schriften  des  h.  Thomas  und  andere  gefälscht  hätten. 
Und  Hon.  Fabri,  Apolog.  2,  600  erkennt  zwar  die  Gerechtigkeit 
des  Verbotes  der  Schriften  von  Poza  an,  sagt  aber:  er  lehre  nichts, 


G.  B.  de  Vilela.    Th.  Raynaud.  441 

was  dem  Glauben  zuwider  sei,  und  führt  als  seine  Verbrecben  in 
den  Augen  der  Dominicaner  noch  die  Vertheidigung  der  Immaculata 
Conceptio  an  und  die  Behauptung,  dass  die  Kirche  nicht  alle  An- 
sichten des  h.  Thomas  billige.  Die  neueren  Jesuiten  scheinen  eich 
doch  Poza's  einigermassen  zu  schämen.  Cret.-Joly  3,  276  erwähnt 
ihn  ganz  beiläufig,  und  aus  Hurters  Nomcnclator,  in  welchem  so 
viele  ganz  unbedeutende  Schriftsteller  einen  Platz  gefunden,  würde 
man  nicht  ersehen  können,  dass  es  einen  Mann  Namens  Poza  ge- 
geben, wenn  nicht  1,  714  erwähnt  würde,  die  Prolegomena  von  des 
Dominicaners  Xantes  Mariales  Bibliotheca  interpretum  ad  universam 
summam  S.  Thomae,  Ven.  1660,  seien  1662  verb.  worden  wegen 
der  zu  scharfen  Angriffe  auf  die  Lehre  des  J.  B.  Poza  und  seiner 
Genossen  aus  der  Gesellschaft  Jesu. 

2.  Die  1646  verbotenen  Schriften  von  Th.  Raynaud  waren 
schon  1620  erschienen:  De  martyrio  per  pestem  ad  martyrium  im- 
proprium  et  proprium  vulgare  comparato  Disquisitio  theologica, 
und  Error  popularis  de  communione  pro  mortuis.  Gustus  operis, 
cui  titulus:  Heteroclita  spiritualia  et  anomala  pietatis^).  Beide 
Bücher  wurden  unbedingt  verb.;  aber  nachdem  1659  seine  Erote- 
mata  mit  d.  c.  verb.  worden,  bat  er  die  Index-Congr.  um  die  Er- 
laubnisse von  diesen  drei  Büchern  eine  expurgirte  Ausgabe  zu  ver- 
anstalten, und  um  die  Mittheilung  der  nöthigen  Aenderungen.  Auf 
den  Antrag  des  Card.  Brancacci  und  nach  Anhörung  der  Consultoren 
wurde  dieses  16.  Sept.  1659  bewilligt;  aber  erst  1664  wurde  von 
der  Index-Congr.  eine  Zusammenstellung  der  zu  ändernden  Stellen 
ausgefertigt  mit  der  Erklärung,  so  corrigirt  dürften  die  drei  Bücher 
neu  gedruckt  werden.  Die  Correction  ist  bei  Catalani,  Secr.  Ind. 
p.  35  und  in  dem  A])Op.  p.  256  gedruckt,  so  dass  wir  wissen,  was 
das  Verbot  der  Bücher  veranlasst  hat. 

Die  Schrift  über  das  Martyrium  war  dadurch  veranlasst,  dass 


1)  Gustus  etc.  ist  seit  Ben.  in  den  Indices  so  gedruckt,  als  ob  es 
der  Titel  eines  dritten  Buches  wäre.  Es  gehört  aber  zu  dem  Titel  des 
zweiten  und  soll  dieses  als  eine  Probe  aus  einem  grössern  Werke  be- 
zeichnen, welches  R.  unter  dem  Titel  Heteroclita  .  .  .  pietatis  [coelestium, 
terrestrium  et  infemorum]  herausgeben  wollte  und  wirklich  herausge- 
geben hat.  Er  behandelt  darin  die  Auswüchse  der  Frömmigkeit  in  Bezug 
auf  Gott  und  die  Heiligen  (coelestia),  die  Sacramente  und  das  Wort  Gottes 
(terrestria)  und  die  Verstorbenen  (inferna);  einen  Anhang  dazu  bilden 
die  Diptycha  Mariana.  Dieses  Buch  ist  nicht  verb.  worden  und  in  den 
Opp.  15,  64  abgedruckt.  In  dem  Apop.  p.  252  sind  ein  Gutachten  über 
das  Buch,  welches  einige  Jesuiten  1644  vor  dem  Drucke  desselben  im 
Auftrage  der  Ordensoberen  darüber  abgaben,  und  eine  Antwort  Raynauds 
auf  eine  zweite  derartige  Censur  abgedruckt.  Die  Censoren  tadeln  u.  a., 
dass  R.  sage,  Pfingsten  sei  nicht  bloss  ein  Fest  des  h.  («eistos,  sondern 
direct  und  in  erster  Linie  das  Fest  der  Gründung  der  Kirche,  und  es  sei 
unpassend,  Gott  dafür  zu  dauken,  dass  er  uns  nicht  als  Thiere,  sondern 
als  Menschen  geschafTen.  Ausserdem  tadeln  sie  den  stacheligen  Stil  und  for- 
dern die  Ausmerzung  der  vielen  derben  Ausfälle  gegen  andere  (nicht  ge- 
nannte) Schriftsteller,  ne  modestia  religiosa  Societatis  violata  videatur. 


442  J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaud. 

1^28  zu  Lyon  acht  Jesuilen  bei  der  Pflege  von  Pestkranken  ange- 
stec^kt  worden  und  gestorben  waren.  Der  Jesuit  Grillot  hatte  von 
einem  derselben,  P.  Bouton,  gesagt:  er  sei  confessor  (er  war  in 
türkischer  Gefangenschaft  gewesen),  doctor,  virgo  nnd  nun  auch 
niartyr  (l'rat,  P.  Coton  3,  706).  Raynaud  schrieb  also  seine  „theo- 
logische Untersuchung,"  um  zu  beweisen,  dass  diejenigen,  welche 
eines  solchen  Todes  gestorben,  Märtyrer  im  eigentlichen  Sinne  ge- 
nannt werden  dürften.  (In  einer  andern  Schrift  hat  er  auch  be- 
wiesen, dass  der  gute  Schacher  als  Märtyrer  gestorben  sei;  Apop. 
]>.  34).  R.  behauptet  (Apop.  p.  162.  170),  die  Dominicaner  hätten 
das  Buch  schon  1633  verbieten  wollen,  um  sich  für  das  Buch  von 
Riviere  zu  rächen;  das  Decret  der  Index-Congr.  sei  aber  damals 
von  Urban  VIII.  nicht  bestätigt  worden ;  nach  dessen  Tode  habe 
es  der  Secretär  der  Index-Congr.,  J.  B.  de  Marinis,  wieder  hervor- 
gesucht. In  der  Censur  der  Index-Congr.  (Apop.  p.  256)  wird  R. 
nur  aufgegeben,  den  Titel  des  Buches  etwas  zu  modificiren,  einen 
Passus  beizufügen  des  Inhalts :  der  fragliche  Tod  sei  nicht  in  dem- 
selben Sinne  ein  Martyrium  wie  das  eigentliche  Martyrium,  und  den 
Satz  zu  streichen:  wenn  jemand  getödtet  werde,  weil  er  die  pia 
sententia  de  Immaculata  Conceptione  nicht  missbilligen  wolle,  so  sei 
er  ein  Märtyrer.  Gleichzeitig  mit  diesem  Buche  von  R.  wurde 
auch  eines  von  dem  Theatiner  Franc.  Ant.  Sarro,  Glorioso  trionfo 
d'invitta  morte  di  (^ariUi  emulatrice  di  vero  martirio,  Neapel  1630, 
Verl).  —  R.'s  Buch  wurde  angegriffen  von  dem  Spanier  Thomas 
Hurtado  aus  dem  Orden  der  Clerici  reguläres  minores  in  den  Re- 
solutionen orthodoxo-morales,  scholasticae,  historicae  de  vero,  unico 
et  proprio  martyrio  lidei  sanguine  sanctorum  violenter  eifuso  rubri- 
cato,  adv.  ((uorundam  xuivoXoyiui'  de  proprio  martyrio  charitatis  et 
misericordiae,  quibus  junguntur  digressiones  ...  de  martyrio  per 
pestem  ...  de  restrictione  mentali,  Col.  1655,  Fol.  (Hurter,  1,  910). 
R.  antwortete  darauf  pseudonym:  Theologia  antiqua  de  veri  mar- 
tyrii  adaetjuate  sumpti  notione,  ad  spumosam  xuivokoyluv  et  frago- 
suni  taratantara  Thomae  Hurtado  Buccaferrei  de  Seir,  iterato  vulsi 
ac  depilati  a  Leodegario  Quintino  Heduo,  S.  T.  D.,  Lugd.  1656. 
Dieses  Buch  wurde  1658  gleichzeitig  mit  der  Schrift  für  Suarez 
(S.  311)  verb.^),  das  von  Hurtado  erst  1659  und  nur  mit  d.  c. 

In  der  zweiten  im  J.  1646  verbotenen  Schrift,    Error  popula- 


1)  Ks  steht  im  Apop.  p.  150.  liier  steht  p.  219  auch  eine  ohne 
Zwfifel  von  R.  verfasste  Apologia  pro  vero  et  proprio  martyrio  per  pestem 
.  .  .  Huthorc  Fr.  Jo  de  Andrada  Septousi,  Ord.  SS.  Trin.  Redemptionis 
Capt,  Provinciae  Portugalliae  alunino  et  in  S.  Theol.  Prof.  emerito  ac 
cjusdem  provinciac  moderiio  Provinciali,  mit  vielen  Approbationen  von 
Theologen  von  Coimbra  und  Evora  aus  den  Jahren  1650 — 51.  —  Im  Apop. 
p.  186  steht  auch  noch  eine  etwas  frühere  (nicht  verbotene)  Streitschrift 
gejyen  Hurtado  über  die  andere  im  Texte  erwähnte  Frage:  Thomas  Hur- 
tado, der.  reg.  minor,  vulg.  Peloso  [so  nannte  man  die  Mitglieder  dieses 
Ordens  in  Spanien]  in  resolutione  controversiae  de  communione  valsas  ac 
depilatus  a  Leod.  Q^intino  Heduo,  Lugd.   1656. 


Th.  Raynaud.     A.  Sarru.     Th.  Ilurtudu.     L.  Quiiitiims.  443 

[»  etc.,  will  K.  beweisen:  die  für  Verstorbene  empfangene  (für 
eeleu  im  Reinigungsorte  aufgeopferte)  Cummunion  nütze  den  Ver- 
torbeneu  nicht  viel:  ex  opero  operato  könne  sie  nicht  wirksam 
)in;  das  Gebet  als  solches  nütze  den  Verstorbenen  überhaupt  niclit 
iel,  das  mit  der  Communion  verbundene  nicht  mehr  als  das  mit 
em  Empfange  eines  andern  Sacraments  verbundene ;  was  den  Ver- 
M>rbenen  viel  nütze,  seien  Werke  der  Genugthuung,  die  für  sie 
ifgeopfert  würden,  und  diese  seien  nm  so  wirksamer,  je  mehr  sie 
lit  Anstrengung  und  Selbstüberwindung  verbunden  seien;  das  sei 
ber  die  manducatio  et  susceptio  cibi  eucharistici  nur  in  sehr  ge- 
ngem  Grade.  Gegen  dieses  Buch,  sagt  H.  (Apop.  p.  137),  habe 
er  Dominicaner  Aug.  de  Bellis  geschrieben,  weil  er  gefürchtet 
äbe,  die  Theilnahme  an  der  in  S.  Andrea  della  Valle  an  jedem 
[ontag  gehaltenen  Communionfeier  für  Verstorbene  möge  abnehmen, 
od  der  Secretär  der  Index-Congr.,  J.  B.  de  Marinis,  habe  das 
erbot  des  Buches  bewirkt  unter  dem  Vorgeben,  es  werde  dem 
änfigen  Empfange  der  Communion  entgegenwirken;  von  dem  gleich- 
jitig  erschienenen,  viel  umfangreichern  und  so  oft  wegen  anderer 
letzereien  verdammten  Buche  von  Arnauld  habe  er  dergleichen 
icht  gefürchtet.  —  Die  Index-Congr.  gab  R.  auf,  den  Titel  des 
nches  in  De  communione  ])ro  mortuis  zu  ändern,  eine  ziemliche  An- 
ibl  Seiten  zu  streichen  und  eine  Erörterung  beizufügen,  dass  das 
ei  dem  Empfange  der  Communion  verrichtete  Gebet  für  Verstorbene 
irksamer  sei  als  ein  Gebet  zu  anderen  Zeiten^).  So  umgestaltet 
it  die  Schrift  als  De  communione  pro  mortuis  .  .  .  correctus  juxta 
lonita  S.  Congr.  Ind.  et  recudi  ]>ermi6sus  in  den  Opp.  6,  11  abge- 
ruckt, die  gestrichenen  Stellen  im  A]K)p.  p.   256. 

1659  wurde  mit  d.  c.  verb.  R.  P.  Th.  Ravnaudi  ex  Soc.  Jesu 
rotemata  de  malis  ac  bonis  libris,  deque  justa  aut  injusta  eorum 
»nfixione,  Lugd.  1653,*  6  Bl.  und  378  S.  i.,  mit  Approbation  der 
rdensoberen  und  zweier  Pariser  Doctoren  gedruckt  und  dem  In- 
iieitor  in  Toledo  gewidmet.  Die  Stellen,  welche  auf  Verlangen 
IT  Index-Congr.  in  der  expurgirten  Ausgabe  weggelassen  oder  ge- 
idert  wurden,    sind    im  Apop.  p.  280  abgedruckt.    Es  sind  ausser 


1)  Der  Oratorianer  Provost  schreibt  (bei  Thuillier,  Oeuvres  posth. 
i  Mabillon  1,  518)  1698  aus  Douay  an  Mabillon:  es  sei  dort  Sitte,  dass 
I  jedem  zweiten  Sonntag  im  Monat  das  Sacrament  in  einer  schwarz  aus- 
ischlagenen  Kapelle  ausfifestcllt  werde  und  viele  für  die  Verstorbenen 
»mmunicirten ;  er  habe  in  der  Bibliothek  ein  Büchlein  gefunden,  welches 
.686  Sitte  empfehle:  Ran^on  des  ämes  du  pnrgatoire;  in  Dieppe  würden, 
enu  jemand  gestorben  sei,  die  Leute  von  Haus  zu  Haus  eingeladen,  am 
tkge  der  Beerdigung  zu  communicireu;  die  Vorstellung,  dass  man  für 
erstorbene  comrauniciren  könne,  scheine  ihm  mit  Thom.  3  q.  79  a.  7 
i  Widerspruch  zu  stehen.  Mabillon  antwortet:  für  andere,  Lebende  oder 
erstorbene,  zu  coromuniciren,  sei  nicht  nur  in  den  ersten  Jahrhunderten, 
»ndem  auch  zur  Zeit  des  h.  Thomas,  ja  selbst  bis  zum  IG.  oder  17.  Jahrh. 
De  unerhörte  Sache  gewesen,  jetzt  aber  eine  so  allgemeine  Sitte,  dass 
ichts  dagegen  zu  machen  sei ;  Prevost  müsse  den  Leuten  erklären,  iu 
elohem  Sinne  es  zulässig  sei. 


444  J.  B.  Poza  und  Th.  Raynaud. 

der  I  8.  560  angeführten  Bemerkung  eine  lange  Stelle  über  das 
Verdammen  von  Büchern  ohne  Anhörung  der  Verfasser,  die  Cen- 
sur  des  apostolischen  Symbolums  (S.  386)  und  einige  Bemerkungen 
über  das  Verbot  einiger  Jesuiten-Autoren,  Bellarmins  durch  Sixtus  V., 
seines  eigenen  Buches  über  das  Martyrium  und  der  Bücher  von 
Kabardaeus,  Sa  und  Henriquez.  In  dem  Register  werden  u.  a.  die 
Sätze  gestrichen:  auch  alle  Doctoren  zusammengenommen  seien 
fallibel  (also  die  sog.  sententia  communis  nicht  massgebend),  und 
eine  Ansicht,  die  wahr  oder  probabel  sei,  bleibe  dieses  auch  nach- 
dem sie  censurirt  worden.  —  R.  behauptet  (Apop.  p.  38),  als  sein 
Buch  der  Index. Congr.  als  ein  für  sie  injuriöses  denuncirt  worden, 
habe  der  mit  der  Prüfung  desselben  beauftragte  Consultor  erklärt, 
es  sei  vielmehr  ein  ganz  nützliches  Buch,  von  welchem  alle  Con- 
sultoren  der  Inquisition  und  der  Index-Congr.  ein  Exemplar  haben 
sollten.  Sic  obstructum  est  os  cavillatorium  et  mendax.  Postea 
tamen  liber  labis  purus  spadonatui  ultorio  subjaeuit.  Selah!  Das 
Votum  des  Cisterciensers  Ferd.  Ughellus^)  lautet  freilich  anders: 
er  kritisirt  die  Stellen,  die  später  ßestrichen  wurden,  und  sagt:  das 
Buch  sei  offenbar  geschrieben  aus  Hass  gegen  die  Index-Congr.,  die 
einige  Bücher  des  Verfassers  verboten  habe;  es  müsse  wenigstens 
mit  d.  c.  verboten  werden,  cum  author  os  suum  in  coelum  mittat, 
h.  e.  de  hac  S.  Congregatione  pluribus  in  locis  per  summam  male- 
dicentiam  imprudenter  loquatur.  —  Dieses  Buch  steht  auch  im  span. 
Index,  und  zwar  ohne  d.  c. 

Ein  schlimmeres  Buch  gegen  die  Römischen  Censurbehörden 
veröffentlichte  R.  später  pseudonyni:  De  immunitate  autorum  Cyria- 
corum  a  censura  diatribae  Petri  k  Valle  Clausa  S.  T.  D.  (abge- 
druckt im  Apop.  p.  267 — 319).  Er  will  darin  nachweisen,  dass 
die  Cyriaci,  d.  i.  die  Dominicaner,  welche  die  Inquisition  und  Index- 
Congr.  beherrschten,  Bücher  von  anderen  katholischen  Schriftstellern, 
namentlich  von  Minoriten  und  Jesuiten,  in  grosser  Zahl,  oft  unge- 
rechter Weise  in  den  Index  brächten,  während  die  Bücher  ihrer 
Ordensgenossen  in  der  Regel  nicht  censurirt  würden.  Dabei  kommen 
starke  Dinge  vor,  auch  manche  persönliche  Ausfälle;  von  den  Se- 
oretären  der  Index-Congr.  wird  der  eine,  J.  B.  de  Marinis,  als  om- 
niuni  literarum  rudis,  vere  opilio  arcadicus,  bezeichnet,  der  andere, 
Raymund  Ca^nsucco,    gewöhnlich    caput   Cucurbitae   genannt^).    Das 


1)  Döllinger  hat  einen  handschriftlicheu  Auszug  daraus. 

2)  Im  Apop.  p.  26 j  steht  eine  italienisch  geschriebene  Zusainmen- 
sU'lluiig  von  Beispielen,  welche  beweisen  sollen,  wie  parteiisch  dieMagistri 
S.  Pal.  bei  der  Ertheiluug  der  Druckerlaubniss  verführen.  Es  finden  sich 
darunter  allerdings  starke  Stücke,  bezüglich  deren  man  freilich  auch  den 
andern  Theil  hören  müsste:  Sie  haben  einem  Jesuiten  drei  Thesen  ge- 
strichen, die  wörtlich  aus  Büchern  entnommen  waren,  die  von  ihnen  selbst 
iipprobirt  waren.  Als  man  ihnen  einmal  vorhielt,  sie  hätten  eine  These 
gestrichen,  die  im  Tridentinum  stehe,  erhielt  man  zur  Antwort:  wenn 
jetzt  das  Tridentinum  zuerst  gedruckt  werden  sollte,  würde  das  auf 
Schwierigkeiten  stossen.    Bücher  von  Jesuiten,  die  in  Rom  gedruckt  werden 


Th.  Raynaud.    P.  a  Valle.    Jo.  Casalas.    Apopompaeus.  44'> 

Buch  wurde  von  dem  Ordensgeneral  Oliva   in  einem    Briefe  an  den 
Provincial  von  Lyon  vom  22.  Mai  1662  desavouirt,  von  der  Index- 
Congr.  20.  Juni  1662    verb.    und   zu   Toulouse  1.  Sept.   1662  sogar 
verbrannt  (Quetif  2,  605).     Die  Dominicaner    veröffentlicbten    zwei 
Entgegnungen:  Apologia  pro  Sacra  Congregatione  Indicis  ejusque 
Secretario  ac  Dominicanis  contra  Petri  a  Valle    Clausa  libellum  fa- 
moBum,    Romae    1662,   4.,    und  Jo.  Casalas    0.  P.  Candor  lilii  s. 
Ordo  Praedicatorum    a    calumniis    Petri  a  Valle  Clausa    vindicatus, 
Par.   1664*  (in  diesem  ist  Raynauds    ganzes  Buch    stückweise    vor 
den  betreffenden   Entgegnungen    abgedruckt).     Beide    wurden    1664 
verb.,  und  der  Mag.  S.  Pal.,  Raymund  Capisucco,  der  für  die  Apo- 
logia die  Druckerlaubniss  ertheilt,    wurde    sogar  1663  von   Alexan- 
der VII.,   der  den  Jesuiten    gewogen    war,    genöthigt  abzudanken^). 
Verfasst  hatte  die  Apologia,  allem  Anscheine  nach  auf  den  Wunsch 
Capisucco's,  Vincenz  Baron,  wie  Casalas   (f  1665)   ein  französischer 
Dominicaner.     Er    erklärte    aber   später,    sein  Buch    sei    nicht  nur 
^arch  zahllose,    zum  Theil  sinnstürende  Druckfehler,  sondern    auch 
clurch  Zusätze  von   fremder  (Capisucco's?)   Hand,    namentlich  durch 
'viele  Schmähungen  entstellt  (Quetif  2,  656).    In  den  Libri  quinque 
apologetici,  die  er  1660  mit  seinem  Namen  herausgab, —  sie  wurden 
1.672  verb.    —    sind    die    zwei  letzten    eine    neue   Bearbeitung  der 
apologia.  —  Vielleicht  ist  von  Raynaud   auch  Vocabularium  trilin- 
^ae  et  elingue  pro  scriptoribus  Dominicanis,  auth.  F.  Pio  Mariano  a 
CJonceptione,    Gandavi   1664,    verb.  1664  gleichzeitig   mit  Casalas 
Cin  dem  Decrete  Alex.  No.  84  fehlt  es).     W'enigstens   droht  R.  am 
Schlüsse  des  Buches   De  immunitate:     Gustum    nunc   parce  exhibeo; 
csras  in    indice    universali    ad    singulos    quosque    Cyriacorum    libros 
plenas  cuppas  hujus  vappae  propinabo.    Im  Apop.  steht  freilich  das 
Vocabularium  nicht. 

Der  Titel  des  20.  Bandes  der  Opera  R.'s  lautet:  Theophili 
^Raynaudi  S.  J.  Apopompaeus  admodum  rara  continens  (folgen  die 
Titel  der  14  Stücke).  Tomus  vigesimus  et  posthumus.  Per  Anoni- 
XTium  novissime  digestus  .  .  .  Cracoviae,  sumptibus  Annibalis  Zan- 
^oyski,  Bibliopolae.  1669.*  400  S.  Fol.  (ohne  die  Register).    In  der 


Sollen,  werden  Monate,  ja  Jahre  lang  zurückgehalten.  P.,  Azorius  erhielt 
die  Druckerlaubniss  für  ein  Buch,  musste  aber,  als  es  gedruckt  war.  etwas 
clarin  ändern.  In  einer  Dedieation  wurde  der  Ausdruck  gentilitfa  signa 
(AVappen)  gestrichen,  weil  der  Censor  meinte,  es  sei  von  heidnischen  Zeichen 
ciie  Rede;  dem  P.  Rutilio  wurde  nuroen  als  ein  heidnisches  Wort  gc- 
Btricheu. 

1)  Catalani,  De  Secr.  Ind.  p.  103.  De  Mag.  S.  Pal.  p.  174.  Capisucco 
\vurde  1650  von  Innocenz  X.    zum  Secretär    der  Index-Congr.,    1(554  zum 
Mag.  S.  Pal.  ernannt.     Seine  Abdankung  im  J.  1668  kann  nicht  mit  dem 
Buche  von  Casalas  zusammenhangen,  welches  erst  1664  erschien.    Manche 
meinten  übrigens,  er  habe  non  propter  librum  (wegen  der  Apologia),  sed 
propter  Libellum  abdanken    müssen,    nämlich    um    für  Hyacinthus  Libelli 
Platz  zu  machen,  den  Alexander  VII.  zu  seinem  Nachfolger  ernanute.  Cle- 
mens  X.  ernannte    IG73  Libelli    zum  Krzbischof  von   Avignou  und    setzte 
Capisucco  in  sein  Amt  wieder  ein.     1681  wurde  or  Cardinal,  f  169 L 


446  Arnaulds  lUwh  ülnir  die  rommunion. 

Vorrede  des  Krakauer  Druckers  wird  der  Band  bezeichnet  als  no- 
vemdeeim  praecedentibus  praelucens,  velnt  inter  ignes  luna  minores, 
sine  quo  astra  illa  tanquam  sole  suo  orhata  pamm  vel  nihil  splen- 
descerent.  Der  Band  ist  natürlich  nicht  in  Krakau,  sondern  zu  Lyon 
in  derselben  Druckerei  wie  die  19  anderen  gedruckt  und  von  den 
Ordensgenossen  K.'s  in  Druck  gegeben  worden.  1672  wurde  er 
verb.  mit  der  Bemerkung,  das  Verbot  treffe  nicht  zwei  in  demselben 
enthaltene  Tractate  ,  welche  vielmehr  separati ,  also  ans  dem 
Bande  herausgeschnitten  oder  besonders  abgedruckt,  freigegeben 
würden,  nämlich :  Hipparchus  de  religioso  negotiatore,  disceptatio 
[quae  negotiatio  a  religioso  statu  ahhorreat.  Lucubratio  Renati  a 
Valle,  Mag.  in  Theol.,  mit  einer  Dedication  an  Urban  VIII.,  p.  320 
—  374]  und  Avihq  Sff4i.  Os  Domini  locutum  est.  Lingnarium  vali- 
dum  damnatis  a  Sede  Apost.  injectum  et  depulsio  frivolae  declina- 
tionis,  qua  pauci  murmurantes  damnationi  Jansenii  per  Innocentium  X. 
obtendnnt  defectum  Concilii  generalis,  p.  375 — 400  (allein  Lyon 
1657  gedruckt),  eine  sehr  weit  gehende  Vertheidignng  der  päpst- 
lichen Unfehlbarkeit.  Ausser  diesen  beiden  Tractaten  enthält  der 
Band  die  vorhin  besprochenen  verbotenen  Schriften  und  ihre  Vcr- 
theidigungen,  die  bis  dahin  nicht  verbotene  Theologia  supplex  (S.  305) 
und  als  erstes  Stück  ein  mit  vielen  bissigen  Bemerkungen  gespicktes 
Syntagma  de  libris  propriis.  —  Apop.  p.  171  sagt  R.:  nächst  Poza 
sei  kaum  jemand  von  den  Dominicanern  heftiger  angefeindet  worden 
als  er.  Durch  diese  Zusammenstellung  mit  Poza  thut  er  sich  doch 
selbst  unrecht. 


51.     Arnaulds  Buch  über  die  Gommiiiiioii.  H.  de  Bareos. 

Das  Rituel  d'Aleth. 

Einige  BUcherverbole,  welche  erst  nach  der  ersten  Verdam- 
inuDg  des  Buches  des  Jansenius  erfolgten,  bangen  mit  der  Janse- 
nistischen Controverse  nicht  so  enge  zusammen,  dass  sie  nicht 
der  grössern  Uebersichtlichkeit  wegen  vor  dieser  behandelt 
werden  dürften.  Das  Buch  Über  die  häufige  Commnnion,  welches 
Antoine  Arnauld  1643  veröffentlichte  and  welches  den  damals 
noch  jungen  Theologen  sofort  zu  einem  berühmten  Manne  machte, 
wurde  alsbald  bei  der  Inquisition  dennncirt,  von  den  franzö- 
sischen Bischöfen,  die  es  approbirt  hatten,  durch  einen  eigens 
nach  Rom  gesandten  Bevollmächtigten,  Abb^  Bonrgeois,  ver- 
theidigt  und  im  Herbst  1645  von  der  Inquisition  freigegeben. 
Es  ist  auch  später  zwar  vielfach  angefeindet,  aber  in  Rom  nicht 
verboten  worden,    wäbrend   ein  ein  Jahrhundert  später  erschie- 


M.  de  ßarcoB.     Kituel  d'Aleth.  447 

nenes  jesaitisches  Gegenstück  dazu,  von  P.  Jean  Pichon,   1750 
in  den  Index  kana.     Aber  ein   von  Arnaulds  Freund  Martin   de 
Barcos  in  die  Vorrede  des  Buches  von  Arnauld  eingeschobener 
Satz,  worin  die  Apostel  Petrus  und  Paulus  als  „die  zwei  Ober- 
häupter  der  Kirche,   die  nur  eines   sind",    bezeichnet   werden, 
wurde    von    der   Inquisition    1647,    in   dem   Sinne    verstanden, 
dass  dabei  die  Unterordnung  des  Paulus  unter  Petrus  bezüglich 
der   höchsten   kirchlichen   Gewalt   nicht  anerkannt   werde,   itir 
ketzerisch   erklärt    und  nicht   nur  die  BUcher,   die    Barcos  zur 
Vertheidigung   desselben   geschrieben,    sondern    überhaupt    alle 
Schriften  verboten,  in  denen  der  Satz  in  dem  angegebenen  Sinne 
behauptet  werde,  ein  allgemeines  Verbot,  welches  in  den  älteren 
Indices  unter  Libri,  seit  Benedict  XIV.  in  den  Decreta  generalia 
II,  11  steht.    —    Mit   den  Verhandlungen    über  Arnaulds    Buch 
längt  zusammen  das  Verbot   einiger  Schriften  über  die  in  ein- 
zelnen   französischen   Diöcesen   damals    noch    bestehende    oder 
^^ieder   eingeführte   öffentliche   Kirchenbusse    und   das   Verbot 
^ines  1667  von  dem  Bischof  Pavillon  von  Aleth  für  seine  Diöcese 
'Veröffentlichten,    unter   Mitwirkung    von   Arnauld,    Barcos   und 
anderen  Theologen  von  Port-Royal  bearbeiteten  Rituale   durch 
^in  sehr  scharfes  Breve  Clemens'  IX,  vom  J.  1668,  welches  von 
29    französischen  Bischöfen    dadurch    beantwortet  wurde,    dass 
sie   eine  1677  erschienene,  nur   wenig   geänderte  Ausgabe   des 
Hituale  approbirten. 

1.  Antoine  Arnauld,  ein  Sohn  des  gleichnamigen  Advocaten 
(^S.  284),  zum  Unterschiede  von  ihm  gewöhnlich  Dr.  Arnauld,  von 
t^einen  Anhängern  später  auch  le  grand  Arnauld  genannt,  war  1612 
geboren  und  wurde  1641  Priester  und  Doctor.  Die  Veranlassung 
^ur  Abfassung  des  fraglichen  Buches  war  folgende:  Der  Abbe  de 
^^aint  Cyran  hatte  für  die  Prinzessin  Anne  de  Rohan  eine  Instruc- 
't.ioii  über  Beichte  und  Communion  geschrieben.  Diese  fiel  dem  Je- 
fsniten  de  Sesmaisons  in  die  Hände,  der  sie  natürlich  zu  rigoristisch 
f^Änd^)  und  mit  Hülfe  seiner  Ordensgenossen  Bauny  und  Rabardeau 
^ine  Widerlegung  verfasste.  Die  Prinzessin  gab  diese  Arnauld  und 
5\uf   St.  Cyrans    und    anderer   Aufforderung    schrieb    er   sein   Buch. 


1)  Le  F.  de  Sesmaisons  ctait  de  ceux  qui  meltent  des  coussins  sous 
l«s  coudes  des  pecheurs,  pour  parier  avoc  Bossuet  et  avoc  rEcriturt* . .  . 
C''e8t  contre  ce  „chomin  de  vcinurs**  (Lafontaine),  si  hien  iudi(|Ui^  par  le 
I*.  de  Sesmaisons  a  s»*s  no]»lt»s  p«^nitpnt4*s,  qn^Arnauld  hinf;a  \e  \\\rv.  S.- 
Benve  2.  167. 


448  Arnaulds  Buch  über  die  Communion. 

St.  Cyran  hat  dabei  seinem  jungen  Freunde  ohne  Zweifel  geholfen, 
ist  aber  mit  Unrecht  von  den  Jesuiten  vielfach  als  der  eigentliobe 
Verfasser  bezeichnet  worden.  Das  Buch  war  wohl  schon  im  Sept. 
1641  vollendet,  erschien  aber  erst  im  August  1643:  De  la  fr^nente 
communion,  ou  les  sentimens  des  ss.  peres,  des  papes  et  des  con- 
ciles  touchant  Tusage  des  sacremens  de  penitence  et  d'encharistie 
sont  fidelement  exposes,  pour  servir  d'adresse  aux  personnes  qui  pen- 
sent  serieusement  k  se  convertir  a  Dien,  aux  pasteurs  et  confesseurs  zi\^ 
pour  le  bien  des  ämes.  Sancta  sanctis,  800  S.  (und  150  8.  Vor- 
rede) 4.,  mit  der  Approbation  von  15  Bischöfen  und  21  Doctoren 
(Arn.  27,  71).  Die  erste  Auflage  war  in  14  Tagen  vergriffen,  in 
einem  halben  Jahre  drei  weitere.  Der  2.  Auflage  ist  ein  Avertisse- 
ment  sur  quelques  sermons  pröches  a  Paris  beigefügt,  —  der  Je- 
suit Nouet  hatte  gegen  das  Buch  gepredigt;  er  wurde  von  den  Bi- 
schöfen zu  einer  Erklärung  genöthigt,  —  der  5.  Auflage,  die  im 
April  1644  erschien,  eine  Table  de  matiäres,  in  welcher  sich  recht- 
fertigende und  berichtigende  Bemerkungen  über  die  Angriffe  findeui 
die  gegen  das  Buch  gerichtet  worden.  1647  gab  A.  eine  lateinische 
Uebersetzung  heraus,  die  auch  zu  Löwen  1674  und  1688  gedmckt 
wurde.  —  Die  Veranlassung  des  Buches  wird  in  der  Einleitung  an- 
gegeben und  Sesmaisons'  Schrift  stückweise  mitgetheilt,  aber  ohne 
dass  dieser  oder  die  Prinzessin  genannt  werden.  Es  erschienen  von 
1643  an  viele  Streitschriften,  namentlich  von  Jesuiten;  von  den 
französischen  Bischöfen  trat  nur  einer  der  unbedeutendsten,  Charles 
Fr.  d^Abra  de  Raconis,  Bischof  von  Lavaur^),  als  offener  Gegner 
A.*s  auf.  Die  Jesuiten  denuncirten  das  Buch  auch  in  Rom  und  P. 
Brisacier  reiste  dorthin,  um  seine  Verdammung  zu  betreiben.  Sie 
redeten  auch  der  Königin  ein,  A.  müsse  nach  Rom  reisen,  um  sich 
zu  verantworten^),  und  Mazarin  befahl  dieses  im  März  1644  A.  und 


1)  Im  K.-L.  1,  113    ist   ihm  ein    besonderer  Artikel   gewidmet    S.* 
Beuve  2,  18  i    Charakter isirt    ihn   als  porsounage    un  peu    follet,    mystifi^ 
autrefois  et  mitre  par  Richelieu.     Zur  Erklärung  dieses  Ausdrucks  dient..» 
was    II.  Simon,    Lettres   l,  11  erzählt:    U  ctait  aupres    de  Son  Eminen« 
plutot  en  qualite  de  bouffou  que  de  docteur.    M.  de  Richelieu  donnait  di 
temps  en  temps   a  de  Raconis  uq  texte   bizarre    pour  precher   devant  b 
sur  le  champ  dans  une  chambrc  oii  il  s'cnfermait  expres.  Cc  docteur  qj 
etait  paye  pour  faire   rire  le  Cardinal,  disait  cent  impertinences  .   .  . 
comme    le  Cardinal  donnait  ordre  qu^on  ne  Tappelat  pour  quelque   ch« 
que  ce    füt  dans  ce  temps    lä,    il    lui    disait  en  riant:    on  croit  que 
traitons  ici  des  affaires  les  plus  importantes  de  la  religion. 

2)  Memoires  d'Omer  Talon,   (Michaud.  Nouv.  Coli,  de  Mem.  HO),  H      

Quesnel  (Remoutr.  k  M.  de  Precipiano  p.  14)  berichtet,  Raconis  habe  aia-  ^e-^" 
einen  Brief  mit  Angriffen  gegen  Arnauld   und  die  Bischöfe  an  den  pRjtr*'  ^' 
gesandt,    die  Bischöfe   hätten  eine  Abschrift  davon  erhalten    und  ihn 
nöthigt,    denselben  par  dos  reponses  equivoqucs  zu  desavouiren,    weil 
Aassemblee  du  Clerge  gedroht  habe,  auf  (rrund  des  Briefes  einen  Proc?« 
g(*^^en    ihn  einzuleiten.   Enfin  ce  lache  prelat,    couvert   de  honte,    m6pr" 
de  ses  confreres,    abandonne    dos  Jesuitos   niemes  ä  sa  mauvaise  forti».  *"■  **» 
niourut  (164G),    onsovcli   sous  h>s  ruines  de  acs  ocrits.  de  sa  reputation        ^* 
de  son  honneur. 


A.  Amauld.    J.  Bourgeois.  449 

seinem  Freunde  de  Barcos;  der  Befehl  wurde  aber  stillschweigend 
zurückgenommen.  Unter  dem  5.  April  1644  schrieben  die  Bischöfe, 
welche  das  Buch  approbirt  hatten,  —  ihre  Zahl  war  mittlerweile 
auf  20  gestiegen,  —  an  Urban  VIII.;  auch  wurde  dem  Card.  Bar- 
berini  eine  Erklärung  A.'s  vom  14.  März  1644  übergeben,  worin 
er  sich  dem  ürtheil  der  Kirche  unterwarf  (Arn.  28,  36).  —  Mit 
Rücksicht  auf  eine  Streitschrift  von  D.  Petau  veröffentliche  A.  1644 : 
La  tradition  de  l'^glise  sur  la  penitence  et  sur  la  communion  (Oeu- 
vres 28,  39),  —  1644   wurden  drei,  1645    zwei  Auflagen    gedruckt. 

Im  Auftrage  der  20  Bischöfe  ging  der  Pariser  Doctor  Jean 
Bourgeois  nach  Rom,  —  er  kam  30.  April  1645  dort  an,  —  um 
gemeinschaftlich  mit  du  Chesne,  der  schon  dort  war,  gegen  die 
Verdammung  des  Buches  zu  wirken.  Wir  besitzen  von  ihm  einen  1674 
geschriebenen  sehr  interessanten  Bericht  (une  modeste  et  judicieuserela- 
tion,  S.-Beuve  2, 188)  über  seinen  Aufenthalt  in  Rom  (abgedr.  Am.  28, 
665).  Charakteristisch  ist  seine  Mittheilung  (p.  706):  Card,  de  Lugohabe 
ihn  gefragt,  ob  die  Approbatoren  der  Freq.  Comm.  Jansenisten  seien; 
er  habe  geantwortet:  die  Fragen  Über  die  Gnade  und  die  Busse 
hingen  nicht  so  enge  zusammen,  dass  nicht  manche  die  Ansichten 
des  Jansenius  billigten  und  das  Buch  A.'s  missbilligten,  und  umge- 
kehrt; er  könne  mehrere  unter  den  Approbatoren  des  Buches  nen- 
nen, die  sehr  entschiedene  Gegner  des  Jansenius  seien  ^). 

Abgesehen  von  einer  Stelle,  von  der  noch  die  Rede  sein  wird, 
fand  schliesslich  die  Inquisition  in  dem  Buche  nichts  zu  beanstan- 
den, und  zwar  waren,  wie  der  Papst  selbst  Bourgeois  sagte  (p.  712), 
alle  Cardinäle  und  Consultoren  einstimmig  für  die  Freigebung  des- 
selben; das  h.  Officium,  fügte  der  Papst  bei,  sei  lange  nicht  so 
einig  gewesen;  er  möge  A.  und  den  Bischöfen  seine  Freude  über 
den  glücklichen  Ausgang  der  Sache  aussprechen.  Bourgeois  wünschte 
ein  schriftliches  Document  darüber,  aber  der  Commissar  des  S.  Offi- 


1)  Arnauld  konnte  sogar  einen  Jesuiten,  freilich  aus  ältererer  Zeit, 
für  seine  Ansicht  citiren,  Emerico  de  Bonis,  f  1595  zu  Neapel,  der  Trat- 
tato  del  s.  sagr.    deir  altare,    Rom  1590,    und  Tratt.   della  confessione  e 
della  s.  mcssa,    Ven.  1597,  geschrieben  (Backer  1,  106).    A.  schrieb  über 
ihn:    Abus   des  nouveaux  casuistes    et  directeurs    Jesuites   predits  et  con- 
damnes  par  le  P.  Emery  de  Bonis,  regu  dans  la  Compagnie  dös  le  vivant 
de  St.  Ignace  (1550).  —  Ein  Judicium  des  Card,  de  Lugo  über  das  Buch 
Von  A.    hat    Laemmer,    Melet.  Rom.    Maut.   p.  391    veröfifentlicht.     Lugo 
meint,    der  Papst  solle  in  einem    „apostolischen  Schreiben**    die  richtigen 
^irundsätze  über  Busse  und  Communion  darlegen;  — er  fasst  diese  in  sechs 
Puncto  zusammen;    —    da  A.  diese  an  einigen  Stellen  anerkenne,    an  an- 
aleren sich  zweideutig  und  wieder  an  anderen  zu  scharf  ausspreche,  möge 
er  in  einer  an  die  Spitze  seines  Buches  zu  stellenden  Erklärung  kurz  und 
l>ündig  sagen,    dass  er  nichts  gegen    jene  Grundsätze  einzuwenden   habe; 
ferner    möge    er  dpn  Satz   über  Petrus    und  Paulus,   den    die   Inquisition 
Iciirzlich    bei  einem  andern  Autor  verdammt  habe,    in  katholischem  Sinne 
erklären    und  sich  bei  der  Erwähnung  des  Jansenius    auf  ein  Lob   seiner 
^^römmigkeit  beschränken,    aber  seine  Lehre  nicht  im  allgemeinen  loben, 
Sondern  etwa  sagen,  er  habe  in  vielem  gelehrt  und  fromm  geredet. 

Beneoh,  Index  II.  29 


450  Amaulds  Buch  über  die  Communion. 

ciam  sagte  ihm:  wenn  die  Inq.  nach  der  Prüfung  eines  Baches  er- 
kenne, dasB  kein  Gmnd  zur  Verdammung  desselben  vorliege,  so  be- 
lasse man  dasselbe  einfach  in  dem  Zustande,  in  welchem  es  sich 
vorher  in  Folge  der  vor  der  Denunciation  ertheilten  Approbation 
befunden  (p.  711),  und  ähnlich  äusserte  sich  der  Papst:  nach  dem 
Herkommen  könne  er  nicht  einmal  in  seiner  Antwort  auf  das  Schrei- 
ben der  Bischöfe  etwas  über  das  Urtheil  der  Inq.  sagen.  In  dem 
Breve  an  den  Erzbischof  von  Sens  vom  22.  Oct.  1645  (Am.  28, 649) 
sagt  er  in  der  That  nur,  er  habe  das  Buch  prüfen  lassen;  dass  es 
die  Prüfung  bestanden,  muss  man  daraus  schliessen,  dass  nicht  das 
Gegen theil  gesagt  wird.  (Später  kam  für  solche  Fälle  die  Formel 
Dimittatur  opus  auf.) 

Das  Buch  von  A.  ist  auch  später  in  Eom  nie  verboten  wor- 
den. Eine  Art  von  Censur  über  einige  Satze  desselben  ist  in  dem 
Decrete  vom  7.  Dec.  1690  unter  Alexander  VIII.  allerdings  inso- 
fern ausgesprochen  worden,  als  unter  den  darin  ohne  Nennung  der 
Urheber  verdammten  Propositiones  die  16.,  18.  und  23.,  wie  die 
Jesuiten  sagen  und,  soweit  die  Intention  Alexanders  VIII.  oder  der 
Inquisition  in  Betracht  kommt,  mit  Recht  sagen,  aus  der  Friq. 
Comm.  entnommen  sind.  A.  hat  freilich  in  seinen  Difficult^s  pro- 
posees  k  M.  Steyaert  No.  96  nachgewiesen,  dass  die  Sätze  18  und 
23  so  in  seinem  Buche  nicht  stehen  und  dass  aus  dem  16.  Conse- 
quenzen  gezogen  sind,  die  in  dem  Buche  selbst  abgelehnt  werden^). 

Der  Erzbischof  Precipiano  von  Mecheln  verbot  1695  die  1674 
zu  Löwen  gedruckte  Ausgabe  der  lateinischen  Uebersetzung  und 
die  gleichfalls  1674  erschienene  Methodus  von  6.  Huyghens,  die 
auch  in  Rom  denuncirt,  aber  freigegeben  worden  war  (s.  u.).  Ques- 
nel  berichtete  darauf  in  seiner  Remontrance  (S.  60)  über  die  Ver- 
handlungen in  Rom  und  gab  1695  die  Relation  von  Bourgeois  heraus, 
lieber  den  span.  Index  s.  u.  —  Auch  von  den  Streitschriften  über 
die  Freq.  Comm.  ist  keine  in  den  Index  gekommen. 

2.  Cret. -Joly  4,  23  sagt,  Amaulds  Buch  sei  der  Curie  zur 
Prüfung  vorgelegt  worden  und  durch  ein  Decret  vom  25.  Jan.  1647 
habe  „Rom  die  Vorrede  desselben  verdammt"  (ebenso  K.  Werner, 
Suarez  1,260).     Das    wäre  doch    ein  kleiner  Trost   gewesen;    aber 


1)  Ein  Echo  der  Aeusseruugen  der  Jesuiten  über  die  Fr^q.  Comm.  ist 
es,  wenn  Laemmer,  Zur  Kirchengesch.  S.  52.  davon  sagt:  der  hochfahrende 
starrsinnige  Arnauld  habe  darin  Saint  Cyrans  gleissnerisches  Pastorationt- 
princip,  nach  dem  Sacramente  hungern  zu  lassen,  theoretisch  auf  die  Spitie 
getrieben.  Wenn  das  K.-L.  1,  1404  dasselbe  Urtheil  ein  wenig  massvoller 
ausspricht,  so  unterlässt  es,  —  was  schärf ern  Tadel  verdient,  —  die  Ver- 
handlung darüber  in  Rom  auch  nur  mit  einer  Silbe  zu  erwähnen.  Auch 
Hurter  2,  405  sagt  von  der  Freigebung  des  Buches  unter  Urban  VIII. 
nichts,  berichtet  aber,  der  Erzbischof  Gl.  d'Achly  von  Besannen  und  andere 
hätten  das  Buch  und  Alexander  VIII.  mehrere  Sätze  .  daraus  verdammt; 
widerlegt  habe  esPetavius;  der  „wüthende  Mensch**  habe  aber  nicht  daran 
gedacht,  diesem  gründlich  und  bescheiden  zu  antworten,  sondern  sich  an 
der  ganzen  Gesellschaft  Jesu  durch  die  Morale  pratique  des  Jesuites  zu 
rächen  gesucht. 


M.  de  Bar 008.  451 

es  ist  nicht  wahr.  In  der  Vorrede  n.  6  wird  erwähnt,  Petrus  und 
Paulus  hätten  Busse  gethan,  und  dann  beigefügt:  de  sorte  que  Ton 
voit  dans  les  deux  chefs  de  TEglise  qui  n^en  sont  qu^un,  le  nio- 
döle  de  la  p^nitence.  Dieser  Satz  rührte  nicht  von  A.  her,  sondern 
von  Martin  de  Barcos,  dem  Neffen  Saint  Cyrans,  der  den  Druck  des 
Buches  geleitet  und  den  Satz  eingeschoben  hatte  (Arn.  26,  1).  A. 
Hess  aber  denselben  auch  in  den  neuen  Auflagen  stehen  und  ver- 
theidigte  ihn  in  der  Table  de  matieres;  er  macht  hier  u.  a.  darauf 
aufmerksam,  dass  Petau  Paulus  le  collateral  de  St.  Pierre  nenne 
und  Bellarmin  von  den  Päpsten  sage:  tam  Petrum  quam  Paulum 
praedecessorem  et  parentem  aguoscunt.  Barcos  selbst  schrieb  zu 
seiner  Vertheidigung  eine  kleine  Schrift:  De  Tautoritö  de  St. 
Pierre  et  St.  Paul  qui  reside  dans  le  Pape,  successeur  de  ces  deux 
apdtres,  1645,  und  gegen  die  Schrift  De  la  chaire  et  de  la  pri- 
maut^  unique  de  St.  Pierre,  die  Isaac  Uabert  dagegen  herausgab, 
—  er  warf  Barcos  vor,  er  sei  in  die  Irrlehre  des  de  Dominis  ver- 
fallen, —  Lagrandeur  de  l'Egl.  Romaine  etablie  sur  Tautorit^ 
de  St.  Pierre  et  de  St.  Paul,  1646*,  729  S.  4.,  ein  Buch,  von  dem 
S.-Beuve  4,  415  sagt:  ,,Es  hatte  die  Wirkung,  die  Barcos'  Schriften 
gewöhnlich  hatten:  statt  die  Schwierigkeiten  zu  beseitigen,  vergrös- 
serte  es  sie.  Nicole  fand  es  voll  Paralogismen  oder  falscher  Rai- 
sonneraents.^^  Endlich  schrieb  er  auch  noch  eine  Epistola  ad  Inno- 
centium  X.  de  suprema  Ecclesiae  Rom.  amplitudine,  und  Eclair- 
cissements  de  quelques  objections  contre  la  Grandeur  etc.  —  Als 
Bourgeois  in  Rom  ankam,  hatte  die  Inquisition  bereits  6.  April  1645 
die  Verdammung  der  ersten  Schrift  von  Barcos  beschlossen  (Racine 
12,  55).  Bourgeois  bemühte  sich  die  Verdammung  rückgängig  zu 
machen  (Arn.  28,  707).  Card,  de  Lugo  gab  zu,  der  fragliche  Satz 
verdiene  keine  theologische  Gensur;  aber  Card.  Spada  und  Albizzi 
machten  geltend,  er  öffne  dem  Schisma  die  Thüre,  da  man  an  die 
Wahl  von  zwei  Päpsten  als  Nachfolgern  von  Petrus  und  Paulus 
denken  könnte.  Das  Decret  von  1645  wurde  nicht  publicirt;  aber 
nach  dem  Erscheinen  der  zweiten  Schrift  von  Barcos  wurde  die 
Sache  nochmals  in  der  Inq.  verhandelt,  und  nach  Bourgeois'  Ab- 
reise wurde  25.  Jan.  1647,  am  Tage  der  Bekehrung  Pauli,  ein  De- 
cret von  Fer.  V.  24.  Jan.  1647  (Alex.  No.  52)  publicirt,  worin  es 
heisst:  Die  beiden  französischen  Schriften  und  der  lateinische  Brief, 
in  welchem  viele  Stellen  von  Vätern,  Päpsten,  Concilien  und  Doc- 
toren  gesammelt  seien,  seien  auf  Befehl  des  Papstes  geprüft  und 
die  angeführten  Stellen  sorgfältig  eingesehen  und  erwogen  worden; 
darauf  habe  der  Papst  den  Satz:  S.  Petrus  et  S.  Paulus  sunt  duo 
Ecclesiae  principes,  qui  unicum  efficiunt,  vel  sunt  duo  Eccl.  cath. 
coryphaei  ac  supremi  duces  summa  inter  se  unitate  conjuncti,  vel 
sunt  geminus  universalis  Eccl.  vertex,  qui  in  unum  divinissime  coa- 
luerunt,  vel  sunt  duo  Ecclesiae  summi  pastores  ac  praesides,  qui 
unicum  caput  constituunt,  —  wenn  er  so  gedeutet  werde,  dass  da- 
mit eine  völlige  Gleichheit  (omnimoda  aequalitas)  zwischen  Petrus 
und  Paulus  ohne  Subordination  des  letztern  unter  den  erstem 
bezüglich    der    höchsten    Gewalt    und   Leitung    der    Gesammtkirche 


452  Amiaulds  Buch  über  die  Communion. 

statoirt  werde,  —  für  ketzerisch  erklärt  und  den  Brief  und  die  beiden 
Schriften  und  alle  anderen  Schriften  durchaus  verboten,  in  denen 
der  Satz  in  dem  oben  angegebenen  und  verdammten  Sinne  behauptet 
und  vertheidigt  werde,  mögen  sie  in  was  immer  für  einer  Sprache 
gedruckt  sein  oder  in  Zukunft  gedruckt  oder  auch  nur  handschrift- 
lich verbreitet  werden.  Die  Epistola  ad  Innocentium  X.  ist,  weil 
ihr  Titel  in  dem  Decrete  nicht  angegeben  wird,  nicht  in  den  Index 
gekommen. 

Hon.  Fabri  (Stubrockius  p.  250)  sagt  1659:  „Die  Jesuiten  be- 
haupten in  der  That,  Arnaulds  Buch  sei  vom  h.  Stuhle  verdammt 
worden;  denn  da  Innocenz  X.  1647  alle  Bücher,  welche  die  Meinung 
von  dem  doppelten  Haupte  der  Kirche  enthalten,  verdammt  hat,  A.'s 
Buch  aber  diese  Behauptung  enthält,  so  ist  es  unzweifelhaft  als 
verdammt  anzusehen.'^  Nach  dem  Gesagten  ist  weder  das  ganze 
Buch  noch  die  Vorrede  der  Fr6q.  Comra.  vom  h.  Stuhle  verdammt, 
nicht  einmal  die  Streichung  des  betreffenden  Satzes  und  auch  von 
A.  keine  Retractation  desselben  verlangt  worden,  wie  er  selbst  1675 
hervorhob,  als  in  einer  Denunciation  gegen  ihn  bei  dem  Statthalter 
der  Niederlande  behauptet  wurde,  er  sei  wegen  dieses  Satzes  für 
einen  Ketzer  erklärt  und  genöthigt  worden,  diese  Ketzerei  zu  re- 
tractiren  (Am.  11,  845). 

Dass  man  in  Eom  die  in  dem  Decrete  von  1647  verdammte 
Ketzerei  als  eine  sehr  gefährliche  ansah,  sieht  man  daraus,  dass 
viele  Widerlegungen  derselben  erschienen,  —  Th.  Raynaud  schrieb, 
vom  Papste  durch  Card.  Sforza  aufgefordert,  De  bicipiti  Ecclesia, 
in  Amaudi  capite  nata,  Fontificis  gladio  minuta  (Apop.  p.  69),  — 
dass  sich  de  Marca  durch  eine  Streitschrift  dagegen  in  Rom  zu  re- 
habilitiren  suchte  (S.  367),  und  dass  1663  eine  von  dem  protestan- 
tischen Theologen  Jo.  Henr.  Ott  veröffentlichte  Epitome  tractatus 
.gallicani,  cui  titulus:  La  grandeur  etc.,  Bas.  1657,  verb.  wurde. 

Der  Fariser  Nuncius  Hess  das  Decret  vom  24.  Jan.  1647  mit 
Erlaubniss  des  Kanzlers  mit  einer  Art  von  Mandement  als  Decretum 
S.  D.  N.  Innocentii  X.  drucken  und  übersandte  es  den  franzö- 
sischen Bischöfen.  Ein  dagegen  erschienenes  Schriftchen  wurde  auf 
Betreiben  der  Jesuiten  von  dem  Kanzler  verboten.  Das  Parlament 
genehmigte  6.  Mai  dieses  Verbot;  zwei  Tage  später  brachte  aber 
der  Generalprocurator  Omer  Talon  auch  die  Fublication  des  Nun- 
cius zur  Sprache:  in  Frankreich  werde  die  Autorität  des  Papstes, 
aber  nicht  die  der  Römischen  Congregationen  anerkannt;  hier  handle 
es  sich  aber  nicht  um  eine  päpstliche  Bulle,  sondern  um  ein  Decret 
der  Inquisition,  und  wenn  man  ein  solches  anerkenne,  erkenne  man 
auch  die  Inq.  an;  der  Nuncius  bezeichne  sich  ganz  unbefugter 
Weise  als  Nuncius  nicht  nur  bei  dem  Könige,  sondern  auch  im 
Königreich  Frankreich  und  sage  in  seinem  Mandement,  er  habe  das 
Decret  den  Bischöfen  seines  Nunciaturbezirkes  übersandt,  als  ob 
er  Jurisdiction  über  ein  bestimmtes  Gebiet  habe.  Talon  beantragte 
demgemäss  die  Confiscation  und  das  Verbot  des  Deoretes,  und  ob- 
schon  der  Nuncius  sich  entschuldigte,  beschloss  das  Parlament 
15.  Mai  1647    diesem    Antrage  gemäss    (M^m.  d'O.  Talon  p.  190). 


J.  H.  OUius.  J.  Pichon.  458 

3.  Ueber  die  oftmalige  Communion  wurde  aus  Anlass  von 
Missbräuchen  in  Spanien  1677  von  der  Congregatio  Concilii  Trid. 
verhandelt  (A.  J.  P.  7,  781)  und  von  dieser  schliesslich  ein  Decret 
vom  12.  Febr.  1679  veröffentlicht,  worin  u.  a.  die  Behauptung, 
die  tägliche  Communion  sei  de  jure  divino,  verworfen  wird  (Const. 
p.  144). 

Das  jesuitische  Gegenstück  zu  Arnaulds  Buch,  L^esprit  de 
Jesus-Christ  et  de  l'Eglise  sur  la  fr^quente  communion,  par  le  P. 
Jean  Pichon  de  la  Comp,  de  Jdsus,  Paris  1745/  528  S.  12.,  ist 
von  dem  Provincial  approbirt  und  der  zu  Nancy  wohnenden  Königin 
von  Polen,  Maria  Leszczynska,  bei  welcher  Pichon  in  Ansehen 
stand,  gewidmet.  Selbst  Hurter  2,  1475  gibt  zu,  er  sei  bei  dem 
Eifer  in  der  Bekämpfung  der  Jansenisten  in  das  entgegengesetzte 
Extrem  gefallen.  Er  stellt  die  oftmalige,  ja  tägliche  Communion 
als  eine  Verpflichtung  dar,  die  nur  für  diejenigen  nicht  bestehe, 
welche  nicht  im  Stande  der  Gnade  seien.  „Alle  Sünder,  die  ein  ver- 
ständiger Beichtvater  losgesprochen  hat,  sind  disponirt  zu  commu- 
niciren.  Wenn  nicht  eine  Todsünde  im  Wege  steht,  bewirkt  dieses 
Sacrament  durch  seine  eigene  Kraft  eine  Gnade,  welche  die  un- 
ordentlichen Neigungen  besiegt,  ähnlich  wie  die  Taufe  bei  den 
Kindern  wirkt  ohne  eine  weitere  Disposition  auf  ihrer  Seite.  Die 
oftmalige  Communion  ist  das  leichteste  Heilsmittel,  ja  für  die  meisten 
Menschen  das  einzige,  dessen  sie  sich  bedienen  können.  Denn 
inniges  und  anhaltendes  Gebet,  Almosen,  Fasten,  eifrige  Arbeit, 
das  Fliehen  der  Weltfreuden  sind  für  viele  nicht  möglich.  Die 
oftmalige  Communion  ist  auch  die  heilsamste  und  für  Weltleute 
leichteste  Busse''  (die  öffentliche  Kirchenbusse  dagegen  nennt  er  une 
pänitence  de  cer^monie)  u.  s.  w.  Zur  Begründung  dieser  Sätze 
citirt  Pichon  nicht  nur  die  im  Index  stehenden  Schriften  von  Molinos 
und  Falconi,  sondern  auch  unechte  Briefe  des  Ignatius,  pseudo- 
isidorische  Decretalen  und  verstümmelte  Stellen  von  Kirchenvätern  ^). 
—  1747  wurde  das  Buch  von  mehreren  französischen  Bischöfen  in 
scharfen  Hirtenbriefen  verboten.  Pichon  unterzeichnete  dann  24.  Jan. 
1748  zu  Strassburg  folgende  Erklärung:  Bald  nach  dem  Erscheinen 
seines  Buches  hätten  seine  Oberen  dasselbe  missbilligt  und  den  Verkauf 
desselben  verboten ;  mehrere  Bischöfe  und  Theologen  hätten  Bemer- 
kungen darüber  gemacht ;  er  habe  alles  Anstössige  in  einer  2.  Auf- 
lage beseitigt;    diese  sei    seit  August  1747  fertig,    der  Druck   der- 


1)  Eine  gute  Zusammenstellung  der  bedenklichen  Stellen  von  dem 
Erzbischof  Languet  von  Sens  ist  dem  Hirtenbriefe  des  Erzbischofs  von 
Lyon»  Card,  de  Tencin  angehängt.  Unter  den  anderen  Hirtenbriefen,  die 
zusammengebunden  einen  stattlichen  Quartband  ausmachen,  sind  die  von 
dem  Oratorianer  de  la  Borde  verfassten  der  Bischöfe  Fitz-James  von 
Soissons  und  Bazin  de  Becons  von  Carcassone  und  die  des  Erzbischofs 
de  Rastignac  von  Tours  und  der  Bischöfe  de  Caylus  von  Auxerre  und 
Montgaillard  von  St.  Pons  die  eingehendsten.  Vgl.  N.  E.  1747,  29.  Der 
Bischof  von  Auxerre  vertheidigt  auch  ausführlich  Arnaulds  Buch.  Pichons 
Retractation  ist  mehreren  Hirtenbriefen  beigedruckt. 


454  Arnaulds  Buch  über  die  Communion. 

selben  aber  durch  Uiiißtände  verzögert  worden;  die  1745  erschienene 
Ausgabe  retractire  und  verdamme  er.  Noch  1747  war,  doch  schwer- 
lich gegen  Pichons  und  seiner  Oberen  Willen,  in  Lüttich  die  1. 
Ausgabe  nachgedruckt  worden;  eine  corrigirte  Ausgabe  ist  nicht  er- 
schienen, —  mit  der  Aenderung  einzelner  Stellen  war  ja  hier  auch 
nicht  zu  helfen.  Die  Zahl  der  Bischöfe  die  das  Buch  verboten 
oder  die  früher  ertheilte  Approbation  ausdrücklich  zurücknahmen, 
stieg  im  J.  1748  auf  mehr  als  20,  und  13.  Aug.  1748  und  noch- 
mals 11.  Sept.  1750  wurde  es  auch  in  Rom  verb.  Auch  die  Mi- 
moires  de  Trevoux,  die  das  Buch  im  Oct.  1745  gelobt,  zogen  sich 
im  März  1748  zurück.  —  Die  Bischöfe,  welche  gegen  Pichon  auf- 
traten, waren  nicht  alle  Gegner  der  Jesuiten;  der  erste,  der  das 
Buch  öffentlich  tadelte,  war  der  Erzb.  Languet  von  Sens^).  Mehr 
noch  als  das  Buch  selbst  und  die  sehr  erklärlichen  Angriffe  der 
„Jansenisten^  auf  Pichon  und  le  Pichonisme  haben  der  Reputation 
der  Jesuiten  die  anonymen  Broschüren  geschadet,  in  denen  sie  Pichon 
zu  entschuldigen  und  dessen  Gegner  zu  discreditiren  suchten  (N.  £. 
1748,  57.  89.  113.  115j.  In  Spanien  wurde  Pichons  Buch  erst 
1777  verb. 

4.  In  der  Vorrede  der  Fr6q.  Comm.  spricht  Arnauld  von  einer 
Pfarrei  in  der  Diöcese  Sens,  wo  die  alte  Praxis  der  öffentlichen 
Eirchenbusse  noch  bestehe  (es  war  St.  Maurice,  wo  du  Hamel,  ein 
Schüler  Saint  Cyrans  Pfarrer  war).  Anderswo  (9,  292)  hebt  er 
hervor,  dass  die  öffentliche  Busse  für  öffentliche  und  Aergemiss 
gebende  Sünden  von  dem  Trienter  Concil,  dem  h.  Carl  Borromäus, 
dessen  Mailänder  und  anderen  Synoden  empfohlen  worden,  und  er- 
wähnt, dass  sie  in  mehreren  französischen  Diöcesen  wieder  einge- 
führt werde.  Dieses  geschah  in  mehr  oder  minder  grosser  Aus- 
dehnung von  dem  Erzbischof  de  Gondrin  von  Sens  und  den  Bischöfen 
Buzenval  von  Beauvais,  Pavillon  von  Aleth  (in  dem  Rituel  d'Aleth), 
später  (1699)  von  B.  Colbert  von  Montpellier.  Von  den  Jesuiten 
und  ihren  Freunden  wurde  dieses  als  Jansenismus  und  Rigorismus 
bekämpft  (Arn.  25,  274).  Als  der  Jesuit  Menestrier  1672  in  einer 
Predigt  gesagt  hatte,  die  Kirche  habe  die  öffentliche  Busse  abge- 
schafft und  sehe  sie  jetzt  als  Pharisäismus  an,  veröffentlichte  der 
General vicar  des  Erzbischofs  von  Sens,  Alex.  Varet  (nach  dem 
Tode  des  Erzbischofs  zog  er  sich  nach  Port-Royal  zurück,  f  1675) 
Defense  de  la  discipline  qui  s^observe  dans  le  dioc^se  de  Sens 
touchant  Timposition  de  la  p^nitence  publique  pour  les  p&chez 
publics,  imprimie  par  Tordre  de  TArcheveque  [und  mit  Approbation 
von  9  anderen  Bischöfen],  Sens  1673*,  8.  Die  Schrift  wurde,  — 
doch  mit  Weglassung  des  imprim^e  etc.,  —  1679  von  der  Index- 
Congr.  verb.  Arnauld  (9,  292)  sagt,  man  habe  sich  bei  Innocenz  XI. 
über  dieses  Verbot  beklagt  und  der  Papst  habe  eingestanden,  das- 
selbe sei  eine  Uebereilung  gewesen,  und  Abhülfe  versprochen;  die 


1)  Pichon  wurde  übrigens   von  dem  Bischof  von  Sitten   zum  Gene- 
ralvicar  ernannt,  f  1751. 


Rituel  d'Aleth.  455 

Sache  sei  aber  in  Vergessenheit  gerathen.  An  eine  Zurücknahme 
des  Verbots  hat  man  in  Rom  schwerlich  gedacht;  1684  wurde  viel- 
mehr eine  ähnliche  Schrift  verb.:  Defense  de  la  discipline  qui 
s'observe  dans  plusienrs  dioc^ses  de  France,  touchant  Timposition 
.  .   .,  Sens  1677  (wohl    eine   neue  Ausgabe  der  Schrift  von  Varet). 

5.  Von  dem  Rituel  Romain  du  Pape  Paul  V.  a  Tusage  du 
dioc^se  d^Alet,  avec  les  instructions  et  les  rubriques  en  frangais, 
heisst  es  in  dem  Breve  Clemens  IX.  vom  9.  Apr.  1668  (Arg.  III  b 
835):  es  enthalte  nicht  nur  einiges,  was  dem  von  Paul  V.  heraus- 
gegebenen Rituale  fremd  sei,  —  was  ja  nicht  verboten  war  (S.  218), 
—  sondern  auch  (in  den  Instructions)  Lehren  und  Sätze,  die  falsch, 
Singular,  in  der  Praxis  gefährlich,  irrig,  der  in  der  Kirche  recipirten 
Gewohnheit  und  den  kirchlichen  Verordnungen  zuwider  seien,  durch 
deren  Leetüre  und  Anwendung  die  Christgläubigen  allmählich  zu 
schon  verdammten  Irrthümern  verleitet  und  mit  schlechten  Mei- 
nungen angesteckt  werden  könnten ;  demgemäss  werde  es  motu 
proprio  .  .  .  kraft  apostolischer  Autorität  verdammt  und  das  Lesen, 
Behalten  und  Gebrauchen  desselben  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm. 
1.  sent  verboten;  die  Exemplare  seien  den  Ortsbischöfen  oder  Inqui- 
sitoren, von  den  Angehörigen  der  Diöcese  Aleth  dem  Erzbischof 
oder  einem  benachbarten  Bischof  abzuliefern  und  von  diesen  unver- 
züglich zu  verbrennen. 

Gueranger,  Inst.  lit.  2,  60  (Coli.  Lacensis  1,  816)  sagt  zur 
Erklärung  dieses  Breves :  „Der  Bischof  hatte  gewagt,  in  das  Ri- 
tuale mehrere  der  Maximen  von  Saint  Cyran  und  Arnauld  über  den 
Empfang  der  Sacramente  ...  an  hundert  Stellen  einfliessen  zu 
lasssn,  obschon  man  sich  mit  der  grössten  Sorgfalt  bemüht  hatte, 
nicht  zu  starke  Ausdrücke  anzuwenden,  um  nicht  bei  dem  h.  Stuhle 
anzustossen,  der  schon  das  Buch  Arnaulds  über  die  häufige  Commu- 
nion  verdammt  (foudroy^)  hatte"  (s.  o.).  —  Der  Hauptgrund  des 
Vorgehens  des  Papstes  war  ohne  Zweifel  nicht  die,  wie  Gueranger 
selbst  zugibt,  sehr  massvolle  Anlehnung  an  die  „Jansenistischen" 
Pastoralgrundsätze,  sondern  die  oppositionelle  Stellung  des  Bischofs 
gegen  die  Bulle  Alexanders  VII.,  wovon  §  52  die  Rede  sein  wird. 
Nach  der  einige  Monate  später  erfolgten  Aussöhnung  des  Bischofs 
mit  Rom  und  vollends  nachdem  er  1677  für  seine  Haltung  in  dem 
Regalienstreite  (§  59)  von  Innocenz  XI.  belobt  worden,  würde  das 
Breve  wohl  nicht  mehr  erlassen  worden  sein.  Scandalös  ist  es 
aber,  dass,  während,  wie  Arnauld  (4,  130)  hervorhebt,  die  unsitt- 
lichen casuistischen  Bücher  von  Amadaeus  Guimenius  u.  a.  einfach 
in  den  Index  gesetzt  wurden,  hier  in  feierlicher  Weise  durch  ein 
besonderes  Breve  ein  von  einem  frommen  Bischof  herausgegebenes 
Buch,  dem  man  höchstens  eine  zu  strenge  Moral  vorwerfen  konnte, 
zum  Feuer  verdammt  wurde.  —  Der  Bischof  schaflFte  das  Rituale 
nicht  nur  nicht  ab,  sondern  veröffentlichte  im  Juli  1668  eine  Lettre 
pastorale  contre  leBref  qui  condamne  le  RitueP),  worin  er  sagt:  das 


1)  abgedr.  in  Vie  de  M.  Pavillon,    eveque  d'Alet,  Saint  Miel  1738*, 


456  Rituel  d^Aleth. 

päpstliche  Decret  habe  in  Frankreich  keine  Geltung  und  sei  unge- 
recht ;  er  hätte  doch  wohl  erwarten  dürfen,  dasß  der  Papst  ihn  vor 
der  Verdammung  erinnert  und  gehört  hätte;  es  sei  nur  zu  wahr, 
dass  man  in  Rom  Bücher  aus  politischen  Rücksichten  verdamme 
u.  8.  w.  Pavillon  schrieb  unmittelbar  vor  seinem  Tode  (t  8.  öec. 
1677)  an  Innocenz  XL  einen  Brief,  der  in  sehr  devoten  Ausdrücken 
ahgefasst  ist,  aber  keine  Unterwerfung  enthält  (Avr.  3,  66). 

Das  Breve  wurde  in  Frankreich  nicht  publicirt.  1669  traten 
einige  Bischöfe  und  Theologen  mit  Vorwissen  des  Königs  bei  dem 
Bischof  von  Chalons  zusammen,  machten  einige  unbedeutende  Aen- 
derungen  an  dem  Rituale,  welche  Bischof  Pavillon  hilligte,  und  1677* 
erschien  eine  neue  (dritte)  Ausgabe  desselben  mit  der  Approbation 
von  29  Bischöfen.  Abb6  Pontch&teau,  der  in  Sachen  des  Regalien- 
streites als  Abgesandter  Pavillons  in  Rom  war,  überreichte  Inno- 
cenz XI.  die  neue  Ausgabe  und  hoffte,  eine  Zurücknahme  des  Ver- 
botes erwirken  zu  können,  —  der  Papst  sagte  1686  dem  Card. 
Rospigliosi,  das  Rituale  sei  troppo  aspramente  verdammt  worden. 
Diese  Hoffnung  war  allerdings  eitel;  aber  man  hestand  nicht  auf 
der  Publication  des  Breves  und  weder  die  neue  Ausgabe  noch  die 
Lettre  pastorale  wurde  verboten  ^).  —  In  einem  Berichte  über  die  „Un- 
ordnungen in  Flandern,"  der  1675  nach  Rom  gesandt  wurde  (Laem- 
mer,  Mel.  p.  397),  heisst  es:  das  Rituale  sei  auch  in  Löwen  ge- 
druckt worden,  mit  einer  Approbation  des  erzbischöflichen  Censors, 
worin  die  Verdammung  als  ungerecht  bezeichnet  werde;  diese  Aus- 
gabe sei  allerdings  nachträglich  confiscirt  worden,  aber  eine  angeh- 
lich  zu  Paris  gedruckte  werde  viel  gekauft. 

Das  Rituel  d'Aleth  wurde  nach  dem  Tode  Pavillons  noch  ein- 
mal Gegenstand  einer  lebhaften  Controverse  zwischen  zwei  franzö- 
sischen Bischöfen.  Der  Bischof  de  Vintimille  von  Toulon  (später 
Erzbischof  von  Paris)  verbot  durch  eine  Ordonnanz  vom  18.  Febr. 
1678  das  Rituel,  das  N.  T.  von  Mons,  L'office  von  I.  Le  Maitre 
de  Sacy,  Le  miroir  von  Gerheron  und  —  Le  moine  secularise.  Der 
Bischof  Persin  de  Montgaillard  von  St.  Pons  veröffentlichte  darauf 
eine  Lettre  k  M.  Teveque  de  Toulon  sur  le  rituel  d'Alet,  und  es 
folgten  von  beiden  Seiten  noch  mehrere  Streitschriften.  In  Rom 
hat  man  davon  aber  keine  Notiz  genommen^). 


vol.  3,  p.  381—419.  (Das  Buch  ist  zu  Chartres  gedruckt  und  von  dem 
Pariser  Dr.  Ant.  de  la  Chassaigne  de  Chateaudun  verfasst.  Der  ganze 
8.  Band  handelt  von  der  Affairc  du  Rituel).  Beigefügt  ist  p.  420  die  Appro- 
bation  der  Bischöfe.  Vgl.  ü.  N.  1705,  755. 

1)  Arn.  4,  157 ;  9,  289 ;  35,  XXV.  Michaud  4,  286. 

2)  Recueil  de  ce  qui  s'est  passe  entre  Mess.  les  eveques  de  Saint 
Pons  et  de  Toulon  au  sujet  du  rituel  d'Alet;  Suite  de  ce  qui  etc.  Lettre 
d'un  theologien  ...  au  sujet  du  Rituel  (gegen  St.  Pons);  Eztrait  fait  par 
M.  l'ev.  de  St.  Pons  de  plus  de  26  faussetes  ...  et  heresies  .  .  .  dans 
la  Seconde  Lettre  d'un  theologien  ...  S.  1.  et  a.*  (zusammen  ein  starker 
Band  in  12.).  Vgl.  A.  J.  P.  2,  2649.  Michaud  4,  284. 


Diu  JanscniHtisüho  Coutrovcrse.  457 


52.     Die  Jansenistische  Controverse,   1641  —  1669. 

Der  Augustinus  des  Cornelius  Jansenius,  Bischofs  von 
Ypern,  welcher  erst  nach  seinem  Tode  (0.  Mai  1638)  im  J. 
1641  erschien,  wurde  zuuächst  sammt  mehreren  durch  die  Ver- 
öffentlichung hervorgerufenen  Streitschriften  durch  ein  Decret 
der  Inquisition  Fer.  V.  1.  Aug.  1641  wegen  Verletzung  der  Ver- 
ordnungen bezüglich  der  de  auxiliis  handelnden  Schriften  (8.  299) 
verboten.  Durch  eine  Bulle  vom  6.  März  1642  bestätigte  Ur- 
ban  VIII.  dieses  Decret,  verbot  einige  weitere  Streitschriften 
und  motivirte  das  Verbot  des  Buches  von  Jansenius  nun  auch 
damit,  dass  darin  einige  in  den  gegen  M.  Bajus  erlassenen 
Bullen  (I  S.  445)  bereits  verdammte  Sätze  enthalten  seien.  Die 
Bemühungen  der  Löwener  Theologen,  eine  Modificatiou  oder 
Erläuterung  dieser  Bulle  zu  erwirken,  blieben  erfolglos.  In 
Belgien  wurde  dieselbe  erst  1651  publicirt,  von  einigen 
Bischöfen  mit  Erläuterungen,  die  ihnen  eine  Vorladung  vor  die 
Inquisition  zuzogen. 

In  eine  zweite  Phase  trat  der  Streit,  als  im  J.  1651  85 
französische  Bischöfe  in  Rom  die  ausdrückliche  Verdammung 
von  fünf  aus  dem  Buche  des  Jansenius  entnommenen  Sätzen 
(Propositiones)  beantragten.  Auf  den  von  anderen  Bischöfen 
geäusserten  Wunsch,  es  möge  über  diese  Sätze,  wenn  man  sie 
überhaupt  speciell  prüfen  wolle,  in  ähnlicher  Weise  wie  über 
die  Frage  de  auxiliis  contradictorisch  verhandelt  werden,  wurde 
nicht  eingegangen.  Die  Sache  wurde  vielmehr  einer  besondern 
aus  vier  Gardinälen  bestehenden  Gongregation  überwiesen,  welche 
die  Begutachtung  der  Sätze  den  13  Theologen  der  Inquisition 
auftrug  und  den  von  beiden  Parteien  nach  Rom  gesandten 
französischen  Theologen  nur  gestattete,  sich  mündlich  oder 
schriftlich  über  die  Sache  zu  äussern.  Durch  eine  Bulle  vom 
31.  Mai  1653  verdammte  danninnocenz  X.  die  fünf  Sätze.  Durch 
ein  Decret  der  Inquisition  von  Fer.  V.  23.  April  1654,  welches 
Innocenz  X.  selbst  in  einem  Breve  vom  29.  Sept.  1654  als  eine 
nothwendige  Consequenz  seiner  Bulle  bezeichnet,  wurden  dann 
viele  Schriften  speciell  und  schliesslich  überhaupt  alle  Schriften 
verboten,   in  denen   die   in    den  fünf  Sätzen   verdammte  Lehre 


458  Die  Jausenistische  Controverse. 

des  Augustinus  des  C.  Jansenius  gebilligt  oder  vertheidigt  werde. 
Dieses  allgemeine  Verbot  wurde  1657  von  der  Inquisition  wieder- 
holt und  steht  in  den  älteren  Indices  unter  Libri,  seit  Benedict  XIV. 
in  den  Decr.  gen.  EI,  5. 

In  eine  dritte  Phase  trat  der  Streit  unter  Alexander  VIT. 
(1655 — 67),  sofern  jetzt  die  Frage  in  den  Vordergrund  trat,  ob 
man  auf  Grund  der  Bulle  von  1653  auch  anerkennen  müsse,  dass 
Jansenius  wirklich  die  fünf  Sätze  in  dem  Sinne,  in  welchem 
sie  verdammt  worden,  gelehrt  habe.  Namentlich  Arnauld 
entwickelte  1655  die  Ansicht:  bezüglich  der  Quaestio  juris,  ob 
die  fünf  Sätze  irrig  seien,  sei  der  Bulle  rückhaltlos  zuzustimmen; 
was  aber  die  Quaestio  facti  angehe,  ob  die  Sätze  in  diesem 
irrigen  Sinne  in  dem  Buche  des  Jansenius  vorgetragen  würden, 
könne  eine  innere  Zustimmung  erheischende  kirchliche  Ent- 
scheidung nicht  gegeben  werden  und  genüge  es,  in  dieser  Be- 
ziehung ein  ehrfurchtsvolles  Schweigen  (silence  respectueux)  zu 
beobachten.  Diese  Erklärung  hatte  zunächst  Amaulds  Aus- 
stossung  aus  der  Sorbonne  zur  Folge  (und  diese  das  Erscheinen 
der  Briefe  von  Pascal,  §  53).  Alexander  VII.  aber  erklärte 
in  einer  Bulle  vom  10.  Oct.  1656:  die  fünf  Sätze  seien  aus 
dem  Buche  des  Jansenius  entnommen  und  in  dem  von  diesem 
intendirten  Sinne  verdammt  worden,  womit  indirect  für  den 
Papst  auch  das  Recht  beansprucht  wurde,  bezüglich  „dogmatischer 
Thatsachen^  innere  Zustimmung  erheischende  Erklärungen  abzu- 
geben, so  dass  nunmehr  die  Frage  über  den  Umfang  der  kirch- 
lichen bezw.  päpstlichen  Unfehlbarkeit  die  Hauptfrage  wurde. 

Um  die  Bulle  von  1656  zur  allgemeinen  Geltung  zu  bringen, 
verordnete  Alexander  VII.  im  Einverständniss  mit  Ludwig  XTV. 
in  einer  neuen  Bulle  vom  15.  Febr.  1665,  es  solle  von  allen 
Bischöfen,  Geistlichen  und  Nonnen  folgendes  Formular  unter- 
schrieben werden: 

Ich  unterwerfe  mich  den  Bullen  Innocenz'  X.  vom  31.  Mai 
1653  und  Alexanders  VIT.  vom  15.  Oct.  1656  und  verwerfe  und 
verdamme  mit  aufrichtigem  Herzen  die  fünf  aus  dem  Augustinus 
des  C.  Jansenius  entnommenen  Sätze  in  dem  von  dem  Verfasser 
intendirten  Sinne,  wie  sie  der  apostolische  Stuhl  durch  die  be- 
sagten Bullen  verdammt  hat.  So  schwöre  ich,  so  wahr  mir  Gt)tt 
helfe  und  diese  h.  Evangelien  Gottes. 

Vier  französische  Bischöfe  erliessen  im  Juni  1665  Mande- 


C.  Jansenius.  459 

ments,  worin  sie  erklärten,  das  Formular  sei  zu  unterzeichnen 
avec  sonmission  de  foi  vers  le  droit  et  de  respect  et  de  discipline 
vers  les  faits  contenus  dans  les  constitutions  ou  buUes  des  papes. 
Diese  Hirtenbriefe  wurden  18.  Jan.  1667  von  der  Index-Congre- 
gation  verboten.  Die  Verhandlungen  des  Papstes  mit  der 
französischen  Regierung  über  ein  weiteres  Vorgehen  gegen  die 
vier  Bischöfe  wurden  durch  den  Tod  Alexanders  VII.  (22.  Mai 
1667)  unterbrochen.  Unter  seinem  Nachfolger  Clemens  IX.  (1667 
— 69)  kam  es  zu  einem  Ausgleich,  der  sog.  Paix  de  C16ment  IX. : 
die  vier  Bischöfe  unterzeichneten  das  Formular,  nachdem  sie 
in  einem  ProtocoU  ihrer  Ueberzeugung  in  vorsichtiger  Weise 
Ausdruck  gegeben,  und  richteten  ein  Schreiben  an  den  Papst, 
der  sie  darauf  in  einem  Breve  vom  19.  Jan.  1669  dafür  belobte, 
dass  sie  das  Formular  aufrichtig  unterschrieben  und  die  fünf 
Sätze  ohne  Vorbehalt  in  jedem  Sinne,  in  welchem  sie  von  dem 
apostolischen  Stuhle  verdammt  worden,  verdammt  hätten.  — 
In  den  nächsten  Decennien  wurde  in  Frankreich  ziemlich  allge- 
mein die  Unterzeichnung  des  Formulars  mit  dem  von  den  vier 
Bischöfen  gemachten  Vorbehalte  als  zulässig  angesehen.  So 
trat  der  Jansenistische  Streit  in  den  Hintergrund,  zumal  nach- 
dem unter  Clemens  X.  (1670—76)  der  Regalienstreit  und  unter 
Innocenz  XI.  (1676 — 89)  die  gallicanische  und  die  quietistische 
Controverse  aufgetaucht  waren. 

Es  kamen  etwa  100  mit  der  in  diesem  Paragraphen  darge- 
stellten Controverse  zusammenhangende  Schriften  und  Schriftchen 
in  den  Index,  darunter  etwa  20  vonArnauld.  Im  spanischen 
Index  von  1707  stehen  die  Verdammung  des  Buches  des  Jan- 
senius und  der  fünf  Sätze  und  das  allgemeine  Verbot  der  Schrif- 
ten zu  Gunsten  derselben,  aber  nur  wenige  specielle  Verbote. 
Ton  dem  Index  von  1747  wird  später  die  Rede  sein. 

1.  JaDsenius  beauftragte  mit  der  Veröffentlichung  seines  Au- 
^stinus  vor  seinem  Tode  (6.  Mai  1638)  den  Professor  Liberias 
Tromondns  (Froidmond )  zu  Löwen  und  den  Canonicus  Henr.  Calenus 
zu  Hecheln.  Das  Buch  wurde  bei  Jacob  Zegers  in  Löwen  gedruckt 
tmd  1640  der  Druck  vollendet^).      Die  Jesuiten  hatten   sich   durch 


l)  Ueber  die   hier  in  Betracht   kommenden  Schriften    und  Schrift- 
stücke  gibt   am   besten  Auskunft   die  Histoire   generale   du  Jansenisme, 


460  Die  Janscuistische  Controverse. 

einen  Arbeiter  des  Druckers  die  Ansbängebogen  verBcbalft  (Cr^t. 
Joly  4,  15)  und  maebten  dem  Interuuncius  Stravius  Mittbeilung. 
Dieser  scbrieb  an  den  Card,  ßarberini  und  erbielt  die  Weisung,  sieb 
für  die  Suspension  der  Veröffentlicbung  zu  bemüben,  da  Bücber  de 
auxiliis  niebt  obne  Genebmigung  der  Inquisition  gedruckt  werden 
dürften.  Das  Bucb  wurde  aber  veröffentlicbt  und  Anfang  1641  aucb 
in  Paris  mit  Approbation  von  5  Doctoren  gedruckt  (1643  auch  in 
Rouen).  Der  Jesuit  Petrus  Biverus  (Vivero)  scbrieb  nun  ein  M  e- 
morial  al  Serenissimo  Cardenal  Infante  de  Espafia  und  einen  Brief 
AI  Emin.  y  Rev.  Seftor  Cardenal  de  la  Cueva  de  la  Congregacion 
de  la  S.  Inquisicion  (26.  Jan.  1641),  und  die  Jesuiten  Ign.  Der  kenn  is 
und  Jü.  de  Jongbe  Hessen  Tbeses  tbeol.  de  gratia,  libero  arbitrio, 
praedestinatione  etc.,  in  quibus  doctrina  tbeologorum  Soc.  J.  contra 
Com.  Jansenii  Augustinum  defenditur,  in  sex  capita  divisae,  drucken 
(Antw.  1641*,  124  S.  Fol.)  und  22.  März  im  Jesuiten-CoHegium 
vertbeidigen.  Der  Drucker  Jo.  Zegers  überreicbte  nun  dem  Car- 
dinal-Infanten  eine  (natürlicb  von  den  Freunden  des  Jansenius  ver- 
fasste)  Humilis  et  supplex  querimonia  adv.  libellum  R.  P.  [Biveri] 
8.  J.,  regiae  capellae  Bruxellensis  concionatoris,  et  tbeses  Patrum 
S.  J.  Lovanii  a.  1641,  12.  Martii  disputatas,  von  der  bald  nach 
einander  3  Auflagen  gedruckt  wurden.  Biverus  scbrieb  darauf  ein 
Memoriale  ad  Em.  Card,  de  la  Cueva  circa  querimoniam  frivolam 
Jansenianam  .  .  .,  24  S.  Fol.*.  Die  Löwener  Theologen  schrieben 
dagegen  Clypeus  adv.  tela  R.  P.  Viveri  und  Spongia  mendorftm  R.  P. 
V.  Die  Löwener  Jesuiten  veröfl^entlicbten  darauf  Tbeses  tbeol. 
apologeticae  et  miscellaneae  adv.  doctrinam  Corn.  Jansenii  propu- 
gnatam  ab  ejus  patronis  sub  praetextu  typographi  Lovaniensis  (Antw. 
1641*,  16  S.  Fol.)  und  Biverus  eine  Epistola  an  die  Doctores 
Janseniani,  beginnend:  Ad  rem,  ad  rem;  quod  nulla  res  est,  pmnino 
nihil  est  (1  Folioblatt*).  Am  16.  Juni  veröffentlichten  dann  Fro- 
mondus  und  Calenus  eine  Epistola,  beginnend  Tbeses  vestras,  worin 
sie  die  Jesuiten  auffordern,  die  Polemik  einzustellen  und  dem  h. 
Stuhle  die  Entscheidung  zu  überlassen,  worauf  die  Jesuiten  mit  einer 
Epistola  eximio  ac  admddum  rev.  D.  Liberto  Fromondo  etc.  ant- 
worteten. 

Durch  ein  Decret  der  Inq.  von  Fer.  V.  1.  Aug.  1641  (Alex. 
No.  46)  wurden  die  Löwener  und  die  Pariser  Ausgabe  des  Augu- 
stinus und  alle  vorbin  genannten  Schriften  (mit  Ausnahme  des  Cly- 
peus und  der  Spongia)  und  noch  einige  andere  (s.  u.)  wegen  Ver- 
letzung der  Verordnungen  von  1611  und  1625  bezüglich  der  de 
auxiliis  handelnden  Schriften  bei  Strafe  der  Excomm.  1.  sent.  verboten. 
Zugleich  wurden  in  diesem  Decrete  unter  Androhung  der  reservirten 
Excomm.  1.  sent.  und  anderer,  aucb  körperlicher  Strafen  jene  Verord- 
nungen eingeschärft,  mit  dem  Zusätze:  es  dürfe  auch  nicht  unter 
dem   Vorwande  einer  philosophischen  Erörterung  de  concursu  causae 


Amst.  1700,  3  vol.  12.  (von  Gerberon;    im  Texte  mit  Gerb,  citirt).     Vgl. 
Racine  vol.  11  und  S.-Beuve  2,  92  (1,  521). 


Loewener  Streitschriften,  1641.  461 

primae  cum  secunda,  and  namentlich  nicht  unter  dem  Verwände  der 
Yertheidigung  oder  Bekämpfung  des  Buches  des  Jansenins  oder  der 
Thesen  der  Jesuiten^)  oder  anderer  in  diesem  Decrete  verbotener 
Schriften  irgend  etwas  über  die  materia  auxiliorum  divinorum  oder 
über  Gnade  und  Willensfreiheit  veröffentlicht  werden;  auch  dürfe 
dagegen  nicht  geltend  gemacht  werden,  dass  die  Decrete  von  1611 
und  1625  in  einer  Provinz  nicht  publicirt  oder  recipirt  seien.  — 
Die  Schriften,  welche  ausser  den  genannten  in  diesem  Decrete  ver- 
boten wurden,  sind :  Cornelii  Jansenii  Iprensis  episcopi  laudatio  fane- 
ralis  dicta  a  K.  Fr.  Jo.  a  Lapide,  die  bei  dem  Anniversarium  für 
Jansenins  4.  Mai  1640  gehaltene  und  zu  Löwen  gedruckte  Rede  eines 
Praemonstratensers,  —  Augustini  Hipponensis  et  Augustini  Ipren- 
sis de  Deo  omnes  salvari  volente  et  Christo  redimente  homologia 
per  thcses  antiapologeticas  expressa  et  Lovanii  loco  per  Jac.  Zegers 
designando  propugnanda,  quando  adversariis  videbitnr,  Lov.  1641 
(nach  Gerb.  1,26  von  Jo.  Sinnich);  Somnium  Hipponense  sive  Ju- 
dicium Augustini  de  contro versus  theologicis  hodiernis,  relatore 
Philetymo  8.  T.  Baccalaureo  formato,  Par.  1641  (nach  Gerb.  1,  27 
•von  Stockmans,  nach  Paquot  1,  15  u.  a.  von  Fromond). 

Das  Conseil  de  Brabant  verbot  die  Publication  des  Inquisitions- 

decretes  und   das  Conseil  du  Roi  erklärte  es  für  unverbindlich,    so 

lange  es  nicht  das  Placet  erhalten.     Die  Löwener  Professoren  Hessen 

eine    Attestatio    notarialis    (des    Notars    der    Universität,    Peter 

Hintaert)  quod  neque  decretum  S.  D.  Urbani  VIII.  neque  Pauli  V. 

Lovanii  sit  publicatum,  drucken  und  ein  NeiFe  des  Com.  Jansenius, 

Jean  Jansenius,  Canonicus  zu  Furnes,  ein  Memorial  au  Roy,  worin 

er  sich  über   das  Decret  der  Inq.  beschwert   und    dem  er  eine  von 

dem    Universitätsnotar    beglaubigte    Sammlung    von     Testimonia 

eruditorum  virorum    celebrantia   librum   cui   tit.  Com.  Jansenii  .  .  . 

Augustinus    beigefügt   hatte.      Das    Somnium    Hipponense    erschien 

nochmals  unter  dem  Titel:     Conveutus  africanus  s.  disceptatio  judi- 

cialis    apud    tribunal    praesnlis  Augustini    inter    veteris   et  novitiae 

theologiae  patronos,    enarratore   Artemidoro  Oneirocritico,    Ronen 

1641,  und  Fromondus  veröffentlichte  unter  seinem  Namen  Brevis 

anatomia  hominis,  naturam  ejus  talem  repraesentans,  qualem  S.  Aug. 

olim  nobis  descripsit,  Lov.  1641,  4. 

Nunmehr  erliess  Urban  VIII.  die  Bulle  In  eminenti  vom  6. 
März  1642,  worin  das  Inquisitionsdecret  ausdrücklich  bestätigt  wird 
und  auch  die  eben  genannten  Schriften  verboten  werden.  Ferner 
heisst  es  darin:  bei  einer  sorgfältigen  und  reiflichen  Prüfung  des 
Buches  von  Jansenins  habe  sich  postmodum  (nach  der  Publication 
des  Inquisitionsdecretes)  herausgestellt,  dass  darin  viele  von  Pius  V. 
und  Gregor  XIII.  (in  den  Bullen  gegen  M.  Bajus)  bereits  verdammte 


1)  Cantü,  Storia degli  Italiani  6,  67  sagt:  im  Index  von  1744  würden 
verb.  libri  omnes  .  .  .  tarn  contra  quam  pro  Com.  Jansenio  et  Patribus 
Jesuitis,  und  scheint  zu  meinen,  das  sei  ein  damals  erlassenes  Verbot.  Ks 
steht  wörtlich  so  schon  bei  Alex. 


462  Die  Jansen  isiische  Controverse. 

Sätze  enthalten  seien  und  zum  grossen  Aergerniss  für  die  Katho- 
liken und  mit  Missachtung  der  Autorität  des  h.  Stahles  gegen  diese 
Verdammungen  vertheidigt  würden;  darum  würden  die  Ballen  der 
genannten  Päpste  bestätigt  und  das  Buch  des  Jansenius,  welches  die 
darin  verdammten  Meinungen  erneuere,  sammt  den  anderen  Schriften 
verboten.  Diese  Bulle  wurde  auffallender  Weise  erst  19.  Juni  1643 
in  Rom  angeheftet  (Gerb.  1,49.  67).  Einige  Verwirrung  erregte 
es,  dass  sie,  wie  das  bei  Bullen  üblich  war,  anno  incamationis 
millesimo  sexcentesimo  quadragesimo  primo,  pridie  nonas  Martii 
(das  Jahr  mit  dem  25.  März  beginnend)  datirt  war  (die  Balle  steht 
sogar  noch  bei  Alex.  No.  45  vor  dem  Decrete  vom  1.  Aug.  1641). 

Die  Bulle  wurde  mit  einem  königlichen  Schreiben  vom  27. 
Nov.  1643  der  Sorbonne  übersandt.  Diese  erklärte,  sie  nehme  die 
Doctrin  der  Bulle  an,  wahre  sich  aber  ihr  altes  Recht,  über  alle 
Theile  der  Lehre  des  Magister  Sententiarum ,  auch  de  aaxiliis  zu 
disputiren  und  zu  schreiben.  Der  Nuncins  Grimaldi  sagte  einer 
Deputation  der  Facultät,  es  sei  nur  verboten,  die  verdammten  Sätse 
zu  lehren  (Arg.  III  a  49.  52).  Die  Sorbonne  untersagte  aber  1.  Oct. 
den  Doctoren  die  Approbation  von  Büchern  für  and  gegen  Jansenius 
(Boileau,  Joxi/namfig  p.  91).  Erzbischof  Gondi  von  Paris  publicirte 
die  Bulle  11.  Dec.  1643,  —  sie  wurde  auch  von  anderen,  nicht  von 
allen  französischen  Bischöfen  publicirt,  —  und  wiederholte  dabei 
das  schon  4.  März  erlassene  Verbot,  die  betreffende  Controverse  auf 
die  Kanzel  zu  bringen  (Arg.  III  b  246).  Gondi  hatte  auf  Betreiben 
der  Jesuiten  in  einem  Mandement  vom  27.  Jan.  1643  auch  verboten: 
Theologie  familiäre  ou  Instruction  de  ce  que  le  chr6tien  doit  croire 
et  faire  en  cette  vie  pour  etre  sauve,  par  M.Jean  du  Vergier  de 
Hauranne,  abb6  de  Saint  Cyran.  St.  Cyran  hatte  diesen  kleinen 
Catechismus  auf  die  Bitte  des  Generaladvocaten  Bignon  für  dessen 
Kinder  geschrieben;  er  wurde  von  seinen  Freunden  mit  einer  vom 
1.  Oct.  1642  datirten  Approbation  von  5  Doctoren  herausgegeben 
und  erschien  im  Jan.  1643  kurz  vor  St.  Cyrans  Entlassung  aas  der 
Haft.  Arnauld  und  seine  Freunde  bestimmten  den  Erzbischof,  sein 
Mandement  kurz  vor  der  Publication  durch  ein  anderes  zu  ersetzen 
(Arn.  29,  588.  S.-Beuve  2,  200).  In  Rom  wurden  1654  alle  Aas- 
gaben des  Schriftchens  verboten  (1693  erschien  die  13.  Ed.). 

Von  den  1643  ff.  in  Paris  erschienenen  Streitschriften  sind 
(weil  sie  später  in  den  Index  kamen)  folgende  zu  erwähnen: 
Apologie  de  M.  Jansenius  ev.  d'Ypre  et  de  la  doctrine  de  St.  Au- 
gustin  expliqu^e  dans  son  livre  intitule  Augustinus  contre  trois  ser- 
mons  de  M.  Habert,  theologal  de  Paris,  P.  1644,  —  gegen  drei 
Predigten,  die  Isaac  Habert  am  1.  und  4.  Adventssonntag  1642  und 
im  Sept.  1643  gehalten,  auf  Veranlassung  Saint  Cyrans  (f  11.  Oct. 
1643)  von  Arnauld  geschrieben.  Gegen  Haberts  Entgegnung,  La 
defense  de  la  foy  de  TEgl.  et  de  Tancienne  doctrine  de  Sorbonne 
touchant  les  principaux  points  de  la  grace  etc.,  1644,  schrieb  Ar- 
nauld Apologie  seconde  pour  M.  Jansenius  .  .  .  contre  la  reponse 
que  M.  Habert  .  .  .  a  faite  a  la  premi^re  Apologie,  1645  (Am.  16, 


Balle  TJrbans  VIII.  von  1642.  463 

M);  17, 1)^).  Im  J.  1646  wurden  dann,  wahrscheinlicli  von  Habert, 
)  Sätze  aus  dem  Augustinus  zusammengestellt  und  nach  Rom  ge- 
landt  (abgedr.  Gerb.  1,  186).  Dagegen  erschien  zu  Löwen  1646 
Sxamen  libelli,  cui  titulus  est:  Propositiones  excerptae  ex  Au- 
l^stino  Rev.  D.  Cornelii  Jansenii  episc.  Ipr.  quae  in  speciem  ex- 
libentur  Suae  Sanctitati. 

Die  Löwener  Universität  opponirte  mit  Zustimmung  mehrerer 
lelgischer  Bischöfe  längere  Zeit  gegen  die  Bulle  von  1642.  Im  J. 
1643  schickte  sie  im  Einverständniss  mit  dem  Erzbischof  Jacob 
)aonen  von  Mecheln  und  dem  Bischof  Anton  Triest  von  Gent  den 
Pheologen  Jo.  Sinnich  und  den  Canonisten  Cornelius  Papius  (de 
?aep,  Oratorianer)  nach  Rom,  um,  wenn  nicht  eine  Zurücknahme, 
loch  eine  Erläuterung  resp.  Modification  der  Bulle  zu  erwirken. 
^iese  erreichten  natürlich  nichts;  nur  wurde  ihnen,  da  sie  auch 
larauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Abschriften  und  Abdrücke  der 
3alle  nicht  genau  mit  einander  übereinstimmten,  29.  Juli  1644  eine 
»eglaubigte  Abschrift  derselben  sammt  einem  Decrete  der  Inq.  von 
?*er.  V.  16.  Juni  1644  eingehändigt,  welches  bezüglich  aller  die 
Jnlle  betreffenden  Zweifel,  Schwierigkeiten  und  Klagen  für  immer 
idiweigen  gebot  (abgedr.  Const.  p.  54).  Die  Denkschriften,  welche 
ie  in  Rom  überreicht  hatten,  Hess  Sinnich  1644  nach  seiner  Rück- 
kehr (Papius  starb  in  Rom  1644)  drucken:  Memoralia  per  depn- 
atos  academiae  Lovan.  exhibita  Romae  Summis  Pontif.  Urbano  YIII. 
>t  Innocentio  X.  pro  doctrina  B.  Augustini  manutenenda  .  .  .(16S. 
L*),  verb  1654^).  —  Von  den  in  den  nächstfolgenden  Jahren  in  Belgien 
irsohienenen  Streitschriften  kamen  mehrere  später,  meist  1654,  in 
Leu  Index.  Der  Prämonstratenser  Macarius  Semeomo  schrieb  gegen 
Konferenzen,  die  der  Jesuit  W.  Landsheer  1646  in  Antwerpen  ge- 
lalten  und  in  denen  er  Jansenius  scharf  angegriffen,  anonym  Col- 
atio  Antwerpiensis  ad  Petrum  Aurelium  und  Novus  Prosper  ad 
lovnm  collatoreni,  beide  Lov.  1647.  Fromond  schrieb  1644  anonym 
]!hrysippus  s.  de  libero  arbitrio  epistola  circularis  ad  philosophos 


1)  Es  ist  auffallend,  dass  Floren tii  Conrii  Peregrinus  Hiericuntinus, 
Paris  1641,  weder  jetzt  noch  später  verboten  wurde.  Conry,  Franciscaner, 
ritnlarbischof  von  Tuara,  f  1631  (Hurter  1, 497),  hatte  für  das  Schriftchen, 
nreil  es  de  auxiliis  handelte,  in  Rom  die  Drudcerlaubniss  nicht  erhalten. 
Die  Ausgabe  von  1641  ist  von  Arnauld  besorgt,  wahrscheinlich  auch  die 
französische  üebersetzung  von  1645  (Arn.  10,  LXXXVIII). 

2)  Bei  St.  Amour,  Reo.  p.  270  ist  eine  Erklärung  abgedruckt,  die 
Sinnich  1647  eidlich  vor  einem  Notar  abgab:  Urban  VlII.  habe  ihm  26. 
!^ov.  1643  gesagt:  er  habe  durch  seine  Bulle  nur  die  Bulle  Pius'  V.  be- 
stätigen, niemand  mit  Nennung  seines  Namens  censuriren  und  der  Lehre 
des  Augustinus  nicht  zu  nahe  treten  wollen;  auf  die  Einwendung:  wie 
denn  der  Name  des  Jansenius  in  die  Bulle  hineingekommen  sei,  habe  er 
gesagt,  Sinnich  solle  mit  Albizzi  sprechen,  der  die  Bulle  entworfen  habe. 
Uass  dieser  gegen  den  Willen  und  ohne  Vorwissen  des  Papstes  den 
Passus  über  Jansenius  in  die  Bulle  eingeschoben,  ist  viel  weniger  wahr- 
scheinlich, als  dass  Sinnich  Urban  YIII.  missverstanden  oder  dieser  nicht 
ganz  die  Wahrheit  gesagt. 


454  Arnaulds  Buch  über  die  Communion. 

«elben  aber  durch  Umstände  verzögert  worden;  die  1745  erschienene 
Ausgabe  retractire  und  verdamme  er.  Noch  1747  war,  doch  schwer- 
lich gegen  Pichons  und  seiner  Oberen  Willen,  in  Lüttich  die  1. 
Ausgabe  nachgedruckt  worden;  eine  corrigirte  Ausgabe  ist  nicht  er- 
schienen, —  mit  der  Aenderung  einzelner  Stellen  war  ja  hier  auch 
nicht  zu  helfen.  Die  Zahl  der  Bischöfe  die  das  Buch  verboten 
oder  die  früher  ertheilte  Approbation  ausdrücklich  zurücknahmen, 
stieg  im  J.  1748  auf  mehr  als  20,  und  13.  Aug.  1748  und  noch- 
mals 11.  Sept.  1750  wurde  es  auch  in  Rom  verb.  Auch  die  Me- 
moires  de  Trevoux,  die  das  Buch  im  Oct.  1745  gelobt,  zogen  sich 
im  März  1748  zurück.  —  Die  Bischöfe,  welche  gegen  Pichon  auf- 
traten, waren  nicht  alle  Gegner  der  Jesuiten;  der  erste,  der  das 
Buch  öffentlich  tadelte,  war  der  Erzb.  Languet  von  Sens^).  Mehr 
noch  als  das  Buch  selbst  und  die  sehr  erklärlichen  Angriffe  der 
„Jansenisten^  auf  Pichon  und  le  Pichonisme  haben  der  Reputation 
der  Jesuiten  die  anonymen  Broschüren  geschadet,  in  denen  sie  Pichon 
zu  entschuldigen  und  dessen  Gegner  zu  discreditiren  suchten  (N.  £. 
1748,  57.  89.  113.  115j.  In  Spanien  wurde  Pichons  Buch  erst 
1777  verb. 

4.  In  der  Vorrede  der  Fr6q.  Comm.  spricht  Arnauld  von  einer 
Pfarrei  in  der  Diöcese  Sens,  wo  die  alte  Praxis  der  öffentlichen 
Kirchenbusse  noch  bestehe  (es  war  St.  Maurice,  wo  du  Hamel,  ein 
Schüler  Saint  Cyrans  Pfarrer  war).  Anderswo  (9,  292)  hebt  er 
hervor,  dass  die  öffentliche  Busse  für  öffentliche  und  Aergemiss 
gebende  Sünden  von  dem  Trienter  Concil,  dem  h.  Carl  Borromäus, 
dessen  Mailänder  und  anderen  Synoden  empfohlen  worden,  und  er- 
wähnt, dass  sie  in  mehreren  französischen  Diöcesen  wieder  einge- 
führt werde.  Dieses  geschah  in  mehr  oder  minder  grosser  Aus- 
dehnung von  dem  Erzbischof  de  Gondrin  von  Sens  und  den  Bischöfen 
Buzenval  von  Beauvais,  Pavillon  von  Aleth  (in  dem  Rituel  d'Aleth), 
später  (1699)  von  B.  Colbert  von  Montpellier.  Von  den  Jesuiten 
und  ihren  Freunden  wurde  dieses  als  Jansenismus  und  Rigorismus 
bekämpft  (Am.  25,  274).  Als  der  Jesuit  Menestrier  1672  in  einer 
Predigt  gesagt  hatte,  die  Kirche  habe  die  öffentliche  Busse  abge- 
schafft und  sehe  sie  jetzt  als  Pharisäismus  an,  veröffentlichte  der 
Generalvicar  des  Erzbischofs  von  Sens,  Alex.  Varet  (nach  dem 
Tode  des  Erzbischofs  zog  er  sich  nach  Port-Royal  zurück,  f  1675) 
Defense  de  la  discipline  qui  s^observe  dans  le  dioc^se  de  Sens 
touchant  Timposition  de  la  penitence  publique  pour  les  p&chez 
publics,  imprimee  par  Tordre  de  TArchiveque  [und  mit  Approbation 
von  9  anderen  Bischöfen],  Sens  1673*,  8.  Die  Schrift  wurde,  — 
doch  mit  Weglassung  des  imprimee  etc.,  —  1679  von  der  Index- 
Congr.  verb.  Arnauld  (9,  292)  sagt,  man  habe  sich  bei  Innocenz  XI. 
über  dieses  Verbot  beklagt  und  der  Papst  habe  eingestanden,  das- 
selbe sei  eine  Uebereilung  gewesen,  und  Abhülfe  versprochen;  die 


1)  Pichon  wurde  übrigens   von  dem  Bischof  von  Sitten   zum  Gene- 
ralvicar ernannt,  f  1751. 


Riiuel  d'Aleth.  455 

Sache  sei  aber  in  Vergessenheit  gerathen.  An  eine  Zurücknahme 
des  Verbots  hat  man  in  Rom  schwerlich  gedacht;  1684  wurde  viel- 
mehr eine  ähnliche  Schrift  verb.:  Defense  de  la  discipline  qui 
s^observe  dans  plusienrs  dioceses  de  France,  touchant  Timposition 
.  .   .,  Sens  1677  (wohl    eine   neue  Ausgabe  der  Schrift  von  Varet). 

5.  Von  dem  Rituel  Romain  du  Pape  Paul  V.  ä  l'usage  du 
dioc^se  d'Alet,  avec  les  Instructions  et  les  rubriques  en  frangais, 
heisst  es  in  dem  Breve  Clemens  IX.  vom  9.  Apr.  1668  (Arg.  III  b 
835):  es  enthalte  nicht  nur  einiges,  was  dem  von  Paul  V.  heraus- 
gegebeneu Rituale  fremd  sei,  —  was  ja  nicht  verboten  war  (S.  218), 
—  sondern  auch  (in  den  Instructions)  Lehren  und  Sätze,  die  falsch, 
Singular,  in  der  Praxis  gefährlich,  irrig,  der  in  der  Kirche  recipirten 
Gewohnheit  und  den  kirchlichen  Verordnungen  zuwider  seien,  durch 
deren  Leetüre  und  Anwendung  die  Christgläubigen  allmählich  zu 
schon  verdammten  Irrthümern  verleitet  und  mit  schlechten  Mei- 
nungen angesteckt  werden  könnten;  demgemäss  werde  es  motu 
proprio  .  .  .  kraft  apostolischer  Autorität  verdammt  und  das  Lesen, 
Behalten  und  Gebrauchen  desselben  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm. 
1.  sent.  verboten;  die  Exemplare  seien  den  Ortsbischöfen  oder  Inqui- 
sitoren, von  den  Angehörigen  der  Diöcese  Aleth  dem  Erzbischof 
oder  einem  benachbarten  Bischof  abzuliefern  und  von  diesen  unver- 
züglich zu  verbrennen. 

Gueranger,  Inst.  lit.  2,  60  (Coli.  Lacensis  1,  816)  sagt  zur 
Erklärung  dieses  Breves :  „Der  Bischof  hatte  gewagt,  in  das  Ri- 
tuale mehrere  der  Maximen  von  Saint  Cyran  und  Arnauld  über  den 
Empfang  der  Sacramente  ...  an  hundert  Stellen  einfliessen  zu 
iasssn,  obschon  man  sich  mit  der  grössten  Sorgfalt  bemüht  hatte, 
nicht  zu  starke  Ausdrücke  anzuwenden,  um  nicht  bei  dem  h.  Stuhle 
anzustossen,  der  schon  das  Buch  Arnaulds  über  die  häufige  Commu- 
nion  verdammt  (foudroy^)  hatte"  (s.  o.).  —  Der  Hauptgrund  des 
Vorgehens  des  Papstes  war  ohne  Zweifel  nicht  die,  wie  Gueranger 
selbst  zugibt,  sehr  massvolle  Anlehnung  an  die  „Jansenistischen" 
Pastoralgrundsätze,  sondern  die  oppositionelle  Stellung  des  Bischofs 
gegen  die  Bulle  Alexanders  VII.,  wovon  §  52  die  Rede  sein  wird. 
Nach  der  einige  Monate  später  erfolgten  Aussöhnung  des  Bischofs 
mit  Rom  und  vollends  nachdem  er  1677  für  seine  Haltung  in  dem 
Regalienstreite  (§  59)  von  Innocenz  XI.  belobt  worden,  würde  das 
Breve  wohl  nicht  mehr  erlassen  worden  sein.  Scandalös  ist  es 
aber,  dass,  während,  wie  Arnauld  (4,  130)  hervorhebt,  die  unsitt- 
lichen casuistischen  Bücher  von  Amadaeus  Guimenius  u.  a.  einfach 
in  den  Index  gesetzt  wurden,  hier  in  feierlicher  Weise  durch  ein 
besonderes  Breve  ein  von  einem  frommen  Bischof  herausgegebenes 
Buch,  dem  man  höchstens  eine  zu  strenge  Moral  vorwerfen  konnte, 
zum  Feuer  verdammt  wurde.  —  Der  Bischof  schaffte  das  Rituale 
nicht  nur  nicht  ab,  sondern  veröffentlichte  im  Juli  1668  eine  Lettre 
pastorale  contre  leBref  qui  condamne  le  RitueP),  worin  er  sagt:  das 


1)  abgedr.  in  Vie  de  M.  Pavillon,    eveque  d'Alet,  Saint  Miel  1738", 


456  Rituel  d'Aluth. 

päpstliche  Decret  habe  in  Frankreich  keine  Geltung  und  sei  unge- 
recht ;  er  hätte  doch  wohl  erwarten  dürfen,  dass  der  Papst  ihn  vor 
der  Verdammung  erinnert  und  gehört  hätte;  es  sei  nur  zu  wahr, 
dass  man  in  Rom  Bücher  aus  politischen  Rücksichten  verdamme 
u.  8.  w.  Pavillon  schrieb  unmittelbar  vor  seinem  Tode  (t  8.  Dec. 
1677)  an  Innocenz  XI.  einen  Brief,  der  in  sehr  devoten  Ausdrücken 
ahgefasßt  ist,  aber  keine  Unterwerfung  enthält  (Avr.  3,  66). 

Das  Breve  wurde  in  Frankreich  nicht  publicirt.  1669  traten 
einige  Bischöfe  und  Theologen  mit  Vorwissen  des  Königs  bei  dem 
Bischof  von  Chalons  zusammen,  machten  einige  unbedeutende  Aen- 
derungen  an  dem  Rituale,  welche  Bischof  Pavillon  billigte,  und  1677* 
erschien  eine  neue  (dritte)  Ausgabe  desselben  mit  der  Approbation 
von  29  Bischöfen.  Abb6  Pontch&teau,  der  in  Sachen  des  Regalien- 
streites als  Ahgesandter  Pavillons  in  Rom  war,  überreichte  Inno- 
cenz XI.  die  neue  Ausgabe  und  hoffte,  eine  Zurücknahme  des  Ver- 
botes erwirken  zu  können,  —  der  Papst  sagte  1686  dem  Card. 
Rospigliosi,  das  Rituale  sei  troppo  aspramente  verdammt  worden. 
Diese  Hoffnung  war  allerdings  eitel;  aber  man  bestand  nicht  auf 
der  Publication  des  Breves  und  weder  die  neue  Ausgabe  noch  die 
Lettre  pastorale  wurde  verhoten^).  —  In  einem  Berichte  über  die  „Un- 
ordnungen in  Flandern,"  der  1675  nach  Rom  gesandt  wurde  (Laem- 
mer,  Mel.  p.  397),  heisst  es:  das  Rituale  sei  auch  in  Löwen  ge- 
druckt worden,  mit  einer  Approbation  des  erzbischöflichen  Censors, 
worin  die  Verdammung  als  ungerecht  bezeichnet  werde;  diese  Aus- 
gabe sei  allerdings  nachträglich  confiscirt  worden,  aber  eine  angeh- 
lich  zu  Paris  gedruckte  werde  viel  gekauft. 

Das  Rituel  d'Aleth  wurde  nach  dem  Tode  Pavillons  noch  ein- 
mal Gegenstand  einer  lebhaften  Controverse  zwischen  zwei  franzö- 
sischen Bischöfen.  Der  Bischof  de  Vintimille  von  Toulon  (später 
Erzbischof  von  Paris)  verbot  durch  eine  Ordonnanz  vom  18.  Febr. 
1678  das  Rituel,  das  N.  T.  von  Mens,  L'office  von  I.  Le  Maitre 
de  Sacy,  Le  miroir  von  Gerberon  und  —  Le  moine  secularise.  Der 
Bischof  Persin  de  Montgaillard  von  St.  Pons  veröffentlichte  darauf 
eine  Lettre  k  M.  r^veque  de  Toulon  sur  le  rituel  d'Alet,  und  es 
folgten  von  beiden  Seiten  noch  mehrere  Streitschriften.  In  Rom 
hat  man  davon  aber  keine  Notiz  genommen^). 


vol.  3,  p.  381—419.  (Das  Buch  ist  zu  Chartres  gedruckt  und  von  dem 
Pariser  Dr.  Ant.  de  la  Chassaigne  de  Chateaudun  verfasst.  Der  ganze 
8.  Band  handelt  von  der  Affaire  du  Rituel).  Beigefügt  ist  p.  420  die  Appro- 
bation der  Bischöfe.  Vgl.  ü.  N.  1706,  765. 

1)  Arn.  4,  167;  9,  289;  35,  XXV.  Michaud  4,  286. 

2)  Recueil  de  ce  qui  s'est  passe  entre  Mess.  les  eveques  de  Saint 
Pons  et  de  Toulon  au  sujet  du  rituel  d'Alet;  Suite  de  ce  qui  etc.  Lettre 
d'un  theologien  ...  au  sujet  du  Rituel  (gegen  St.  Pons);  Eztrait  fait  par 
M.  l'ev.  de  St.  Pons  de  plus  de  26  faussetes  ...  et  heresies  .  .  .  dans 
la  Seconde  Lettre  d'un  theologien  ...  S.  1.  et  a.*  (zusammen  ein  starker 
Band  in  12.).  Vgl.  A.  J.  P.  2,  2649.  Michaud  4,  284. 


Die  Jaiiscuibüsche  Coutrovcrsc.  457 


52.     Die  Jansenistische  Controverse,   1641  —  1669. 

Der  Augustinas  des  Cornelius  Jansenius,  Bischofs  von 
Ypern,  welcher  erst  nach  seinem  Tode  (0.  Mai  1638)  im  J. 
1641  erschien,  wurde  zunächst  sammt  mehreren  durch  die  Ver- 
öffentlichung hervorgerufenen  Streitschriften  durch  ein  Decret 
der  Inquisition  Fer.  V.  1.  Aug.  1641  wegen  Verletzung  der  Ver- 
ordnungen bezüglich  der  de  auxiliis  handelnden  Schriften  (8.  299) 
verboten.  Durch  eine  Bulle  vom  6.  März  1642  bestätigte  Ur- 
ban  VIII.  dieses  Decret,  verbot  einige  weitere  Streitschriften 
und  motivirte  das  Verbot  des  Buches  von  Jansenius  nun  auch 
damit,  dass  darin  einige  in  den  gegen  M.  Bajus  erlassenen 
Bullen  (I  S.  445)  bereits  verdammte  Sätze  enthalten  seien.  Die 
Bemühungen  der  Löwener  Theologen,  eine  Modification  oder 
Erläuterung  dieser  Bulle  zu  erwirken,  blieben  erfolglos.  In 
Belgien  wurde  dieselbe  erst  1651  publicirt,  von  einigen 
Bischöfen  mit  Erläuterungen,  die  ihnen  eine  Vorladung  vor  die 
Inquisition  zuzogen. 

In  eine  zweite  Phase  trat  der  Streit,  als  im  J.  1651  85 
französische  Bischöfe  in  Rom  die  ausdrückliche  Verdammung 
von  fünf  aus  dem  Buche  des  Jansenius  entnommenen  Sätzen 
(Propositiones)  beantragten.  Auf  den  von  anderen  Bischöfen 
geäusserten  Wunsch,  es  möge  über  diese  Sätze,  wenn  man  sie 
überhaupt  speciell  prüfen  wolle,  in  ähnlicher  Weise  wie  über 
die  Frage  de  auxiliis  contradictorisch  verhandelt  werden,  wurde 
nicht  eingegangen.  Die  Sache  wurde  vielmehr  einer  besondern 
aus  vier  Gardinälen  bestehenden  Congregation  überwiesen,  welche 
die  Begutachtung  der  Sätze  den  13  Theologen  der  Inquisition 
auftrug  und  den  von  beiden  Parteien  nach  Rom  gesandten 
französischen  Theologen  nur  gestattete,  sich  mündlich  oder 
schriftlich  über  die  Sache  zu  äussern.  Durch  eine  Bulle  vom 
31.  Mai  1653  verdammte  danninnocenz  X.  die  fünf  Sätze.  Durch 
ein  Decret  der  Inquisition  von  Fer.  V.  23.  April  1654,  welches 
Innocenz  X.  selbst  in  einem  Breve  vom  29.  Sept.  1654  als  eine 
nothwendige  Consequenz  seiner  Bulle  bezeichnet,  wurden  dann 
viele  Schriften  speciell  und  schliesslich  überhaupt  alle  Schriften 
verboten,   in  denen   die    in    den  fünf  Sätzen  verdammte  Lehre 


458  Die  Jansen  istische  Controverse. 

des  AagU8tinu8  des  C.  Janseuius  gebilligt  oder  vertheidigt  werde. 
Dieses  aligemeine  Verbot  wurde  1657  von  der  Inquisition  wieder- 
holt und  steht  in  den  älteren  Indices  unter  Libri,  seit  Benedict  XIV. 
in  den  Decr.  gen.  11,  5. 

In  eine  dritte  Phase  trat  der  Streit  unter  Alexander  VII. 
(1655 — 67),  sofern  jetzt  die  Frage  in  den  Vordergrund  trat,  ob 
man  auf  Grund  der  Bulle  von  1653  auch  anerkennen  mttsse,  dass 
Jansenius  wirklich  die  fünf  Sätze  in  dem  Sinne,  in  welchem 
sie  verdammt  worden,  gelehrt  habe.  Namentlich  Amauld 
entwickelte  1655  die  Ansicht:  bezüglich  der  Quaestio  juris,  ob 
die  fünf  Sätze  irrig  seien,  sei  der  Bulle  rückhaltlos  zuzustimmen; 
was  aber  die  Quaestio  facti  angehe,  ob  die  Sätze  in  diesem 
irrigen  Sinne  in  dem  Buche  des  Jansenius  vorgetragen  würden, 
könne  eine  innere  Zustimmung  erheischende  kirchliche  Ent- 
scheidung nicht  gegeben  werden  und  genüge  es,  in  dieser  Be- 
ziehung ein  ehrfurchtsvolles  Schweigen  (silence  respectueux)  zu 
beobachten.  Diese  Erklärung  hatte  zunächst  Arnaulds  Aus- 
stossung  aus  der  Sorbonne  zur  Folge  (und  diese  das  Erscheinen 
der  Briefe  von  Pascal,  §  53).  Alexander  VII.  aber  erklärte 
in  einer  Bulle  vom  10.  Oct.  1656:  die  fünf  Sätze  seien  aus 
dem  Buche  des  Jansenius  entnommen  und  in  dem  von  diesem 
intendirten  Sinne  verdammt  worden,  womit  indirect  für  den 
Papst  auch  das  Recht  beansprucht  wurde,  bezüglich  „dogmatischer 
Thatsachen^  innere  Zustimmung  erheischende  Erklärungen  abzu- 
geben, so  dass  nunmehr  die  Frage  über  den  Umfang  der  kirch- 
lichen bezw.  päpstlichen  Unfehlbarkeit  die  Hauptfrage  wurde. 

Um  die  Bulle  von  1656  zur  allgemeinen  Geltung  zu  bringen, 
verordnete  Alexander  VII.  im  Einverständniss  mit  Ludwig  XTV. 
in  einer  neuen  Bulle  vom  15.  Febr.  1665,  es  solle  von  allen 
Bischöfen,  Geistlichen  und  Nonnen  folgendes  Formular  unter- 
schrieben werden: 

Ich  unterwerfe  mich  den  Bullen  Innocenz'  X.  vom  31.  Mai 
1653  und  Alexandere  VII.  vom  15.  Oct.  1656  und  verwerfe  und 
verdamme  mit  aufrichtigem  Herzen  die  fünf  aus  dem  Augustinus 
des  C.  Jansenius  entnommenen  Sätze  in  dem  von  dem  Verfasser 
intendirten  Sinne,  wie  sie  der  apostolische  Stuhl  durch  die  be- 
sagten Bullen  verdammt  bat.  So  schwöre  ich,  so  wahr  mir  Grott 
helfe  und  diese  h.  Evangelien  Gottes. 

Vier  französische  Bischöfe  erliessen   im  Juni  1665  Mande- 


C.  Jansenius.  459 

menis,  worin  sie  erklärten,  das  Formular  sei  zu  unterzeichnen 
avec  soumission  de  foi  vers  le  droit  et  de  respect  et  de  discipline 
vers  les  faits  contenus  dans  les  constitutions  ou  buUcs  des  papes. 
Diese  Hirtenbriefe  wurden  18.  Jan.  1667  von  der  Index-Congre- 
gation  verboten.  Die  Verhandlungen  des  Papstes  mit  der 
französischen  Regierung  über  ein  weiteres  Vorgehen  gegen  die 
vier  Bischöfe  wurden  durch  den  Tod  Alexanders  VU.  (22.  Mai 
1667)  unterbrochen.  Unter  seinem  Nachfolger  Clemens  IX.  (1667 
— 69)  kam  es  zu  einem  Ausgleich,  der  sog.  Paix  de  Clement  IX. : 
die  vier  Bischöfe  unterzeichneten  das  Formular,  nachdem  sie 
in  einem  ProtocoU  ihrer  Ueberzeugung  in  vorsichtiger  Weise 
Ausdruck  gegeben,  und  richteten  ein  Schreiben  an  den  Papst, 
der  sie  darauf  in  einem  Breve  vom  19.  Jan.  1669  dafür  belobte, 
dass  sie  das  Formular  aufrichtig  nnterschrieben  und  die  fünf 
Sätze  ohne  Vorbehalt  in  jedem  Sinne,  in  welchem  sie  von  dem 
apostolischen  Stuhle  verdammt  worden,  verdammt  hätten.  — 
In  den  nächsten  Decennien  wurde  in  Frankreich  ziemlich  allge- 
mein die  Unterzeichnung  des  Formulars  mit  dem  von  den  vier 
Bischöfen  gemachten  Vorbehalte  als  zulässig  angesehen.  So 
trat  der  Jansenistische  Streit  in  den  Hintergrund,  zumal  nach- 
dem unter  Clemens  X.  (1670—76)  der  Regalienstreit  und  unter 
Innocenz  XI.  (1676 — 89)  die  gallicanische  und  die  quietistische 
Controverse  aufgetaucht  waren. 

Es  kamen  etwa  100  mit  der  in  diesem  Paragraphen  darge- 
stellten Controverse  zusammenhangende  Schriften  und  Schriftchen 
in  den  Index,  darunter  etwa  20  vonArnauld.  Im  spanischen 
Index  von  1707  stehen  die  Verdammung  des  Buches  des  Jan- 
senius und  der  tllnf  Sätze  und  das  allgemeine  Verbot  der  Schrif- 
ten zu  Gunsten  derselben,  aber  nur  wenige  specielle  Verbote. 
Von  dem  Index  von  1747  wird  später  die  Rede  sein. 

1.  Jansenius  beauftragte  mit  der  VeröffeDtliobnng  seines  Au- 
gustinus vor  seinem  Tode  (6.  Mai  1638)  den  Professor  Libertns 
Fromondus  (Froidmond )  zu  Löwen  und  den  Canonicus  Henr.  Calenus 
zu  Mechebi.  Das  Buch  wurde  bei  Jacob  Zegers  in  Löwen  gedruckt 
und  1640  der  Druck  vollendet^).      Die  Jesuiten  hatten   sich   durch 


l)  Ueber  die   hier  in  Betracht    kommenden  Schriften    und  Schrift- 
stücke  gibt   am   besten  Auskunft   die  Histoire   generale   du  Jansenisme, 


460  Die  Janscnistischc  Controvcrse. 

einen    Arbeiter   des  Druckers    die  Aushängebogen    versohaffl    (Grit 
Joly  4,  15)     und    machten    dem    Internuncius    Stravius  Mittheilttng. 
Dieser  schrieb  an  den  Card.  Barberini  und  erhielt  die  Weisung,  sich 
für  die  Suspension  der  Veröffentlichung  zu  bemühen,  da  Bücher  de 
anxiliis    nicht   ohne  Genehmigung    der  Inquisition  gedruckt  werden 
dürften.     Das  Buch  wurde  aber  veröffentlicht  und  Anfang  1641  auch 
in  Paris  mit  Approbation   von  5  Doctoren  gedruckt    (1643    auch  in 
Ronen).     Der  Jesuit  Petrus  Biverus  (Vivero)   schrieb    nun   ein   Me- 
morial al  Serenissimo  Cardenal  Infante  de  Espafia  und  einen  Brief 
AI  Emin.  y  ßev.  Seftor  Cardenal   de   la  Cueva   de  la  Gongregacion 
de  la  S.  Inquisicion  (26.  Jan.  1641),  und  die  Jesuiten  Ign.  Derkennis 
und  Jo.  de  Jonghe  Hessen  Theses  theol.  de  gratia,  libero  arbitrio, 
praedestinatione  etc.,  in  quibus  doctrina  theologorum   Soc.  J.  contra 
Com.  Jansenii  Augustinum  defenditur,  in  sex  capita  divisae,  drucken 
(Antw.  1641  ♦,    124  S.  Fol.)    und    22.  iMärz    im    Jesuiten-Collegiura 
vertheidigen.      Der  Drucker  Jo.  Zegers  überreichte   nun  dem  Car- 
dinaMnfanten  eine  (natürlich  von  den  Freunden   des  Jansenius  ver- 
fasste)  Humilis  et  supplex   querimonia  adv.    libellum  R.  P.  [Biveri] 
S.  J.,    regiae   capellae  Bruxellensis  concionatoris,   et  theeee    Patrum 
S.  J.  Lovanii   a.    1641,   12.   Martii    disputatas,    von   der   bald   nach 
einander  3  Auflagen  gedruckt  wurden.     Biverus  schrieb   darauf  ein 
Memoriale  ad  Em.  Card,  de  la  Cueva  circa  querimoniam  frivolam 
Jansenianam    .  .   .,    24  S.  Fol.*.     Die  Löwener  Theologen  schrieben 
dagegen  Glypeus  adv.  tela  R.  P.  Viveri  und  Spongia  mendorftm  R.  P. 
V.     Die   Löwener    Jesuiten    veröffentlichten    darauf   Theses    theol. 
apologeticae    et  miecellaneae    adv.    doctrinam  Com.  Jansenii  propu- 
gnatam  ab  ejus  patronis  sub  praetextu  typographi  Lovanieneie  (Antw. 
1641*,  16  S.  Fol.)    und    Biverus    eine    Epistola   an    die  Doctore» 
Janseniani,  beginnend:  Ad  rem,  ad  rem;  quod  nulla  res  est,  pmninc^ 
nihil  est  (l   Folioblatt*).      Am  16.  Juni   veröffentlichten  dann  Fro^ 
mondus  und  Calenus  eine  Epistola,  beginnend  Theses  vestras,  worin^ 
sie  die  Jesuiten    auffordern,   die    Polemik    einzustellen    und    dem  h..^ 
Stuhle  die  Entscheidung  zu  überlassen,  worauf  die  Jesuiten  mit  einer 
Epistola    eximio   ac  adniödum  rev.  D.  Liberto  Fromondo  etc.  ant 
werteten. 

Durch  ein  Decret  der  Inq.  von  Fer.  V.  1.  Aug.  1641  (Alex. 
No.  46)  wurden  die  Löwener  und  die  Pariser  Ausgabe  des  Augu- 
stinus und  alle  vorhin  genannten  Schriften  (mit  Ausnahme  des  Cly- 
peus  und  der  Spongia)  und  noch  einige  andere  (s.  u.)  wegen  Ver- 
letzung der  Verordnungen  von  1611  und  1625  bezüglich  der  de 
auxiliis  handelnden  Schriften  bei  Strafe  der  Excomm.  1.  sent.  verboten. 
Zugleich  wurden  in  diesem  Decrete  unter  Androhung  der  reservirten 
Excomm.  1.  sent.  und  anderer,  auch  körperlicher  Strafen  jene  Verord- 
nungen eingeschärft,  mit  dem  Zusätze:  es  dürfe  auch  nicht  unter 
dem  Verwände  einer  philosophischen  Erörterung  de  conoursu  cansae 


Amst.  1700,  3  vol.  12.  (von  Gerberon;    im  Texte  mit  Gerb,  citirt).     Vgl. 
Racine  vol.  11  und  S.-Beuve  2,  92  (1,  521). 


Loewener  Streitschriften,  1641.  461 

rimae  cum  secunda,  und  nara entlieh  nicht  unter  dem  Verwände  der 
''ertheidignng  oder  Bekämpfung  des  Buches  des  Jansenius  oder  der 
'hesen  der  Jesuiten^)  oder  anderer  in  diesem  Decrete  verhotener 
chriften  irgend  etwas  üher  die  materia  auxiliorum  divinorum  oder 
her  Gnade  und  Willensfreiheit  veröifentlicht  werden;  auch  dürfe 
agegen  nicht  geltend  gemacht  werden,  dass  die  Decrete  von  1611 
nd  1625  in  einer  Provinz  nicht  pnblicirt  oder  recipirt  seien.  — 
He  Schriften,  welche  ausser  den  genannten  in  diesem  Decrete  ver- 
oten  wurden,  sind :  Cornelii  Jansenii  Iprensis  episcopi  laudatio  fune- 
etlis  dicta  a  R.  Fr.  Jo.  a  Lapide,  die  bei  dem  Anniversarium  für 
ansenius  4.  Mai  1640  gehaltene  und  zu  Löwen  gedruckte  Rede  eines 
'raemonstratensers,  —  Augustini  Hipponensis  et  Augustini  Ipren- 
18  de  Deo  omnes  salvari  volente  et  Christo  redimente  homologia 
er  thcses  antiapologeticas  expressa  et  Lovanii  loco  per  Jac.  Zegers 
esignando  propugnanda,  quando  adversariis  videbitur,  Lov.  1641 
Qach  Gerb.  1 ,  26  von  Jo.  Sinnich ) ;  Somnium  Hipponense  sive  ju- 
icium  Augustini  de  contro versus  theologicis  hodiernis,  relatore 
^hiletymo  S.  T.  Baccalaureo  formato,  Par.  1641  (nach  Gerb.  1,  27 
on  Stockmans,  nach  Paquot  1,  15  u.  a.  von  Fromond). 

Das  Conseil  de  Brabant  verbot  die  Publication  des  Inquisitions- 
ecretes  und  das  Conseil  du  Roi  erklärte  es  für  unverbindlich,  so 
Mige  es  nicht  das  Placet  erhalten.  Die  Löwener  Professoren  Hessen 
ine  Attestatio  notarialis  (des  Notars  der  Universität,  Peter 
lintaert)  quod  neque  decretum  S.  D.  Urbani  VI  11.  neque  Pauli  V. 
iOvanii  sit  publicatnm,  drucken  und  ein  Neffe  des  Com.  Jansenius, 
ean  Jansenius,  Canonicus  zu  Furnes,  ein  Memorial  au  Roy,  worin 
r  sich  über  das  Decret  der  Inq.  beschwert  und  dem  er  eine  von 
em  Universitätsnotar  beglaubigte  Sammlung  von  Testimonia 
mditorum  virorum  celebrantia  librum  cui  tit.  Com.  Jansenii  .  .  . 
LUgustinus  beigefügt  hatte.  Das  Somnium  Hipponense  erschien 
ochmals  unter  dem  Titel:  Conventus  africanus  s.  disceptatio  judi- 
ialis  apud  tribunal  praesulis  Augustini  inter  veteris  et  novitiae 
beologiae  patronos,  enarratore  Artemidoro  Oneirocritico,  Ronen 
641,  und  Fromondus  veröffentlichte  unter  seinem  Namen  Brevis 
natomia  hominis,  naturam  ejus  talem  repraesentans,  qualem  S.  Aug. 
lim  nobis  descripsit,  Lov.  1641,  4. 

Nunmehr  erliess  Urban  VIII.  die  Bulle  In  emineuti  vom  6. 
iärz  1642,  worin  das  luqnisitionsdecret  ausdrücklich  bestätigt  wird 
md  auch  die  eben  genannten  Schriften  verboten  werden.  Ferner 
leisst  es  darin:  bei  einer  sorgfältigen  und  reiflichen  Prüfung  des 
Ruches  von  Jansenius  habe  sich  postmodum  (nach  der  Publication 
les  Inquisitionsdecretes)  herausgestellt,  dass  darin  viele  von  Pius  V. 
ind  Gregor  XIII.  (in  den  Bullen  gegen  M.  Bajus)  bereits  verdammte 


l)  Cantü,  Storia degli  Italiani  6,  67  sagt:  im  Index  von  1744  würden 
rerb,  libri  omnes  .  .  .  tam  contra  quam  pro  Corn.  Jansenio  et  Patribus 
lesuitis,  und  scheint  zu  meinen,  das  sei  ein  damals  erlassenes  Verbot.  Ks 
iteht  wörtlich  so  schon  bei  Alex. 


462  Die  Jansen  istische  Controverse. 

Sätze  enthalten  seien  und  zum  grossen  Aergerniss  für  die  Katho- 
liken und  mit  Missachtung  der  Autorität  des  h.  Stuhles  gegen  diese 
Verdammungen  vertheidigt  würden;  darum  würden  die  Bullen  der 
genannten  Päpste  bestätigt  und  das  Buch  des  Jansenius,  welches  die 
darin  verdammten  Meinungen  erneuere ,  sammt  den  anderen  Schriften 
verboten.  Diese  Bulle  wurde  auifallender  Weise  erst  19.  Juni  1643 
in  Kom  angeheftet  (Gerb.  1 ,  49.  67).  Einige  Verwirrung  erregte 
es,  dass  sie,  wie  das  bei  Bullen  üblich  war,  anno  incamationis 
millesimo  sexcentesimo  quadragesimo  primo,  pridie  nonas  Martii 
(das  Jahr  mit  dem  25.  März  beginnend)  datirt  war  (die  Bulle  stellt 
sogar  noch  bei  Alex.  No.  45  vor  dem  Decrete  vom  1.  Aug.  1641). 

Die  Bulle  wurde  mit  einem  königlichen  Schreiben  vom  27. 
Nov.  1643  der  Sorbonne  übersandt.  Diese  erklärte,  sie  nehme  die 
Doctrin  der  Bulle  an,  wahre  sich  aber  ihr  altes  Recht,  über  alle 
Theile  der  Lehre  des  Magister  Sententiarum ,  auch  de  auxiliis  zu 
dispntiren  und  zu  schreiben.  Der  Nuncius  Grimaldi  sagte  einer 
Deputation  der  Facultät,  es  sei  nur  verboten,  die  verdammten  Sätze 
zu  lehren  (Arg.  III  a  49.  52).  Die  Sorbonne  untersagte  aber  1.  Oct 
den  Doctoren  die  Approbation  von  Büchern  für  und  gegen  Jansenius 
(Boileau,  ^oxif.ia<jnjg  p.  91).  Erzbischof  Gondi  von  Paris  publicirte 
die  Bulle  11.  Dec.  1643,  —  sie  wurde  auch  von  anderen,  nicht  von 
allen  französischen  Bischöfen  publicirt,  —  und  wiederholte  dabei 
das  schon  4.  März  erlassene  Verbot,  die  betreffende  Controverse  auf 
die  Kanzel  zu  bringen  (Arg.  III  b  246).  Gondi  hatte  auf  Betreiben 
der  Jesuiten  in  einem  Mandement  vom  27.  Jan.  1643  auch  verboten: 
Theologie  familiere  ou  instruction  de  ce  que  le  chr^tien  doit  croire 
et  faire  en  cette  vie  pour  etre  sauve,  par  M.Jean  du  Vergier  de 
Hauraune,  abb£  de  Saint  Cyran.  St.  Cyran  hatte  diesen  kleinen 
Catechismus  auf  die  Bitte  des  Generaladvocaten  Bignon  für  dessen 
Kinder  geschrieben;  er  wurde  von  seinen  Freunden  mit  einer  vom 
1.  Oct.  1642  datirten  Approbation  von  5  Doctoren  herausgegeben 
und  erschien  im  Jan.  1643  kurz  vor  St.  Cyrans  Entlassung  aus  der 
Haft.  Amauld  und  seine  Freunde  bestimmten  den  Erzbischof,  sein 
Mandement  kurz  vor  der  Publication  durch  ein  anderes  zu  ersetzen 
(Arn.  29,  588.  S.-Beuve  2,  200).  In  Rom  wurden  1654  alle  Aus- 
gaben des  Schriftchens  verboten  (1693  erschien  die  13.  Ekl.). 

Von  den  1643  if.  in  Paris  erschienenen  Streitschriften  sind 
(weil  sie  später  in  den  Index  kamen)  folgende  zu  erwähnen: 
Apologie  de  M.  Jansenius  ev.  d'Ypre  et  de  la  doctrine  de  St.  Au- 
gustin expliquöe  dans  son  livre  intitule  Augustinus  contre  trois  ser- 
mons  de  M.  Habert,  theologal  de  Paris,  P.  1644,  —  gegen  drei 
Predigten,  die  Isaac  Habert  am  1.  und  4.  Adventssonntag  1642  und 
im  Sept.  1643  gehalten,  auf  Veranlassung  Saint  Cyrans  (f  11.  Oct 
1643)  von  Arnauld  geschrieben.  Gegen  Haberts  Entgegnung,  La 
defense  de  la  foy  de  TEgl.  et  de  Tancienne  doctrine  de  Sorbonne 
touchant  les  principanx  points  de  la  grace  etc.,  1644,  schrieb  Ar- 
nauld Apologie  seconde  pour  M.  Jansenius  .  .  .  contre  la  reponse 
que  M.  Habert  .  .  .  a  faite  k  la  premiere  Apologie,  1645  (Am.  16, 


Bulle  TJrbans  VIII.  von  1642.  463 

30;  17,1)^).  Im  J.  1646  wurden  dann,  wahrscheinlich  von  Habert, 
8  Sätze  aus  dem  Augustinus  zusammengestellt  und  nach  Rom  ge- 
sandt (abgedr.  Gerb.  1,  186).  Dagegen  erschien  zu  Löwen  1646 
Examen  libelli,  cui  titulus  est:  Propositiones  excerptae  ex  Au- 
^stino  Rev.  D.  Cornelii  Jansenii  episc.  Ipr.  quae  in  speciem  ex- 
hibentur  Snae  Sanctitati. 

Die  Löwener  Universität  opponirte  mit  Zustimmung  mehrerer 
belgischer  Bischöfe  längere  Zeit  gegen  die  Bulle  von  1642.  Im  J. 
1643  schickte  sie  im  Einverständniss  mit  dem  Erzbischof  Jacob 
Boonen  von  Mecheln  und  dem  Bischof  Anton  Triest  von  Gent  den 
Theologen  Jo.  Sinnich  und  den  Canonisten  Cornelius  Papius  (de 
Paep,  Oratorianer)  nach  Rom,  um,  wenn  nicht  eine  Zurücknahme, 
doch  eine  Erläuterung  resp.  Modification  der  Bulle  zu  erwirken. 
Diese  erreichten  natürlich  nichts;  nur  wurde  ihnen,  da  sie  auch 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Abschriften  und  Abdrücke  der 
Bulle  nicht  genau  mit  einander  übereinstimmten,  29.  Juli  1644  eine 
beglaubigte  Abschrift  derselben  sammt  einem  Decrete  der  Inq.  von 
Fer.  y.  16.  Juni  1644  eingehändigt,  welches  bezüglich  aller  die 
Bulle  betreffenden  Zweifel,  Schwierigkeiten  und  Klagen  für  immer 
Schweigen  gebot  (abgedr.  Const.  p.  54).  Die  Denkschriften,  welche 
sie  in  Rom  tiberreicht  hatten,  Hess  Sinnich  1644  nach  seiner  Rück- 
kehr (Papius  starb  in  Rom  1644)  drucken:  Memoralia  per  depu- 
tatos  academiae  Lovan.  exhibita  Romae  Summis  Pontif.  Urbano  YIII. 
et  Innocentio  X.  pro  doctrina  B.  Augustini  manutenenda  .  .  .(16S. 
4.*),  verb  1654^).  —  Von  den  in  den  nächstfolgenden  Jahren  in  Belgien 
erschienenen  Streitschriften  kamen  mehrere  später,  meist  1654,  in 
den  Index.  Der  Prämonstratenser  Macarius  Semeomo  schrieb  gegen 
Conferenzen,  die  der  Jesuit  W.  Landsheer  1646  in  Antwerpen  ge- 
halten und  in  denen  er  Jansenius  scharf  angegriffen,  anonym  Col- 
latio  Antwerpiensis  ad  Petrum  Aurelium  und  Novus  Prosper  ad 
novnm  collatorem,  beide  Lov.  1647.  Fromond  schrieb  1644  anonym 
Chrysippus  s.  de  libero  arbitrio  epistola  circularis  ad  philosophos 


1)  Es  ist  auffallend,  dass  Florentii  Conrii  Peregrinus  üiericuntinus, 
Paris  1641,  weder  jetzt  noch  später  verboten  wurde.  Conry,  Franciscaner, 
Titnlarbischof  von  Tuam,  f  1631  (Hurter  l,  497),  hatte  für  das  Schriftchen, 
weil  es  de  auxiliis  handelte,  in  Rom  die  Drudcerlaubniss  nicht  erhalten. 
Die  Ausgabe  von  1641  ist  von  Arnauld  besorgt,  wahrscheinlich  auch  die 
französische  üebersetzung  von  1645  (Arn.  10,  LXXXVIII). 

2)  Bei  St.  Amour,  Reo.  p.  270  ist  eine  Erklärung  abgedruckt,    die 
Sinnich  1647  eidlich  vor  einem  Notar  abgab:    Urban   VIII.    habe  ihm  26. 
Xov.  1643  gesagt:    er  habe  durch  seine  Bulle  nur  die  Bulle  Pius'  V.  be- 
tätigen, niemand  mit  Nennung  seines  Namens  censuriren  und    der  Lehre 
des  Augustinus  nicht  zu  nahe  treten  wollen;    auf   die  Einwendung:    wie 
denn  der  Name  des  Jansenius   in  die  Bulle  hineingekommen  sei,    habe  er 
gesagt,  Sinnich  solle  mit  Albizzi  sprechen,  der  die  Bulle  entworfen  habe. 
Oass    dieser    gegen    den  Willen    und    ohne    Vorwissen   des    Papstes    den 
t^assus  über  Jansenius  in  die  Bulle  eingeschoben,    ist  viel  weniger   wahr- 
aoheinlich,  als  dass  Sinnich  Urban  VIII.  missverstanden  oder  dieser  nicht 
g^anz  die  Wahrheit  gesagt. 


464  Die  Jansenistische  Controverse. 

peripateticoB,  dann  gegen  die  Jesuiten  D.  Petau  und  Ant.  Ricardas 
(d.  i.  Etienne  Dcchamps)  Vincentii  Lenis  Theriaca  adv.  D.  Petavii 
et  A.  Ricardi  de  libero  arbitrio  libellos,  Par.  1648,  und  gegen  deren 
Erwiederung  unter  demselben  Namen  Epistola  prodroma  gemella  ad 
D.  Petavium  et  Ant.  Ricardum,  Lov.  1649  (zwei  weitere  Streit- 
schriften gegen  sie,  Gerb.  1,247.  293,  Backer  1,254,  stehen  nicht 
im  Index),  und  gegen  die  Theologen  von  Douay,  welche  unter  dem 
Einfluss  des  Jesuiten  L^Hermite  1649  die  Bulle  angenommen  und 
gegen  Jansenius  Partei  ergriffen  hatten  (Liv.  Meyer  2, 41 ;  Serry 
p.  806),  Lucerna  Augustiniana,  qua  breviter  et  dilucide  declarator 
coucordia  et  discordia,  qua  duo  nuper  ex  DD,  Doctoribas  S.  Theol. 
Duacen.  conveniunt  aut  recedunt  a  ceteris  hodie  S.  Augustini  dis- 
cipulis,  1649,  und  Emunctorium  lucernae  Aug.,  qno  fuligines  a 
quibusdam  aspersae  emunguntur,  1650  (die  dritte  hieher  gehörige 
Streitschrift  Epistolica  responsio  ad  Val.  Randour,  1650,  Gerb.  1,  353, 
steht  nicht  im  Index).  —  Sinnich  veröffentlichte  1648:  Sanctorum 
Patrum  de  gratia  Christi  et  libero  arbitrio  dimicantium  trias.  Au- 
gustinus Hipponensis,  Prosper  Aquitanicus,  Fulgentius  Ruspensis 
adv.  Pelagium,  Cassianum  et  Faustum.  CoUectore  Paulo  Erynacho 
Gratianopolitano  Theologo.  Diese  Schrift  kam  erst  1661  in  den  In- 
dex, und  zwar,  da  man  doch  die  Auszüge  aus  den  Kirchen vät^rn 
nicht  verbieten  konnte,  mit  donec  corrigantur  tituli  capitum  et  arti- 
culorum  atque  index.  Gegen  den  Jesuiten  Ripalda,  der  im  3.  Bande 
seines  Werkes  De  ente  supernaturali  gegen  Bajus  und  die  Bajanisten 
polemisirt  hatte,  schrieb  Sinnich  anonym:  P.  Jo.  Martinez  de  Ri- 
palda e  Soc.  nominis  Jesu  vulpes  capta  per  theologos  S.  Fac. 
Academiae  Lovan.,  1649,  und  gegen  ein  1650  erschienenes  Paralle- 
lum  inter  Bajanas  propositiones  et  prop.  Jansenii,  worin  behauptet 
wurde,  28  Sätze  in  dem  Buche  des  Jansenius  seien  identisch  mit 
Sätzen  von  Bajus,  die  Pius  V.  verdammt  habe,  Aurelii  Aviti  Ve- 
ronensis  Theologi  Molinomachia  h.  e.  Molinistarum  in  Angustinam 
Jansenii  antistitis  Ipr.  insultus  novissimus,  28  consonantiamm  doc- 
trinae  inde  excerptae  cum  articulis  a  Pio  V.  Pont,  proscriptis  com- 
pilatione  subnixus,  totidem  vero  dissunantiarum  contrapositione  elisus, 
Par.  1650  (erst  1663  verb.).  —  Ferner  erschienen  in  Belgien  noch 
(von  Löwener  Theologen):  Corn.  Jansenii  Parallelum  erroris  Mas- 
siliensium  et  opinionis  quorundam  recentiorum,  1647,  ein  Separatab- 
druck der  auch  im  Augustinus  stehenden  Abhandlung,  — Planctns 
Augustinianae  veritatis  in  Belgio  patientis,  Lov.  1649  (Gerb.  1,  219), 
—  Reponse  k  un  escrit  qui  a  pour  titre:  Ad  vis  donnä  en  amy  k 
un  certain  ecclesiastique  de  Louvain  au  sujet  de  la  Bulle  du  P.  ür- 
bain  VIII.  qui  condamne  le  livre  portant  le  titre:  Aug.  Com.  Jan- 
senii, 8.  1.  et  a.  1649*,  32  S.  4.,  —  Utrum  sit  damnandus  Jan- 
senii Augustinus,  ein  Schriftchen,  welches  mit  dem  Satze  scbliesst: 
Non  potest  damnari  Jansenius  nisi  ridente  Pelagio  et  plorante 
Augustino.     Humilis  Romanus. 

Auf  Verlangen  des  Conseil  de  Brabant  entwickelten  der  Erz- 
bischof Jacob  Boonen  von  Mecheln  und  der  Bischof  Ant.  Triest  von 
Gent;  dieser  als  der  älteste  belgische  Bischof,  die  Bedenken,  welche 


Erzb.  Boonen  von  Mecheln  und  B.  Trieei  von  Gent.  465 

r  Publication  der  Bulle  von  1642  entgegenständen  (Gerb.  1,  175). 
re  Denkschriften  wurden  1649  gedruckt:  Rationes  ob  quas  111.  ac 
SV.  D.  Arcbiepiscopus  Mecbliniensis  Belgii  Primas  .  .  .  a 
omulgatione  Bullae,  qua  proscribitur  über  cui  titulus:  C.  Jansenii 

.  Aug.,  abstinuit,  ex  mandato  Regio  Suae  Majestati  exbibitae 
gallico  in  lat.  translatae  (33  S.  4.*,  vorher  französisch  gedruckt); 
lisons  pour  lesquelles  on  n'a  trouvi  convenir  de  publier  an  diocese 

Ghind  avec  les  solemnitez  accoustumees  certaine  Bulle  contre  le 
TC  du  defunct  Evesque  d'Ipre,  Jansenius,  representees  par  Mgr.  le 
)v.  Evesque  de  6and  au  Conseil  de  Sa  Maj.  Cath.  k  Brusselles  le 
».  de  Mars  1647  (s.  1.  1649*,  43  S.  4.,  steht  jetzt  im  Index  unter 
riest).  Nach  langen  Verhandlungen,  —  der  Löwener  Professor 
»cht  war  in   dieser  Angelegenheit  längere  Zeit  in  Madrid  (Grerb. 

269),  —  wurde  endlich  von  Philipp  IV.  die  Publication  der  Bulle 
fohlen.  Mit  der  Fassung  des  von  dem  Statthalter  Erzherzog  Leo- 
Id  erlassenen  Edictes  vom  28.  Febr.  1651  (Arg.  III  b  259)  war 
er  der  lutemuncius  Anton  Biohi  so  unzufrieden,  dass  er  dagegen 
otestirte.  Der  Protest  wurde  von  dem  Erzherzog  im  Juni  für 
ßhtig  erklärt.«  Am  11.  Nov.  1651  beklagte  sich  der  Papst  in 
'eyen  an  den  König  und  an  den  Erherzog  (Katholik  1883,  2,  293). 
Boonen,  Triest  und  die  Generalvicare  des  erledigten  Bisthums 
^em  publicirten  nun  im  März  1651  die  Bulle  mit  Edicten,  welche 

Rom  grosses  Missfallen  erregten,  weil  darin  gesagt  war:  die 
ille  sei  bisher  nicht  publicirt  worden,  weil  das  Bedenken  erhoben 
3rden  sei,  man  könne  in  der  Verdammung  des  Buches  von  Janse- 
OB  eine  Verdammung  der  Lehre  des  h.  Augustinus  finden;  sie 
srde  jetzt  auf  Befehl  des  Papstes  und  des  Königs  publicirt;  dieser 
•be  aber  versprochen,  er  werde  bei  dem  Papste  eine  neue  Prüfung 
m  Buches  des  Jansenius  und  eine  Freigebung  desselben  nach  Aus- 
erzung  der  darin  etwa  enthaltenen  Irrthümer  beantragen.  Der 
rzbischof  erwähnte  schliesslich  ausdrücklich,  der  Erzherzog  habe 
e  Publication  vorbehaltlich  der  Privilegien  der  niederländischen 
rovinzen  angeordnet  (die  drei  Edicte  bei  Arg.  III  b  251).  Durch 
D  Beeret  der  Inq.  Fer.  V.  11.  Mai  1651  (Alex.  No.  54)  wurden 
ese  drei  FJdicte  und  die  zwei  erwähnten  Denkschriften  als  „vieles 
r  die  Autorität  des  h.  Stuhles  Präjudicielle  enthaltend'*  verboten 
ie  Edicte  stehen  im  Index  unter  Mecbliniensis,  Triest  und  Edic- 
m);  zugleich  wurden  den  Verfassern,  falls  sie  nicht  baldigst  ge- 
igende Erklärungen  abgäben  (se  expurgaverint  sc.  vom  Verdachte 
r  Häresie),  kirchliche  Censuren  angedroht.  Die  Generalvicare  von 
pem  scheinen  sich  gefügt  zu  haben;  wenigstens  ist  von  ihnen 
cht  weiter  mehr  die  Rede.  Den  beiden  Prälaten  wurde  das  In- 
lisitionsdecret  im  Juni  insinuirt;  da  sie  darauf  nicht  reagirten, 
nrden  sif  unter  dem  18.  Nov.  1651  von  der  Inquisition  nach 
)m  citirt  und  ihnen  diese  Citatiou  im  December  durch  den  Inter- 
incius  insinuirt.  Da  sie  nicht  erschienen,  wurden  sie  21.  Dec.  1652 
r  suspendirt  erklärt.  Das  Conseil  de  Brabant  erklärte  dieses  De- 
et  für  unwirksam,  weil  nach  notorischen  Privilegien  und  alten, 
it   Genehmigung    des    h.    Stuhles    bestehenden    Gewohnheiten    der 

nensob,  Index  II.  30 


466  Die  Jansenistisolie  Controverde. 

Niederlande  Bewohner  derselben  nicht  ansserhalb  des  Landes  citirt 
und  Römische  Censuren  nicht  ohne  Genehmigung  des  Käthes  publi- 
cirt  und  ausgeführt  werden  könnten.  Die  beiden  Prälaten  unter- 
warfen sich  schliesslich  auf  die  Aufforderung  des  Erzherzogs  Leo- 
pold und  wurden  im  Sept.  1653  von  den  Censuren  absolvirt  (die 
Actenstücke  bei  Arg.  III  b  255  und  bei  de  Ram,  Synodicon  belg. 
4,  307).  —  Die  Anschauungen  des  Käthes  von  Brabant  wurden  bei 
dieser  Gelegenheit  von  dem  angesehenen  belgischen  Juristen  Peter 
Stockmans  (1633  Prof.  in  Löwen,  1643  Mitglied  des  Käthes,  flßll; 
Paquot  1,  13),  in  zwei  kleinen  anonymen  Schriften  begründet:  Jus 
Belgarum  circa  Bullarum  pontificiarum  receptionem  und  Defensio 
Belgarum  circa  evocationes  et  peregrina  judicia,  beide  1654  mit 
dem  Zusatz  1.,  2.  vel  alterius  editionis  verb.^).  Der  Rath  von  Bra- 
bant protestirte  1657  gegen  die  Publication  des  Verbotes  (App.  ad 
Suppl.  V.  Espen  p.  17). 

Am  18.  März  1650  censurirte  die  spanische  Inquisition  22 
Sätze,  die  angeblich  von  Jesuiten  und  dem  Löwener  Professor 
Schinkelius  aufgestellt  und  von  dem  Dominicaner  Franc.  Gonzalez 
nach  Salamanca  geschickt  waren,  als  temerär,  übelkjingend  und  für 
den  h.  Augustinus  injuriös.  Der  König  bat  den  Papst,  die  Censnr 
zu  bestätigen;  dieser  überwies  sie  der  unten  zu  erwähnenden  Con- 
gregation,  die  sich  natürlich  gegen  die  Bestätigung  aussprach  (Avr. 
2,  203).  Sie  stehen  seit  1707  im  span.  Index  als  22  propositiones 
contra  doctrinam  Augustini  insertae  in  supplicatione  oblata  Papae. 
Laemmer,  Zur  Eirchengesch.  S.  51  erwähnt  eine  Rom  19.  Mai  1653 
datirte  an  Innocenz  X.  gerichtete  Denkschrift,  worin  ausser  diesen 
22  Sätzen  noch  116  aus  Molina,  Yasquez,  Mariana  und  anderen  Je- 
suiten denuncirt  werden. 

2.  Als  die  beiden  belgischen  Bischöfe  gemassregelt  wurden, 
war  die  Angelegenheit  bereits  in  eine  neue  Phase  getreten,  inso- 
fern eine  Verdammung  bestimmter  Sätze    aus   dem   Buche   des  Jan- 


1)  Sie  sind  wiederholt   gedruckt  worden:    Innocentii  X.    Bulla  .  .. 
una  cum  Defensione  Belgarum    contra   peregrina    judicia  et  buUae    istios 
receptionem,  junctim  ed.  Numa  Sedulius  Colon.    In  Civitate  libera  1653,* 
4.    (Der  Herausgeber  ist  Samuel  Hundius).     —     Jus  Belgarum  .  .  .    Ed. 
altera.  Leodii  1665*,  12.  (beigebunden  Defensio  .  .  Leodii  1665).  Sie  stehen 
auch  in   Petri    Stockmans    Opera  omnia,    Brux.  s.  a.    (1698*),  4.,    p.  189 
— 295.     In  der  Biblioth.  Belg.  von  Foppens,  1739,  p.  1013  wird  angedeutet, 
die  beiden  Schriften  seien  wahrscheinlich  von  den  Jansenisten  Stockmans 
unterschoben  worden  (das  wird  zu  den  Stellen  gehören,    die  Foppens  auf 
Befehl  des  Erzbischofs  d'AIsacc  de  Bossu  von  Mecheln  in    sein  Buch  ein- 
fügte; Reiffenberg,  Annuaire  de  la  Bibl.  Roy.  1848,  p.  71),  und  den  Acta 
Z.  B.  van  Espen  auct.  T.  W.  Backhusio,  Mechl.  1827,  ist  p.  141  eine  eigene 
Disquisitio  hist.-critica   de  gemino   opusculo   circa  jura  BelgiSum,    qood 
Petro  Stockmans  adscribitur,  beigefügt,  worin  Foppens'  Verdacht  ausführ- 
lich begründet  wird.     Der  Verfasser  beruft  sich  auf  Haeresis  Jansenianae 
praeclusa  effugia,  auct.  Antonino  de  Luca  (A.  Huylenbroucq  S.  J.),  1709, 
der  also  der  Urheber  des  Verdachtes  sein  wird,  zu  dessen  Würdigung  die 
Thatsache  genügt,    dass    nach  Paquot  1,  14    das  OriginalmanuBcript   von 
Stockmans  in  Brüssel  aufbewahrt  wird. 


P.  Stockmans.    Saint- Amour.     Die  fünf  Propositiones.  467 

tniuB  in  Aussicht  genommen  war.  Am  1.  Juli  1649  wurden  der 
)rbonne  von  dem  Syndicus,  dem  Ex-Jesuiten  Nie.  Comet,  7  Sätze 
ir  Censur  vorgelegt,  welche  er  und  seine  Gesinnungsgenossen  als 
6  Hauptpunkte  des  Jans,  ansahen,  obschon  dieser  nicht  genannt 
urde.  Ein  von  Habert,  der  mittlerweile  Bischof  von  Vabres  ge- 
orden,  verfasstes  Schreiben  an  den  Papst,  worin  derselbe  um  eine 
ntscheidung  über  5  Sätze  gebeten  wurde  (Arg.  III  b  260),  wurde 
)r  und  nach  von  85  französischen  Bischöfen  unterzeichnet  und  im 
ug.  1651  nach  Eom  abgesandt.  15  andere  Bischöfe  baten  den 
ipst,  keine  Entscheidung  zu  geben,  eventuell  vor  derselben  in 
inlicher  Weise,  wie  bei  der  Controverse  de  auxiliis,  Doctoren  beider 
sirteien  zu  hören  (Saint- Amour,  Rec.  p.  5).  Von  der  Majorität  und 
)n  der  Minorität  wurden  mehrere  Theologen  zur  Vertretung  ihrer 
nschauung  nach  Rom  gesandt.  Von  einem  der  Theologen  der  Mi- 
»rität  erschien  später  ein  ausführlicher  Bericht:  Journal  de  Mr. 
i  Saint  Amour,  Dr.  de  Sorb.,  de  ce  qui  s'est  fait  ä  Rome  dans 
iffaire  des  cinq  propositions,  avec  un  recueil  de  diverses  pi^ces 
mt  il  est  parl6   dans  ce  Journal  ou    qui  en  regardent   la    mati^re, 

1.  1662,*  verb.  1664 1). 

Die  in  dem  Schreiben  der  französischen  Majoritätsbischöfe  ent- 
dtenen  5  Propositiones  sind  folgende:  1.  Einige  Gebote  Gottes  zu 
füllen,  ist  auch  den  Gerechten,  die  es  wollen  und  versuchen,  mit 
m  Kräften,  die  sie  jetzt  haben,  nicht  möglich;  es  mangelt  ihnen 
ich  die  Gnade,  wodurch  es  ihnen  möglich  würde.  2.  Der  innem 
nade  wird  im  Stande  der   gefallenen  Natur  niemals  widerstanden. 

Zum   sittlichen  Handeln    (ad  merendum   et  demerendum)   ist  im 
ande  der  gefallenen  Natur  nicht  Freiheit  von  der  Nothwendigkeit 

necessitate),  sondern  nur  vom  Zwange    (a  coactione)  erforderlich. 

Die  Semipelagianer  gaben  die  Nothwendigkeit  der  zuvorkommen- 
m  iijnern  Gnade  zu  den  einzelnen  Acten  zu,  auch  zum  Anfange 
)8  Glaubens;  ihre  Ketzerei  bestand  darin,  dass  sie  behaupteten, 
686  Gnade  sei  eine  solche,  welcher  der  menschliche  Wille  wider- 
ehen  oder  gehorchen  könne.  5.  Es  ist  semipelagianisch,  zu  be- 
lupten,  Christus  habe  für  alle  Menschen  ohne  Ausnahme  den  Tod 
'litten  oder  sein  Blut  vergossen. 

In  Rom  war  man  natürlich  sehr  erfreut  darüber,  dass  die 
ehrheit  der  französischen  Bischöfe  dem  Papste  Gelegenheit  bot, 
ch  auch  ihnen  gegenüber  als  denjenigen  zu  zeigen,  der  in  Glaubens- 
.chen  zu  entscheiden  habe^).     Eine  Discussion,  wie  sie  in  der  Con- 


1)  Das  Journal  ist  zu  Amsterdam  gedruckt.  Es  füllt  578,  das  Re- 
leil  286  S.  Fol.  Auf  dem  Titelblatte  steht  das  Motto:  Non  enim  possu- 
us,  quae  vidimus  et  audivimus,  non  loqui.  Act.  4,  20.  Ausser  diesem 
iche  sind  benutzt  die  in  dem  Mainzer  Katholik  1883,  II,  282  abgedruckte 
slation  von  Franc.  Albizzi  über  die  Sitzungen  der  im  April  1G51  ge- 
Ideten  Congregatio  particularis,  und  die  Einleitung  zum  19.  Bande  von 
rnaulds  Werken. 

2)  In  einem  Schriftstücke,  welches  Saint-Amour  (p.  159)  sah,    hiess 
:    es  sei  rathsam,    Gelegenheiten,  das  päpstliche  Recht,    Glaubensfragen 


466  bie  JanseniBtische  Controverdd. 

troyerse  de  auxiliis  stattgefanden,  war  man  aber  von  vomherein  ent- 
Hchlossen,  nicht  zuzulassen.  Da  die  Discussion  der  Angelegenheit, 
wie  es  in  dem  Berichte  Albizzi's  heisst,  in  den  Plenarsitzungen  der 
Inquisition  „wegen  vielfacher  Ursachen  und  der  Verschiedenheit  der 
Ansichten"  sich  zu  sehr  in  die  Länge  zog,  wurde  sie  12.  April  1651 
von  Innocenz  X.  einer  ans  vier,  später  fünf  Cardinalen  bestehenden  be- 
sondern Congregation  überwiesen,  um  sie  brevi  manu  zu  discatiren. 
Dieser  Congregation,  welche  also  für  diese  Angelegenheit  an  die 
Stelle  der  Inquisition  trat,  und  deren  Vorsitzender  anfangs  Card. 
Roma,  dann  Spada  war,  war  Franc.  Albizzi,  Assessor  S.  Off.,  als 
Secretär  beigegeben;  er  war  thatsächlich  die  Hauptperson.  Brevi 
manu  konnte  aber  freilich  die  Sache  auch  von  dieser  Congregation 
nicht  erledigt  werden.  Sie  begann  damit,  sich  über  den  Verlauf 
der  Angelegenheit  des  M.  Bajus  zu  informiren,  verhandelte  aber 
1651  auch  über  einige  mit  ihrer  Hauptaufgabe  zusammenhangende 
Angelegenheiten,  wie  über  die  Opposition  der  belgischen  Prälaten 
und  über  einige  später  zu  erwähnende  Buch  er  verböte.  Im  Juli  1651 
beauftragte  sie  4  von  ihr  ausgewählte  Qualificatoren,  die  7  von  der 
Sorbonne  vorgelegten  Sätze  zu  qualißciren  (Kath.  S.  291).  Die 
von  den  Bischöfen  vorgelegten  5  Sätze  überwies  sie  aber  —  erst 
4.  Juli  1652  —  allen  13  ordentlichen  Qualificatoren  der  Inq.,  „da- 
mit man  nicht  sagen  könne,  sie  habe  die  Gegner  des  Jans,  ausge- 
sucht.^' Den  Qualificatoren  wurde  aufgegeben,  jeder  einzeln  die  5 
Sätze  in  abstracto,  ut  jacent,  zu  qualificiren,  aber  freigestellt,  sie 
auch  ad  meutern  Jansenii  zu  qualificiren.  Sie  gaben  zweimal  in 
mündlichem  Vortrag  vor  der  Congregation  ihre  Vota  ab  und  wurden 
dann  angewiesen,  dieselben  schriftlich  einzureichen  (diese  schrift- 
lichen Vota  füllen  einen  Folioband  von  700  Seiten;  Kath.  8.  286). 
Bei  der  ersten  Verhandlung  sprachen  sich  9  für,  4  gegen  die  Ver- 
dammung der  5  Sätze  aus;  hinsichtlich  der  Frage,  ob  die  Sätze 
so,  wie  sie  vorgelegt  waren,  von  Jans,  gelehrt  würden,  gingen  auch 
die  9  aus  einander.  Die  Qualificatoren,  welche  sich  gegen  eine  Ver- 
dammung der  5  Sätze  aussprachen,  waren  die  Dominicaner  Vincen- 
tius  Candidus  (f  1654,  81  Jahre  alt),  der  als  Mag.  S.  Pal.,  und 
Vinc.  Depretis,  der  als  Commissarius  S.  0.  ex  officio  Qualificator 
war,  der  Augustiner-General  Phil.  Visconti  und  der  Franciscaner 
Lucas  Wadding.  Die  Dominicaner  traten  auch  sonst  für  die  Theo- 
logen der  Minorität  ein;  ihr  General  bat  17mal  vergebens  um 
eine  Audienz  bei  dem  Papste,  um  Schriftstücke  von  Theologen 
seines  Ordens  zu  überreichen  (S.-Amour  p.  400).  —  Den  franzö- 
sischen Theologen  wurde  im  Juli  1652  anheimgegeben,  mündlich 
oder  schriftlich  ihre  Sache  bei  der  Congregation  zu  vertreten.  Die 
der  Majorität  machten  von  dieser  Erlaubniss  Gebrauch ;  die  der  Mi- 


zu  entscheiden,  zur  Anerkennung  zu  bringen,  nicht  unbenutzt  zu  lassen; 
die  jetzige  Gelegenheit  sei  günstig,  da  der  französische  König  und  her- 
vorragende Mitglieder  des  Parlaments  versprochen  hätten,  die  Entschei- 
dung des  Papstes  anzuerkennen.  Eine  andere  derartige  Aeusserung  p.  423. 


Verhandlungen  in  Rom  1661—68.  4d9 

norität  weigerten  sich  anders  als  contradictorisch  zu  verhandeln; 
sie  erklärten  anch,  sie  hielten  einige  Qnalificatoren  und  namentlich 
Alhizzi  nicht  für  unparteiisch  (Kath.  S.  473).  Saint- Am our  klagt 
auch  in  seinem  Tagebuche  über  vielfache  Beweise  von  Parteilichkeit, 
namentlich  von  Seiten  Albizzi's,  der  z.  B.  einen  Abdruck  von  Schriften 
des  Augustinus,  den  die  Theologen  der  Minorität  in  Rom  veran- 
stalteten, zu  hindern  suchte,  dagegen  die  VeröflTentlichung  einer 
Streitschrift  des  Jesuiten  Annat  gegen  den  Willen  des  Mag.  S.  Pal. 
durchsetzte. 

Vom  10.  März  1653  an  fand  eine  Reihe  von  Sitzungen  der 
Congregation  in  Anwesenheit  des  Papstes  statt.  In  einer  derselben, 
19.  Mai,  wurde  den  Theologen  der  Minorität  gestattet,  ihre  Sache 
zu  vertreten.  Sie  erläuterten  bei  dieser  Gelegenheit  u.  a.  und  über- 
gaben dann  dem  Papste  ein  Schriftstück,  worin  in  drei  Spalten  die 
ketzerische  Deutung,  die  man  den  5  Sätzen  mit  Unrecht  gebe,  die 
richtige  Deutung  derselben  und  die  dieser  entgegenstehende  Ansicht 
der  Gegner  zusammengestellt  waren.  —  In  diesen  Sitzungen  coram 
Sanctissimo  gaben  auch  die  Qnalificatoren  nochmals  mündlich  ihr 
Votum  ab:  die  beiden  Dominicaner  und  der  Augustiner  Visconti 
votirten  auch  jetzt  gegen  die  Verdammung  der  5  Sätze.  Wadding 
erklärte:  der  erste  könne  in  einem  gewissen  Sinne  vertheidigt  werden, 
den  2.  habe  Jansenius  nicht  haeretisch  gemeint,  der  '^.  stehe  nicht 
in  seinem  Buche,  wer  den  4.  excerpirt  habe,  verstehe  entweder 
Jans,  nicht  richtig  oder  wisse  nicht,  worum  es  sich  handle.  Der 
Dominicaner  Depretis  bat  kniefällig,  man  möge  nicht  sub  larva  dam- 
nare  doctrinam  Augustini;  auch  Visconti  rief  aus:  Prob  dolor,  Au- 
gustinus sub  nomine  Jansenii  condemnatur,  und  bat  kniefällig,  man 
solle  sich  hüten,  ne  incidamus  in  ea  infelicia  tempora,  in  quibus 
fraudibus  ürsacii  et  Valentis  totus  orbis  vidit  se  Arianum,  et  hodie 
non  videat  se  Semipelagianum  (Kath.  S.  484).  —  „Die  Würfel  waren 
aber  schon  gefallen  (Eath.  S.  287).  Nach  der  Sitzung  vom  19.  Mai 
tiberreichte  Albizzi  dem  Papste  einen  Bericht  über  die  ganze  Sache. 
Er  erhielt  den  Auftrag,  die  Bulle  zu  entwerfen.  Sein  erster  Ent- 
wurf wurde  nicht  genehmigt.  Er  machte  mit  dem  Card.  Chigi 
einen  zweiten  Entwurf,  den  der  Papst  genehmigte*)  und  den  Albizzi 


1)  Inuocenz  X.  hatte  anfangs  wenig  Lust,  sich  mit  der  Angelegen- 
heit zu  befassen.  S.-Amour  p.  150  erzählt,  er  habe  zu  ihm  gesagt:  E  poi 
non  ^  la  mia  professione,  oltrache  sono  vecchio,  non  ho  mai  studiato  teo- 
logia,  und  P.  Ubaldino  habe  gesagt:  II  Papa  non  e  teologo,  non  e  la 
sua  professione,  6  legista  (p.  154).  Der  Bischof  von  Lodöve  (später  von 
Montpellier)  berichtete  in  der  Assemblee  du  Clerge  von  1655:  der  Papst 
habe  ihm  2.  Januar  1654  u.  a.  gesagt:  er  habe  die  Mitglieder  der  Con- 
gregation oft  und  aufmerksam  angehört;  er  habe  sich  zwar  früher  nur 
mit  Rechts-  und  Verwaltungsangelegenheiten  beschäftigt,  aber  Gott  habe 
ihn  erleuchtet,  dass  er  auch  die  subtilsten  Erörterungen  vollkommen  ver- 
standen und  den  Sitzungen  mit  dem  grössten  Vergnügen  beigewohnt  habe; 
die  Cardinäle  [und  seine  Verwandten,  p.  424]  hätten  ihm  oft  vorgestellt, 
er  schade  durch  seine  fleissige  Theilnabme  an  den  Berathungen  seiner 
Gesundheit  u.  s.  w.;  endlich  habe  er,  nachdem  er  alles  geprüft  und  Gott 


470  Die  Jansenistischc  Controverse. 

in  einer  27.  Mai  unter  dem  Vorsitze  des  Papstes  gehaltenen  Sitzung 
der  Cardinäle  der  Congregation  (Spada,  Ginetti,  Pamfili,  Chigi)  vor- 
las. Auf  den  Vorschlag  Spada's  wurde  der  Entwurf,  wie  Alhizzi 
herichtet,  auch  Domino  W.  (Hallier),  injuncto  secreto  suh  poena 
excommunicationis,  vorgelegt;  aliqua  putavit  addenda,  quae  addita 
fuerunt,  non  sine  impulsu  Spiritus  sancti  (Kath.  S.  491). 

Am  9.  Juni  wurde  die  vom  31.  Mai  1653  datirte  Bulle  Cum 
occasione  publicirt.  Die  5  Sätze  werden  darin  als  ketzerisch  ver- 
dammt, der  5.  jedoch  nur  in  dem  Sinne,  dass  Christus  nur  für  das 
Heil  der  Fraedestinirten  gestorben  sei,  als  ketzerisch,  sonst  als 
falsch  u.  8.  w.  In  der  Einleitung  heisst  es:  „unter  anderen  Mei- 
nungen des  Jansenius"  hätten  diese  5  Anlass  zu  Controversen  ge- 
geben; am  Schlüsse:  die  Verdammung  dieser  5  Sätze  bedeute  nicht 
eine  Gutheissung  anderer  in  dem  Buche  des  Jans,  vorgetragener 
Meinungen.  Die  Bischöfe  und  Inquisitoren  werden  aufgefordert, 
gegen  diejenigen,  welche  sich  der  Entscheidung  nicht  fügen,  mit 
Censuren  und  anderen  Strafen  vorzugehen  und  nöthigenfalls  die 
Hülfe  des  weltlichen  Armes  anzurufen.  Die  Bulle  wurde  dem 
König  und  den  französischen  Bischöfen  mit  Breven  vom  31.  Mai 
Übersand  t  (Arg.  III  b  261).  Ludwig  XIV.  verordnete  4.  Juli  die 
Publication;  die  in  Paris  versammelten  Prälaten  richteten  ein  zu- 
stimmendes Schreiben  an  den  Papst  (Arg.  III  b  271.  273). 

Das  erste  Verbot  von  Schriften,  die  mit  der  Jans.^schen  Sache 
zusammenhangen,  welches  nach  der  Bulle  von  1642  und  unter  Inno- 
cenz  X.  erschien  war  ein  Decret  der  Inq.  Fer.  V.  6.  Oct.  1650 
(Alex.  No.  53).  Es  betrifft  den  anonym  und  ohne  Angabe  des 
Druckortes  erschienenen  Catechisme  de  la  gr^e  und  den  dagegen 
gerichteten  Catechisme  ou  abrege  de  doctrine  touchant  la  grace 
divine  selon  la  Bulle  de  Pie  V.,  Gr^goire  XIII.,  ürbain  VIII.  An- 
tidote contre  les  erreurs  du  temps  par  un  Docteur  de  la  S.  Theol. 
de  Douay,  Douay  1650.  Beide  Schriften  werden  in  allen  Sprachen 
verboten,  weil  sie  ohne  Erlaubniss  des  apostolischen  Stuhles  ex  pro- 
fesso  de  auxiliis  handeln,  noch  dazu  in  der  Form  von  Catechismen 
in  der  Volksprache,  da  doch  der  in  ihnen  behandelte  Gegenstand 
Über  die  Fassungskraft  des  gewöhnlichen  Volkes  hinausgehe,  dem 
man  Milch  zu  trinken  geben  müsse,  nicht  solche  Speise,  die  es 
nicht  verschlucken    könne;    der  erste  aber  auch  darum,    weil  darin 


wiederholt  die  Sache  empfohlen,  den  Card.  Chigi  rufen  lassen  und  ihm  die 
Bulle  dictirt;  die  Sache  sei  ihm  so  klar  gewesen,  dass  ihm  das  Dictiren 
gar  keine  Mühe  gemacht  (p.  577;  mit  dem  oben  mitgetheilten  Berichte 
Albizzi's  stimmt  das  freilich  nicht).  Dem  französischen  Theologen  Ma- 
nessier,  der  ihm  die  Nothwendigkeit  einer  contradictorischen  Verhandlang 
vorstellte,  antwortete  Inuoccnz  X. :  Tutto  questo  dipende  delP  inspirazione 
dello  Spirito  santo,  und  da  Manessier  erwiderte :  der  der  Kirche  verheissene 
Beistand  des  h.  Geistes  dispensire  nicht  einmal  die  allgemeinen  Condlien 
davon,  die  geeigneten  Mittel  zur  Erforschung  der  Wahrheit  anzuwenden ; 
eben  bei  der  Anwendung  dieser  Mittel  werde  ihr  der  Beistand  des  h.  Geistes 
zu  Theil,  sagte  der  Papst:  non  dite  questo,  questa  opinione  non  d  buona 
(p.  443). 


Bulle  Inuocenz'  X.  von  1653.  Catcchismc  de  la  grace.  471 

manche  schon  von  Pius  V.,  Gregor  XIII.  und  Urban  VIII.  ver- 
dammte Ansichten  vorgetragen  würden.  Der  Verfasser  des  zweiten 
Catechismus  ist  der  Jesuit  Martin  L'Hermite  (t  1652);  den  ersten, 
ein  Schriftchen  von  40  S.  12.  (abgedr.  bei  Arn.  17,  839),  hatte 
Matthieu  Feydeau,  Dr.  Sorb.,  auf  den  Wunsch  des  Bischofs  Fran- 
c;oi8  le  Fevre  de  Caumartin  von  Amiens  verfasst,  und  dieser  hatte 
ihn  drucken  lassen ;  es  erschien  auch  eine  Ausgabe  unter  dem  Titel 
Eclaircissements  sur  quelques  difficultes  touchant  la  grace.  Es  er- 
schienen mehrere  Gegenschriften  (Arn.  16,  XX.  S.-Beuve  6,  250), 
u.  a.  von  dem  Jesuiten  Jean  Dorisy  (Backer  1,  268).  In  der  von 
L'Hermite  fanden  die  Löwener  Theologen  15  Irrthümer  (Arn.  17, 
815).  —  Arnauld  schrieb  über  dieses  Decret  1651  Reflexions  sur 
un  decret  de  l'Inquisition  92  S.  4.  (Arn.  17,  689).  Der  Erzbischof 
Boonen  publicirte  dasselbe  nicht  und  schrieb  darüber  28.  Jan.  1651 
an  den  Papst  (Gerb.  1,  361.  540).  Es  wurde  auch  von  der  Assem- 
bl6e  du  Clerge  nicht  angenommen  und  von  dem  Pariser  Parlament 
31.  Dec.  1650  unterdrückt  (Arn.  16,  XXI).  Saint-Amour  machte 
in  Rom  Vorstellungen  und  rieth,  wenigstens  derartige  Decrete  nicht 
mehr  zu  machen ;  Card.  Barberini  sprach  sich  ihm  gegenüber  lobend 
über  Amaulds  Schrift  aus.  —  Feydeau's  Schriftchen  wurde  trotz 
des  Verbotes  noch  .oft  gedruckt.  Eine  auf  Veranlassung  der  Lö- 
wener Theologen  veranstaltete  flämische  Uebersetzung :  Catechis- 
mus ofte  leeringhe  van  de  gratie,  zu  Gent  gedruckt  (Arn.  16,  XXI), 
\nirde  1688  von  der  Inq.  verb. 

Der  reformirte  Theologe  Samuel  desMarets  (Maresius)  über- 
setzte das  Schriftchen  ins  Lateinische,  meinte,  dasselbe  sei  den 
Dordrechter  Beschlüssen  conform,  und  folgerte  daraus,  dass  die  Jan- 
senisten  nicht  fern  vom  Himmelreich  seien  (Reuchlin,  Port-Royal 
1,  875;  2,  676):  Synopsis  verae  catholicaeque  doctrinae  de  gratia 
et  annexis  quaestionibus  proposita  partim  in  libello,  qui  anno  supe- 
riore  a  Jansenistis  prodiit,  .  .  .  partim  brevibus  ad  illum  scholiis, 
Gron.  1651,  4.  Der  Jesuit  Brisacier  schrieb  nun  sofort  eine  Bro- 
schüre: Les  Jansenistes  reconnus  Calvinistes  par  S.  Desmarets, 
1652;  Godefroy  Hermant  antwortete  darauf  mit  Fraus  calvinistarum 
retecta,  sive  Cat.  de  gratia  ab  haereticis  Samuelis  Marezii  corrupte- 
lis  vindicatus  per  Hieronymura  ab  Angelo  Forti,  Dr.  Theologum, 
Par.  1652,  4.  —  Die  Schrift  von  Maresius  und  seine  Apologia  no- 
vissima  pro  S.  Augustino,  Jansenio  et  Jansenistis  contra  Pontificem 
et  Jesuitas,  Gron.  1654,  wurden  übrigens  1654  verb.;  seit  Ben. 
stehen  sie  nicht  mehr  im  Index,  weil  seine  opera  omnia  verb.  sind. 
In  demselben  J.  1651  erschien  von  Jean  de  Labadie  (S.  94)  eine 
Declaration  über  die  Gründe  seines  Uebertritts  zur  reformirten 
Kirche  und  dann  Lettre  k  ses  amis  de  la  communion  romaine 
touchant  sa  declaration,  worin  er  u.  a.  sagt,  er  habe  seine  üeber- 
zeugung  nicht  geändert,  wenn  er  früher  Jansenist  gewesen  und  jetzt 
Calvinist  sei.  Auch  dieses  wurde  von  den  Jesuiten  in  mehreren 
Schriften  ausgebeutet,  u.  a.  in  Le  grand  chemin  du  Jansenisme  au 
Calvinisme  enseigne  par  le  Sieur  J.  de  Labadie,  worauf  Arnauld 
mit  einer  Lettre  d'un  Dr.  en  Th^ol.  k  une  personne  de  condition  et 


472  Die  Jansenistisclie  Controverse. 

de  pi^t6  8ur  le  sujet  de  Tapostasie  du  S.  J.  de  L.    (Arn.  29,  391) 
und  Hermant  mit  einem  Quartbande:    Defense  de  la  pi^ti  etc.  ant- 
wortete.    Auch  Labadie's  Lettre  wurde  1654  verb.,    seine  Declara- 
tion  nicht,  aber  1666:  Premiere  apologie  pour  Jean  de  Labadie,  et 
pour  la  justice  de  sa  declaration,  par  E.  Dufeu  dit  de  Blanc-Mont. 
Das  umfangreiche  Decret  der  Inq.  vom  23.  Apr.  1654  (Alex. 
No.  59)  wiederholt  zunächst  das  Verbot  der  in  der  Bulle  von  IC'42 
verbotenen  Bücher,  verbietet  dann  die  oben  erwähnten  französischen 
und  belgischen  Streitschriften  und  eine  Reihe  von  anderen,  die  bis- 
her noch  nicht  erwähnt  worden  sind:  Considerations  sur  la  let- 
tre composee  par  T^veque   de  Vabres    [Habert]    pour  ötre    envoy^e 
au  Pape  en   son  nom  et  de  quelques  autres  prelats,  1651  (von  Ar- 
nauld;    abgedr.  19,  43);    —    De  la  grftce    victorieuse  de  J.  C,    ou 
Molina  et  ses  disciples  convaincus   de  Terreur  des  Pelagiens  et  des 
Semipelagiens,   .  .  .    pour  Texplication   des    5    propositions    par   le 
Sieur  de   Bonlieu,  Paris  1651;  der  Verfasser  ist  Noel  de  Lalane, 
einer  der  Theologen,  die  von  den  Minoritätsbischöfen  nach  Rom  ge- 
sandt wurden;    schon    während    seiner   Anwesenheit    daselbst  hatte 
die  Congregation   1.  Febr.  1652  das  Verbot  des  Buches  beschlossen; 
—  Distinction    abregee    des    cinq   propositions    qui   regardent  la 
matiere  de  la  grace,    laquelle  a  6te  presentee  en  latin  k  Sa  Saintete 
par  les  Theologiens  qui  sont  a  Rome  pour  la  defense  de  la  doctrine 
de  St.  Aug.,  oü  l'on  voit   clairement  en    trois  colomnes    les   divers 
sens  que  ces  propositions  peuvent  recevoir,  et  les  sentimens  des  Cal- 
vinistes  et   des  Lutheriens,    des  Pelagiens  et  des  Molinistes,    de  St. 
Augustin  et  de   ses  disciples,    und   Brevissinia    5    propositionum    in 
varios  sensus    distinctio    etc.,    die    am    15.  Mai  1653    vorgelegte 
Schrift,    noch   1653    zu    Paris    französisch    und    lateinisch    gedruckt 
(lateinisch  bei  Arg.  III  b  263);  sie  wird  verb.,  sive  typis  sive  scripto 
extet;    Lalane    hat   sie  zuerst  unterzeichnet    und  wird  darum  wohl 
als  Verfasser  angegeben.   Der  Jesuit  Annat   veröffentlichte  dagegen 
im  Febr.  IT  54  Ca  villi  Jansenianorum  contra  latam  in  ipsos  a  S.  Sede 
sententiam  seu  confutatio  libelli  trium   columnarum  et  aliarum  con- 
jecturarum,    queis    Janseniani  obtinere  conantur,    ut    non    videantur 
esse  condemnati;    dagegen    erschienen    noch    1654   Reponse  au  P. 
Annat,  Provincial  des  Jes.,    touchant    les    5  prop.    attribu^es   k   M. 
TEveque  d'Ipre,    divisee    en    deux  parties,    und    Memoire    sur    le 
dessein  qu'ont  les  Jesuites  de  faire  retomber  la  censure  des  5  prop. 
sur  la  v^ritable   doctrine    de    St.  Aug.    sous   le    nom   de  Jansenius, 
beide  von  Arnauld  (19,  147.  196).     Friere  pour  deraander  k  Dieu 
la  gräce  d'une   veritable   et    parfaite    conversion,    1652,    72  S.  16., 
ist  nicht  von  Arnauld   (Dict.  Jans.  3,  299),    sondern  von  Guill.  Le 
Roy,  Abb6    de    Hautefontaine    (Am.    33,  611;    trotz    des   Verbotes 
noch  20  mal  gedruckt ;  s.  §  53).    —  Lettre  pastorale  de  Mgr.  TAr- 
cheveque    de    Sens    [de    Gondrin]    pour   la  publication  de  la  Con- 
stitution de  N.  S.  P.  le  Pape  donnee  a  Rome   le    31.  Mai    dernier, 
und  Ordonnance  de  Mgr.  TEveque  de  Cominges  [Gilbert  Choyseul 
*du  Plessis-Praslain,  später  Bischof  von  Tournay]  sur  la  publication 
qu'il  a  faite   dans  le  synode  diocesain  de  Cominges  le  9.  Oct.  1653 


Bücherverbote  von  1654.  473 

de  la  Constitution  de  N.  S.  P.  le  Pape  Innocent  X.  portant  cen- 
Bore  de  5  prop.  touchant  la  grace  et  le  franc  arbitre;  beide  Bi- 
schöfe hatten  mit  der  Pnblication  der  Bulle  eine  £mpfehlnng  der 
Lehre  des  h.  Augustinus  verbunden  (Gerb.  II,  189),  —  ferner  Phi- 
losophia  moralis  christ.,  continens  tres  dissertationes :  1.  de  rectitu- 
iine  et  pravitate  actuum  hum.,  2.  de  libero  arbitrio,  3.  de  con- 
cnrsa  divino,  anct.  Phil.  Camerario  Presb.,  Andegavi  1652;  — 
Jasta  damnatio  5  propositionum,  studio  Marci  Ferri,  Yen.  1653; 
Ferro  war  Dominicaner  (Qu6tif  2,  659);  —  endlich  noch  zwei  pole- 
mische Schriften:  R^ponse  ä  un  sermon  prononc6  par  le  P.  Brisa- 
3ier  J^suite  dans  Tiglise  de  St.  Solene  k  Blois  le  29.  Mars  1651 
^von  du  Trouillas),  und  Les  enluminures  du  fameux  almanach 
leg  P^res  J^suites  intitule  La  deroute  et  la  confusion  des  Jans6- 
nistes,  1654,  91  S.  12.    Der  Kalender   für  1654,    den  die  Jesuiten, 

—  dont  le  goüt  fut  longtemps  detestable,  wie  S.-Beuve  2,  833  sagt, 

—  unter  diesem  Titel  im  Dec.  1653  herausgaben  und  von  dem  sie 
16,000  Exemplare  verbreitet  haben  sollen,  war  mit  einem  Titel- 
kapfer  verziert,  welches  übrigens  nicht  ein  Jesuit  gezeichnet  hatte, 
sondern,  wie  die  Revue  des  sciences  eccl.  1875,  I,  324  sagt,  „ein 
achter  Schüler  des  h.  Franz  von  Sales  und  des  h.  Vincenz,"  Adrien 
Sambert,  Beichtvater  der  Salesianerinnen :  auf  der  einen  Seite  der 
Papst  umgeben  von  Cardinälen  und  Prälaten,  den  Blitz  schleudernd 
luf  eine  Hydra  mit  5  Köpfen  (den  5  Propositionen),  auf  der  andern 
Ludwig  XIV.  auf  dem  Throne,  dem  die  Justitia  das  Schwert  reicht, 
unten  Jansenius  mit  Fledermausflügeln,  sich  in  die  Arme  Calvins 
md  anderer  Haeresiarchen  flüchtend,  umgeben  von  Irrthum,  ünwissen- 
tieit  und  Betrug  in  der  Gestalt  von  Ungeheuern,  alle  von  dem  Blitz- 
strahl des  Papstes  getroflTen.  Man  beklagte  sich  bei  den  Behörden; 
ier  Kalender  wurde  in  Paris  verboten,  aber  wieder  freigegeben, 
lachdem  man  einiges  geändert,  namentlich  die  Fledermausflügel  ent- 
fernt hatte;  die  Exemplare  k  ailes  de  diable  wurden  dann  in  der 
Provinz  abgesetzt.  Zu  diesem  Bilde  also  gehören  die  Enluminures 
Colorirungen),  Spottverse  von  Isaac  Louis  le  Maistre  de  Saci,  von 
lenen  S.-Beuve  mit  Recht  sagt:  un  ecrit  des  plus  contraires  a 
'esprit  de  Saint-Cyran ;  je  rougis  pour  nos  amis  de  l'erreur  de 
Jette  r^ponse  et  de  tant  d 'au tres  sur  le  meme  ton  qui  en  furent  la 
mite.  Dass  cette  lourde  et  crasse  mani^re  de  plaisanterie  avait 
iboque  quelques  amis  eclaires  de  Port-Royal,  zeigt  die  Thatsache, 
läse  Amauld  zur  Vertheidigung  Saci's  1654  ein  anonymes  Schrift- 
ihen  herausgab:  R^ponse  a  la  lettre  d'une  personne  de  condition 
«üchant  les  regles  de  la  conduite  des  saints  p^res  dans  la  compo- 
ition  de  leurs  ouvrages  pour  la  defense  des  v^rites  combattues  ou 
le  Tinnocence  calomni^e  (Arn.  21,  1),  welches  1  öSB'^nochmals  ge- 
Irnckt  und  komischer  Weise^JeinJ  halbes  ^Jahrhundert  nach  seinem 
reten  Erscheinen,  1700,  verb.  wurde  (S.-Beuve  2,  327.  Reuch- 
in  1,  615.  791).  Der  Almanach  kam  nicht  in  den  Index,  [ebenso- 
wenig die  Predigtjdes  P.  Brisacier  und  die  Vertheidigung  derselben, 
^  Jansenisme  confondu,  und  andere  Schriften  von  ihm,  die  nach 
len  Auszügen  zu  urtheilen,    welche  Arn.  29,  597;    30,  6;  35,  100 


474  Die  Jauscuistischc  Controverse. 

und  Cret.-Joly  4,  29  daraus  mittheilen,  einen  ebenso  abscheulichen 
Geschmack  verrathen  wie  der  Almanach.  Auch  Bolche  Schriften, 
welche  unter  das  Verbot  der  Schriften  de  auxiliis  fielen,  wurden, 
wenn  sie  gegen  Jans,  gerichtet  waren,  nun  nicht  mehr  ausdrücklich 
verboten.  Dagegen  fügte  die  Index-Congr.  dem  Decrete  von  1654, 
wohl  wissend,  dass  das  lange  Bücherverzeichniss  desselben  auf  Voll- 
ständigkeit nicht  entfernt  Anspruch  machen  könne,  das  allgemeine 
Verbot  bei:  „alle  und  jegliche  Bücher,  Büchlein,  Briefe  u.  b.  w., 
gedruckte  und  geschriebene  oder  in  Zukunft  zu  druckende  und  heraus- 
zugebende, in  denen  die  in  den  5  Sätzen  verdammte  Lehre  des 
Augustinus  des  C.  Janscnius  gebilligt  oder  yertheidigt  wird,  in 
welcher  Sprache  sie  auch  geschrieben  sein  mögen." 

Zu    den   auf   die  Römischen  Verhandlungen    1651  —  53  bezüg- 
lichen verbotenen  Schriften  kamen  noch  hinzu:    Tredecim   Theolo- 
gorum    ad    examinandas    quinque    propositiones    ab    Innocentio  X. 
selectorum   suffragia  seu,  ut  appellant,    vota  Summo  Pontifici  scripto 
tradita,    verb.    von  der  Inq.  Fer.  V.  6.  Sept.  1657    (Alex.  No.  66) 
und  das  1662  erschienene  Journal  von   Saint-Amour,    verb.   1664. 
Die  Vota  der  13  Qualificatoren  wurden  1657  von  Nicole  mit  Noten 
herausgegeben  und  sind  auch  bei  Saint-Amour  (Reo.  p.  173  und  bei 
Wendrock  p.  601)  abgedruckt.     Dem  Verbote  derselben  ist  in  dem 
Decrete  der  Inq.  beigefügt:  der  Papst  (Alexander  VII.)  habe  decre- 
tirt,  iis  tanquam    apocryphis    nullam    fidem    esse  adhibendam  neo  a 
qnocunque  allegari  posse  vel  debere.     Saint-Amour  bemerkt  p.  172: 
dass  die  dem  Drucke  zu  Grunde  gelegte  Abschrift  genau  sei,    habe 
der  Bischof  von  Montpellier  ausdrücklich  anerkannt;  wenn  die  Vota 
für  apokryph  erklärt  würden,  so  heisse  das  nur,  dass  man  in  Roi 
ihre  Veröffentlichung  nicht   gern   gesehen,   und  Nicole    selbst    99Lgt-^^ 
man  habe  sich  wohl  gehütet,  die  Vota  falsa  et   conficta  zu  nennen        \ 
apocrypha  heisse  nur  injussu  Inquisitionis  edita.  Auch  Serry  p.  XLI      ^ 
stellt  diese  Erklärung    mit   der  von   1654  (S.  306)    auf  eine  linii 
Stubrockius  p.  295  behauptet  freilich  die  Vota   seien   spuria  et  Ro« 
manis  theologis  afficta! 

3.    Schon   1654  erklärten  sich  die  in  Paris  versammelten  _ 

laten  in  einem  Schreiben  an  die  übrigen  Bischöfe  scharf  gegen  die^^*-* 
jenigen,  welche  behaupteten,  die  5  Sätze  seien  nicht  von  Jans,  uno 
seien  in  einem    Sinne   verdammt   worden,    der    mit    der    Lehre   dei= 
Jans,  nichts  zu  thuen  habe.    Dieses  Schreiben  sandten  sie  mit  einei 
Begleitschreiben  desselben  Inhalts  an  Innocenz  X.  Dieser  antwortet^^^^' 
aber    29.  Sept.  1654    nur   mit  der  vagen  Ermahnung,  die  Bischöf^T  "*" 
möchten  fortfahren,  sich  die  Durchführung  der  Bulle  von  1653  uno 
des  dazu  gehörenden  Inquisitionsdecretes   vom  23.  Apr.   1654  an| 
legen  sein  zu    lassen    (Arg.  III  b  277).     Von  Alexander  VII.    wa 
ein  schärferes  Vorgehen  zu  erwarten:    er   hatte   als  Card.  Chigi  b< 
den  Verhandlungen,  die  der  Bulle  von   1653  vorhergingen,  eine  hei 
vorragende  Rolle  gespielt  und  war,  wie  Faure,  Comm.  p.  264  si 
den  Dominicanern  wegen    ihres   Widerstrebens    gegen    die  Verdanar^KTÄH- 
mung  der  5  Sätze  abgeneigt,   dagegen  als  Gönner  der  Jesuiten  be^^  ^' 
kannt. 


i 


A.  Amauld.  476 

Arnauld    veröffentlichte  Anfangß    1655    anonym    eine  Lettre 
d'un  Docteur    de  Sorbonne    a  nne  personne  de  condition  sur  ce  qui 
est  arrive  depuis  pea  dans  une  paroisse  de  Paris  ä  nn  seigneur  de 
la  cour,  worin  er  berichtet,  dass  ein    Pariser  Geistlicher  [Picote  in 
St.  Sulpice  mit  Billigung  des  Pfarrers  Olier,  31.  Jan.   1655]  einem 
Hofmanne    [dem  Herzog  von  Liancourt]    die  Absolution   verweigert 
habe,  weil  er  nicht  versprechen  wollte,  mit  den  Jansenisten  keinen 
Verkehr  mehr  zu  haben,    seine  Enkelin    von    Port-Royal    zurückzu- 
holen and  seinen  Jansenistischen  Hausgeistlichen  [Bourzeys]  zu  ent- 
lassen ^).     £8  erschienen  rasch  nicht  weniger  als  9  Broschüren  über 
diesen  Brief,    von    den  Jesuiten   Annat  und  Ferner    u.  a.    Arnauld 
antwortete  einige  Monate  später  in  einer  umfangreichern  Schrift  mit 
seinem  Namen:  Lettre   seconde  ...    ä  un  Duc  et  Pair    de    France 
[den  Duc  de  Luynes],  pour  servir  de  r^ponse  h,  plusieurs  Berits  qui 
ont  M  publies  contre  sa  premiere  lettre  etc.,  250  S.  4.     In  diesen 
Briefen   sagt  Arn. :    die  5  Sätze  seien  allerdings  irrig,  aber  sie  seien 
dem  Jans,  mit  Unrecht  imputirt  worden;    man  sei  berechtigt,  wenn 
man   diese  Sätze  in  dem  Augustinus  nicht  finde,    die  Ueberzeugung 
festzuhalten,  dass  Jans,  sie  nicht  gelehrt  habe,  und  nur  verpflichtet, 
sioh  jedes  Streites  bezüglich  dieser  rein  thatsächlichen  Frage  (point 
de  fait)  zu  enthalten  und  darüber  ein    respectvolles  Schweigen    (si- 
lence  respectueux)  zu  beobachten ;    mehr  als  eine  solche  Unterwer- 
fang    sei    man    selbst  allgemeinen    Concilien   bezüglich  solcher  spe- 
ciellen  Thatsachen  (faits  particuliers)  nicht  schuldigt).     Den    zweiten 
Brief  schickte  Arn.  selbst  an  Alexander  VII.,   von  dem  er,   wie  er 
in  dem  Begleitschreiben    vom  27.  Aug.  sagt,  gehört,    dass  ^  er    den 
ersten  Brief  gelesen  und  nicht  missbilligt  habe. 

Ueber  diesen  zweiten  Brief  wurde  in  der  Sorbonne  vom  No- 
vember 1655  an  lebhaft  verhandelt.  Sie  censurirte  schliesslich  zwei 
darin  ausgesprochene  Ansichten,  nämlich  als  propositio  facti  die  eben 
erwähnte  Ansicht  über  die  Bedeutung  der  Verdammung  der  5  Sätze 
Und  als  propositio  juris  den  Satz:  Petrus  sei  das  Beispiel  eines 
Oerechten,  dem  die  Gnade,  ohne  welche  man  nichts  vermöge,  bei 
einer  Gelegenheit,  wo  er  sicher  gesündigt,  gefehlt  habe  (Arg.  III  a 
67).  Da  Arn.  einen  Widerruf  verweigerte,  vrurde  er  31.  Jan.  1656 
der  Facultät  ausgestossen.  Während  der  Verhandlungen  schrieb 
I.  mehrere  Vertheidigungen :  Epistola  et  scriptum  ad  S.  Faculta- 
t;«iD  Paris,  in  Sorbona  congregatam  die  7.  Dec.  1655,  —  Scripti 
^ars  altera  ad  S.  Fac.  .  .  .  congreg.  die  10.  Dec.  1655,  —  Fpistola 


1)  Gerb.  2,  256.  S.-Beuve  3,  29.  Vie  de  M.  Amauld  p.  54.  Arnauld, 
Oeavres  19  und  20. 

2)  Der  Jesuit  Yves  Andre,  t  1764,  sagt  in  einem  Briefe  (N.  E.  1782, 
'^'4):  Ich  glaube  fest,  dass  die  5  Sätze  sioh  bei  Jansenius  finden;  darum 
'O.nterzeichne  ich  das  Formular  ohne  Bedenken.  Aber  ich  glaube  zugleich, 
i^aan  muss  den  Verstand  verloren  haben,  um  daraus  einen  Glaubensartikel 
^n  machen  .  .  .  Wir  haben  kein  einziges  Beispiel  in  der  ganzen  alten 
^Circbe,  dass  man  für  solche  Thatsachen  den  nämlichen  Glauben  verlangt 
^ütte  wie  für  die  geofifenbarten  Thatsachen. 


476  Die  Jansenistische  Gontroverse. 

et  alter  apologeticus  ad  S.  Fac.  .  .  .  congreg.  die  17.  Jan.  1656, — 
Propositiones  tbeologicae  duae,  de  qiiihiiR  hodie  maxime  disptitatnr, 
clarißsime  demonstratae,  —  nach  der  AusRtossung  u.  a.  eine  Epietola 
ad  Henr.  Holdennm  (Holden  hatte  ihn  vertheidigt,  aher  die  Censur 
mit  unterfichrieben,  während  Lannoy,  obschon  nichts  weniger  als  ein 
Jansenist,  sich  mit  aiisstossen  liess  und  die  Censur  scharf  kritisirte) 
und  Vera  S.  Thomae  de  gratia  sufficienti  et  efficaci  doctrina  dilncide 
explanata,  beide  im  März  1656  geschrieben.  Unter  den  zahlreichen 
anderen  Schriften  über  diese  Angelegenheit  machten  drei  Briefe  an 
einen  Provincialen  besonderes  Aufsehen,  die  drei  ersten  der  Pascal- 
schen  Briefe  (s.  §  53). 

Am  3.  Aug.  1056  wurden  die  genannten  Schriften  von  Amauld 
von  der  Index-Congr.  verb.      Am   10.  Oct.  1666  erschien   dann  die 
Bulle  Ad  sacrum  (Arg.  TU  b  281),  worin  Alexander  VII.  die  Bulle 
seines  Vorgängers  bestätigt    und    die  oben  (S.  485)  angeführte  Er- 
klärung abgibt  und  zugleich    das  Buch  des  Jans,  und  alle  zur  Ver- 
theidigung  seiner  Lehre  geschriebenen  oder  zu  schreibendem  Bücher 
nochmals  verbietet.      Fer.  V.  6.  Sept.   1657  verdammte  dann    auch 
die  Inq.  ausser  Pascal s   Briefen    nochmals    die    genannten  Schriften 
von  Amauld.  —  Die    auf  Arnaulds  Ausstossnng    aus  der  Sorbonne 
bezüglichen  Schriften,  —  ausser  den  genannten  noch  mehrere  andere, 
—  erschienen  später  gesammelt  und  mit  einer  langen  Praefatio  (von 
Quesnel)  unter  dem  Titel:    Causa  Arnaldina  seu  Ant.  Amaldus  .  . 
a  censura  a.   1656  sub    nomine  Facultatis  Theologiae  Paris,  vulgaia. 
vindicatus    suis    ipsius  aliorumque    scriptis,    nunc  primum    in  unam 
Volumen  collectis  .  .  .  Leodici  Eburonum  1699*,  112  und  670  S.  ö>» 
Das  Buch  wurde    sogleich    18.  Apr.  1699    von    der  Inq.  verb.  nr^^^ 
der  Motivirung:    ex    quo  continet  nonnulla  opnscula    alias  damnatf:^^* 
Dieser  sind    nur   sechs.     Es    ist    auffallend,    dass    diese   Motiviru^^"^?» 
beigefügt  wurde;  selbst  du  Vaucel  meinte:  die  von  Am.  1640  v«^^  *^' 
theidigten   Theses   theol.    de   gratia    (p.  657)    hätte   man    weglass    •  *^^ 
sollen;  es  ständen  harte  Dinge  darin  (C.  Qu.  p.  433).     Die  gleich -Ä®^^ 
falls    von   Quesnel   herausgegebene    Justification    de   M.  A.  Arnait:^'-*^^ 
contre   la   censure  d'une    partie   de  la  Fac.    de  Th6ol.  de  Paris,  ^ 

recueil   des    Berits    fran<;ai8    sur    ce   sujet,    1702,    3   vol.  12.,   wur  MT-^f^ 
nicht  verb. 

Das  Decret  der  Inq.  vom  6.  Sept.  1657  wurde  von  dem  KT  ^"' 
temuncius  den  belgischen  Bischöfen  mitgetheilt  und  von  dem  Ey^g^^' 
bischof  von  Mecheln  publicirt.  Das  Conseil  de  Brabant  cassirte  S^^  *^* 
Nov.  1657  die  Publication,  weil  das  Decret  nicht  das  Placet  erhallen  ^^,!5"' 
Darauf  decretirte  die  Inq.  Fer.  V.  14.  Mai  1658  (A.  J.  P.  6,  176' 
es  widerspreche  der  Vernunft  und  der  Frömmigkeit  katholiscl 
Fürsten,  namentlich  des  Königs  Philipp  von  Spanien,  dass  päpstlic 
Decrete,  namentlich  dogmatische,  nicht  ohne  Placet  sollten  public 
werden  können,  da  es  ganz  gewiss  sei,  dass  die  von  Christus  d( 
Papste  tibergebene  Gewalt  nicht  durch  Edicte  von  weltlichen  Fürst' 
behindert  oder  beschränkt  werde  und  dass  die  päpstliche  oder  pr 
sterliche  Würde  und  Autorität  nicht  von  der  königlichen  Ge^ 
abhängig  sei  (cadere  sub  manu  regia).     Demgemäss  habe  der 


Bulle  Alexanders  VII.  von  1656.  Formulai*.  477 

kraft  apostolischer  Autorität  jenes  Edict  sammt  allen  seinen  Folgen 
cassirt  und  verbiete  —  bei  den  gegen  die  Verletzer  der  kirchlichen 
Immunität  und  Freiheit  und  die  Bekämpfer  der  päpstlichen  Autorität 
festgesetzten  Censuren,  von  denen  ausser  in  Todesgefahr  niemand  als 
der  Papst  solle  lossprechen  können,  —  jenes  Edict  vor  Gericht  oder 
sonst  zu  allegiren  oder  Anwendung  davon  zu  machen.  Dem  Rathe 
von  Brabant  gebiete  er,  das  Edict  aus  seinen  Büchern  und  Regesten 
zu  entfernen,  damit  er  nicht  genöthigt  sei,  gegen  die  Mitglieder  des 
Rathes  schärfere  Massregeln  zu  ergreifen  (ad  alia  majora  remedia 
procedere).  Das  Edict  ist  trotz  dieser  scharfen  Verdammung  nicht 
gleich  andern  ähnlichen  Documenten  in  den  Index  gekommen. 

4.  Ein  Formular  wurde  zuerst  von  der  Assemblee  du  Clerge 
von  1656 — 57  entworfen  (Arg.  III  b  288)  und  allen  Bischöfen  über- 
sandte mit  dem  Ersuchen,  von  den  Geistlichen  die  Unterzeichnung 
desselben  zu  verlangen^).  Gegen  diesen  Beschluss  ist  gerichtet 
Lettre  d'un  advocat  au  parlement  a  un  de  ses  amis  touohant  Fin- 
quisition  qu'on  veut  etablir  en  France  ä  Toccasion  de  la  nouvelle 
Bulle  du  Pape  Alexandre  VII.,  a  Paris  1.  Juin  1657,  worin  zugleich 
auf  die  Nullitäten,  an  denen  die  Bulle  laborire,  hingewiesen  und 
hervorgehoben  wird,  dass  solche  motu  ])roprio  erlassene  Bullen  in 
Prankreich  nicht  anerkannt  würden.  Der  Brief  wurde  später  gewöhn- 
lich den  Lettres  a  un  provinciel  als  19.  beigedruckt,  ist  aber  nicht 
von  Pascal,  auch  nicht  von  Barbier  d'Aucourt,  sondern  von  dem 
frühem  Parlamentsadvocaten  Antoine  Le  Maitre  verfasst,  der  seit 
1637  in  Port-Royal  lebte  (S.-Beuve  1,  368). 

Es  kam  vorerst   noch  nicht   zur  Durchführung    der   1657  be- 
schlossenen Massregel.  Im  J.  1662  machte  der  Bischof  Choyseul  von 
Comminges  noch  einen  Versuch,  zwischen  den  beiden  Parteien  einen 
Ausgleich  zu  Stande  zu  bringen.     Die  eine  war  bei  diesen  Verhand- 
langen durch  den  Jesuiten  Ferner,  die  andere  durch  Dr.  de  Lalane 
und  Lic.  Girard  vertreten.      Man    einigte    sich   über  5    Artikel,    in 
denen    die  Lehre    der  Schüler  des  h.  Augustinus   über    die   Materie 
fler  5  (in  den  Bullen  verdammten)    Sätze  enthalten    und  von  denen 
man   überzeugt  sei,    dass    dieselben    orthodox    seien    und    von    den 
|>äpetlichen  Decreten  über  die  5  Sätze  nicht  betroffen  würden.    Zehn 
liervorragende    „Schüler    des    h.    Augustinus^ ^    unterzeichneten    ein 
Schreiben    an   den  Bischof  Choyseul    vom  7.  Juni    1663,    worin  sie 
zugleich  im  Namen  ihrer  Gesinnungsgenossen  ihn  baten,    die  5  Ar- 
tikel dem  Papste  zu  übersenden,    und  versicherten,  sie  seien  bereit, 
clen  päpstlichen  Bullen    die  gebührende    Ehrfurcht    und  Observantia 
asu  zollen   und  alles  weitere    zu    thun,    was   der   h.  Stuhl  verlangen 
x^erde,    damit  sie  bezeugten,    wie  aufrichtig    sie    an   der  durch    die 
Italien  sanctionirten  Lehre    festhielten  und  diesen  Bullen   gehorchen 
"VroUten.     Choyseul  schickte  die  Erklärung  19.  Juni  nach  Rom.  Die 


1)  Ueber  die  Verbandlungen  der  Assemblee  s.  Arnauld  21,  Preface, 
tiber  die  verschiedenen  Formulare  ib.  25,  160.  In  der  Assembler  spielte 
X*.  de  Marca  eine  hervorragende  Rolle;  s.  S.  391.  Recueil  touchant  les  all*. 
tlu  Jans.,  tire  des  meraoircs  de  P.  de  Marca,  A.  J.  P.  12,  1645. 


478  Die  Jansenistische  Controverfte. 

Inquisition  beschloss  21.  Juli,  keine  Entscheidang  über  die  5  Artikel 
za  geben;  der  Papst  möge  ausweichend  antworten  (L.  de  Meyer 
2,  685).  In  einem  Breve  vom  29.  Juli  1663  belobte  dann  Alexan- 
der VII.  die  französischen  Bischöfe  für  ihren  Gehorsam  und  forderte 
sie  auf,  auch  ferner  in  geeigneter  Weise  dahin  zu  wirken,  dass  alle 
den  Bullen  gehorchten  und  die  5  ans  dem  Buche  des  Jans,  entnom- 
menen Sätze  in  dem  von  dem  Verfasser  intendirten  Sinne  aufrichtig 
verdammten.  Ludwig  XIV.  Hess  mit  diesem  Breve  die  5  Artikel 
den  in  Paris  anwesenden  Bischöfen  vorlegen,  die  sich  in  einem 
Briefe  an  den  Papst  vom  2.  Oct.  1663  gegen  dieselben  aussprachen. 
Er  Hess  auch  durch  seinen  Gesandten  dem  Papst  die  Nothwendigkeit 
der  Einführung  eines  Formulares  vorstellen.  Darauf  erliess  Alexan- 
der VII.  die  oben  erwähnte  Bulle  Hegiminis  apostolici  vom  15. 
Febr.  1665,  welche  Ludwig  XIV.  im  April  publiciren  liess^). 

5.  Die  vier  Bischöfe,  welche  im  Juni  1665  die  S.  458  erwähnten 
Mandements    erliessen,   waren   Nie.  Pavillon    von  Aleth     (f  1677), 
Etienne  Fran^ois  de  Caulet  von  Pamiers  (f  1680),    Nie.  Choart  de 
Buzenval  von  Beauvais    (f  1679)    und   Henri  Amauld  von  Angers 
(f  1692).     Durch  ein  Arret  du  Conseil  vom  20.  Juli  wurden  diese 
Mandements    cassirt    und    den    Geistlichen    der   Diöcesen    verboten, 
ihnen  zu  gehorchen.      Von    der   Index-Congr.    wurden    sie  18-  Jan. 
1667  zusammen  mit  anderen,    zum  Theil  gar  nicht  mit  dieser  Con- 
troverse    zusammenhangenden    Schriften    verb.    (Alex.  No.  91  ;     sie 
stehen  im  Index  unter  Alet,  Angers,  Beauvais  und  Pamiers).     Lud- 
wig XIV.  hatte  in  Rom  beantragt,  der  Papst  solle  durch  ein  Brev€ 
die  Bischöfe   zum  Widerruf   und   zur  einfachen   Unterzeichnung  de 
Formulars    auffordern    und    durch    ein  zweites   französische  Bi8ch$f> 
zu  Commissaren  ernennen,  um  gegen  ihre  vier  Collegen  vorzagehe 
Die  Breven  fielen    nicht    so    aus,    wie    der  König  gewünscht  ha' 
avec  leurs    clauses   abusives   et   leur   sans-gene  uUramontain :    nac 
dem  Breve    vom  20.  Mai    1667    sollten   9  französische  Bischöfe  a! 
judices  delegati  kraft  päpstlicher  Autorität  die  Bischöfe  abartheile 
Es  kam  zu  nichts,  da  Alexander  VII.  22.  Mai  starb. 

Unter  Clemens  IX.  verwendeten  sich  19  französische  Biscbö 
für  ihre  vier  Collegen  bei  dem  Papste  und  dem  Könige;  der  Nanci 
verhandelte    im  Auftrage    des  Papstes    mit    drei    dieser  Vermittle 
Der  Brief  der  vier  Bischöfe  an  den  Papst  ist  von  Arnauld  verfi 
(Arn.  1,  619).      Der  Papst  richtete  sein  Breve    vom  19.  Jan.   166 
an  die  vier  Bischöfe  (und  gleichzeitig  eines  an  die  drei  Unterhän« 
1er,  Arg.  III  b  337),  nachdem  die  Angelegenheit  von  einer  CoHj 
gation  von  Cardinälen  in  30  Sitzungen  berathen  worden  war. 

Faure,  Comm.  p.  116  sagt,  der  Papst  sei  von  den  Jesuiten  fb 
illusus,  und  auch  andere  haben  behauptet,    Clemens  IX.  habe  kei 
Ahnung  davon  gehabt,  dass  die  vier  Bischöfe  nicht  ohne  allen  Vo; 
behalt  das  Formular  unterschrieben.     Man  konnte  den  wahren  Saci 


1)  Die  Actenstücko  bei  Arg.  III  b  306.     Vgl.   Gerb.  3,  31.  Paix  d^ 
Clement  IX.  (vou  Quesnel)  B.  16.  87.  S.-Beuve  4,  162. 


Bulle  Alexanders  Vit.  von  1665.  Paix  de  Clement  IX.  479 

verhalt  in  Rom  wissen  und  hat  ihn  ohne  Zweifel  gekannt,  aber 
ignorirt  oder  dissimulirt,  wie  das  ja  bei  derartigen  diplomatischen 
Ausgleichen  auch  sonst  mehrfach  geschehen  ist  (Arn.  3,  486.  670). 
Der  Jesuit  Daubenton  schreibt  darüber  an  Pension  (Corr.  de  F6n. 
3,336):  „Nichts  war  leichter  als  sich  von  der  Aufrichtigkeit  oder 
Unehrlichkeit  der  vier  Bischöfe  zu  tiberzeugen:  man  brauchte  von 
ihnen  nur  die  Vorlegung  ihrer  Protocolle  zu  verlangen;  es  wäre 
ganz  natürlich  gewesen,  diese  Vorsicht  anzuwenden.  Grleichwohl 
sprach  davon  weder  der  Papst  noch  der  Nuncius.  Das  erweckt  den 
Verdacht,  dass  man,  um  die  Sache  zu  Ende  zu  bringen,  die  Augen 
zudrückte." 

In  den  nächsten  Decennien    wurde    von    den  meisten  französi- 
schen Bischöfen  die  Unterzeichnung  des  Formulars  nicht  mehr  ver- 
langt^  und  wo  es  noch  unterzeichnet  wurde,    wie   in    der  Sorbonne, 
liess  man  die  von  den  vier  Bischöfen  gemachte  Distinction  zu  (Arn. 
25,  142).     Der  Bischof  Arnauld  von  Angers  verbot  1676  sogar  der 
dortigen  Universität,  die  Unterzeichnung  des  Formulars  ohne  Unter- 
scheidung   zwischen  der  Lehre   der  5  Sätze   und   der  thatsächlichen 
Frage,  ob  Jansenius  dieselben  gelehrt,  —  bezüglich  deren  nur  eine 
soumission  de  discipline    und    nur    ein  silence  respectueux    verlangt 
werde,  —  zu  fordern.      Durch   ein   Arret  du  Conseil   vom   30.  Mai 
1676  (das  Edit  du  camp  de  Ninove)  wurde  diese  Ordonnanz  cassirt 
mit    der  Erklärung:    der  h.  Stuhl   habe    mit    grosser   Klugheit   die 
Nachsicht  geübt,  einige  Unterzeichnungen  des  Formulars  mit  einigen 
Erläuterungen  zuzulassen ;  diese  Interpretation  dürfe  aber  nicht  obli- 
gatorisch gemacht  und  niemand  verwehrt  werden,  sich  purement  et 
simplement  zu  unterwerfen    (Arg.  III  b  354).     Arnauld   erklärte   in 
einem    zweiten  Mandement,    welches    nicht    beanstandet    wurde,    er 
^wolle  nur  hindern,  dass  man  in  seiner  Diöcese  im  Widerspruch  mit 
<len  Bedingungen  des  Friedens  die   unbedingte  Unterzeichnung  obli- 
gatorisch mache  (S.-Beuve  5,  150).     Auch  diese  Vorgänge    hat  man 
in  Rom  ohne  Zweifel  erfahren  und  ignorirt.  —  Eine  weitere  Störung 
^68  Friedens  wurde   dadurch  veranlasst,    dass   Gerberon  indiscreter 
IVeise,    wie    S.-Beuve  6,   58    sagt,    die    von  M.  Barcos    (f  1678), 
Terfasste  Exposition  de  la  doctrine  chretienne  touchant  la  gräce 
«t  la  predestination,  avec  un  recueil  des  passages  les  plus  pricis  et 
les   plus   forts    de   Tecriture   sainte,    sur   lesquels    est  fond^e    cette 
doctrine,- Mons  1696,  12.  herausgab.      Das  Buch  wurde  noch  1696 
^on  dem  Erzbischof  Noailles  als  Jansenistisch  verb.    (s.  u.),    8.  Mai 
1697  auch  in  Rom.  Es  wurde  1700  noch  einmal  gedruckt  mit  einer 
Schrift  von  Arnauld  (s.  u.). 

Unter  Innocenz  XL  (1H76 — 89)  standen  Arnauld  und  seine 
JTreunde  in  Rom  in  Gunst,  nicht  nur  wegen  ihrer  gelehrten  apolo- 
getischen und  polemischen  Werke,  —  den  1.  Band  der  Perpetuiti  de 
la  foi  widmete  Arnauld  1 669  Clemens  IX.,  den  2.  und  3.  übersandte 
«r  Innocenz  XI.,  der  durch  Card.  Cybo  danken  liess,  —  sondern 
«tuch  weil  sie,  obschon  in  theologischer  Hinsicht  Gallicaner,  in  dem 
Regalienstreite  auf  die  Seite  des  Papstes  traten.  Faure,  Comm.  p.  205 
f^onstatirt  mit  grosser  Entrüstung,  dass  Innocenz  XI.  in  einem  Schrei- 


480  t)ie  Jansenistische  Controversd. 

ben  an  Arnaald  denselben,  den  Alexander  VII.  als  filins  iniquitaüs 
charakterisirt,  ter  venerabilis  dominus  genannt  habe.  Ludwig  XIY. 
drang  mitunter  auf  energische  Massregelu  gegen  die  Jansenisten  and 
seit  1679  gegen  Port-Royal;  aber  Innocenz  XI.  äusserte  wieder- 
holt: in  Frankreich  gebe  es  viele  Gegner  des  h.  Stuhles,  aber  keine 
Jansenisten ;  denn  als  solche  könne  man  doch  nur  diejenigen  be- 
zeichnen, welche  gegen  die  Bullen  gegen  Jansenius  Opposition  mach- 
ten. Sein  Secretär  Favoriti  definirte  sogar  Jansenist  als  vir  exi- 
miae  pietatis  et  virtutis  inimicus  Jesuitarum.  Als  Gönner  der  Jan- 
senisten unter  den  Cardinälen  galten  Casanate,  Azzolini,  Carpegna 
und  Colonna.  Der  Beichtvater  Ludwigs  XIV.,  P.  La  Chaise,  klagte 
bitter  über  die  Jansenistischen  Inclinationen  des  Papstes^).  Wäh- 
rend des  Zerwürfnisses  über  die  Franchises  äusserte  der  Qeaeral- 
advocat  0.  Talon  im  Parlamente:  der  Papst,  dessen  Hauptsorge 
sein  sollte,  die  Reinheit  des  Glaubens  zu  bewahren  und  den  neuen 
Meinungen  zu  steuern,  habe  seit  seiner  Thronbesteigung  fortwährend 
mit  den  offenkundigen  Anhängern  des  Jansenius,  dessen  Lehre  seine 
Vorgänger  verdammt  hätten,  Verkehr  unterhalten,  sie  mit  Gnaden- 
erweisen und  Lobsprüchen  überhäuft  und  sich  als  ihren  Protector 
gezeigt,  —  und  in  Paris  erzählte  man  sich,  der  königliche  Beicht- 
vater habe  Talon  veranlasst,  diesen  Passus  in  sein  Plaidoyer  aufzu- 
nehmen (Arn.  3,  73.  88).  —  Als  unter  Benedict  XIV.  über  die  Se- 
ligsprechung Innocenz'  XI.  verhandelt  wurde  (A.  J.  P.  11,271)9 
machte  der  Promotor  fidei  (Advocatus  diaboli)  geltend:  er  werd^ 
von  einigen  Schriftstellern  als  Gönner  der  Jansenisten  bezeichnet.^ 
habe  mit  den  vier  Bischöfen  in  freundlichem  Briefwechsel  gestan- 
den, den  Bischof  von  Aleth,  der  sein  verdammtes  Ritual  nie  aufge- 
geben, für  einen  Brief  belobt,  in  dem  u.  a.  der  Jansenismus  als  eicr 


Phantom  bezeichnet  werde ;  er  habe  den  Bischof  von  Pamiers  nact=i 
seinem  Tode  belobt,    dem    Dr.  Arnauld   mehrfach   sein    Wohlwolle 
bezeugt,    so  dass  das  Gerücht  habe  entstehen  können,   er  wolle  ih 
zum  Cardinal  machen'^);  Talon  habe  1688  im  Parlament  gesagt  a.  s. 
Der  Postulator  causae   suchte  die   zwei   Briefe  an   den  Bischof   yoi^c  -    "^ 
Pamiers  zu  entschuldigen  und  die  anderen  Anklagen  zu  widerleget 
wusste  aber  gegen  die  Anklage,  Innocenz  XI.  habe  gegen  die  Janst 
nisten  in  seinem  1 3jährigen  Pontificate  nichts  gethan,  nichts  anderes  voi 
zubringen,  als:  er  habe  1679  das  Neue  Testament  von  Mons,  168^ ^^^^^ 
drei  jansenistische  Schriften  gegen  die  Jesuiten  und  den  runlHliij^iiM  mniff 
diaphoricns,  ferner  mehrere  dem  Erzbischof  von  Mecheln  überreicht:9"^Ate 


1)  Michaud  4,  414.  432.  436.    441.     Der  Briefwechsel  Amaulds  mi 
Innocenz  XI.  und  mehreren  Cardinälen  steht  bei  Arn.  1,  693;  3,  9.  Aa< 
Card.  Bona  (f  1674)   stand  mit  Arnauld  in  Correspondenz    und  sagt  yo< 
ihm  z.  B.  in  einem  Briefe  an   L.  Dachery  von   1672    (Epp.,    Lncoa  175^< 
II,  17):    quem    ob   insignem  sapientiam    et  solidam    pietatem  summopei 
semper  veneratus  sum. 

2)  Das  Gerücht  tauchte  1682  auf.  Card.  Casoni  soll  gesagt  habeir^*^"» 
Arnauld  würde  Cardinal  geworden  sein,  wenn  er  nicht  die  gallicanische'  « — ^^^ 
Artikel  vertheidigt  hätte. 


i 


Innooenz  XI.    P.  Nicole.    J.  Courtois  u.  a.  481 

Jansenistische  Thesen  und  die  Uebersetzung  des  Chrysostomns,  sowie 
Jansenistische  Sätze  verdammt.  Bezüglich  der  Aeusserung  von  Ta- 
lon wird  nur  auf  Sfondrato's  Refutatio  Talonii,  Rom  1688,  und  eine 
Censur  der  Cardinäle  (§  60)  verwiesen. 

Es  sind  noch  einige  Bücherverbote  aus  den  letzten  Jahrzehnten 
des  17.  Jahrh.  zu  verzeichnen  (von  einigen  wird  anderswo  zu  han- 
deln sein).  Gleichzeitig  mit  den  Mandements  der  vier  Bischöfe  wur- 
den 1667  von  der  Index-Congr.  verb.:  Memoire  sur  la  cause  des 
eveques,  qui  ont  distingue  le  fait  du  droit  und  noch  4,  einige  Wochen 
später  noch  3  Memoires  über  denselben  Gegenstand ;  das  8.  handelt 
sur  les  nullitez,  abus  et  injustices  d'un  Bref  contre  les  quatre  Eve- 
ques, obtenu  par  surprise  du  P.  Alexandre  VII.  dans  Textremite  de 
sa  maladie.  Diese  Memoires  wurden  1666 — 67  von  Arnauld,  La- 
lane  und  Nicole,  die  damals  im  Hotel  Longueville  zusammen  wohn- 
ten, gemeinschaftlich  ausgearbeitet.  Das  9.  und  10.,  die  Arnauld 
1668  schrieb,  sind  nicht  in  den  Index  gekommen  (Arn.  24,  170).  — 
Ferner  wird  in  dem  Decrete  von  1667  verb.:  L'heresie  ima- 
ginaire,  das  sind  10  im  Laufe  der  Jahre  1664  und  65  von  P.Nicole 
unter  dem  Titel  Les  imaginaires  ou  lettres  sur  Th^resie  imaginaire 
(den  Jansenismus)  veröffentlichte  Briefe,  —  nach  S.-Beuve  4,  433  assez 
dans  le  goüt  des  Provinciales,  assez  dignes  de  les  suivre  k  distance. 
Die  Fortsetzung  derselben  bilden  8  Briefe  unter  dem  Titel  Les 
visionnaires,  die  nicht  im  Index  stehen. 

Schon   1663  wurde  von  der  Inq.  Fer.  V.  31.  Mai  verb.:    Ma- 
nuale   catholicorum  hodiernis    controversiis  amice    componendis   ma- 
xime  necessarium,  auth.  Alethophilo  Charitopolitauo,  Charitopoli 
1663,    von    dem    Oratorianer  Jean  Courtot.     Das    Buch   wurde    mit 
<lem  Journal  de  Saint-Amour  von  dem  Conseil   du  Roy  zu  Paris  4. 
J'an.   1664  zum  Verbrennen  verdammt  (Arg.  lllb  314).    Eine  ältere 
Ausgabe:  Manuale  catholicorum  ad  evitandas  ex  mente  apostoli  pro- 
üanas   vocum    doctrinarumque    novitates   ex   conciliis    atque   antiquis 
patribus  fideliter  contextum,  1651,  wurde  erst  1727  verb.  —    1669 
wurde  verb.  Abrege  de    l'ancienne  et    Celeste  doctrine   de  St.  Aug. 
«t  de  toute  Tegl.  touchant  la   gräce,  par  M.  F.  Mathieu  (vielleicht 
«ine    Ausgabe    des  Catechisme    de  la  grace    von  Matthieu  Feydeau, 
S.   470).  —  1674  wurden  zwei  Reihen  von  Theses  über  die  Gna- 
denlehre  verb.,  welche  die  Oratorianer  zu  Saumur  hatten  vertheidi- 
^en    lassen.     Von   den  Oratorianern  galten  damals   viele   als  Janse- 
nisten;    als   die  Assemblee   generale   des  Oratoriums  zu   Paris  1678 
«ich  scharf  gegen  die  Lehre  des  Jansenius  und  Cartesius  aussprach, 
traten  Quesnel    und  andere    aus  (Avr.  3,  114.  131).  —  Weitaus  die 
^meisten  von  den  zahlreichen  in  diesen  Decennien  erschienenen  Streit- 
«chriften  sind  überhaupt  nicht  in  den  Index  gekommen,   einige  erst 
später.     Schon  Anfangs   1664  erschien  ein  satirisches  Gedicht   (von 
3.800  Versen,    von  Barbier  d'Aucourt)   über   die  Unterdrückung  der 
^uten  (Jansenistischen)  Bücher:  Onguent  a  la  brulure,  ou  le  secret 
;^our  empecher  les  J^suites  de  bruler  les  livres  (Gerb.  3,  86),  und  im 
^April   zur  Vertheidigung  desselben   (von  demselben  Autor)    Lettre 
€i'un  avocat  ä  un  de  ses  amis  sur  TOnguent  pour  la  brulure,   beide 

BeuBcb,  Index   IT.  3] 


4^2  Üie  Jansenistische  Controverse. 

22.  Dec.  1700  verb.      In    demselben   Decrete    stehen:    Onguent  k 
la  brulure,  1670,  und  Seconde  maniere  d'onguent  k  la  brulnre. 

5.  Von  den  geschichtlichen  Darstellungen  der  in  diesem  Para- 
graphen besprochenen  Angelegenheit  stehen  im  Index:  Histoire 
g^n^rale  du  Jansenisme,  contenant  ce  qui  s'est  pass^  en  France,  en 
Espagne,  en  Italic,  dans  les  Pays-Bas*  etc.  au  sujet  du  libre  intit. 
Augustinus  Corn.  Jansenii,  par  M.  TAbbe  ***,  Amst.  1700*,  3 
vol.  12.,  von  der  Inq.  verb.  1700,  von  Grerberon,  geht  bis  1669;  — 
Hist.  du  formulaire  qu'on  a  fait  signer  en  France,  et  de  la  paix 
que  le  P.  Clement  IX.  a  rendue  k  cette  eglise  en  1668,  verb.  1734, 
von  Arnauld  (Oeuvres  25,150);  —  Hist.  abregne  de  la  paix  de 
r^glise,  Mons  1683,  verb.  1732,  von  Quesnel;  —  La  paix  de  Cle- 
ment IX.,  ou  demonstration  des  deux  fausset^s  capitales  avancies 
dans  mist.  des  5  propositions  contre  la  foi  des  disciples  de  St. 
Aug.  et  la  sincerit^  des  quatre  ^veques,  avec  Thist.  de  leur  accom- 
modement  et  plus,  pieces  justificatives  et  hist ,  Chamberi  1 700  *, 
verb.  1707,  von  Quesnel,  XL  und  308  S.  12.,  dann  Deux  recueils 
de  plus,  actes  etc.  300  S.,  in  dieser  Abtheilung  p.  113  auch  Hist. 
abregne  .  .  .,  imprim^e  en  1698  et  corrig^e  depuis.  Die  Hist  des 
5  prop.  de  Jans,  depuis  1640  jusqu'  k  1669,  Liege  1699  u.  s.,  gegen 
welche  Quesnel  schreibt,  ist  von  Hilaire  du  Mas,  Dr.  Sorb.,  nicht 
von  dem  Jesuiten  Le  Tellier  (Picot  4,  192).  —  1700  wurden  auch. 
Vers  sur  la  paix  de  Teglise  verb.^). 

Mit  der  Jansenistischen  Controverse  hängt  es  zusammen,  das 
seit   1662   Fast!  academici    studii   generalis    Lovaniensis    mit  d. 
im  Index  steht.     Der  Name  des  Verfassers  wird  weder  in  dem  D 
crete  (Alex.  No.  77),    noch    in  den  älteren,    noch  in    den   seit  Be"" 
erschienenen   Indices  genannt,    obschon    auf   dem  Titelblatte    steh'' 
edente  Valerio  Andrea  Desselio,  J.  U.  Dr.  et  Prof.  Regio.   Gemeia 
ist  die  Editio  iterata  accuratior  et  altera  parte   anctior,  Lov.  1650 
nicht  die  1.  Ausgabe  von  1636*;  denn  nur  in  jener  stehen  die 
len,  die  offenbar  mit  d.   c.  gemeint  sind.     P.  112  heisst  es:  in  d# 
Bulle  Pius'  V.  von  1567  würden   mehrere  Sätze  verdammt,  welcV 
in  Bajus' Schriften  nicht  ständen,  und  p.  367:  Bajus  behaupte,  vi 
der  verdammten  Sätze  non  esse  suas  nee  a  se,   prout  jacent,    ass 
tas,    ut  patet  tum  ex   apologia   ejus    manu    scripta,    tum    ex   literi^"^ 
quas  Romam    ad   N.  Cardinalem  scripsit   (der  Brief  wird   theilweiti:^ 
mitgetheilt).     P.  128  wird  berichtet:  Jac.  Joannis  s.  Janssonias  a^ 
1625  neben  Bajus  begraben  worden,  ut  quos  par  pietatis  et  doctK^ 
nae,    praesertim    Augustinianae   zelus  rapuerat,    tumulus    non    sep 
raret.     P.  139    wird  die  Grabschrift   des  Jansenius   mitgetheilt  uä 
berichtet,    er  habe    an  seinem  Augustinus   20  Jahre    gearbeitet  uv 


1)  Recueil  des  pieces  qui  justifient  la  verite  de  ce  qui  s'est  paa^-^^**^ 
dans  la  paix  qui  a  ete  donnee  k  TEgl.  de  France  par  le  P.  Clement  U  ^ 
en  Pan  1668,  1680  von  Abbe  de  Pontchäteau  herausg.  (S.-Beuve  6,  82^  Ä^ '^fj 
wurde  1695  von  Precipiano  verb.  In  La  paix  de  Clement  IX.  ist  auch 
Medaille  mit  der  Inschrift  „Ob  restit.  Ecclesiae  concordiam  1669" 
gebildet. 


i 


Gesohiohtliolie  und  protestantische  Schriften.  483 

die  Werke  des  h.  Augustinus  lOmal,    die  über  die  Gnade  handeln- 
den 30 mal  gelesen.     Dann  wird  angegeben,   das  Buch  sei  verboten 
worden,  weil  angeblich  früher  verbotene  Sätze  darin  gelehrt  würden, 
quamvis    hoc   aliqui    negent  et    provocent  ad    examen    ipsius    libri. 
P.  142  wird  Lib.  Fromondus  als  in  theologia  eminens   et  vere  exi- 
mius  bezeichnet,  ut  manifestum  faciunt  libri  ab  eo  conscripti.    Eine 
corrigirte  Ausgabe    der  Fasti  ist  nicht   erschienen.  —  Es  mag  hier 
auch  ein  eigenthümliches  Analogen  zu  dem   Römischen  Verbote  der 
Elogia    haereticorum     erwähnt    werden.     Der    Academiker    Charles 
Perrault  gab  1697  in  einem  Foliobande  100  Portraits  von  berühm- 
ten Franzosen  mit  kurzen  Eloges  heraus:  Hommes  illustres  du  17. 
siöcle.     Bossuet  schreibt  darüber  23.  Febr.  1697  (Oeuvres  40,  265): 
Die  Cabale  und  Eifersucht  gewisser  Leute  hat  eine  Verstümmelung 
d^  Werkes  zu  Wege  gebracht:    es  sind  Männer  weggelassen  wor- 
den,   welche  wohl  einen  Platz   darin  verdient  hätten.     Bossuets  Se- 
cretär  Ledieu  gibt  den  Commentar  dazu :  Die  Jesuiten  haben  bewirkt, 
dass  Pascal  und  Arnauld,  deren  Portraits  schon  gestochen  und  deren 
JSloges  schon  gedruckt  waren,    weggelassen   worden  sind.     Das  hat 
namentlich  die  Gelehrten  revoltirt,  und  es  ist  ein  Brief  darüber  er- 
ecbienen.     S.-Beuve  5, 479  berichtet,  die  Jesuiten  hätten  durch  Bou- 
lioars  Perrault  Vorstellungen   machen   lassen,    und   dieser  habe   aus 
3Fnrcht,    durch  ihren  Einfluss  seine  Pension  zu  verlieren,  nachgege- 
ben;   man  habe  in  Paris  mehr  von  der  Weglassung  der  beiden  als 
^on  der  Aufnahme  anderer  gesprochen  und  darauf  angewendet,  was 
Tacitus  Ann.  3,  76    bei  Gelegenheit  der  Beerdigung  der  Junia,    der 
^iVaa    des  Cassius    und  Schwester  des  Brutus,    sage:    Praefnlgebant 
OassiuB  et  Brutus  eo  ipso  quod  eorum  effigies  non  visebantur. 

Nach  1669  wurden  einige  Streitschriften  von  J.  Claude  und 

J*.   Jnrieu  gegen  Arnauld   und  Nicole  verb.,  von  jenem:    R^ponse 

^a  livre  de  M.  Arnauld:  La  perpetuite  de  la  foi,  1640,  verb.  1671, 

^nd  La  defense  de  la  riformation  contre   le  livre :    Prejug^s  legiti- 

^nes  contre  les  Calvinistes  (von  Nicole),  1673,  verb.   1685.     Gegen 

^ie    von   Jurieu    anonym    herausgegebene   Schrift    La    politique    du 

olerg^  de  France  hatte  Arn.,  ohne  den  Verfasser  zu  kennen,  L'apo- 

Xo^ie  pour  les  catholiques  contre  les  fausset^s  et  les  calomnies  d  un 

livre  intitulÄ:  La  pol.  .  .  .,  geschrieben,  in  zwei  Theilen:   über  die 

^fiehanptung,    die  Reformirten   seien    die   einzigen  XJnterthanen,    auf 

4eren  Treue  der  König  bauen  könne  ^),  und  über  verschiedene  dog- 

^^atische  Punkte.     Jurieu  antwortete   anonym  mit  L'esprit  de  M. 

^^rnauld,    tir6  de  sa  conduite   et  des  Berits   de  luy  et   de  ses  disci- 

!^le8,   particuli^rement  de  l'Apologie  pour  les  catholiques,    Deventer 

X684*,  2  vol.  12.,  verb.  1690    (vgl.  R.  Simon,  Lettres  1,  190.  Am. 

^2y   LXV).     Mit   seinem  Namen    schrieb  Jurieu  Justification    QB  la 

^^orale  des  r^form^s    contre  les   accusations    de  M.  Arnauld,    1685, 


1)  In  Rom  nahm  man  Anstoss  daran,  dass  Arnauld  dem  Papste  das 
bestritt,  die  Unterthanen  ketzerischer  Fürsten  vom  Treueid  zu  ent* 
1k>inden  (Arn.  12,  LX). 


4  64  Pascal  und  Arnauld  über  Jesuiten-Moral. 

2  vol.,  verb.  1693.  Eine  ältere  anonyme  Schrift  Le  Janseniste 
convaineu  de  vaine  sophisterie,  ou  examen  des  Reflexions  de  M. 
Arnauld  sur  le  Pr^servatif  contre  le  changement  de  religion,  1683, 
wurde  erst  1707,  aber  von  der  Inq.  verb.  (Die  Reflexions,  Oeuvres 
12,  515,  erschienen  anonym  1682,  Jurieus  Preservatif  gegen  Bossuet, 
S.  131,  1681.) 

£nde  1686  erschien  von  Arnauld  Le  fantöme  du  Jans^nisme 
ou  justification  des  pretendus  Jansen istes  par  le  livre  meme  d'un 
Savoyard,  leur  nouvel  accusateur,  intitul^;  Prejuges  legitimes  contre 
le  Jansenisme  [avec  une  bist,  abregee  de  cette  erreur  .  .  .  par  nn 
Docteur  de  Sorbonne,  1686,  von  dem  jungen  Abb6  de  Ville  aus 
Savoyen],  worin  der  Satz  ausgeführt  wird:  Wenn  man  unter  der 
Haeresie  des  Jansenismus  das  Festhalten  der  Lehre  der  5  Sätze  ver- 
steht, so  ist  das  allerdings  eine  Haeresie,  aber  ohne  Haeretiker;  ver- 
steht man  darunter  die  Weigerung,  eidlich  anzuerkennen,  dass  diese 
Irrthümer  in  dem  Buche  des  Jansenius  stehen,  so  gibt  es  allerdings 
Haeretiker,  aber  das  ist  keine  Haeresie.  Das  Buch  (Arn.  25, 1) 
wurde  wiederholt  gedruckt,  aber  trotz  aller  Bemühungen  der  Jesui- 
ten nicht  verboten  1).  Dagegen  verbot  die  Inq.  1694  mit  anderen 
antijansenistischen  Schriften  1694  (§  65)  Disquisitio  historico-theo- 
logica,  an  Jansenismus  sit  merum  phantasma,  P.  1,  2,  3.  Col.  In 
den  älteren  Indices  steht  diese  Disquisitio  gleichfalls  als  anonyme 
Schrift  mit  der  Angabe,  sie  sei  von  der  Inq.  7.  Dec,  ac  primum 
19.  Mai  1694  verb.  worden  (19.  Mai  wurde  P.  1  verb.).  Seit  Ben. 
ist  sie  im  Index  nicht  weggelassen,  wie  Hurter  2,  982  meint,  son- 
dern unter  Jac.  de  Monbron  aufgeführt,  unter  welchem  Namen 
sie  erschienen  ist.     Der  Verfasser  ist   der  Jesuit  Jacques  Fontaine« 


53.     Pascal  and  ArDauld  fiber  Jesaiten-Horal. 

Die  bekannten  Briefe  von  Pascal,  welche  im  J.  1656 
zeln  und  anonym  erschienen,  wurden  1657  von  der  Inquisition^ 
verboten;  sie  stehen  noch  heute  im  Index  als  anonyme  Schfift 
Die  Jesuiten    haben    mit    ihren  Vertheidigungen   gegen   Pa»^5al 
bekanntlich    wenig   Erfolg  gehabt;    sie    haben  damit   auch       ^^ 
Rom  so  wenig  Beifall  gefunden,  dass  die  bedeutendsten,  die  ^^ron 
Pirot  und  Daniel,   verboten    wurden.    Die   lateinische  Ausg^*''* 
der   PascaVschen  Briefe,    welche  P.  Nicole   unter   dem   NaM^'®" 

1)  Bibl.  Jans.  p.  90  und  Dict.  Jans.  3,  235  wird  angegeben,  r^ 
fantome,  Nicolais  Heresie  imaginaire  und  La  chimdre  du  Jansenisme  »^^'^." 
von  einer  Assemblee  du  Clerge  verdammt  worden.  Es  ist  die  Assda"*^^^ 
von  1700  gemeint,  die  aber  keines  jener  Bücher,  sondern  nur  einen  ^^J? 
verdammt  hat,  in  welchem  der  Jansenismus  als  Phantasma  bezeidinetfi^'^''^ 


Bl.  Pascal.  485 

Wendrockius  veröffentlichte,  wurde  nicht  verboten,  wohl  aber 
die  Entgegnung  darauf  von  Stubrockius,  d.  i.  Honoratus  Fabri 
S.  J.  —  Als  ein  Vorläufer  von  Pascals  Briefen  kann  ein  ano- 
nymes Schriftchen  bezeichnet  werden,  welches  Arnauld  1643 
unter  dem  Titel  Theologie  morale  des  Jesuites  veröffentlichte. 
Viel  grösseres  Aufsehen  erregte  La  morale  pratique  des  Jesuites, 
wovon  die  beiden  ersten  Bände,  1669  und  1683,  von  demAbb^ 
de  Pontchfiteau,  die  fünf  folgenden,  1689 — 95  von  Arnauld  ver- 
fasst  sind.  Nur  die  beiden  ersten  wurden  1d71  und  1687  ver- 
boten, 1687  auch  eine  Hauptquelle  Pontchäteaus,  das  schon 
1654  erschienene  Teatro  Jesnitico,  1700  eine  Gegenschrift  des 
Jesuiten  M.  Le  Tellier:  —  Ein  Gegenstand,  den  Arnauld  in  der 
Morale  pratique  ausführlich  behandelt,  der  Streit  der  Jesuiten 
mit  dem  Bischof  Palafox,  hat  im  17.  und  18.  Jahrhundert  sehr 
viele  Streitschriften  hervorgerufen  und  spielt  im  spanischen 
Index  eine  grosse  Rolle.  Im  Römischen  Index  bezieht  sich 
darauf  nur  ein  Decret  vom  J.  1656  bezw.  1658,  in  welchem 
verordnet  wird,  aus  einem  Bande  der  Lyoner  Ausgabe  des  Bul- 
larinm  sechs  Seiten  zu  entfernen,  auf  welchen  hinter  den  auf 
den  Streit  bezüglichen  Breven  Innocenz'  X.  eine  jesuitische  Um- 
dentnng  der  päpstlichen  Entscheidung  abgedruckt  ist. 

1.  Die  Lettres  Äcrites  k  un  provincial  par  un  de  ses  amis  er- 
schienen einzeln  im  J.  1656,  —  der  1.  ist  vom  23.  Jan.  datirt,  — 
anonym.  Die  3  ersten  behandeln  die  Verhandlungen  in  der  Sorbonne, 
die  mit  der  Ausschliessung  Arnaulds  endigten ;  in  dem  4.  geht  der 
Verfasser  davon  zu  einer  Polemik  gegen  die  Jesuiten  über;  der 
5. — 10.  sind  der  Jesniten-Moral  gewidmet;  der  11. — 16.,  die  an 
die  Jesuiten  adressirt  sind,  beantworten  die  von  ihnen  veröffent- 
lichten Entgegnungen;  der  17.  und  18.  sind  an  P.  Annat  gerichtet 
und  zeigen  mit  Rücksicht  auf  dessen  Cavilli  (8. 472),  dass  es  sich  bei 
dem  sog.  Jansenistischen  Streite  gar  nicht  um  eine  Ketzerei  handle, 
sondern  um  die  Frage,  ob  Jansenins  die  5  von  den  Päpsten  ver- 
dammten Sätze  gelehrt  habe.  Als  19.  Brief  wird  der  S.  477  be- 
sprochene von  A.  Le  Maitre  gezählt^).  Zwei  Gesammtausgaben  der 
(19)  Briefe  erschienen  1657  bei  Elzevier  in  Amsterdam  mit  dem 
Druckort  Cologne,  die  zweite  mit  dem  Titel:  Les  Provinciales  ou 
les  lettres  escrites  par  Louis  de  Montalte.  In  dem  Decrete  der  Inq. 
Fer.  V.  6.  Sept.  1657  und  in  den  älteren  Indices  (unter  Epistolae) 
werden  die  Briefe  einzeln  aufgezählt ;  sie  stehen,    wie  gesagt,   noch 


1)  S.-Beuve  3,  44.    98.    201.    Reuchlin,    Pascals  Leben    S.  72,    und 
über  die  Gegenschriften  S.  284. 


486  Pascal  und  Aruaald  über  Jesuiten-Moral. 

heute    nicht    unter    Pascal  oder  Louis   de  Montalte,    sondern   nnter 
Lettre. 

Schon  während    des  Erscheinens    der    Briefe   erschienen    Ent- 
gegnungen von  Jesuiten,  von  denen  aber  Amanld  (2,  844)  mit  Recht 
sagt,  Pascal  habe  sie  in  den  letzten  Briefen  minirt.     1657  erschien 
dann    zu  Paris  Apologie    pour   les   casuistes  contre  les  calomnies 
des  Jans^nistes,    oü    le    lecteur    trouvera    les   y^ritis  de  la  morale 
chr6t.  si  nettement  expliquies  et  pronvies  avec  tant  de  solidit^,  qu'il 
lui  sera  ais6    de  voir   que  les  maximes  des  Jans,  n'ont  qae  Tappa- 
rence  de  la  verite  et  qa'effectivement    elles   portent  k  tontes  tortes 
de  p^chez  et  aux  gfttnds  relachements  qu^elles  blament  avec  tant  de 
siveriti,  par  un  Theologien  et  Professeur  en  Droit  Canon,  191  S.  4. 
(Col.  1658,  338  S.  12.),    von    den  Jesuiten    Georges  Pirot  (1599— 
1659).     Sie  wurde   von   den  Pfarrern    von  Paris   und    Ronen    ihren 
Erzbischöfen  denuncirt,  von  mehreren  Bischöfen  und  sehr  scharf  mit 
Anführung  der  schlimmsten  Stellen  16.  Juli  von  der  Sorbonne  cen- 
surirt  (Arg.  III  a  75)  und,    namentlich  auf  Betreiben  des  Oratoria- 
ners    Ch.    Desmarets,    auch   durch   ein    speoielles    Deoret    der   Inq. 
Fer.  V.  21.  Aug.  1659  (Alex.  No.  71)  verb.  —  Hon.  Fabri,  Apol. 
1,  665,  sagt,  diese  Apologie  sei  nicht  im  Auftrage  der  Gesellschaft 
verfasst  und  nicht  vom  General  approbirt  worden;  aber  er  lobt  den 
Verfasser  und  behauptet,    von  seinen    54  Moralsätzen    seien  3  oder 
4  sicher,  45  probabeler  als  das  Gegentheil  und  nur  4  oder  5  weniger 
oder  nicht  probabel;  jedes   Buch  könne  verboten  werden,    entweder 
weil  es  eine  schlechte  Lehre  enthalte,  wie  die  Btlcher  der  Jesniten- 
feinde,  oder  weil  es  in  zu  scharfem  Tone  geschrieben  sei  (nnd  einige 
sagten,  das  habe  an    der  Apologie  Alexander  YII.   besonders 
fallen)  oder  weil  es  gegen  die  Index-Hegeln  ohne  Approbation,  ano 
nym  und  ohne  Angabe  des  Druckers  und  Druckortes  erschienen  8^ 
An  einer  andern  Stelle    p.  686  sagt   er:    die  Inquisition    habe 
Genehmigung  Alexanders  VII.  beschlossen,  das  Buch    eingehend 
prüfen  (er  selbst    sei  mit    dem  Referate  beauftragt    worden!);    al 
der  Papst  habe  in  Folge  der  Vorstellungen  zweier  Ordensleute  seil 
Sinn  geändert  und  an  einer  Fer.  V.  befohlen,  das  Buch  ohne  weit»^  _:.ere 
Untersuchung  zu  verbieten.    —   Spätere  Jesuiten  geben  Pirot  pr^^'"^^' 
Cr^t.-Joly  4,  43  bezeichnet    sein  Buch   als  eine  apologie  maladro^:^  *o^^® 
qui  donnait  gain  de  cause  a  Pasital,    und  schon  Avr.  2,  375    sa^-tf^^* 
„Es  ist  als  ob  Pirot  eine  Apologie  der  Briefe  Pascals  hätte  schreibt  '^}^^\ 
wollen  ;  so  viel  Mühe  gibt   er  sich,    mehrere  (von  Pascal  critisir:«:  m:  i^te) 
Entscheidungen  (von  Casuisten)    zu    rechtfertigen,    welche    ihre  L^         ^^' 
heber  wahrscheinlich  selbst  verdammt  hätten,    wenn   sie  die  Fol^^  ^  *^S^^ 
vorausgesehen  hätten.   Man  sagt,  der  Provincial  und  die  meisten  »  ^  *'^ 

Suiten,  die  das  Manuscript  gesehen,  seien  gegen  die  VeröffentlichoK^  Änuog 
gewesen,  Pirot  und  seine  Freunde  hätten  diese  aber  durchgi.  m'f^S^ 
setzt." 

In  den  Jahren  1656 — 58  erschien    eine    ganze  Beihe  von  H         ^^ 
klärungen  der  Pfarrer   von  Ronen  und  Paris   für  Pascal  und  ge^ö^**^^ 
Pirot,  zum  Theil    von  Amauld    und  Nicole    (eine   von  Pascal)    v    «>^^^^ 


G.  Pirot.    W.  Wendrockius.  487 

fas8t^).  Die  zu  PariH  versaininelten  Bischöfe  missbilligten  ein 
solches  Vorgehen  der  Sacerdotes  secundi  ordinis  ohne  Genehmigung 
der  Bischöfe;  eine  dieser  Schriften  (Septieme  ^crit  des  cur6s  de 
Paris)  wurde  7.  Juni  1659  vom  Conseil  d'itat  unterdrückt;  die 
Angabe  aber,  auch  die  Inquisition  habe  1659  eine  verdammt  (Avr. 
2,  377),  ist  unrichtig;  das  Sommaire  von  Ronsse  bezieht  sich  auf 
etwas  anderes  (S.  391). 

1658  erschien,  angeblich  zu  Köln  (zu  Amsterdam  ?),  eine  XJeber- 
setzung  der  Provincialbriefe:  Ludovici  Montaltii  litterae  provinciales 
a  Wilhelmo  Wendrockio  Salisburgensi  Theologo  in  latinam  linguam 
translatae  et  theologicis  notis  illustratae.  Die  Uebersetzung  und 
die  Noten  und  die  beigedruckten  Pauli  Irenaei  Disquisitiones  ad 
praesentes  Ecclesiae  tumultus  sedandos  opportunae  sind  von  Pierre 
Nicole^).  Diese  lateinische  Ausgabe  fand  eine  noch  grössere  Ver- 
breitung als  die  Originalausgabe  und  machte  Pascals  Angriff  gegen 
die  Jesuiten  auch  ausserhalb  Frankreichs  bekannt. 

Das  Parlament  von  Aix  hatte  schon  im  März  1657  die  ersten 
16  Provincialbriefe  zum  Feuer  verdammt.  Wie  S.-Beuve  3,  212 
erzählt,  mochten  aber  die  Richter  kein  Fxemplar  missen,  und  es 
wurde  darum  thatsächlich  nur  ein  Kalender  verbrannt  (on  ne  sacri- 
fia  qu^une  hiebe  k  la  place  d'Iphigenie).  1659  drangen  die  Jesuiten 
bei  dem  Parlament  von  Bordeaux  auf  eine  Verdammung  der  Aus- 
gabe von  Wendrock;  die  dortigen  Theologen  fanden  aber  nichts 
Ketzerisches  in  dem  Buche.  Dagegen  verfügte  ein  Arret  du  con- 
seil d'etat  vom  23.  Sept.  1660:  da  nach  dem  Urtheil  von  4  Bi- 
schöfen und  9  Doctoren  der  Sorbonne,  die  der  König  mit  der  Prü- 
fung beauftragt,  in  den  Briefen  selbst,  in  den  Noten  und  in  den 
Abhandlungen  von  Paulus  Irenaeus  nicht  nur  die  Ketzereien  des 
Jansenius  vertheidigt,  sondern  auch  der  Papst,  die  Bischöfe,  der 
König,  die  Minister,  die  Sorbonne  und  die  Orden  geschmäht  würden 
(Arg.  III  a  80),  so  sei  das  Buch  von  Henkershand  zu  verbrennen, 
und  dieses  Urtheil  wurde  14.  Oct.  vollstreckt  (Arg.  III  b  294). 

In  Rom  wurde  die  Ausgabe  von  Wendrock  nicht  verb.,  auch 
nicht  die  Ausgabe:  Les  Provinciales  .  .  .  avec  les  notes  de  Guill. 
Wendrock  traduites  en  frangais,  1712,  3  vol.^).  Dagegen  wurde 
1762  von  der  Inq.  verb.:  Le  provinciali  di  Luigi  da  Montalto  . .  .  . 
colle  annotazioni  di  Guglielmo  Wendrock,  tradotte  neir  italiana  fa- 


1)  Sie  sind  zum  Theil  abgedruckt  in  den  späteren  Ausgaben  der 
Lettres  Prov.  (Cologne  1738,  p.  439)  und  im  3.  Bande  der  Oeuvres  de 
Pascal,  1779.  Vgl.  Avr.  2,  361.  877.  S.-Beuve  3,  204. 

2)  Die  Abhandlung  über  die  Pflicht,  Gott  zu  lieben,  Note  3  zu  Epist. 
10  (gegen  Sirmond)  ist  eine  Uebersetzung  eines  Aufsatzes  von  Arnauld; 
der  Abhandlung  über  den  Probabilismus  hinter  Epist.  5  liegt  ein  Aufsatz 
von  Arnauld  zu  Grunde,  den  aber  Nicole  bedeutend  erweitert  hat  (Arn. 
29,  IV). 

3)  Die  Uebersetzung  der  Noten  von  Wendrock  ist  von  Mademoiselle 
Marguerite  de  Joncoux,  die  mit  J.  B.  Louail  auch  eine  Hist.  abregee  du 
Jansenisme,  Col.  1698,  herausgegeben,  die  gleichfalls  nicht  im  Index  steht 
(Haureau,  Hist.  litt,  du  Maine  4,  268.  271). 


488  Pascal  und   Arnauld  über  Jesuiten-Moral. 

vella,  con  nuove  annotazioni,  Yen.  1761,*  6  vol.  8.  Die  100  Seiten 
lange  Vorrede  enthält  heftige  Angriffe  auf  die  Jesuiten  und  böse 
Anspielungen  auf  die  Curie;  S.  32  wird  z.  B.  behauptet,  es  siebe 
immer  ein  Cardinal  im  Solde  der  Jesuiten,  unter  Benedict  XIII.  sei 
dies  Coscia,  unter  Benedict  XIV.  Valenti  gewesen;  S.  51  wird  von 
der  esecrabile  bulla  ünigenitus  gesprochen  u.  dgl.  Der  italienische 
üebersetzer  war  Cosimo  Brunetti,  nach  den  N.  E.  angeblich  ein  in 
Bern  lebender  apostasirter  Franciscaner.  In  dem  Decrete  heisst  es: 
das  Buch  sei  mit  falschem  Druckorte  erschienen,  enthalte  injuriöse 
Vorreden,  Verse,  Noten  und  andere  Ketzerei  und  G-ottlosigkeit  ath- 
mende  Zusätze;  es  solle  verbrannt  werden  (das  geschah  17.  Oct. 
1762  vor  der  Minerva)  und  diese  Ausgabe  von  1761  und  jede  andere 
bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  verb.  sein  (N.  E. 
1762,  69). 

Wendrocks  Buch  wurde,  wie  gesagt,  in  Rom  nicht  verb.,  wobl 
aber  das  Buch  des  Jesuiten  Honoratus  Fabri,  Notae  in  notas  Wilh. 
Wendrockii  ad  Ludovici  Montaltii  literas  et  in  disquisitiones  Pauli 
Irenaei  inustae  a  Bern.  Stubrockio  Viennensi  Theologo,  Col.  1659,* 
302  S.  8.,  freilich  erst  1678,  während  der  Apologeticus  von  Fabri, 
in  dessen  2.  Auflage,  Col.  1672,  die  Notae  und  Lud.  Montaltii 
Epistolares  libelli  ad  Provinoialem  refutati  a  Bern.  Stubrockio,  Col. 
1660,  abgedruckt  sind,  schon  1672  und  1673  verb.  wurde. 

Endlich  40  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  Briefe  Pascals 
unternahm  einer  der  angesehensten  französischen  Jesuiten,  Gabriel 
Daniel  (1667 — 1728),  die  Widerlegung  derselben  in  der  anonymen 
Schrift  Entretiens  de  Cl^andre  et  d*Eudoxe  sur  les  lettres  au  pro- 
vincial,  Cologne  (Ronen)  1694  (die  2.  Ausg.,  Col.  1696,  hat  den 
Titel :  Reponse  aux  lettres  prov.  de  Louis  de  Montalte  ou  entre- 
tiens etc.).  Das  Buch  wurde  noch  in  demselben  Jahre  von  Jouvency 
ins  Lateinische  übersetzt:  Cleander  et  Eudoxus  seu  de  provincia- 
libuR  quas  vocant  literis  dialogi,  Col.  1694  u.  s.,  in  den  folgenden 
Jahren  von  anderen  Jesuiten  ins  Italienische,  Spanische  und  Eng- 
lische (Backer  1,  242).  —  Cr^t.-Joly  4,  51  gesteht:  „Die  Jesuiten 
vernachlässigten  ihre  Vertheidigung  [sie  haben  wenigstens  thatsäch- 
lich  nichts  Durchschlagendes  zu  ihrer  Vertheidigung  producirt],  und 
als  mehrere  [31]  Jahre  nach  dem  Tode  Pascals  P.  Daniel  eine  solche 
unternahm,  hatte  er  den  kalten  Verstand,  aber  nicht  die  Lacher 
auf  seiner  Seite.  Er  unterlag  in  diesem  ungleichen  Kampfe.  Der 
Eindruck,  den  Pascal  gemacht  hatte,  war  unauslöschlich.''  S.-Beuve 
3,  222  sagt:  „Sein  Buch  wurde  wenig  gelesen,  und  die  Gescheiteren 
in  der  Partei  fürchteten,  es  möchte  noch  zu  viel  gelesen  werden. 
P.  de  La  Chaise  und  der  Erzbisohof  de  Harlay  von  Paris,  die 
Männer  von  Geist  waren,  thaten  alles  um  das  Buch  [die  I.Ausgabe] 
gleich  nach  der  Geburt  zu  unterdrücken."  Die  Exemplare  der  1. 
Ausgabe  wurden  zu    einem    hohen  Preise    zurückgekauft^).    —    Die 


1)  S.-Beuve  2,  223  sagt  weiter:    „Man  erzählt,  man  habe  das  Buch 
auch  an  dem  langweiligen  Hofe  des  Königs  Jacob  zu  St.  Germain  gelesen. 


B.  Stnbrockius.    G.  Daniel.    G.  Gerberon.  -M.  Petit-Didier.       489 

lateinische  Uebersetznng  wurde  1703  von  der  Inquisition  verb. 
Nach  der  S.  82  erwähnten  Regel  gilt  das  Verbot  auch  für  die  Ori- 
ginalausgabe und  andere  Uebersetzungen.  Daniel  hat  es  nicht  so 
verstanden,  vielmehr  die  Entretiens  in  dem  Recueil  de  divers  ou- 
vrages  .  .  .  par  le  P.  Daniel,  Par.  1724,*  3  vol.  4.,  wieder  ab- 
drucken lassen.  In  einem  Briefe  an  Serry  (Recueil  2,  365)  sagt 
er  ausdrücklich,  nicht  die  Originalausgabe,  sondern  nur  die  latein. 
üebersetzung  stehe  im  Index;  —  dieser  antwortet  ihm  (Opera  VI, 
8):  in  dem  Decrete  der  Inq.  werde  sein  Buch  quocunque  idiomate 
impressus  vel  imprimendus  in  quocunque  loco  verb.;  —  behauptet 
auch,  der  Papst  habe  sich  einem  Ordensgeistlichen  (nicht  Jesuiten) 
gegenüber  ungehalten  über  das  Verbot  ausgesprochen,  —  aufgehoben 
wurde  es  aber  bis  zur  Stunde  nicht,  —  und  bemerkt  ferner:  „Wie 
Sie  wissen,  folgt  aus  der  Thatsache,  dass  ein  Buch  im  Index  steht, 
nicht  immer,  dass  dasselbe  eine  schlechte  Lehre  enthält.  Dazu  be- 
darf es  nur  der  Nichtbeachtung  gewisser  Vorschriften  (rubriques), 
die  der  h.  Stuhl  vormals  in  seiner  Weisheit  erlassen,  die  aber  in 
Frankreich  gar  nicht  in  Gebrauch  sind,*'  —  wozu  S.-Beuve  3,  225 
sich  die  Bemerkung  erlaubt:  „Sollte  uns  jemals  die  Ehre  wider- 
fahren, auf  den  Index  gesetzt  zu  werden  [natürlich  ist  diese  Ehre 
seinem  Port-Royal  widerfahren],  so  brauchten  wir  zu  unserer  Ver- 
theidigung  nichts  anderes  zu  sagen.'* 

Im  folgenden  Jahre  1704,  wurden  zwei  (unbedeutende)  Ent- 
gegnungen auf  Daniels  Buch  verb. :  Conference  de  Diodore  et  de 
Th^otime  sur  les  Entretiens  de  Cl^andre  et  d'Eudoxe  qui  servent 
de  nouvelle  reponse  aux  Lettres  Provinciales,  Par.  1697,  8.,  und 
Apologie  des  Lettres  Prov.  de  Louis  de  Montalte  contre  la  der- 
niere  reponse  des  J^s.,  intitulee  Entretiens  .  .  . ,  Ronen  (Delft) 
1697.  98,  2  vol.  12.  Die  Conference  ist  von  Gerberon,  die  Apo- 
logie ist  eine  Sammlung  von  Briefen  an  Daniel,  die  1697 — 98  ein- 
zeln erschienen  (Daniel  antwortete  darauf;  Backer  1,  242).  Der 
Verfasser  derselben  ist  Matthieu  Petit-Didier  (1659  —  1728),  der 
bei  den  Jesuiten  studirt  hatte,  seit  1675  aber  Benedictin  er  von  der 
Congregation  de  St.  Vannes  et  de  S.  Hidulphe  war;  er  hat  sich 
selbst  Freunden  gegenüber  als  Verfasser  bezeichnet,  freilich  aber 
später  in  einem  Briefe  an  Card.  Corradini  vom  30.  Sept.  1726,  um 
seine  Orthodoxie  in  Rom  zu  bekunden,  das  Buch  desavouirt^). 


und  die  Leetüre  habe  einigen  Herrt^n  am  Hofe  wegen  der  Stellen  aus 
Pascal,  die  Daniel  in  extenso  mittheilt,  so  viel  Vergnügen  gemacht,  dass 
sie  sofort  sich  die  Provinrialbriefe  selbst  verschafften.**  P.  Daniel  kritisirte 
auch  den  Stil  Pascals  (S.-Beuve  3,  51).  In  dieser  Hinsicht  ist  doch  wohl 
beachtenswerther  als  sein  Urtheil  das  von  Voltaire  (Siecle  le  Louis  XIV.): 
Le  prcmier  livre  de  genie  qu^on  vit  en  prose,  fut  le  recueil  des  Lettres 
prov.  Toutes  les  sortes  d'eloquence  y  sont  renfermees.  II  faut  rapporter  ä 
cct  ouvrage  l'epoque  de  la  fixation  du  langage.  S.-Beuve  3,  150  sagt: 
Les  meilleures  comedies  de  Moli^re  n'ont  pas  plus  de  sei  que  les  pre- 
mieres  Prov.,  dit  Voltaire;  Bossuet  n^a  rien  de  plus  sublime  que  les  der- 
ni^res. 

1)  Petit-Didier  wurde  1716  Abt  von  Senones.     Er  appellirte  gegen 


490  PascaLund  Amaald  über  Jesuiten-Moral. 

Die  Jesuiten  haben  in  dem  Kampfe  mit  Pascal  offenbar  den 
kurzem  gezogen  und  die  Wunden,  die  er  ihnen  geschlagen,  nie  ver- 
schmerzt^). Die  Behauptung,  Pascal  habe  die  Veröffentlichung  der 
Briefe  bereut  und  eingestanden,  dass  er  den  Jesuiten  unrecht  ge- 
than,  ist  eine  Fabel.  Er  erklärte:  „Auf  die  Frage,  ob  ich  die 
Bücher,  die  ich  citirt,  alle  gelesen,  antworte  ich:  nein;  aber  den 
Fscobar  habe  ich  zweimal  ganz  durchgelesen ;  die  anderen  habe  ich 
durch  einige  meiner  Freunde  durchlesen  lassen,  aber  ich  habe  keine 
der  von  diesen  gesammelten  Stellen  benutzt,  ohne  sie  selbst  im  Zu- 
sammenhange gelesen  zu  haben. ^'  „Seine  Gegner,  sagt  S.-Beuve 
8,  123,  haben  hie  und  da  ein  ungenaues  Citat  oder  eine  etwas 
arrangirte  und  zugespitzte  Uebersetzung  hervorheben  können;  er 
stellt  mitunter  die  Meinung  des  Gegners  klarer  hin,  als  sie  her- 
vortreten würde,  wenn  er  den  ganzen  Text  anführte ;  er  nimmt, 
wie  Annat  sagt,  vier  Worte  aus  einer  langen  Stelle  heraus,  wenn 
ihm  das  passt;  er  hilft  gern  dem  Wortlaute  etwas  nach;  endlich  ist 
ihm  auch  bei  dem  Gewirre  von  Autoritäten  und  Meinungen  hie  und 
da  ein  Missgriff  begegnet:  das  ist  alles,  was  man  sagen  kann,  ohne 
darum  ein  Recht  zu  haben,  seine  Ehrlichkeit  in  Zweifel  zu  ziehen." 
Und  Eeuchlin  sagt:  „Die  Jesuiten  hatten  Pascal  in  seinen  ersten  7 
Briefen  20  Fälschungen  nachzuweisen  gesucht.  Ist  es  aber  einer- 
seits nicht  in  Abrede  zu  stellen,  dass  er  einige  Citate  nicht  in  dem 
Sinne  vorgebracht  hatte,  welchen  sie  im  Zusammenhange  haben, 
ja  dass  in  der  ersten  Ausgabe  eine  Stelle  mit  Cursivschrift  gedruckt 
war,  wovon  nur  ganz  weniges  sich  in  dem  jesuitischen  Autor  fand, 
so  fallen  anderseits  die  20  Falschheiten  zum  Theil  als  identisch  zu- 
sammen; einen  Theil  der  Anklagen  hat  Pascal  eingestandener  Massen 
siegreich  zurückgewiesen  und  für  die  übrigen  kommen  wenigstens 
seiner  Wahrhaftigkeit  sehr  beachtenswerthe  rechtfertigende  oder 
entschuldigende  Gründe  zu  gute^^^). 


die  Bulle  Unigenitus,  nahm  aber  die  Appellation  bald  zurück.  1724  schrieb 
er  einen  Traite  sur  Tautorite  et  infaillibilite  du  Pape  (1724  vom  Parla- 
ment verb.;  Rocquain,  L'esprit  revol.  p.  37).  Darauf  wurde  er  1726  zum 
Titularbischof  von  Macra  ernannt  und  von  Benedict  XIII.  conseorirt,  der 
ihm  eine  Mitra  gab  mit  den  Worten:  Quia  intinxisti  calamum  pro 
hac  S.  Sede,  ipsa  Sedes  S.  te  remunerat.  Dann  erschienen  in  Rom  1726 
Documenta  sanae  et  orthodoxae  doctrinae  P.  Matth.  Petit-Didier,  4  S. 
Fol.,  darin  ein  Brief  an  Card.  Corradini,  worin  er  sagt,  die  Apologie  sei  nicht 
von  ihm.  Zur  Entschuldigung  dieser  Behauptung  kann  höchstens  gesagt 
werden,  dass  sein  Manuscript  mit  einigen  Aenderungen  und  Zusätzen 
gedruckt  worden  war.     Morery,  Suppl.  s.  v. 

1)  Bussi-Rabutin  erzählte  seinen  Freunden,  als  er  fär  seine  scanda- 
löse  Histoire  amoureuse  des  Gaules  1665  in  der  Bastille  gesessen,  hatten 
ihm  die  Jesuiten  durch  seinen  Beichtvater  P.  Nouet  die  Fürsprache  des 
Beichtvaters  des  Königs  P.  Annat  versprochen,  wenn  er  gegen  Pascal 
schreiben  wolle;  er  habe  sich  von  ihnen  Material  liefern  lassen,  aber  bald 
erkannt,  dass  die  Aufgabe  unmöglich  zu  lösen  sei.  S.-Beuve  3,  221. 

2)  Pascals  Leben  S.  137.  170.  Ueber  Cret-Joly's  Kritik  s.  Gioberti, 
Gesuita  mod.  7,  49. 


Theologie  morale  des  Jesuites.  491 

Auch  Pascals  Pens^es  (zuerst  1670  gedruckt)  stehen  im  In- 
dex, aber  nur  die  Ausgabe  Pens^es  de  Pascal  avec  les  notes  de 
M.  de  Voltaire,  Gen^ve  1778,  2  vol.,  verb.  1789,  natürlich  nur  der 
Voltaire'schen  Noten  wegen.  Freilich  Hardouin  zählte  Pascal  zu 
den  Atheisten  und  auch  der  Erzbischof  de  Tencin  von  Embrun 
brachte  1733  einige  „Chicanen"  gegen  die  Pens^es  vor  (S.-Beuve 
3,  395). 

2.  In  Arnaulds  Theologie  morale  des  Jesuites  extraite  fidelle- 
ment  de  leurs  livres,  Par.  1643  (und  1644),  61  S.  12.  (Am.  29, 
74),  sind  in  kurzen  Paragraphen  Sätze  aus  Schriften  von  Jesuiten 
zusammengestellt  unter  den  Rubriken:  1.  gegen  die  christliche  Moral 
im  allgemeinen,  2.  gegen  die  Liebe  Gottes  und  des  Nächsten,  3.  gegen 
die  zehn  Gebote,  4.  bezüglich  der  Sacramente,  5.  gegen  die  Kirche 
und  die  Hierarchie,  z.  B.  unter  No.  3:  „Bezüglich  des  2.  Gebotes 
behauptet  Bauny,  wenn  man  Gott  als  Zeugen  anrufe  bei  einer  kleinen 
Lüge,  so  sei  das  keine  ünehrerbietigkeit  (irreverence),  wofür  Gott 
einen  Menschen  verdammen  wolle  und  könne.'^  Am  Rande  stehen 
die  Yerweiiiungen  auf  Sanchez,  Sa,  Reginald,  Cellot,  ßauny,  Garasse, 
P.  de  Barry.  Die  Universität  hatte  Hallier  beauftragt,  eine  solche 
Zusammenstellung  zu  machen,  und  dieser  hatte  Ärnauld  die  Arbeit 
übertragen  und  ihm  Material  dafür  geliefert.  —  Es  erschienen  Gegen- 
schriften von  mehreren  Jesuiten,  Caussin,  Pintherau  (unter  dem 
Namen  Abb6  de  Boisic,  Am.  35,  11)  und  Annat,  von  diesem:  Lettre 
d'Eus^be  k  Polemarque,  dagegen  Lettre  de  Polemarque  4  Eusebe 
und  Lettres  d*un  th6ologien  ä  Polemarque,  1644  (Am.  29,  95.  101). 
—  Das  Parlament  von  Bordeaux  verbot  1644  La  th^ol.  mor.  des 
Jes.  contre  la  morale  en  gen^ral  (Arg.  III  b  248).  Das  wird  Ar- 
naulds Schriftchen  sein.  Wahrscheinlich  ist  es  auch  mit  Anonymi 
cujusdam  liber  inscr.  Theologia  moralis  Jesuitarum  in  dem  Index- 
Decrete  vom  10.  April  1666  und  in  den  älteren  Indices  gemeint. 
Ben.  hat  dafür  substituirt  La  Theologie  morale  des  Jesuites  et 
nouveaux  casuistes.  Ein  Werk  mit  diesem  Titel  gibt  es:  La  th6ol. 
mor.  des  Jes.  et  nouv.  casuistes,  repr^sent^e  par  leur  pratique  et 
par  leurs  livres,  condamn^e  il  y  a  d6jä  long-temps  par  plusieurs 
censures,  decrets  d^universitez  et  arrests  de  cours  souveraines,  nou- 
vellement  combattue  par  les  curez  de  France  et  censur^e  par  un 
grand  nombre  de  prelats  et  par  des  Facultez  de  Th6ol.  catholique  . . ; 
aber  diese  Sammlung  ist  erst  Cologne  1668  erschienen  (Mendham 
p.  182),  kann  also  in  dem  Index-Decrete  von  1666  nicht  gemeint 
sein.  —  Ein  drittes  Werk  mit  einem  ähnlichen  Titel  ist :  La  morale 
des  Jesuites  extraite  fidelement  de  leurs  livres  imprimez  avec  la 
permission  et  Tapprobation  des  superieurs  de  leur  Compagnie,  par 
un  Docteur  de  Sorbonne  (Perrault),  Mons  1667,  4.  (Mons  1702,* 
3  vol.  12.).  Dieses  wurde  1670  von  einigen  Doctoren  der  Sorbonne 
auf  Befehl  des  Erzbischofs  von  Paris  geprüft  und  auf  ihr  Gutachten 
hin  als  ein  Buch  voll  Lügen  und  Verleumdungen  und  voll  scanda- 
löser  und  ketzerischer  Sätze  auf  Befehl  des  Parlaments  13.  Mai 
verbrannt  (Arg.  III  a  138;  III  b  337).     Im  Index  steht  es  nicht. 

3.  Ein  Buch  anderer  Art,  welches  sich  nicht  mit  den  Lehren, 


492  Pascal  und  Arnauld  über  Jesuiten-Moral. 

sondern  mit  den  Thaten  der  Jesuiten  beschäftigt,  ist  La  m orale 
pratique  des  J^suites,  represent^e  en  plusieurs  bistoires  arriv^es 
dans  toutes  les  parties  du  monde,  wovon  vol.  1  Cologne  (bei  Elze- 
vier  in  Amsterdam)  1669  erschien,  ein  second  volume  divis^  en  7 
parties,  oh.  l'on  repr^sente  leur  conduite  dans  la  Chine,  dans  le  Ja* 
pon,  dans  TAm^rique  et  dans  TEthiopie,  le  tout  tir6  de  livres  au- 
toris^s  ou  de  pi^ces  tres-authentiques,  s.  1.  1683'*',  424  S.  12.  (beide 
Bände  abgedruckt  bei  Arn.  32,  1 ).  Der  1 .  Band  enthält  n.  a.  die 
Weissagung  der  h.  Hildegard  mit  einem  Commentar  von  J.  B.  de 
Lanuza  0.  P.,  einen  Auszug  aus  der  Imago  primi  saeculi  mit  Com- 
mentar, Berichte  über  den  Streit  der  Jesuiten  mit  den  alten  Orden 
in  Deutschland  (S.  291),  Berichte  über  einen  Bankerott  der  Jesuiten 
in  Sevilla,  über  verschiedene  Betrügereien,  über  die  Thätigkeit  der 
Jesuiten  in  Japan ,  der  2.  u.  a.  Actenstücke  über  ihre  Con- 
flicte  mit  dem  Bischof  Palafox.  —  Der  Herausgeber  dieser  beiden 
Bände  ist  der  Abb6  Sebastien  Joseph  du  Cambout  de  Pontoh&tean, 
ein  Verwandter  Richelieu*s  ^),  nicht  Amanld,  der  bei  dem  1.  Bande 
gar  nicht  betheiligt  ist,  zu  dem  2.  nur  ein  Stück  beigetragen  hat, 
das  6.,  Remarques  sur  diverses  choses  importantes  que  les  Jisuites 
racontent  d'eux  m^mes  en  rapportant  les  bistoires  de  lenrs  missions 
(Arn.  3,  42.  44).  Der  erste  Band  wurde  1671,  der  2.  1687  von  der 
Index-Congr.  verb. 

Eine  Hauptquelle  Pontchäteau's  war  ein  spanisches  Buch: 
Teatro  Jesuitico,  apologetico  discurso  con  las  saludables  y  seguras 
doctrinas,  necesarias  a  los  principes  y  sefiores  de  la  tierra.  Escri- 
bialo  el  D.  Francisco  de  la  Piedad,  Coimbra  1654.  PontchAteau 
soll  eigens  nach  Spanien  gereist  sein,  nm  sich  ein  Exemplar  des 
Buches  zu  verschaffen.  Als  Verfasser  desselben  halte  er  auf 
Grund  der  in  Spanien  allgemein  verbreiteten  Angabe  den  Domini- 
caner Alonso  Henriquez,  einen  natürlichen  Sohn  Philipps  IV.,  seit 
1663  Bischof  von  Malaga,  f  1692,  bezeichnet.  Im  J.  1686  erklärte 
dieser  aber  auf  Veranlassung  der  Jesuiten,  er  sei  nicht  der  Verfasser ; 
die  Erklärung  ist  gedruckt  unter  dem  Titel  Querimonia  oatholica, 
Madrid  1686^).  Wahrscheinlich  hat  der  Dominicaner  Juan  de  Ribas, 
f  1687  zu  Cordova,  das  Buch  geschrieben,  vielleicht  unter  Mitwir- 
kung des  Bischofs  von  Malaga.  Er  wird  in  einer  Broschüre:  Re- 
spuesta  monopantica^)  dirigida  a  don  Fris  Fräs  de  la  Borra  nneva- 
mente  confirmado  con  el  nombre  de  Fiera  Bras  Judain,  1685  (von 
dem  Jesuiten  Juan  Cortes  Osorio)  als  Verfasser  bezeichnet  nnd  ihm 


1)  S.-Beuve  5.  248.  6,  300.  Nach  Morery,  Suppl.  s.  v.  Varet  haben 
Claude  de  Sainte  Martha  und  Baudri  de  St.  Gilles  d'Asson  an  den  beiden 
Bänden  mit  gearbeitet  und  hat  Alex.  Varet,  f  1676,  die  erste  Vorrede 
geschrieben. 

2)  Arnauld  S,  42;  4,  4.  Eine  zu  Madrid  1686  gedruckte  Ausgabe 
Hess  der  Bischof  von  Malaga  verbrennen,  weil  die  mit  der  Herausgabe 
beauftragten  Jesuiten  sie  geändert  hatten.   Patuzzi  2,  168;    6,  807,  828. 

3)  Monopantici  —  die  allein  alles  sind,  —  ist  wie  Solipsi  ein  Spitz- 
name der  Jesuiten.  Papebroch,  Elucid.  p.  139. 


t" 


Morale  pratique  des  Jes.    Teatro  Jes.    M.  Le  Tellier.  493 

vorgeworfen,  er  habe  darin  den  Ketzern  Waffen  gegen  die  Jesuiten 
geliefert  (Arn.  32,  II.  473.  Placcius  507).  Diese  Respuesta  kam 
1686,  das  Teatro  gleichzeitig  mit  dem  2.  Bande  der  Morale  prat. 
1687  in  den  Index  (in  Spanien  war  es  schon  12.  Febr.  1655  verb. 
worden). 

Vier  Jahre  nach  dem  2.  Bande  der  Morale  prat.  erschien 
Defense  des  nouveaux  chrestiens  et  des  missionaires  de  la  Chine, 
du  Japon  et  des  Indes  contre  deux  livres  intitulez:  La  morale  prat. 
des  J^s.  et  L'Esprit  de  Mr.  Arnauld  (von  Jurieu),  1687,  568  S.  12. 
(2.  £d.  avec  une  reponse  ä  quelques  plaintes  contre  cette  defense, 
1688,  570  S.),  von  dem  Jesuiten  Michel  Le  Tellier  (1643—1719), 
der  später  Beichtvater  Ludwigs  XIV.  war.  Arnauld  veröffentlichte 
darüber  zunächst  1688  zwei  Briefe  an  den  Landgrafen  Ernst  von 
Hessen-Rheinfels  (Arn.  32,  458;  dagegen  schrieb  Le  Tellier  Entre- 
tiens  sur  la  plainte  cath.  de  Teveque  de  Malaga,  1' Esprit  de  M. 
Arnauld,  la  Defense  des  nouv.  ehrest,  et  deux  lettres  de  M.  Arnauld, 
1689),  dann  Morale  pratique  des  Jesuites.  3.  Volume,  contenant  la 
justification  des  deux  premiers  volumes  de  cette  Morale  contre  le 
livre  faussement  intitule  Defense  etc.,  1689.  Diesem  3.  Bande  Hess 
Arnauld  noch  drei  weitere  folgen:  4.  vol.,  contenant  Thist.  de  Dom 
Jean  de  Palafox  .  .  .,  1690,  —  5.  vol.  contenant  Thist.  de  la  per- 
secution  de  deux  saints  eveques  par  les  Jesuites,  Dom  Bernard  de 
Cardenas  (Franciscaner,  Bischof  in  Paraguay)  et  Dom  Phil.  Pardo 
(Dominicaner,  Bischof  von  Manila),  1691,  —  6.  vol.  contenant  la 
«uite  de  Thist.  .  .  .,  1693.  Nach  seinem  Tode  erschien  noch:  7.  vol. 
De  la  calomnie  ou  Instruction  du  proces  entre  les  J^s.  et  leurs  ad- 
versaires  sur  la  mati^re  de  la  calomnie,  1695  (Arn.  33 — 35).  Bei 
dem  3.,  4.  und  5.  Bande  arbeitete  Pontchäteau  mit.  Material  lie- 
ferten von  Rom  aus  du  Vaucel  und  Casoni,  auch  die  Cardinäle  Ca- 
sanate,  Aguirre  und  Carpegna,  die  Dominicaner  Serry  und  Massouli^ 
und  Peter  Quessade,  Procurator  in  Quito  (Arn.  3,  35  ff.). 

Das  Buch  von  Le  Tellier  wurde  1690  von  den  Dominicanern 
in  Rom  denuncirt  und  1691  in  der  Index-Congr.  darüber  verhandelt. 
Die  drei  Consultoren,  denen  es  zur  Prüfung  übergeben  wurde, 
Abate  Fabretti,  Canonicus  Palaggio  und  der  Bernardiner  Borgia, 
beantragten  im  Jan.  1692  das  Verbot  desselben.  Die  Jesuiten  er- 
boten sich  nun,  eine  expurgirte  Ausgabe  zu  veranstalten;  einfluss- 
reiche Personen,  auch  P.  Segneri,  verwendeten  sich  für  Le  Tellier, 
und  in  der  Sitzung  am  3.  März  1692,  in  welcher  nur  8  Cardinäle 
zugegen  waren,  wurde  auf  den  Antrag  des  den  Jesuiten  günstigen 
Card.  Colloredo  mit  Stimmenmehrheit  beschlossen,  dem  Verfasser 
eine  Frist  von  5  Monaten  zu  gewähren,  innerhalb  deren  er  nach 
Rom  kommen  und  dort  eine  expurgirte  Ausgabe  besorgen  solle  (zwei 
Cardinäle  stimmten  für  das  Verbot  mit  d.  c,  Aguirre  für  ein  unbe- 
dingtes Verbot).  Du  Vaucel  meint  in  einem  Briefe  an  Arnauld,  Le 
Tellier  werde  sich  verbieten  lassen,  der  Citation  nach  Rom  Folge 
zu  leisten.  Er  kam  wirklich  nicht,  sondern  schickte  den  P.  Doucin 
als  Bevollmächtigten.  Der  Dominicaner-General  wurde  beauftragt, 
die    vorzunehmenden   Emendationen    anzugeben,   aber   auf  Betreiben 


494  Pascal  und  Arnauld  über  Jesuiten-Moral. 

der  Jesuiten  durch  drei  andere,  nicht  dem  Dominicanerorden  ange- 
hörende Correctoren  ersetzt.  Die  Correctur  zog  sich  ein  Jahr  hin. 
Man  scheint  sich  aber  nicht  über  eine  expurgirte  Ausgabe  verstän- 
digt zu  haben,  denn  die  Index-Congr.  beschloss  23.  März  1694  ein- 
stimmig, das  Buch  einfach  mit  d.  c.  zu  verbieten.  Es  gelang  den 
Jesuiten,  die  Publication  dieses  Decretes  zu  verzögern ;  das  Verbot 
wurde  erst  1700  publicirt.  Le  Tellier  hatte  1693  eine  neue  Aus- 
gabe mit  seinem  Namen  und  mit  der  Erklärung,  dass  er  das  Buch 
der  Correction  des  h.  Stuhles  unterwerfe,  publicirt  (die  Ausgabe  ist 
aber  kein  neuer  Druck ;  es  sind  nur  einige  Cartons  und  der  4.  Bogen 
neu  gedruckt;  Backer  2,  ö2ö);  eine  in  Rom  approbirte  neue  Ausgabe 
ist  nicht  erschienen.  Es  handelte  sich  übrigens  bei  der  Correctur 
nicht  bloss  um  die  Darstellung  der  Thätigkeit  in  China  u.  8.  w., 
sondern  auch  um  Angriffe  auf  die  Löwener,  von  deren  Censnr  gegen 
Lessius  (IS.  446)  Le  Tellier  gesagt  hatte,  sie  sei  als  bajanistisch 
und  jansenistisch  verdammt  worden,  und  dgl.^). 

Während  der  Verhandlungen  über  die  Defense,  im  Sommer 
1692,  versuchten  die  Jesuiten  durch  eine  Denunciation  des  3.  Ban- 
des der  Morale  pratique  eine  Diversion  zu  machen;  aber  alle  An- 
strengungen, denselben  in  den  Index  zu  bringen,  blieben  ohne  Er- 
folg (Am.  3,  518.  711).  Auch  die  folgenden  Bände  sind  in  Rom 
nicht  verb.  worden.  Wenn  seit  Ben.  im  Index  steht  La  morale 
prat.  etc.  ohne  vol.  1.  et  2.,  also  das  ganze  Werk  verb.  wird,  so 
ist  das  ein  Fehler.  Die  dabei  angeführten  Decrete  von  1671  und 
1687  verbieten  nur  die  beiden  ersten  Bände  (der  3.  erschien  ja  auch 
erst  1689),  und  hätte  Ben.  auch  die  anderen  verboten,  so  würde 
das  Datum  des  Verbotes  dabei  stehen,  wie  bei  Dupin,  Nouv.  Bi- 
blioth^que  10.  Mai  1757  beigefügt  ist.  —  Der  Jesuit  Lazzeri,  der 
dem  Secretär  der  Index-Cong.,  P.  Kicchini,  bei  der  Kedaction  des 
Index  von  1757  half,  soll  die  Weglassung  des  vol.  1.  et  2.  besorgt 
haben  ^). 

4.  Juan  de  Palafox  y  Mendoza,  geb.  1600,  war  1639 — 53 
Bischof  von  Puebla  de  los  Angelos  (Angelopolis)  in  Mexico,  — 
1653  wurde  er  Bischof  von  Osma  in  Spanien,  f  1609,  —  hatte 
Differenzen  mit  den  dortigen  Jesuiten  und  führte  namentlich  in  einem 


1)  Serry,  Bist,  de  aux.  p.  54.  Je.  Bona  Epistolae,  1789,  p.  279. 
Arn.  3,  459  ff.  Du  Vaucel  schreibt  1693  an  Arnauld  (3,  641),  die 
Jesuiten  hätten  einem  Cardinal  2000  Scudi  geliehen  oder  gesahenkt,  da- 
für werde  wohl  Le  Tellier  mit  einigen  Correcturen  frei  kommen.  —  Serry 
sägt  Praef.  p.  II :  man  habe  in  Rom  auch  geltend  gemacht,  Le  Tellier  sei 
aus  einer  vornehmen  Familie  (Arnauld  sagt,  er  habe  gar  nicht  Le  Tellier, 
sondern  Tellier  geheissen).  Cret.-Joly.  4, 347  erzählt,  er  habe  auf  die  Frage 
Ludwigs  XIV.,  ob  er  mit  dem  Kanzler  Michel  Le  Tellier  verwandt  sei, 
geantwortet,  er  sei  ein  Bauer  aus  der  Normandie.  Von  dem  Verhältnisse 
des  Königs  zu  seinem  Beichtvater  sagt  übrigens  Cr^t-Joly  S.  4,  354:  Le 
Tellier  dominait  Louis  XIV. ;  on  a  meme  pretendu  que  le  roi  portait  son 
joug  par  crainte ;  .  .  .  il  tenait  dans  ses  mains  le  coeur  de  Louis  XIV.  — 
Hnrter  2,  728  erwähnt  die  Defense  gar  nicht  unter  seinen  Schriften. 

2)  (Degola)  Cat.  de'  Gesuiti  p.  461. 


J.  de  Palafox.  495 

spanischen  Briefe  vom  25.  Mai  1647  und  in  einem  sehr  umfang- 
reichen lateinischen  vom  8.  Jan.  1649  über  sie  Klage  bei  Innocenz  X. 
Der  Streit  wurde  durch  ein  Breve  vom  14.  Mai  1648  im  wesent- 
lichen zu  seinen  Gunsten  entschieden.  Die  Jesuiten  bemühten  sich, 
den  König  von  Spanien  zur  Eetention  des  Breves  (8.  371)  zu  be- 
stimmen, und  erwirkten  in  Rom  eine  nochmalige  Untersuchung;  das 
Breve  von  1648  wurde  aber  durch  Breven  vom  19.  Nov.  1652  und 
vom  27.  Mai  1653  bestätigt  und  die  Jesuiten  definitiv  zur  Ruhe 
verwiesen.  Es  gelang  ihnen  aber,  eine  in  ihrem  Sinne  gehaltene 
Schrift,  Processus  et  finis  causae  Angelopolitanae,  —  einen  Haupt- 
theil  derselben  bilden  Resolutiones  ad  favorem  Patrum  Societatis  ex 
brevi  supradicto  deductae,  —  zuerst  1653,  angeblich  in  der  Druckerei 
der  apostolischen  Kammer,  drucken  zu  lassen  und  dann  die  Drucker 
der  Lyoner  Ausgabe  des  Bullarium  zu  bestimmen,  in  dem  1655* 
erschienenen  4.  Bande  p.  289 — 300  diese  Schrift  unmittelbar  hinter 
dem  Breve  abzudrucken.  Wäre  dieses  durchgegangen,  so  hätten  sie 
sich  fortan  kurzweg  auf  das  Bullarium  berufen  können.  Aber  die 
Index-Congr.  verbot  schon  3.  Aug.  1656  diesen  Band  des  Bulla- 
rium, donec  expurgetur  ab  adjectis,  und  erklärte  in  dem  Decrete 
vom  10.  Juni  1658  (Alex.  No.  67),  nach  einem  Decrete  vom  27. 
Juli  1657  sei  der  Band  so  zu  expurgiren:  es  seien  zu  beseitigen 
die  unter  No.  25  p.  279  stehende  Bulla  confirmationis  Religionis 
Clericorum  (der  Doctrinaires,  von  Mascombrun  gefälscht,  Arn.  3, 180) 
und  das  p.  289 — 300  stehende  Stück  ^).  —  Die  Behauptungen  der 
Jesuiten,  der  Brief  vom  J.  1649  sei  gar  nicht  von  Palafox  und  er 
habe  später  bereut,  ihn  geschrieben  zu  haben,  werden  von  Arnauld 
(33,341)  ausführlich  widerlegt 2). 


1)  Arn.  33,  447.  562.  Vie  du  Ven.  Dom  Jean  de  Palafox,  Col. 
1772*  (von  Abbe  Dinouart?),  p.  72.  Die  Actenstücke  und  die  Geschichte 
des  Processus  ausführlich  im  12.  Bande  der  Obras  de . . .  Palafox,  Madrid 
1762*  (13  Tom.  in  15  vol.  Fol.).  P.  649  werden  mehrere  Jesuiten  genannt, 
die  den  Processus  auch  nach  dem  Verbote  von  1656  als  im  Bullarium 
stehend  citiren. 

2)  Vgl.  Vie  p.  XIX.  Die  Briefe  stehen  im  6.  Bande  der  Obras  und 
sind  auch  sonst  oft  gedruckt,  französisch  bei  Arn.  38,  675,  deutsch  Frankf. 
und  Lpz.  1773*  (ein  Auszug  Deutscher  Merkur  1877,  845).  Bei  dem  Beati- 
ficationsprocesse  wurden  1760  die  Originale  vorgelegt  (Obras  1,  Fol.  d  8). 
Es  ist  stark,  dass  im  K.-L.  8,  44  gesagt  wird:  „Mehrere  nicht  unbedeu- 
tende Kritiker  behaupten,  der  Brief  von  1649  sei  unterschoben.  Und  in 
der  That,  wenn  es  wabr  bleiben  soll,  dass  Palafox  ein  würdiger  und  heilig- 
massiger  Bischof  gewesen,  so  muss  man  an  eine  Unterschiebung  denken; 
denn  dieser  Brief  gibt  von  dem  Orden  der  Jesuiten  eine  Idee,  die  einem 
Voltaire  und  Consorten  Ehre  gemacht  hätte  .  .  .  Wenigstens  muss  man 
wünschen,  dass,  wenn  P.  wirklich  der  Verfasser  sein  sollte,  er  sich  nie 
von  blinder  Leidenschaft  zu  einer  so  ungerechten  Schmähschrift  gegen 
einen  Orden  hätte  hinreissen  lassen,  der  in  der  alten  und  neuen  Welt 
mehr  gethau  hat  als  hunderte  von  Bischöfen  .  .  .  Uebrigens  soll  P.  selbst 
in  späteren  Jahren  sein  früheres  Benehmen  gegen  die  Jesuiten  bereut 
haben.^'  Bei  Hurter  wird  Palafox,  obschon  seine  Werke  eine  Reihe  Folian- 
ten füllen,  nicht  erwähnt. 


496  Pascal  und  Arnauld  über  Jesuiten -Moral. 

Im  J.   1696  war  zuerst  die  Rede  davon,  Palafox  selig  sprechen 
zu  lassen.     Der  damalige   Jesuiten-General  Thyrsus    Gonzalez  über- 
sandte dem  König  von  Spanien  eine  Denkschrift  dagegen,  in  welcher 
ausser  von  dem  Briefe  von  1649  auch  von  P/s  Beziehungen  zu  den 
Jansenisten  die  Rede  ist.      In    dieser  Beziehung    wurde  vielfach  als 
besonders  gravirend  hervorgehoben,  dass  eine  1653  von  P.  mit  einer 
Carta    pastoral    veröffentlichte   Schrift,  Conocimientos    de    la    divina 
gracia,  bondad  y  misericordia  y  de  nuestra  ilaqueza  y  miseria  (Obras 
3,  1,  339),  eine  Bearbeitung  der  1652  erschienenen  Priere  pour  de- 
mander  k  Dieu  la  grace   d'une   veritable  et  parfaite   conversiou  sei, 
die  1654  von  der  Index-Cong.    verb.  wurde    i^S.  472;    Vie  p.  327). 
—  Der  Beatificationsprocess   wurde   erst  später  eingeleitet;    anfangs 
war  Card.  Porzia,    seit  1741   Passionei   (kein  Freund   der  Jesuiten), 
später  Galli  Ponens,  d.  h.  mit  der  Leitung  des  Processes  beauftragt. 
1760  erklärte  die  Congregation,    die  Theologen    hätten    in  den    ihr 
vorgelegten  Schriften  von  Palafox    (in   den  8  Bänden  der  Madrider 
Ausgabe  von   1659 — 71,    den  Briefen  an  Innocenz  X.   u.  a.)    nichts 
gefunden,  was  der  Fortführung  des  Processes  im  Wege  stehe.   1766 
und  67  wurde    dasselbe    von    den  mittlerweile    noch    aufgefundenen 
Schriften    (meist  Briefen)    erklärt,    und    10.  Sept.  1771  erklärte  die 
Congr. :  es  seien  in  der  letzten  Zeit  einige  anonyme  und  pseudonyme 
Schriften  erschienen,    in  denen  in  verwegener  und  verleumderischer 
Weise  die  in  so  feierlicher  Weise  für  tadellos  erklärten  Werke  von 
P.  kritisirt  würden;    der  Papst  habe  die  Decrete  über  diese  Werke 
nochmals    bestätigt,     dem     Promotor    (Advocatus    diaboli)     ewiges 
Schweigen  auferlegt  und  den  Consultoren  befohlen,  nichts  mehr  gegen 
die    Orthodoxie    der    in    den   Werken    vorgetragenen   Lehre    vorzu- 
tragen^).    Das   nächste    Stadium  des  Beatificationsprocesses  war  die 
Untersuchung  über  die  heroischen  Tugenden;    er   wurde   aber  unter 
Pius  VL  1777  eingestellt 2). 

In  einem  Briefe  Carls  III.  an  Clemens  XIII.  vom  12. 
Aug.  1760  heisst  es:  eins  seiner  Tribunale  habe  1755  (oder  1759, 
jedenfalls  nach  Einleitung  des  Beatificationsprocesses)  einige  Schriften 
von  Pal.  verbrennen  lassen,  bloss  darum  weil  sie  ohne  die  gewöhn- 
liche Approbation  erschienen  seien;  er  habe  dieses  missbilligt.  Der 
General-Inquisitor  Quintano  Bonifaz  publicirte  dann  5.  Febr.  1761 
ein  Edict,  worin  es  heisst:  1700  seien  die  Briefe  von  Pal.  an  den 
Papst  und  den  König  von  Spanien  verb.  worden,  nicht  als  ob  sie 
Schlechtes  enthielten,  sondern  um  nicht  alte  Streitigkeiten  wieder 
aufleben  zu  lassen;  1759  seien  die  von  Tomas  Basconcellos   angeb- 


1)  Vie  p.  388.  403.  433.  Gioberti,  Gesuita  c.  8  (3,  159).  Villanueva, 
Vida  1,  119.  1771  erschien  in  der  päpstlichen  Druckerei  eine  Raccolta 
degli  atti  per  la  canonisazione  del  Ven.  Palafox  von  Blaai  und  Mariotti. 
Mamacbi  schrieb  Alethini  Philarethae  de  Epistolarum  Ven.  J.  P.  orthodoxia, 
3  vol.,  1772 — 7^,  und  über  das  Verhältniss  der  Conocimientos  zu  der  Friere 
erschien  Janseniaui  crroris  calumnia  a  Ven.  Episc.  Jo.  de  P.  sublata, 
Mantuae  Carpetanorum  1773*,  8. 

2)  Le  Bret,  Magazin  7,  353. 


Streitschriften  über  Moraltheologie.  497 

lieh  zu  Rom  1700  in  zwei  Bänden  herausgegebenen  Briefe  von  Pal. 
und  andere  Documente  (strenge)  verboten  worden,  weil  sie  ohne 
Erlaubniss  erschienen  seien;  diese  Verbote  würden  jetzt,  nach  dem 
TJrtheil  der  Congregation  der  Riten  aufgehoben  (Vie  p.  385.  Obras  I, 
fol.  e  2).  Demgemäss  werden  diese  Sachen  in  dem  Index  von  1790 
freigegeben;  in  dem  von  1805  heisst  es:  Alle  Werke  von  Pal.  sind 
freigegeben  (corrientes)  und  orthodox,  wie  aus  der  einstimmigen 
Erklärung  der  Congregation  der  Riten  vom  J.  1760  hervorgeht,  auf 
welche  das  Edict  vom  18.  März  1801  Bezug  nimmt.  Nur  die  1747 
verbotenen  Pal.  unterschobenen  Exercicios  devotos  blieben  verboten. 
In  dem  Index  von  1790  stehen  als  1764  und  66  verboten  einige 
handschriftliche  Pasquille  auf  Palafox  (p.   119.  205.  207). 


54.     Streitschriften  über  Horaltheologie,  1657—1730. 

Unter  Alexander  VII.  wurde  zum  ersten  Male  von  der 
Inquisition  durch  Donnerstags-Edicte  vom  24.  Sept.  1665  und 
18.  Mai  1666  eine  ganze  Reihe  von  Sätzen  (Propositiones)  von 
Casuisten,  im  ganzen  45,  ohne  Angabe  der  Schriften,  aus  denen 
sie  entnommen  sind,  verdammt.  Aehnliche  Decrete  erschienen 
unter  Innocenz  XI.  und  Alexander  VIII.  (§  65).  —  Gegen  An- 
griffe spanischer  Theologen  wurden  die  Casuisten  aus  dem 
Jesuitenorden  von  Matthaeus  de  Moya  zuerst  unter  dem  ange- 
nommenen Namen  Amadaeus  Guimenius,  dann  unter  seinem 
wahren  Namen  vertheidigt.  Seine  Vertheidigung  wurde  1665 
sehr  scharf  von  der  Sorbonne  censurirt  und  1666  von  der  Index- 
Congregation,  1675  von  der  Inquisition  und  1680  durch  ein 
Breve  Innocenz'  XL  verboten.  In  Spanien  wurde  sie  nicht 
verboten.  -—  Unter  Clemens  X.  wurden  fast  gleichzeitig,  1670 
und  1672,  Schriften  von  Hon.  Fabri  und  Vincenz  Baron  verboten. 
Dieser  war  damals  der  bedeutendste  Gegner  der  Jesuiten-Moral 
unter  den  Dominicanern,  jener  einer  der  gelehrtesten  Jesuiten 
und  der  eifrigste  Vertheidiger  seines  Ordens.  (Auch  diese  stehen 
nicht  im  spanischen  Index.)  Auch  sonst  finden  sich  unter  den 
Büchern  über  Moraltheologie,  Casuistik,  Probabilismus  u.  dgl., 
die  in  den  letzten  Decennien  des  17.  Jahrhunderts  und  in  den 
ersten  des  18.  verboten  wurden,  Schriften  von  Jesuiten  und 
ihren  Vertheidigern  und  von  Gegnern  derselben;  von  manchen 
ist  in  einem  andern  Zusammenhange  (§  55  und  65)  zu  handeln. 

Beusch,  Index  IL  82 


498  Streitschriften  über  Moraltheologie. 

—  Das  merkwürdigste  moraltheologische  Buch  von  einem  Jesuiten 
ist  das  1694  erschienene  Buch  des  Generals  Thyrsus  Gonzalez 
gegen  den  Probabilismus,  merkwürdig  nicht  wegen  seines  In- 
halts an  sich,  sondern  einerseits  als  ein  von  einem  Jesuiten 
und  vollends  von  dem  General  veröffentlichtes  Buch  gegen  die 
in  dem  Orden  herrschende  Richtung,  anderseits  wegen  der 
grossen  Schwierigkeiten,  die  der  Verfasser  zu  überwinden  hatte, 
um  die  Veröffentlichung  des  Buches  durchzusetzen.  Zu  dem 
Schutze,  den  Innocenz  XL  und  XII.  Gonzalez  bei  seinem  Ver- 
suche, die  in  seinem  Orden  herrschenden  Moralprincipien  zu  be- 
kämpfen, angedeihen  Hessen,  bildet  einen  schroffen  Gegensatz, 
dass  ein  gegen  den  „Rigorismus"  gerichtetes  Buch  des  Jesuiten 
Balthasar  Francolinus  1705  unter  Clemens  XI.  in  Rom  gedruckt 
wurde  und  mehrere  Gegenschriften  verboten  wurden. 

1.  In  dem  Edicte  der  Inquisition  von  Fer.  V.  24.  Sept.  1665 
heisst  es:  Alexander VII.  habe  zu  seinem  grossen  Schmerze  gehört, 
dass  manche  zur  Lockerung  der  christlichen  Zucht  führende  und 
das  Verderben  der  Seelen  herbeiführende  Meinungen  theils  neu  auf- 
gestellt, theils  wieder  hervorgesucht  würden,  und  dass  eine  der 
evangelischen  Einfalt  und  der  Lehre  der  heiligen  Väter  widerspre- 
chende und  für  die  Sittlichkeit  gefährliche  Weise,  in  Gewissenssachen 
Meinungen  zu  formuliren  (modus  opinandi),  immer  mehr  um  sich 
greife;  er  habe  darum  die  Cardinäle  der  Inq.  mit  der  Prüfung  sol- 
cher Meinungen  beauftragt.  Diese  hätten  bis  jetzt  über  folgende 
ihr  Votum  abgegeben  (folgen  28  Sätze).  Die  Prüfung  weiterer  Sätze 
bleibe  vorbehalten;  die  vorstehenden  aber  verdamme  und  verbiete 
der  Papst  als  mindestens  ärgernissgebend  (scandalosae),  so  dass  jeder, 
der  einen  derselben  lehre,  vertheidige,  veröffentliche  oder  öffentlich 
oder  privatim,  es  sei  denn,  um  ihn  zu  bekämpfen,  darüber  dispu- 
tire,  der  reservirten  Excomm.  l.  sent.  verfalle;  ausserdem  werde 
kraft  des  h.  Gehorsams  und  unter  Hinweisung  auf  das  göttliche  Ge- 
richt allen  Christgläubigen  verboten,  nach  diesen  Meinungen  zu  han- 
deln. Durch  ein  Edict  von  Fer.  V.  18.  Mai  1666  wurden  17 
weitere  Sätze  (No.  29 — 45)  in  gleicher  Weise  verdammt  (Alex.  No. 
88.  89.  —  Prop.  45  ist:  Bücher,  welche  mit  d.  c.  verboten  sind, 
können  behalten  werden,  bis  sie  sorgfältig  corrigirt  werden).  —  Nach 
dem  Voto  des  Card.  Passionei  (I,  505)  haben  hauptsächlich  Card. 
Bona  und  der  spätere  Card.  Casanate,  damals  Assessor  S.  Off.,  die 
Verdammung  der  Sätze  erwirkt.  Die  meisten  sind  von  mehreren 
Casuisten  aufgestellt  worden  (Viva,  Theses  damnatae  P.  I.),  einige 
sicher  von  Guimenius,  Bauny,  Caramuel,  Amicus.  —  Die  AssembUe 
du  Clerg^  von  1700  sprach  ihr  Bedauern  darüber  ans,  dass  Alexan- 
der VII.  und  Innocenz  XI.  die  schlechten  Moralsätze  nicht  decre- 
torum  formulis  antiquo  ac  nostro  usu  receptis  quaeqne  ad  universas 


M.  de  Moya  (Amadaeus  GoimeniuB).  499 

ecclesias  pertinerent,  verdammt  hätten,  und  censnrirte  selbständig 
127  Sätze,  darunter  die  von  den  beiden  Päpsten  verdammten,  ferner 
aus  Censuren  der  Löwener  Facultät  von  1653  und  1657  und  aus 
der  Censur  der  Sorbonne  gegen  Guimenius  entnommene  und  einige 
neue  (Recueil  des  actes  1,  713). 

2.  Zehn  Jahre  vor  Pascals  Briefen  erschien  in  Spanien  unter 
dem  angenommenen  Namen  Gregorio  de  Esclapes  ein  Manifesto  a 
los  fieles  de  Christo  de  las  doctrinas  perversas  que  enseüan,  de- 
fienden  y  practican  universalmente  los  Jesuitas  (auch  zu  Löwen  1646 
anonym).  Dagegen  schrieb  ein  Juan  del  Aguila  (nach  Nie.  Antonio 
der  gleich  zu  erwähnende  Jesuit  Moya,  nach  anderen  ein  Francis- 
caner  Aguila)  Ladre  me  el  perro  y  no  me  muerda  (der  Hund  belle 
mich  an,  beisse  mich  aber  nicht),  worin  die  den  Jesuiten  vorge- 
haltenen laxen  Moralsätze  älteren  Autoren,  namentlich  Dominicanern 
aufgebürdet  werden  (beide  Schriften  stehen  im  span.,  aber  nicht  im 
Rom.  Index).  Dagegen  erschien  das  Teatro  Jesuitico  (S.  492).  Nun 
trat  der  spanische  Jesuit  Matthaeus  de  Moya  (1611 — 84),  Beichtvater 
der  Königin  von  Spanien,  als  Advocat  seines  Ordens  auf  mit  der 
Schrift  Adversus  quorundam  expostulationes  contra  nonnullas  Je- 
suitarum opiniones  morales,  auth.  Amadaeo  Guimenio  Lomariensi, 
Palermo  1657  (auch  Valencia  1664),  von  der  7  Jahre  später  eine 
vermehrte  Ausgabe  erschien  unter  dem  Titel  Amadaei  Guimenii  Lo-' 
mar.,  olim  primarii  S.  Theol.  Prof.,  opusculum  singularia  universae 
fere  theologiae  mor.  complectens  adv.  quorundam  expostulationes 
morales  ad  tractatus  de  peccatis,  de  opinione  probabili  etc.  £d.  no- 
vies.,  Lugd.  1664*,  288  S.  4.  Dieses  Buch  wurde  1.  Sept.  1664 
der  Sorbonne  vorgelegt  uml,  nachdem  es  durch  13  Doctoren  geprüft 
worden,  3.  Febr.  1665  sehr  scharf  censurirt.  Es  wird  u.  a.  als  ein 
antevangelium  bezeichnet,  in  rebus  spurcissimis  obscoena  curiositate 
ac  sagacitate  indagandis  horrendum.  Bossuet,  einer  der  13  Doc- 
toren, bezeichnet  es  Defens.  Declar.  6,  27  als  eine  Kloake,  worin 
das  Schmutzigste,  was  bei  den  modernen  Casuisten  zu  finden  gewe- 
sen, gesammelt  sei.  In  der  Censur  wird  eine  lange  Reihe  von 
sehr  schlimmen  Sätzen  mitgetheilt,  —  die  schlimmsten,  de  impuri- 
tate,  werden  nur  nach  den  Anfangsworten  citirt,  —  die  der  Verfas- 
ser entweder  vertheidige  oder,  ohne  sie  zu  den  seinigen  zu  machen, 
aus  anderen  Schriftstellern  excerpire  und  also  nach  seinen  Grund- 
sätzen als  externe  probabiles  hinstelle.  Durch  diese  Zusammenstel- 
lung, sagt  die  Facultät,  wolle  sie  nicht  bloss  über  Guimenius,  son- 
dern auch  über  die  von  ihm  excerpirten  laxen  Moralisten  ihr  Ur- 
theil  aussprechen.  Zum  Schlüsse  wird  constatirt,  dass  in  dem  Buche 
^ine  Approbation  von  einem  spanischen  Capuciner  Luisius  a  Valen- 
tia  stehe,  dass  aber  der  Pariser  Provincial  im  Namen  des  Generals 
erklärt  habe,  es  existire  gar  kein  Capuciner  dieses  Namens  (Arg. 
Illa  106;  auch  besonders  gedruckt:  Censura  S.  Fac.  Th.  Paris,  in 
1.  cui  titulus  etc.,  Par.   1665,  4.,  auch  Col.   1665). 

Diese  Censur  der  Sorbonne  wurde  allerdings  von  Alexander 
VII.  in  der  Bulle  vom  25.  Juni  1665  cassirt;  aber  nicht  um  Moya's 
Moral  in  Schutz   zu    nehmen    (§  58).     Der    Papst  sagte  dem  Card. 


50Ö  Streitschriften  über  Moraltheologie. 

de  Retz,  niemand  in  der  Welt  sei  weiter  davon  entfernt  als  er,  die- 
sen Ignoranten  und  Verbrecher  (scelerat)  zu  vertheidigen  (Chante- 
lauze,  Card,  de  Retz  p.  311),  und  von  den  24.  Sept.  1665  von  der 
Inq.  verdammten  Moralsätzen  stimmen  mehrere  (No.  2.  9.  19.  25.  26) 
wörtlich  mit  den  von  der  Sorbonne  aus  Guimenius  ausgehobenen 
überein.  Der  Papst  wollte  auch  das  Buch  speciell  verbieten;  aber 
die  Cardinäle  Albizzi  und  Pallavicini  drangen  in  der  Inq.  gegen 
Ottoboni  (später  Alexander  VIII.)  mit  der  Ansicht  durch,  es  sei 
unbillig,  Guimenius,  der  nur  die  Ansichten  von  Diana,  Caramuel 
u.  a.  zusammengestellt,  namentlich  zu  censuriren,  während  die  von 
ihm  excerpirten  Autoren  nicht  namentlich  censurirt  würden.  Card, 
de  Retz  stellte  dem  Papste  vor,  dass  nach  der  in  seinem  eigenen 
Index  von  1664  abgedruckten  Instruction  Clemens'  VIII.  (de  im- 
press.  §  1)  der  Herausgeber  von  Compilationen  als  Verfasser  anzu- 
sehen sei,  und  der  Papst  meinte,  die  Index-Congr.  solle  das  ihnen, 
was  die  Inq.  unterlassen  (Chantelauze  p.  310).  Die  Index-Congr. 
verbot  denn  auch  trotz  der  Bemühungen  des  Jesuiten- Generals  Oliva 
(Chantel.  p.  362)  10.  April  1666  das  Buch  des  Guim.  —  Als  Moya 
erfuhr,  dass  sein  Opusculum  auch  in  Rom  denuncirt  sei,  schickte 
er  einen  Li bellus  supplex  an  die  Index-Congr.,  der  bei  Hon.  Fabri, 
Apol.  II,  117 — 148  abgedruckt  ist.  Er  sagt  darin:  er  höre,  man 
mache  seinem  Buche  zum  Vorwurfe,  dass  er  so  viele  zu  laxe  Mei- 
nungen aus  vielen  Büchern  in  eins  zusammengetragen,  dass  er  meh- 
rere scandalöse  Meinungen,  die  er  anführe,  nicht  verwerfe  und  dass 
er  Stellen  aus  Thomas  von  Aquin  und  anderen  unrichtig  citire. 
Wenn  er  nun  nachweisen  könne,  dass  diese  Vorwürfe  unbegründet 
seien,  werde  ihm  die  Congregation  wohl  gestatten,  von  seinem  Buche 
mit  Beifügung  der  von  ihr  für  nöthig  gehaltenen  Bemerkungen 
eine  neue  Ausgabe  zu  veranstalten,  da  er  nicht  die  Sache  einzelner 
Jesuiten,  sondern  der  ganzen  Gesellschaft  vertrete  (utpote  qui  non 
unius  vel  alterius  Jesuitae,  sed  universae  Societatis  causam  agit). 
Er  vertheidigt  sich  dann  ausführlich  gegen  jene  Vorwürfe  und  gegen 
V.  Barons  Buch  von  1665,  erwähnt,  dass  die  span.  Inquisition  1658 
das  Buch  freigegeben,  und  schliesst  mit  dem  Vorschlage,  er  wolle 
in  der  neuen  Ausgabe  die  von  Alexander  VII.  verdammten  S&tze 
notiren  und  von  anderen  nachweisen,  dass  sie  nicht  probabel  seien. 
Da  er  die  Erlaubniss  zu  einer  neuen  Ausgabe  nicht  erhielt,  sein 
Opusculum  vielmehr  1666  unbedingt  verboten  wurde,  gab  er  1670 
zu  Madrid  unter  seinem  wahren  Namen  Q,uaestiones  selectae  heraus, 
in  denen  er  ganz  unumwunden  sagt,  er  habe  einiges  aus  dem  Buche 
und  dem  Libellus  supplex  des  Amadaeus  Guimenius  herüber  ge- 
nommen. Diese  Quaestiones  nahm  Hon.  Fabri  gleichfalls  in  seinem 
Apologeticus  auf.  Sie  kamen  erst  1704  in  den  Index  (s.  u.).  Aber  das 
Opusculum  wurde  unter  Clemens  X.  12.  Sept.  1675  nochmals  von 
der  Inq.  verb.,  und  16.  Sept.  1676  erschien  ein  eigenes  Breve  Inno- 
cenz'  XL  (Arg.  III  b  353),  worin  es  heisst :  da  das  Buch,  —  es 
werden  die  Titel  beider  Ausgaben  angeführt,  —  trotz  des  zweima- 
ligen Verbotes  von  einigen  behalten  und  gelesen  werde,  so  wolle 
der  Papst,    da  durch  die  Anwendung  der  verderblichen  Lehre  des- 


J.  Caramuel.    Fr.  Verde.  501 

selben  das  ewige  Heil  gefährdet  werden  könnte,  bieniit  motu  pro- 
prio etc.  das  Buch  unter  den  beiden  angeführten  und  allen  anderen 
Titeln  und  in  jeder  Sprache  und  Ausgabe,  auch  abgeschrieben,  bei 
Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  verbieten;  alle  Exemplare 
seien  den  Bischöfen  oder  Inquisitoren  abzuliefern  und  von  diesen 
sofort  zu  verbrennen^). 

Der  Jesuit  Faure  (Comm.  p.  204)  sagt  zur  Eechtfertigung 
seines  Ordensgenossen :  er  habe  nur  beweisen  wollen,  dass  laxe 
Meinungen  nicht  zuerst  von  den  Jesuiten  aufgestellt  worden  seien; 
die  spanische  Inquisition,  bei  der  die  Dominicaner  nicht  dominirten, 
habe  ihn  nicht  censurirt,  in  Rom  dagegen  sei  das  Buch  dreimal  ver- 
boten und  einmal  verbrannt  worden,  unter  Innocenz  XL,  demselben, 
von  dem  die  Dominicaner  Belobungen  Amaulds  und  anderer  Janse- 
nisten  erschlichen  hätten.  Aehnlich  Backer:  Guimenius  will  be- 
weisen, dass  die  Meinungen  einiger  Jesuiten,  die  man  tadelte,  von 
älteren  Theologen  vorgetragen  worden  seien;  aus  Respect  vor  die- 
sen alten  Doctoren  hatte  er  in  den  beiden  ersten  Ausgaben  kein 
Urtheil  über  ihre  Meinungen  gefällt;  in  der  3.  verdammte  und  wi- 
derlegte er  sie;  auch  schrieb  er  an  Innocenz  XI.  einen  Brief,  worin 
er  die  Censurirung  der  älteren  Ausgaben  billigt.  —  Innocenz  XI. 
hat  aber  alle  Ausgaben  verboten,  und  Moya  fand  nicht  bloss  mit 
seinen  Excerpten  aus  den  älteren  Theologen,  sondern  auch  mit  sei- 
ner eigenen  Moral  in  Rom  keinen  Beifall.  1704  wurden  von  der 
Inq.  verb. :  Quaestiones  selectae  ex  praecipuis  theologiae  mor.  tra- 
ctatibns,  auct.  Matth.  de  Moya,  8.  J.,  Rcginae  Mariae  Annae  a 
oonfessionibus.  T.  I.  T.  II.  Appendix  ad  quaestiones  .  .  .  prioris 
tomi,  beide  Madrid  1696  (der  1.  Band   zuerst  1670). 

2.  Unter  Alexander  VII.  kam  auch  eine  Schrift  von  Jo.  Carani  uel 
von  Lobkowitz  (1606 — 82),  Cistercienser,  seit  1645  Titularbischof,  1655 
Consultor  der  Inquisition,  in  den  Index.  Caramuel  wird  von  Alphons 
Liguori  als  princeps  laxistarum  bezeichnet.  Er  machte  namentlich  von 
dem  Probabilismus  die  schlimmste  Anwendung  (S.  316;  andere  Bei- 
spiele bei  Concina,  Theol.  ehr.  contr.  1,  203).  Seine  Theologia  moralis 
fundamentalis,  zuerst  Frankf.  1651,  erschien  1656  auch  zu  Rom, 
aber  nach  V.  Baron,  Theol.  2,  66  corrigirt;  man  wird  also  aus  per- 
sönlichen Rücksichten  von  einem  Verbote  der  1.  Ausgabe  abgesehen 
und  diese  expurgirte  Ausgabe  veranstaltet  haben.  Gegen  ihn  schrieb 
Luis  Crespi  y  Borja,  Bischof  von  Placentia,  Quaestiones  selectae 
morales,  ...  in  quo  novae  aliquae  doctrinae  R.  P.  Caramuelis  confutan- 
tur.  .  .  Lugd.  1658,  4.;  Caramuel  wurde  vertheidigt  von  seinem 
Freunde  Franc.  Verde,  damals  Canonicus  in  Neapel  (1688  Bischof): 
Theologiae  fund.  Caramuelis  positiones  selectae  novitatis,  singulari- 
tatis  et  improbabilitatis  frustra  appellatae  a  Lud.  Crespino  .  .  . 
Lugd.  1662,  Fol.  Dieses  ist  das  Buch,  welches  in  einem  Index-l)e- 
crete  vom  J.  1664  (Alex.  No.  84)  als  Fr.  Verde  opus  impressum 
Lugd.  1662  verb.  wurde   und  so  im  Index  gestanden  hat,    bis  Ben. 


1)  Marchand  s.  v.  Moya.  Backer  4,  439. 


502  Streitschrifteu  über  Moraltheologie. 

den  Titel  vervollständigte.  —  G-egen  den  Probabilismas  und  viel- 
leicht auch  direct  gegen  Caramuel  sprach  sich  auch  Frosper  Fagnani 
in  einem  Tractat  de  opinione  probabili  in  seinem  1661  zu  Rom 
erschienenen  Jus  canonicum  aus.  Darauf  schrieb  Caramuel  Apolo- 
gema  pro  antiquissima  et  universalissima  doctrina  de  probabilitate 
contra  singularem  Fr.  Fagnani  opinationem,  Lugd.  1663,  4.  Der 
Dominicaner  Julius  Mercorus  schrieb  dagegen  Apocrisis  pro  doctr. 
de  probab.  Fr.  Fagnani  adv.  Apol.  Jo.  Caramuelis,  Ticini  1664,  4. 
In  demselben  Jahre  wurde  Caramuels  Apologema  durch  ein  beson- 
deres Decret  (Alex.  No.  80)  verb.,  angeblich  hauptsächlich  darum, 
weil  er  Fagnani,  -  wahrscheinlich  darum,  weil  dieser  die  Erklä- 
rungen der  Ffarrer  von  Ronen  und  Faris  (S.  486)  citirt,  —  des 
Jansen ismus  beschuldigt  hatte  (Concina,  Appar.  2,  740).  Es  soll 
ihm  jetzt  auch  verboten  worden  sein,  femer  noch  über  Moral  zu 
schreiben,  ausser  etwa  einen  Liber  retractationum  (Y.  Baron,  Theol. 
1,  5),  eine  Angabe,  zu  der  freilich  die  Thatsache  nicht  stimmt,  dass 
er  noch  1672Haplote8  de  restrictionibus  mentalibus  dispntans  schrieb 
und  1675  eine  neue  vermehrte  Ausgabe  der  Theol.  mor.  fund.  er- 
scheinen Hess  (Faquot  2,  175). 

Eine  Schrift  gegen  den  Frobabilismus  von  Jo.  Ant.  Me- 
renda,  Disputationis  de  consilio  minime  dando  extra  casus  regulae  ex 
duobus  malis  juxta  opinionem  spccificantem  probabiliter  actum  pro 
licito  in  concursu  opinionis  specificantis  ipsum  probabiliter  pro  illi- 
cito  Pars  prima,  wurde  13.  Nov.  1662  mit  d.  c.  verboten,  20.  Nov. 
1663  aber,  nach  einem  Decrete  vom  20.  Nov.  1662  corrigirt,  frei- 
gegeben. Wie  viel  corrigirt  worden,  wird  nicht  angegeben,  wohl 
jedenfalls  der  Ausdruck,  der  Fobabilismus  sei  commentum  diaboli 
(Hexaples  6, 343).  Ausserdem  wurde  unter  Alexander  VII.  noch 
verb.  (1658)  Dello  8cru])uloso  convinto  .  .  .,  opera  recitata  in  una 
religiosa  academia  ...  da  M.  Faolo  Rassinesi,  Causidico  Fio- 
rentino. 

3.  Den  1656  zu  einem  Generalcapitel  versammelten  Domini- 
canern wurde  mitgetheilt:  Alexander  VII.  sei  unwillig  (taedere)  über 
so  viele  neue  Meinungen  in  der  Moraltheologie;  die  Dominicaner 
möchten  ihnen  entgegenwirken.  Der  Dominicaner,  welcher  dieses 
berichtet  ^)  und  welcher  sich  redlich  bemüht  hat,  dem  Wunsche  des 
Fapstes  zu  entsprechen,  hat  wenig  Dank  davon  gehabt.  Es  istVin- 
cenz  Baron,  geb.  1G04  zu  Martres  in  der  Gascogne,  1622  zu  Tou- 
louse in  den  Orden  eingetreten,  f  1674.  Seine  Theologiae  moralis 
adv.  laxiores  probabilistas  pars  prior  und  Manuductionis  ad  moralem 
theol.  pars  altera,  beide  Par.  1685,  8.  (Qu^tif  2,  655.  Hurter  2,  236), 
wurden  alsbald  von  den  Jesuiten,  die  über  das  Verbot  des  Buches 
von  Guimenius  ärgerlich  waren,  denuncirt,  aber  namentlich  in  Folge 
der  Bemühungen  Fagnani*»  beschränkte  man  sich  darauf,  Baron  die 
Veranstaltung  einer  neuen  Ausgabe  aufzugeben  (Chantelauze  p.  367). 
Diese  erschien  als  Theologiae  moralis  summa  bipartita.  Fars  prior. 


1)  Baron,  Theol.  mor.  Summa,  P.  2,  Praef.;  vgl.  Patuzzi  2,  90. 


Vino.  Barouius.    Hon.  Fabri  u.  a.  503 

Vera  mens  D.  Thomae  et  ejus  soholae  de  opinionum  ex  lege  de- 
lectu  in  qualibet  re  morali  explicata  et  defensa  adv.  D.  CaramneÜB 
apologema  in  D.  Fagnanum,  anonymi  nodos  in  Mercornm,  Tbeopb. 
Raynandi  exceptionem  et  Amadaei  Guimenii  tractatns  quindeeim.  Ed.  2. 
ad  mentem  sex  tbeologoruni,  qui  primam  jussu  S.  Pontificis  recog- 
noverunt.  Par.  1667,*  8.  —  Tbeol.  .  .  .  Pars  altera  contra  ficti 
Amadaei  .  .  .,  ad  mentem  Alexandri  VII.  aucta  ejusdem  S.  Ponti- 
ficis 45  propositionum  censuris  .  .  .  1668*.  —  Als  3.  Tbeil  war 
erscbienen  Sanctorum  Augustini  et  Tbomae  vera  et  una  mens  de 
libertate  bumana  et  gratia  divina  explicatur  et  scbolae  tbomisticae 
asseritur  adv.  duos  Tb.  Haynaudi  libros  aliosque  bujus  aetatis  melioris 
notae  tbeologos,  Par.  1666,  —  als  4.  Tbeil:  Libri  quinque  apo- 
logetici  pro  religione,  utraque  tbeologia,  moribus  ac  juribus  Or- 
dinis  Praedicatorum  adv.  Tb.  Raynaudi  libros  tres,  totidem  Petri 
de  Alva  libros,  aliquot  epistolas  Jo.  Launoii,  Expostulationes  Car- 
terii  aliosque,  Par.  1666*  (Duo  postremi  Apologiae  libri,  Par.  1667*). 
Alle  5  Bände  wurden  27.  Sept.  1672  verb.,  der  3.  mit  d.  c,  die 
anderen  unbedingt,  auch  der  erste,  von  welcbem  Baron  im  Praelo- 
quium  sagt:  nach  einer  secbsmonatlicben  Prüfung  bätten  die  secbs 
Römischen  Censoren  nichts  beanstandet  als  uonnulla  verba  a  lenitate 
8.  Thomae  remota ;  er  habe  alles  gestrichen,  was  auch  nur  einer  der- 
selben monirt  habe.  (Er  sagt:  von  den  sechs  seien  fünf  ihm  wohl- 
wollend gewesen,  der  sechste  Nie.  Dubois,  —  ein  Dominicaner?  — 
habe  eine  atrox  censura  abgegeben ;  die  Censuren  des  Somaskers 
Aug.  de  Angelis  und  eines  zweiten  seien  ihm  übersandt  worden,  — 
wohl  diese  vollständig,  die  anderen  im  Auszuge.)  Freilich  scheint 
Baron  diese  Censuren  nur  privatim  mitgetheilt  erhalten  und  die 
neue  Ausgabe  des  Bandes  nicht  zur  Approbation  nach  Rom  gesandt 
zu  haben;  wenigstens  sagt  Hon.  Fabri,  Apol.  1,682,  Baron  habe 
in  der  neuen  Ausgabe  so  gut  wie  nichts  geändert  und  werde  dafür, 
dass  die  Index-Congr.  mit  seiner  Expurgation  zufrieden  gewesen, 
kein  Decret  derselben  beibringen  können. 

Einige  Monate  früher,  23.  März  1672,  wurde  ein  Buch  des 
Hauptgegners  Barons  verb.:  R.  P.  Honorati  Fabri  S.  J.  Theologi 
Apologeticus  doctrinae  moralis  ejusdem  Societatis,  Lugd.  1670,  und 
2.  Oct.  1673  Apologetici  pars  altera,  also  die  Ausgabe:  R.  P.  Hon. 
Fabri  .  .  .  Societatis.  In  quo  variis  tractatibus  diversorum  aucto- 
rum  opuscula  confutantur,  quorum  nomina  sequens  elenchus  dabit, 
et  selectae  quaedam  morales  quaestiones  discutiuntur.  In  duas  par- 
tes commode  sectus,  cum  indicibus  ...  Ed.  altera,  prima  in  Grer- 
mania,  duplo  auctior,  Col.  Agr.  1672*,  c.  700-^650  S.  Fol.,  dem 
Card.  Albizzi  gewidmet,  die  erste  Ausgabe  von  9  Jesuiten,  die  Köl- 
nische von  dem  Decan  der  tbeol.  Facultät  zu  Mainz  approbirt.  — 
Hon.  Fabri,  1607 — 88,  ein  geborener  Franzose  (er  hiess  eigentlich 
LefÄvre),  18  Jahre  Professor  der  Philosophie  und  Mathematik  in 
Lyon,  über  30  Jahre  päpstlicher  Poenitentiar  in  der  St.  Peters-Kirche, 
war  1671  einige  Zeit  im  Gefängniss  der  Inquisition.  In  einem  Briefe 
an  den  Cardinal  Leopold  von  Medici  vom  19.  März  1671  (Lettere 
inedite,  Firenze  1773,  I,  241)  bedankt  er  sich   für  dessen  Verwen- 


504  Streitschriften  über  Moral theologie. 

düng,  in  Folge  deren  er  in  pristinum  statum  restitutus  sei  post  45 
dies  liberal ioris  carcerie  et  5  paulo  strictiorie  et  inhonesti.  lieber 
sein  Buch,  fügt  er  bei,  sei  noch  nicht  entschieden;  was  aber  die 
Heterodoxen,  die  er  seit  Jahren  bekämpft  und  gegen  die  er  auf  Be- 
fehl der  Päpste  selbst  einige  Schriften  herausgegeben,  dazu  sagen 
würden,  wenn  sein  Buch  verdammt  werde?  Allem  Anscheine  nach 
handelte  es  sich  nicht  um  die  schon  1665  veröffentlichten  und  nicht 
im  Copernicanischen  Sinne  geschriebenen  Dialogi  physici,  in  quibus 
de  motu  teiTae  disputatur  (Keusch,  Galilei  S.  438),  sondern  um  den 
1670  erschienenen  und  1672  verbotenen  Apologeticus  ^).  In  der 
Vorrede  zu  diesem  sagt  Fabri :  er  habe  das  Buch  zu  Lyon  geschrie- 
ben, wohin  er  von  Rom  zur  Wiederherstellung  seiner  Gresundheit 
gesandt  worden^);  er  wolle  die  Angriffe  gegen  die  Jesuiten  von 
Fagnani,  Ant.  Marinarius,  Aug.  de  Angelis,  V.  Baron,  Valerianus 
Magni  widerlegen  und  einige  apologetische  Schriften  von  anderen 
beifügen;  da  der  König  von  Frankreich  verboten  habe,  Streitachrif- 
ten  gegen  die  Jansenisten  zu  veröffentlichen  und  solche,  die  das 
Formular  unterschrieben,  Jansenisten  zu  nennen,  habe  er  die  Janse- 
nistische Controverse  ganz  bei  Seite  gelassen;  die  Schriften  von 
Martin  de  Esparza  gegen  Sinnich  und  von  Stubrock  gegen  Wend- 
rock habe  er  aber  aufgenommen,  weil  Sinnich  und  Wendrock  keine 
Franzosen  seien,  sich  auf  sie  das  königliche  Verbot  also  nicht  be- 
ziehe; er  gebe  sein  Buch  nicht  im  Auftrage  der  Gesellschaft,  son- 
dern lediglich  in  seinem  eigenen  Namen  heraus.  Viele  Stücke  wer- 
den ausdrücklich  als  von  Fabri  selbst  verfasst  bezeichnet;  die 
Schriften  die  er  unter  dem  Namen  Carterius  und  Stubrock  herausge- 
geben, sind  wieder  abgedruckt.  Von  anderen  Autoren  sind,  theils  in 
der  1.,  theils  in  der  2.  Auflage  u.  a.  aufgenommmen  die  Schrift 
von  Sanmarco,  eine  Abhandlung  von  Max.  Le  Dent  über  Attritio 
gegen  Chr.  Lupus  und  Farvacques  und  der  1.  Band  der  Select«e 
quaestiones  von  Moya. 

Gleichzeitig  mit  dem  2.  Theile  des  Apologeticus  wurde  eine 
darin  wieder  abgedruckte  pseudonyme  Schrift  Fabri's  speciell  verb.: 
Justa  expostulatio  de  P.  M.  Xantes  Mariales  0.  P.,  auctore  Biblio- 
thecae  interpretum  ad  universam  summam  theologiae  D.  Thomae 
Aquinatis,  Venetiis  editae  1660  et  per  anachronismum  1638.  Auctore 
Ludovico  Carterio  Vocontio.  S.  Th.  et  J.  U.  D.,  Gergoviae  Vo- 
contiorum     s.    a.    (1662?).      Von    der    Bibliotheca    des    Mariales 


1)  Fabri  galt  übrigens  auch  als  Cartcsianer  und  sogar  als  GalHcaner 
(Michaud  3,  218).  Leihniz  schreibt  über  ihn  an  den  Landgrafen  Ernst 
(Rommel  1,  278):  er  habe  mit  ihm  über  naturwissenschaftliche  Fragen 
correspondirt,  schätze  ihn  und  zähle  ihn  zu  seinen  Freunden,  und  fugt 
bei:  Je  m'etonne  qu'un  aussi  liabile  homrae  entreprend  de  defendre  cette 
morale  ridicule  de  la  probabilite  et  ces  subtilites  frivoles,  inconnues  a 
Pancienne  eglise  et  meme  rejetees  par  les  payens. 

2)  Der  Ordensgeneral  Oliva  sagt  in  einem  in  dem  Apol.  abgedruckten 
Briefe  vom  3.  Febr.  1669:  er  habe  gehört,  dass  Fabri  übor  Moral  schreiben 
wolle;  er  solle  vorsichtig  sein. 


X.  Mariales.    L.  Carierius.  505 

(t  1660),  die  vier  Folianten  umfasst,  hatte  die  Index-Congr.  8cbon 
J662  (Alex.  No.  76)  erklärt:  Tom.  1.  non  permittitur  nisi  expuncta 
Controversia  prolegomena  adversus  novatores.  Auf  diese  bezieht 
sich  auch  die  Kla^e  von  Carterius,  Mariales  habe  die  Gesellschaft 
Jesu  und  ihre  Haupt-Schriftsteller  geschmäht  ^),  den  Frieden  zwischen 
Jesuiten  und  Dominicanern  gestört  u.  s.  w.  Auf  dem  Titel  des 
Buches  steht:  Opus  vetus,  quia  editum  fuit  a.  1638,  novum  vero, 
quia  ob  varios  tum  auctoris,  tum  typographi  accidentarios  casus 
evulgari  non  potuit  nisi  anno  currente  1660  (Quetif  2,  600).  Fabri, 
Apol.  2,  604,  spottet  über  diese  Angabe  und  sagt,  die  1643  er- 
folgte Verdammung  des  Rabardaeus  werde  in  dem  Buche  erwähnt; 
1638  wird  dasselbe  druckfertig  gewesen,  aber  später  noch  einiges 
beigefügt  worden  sein.  —  Von  der  Expostulatio  des  Carterius  sagt 
Fabri  2,  610:  Baron  halte  ihn  für  den  Verfasser  derselben;  aber 
alius  est  a  me  Carterius,  quamvis  antiquae  necessitudinis  vinculo 
conjunctus.  Die  Schrift  ist  sicher  von  ihm,  aber  da  er  sie  Pseudo- 
nym herausgab,  lässt  er  sich  darin  noch  mehr  gehen  als  in  den 
unter  seinem  Namen  herausgegebenen  Tneilen  des  Apologeticus.  Er 
sagt  u.  a. :  die  Jesuiten  hätten  erklärt,  sie  schrieben  nicht  gegen 
Mariales,  weil  dessen  Buch  denuncirt  und  seine  Verdammung  zu 
erwarten  sei;  da  er  aber  von  Rom  gehört  habe,  die  Dominicaner 
hätten  es  durch  ihre  Ränke  und  ihren  Einfluss  dahin  gebracht,  dass 
die  Promulgation  des  Verbotes  nicht  mehr  zu  erwarten  sei,  so 
wolle  er,  ein  Freund  der  Jesuiten,  die  Widerlegung  übernehmen. 
Anderswo  (p.  604)  behauptet  er:  die  vier  insanae  molis  volumina 
des  Mariales  seien  von  den  Cardinälen  verdammt  worden;  die  Do- 
minicaner hätten  aber  die  Promulgation  des  Verbotes  verzögert,  dann 
beantragt,  d.  c.  beizufügen,  und  so  bewirkt,  dass  die  Sache  noch- 
mals an  die  Index-Congr.  gebracht  worden  sei,  wo  sie  kein  Ende 
finden  werde.  (Das  oben  erwähnte  Verbot  erfolgte  20.  Juni  1662, 
also  für  ein  1660  erschienenes  Buch  von  4  Foliobänden  nicht  auf- 
fallend spät.  Das  Buch  des  Carterius  muss  also  vor  jenem  Termin 
geschrieben  sein.)  Ueber  den  Einfluss  der  Dominicaner  spricht 
Fabri  überhaupt  ganz  ähnlich,  wie  seine  Ordensgenossen  Raynaud 
(S.  444)  und  Faure  (IS.  178):  Euere  Leute  haben  die  Index-Congr. 
in  Händen  (praesunt);  darum  werden  wenige  Bücher  von  den  Eue- 
rigen  denuncirt.  Aber  andere  Bücher,  namentlich  von  Jesuiten, 
werden  mitunter  ohne  Denunciation  verboten ,  und  wenn  die  ersten 
Censoren  sie  günstig  beurtheilen,  gibt  sie  der  Secretär  anderen,  bis 
er  endlich  einen  findet,  der  parteiisch  oder  unbillig  genug  ist,  das 
Buch  um  blosser  Lappalien  (apices)  oder  Verdachtsgründe  willen 
für  verdamm enswerth  zu  erklären. 

Baron  bekämpft  ausser   den   auf  den  Titeln  seiner  Bücher  ge- 
nannten   Autoren    und     Hon.    Fabri    (auch    sein   unter  dem    Namen 


1)  Ilurter  1,  714  sagt  sehr  naiv,  die  Controversia  sei  verb.  worden 
ob  J.  B.  Pozae  sociorumque  (e  Soc.  Jesu)  doctrinam  acrius  perstrictani. 
Poza  hat  man  gewiss  nicht  in  Schutz  nehmen  wollen;  S.  434. 


506  Streitschriften  über  Moraltheologie. 

Stubrock  erschienenes  Buch)  auch  die  Jesuiten  Pirot,  Thomas  Tam- 
burini, Chiavetta,  Bonartes,  Sidereus,  Poza  u.  a.  Gegen  ihn  er- 
schien: Germana  doctrina  E.  P.  Th.  Tamburini  S.  J.  perspicue  re- 
fellens  impugnationes  Yinc.  Baronii  adv.  illam  allatas.  Opusculum 
R.  D.  Don  Lucii  Sanmarco  sacerdotis,  Palermo  1666,  4.  In  der 
Praef.  zu  Pars  altera  sagt  Baron:  Tamburini  habe  dieses  Buch  in 
Venedig  neu  drucken  lassen  wollen,  Card.  Barberini  habe  dieses 
aber  in  einem  Schreiben  an  den  dortigen  Inquisitor  verboten.  Das 
Buch  ist  nicht  in  den  Index  gesetzt  und  wiederholt  mit  Tamburini's 
Schriften  gedruckt  worden  (Hurter  2, 236).  —  Zwei  spätere  Scliriften 
von  Baron  stehen  nicht  im  Index :  Responsio  ad  librum  Jo.  de  Car- 
denas  S.  J.  IHurter  2,231],  1672,  und  Ethicae  christianae  17  loci, 
1673,  gegen  Estrix,  Esparza,  Terillus,  Sanmarco  u.  a.  —  Unter 
Clemens  X.  (1670 — 76)  wurde  nur  noch  1674  mit  d.  c.  verb.  Ant. 
Volpi  Resolutiones  morales  quotidianae  utroque  jure  exornatae; 
der  Verfasser  war  nach  Toppi  erst  Jurist,  dann  Somasker,  dann 
Weltgeistlicher,  und  sein  Buch  Clemens  X.  gewidmet. 

3.  Im  J.  1670  gab  der  spanische  Jesuit  Michael  de  Elizalde 
(f  1678)  unter  dem  Titel  De  recta  doctrina  morum  (Lugd.  1670,  4., 
vermehrt  Col.  1684,  Fol.)  ein  Werk  gegen  den  Probabilismus  her- 
aus, aber  ohne  Vorwissen  seiner  Oberen  und  unter  dem  angenom- 
menen Namen  Antonius  Celladei.  Dagegen  ist  gerichtet  die  Regula 
morum  von  dem  englischen  Jesuiten  zu  Douay,  Antonius  Terillus 
(Bonvill),  die  nach  seinem  Tode  (1676)  von  dem  Provincial  und 
vier  anderen  Jesuiten  zu  Lüttich  1677  in  Folio  veröffentlicht  wurde 
(Hurter  2,  239.  Mich.  a.  S.  Jos.  4,  322).  '  Elizalde  schrieb  15.  Dec. 
1669  an  Card.  Bona  (Epist.,  Lucca  1759,  III,  No.  27):  der  Ge- 
neral habe  ihn  wegen  seiner  Lehre  über  den  Probabilismus  mit  den 
schwersten  Strafen  bedroht;  sein  demnächst  ohne  seinen  Namen  er- 
scheinendes Buch  werde  ohne  Zweifel  angeklagt  werden.  Das  Buch 
wurde  aber  erst  1693  von  den  Gregnern  des  Gonzalez  bei  der  spa- 
nischen und  der  römischen  Inquisition  denuncirt  (Arn.  3,  715.  729). 
Arnauld  meint,  die  Inquisition  solle  vielmehr  das  Buch  von  Terillus 
verbieten,  in  welchem  schreckliche  Grundsätze  vorgetragen  würden. 
Es  wurde  weder  das  eine  noch  das  andere  Buch  verboten. 

Im  J.  1673  schickte  Thyrsus  Gonzalez  de  Santalla,  damals 
Professor  zu  Salamanca,  sein  antiprobabilistisches  Fundamentum  theo- 
logiae  moralis  zur  Approbation  an  den  Ordensgeneral  Oliva.  Dieser 
beauftragte  fünf  Patres,  einen  Spanier  (Esparza),  einen  Portugiesen, 
einen  Italiener,  einen  Franzosen  und  einen  Belgier,  mit  der  Prüfung 
des  Manuscriptes ;  sie  erklärten,  dasselbe  dürfe  nicht  gedruckt  wer- 
den. Sie  sagen  in  ihrem  am  18.  Juni  1674  unterschriebenen  Ju- 
dicium u.  a. :  Endlich,  wer  kann  es  ertragen,  dass  in  einem  Buche 
eines  Jesuiten  Leuten,  die  sich  um  die  Gesellschaft  schlecht  verdient 
gemacht  und  Anhänger  der  neuen  Lehre  (Jansenisten)  sind,  wie 
FagnanuR,  Sinnich,  Mercorus,  Merenda  u.  a.,  das  grösste  Lob  ge- 
spendet wird?  .  .  .  Aus  diesen  und  anderen  Gründen  ist  es  nicht 
rathsam,  dass  dieses  Buch  veröffentlicht  werde,  damit  nicht  unsere 
Gegner  sagen ,    den  Jesuiten   seien   endlich    die  Augen  aufgegangen 


Ant.  Celladoi.    Thyrsus  Gonzalez.  507 

und  sie  kämen  durch  Gründe  überzeugt  allmählich  aus  ihrem  Irr- 
thum  zurück^).  Später  wurde  auch  Gonzalez'  Bitte  um  die  Er- 
laubnisse seine  Ansicht  in  den  4.  Band  seiner  Theologia  scholastica 
aufnehmen  zu  dürfen,  abgeschlagen.  Nachdem  Innocenz  XI.  1679 
das  Decret  gegen  die  laxen  Moralsätze  erlassen,  erfuhr  er  durch 
den  Nuncius  Mellini  von  Gonzalez  und  Hess  sich  eine  Abschrift 
seines  Tractates  kommen.  Da  zwei  Theologen,  denen  er  denselben 
vorlegte,  ihn  günstig  beurtheilten,  liess  er  Gonzalez  durch  den  Nun- 
cius auffordern,  ihn  zu  veröffentlichen.  In  dem  ProtocoUe  einer 
Sitzung  der  Inquisition  Fer.  IV.  20.  Juni  1680  (Patuzzi  2,  256) 
heisst  es:  „Es  wurde  über  einen  Brief  des  P.  Gonzalez  berichtet 
und  beschlossen,  der  Nuncius  solle  ihm  sagen,  der  Papst  wünsche, 
dass  er  unerschrocken  mündlich  und  schriftlich  opinionem  magis 
probabilem  vertheidige  und  die  Meinung  bekämpfe,  man  dürfe  auch 
der  opinio  minus  probabilis  folgen.  Dem  General  der  Jesuiten  ist 
im  Namen  Seiner  Heiligkeit  aufzugeben,  nicht  nur  den  Patres  der 
Gesellschaft  zu  gestatten,  für  die  opinio  magis  probabilis  zu  schreiben 
und  die  Ansicht  zu  bekämpfen,  man  dürfe  bei  dem  Zusammentreffen 
einer  weniger  probabeln  Meinung  mit  einer  probabelern  der  erstem 
folgen,  sondern  auch  an  alle  Universitäten  der  Gesellschaft  zu 
schreiben,  es  sei  der  Wille  Seiner  Heiligkeit,  dass  jeder  in  diesem 
Sinne  schreiben  dürfe."  Es  wird  beigefügt:  am  8.  Juli  sei  dieses 
dem  General  mitgetheilt  worden;  er  habe  versprochen,  zu  gehor- 
chen, aber  erklärt,  er  und  seine  Vorgänger  hätten  das  nie  verboten 
(Pat.   2,  293). 

Gonz.  gab  aber  seine  Schrift  jetzt  noch  nicht  heraus,  schrieb 
vielmehr  25.  Dec.  1681  dem  Papste,  er  müsse  sie  umarbeiten  und 
auch  das  mittlerweile  erschienene  Werk  De  regula  morum  (von 
Terillufi)  berücksichtigen.  1687  kam  Gonz.  nach  Rom  zu  der  Ge- 
neralcongregation ,  welche  nach  dem  Tode  des  Generals  Oliva  ge- 
halten wurde.  Innocenz  XI.  gab  den  Wunsch  zu  erkennen,  Gonz. 
möge  zu  seinem  Nachfolger  gewählt  werden,  und  dieses  geschah  6. 
Juli  1687.  Dem  durch  Card.  Cybo  ausgesprochenen  Wunsche  des 
Papstes  entsprechend  nahm  die  Generalcongregation  auch  eine  Er- 
klärung, wie  sie  1680  dem  General  vorgeschrieben  war,  unter  ihre 
Decrete    auf   (Decr.  18).      Den    neuen    General    aber   ermahnte  der 


1)  Das  Judicium  und  die  von  P.  Alfaro  1693  verfasste  Ceusura  cen- 
surae  latae  a.  1674  a  Patribua  revisoribus  generalibus  abgedr.  bei  Concina, 
Appar.  2,  712.  Alfaro  sagt,  das  Judicium  sei  von  Esparza  verfasst,  die 
vier  anderen  hätten  es  nur  mit  unterschrieben..  —  Bei  Concina  2,  300 
steht  auch  eine  von  einem  Freunde  des  Gonzalez  verfasste  Brevis  narratio 
eorum,  quae  P.  Thyrsus  Gonzalez,  Gen.  Soc.  J.,  peregit  jam  inde  usque 
ab  a.  1670,  ut  opinio  probabilistica  non  reputaretur  sentcntia  propria  suae 
religionis.  Ausserdem  sind  im  Folgenden,  wo  nicht  eine  andere  Quelle 
citirt  wird,  die  hinter  dem  6.  Bande  der  Lettere  di  Eusebio  Eraniste  (Pa- 
tuzzi) abgedruckten  Actenstücke  (vgl.  2,  184;  6,22.  213)  benutzt  worden. 
Interessante  Notizen  enthalten  auch  die  Lettere  inedite  di  Paolo  Sejrneri 
al  Granduca  Cosimo  III.,  tratte  dagli  autografi,  Fir.  1857. 


5ü8  Streitschriften  über  Moral theologie. 

Papst,  die  doctrina  majoris  probabilitatis,  in  quam  Sedes  Apost.  pro- 
pendet,  in  den  Schulen  der  Jesuiten  zu  fördern  und  einen  Theologen 
dieser  Kichtung  im  Römischen  Colleg  anzustellen.  Gonz.  berief  den 
Spanier  Joseph  Alfaro. 

Erst  unter  Innocenz  XII.  (1691 — 1700)  entschloss  sich  Gonz., 
eine  Schrift  gegen  den  Probabilismus  zu  veröffentlichen,  wie  er  selbst 
sagt,  auch  darum,  um  zu  zeigen,  dass  das  18.  Decret  der  General- 
congregation  ernst  gemeint  und  dass  der  Probabilismus  nicht  die 
Lehre  aller  Jesuiten  sei.  Die  Schrift  wurde  in  Dillingen  1691  ge- 
druckt. Als  die  fünf  Assistenten  davon  hörten,  forderten  sie  den 
General  auf,  die  Schrift  nicht  zu  veröffentlichen.  Er  gab  nach 
einigem  Widerstreben  nach,  da  er  fürchten  musste,  auch  von  anderer 
Seite  angegriffen  zu  werden,  weil  er  die  Schrift  ohne  Erlaubniss 
auswärts  hatte  drucken  lassen,  —  selbst  Backer  kennt  kein  Exem- 
plar dieser  Schrift,  —  behielt  sich  aber  vor,  eine  neue  Ausarbeitung 
zu  veröffentlichen  ^).  Die  Assistenten  baten  den  Papst,  die  Ver- 
öffentlichung des  Buches  zu  verbieten;  dieser  liess  aber  Gonz.  nur 
auffordern,  die  Sache  bis  zu  der  im  Nov.  1693  zu  haltenden  Con- 
gregation  der  Procuratoren  zu  verschieben,  die  darüber  zu  entschei- 
den haben  werde,  ob  eine  Generalcongregation  zu  berufen  sei.  Für 
diese  wurde  von  der  Römischen  Provinz  u.  a.  Paolo  Segneri^),  der 
entschiedenste  Gegner  des  Generals,  —  der  auch  seinen  grossen 
Einfluss  bei  dem  Papste  gegen  ihn  benutzte,  —  gewählt;  auch  die 
anderen  Provinzen  sandten  meist  Procuratoren,  die  für  die  Berufung 
einer  Generalcongregation  und  Gegner  des  Generals  waren.  Die 
Congregation  der  Procuratoren  beschloss  mit  Stimmenmehrheit  die 
Berufung  einer  Generalcongregation,  die  dann  über  die  Frage,  ob 
das  Buch  zu  veröffentlichen  sei,  entscheiden  sollte.  Die  Minorität 
protestirte,  und  so  kam  die  Sache  an  den  Papst,  der  sie  im  Juni 
1694  den  Cardinälen  Marescotti,  Carpegna,  Spada,  Panciatici  und 
Albani  (später  Clemens  XI.)  überwies. —  Am  7.  Aug.  1694  schreibt 
Noris  an  Magliabechi  (p.  166):  „Der  grosse  Streit  zwischen  dem 
General  Thyrsus  und  der  Partei  der  Gegner  des  Monarchen,    deren 


1)  Segneri  p.  259  erwähnt,  dass  Gonz,  von  Oliva  die  Druckerlaubniss 
nicht  erhalten,  und  fährt  dann  fort:  Ora  essende  fegli  generale  ha  presa 
la  palla  al  balzo  (hat  er  diese  günstige  Situation  benutzt)  e  Tha  fatto 
Rtampare  furtivamente,  —  ohne  Befragung  der  Assistenten  und  ohne  das 
Buch  von  Jesuiten  approbircn  zu  lassen.  Nach  p.  298  hatten  es  uno  Scalzo 
della  Vittoria  ed  uno  di  San  Bernardo  approbirt,  von  denen  Segneri  an- 
gibt, sie  hätten  sich  darüber  gewundert,  dass  der  General  mit  so  wenig 
Respect  von  seinem  eigenen  Orden  rede,  und  vieles  gestrichen  (hanno 
fatto  squarci  grandissirai  al  libro).  P.  299  sagt  er:  die  wenigen  Bogen  dieses 
Buches  würden  mehr  Unheil  angerichtet  haben  als  die  Jansenisten  mit  der 
ganzen  Morale  pratique  und  anderen  derartigen  Büchern.  Die  neue  Schrift, 
die  der  General  statt  der  furtivaniente  gedruckten  veröffentlichen  wolle» 
schreibt  er  p.  2b7  (im  August  1693),  sei  nicht  so  schlimm,  aber  auch  an 
ihr  sei  viel  zu  verbessern. 

2)  Es  ist  Paolo  Segneri  der  ältere,  f  1694,  wie  er  gewöhnlich  zur 
Unterscheidung  von  seinem  gleichnamigen  Neffen,  f  1713,  genannt  wird. 


Thyrsus  Gonzalez.  509 

Anführer  (capo  truppa)  der  gute  Pater  Segner i  war,  ist  zu  Ende. 
Am  3.  haben  die  fünf  deputirten  Cardinäle  beschlossen:  non  eon- 
stare  de  validitate  decreti  Patrum  Procuratorum  provincialiura,  et 
ideo  non  esse  cogendam  congregationem.  Card.  Panciatici  legte  den 
Beschluss  an  demselben  Tage  dem  Papste  vor;  er  bestätigte  ihn 
und  fügte  bei:  et  non  amplius  audiantur.  So  ist  also  P.  Thyrsus 
Sieger  geblieben  und  die  Meinung  des  P.  Segneri  für  weniger  pro- 
babel erklärt  worden"  (Segneri  p.  316  sagt:  Albani  und  Panciatici 
hätten  dagegen  gestimmt,  die  drei  Cardinäle  der  Majorität  seien  Cre- 
aturen  des  Card.  Altieri,  der  mit  dem  spanischen  und  österreichi- 
schen Gesandten  den  General  protegire).  Gleichzeitig  wies  der 
Papst  Gonz.  an,  sein  Buch  dem  Mag.  S.  Palatii  Ferrari  zur  Appro- 
bation vorzulegen.  Bei  diesem  machten  die  Assistenten  noch  einmal 
ihre  Bedenken  geltend;  sie  verlangten  schliesslicb,  das  Buch  solle 
unter  dem  Namen  eines  andern  Jesuiten  erscheinen,  der  sagen 
möge,  er  habe  das  Material  aus  den  von  Gonz.  zu  Salamanca  ge- 
haltenen Vorlesungen  entnommen.  —  Das  Buch  erschien  zu  Rom 
mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  1694  und  bald  darauf  an  ver- 
schiedenen Orten,  unter  dem  Titel :  Fundamentum  theologiae  moralis, 
i.  e.  tractatus  theol.  de  recto  usu  opinionum  probabilium  .  .  .  . 
authore  P.  Thyrso  Gonzalez,  Theol.  Prof.  Salmanticensi,  nunc  Prae- 
posito  gen.  S.  J. 

In  der  Vorrede  sagt  Gonz.,  er  gebe  das  Buch  nicht  als  Ge- 
neral, sondern  als  ein  einfacher  Theologe  des  Ordens  heraus.  Card. 
Aguirre  schrieb  kurz  vor  dem  Erscheinen  desselben  an  Mabillon 
(Thuillier  1,  428):  das  Buch  werde  von  allen  sehnsüchtig  erwartet 
mit  Ausnahme  derjenigen,  quibus  monstrum  illud  probabilismi  placet 
et  jam  diu  alte  insedit  potius  cordi  quam  menti.  Au  den  König  von 
Spanien  schrieb  er  26.  Apr.  1693:  man  beabsichtige  auf  der  Gene- 
ralcongregation  Gonz.  abzusetzen,  der  der  würdigste  General  sei, 
welchen  die  Gesellschaft  seit  dem  h.  Franz  Borja  gehabt,  der  aber 
von  seinen  Gegnern  als  Jansenist  bezeichnet  werde,  wie  ja  viele 
Jesuiten  auch  Innocenz  XI.,  der  so  viele  ihrer  laxen  Moralsätze 
verdammt  habe,  als  Jansenisten  bezeichnet  hätten  (Patuzzi  p.  LXXXII). 
—  Wie  gespannt  das  Verhältniss  des  Generals  zu  seinen  Assistenten 
war,  —  der  für  Deutschland  war  Eusebius  Truchsess  (S.  296),  — 
zeigt  eine  Eingabe  derselben  an  den  Papst  (Patuzzi  p.  XCIII),  worin 
es  u.  a.  heisst:  „Der  General  P.  Thyrsus  Gonz.  quält  (lacessit)  seit 
mehr  als  zwei  Jahren  die  ganze  Gesellschaft  aus  Anlass  (praetextu) 
eines  Buches,  welches  er  über  den  Probabilismus  geschrieben  und 
welches  vormals  P.  Oliva  verworfen  hat.  ...  Er  verbreitet  un- 
glaublich boshafte  Pasquille  (libellos  famosos  et  incredibiliter  ma- 
ledicos)  gegen  unsere  Gesellschaft,  in  welchen  er  die  falsitates  et 
contumelias  des  Dillingenschen  Werkes  nicht  nur  wiederholt,  sondern 
vermehrt  und  steigert  und  seine  Assistenten  schwer  kränkt.  .  .  . 
Wir  bitten  Ew.  Heiligkeit,  1.  die  Bitterkeit  und  die  conatus  des  P. 
Generals  zu  zügeln,  2.  ihm  die  fernere  Verbreitung  solcher  scrip- 
turae  et  libelli,  die  voll  Bitterkeit  gegen  die  Jesuiten  sind,  zu  ver- 


610  Streitschriften  über  Moral theologie. 

bieten,  3.  ihm  zu  befehlen,  das  zn  revociren,  was  er  gegen  die  Wahr- 
heit und  gegen  den  guten  Ruf    der  Gesellschaft  geschrieben  hat"^). 

In  seinen  letzten  Lebensjahren  liess  Gonz.  —  t  27.  Apr.  1705 
—  Clemens  XI.  eine  Bittschrift  überreichen,  worin  er  sagt:  in  dem 
1697  unter  dem  Namen  des  Franc.  Perrea  zu  Salamanca  erschiene- 
nen, aber  von  einem  bereits  verstorbenen  Jesuiten  verfassten  Lapis 
lydius  recentioris  antiprobabilismi  werde  gesagt,  er  habe  sein  Buch 
dissentiente  societate  universa  herausgegeben.  Nach  seinem  Tode 
werde  man  den  Probabilismus  wieder  zur  Geltung  zu  bringen  suchen. 
Man  könne  nicht  beiden  Theilen  Schweigen  gebieten;  da  aber  das 
Inquisitionsdecret  von  1680  und  viele  im  Auftrage  des  Papstes  ge- 
schriebene Briefe  der  Cardinäle  Cybo  und  Mellini  zeigten,  dass  die 
Jesuiten  nach  der  Ansicht  des  h.  Stuhles  den  Probabilismus  be- 
kämpfen dürften  und  dass  sich  der  h.  Stuhl  immer  mehr  zu  der 
entgegengesetzten  Ansicht  hingeneigt,  so  möge  der  Papst  den  Oberen 
der  Jesuiten  befehlen,  dafür  zu  sorgen,  dass  in  ihren  Schulen  nichts 
gelehrt  werde  contra  eos  sensus,  in  quos  Sedes  Apost.  inclinare  visa 
est.  Clemens  XL  erklärte:  es  werde  ihm  sehr  angenehm  sein, 
wenn  die  Oberen  den  Jesuiten  verbieten  würden,  die  Lehre,  es  sei 
gestattet  nach  der  opinio  minus  probabilis  et  minus  tuta  zu  handeln, 
vorzutragen  und  zu  vertheidigen ,  cum  Suae  Sanctitati  compertnm 
sit,  ita  expedire  ad  incolumitatem  et  honorem  Societatis^).  —  Seit 
Ben.  (nicht  in  den  früheren  Indices)  steht  als  am  8.  Mai  1697  verb. 
Crisis  de  probabilitate  ex  academia  monachorum  Cassinensium  in 
monasterio  S.  Catharinae  Genuae.  Nach  Hurter  2,  882  ist  dieses 
eine  zu  Genua  1694,  12.,  erschienene  Schrift  gegen  Gonz.,  die  von 
dem  Benedictiner  Bernardino  Bissi  verfasst,  aber  ohne  sein  Yorwissen 
unter  dem  Namen  Nie.  Maria  Monsa  veröffentlicht  ist. 

4.  Von  dem  Carmeliter  Cassianus  a  S.  Elia  zu  Mailand  (er 
hiess  in  saeculo  Giambatt.  Pallavicini,  t  1714,  und  wird  von  Arge- 
lati  p.  1022  als  ein  sehr  frommer  Mann  bezeichnet)  wurde  1683 
mit  d.  c.  verb.  Centura  historiarum  examen  cum  sententia  definitiva 
in  utroque    foro,    seu   decisiones    theologico-legales,    Bologna    1682, 


1)  Segneri  schreibt  im  April  1693;  „Wir  sind  sehr  nnj^lücklich  über 
die  Schriften  (scritture),  welche  der  Pater  General  über  sein  Buch  hat  aus- 
gehen lassen**  (p.  265);  im  Herbst  1693:  „Der  General  fahrt  fort,  täglich 
Schriften  zu  Gunsten  seiner  Person  ausgehen  zu  lassen  oder  zu  gestatten, 
dass  sie  gesandt  werden  (p.  293;  es  werden  Briefe  an  den  König  von 
Spanien  und  dgl.  gemeint  sein);  die  Controverse  über  das  Buch  ist  jetzt 
nicht  mehr  die  Hauptsache  (p.  287).  Mir  missfallt  weniger,  dass  das  Buch 
erscheinen  soll,  als  dass  der  General  bei  dieser  Gelegenheit  sich  in  seiner 
wahren  Gestalt  zu  erkennen  gegeben  hat.  Von  seiner  Absetzung  ist  übrigens 
nicht  die  Rede.  Es  liegt  uns  wenig  daran,  wer  uns  regiert,  wenn  er  uns 
nur  in  der  rechten  Weise  regiert.  Das  Beklagenswerthe  ist,  dass  unsere 
Oberen  Frä  Diaz,  Card.  Aguirre,  die  Gesandten  [die  für  Gonzales  ein- 
traten] und  weniger  bedeutende  von  den  Unseren  sind"  (p.  299). 

2)  Eine  interessante  Denkschrift  über  das  Umsichgreifen  des  Proba- 
bilismus in  Spanien,  die  der  Jesuit  Ign.  de  Camargo  170tt  dem  Papste 
übersandte,  ist  abgedr.  bei  Patuzzi  5,  416. 


Cassianns  a  S.  Elia.    R.  Arsdekin.     B.  CiafPoni  u.  a.  6ll 

Fol.,  —  worin  ganz  unglaubliche  Dinge  vorkommen^),  —  dann  1686: 
Theologia  moralis  expurgata  et  ordine  alphabetico  digesta,  Yen. 
1684,  Fol.  (über  die  Prop.  damnatae  ab  Alex.  VII.  et  Innoc.  XI.). 
—  Ferner  wurden  im  17.  Jahrb.  noch  verb.:  Jo.  ab  Ulmo  Reso- 
lutio  theol.  moralis,  in  qua  asseritur,  licite  permitti  posse  meretrices, 
nbicunque  majora  mala  aliter  vitari  non  possunt,  Catania  1673, 
verb.  1681;  —  Andreae  Mendo  (S.  J.,  Censor  der  span.  Inquisi- 
tion) Statera  opinionum  benignarum  in  controversiis  moralibus,  Lugd. 
1666,  Fol.,  1678  mit  d.  c,  1682  unbedingt  verb. i); —  Jos.  Rössel 
(Carthänser  in  Barcelona)  Tractatus  s.  praxis  deponendi  conscien- 
tiam  .  .  .,  Lugd.  1679,  verb.  1687;  gleichzeitig  wurde  verb.  Laur. 
de  Aponte  in  Matth.  evangelinm  comm.  tomi  2,  Lugd.  1641  (der 
Verfasser,  ein  Clericus  reg.  minor,  war  schon  1639  zu  Alcala  ge- 
storben, Magna  Bibl.  eccl.  s.  v.;  im  span.  Index  wird  verordnet, 
bei  Rössel  c.  15,  n.  13 — 16,  und  bei  anderen  Autoren  die  aus 
Aponte  entnommene  Ansicht  zu  streichen.  —  Respuesta  del  Sere- 
nissimo  Sefior  Preste  Juan  de  las  Indias  a  una  carta  del  Ilustr. 
Don  Fray  Gines  Barrientos,  Domin ico,  Obispo  auxiliar  del  titulo  de 
Troya,  en  islas  Philipinas,  verb.  1693,  wird  gegen  Barrientos'  Ex- 
pugnacion  de  el  probabilismo,  1685,  gerichtet  sein  (Qu^tif  2,  740). 
Unter  Clemens  XI.  (1700 — 21)  kam  zunächst  in  den  Index:  Ri- 
chard! Arsdekin  S.  J.  Theologia  tripartita  universa.  Editio  posthuma, 
verb.  1700.  In  dem  Decrete  (Nam.  p.  184)  und  in  den  älteren  In- 
dices  wird  der  1.  Band  mit  d.  c,  der  2.  unbedingt  verb.,  seit  Ben. 
alle  drei  Bände  mit  d.  c.  Der  Verfasser,  R.  Archdeacon  ans  Kil- 
kenny,  war  Professor  in  Löwen  und  Antwerpen,  1 1693.  Sein  Buch 
war  seit  1671  wiederholt  gedruckt  und  ist  auch  nach  1700  wieder- 
holt gedruckt  worden.  In  der  ersten  nach  dem  Verbote  erschienenen 
(13.)  Ausgabe,  Antw.  1718,  ist  manches  geändert,  namentlich  im 
2.  Bande  die  Erörterung  über  das  Peccatum  philosophicum  wegge- 
lassen. Wenn  die  Behauptung  im  K.-L.  1,  1252  richtig  ist:  die 
späteren  Ausgaben  hätten  „die  verlangten  Correcturen,"  so  müssen 
freilich  alle  Index-Ausgaben  einen  Irrthum  enthalten:  die  älteren 
verbieten  den  2.  Band  unbedingt,  verlangen  und  gestatten  also  keine 
Correcturen  in  demselben,  und  die  neueren  bezeichnen  alle  Ausgaben 
als  zu  corrigiren,  ohne,  wie  z.  B.  bei  Heraudo,  die  späteren  auszu- 
nehmen. —  Apologia  in  favore  de'  ss.  padri  contra  quei,  che  nelle 
materie  morali  fanno  dei  medesimi  poca  stima.  Opera  postuma  del 
P.  M.  Bemardino    Ciaffoni    da   S.  Lupidio    Min.    Conv.    [f  1684], 


1)  z.  B.  18.  An  liceat  mulieri,  sub  veste  virili  mentiri  sexum,  ut 
degere  possit  intra  septa  conventus  regularium.  donec  edat  partum  con- 
ceptum  in  sacrilego  adulterio  cum  superiore  ejusdem  conventus.  54.  An 
amasius  jurans  quinque  olim  suis  concubinis  ob  affectivani  erga  illas  re- 
cordationem  quotidic  recitare  pro  singula  unam  angelicam  salutationem, 
peccet  recitando  vel  omittendo.  99.  An  monialis  fornicaria  acquirat  sibi 
vel  monastcrio  pretium  sacrilcgarum  fornicationum.  A.  E.  1683,  269. 

2)  Ueber  seine  Bullae  S.  Cruciatae  Elucidatio,  Madrid  1651,  Lyon 
1668,  8.  Woker,  Finanzwesen  S.  218. 


512  Streitschriften  über  Moraltheologie. 

molto  necessaria  per  un^  infallibile  regolamento  delle  coscienze  con- 
fuse  fra  le  ambiguitä  de'  moderni  probabilisti,  BassaDO  1696  (To- 
rino  8.  a.*,  150  S.  16. ;  gegen  Caramnel,  Diana,  Escobar,  Tambarini, 
Busembaum  u.  a.),  —  und  La  scimia  del  Montalto,  cioe  un  libric- 
ciuolo  intit. :  Apologia  .  .  .  convinta  di  falsit^  da  Fr.  de  Bonis, 
Gratz(?)  1698,  171  S.  12.,  beide  von  der  Inq.  verb.  1701.  Der 
Verfasser  des  zweiten  Schriftchens,  welcher  den  des  ersten  als 
„Affen  Pascals"  verhöhnt,  ist  der  Jesuit  J.  B.  Benedictis.  Zaccaria 
hat  dasselbe  1760  trotz  des  Verbotes  im  4.  Bande  seiner  Raccolta 
d'apologie  dei  Gesuiti  wieder  abdrucken  lassen;  Backer  7,  99.  430. 
Die  Risposta  all'  autore  dell'  Apologia  ...  da  Guido  Bellagra  (d.  i. 
Gabriel  Gualdo),  Salzb.  1701,  2  vol.  12.  (Vezzosi  1,  425),  ist 
nicht  verb. 

Einen  eigenthümlichen  Gegensatz  zu  dem  gleichzeitigen  Ver- 
bote der  Schrift  von  Ciaffoni  und  der  Gegenschrift  bildet  es,  dass 
ein  Buch  des  Römischen  Jesuiten  Balthasar  Francolini,  f  1709«  nicht 
verb.  wurde,  wohl  aber  zwei  Gegenschriften.  Jenes  erschien  zuerst 
anonym:  Clericus  Romanus  contra  nimium  rigorem  munitus  dnplici 
libro,  quorum  uno  veteris  ecclesiae  severitatem,  altero  praesentis 
eccl.  benignitatem  a  rigidiorum  quorundam  scriptorum  calumniis  vin- 
dicat,  Rom  1705,  wiederholt  unter  seinem  Namen  gedruckt  (noch 
Augsb.  1796*).  Opstraets  anonyme  Gegenschrift:  Clericug  Belga 
clericum  Romanum  muniens  .  .  .  ipsamque  Francolini  doctrinam  ürbi 
et  orbi  denuncians,  Lüttich  1706,  434  S.  8.,  wurde  allerdings 
nicht  verb.,  wohl  aber  Francolinus  cleri  Romani  paedagogus,  laxio- 
ris  in  administraudo  poenitentiae  sacramento  disciplinae  magiater, 
commentitiae  rigoristarum  sectae  iictitiarumque  in  Ecclesias  veterem 
et  recentem  calumniarum  impugnator,  observationibus  historico-critico- 
moralibus  exagitatus,  Delft  (?)  1706,  225  S.  12.,  von  dem  Dominicaner 
Anton  Bordon  aus  Marseille,  der  seit  1704  Professor  in  Rom  war 
((iuetif  2,  80  1),  von  der  Inq.  verb.  1707,  —  und  Letter eapologetiche 
teologico-morali  scritte  da  un  dottore  Napoletano  ad  un  letterato 
Veneziano,  Avignon  (Neapel)  1709,  388  S.  8.,  von  dem  Advocaten 
Biagio  Maioli  de  Avetabile  zu  Neapel,  einem  Freunde  Moratori's, 
verb.  1714;  der  1.  Brief  ist  ein  Auszug  aus  den  Schriften  von 
Opstraet  und  Bordon  und  aus  einer  Schrift  des  Neapolitanischen 
Jesuiten  Blasius  Visconti,  Synthesis  apologetica  theologico-moralis, 
Neapel  1708,  worin  gegen  B'rancolinus  poleniisirt  wird.  Der  2.  Brief 
ist  eine  Vertheidigung  Ciaffoni's  (Magna  Bibl.  eccl.  1,  785).  —  Bei 
Francolini  kommen  u.  a.  folgende  Dinge  vor:  Der  Rigorismus  ist 
die  Moral  der  Jansenisten;  hujus  tria  principia  sunt:  patres  jactare 
plurimum,  pontifices  aestimare  parvi,  recentiores  theologos  nihil! 
(p.  XIX).  Von  den  Schriften  der  letzten  Jahrhunderte  weiss  man, 
von  wem  sie  sind ;  von  den  Schriften  der  Kirchenväter  sind  manche 
unecht  oder  zweifelhaft  oder  von  den  Ketzern  und  Abschreibern 
corrumpirt;  jene  sind  klarer  und  bedürfen  keiner  Noten  und  Com- 
mentare  wie  diese.  Die  neueren  Schriften  sind  cum  timore  cen- 
surae  und  nach  einer  vorherigen  Censur  und  nach  Verdammung 
zahlloser  Ketzereien  geschrieben;  darum  sollten  namentlich  Anfänger 


Fr.  de  Bonis.  B.  Francolinus.  618 

ber  eiDen  berühmten  neuem  Autor  lesen  als  die  alten,  deren  Schriften 
n  aus  Respect  nicht  zu  corrigiren  pflegt,  obschon  sie  vieles  Zwei- 
itige  und  Gefährliche,  ja  auch  Falsches  (nämlich  Unterschobe- 
j)  enthalten.  Die  Bücher  der  Neueren  enthalten  eruditionem  longe 
jorem,  uberiorem  doctrinam  nostrisque  usibus  magis  aocommoda- 
a :  continent  eam  totara,  quam  veteres  continent,  et  eam,  quam 
liderunt  innumeri  doctores,  qui  post  antiquos  doctores  per  decem 
amplius  saecula  scripserunt;  innumeris  quaestionibus  respondent, 
as  ne  tetigere  quidem  doctores  antiqui  (p.  252).  Sich  immer  auf 
j  Kirchenväter,  namentlich  auf  den  Augustinus  berufen,  sapit 
ereticam  gloriationem  (p.  285).  Wenn  die  Kirchenväter  von 
»ralf ragen  handeln,  so  fragen  sie  entweder  nicht,  ob  etwas  erlaubt 
er  nicht  erlaubt  sei,  oder  wenigstens  nicht,  ob  etwas  an  sich 
d  immer  oder  nur  unter  gewissen  Verhältnissen  unerlaubt  sei; 
züglich  dieser  Verhältnisse  machen  sie  auch  keine  Unterschiede. 
3  verdammen  vielmehr  einfach  etwas  und  ziehen  gegen  diejenigen 
I,  die  es  thuen,  woraus  man  nicht  erkennen  kann,  ob  dieses  an 
h  und  immer  böse,  ob  es  eine  Todsünde  oder  nur  eine  lässliche 
nde  ist  (p.  295).  Bei  der  milden  Busspraxis  werden  allerdings 
)le  im  Fegfeuer  zu  büssen  haben.  Aber  wir  hoffen,  dass  sie  bald 
raus  befreit  werden ;  denn  es  gibt  jetzt  mehr  Priester,  die  für  sie 
s  Messopfer  darbringen;  und  wir  gewinnen  jetzt  so  viele  Ablässe 
•  die  Verstorbenen,  welche  die  Päpste  zu  dem  Zwecke  effusius 
rleihen,  damit,  weil  jetzt,  um  die  Gläubigen  zum  Sacramente  der 
sse  heranzulocken,  nicht  mehr  so  schwere  Bussen  auferlegt  werden, 
r  göttlichen  Gerechtigkeit  aus  dem  Schatze  der  Kirche  Genug- 
lung  geleistet  werde*'  (p.  356)^). 

Ferner  kamen  unter  Clemens  XI.  noch  in  den  Index:  Risposte 
te  da  un  teologo  ....  Milano  1698,  seit  Ben.  unter  Franc.  Maria 
3rano;  —  Manuductio  ad  theologiam  moralem  .  .  .  auth.  Jo. 
iliano  [Giuliani]  S.  J.,  Padua  1707,  616  S.  4.,  beide  von  der 
l,  verb.,  letzteres  mit  d.  c. ;  —  Prattica  del  confessionario  e 
iegazione  delle  proposizioni  condamnate  da  Inn.  XI.  e  Aless.  VII. 

.  tradotta  dallo  spagnuolo   neir  ital.    dal    P.   Fr.    Pietro    Franc. 

Como,  1707,  2parti,  von  der  Inq.  verb.  1710  und  1712.  Erst 
t  Ben.  ist  der  Name  des  Verfassers  beigefügt:  Giac.  di  Coreglia 
iime  da  Cerella,  Capuciner,  f  1699);  sein  Buch  ist  in  Spanien 
mal  gedruckt  (Hurter  2,  546).  Nach  dem  Verbote  ist  eine  latein. 
5bersetzung  von  Franc.  Maria  Gradiscanus  erschienen :  Praxis  con- 
isionalis,  Verona  1723  (U.  N.  1729,  1263).  —  Tractatus  proba- 
itatis  ex  principiis  antiquorum  compositus,  auct.  Nie.  Peguleto, 
•vanii  1708,  4.,  verb.  1714,  von  dem  Theatiner  Gabriel  Gualdo, 
1743,  der  auch  unter  den  Namen  Guido  Bellagra  (S.  512)  und  An- 
lus  Cupetiolus  schrieb.  Concina,  Appar.  2,  327,  sagt :  das  Ver- 
t  dieses  und  anderer  ähnlicher  Bücher    werde    von   den   Probabi- 


1)  Ausfülirlich  über  Francolini  Concina,  Appar.  2,  389,  und  Bischof 
Ibert  von  Montpellier,  Oeuvres  1,  48. 

Beiweb.  Index  II.  33 


614  Streitigkeiten  über  Moraltheologie. 

listen  nicht  beachtet,  and  führt  aus  den  Miscellanea  dl  varie  Operette 
8,  437  die  Aenssemng  an,  das  Buch  von  Gualdo,  —  er  wird  11 
dottore  della  probabilitä  genannt,  —  sei  nicht  verboten  worden,  weil 
seine  Lehre  falsch  sei,  sondern  weil  die  Zusammenstellnng  so  vieler 
probabeler  Meinungen  die  Sittlichkeit  gefährden  könne  ^). 

Dazu  kamen  noch  unter  Benedict  XIII.  (1724—30):  Moderamen 
oonsoientiae  dubiae,  theologico-morali  ratiocinio  stabilitum,  in  Soc. 
J.  gymnasio  Tridenti  praes.  Lud.  Simon zin  [S.  J.]  publicae  dis- 
putationi  propositum  .  .  .  1718,  verb.  1727.  —  Jo.  Marin  Oco- 
nensis  (8.  J.  tl725)  Theologia  speculativa  et  moralis,  Ven.  1720, 
3  Fol.,  verb.  1728 — 29.  Das  Buch  wurde  1726  von  einem  Laien 
wegen  der  horribles  relächements  denuncirt  (Hist.  des  Reflexions 
4,  637).  Mich,  a  S.  Jos.  3,  113  sagt:  die  Römischen  Censoren  hätten 
darin  mehr  als  140  Sätze  beanstandet;  in  Hispania  di versa  sant 
doctoram  jndicia;  das  Buch  wurde  wenigstens,  wie  fast  alle  in 
diesem  Paragraphen  erwähnten,  in  Spanien  nicht  verb.  £s  wnrde 
aber  auch  in  Venedig  1748  und  1760  wieder  gedruckt. 

Eine  Controverse  zwischen  italienischen  Jesuiten  und  einem 
berühmten  Dominicaner,  Aug.  Franc.  Orsi,  der  1749  Mag.  S.  Pal., 
1759  Cardinal  wurde,  tl761,  hat  keine  Spuren  im  Index  hinter- 
lassen. Der  Jesuit  Carl  Ambr.  Cattaneo,  f  1705,  hatte  in  seinen 
Lezioni  saore  gesagt,  die  Restrictio  mentalis  sei  unter  Umstanden 
erlaubt.  Dagegen  schrieb  Orsi  Dissertazione  dogmatica  e  morale 
contra  l'uso  materiale  delle  parole,  Korn  1727  (Benedict  XIIL  ge- 
widmet), und  gegen  die  AUegazione  in  difesa  del  P.  C*  A.  Cattaneo,. 
1728,  La  causa  della  veritä  sostenuta  contro  Tanonimo  apologista^ 
del  P.  Cattaneo,  Florenz  1729,  86  S.  4.  Auch  die  Jesuiten  Diani,. 
Saccheri,  Riohelmi,  Rota  betheiligten  sich  mit  anonymen  Schriften 
an  dem  Streite^). 

Der  Bischof   Guy  SÄves    de  Rochechouart   von   Arras    verbot- 
1703  die  Synopsis  theologiae  practicae    des  Jesuiten  J.  B.  Tabem&^ 
(Taverne),  Douay  1698  u.  o.,  und  eine  neue  zu  Douay   (Köln)   ge- 
druckte Ausgabe  der  Moral  werke  des  Jesuiten  Georg  Gobat  (f  1679)^ 
und    ccnsurirte    speciell   von   ersterm    13,    von    letzterm    32   Sätze^ 
Selbst  Avr.  4,  226.  237  findet  wenigstens  das  letztere  Verbot  durch— 
aus  gerechtfertigt,    da   man   in  der  neuen  Ausgabe  nicht  einmal  die- 
von  Innocenz  XL   verdammten   Sätze    gestrichen  hatte.     Ein  Jesuit^ 
schrieb  aber  gegen  den  Bischof  Yindiciae  Gobatianae,  1706   (Hurter* 
2,  226).    Im  Index  stehen  Taberna  und  Gobat  nicht.  —  Eine  Lettre- 
en  forme  de  dissertation  sur  la  com^die  von  dem  Theatiner  Caffaro^ 
welche  der  Verfasser  auf  Verlangen  des  Erzbischofs  von  Paris  1694- 


1)  Der  vollständige  (lange)  Titel  des  Buches  bei  Melzi  2,  326;  vgL 
1,  270.  Vezzosi  1,  425.  Gualdo  schrieb  auf  Baptisma  puerorom  in  ut^i» 
ezistentium.  Dissert.  inedico-theol.,  zuerst  anonym  Padua  1710,  80  S.  8., 
dann  unter  seinem  Namen  1712  und  8.  Ed.,  Yen.  1723,  304  S.  8. 

2)  Backer  2,  109.  Hurter  2,  1376.  Fabroni,  Vitae  IUI.  9,  10.  38, 
und  ausführlich  Bibliothdque  italienne,  vol.  8 — 12. 


Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654—90.  616 

retraotiren  musste,  mag  hier  erwähnt  werden,  weil  sie  Bossuet  ver- 
anlasste, die  Maximes  et  rdflexions  snr  la  comddie  zu  schreihen^). 

Nenn  spanische  Bischöfe  Hessen  in  Born  eine  Schrift  drucken, 
worin  333  laxe  Moralsätze  in  den  Consnltas  morales  varias  des 
Capuciners  Martin  de  Torrecilla,  Madrid  1694 — 1705,  6  Fol.,  dennn- 
oirt  wurden ;  die  Schrift  wurde  durch  den  Card.  Belluga  Clemens  XI., 
Innocenz  XIII.  und  Benedict  XIII.  überreicht  (Concina,  Apparatus 
I,  p.  I).  Der  Capuciner  kam  aber  nicht  in  den  Römischen  Index. 
In  dem  spanischen  von  1747  wird  er  expurgirt. 


55.     Streitigkeiten  in   den  Niederlanden  1654—1690. 

Bei  dem  Gegensatze,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  17. 
Jahrhunderts  in  den  Niederlanden  zwischen  den  Jesuiten  und 
Recollecten  (Franciscanern)  einerseits  und  den  Theologen  der 
Löwener  Universität  und  den  meisten  übrigen  Ordens-  und 
Weltgeistlichen  anderseits  hervortrat,  handelte  es  sich  weniger 
um  die  Gnadenlehre  als  um  Fragen  der  Moral-  und  Pastoral- 
theologie (Verwaltung  des  Buss-  und  Altarsacrameuts  u.  a.),  nach 
1682  auch  um  die  gallicanischen  Ansichten.  Dass  in  dieser 
Zeit  und  in  den  folgenden  Decennien  so  viele  •  in  den  Nieder- 
landen erschienene  Schriften,  —  neben  einigen  umfangreicheren 
^on  Estrix,  Carolus  ab  Assumtione  und  Aegidius  Gabrielis  auch 
ganz  unbedeutende,  u.  a.  viele  Thesen,  auch  eine  Anzahl  von 
holländischen  Heftchen  für  den  Gatechismusunterricht,  —  in 
den  Index  kamen,  erklärt  sich  daraus,  dass  beide  Parteien  es 
sich  angelegen  sein  Hessen,  Lehren  und  Schriften  der  Gegen- 
partei in  Rom  zu  denunciren. 

Im  J.  1677  schickte  die  Löwener  Universität  mit  Geneh- 
migung des  Königs  vier  Professoren  nach  Rom,  um  die  Ver- 
dammung einer  Anzahl  von  laxen  Moralsätzen  zu  betreiben  und 
sich  bezüglich  der  Gnadenlebre  gegen  die  Anfeindungen  der 
Jesuiten  zu  vertbeidigen.  Innocenz  XI.  Hess  denn  auch  durch 
ein  Decret  der  Inquisition  Fer.  V.  2.  März  1679  65  Sätze  in 
ähnlicher   Weise   verdammen,   wie   dieses  1665   mit  45  Sätzen 


1)  Bossuet,  Oeuvres  37,  508.  Irailh  2,  894. 


616  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1664—90. 

geBchehen  war  (S.  497).    Bezüglich  der  Gnadenlehre  wurde  die 
Erklärung,  die  Löwener  hielten  an  der  Lehre  der  Censnren  der 
Facnltäten  von  Löwen  und  Douay  vom  J.  1588  (I  S.  446)  fest, 
für  genügend  erklärt.    —   Wie  in  den  Decreten  von  1665  und 
1666  werden  anch  in  dem  von  1679  diejenigen,  aus  deren  Schriften 
die  verdammten  Sätze  entnommen  waren,   nicht   genannt.    Die 
Frage,  von  welchen  Autoren  die  Sätze  herrührten,  speciell,   ob 
von  Jesuiten  oder   nicht,    wurde  in   einer  Reihe   von    kleinen 
Schritten  erörtert,  von  denen  dann  mehrere   verboten   wurden. 
—    Nach   der  Publication  des  Deere tes   von   1679   beschäftigte 
sich   die  Inquisition  mit   der  Prüfung  von  Sätzen,   welche  von 
den  Gegnern  der  Löwener  als  in  ihren  und  anderer  Jansenisten 
Schriften  enthalten  denuncirt  worden  waren.    Ein  Decret,  worin 
81  dieser  Sätze  verdammt  wurden,  wurde  noch  unter  Innocenz  XI. 
fertig  gestellt,  aber  erst  unter  seinem  Nachfolger  Alexander  VIII. 
mit  dem  Datum  Fer.  V.  7.  Dec.  1690  publicirt.    Die  darin  ver- 
dammten Sätze  sind  nicht  alle  Moralsätze;  einige  beziehen  sich 
auf  die  Gnadenlehre;   der  29.  bezeichnet  die  Behauptung  vom 
der  Superiorität  des  Papstes  über   das   allgemeine  Concil    unA 
von   seiner  Unfehlbarkeit   in   der  Entscheidung   von  Glaubens- 
fragen als  futilis  et  toties  convulsa  assertio.    Auch   einige  auf 
dieses  Decret  bezügliche  Schriften  wurden  verboten. 

1.  Der  Erzbischof  Boonen    (S.  464)    hatte  1GÖ4    noch  einmal 
eine  unangenehme  Correspondenz  mit  Rom.    £r  hatte  zunächst  Streit:* 
mit  den  Ordensgeistlichen    seiner  Diöcese,  die  zum  grössten  Theilc^ 
behaupteten,    eine  Autorisation  zur  Absolution  von  den  bischöflicheim 
Reservatfällen    nicht  zu  bedürfen  (S.  392).     Dann    führte    er   löSST 
die  Praxis  ein,  von  allen  Welt-  und  Ordensgeistlichen,  ehe  er  ihnei». 
die  Ermächtigung  zum  ßeichthören  ertheilte,  das  eidliche  Gelöbnis» 
zu  verlangen,    dass  sie    17   laxe  Moralsätze,    die  er  von    mehreren 
Welt-  und  Ordensgeistlichen  hatte  begutachten  lassen,  —  sie  wurdeiv 
auf  seine  Veranlassung    1653   auch   von  der  Löwener  theologischeip 
Facultät  censurirt    (Arg.  III  b  267),    -—    nicht    anwenden    wollten^ 
Sieben  Jesuiten  verweigerte  er  die  Approbation,  bis  sie  das  Gelob— 
niss  ablegen  würden.  Die  Jesuiten  beschwerten  sich  in  Rom,  und  dei^ 
Erzbischof  wurde  18.  Apr.   1654  von  der  Congregatio  Concilii  ange-^ 
wiesen,  den  sonst  geprüften  und  approbirten  Jesuiten  die  Ermächtigung 
zum  Beichthören  nicht  vorzuenthalten,  wenn  er  nicht  binnen  3  Monateim 
Gründe  dafür  angebe ;  sonst  werde  man  einen  andern  Bischof  ermäch- 
tigen, sie  zu  prüfen   und    zu    autorisiren.     Der  Erzbisohof  schickte 
nun  17.    Juli    1654    einen    ausführlichen   Bericht    nach  Rom    (Arg-* 
III  b  267),  dem  er  die  17  Sätze  beilegte,  mit  dem  Bemerken,  einige 


Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654—90.  617 

derselben  seien  früher  von  Jesuiten  bei  einem  Examen  vertheidigt 
worden,  namentlich  der  4.,  dass  man  bei  starkem  Concurse  nur  die 
halbe  Beichte  anznhören  brauche.  Der  Erzbischof  wurde  unter  dem 
14.  Nov.  1654  für  seinen  Eifer  belobt  und  ihm  mitgetheilt,  die 
Sätze  seien  der  Inquisition  zur  Prüfung  übergeben  worden.  Eine 
weitere  Antwort  erfolgte  nicht.  Nach  dem  Tode  des  Erzbischofs 
(t  1655)  schickte  der  Bischof  Triest  von  Gent  1657  der  Löwener 
Facultät  26  weitere  Sätze,  über  welche  diese  5.  Mai  1657  eine  mo- 
tivirte  Censur  gab.  (Die  Actenstücke  bei  Arg.  III b  267.  283.) 
Einige  dieser  17  und  26  Sätze  finden  sich  unter  den  von  Alexan- 
der Vn.  1665  verdammten. 

Die  Bulle  Alexanders  VII.  vom  J.  1656  fand  in  den  Nieder- 
landen keinen  offenen  Widerspruch.  Die  Löwener  Theologen  schrieben 
20.  März  1660  an  den  Papst,  sie  hielten  an  der  in  der  Censur  von 
1588  entwickelten  Lehre  fest  und  seien  bereit,  diese  ihm,  wie  früher 
Sixtus  V.,  zur  Entscheidung  vorzulegen.  Der  Papst  antwortete 
7.  Aug.  in  nichts  sagenden  Ausdrücken.  Gleichzeitig  (1660)  wurde 
in  Löwen  ein  Formular  eingeführt,  welches  auch  diejenigen  be- 
schwören konnten,  welche  zwischen  Jus  und  Factum  unterschieden : 
„Ich  schwöre,  dass  ich  die  5  durch  die  Bullen  Innocenz'  X.  und 
Alexanders  VII.  verdammten  Satze  verdamme  und  diese  Bullen  ge- 
wissenhaft beobachten  will  (religiosam  observantiam  praestare)." 
Man  behielt  dieses  Formular  auch  nach  der  Publication  der  Bulle 
von  1665  bei,  indem  man  annahm,  dass  das  in  dieser  enthaltene 
Formular  nur  für  Frankreich  vorgeschrieben  sei  (Am.  1,  344.  Ra- 
cine 13,  294). 

Die  Facultät  in  Douay  war  ganz  jesuitisch  geworden ;  aber  in 
Löwen  gab  es  angesehene  Theologen,  welche  zwar  die  5  Sätze  ver- 
warfen, aber  die  Augustinische  Lehre,  wie  sie  Jansenius  entwickelt 
hatte,  festhielten,  mit  Arnauld  und  seinen  Freunden  in  Verbindung 
standen  und  auch  deren  Ansichten  über  Moral,  die  Autorität  des 
Papstes  und  die  gallicanischen  Artikel,  Bibellesen  u.  s.  w.  theilten ; 
so  Gummarus  Huygens,  Jo.  Libertus  Hennebel,  Macarius  Haver- 
mans  (Prämonetratenser,  f  1680).  Seit  1683  war  der  Internuncius 
mit  Erfolg  bemüht,  die  Theologen  dieser  Richtung  von  der  (aus  8 
Mitgliedern  bestebenden)  engem  Facultät  auszuschliessen.  In  dieser 
iominirte  nach  1685  Martin  Steyaert,  nach  dem  Dict.  Jans.  1,  61 
,,früher  erklärter  Jansenist,  nach  der  Verdammung  der  5  Sätze  ein 
vollkommener  Katholik,"  aber  auch  später  mitunter  von  den  Je- 
suiten als  verkappter  Jansenist  bezeichnet,  weil  er  in  Fragen  der 
Moral  nicht  mit  ihnen  übereinstimmte  (Arn.  3,  242.  575).  Seit  er 
1677  —  79  in  Rom  gewesen,  war  er  ein  entschiedener  Gegner  der 
g^allicanischen  Ansichten. 

2.  Abgesehen  von  den  1667  verbotenen,  mir  nicht  bekannten 
Folia  quaedam  partim  gallice,  partim  lat.  edita,  quorum  tituli  sunt: 
De  elogio  primo  et  praecipuo  doctrinae  angelici  doctoris  S.  Thomae 
Aq.  .  .  .  (Alex.  No.  91),  gab  den  ersten  Anlass  zum  Einschreiten 
der  Index- Congr.  ein  verhältnissmässig  unbedeutender  Federstreit  in 


618  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  16&4 — 90. 

Gent.     Von  dem  dortigen  Pfarrer    nnd    Canonicns  Peter  van  Bus- 
cum    erschien   1672    Instrnctio    ad  tironem  theologum    de    metbodo 
theologica    octo   reguHs   perstricta,    36  S.  12.    (für    den   jungen  de 
Witte,  der  später  eine  grössere  Rolle  spielte,  geschrieben),  mit  Ap- 
probation des  Erzpriesters    Gillemans.    Der    Bischof    AUamont    von 
Gent  verbot  das  Schriftchen,    weil    es  scandalöse    und    verderbliche 
Sätze  enthalte,  und  der  Jesuit  Aegidius  Est  rix  (Esscberix)  schrieb 
dagegen  Diatriba  theologica  de  sapientia  Dei  benefica  .  .  .  sive  ma- 
nuductio  ad  fidem  divinam  pervestigandara,   confirmandam,    expolien- 
dam,  asserta  potissimum  auctoritate  Rom.  Pontifiois  eaqne  nulli  ob- 
noziaerrori,  etiam  in  quaestione  facti  vulgo  dicta,  Antw.  1672,  313  S. 
4.     Es    folgten    noch    mehrere    Streitschriften   (auch  zwei  von  Ger- 
beron), von  Buscum:  Instructio  ad  tironem  .  .  .  per^tricta  ab  insul- 
sis  Jesuitae    Estrix   cavillis    vindicata   und  Defensio    adv.  ea,    quae 
Aeg.   Estrix    in     Diatriba    theologica    opponit    Instruction!    ad    tir. 
theol.,  Gent  1672,    61   S.  12.,    von  Estrix:    Apologia    pro    summis 
pontificibus,  generalibus  conciliis   et    ecclesia  cath.  contra  Petri  van 
Buscum  Instructionem    ad  tir.  tbeol.  et  ejusdem  Instructionis  defeii— 
sionem  et  vindicias,  Antw.  1672,  94  8.  4.,  und  Dilucidatio  communie 
doctrinae  theologorum  de  fide   imperfecta   quorundam    rudium  homi- 
num  nuper  asserta  Diatriba  theologica,    Antw.   1673,   38  S.  4.    Di^ 
Schriften  wurden  auch   nach  Rom    geschickt.     Card.  Bona,    der  mi't: 
Gillemans  in  Correspondenz    stand,    schrieb    1672    an   van   Buscunx 
(Epp.  sei.   ed.  Sala,  No.  250):  seine  acht  Regeln  seien,  richtig  ver-* 
standen,  orthodox;    aber  in  der  Erläuterung  derselben  kämen,    wi 
er  selbst  anerkenne,  einige  Dinge  vor,   an  denen  man  Anetoss  nehme 
könne;  es  sei  doch  zu  scharf,    wenn  er  sage,    die  Scholastiker  ver 
theidigten  viele  ketzerische  Sätze,    und  wenn  er  die  Trienter  Väte 
darüber  tadle,  dass  sie  dem  Beschlüsse  über  die  Autorität  der  Tra. 
dition  in  der  4.  Sitzung  nicht  eine  Aufzählung  der  Traditionen  bei 
gefügt  hätten;    auch  lege  er  dem  Baseler  Concil    zu    viel  Autoritä 
bei.     Bona    verspricht    aber    schliesslich,    er    wolle    sich    bemühe 
Buscum  zu  vertheidigen.  —  Schliesslich  kamen  1674  zuerst  die  Dia- 
triba und  die  Dilucidatio  von  Estrix,  dann  seine  Apologia  und  die  dr 
Schriften  von  Buscum  in  den  Index.     Dass    auch    die  gut  infallibi 
lietischen  Schriften  von  Estrix  verboten  wurden,  hat  nach  Arg.  III 
338  seinen  Grund  hauptsächlich    darin,    dass    er    wie    Ripalda    de 
Satz  vertheidigt:  die  übernatürliche  und  zum  Heile  genügende  Gla 
benszustimmung  könne    mit  einer    nur    probabelen  Erkenntniss    de 
Offenbarung,  ja  auch  mit  der  Befürchtung,  dass  Gott  sich  nicht  ge 
offenbart  habe,    bestehen,    —    ein  Satz   der  als  No.  21    unter    de 
2.  März    1679    unter    Innocenz  XI.    verdammten    Sätzen    steht. 
Estrix    hat   noch  eine  Reihe    von   Schriften    veröffentlicht,    mehrer 
anonym    oder    pseudonym,    wie  einer  seiner  Gegner    sagt,    horror 
Romani  fulminis,    quo  jam    saepius  tactus  fuit.     Namentlich  schrie 
er  mehrere  Broschüren  und  Denunciationen  gegen  die  Löwener  Theo» 
logen    unter  dem  Namen  Franc.  Simonis   (Am.  35,  42).     Im  Inde 
steht  von  ihm  noch  eine  unter  dem  Namen  Wilh.  Sandaeus  erschi^ — 


P.  Y.  Basoum.    Aeg.  Estrix.    G.  Huygens.  619 

nene  Schrift.  Er  war  1684  Provincial  in  Belgien,  ging  1687  nach 
Rom  nnd  starb  dort  1694^). 

3.  1674  erschien  zu  Löwen  Methodus  remittendi  et  retinendi 
peccata  auctore  Gummaro  Huygens  Lyrano  S.  T.  D.  in  Academia 
Lovan.  (Huygens,  geb.  1631,  war  Präses  des  Collegium  Hadriani  VI.; 
er  wurde  1683  aus  der  engern  Facultät  ausgeschlossen,  1687  wieder 
gewählt,  aber  von  dem  Internuncius  sein  Wiedereintritt  verhindert; 
1689  wurde  er  von  dem  Mechelner  Capitel  zum  Erzbischof  gewählt, 
aber  nicht  bestätigt;  eine  Zeit  lang  war  ihm  Dociren,  Predigen  und 
Beichthören  verboten,  f  1702).  Das  Buch  vertritt  die  in  Amaulds 
Friquente  Communion  entwickelten  Grundsätze  über  Aufschieben 
der  Absolution,  ein  Thema,  welches  in  den  damaligen  Controversen 
überhaupt  eine  grosse  EoUe  spielt.  Huygens  schickte  es  an  Bona, 
der  ihm  freundlich  dankte  (Epp.  sei.  341.  342).  Die  Jesuiten  de- 
nuncirten  das  Buch  in  Eom  (Laemmer,  Melet.  p.  401);  es  wurde 
von  der  Inq.  geprüft,  aber  freigegeben,  wie  der  Nnncius  Tanari 
1680  bezeugte:  liber  cum  nuper  cum  apologia  illi  adjuncta  per  S. 
Congr.  S.  0.  examinatus  fuisset,  nuUam  propositionem  continere  in- 
ventus  est,  quae  censuram  mereretur^).  Dagegen  gelang  es  1681, 
eine  Verdammung  desselben  durch  die  Inq.  von  Toledo  zu  erwirken. 
1695  verdammte  es  auch  der  Erzbischof  Precipiano  (S.  59).  —  Com- 
pendium  theologiae,  i.  e.  theses  ex  1.  parte,  1.  2.  et  2.  2.  D.  Tho- 
mae  hebdomadatim  defensae  1672 — 79  in  Collegio  Adriani  VI.  prae- 
side  Gummaro  Huygens  .  .  .  Lov.  1679,  wurde  von  der  Inq. 
verb.,  aber  erst  1691.  Die  Publication  dieses  Verbotes  wurde  Pre- 
cipiano verwiesen  (S.  22).  Die  1683  verfassten  Thesen  über  die 
Hauptpunkte  der  Gnadenlehre  wurden  von  den  Jesuiten  angegriffen, 
abor  nicht  verb.  (Arn.  2.  244),  auch  nicht  seine  späteren  Schriften 
(J.  des  Sav.  1688,  17.  Mai).  —  Gegen  Huygens,  Havermans,  Neesen 
und  Gabrielis  ist  gerichtet  die  Schrift  von  Fr.  Simonis  (Aeg.  Estrix): 
Status,  origo  et  scopus  reformationis  hoc  tempore  attentatae  in  Bel- 
gio  circa  admin.  sacr.  poenit.,  juncta  piorum  supplicatione  ad  de- 
mentem X.,  Mainz  1675,'*'  8.,  dagegen  Epistola  apolog.  ad  Inn.  XI. 
contra  Fr.  Simonis,  auth.  Mac.  Havermans,  1676*.  Erstere  Schrift 
wurde  von  dem  Erzbischof  de  Berghes  verb.;  darauf  erschien  Pro- 
testatio et  exceptio  ...  ad  decretum  Archiep.  Mechlin.  15.  Febr. 
1676,  Mainz  1676. 

Ein  Jurist  aus  Antwerpen,  der  1640  in  Löwen  studiert  hatte 
und  durch  das  Lesen  des  Augustinus  von  Jansenius  zur  Frömmig- 
keit angeregt  worden  war,  schrieb  ein  frommes  Buch,  von  welchem 


1)  Üeber  den  Buscum'schen  Streit  s.  Biogr.  nat.  3,  200.  Idee  .  .  de 
M.  Witte  p.  4.  Backer  2,  178;  7,232.  Der  Bischof  von  Gent  erklärte  auch, 
Buscum  uad  Gillemans  seien  durch  die  Veröffentlichung  der  Instructio  der 
Suspension  verfallen ;  sie  appellirten.  Auch  über  diesen  Process  erschienen 
mehrere  Streitschriften.  Der  Bischof  starb  1673  und  die  Sache  wurde 
beigelegt. 

2)  (Quesnel),  Tres-humble  Remonstr.  p.  23.    Opstraet,   Opp.  theol., 
Yen.  1783,  6,  285.  Vgl.  Am.  3,  222.  249;  4,  158. 


520  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1664—90. 

er  selbst  sagt,  es  sei  fast  nur  ein  Anszng  ans  dem  des  Janeenias: 
Centnria  colloquiorum  Dei  et  animae,  quibns  Jansenianam  de  gratia 
doctrinam  e  campo  dispntandi  Martio  in  placidum  meditandi  Ely- 
sium  transdncere  conatus  est  Jo.  Wierts,  s.  1.  1676,  663  S.  4. 
(Paqnot  1,  6);  es  wurde  gleich  1677  verb. 

4.  Der  Carmeliter  Carolus  ab  Assnmtione,  —  er  hiess  in  der 
Welt  Charles  de  Brias,  war  ein  Bruder  des  Erzbischofs  von  Cam- 
bray  und  früher  Soldat  gewesen,  —  schrieb  unter  dem  Namen  Ger- 
manus Philalethes  Eupistinus  zuerst  eine  Yertheidigung  der  Scientia 
media,  dann,  nachdem  diese  Schrift  durch  den  Dominicaner  Hiero- 
nymns  Henneguier  unter  dem  Namen  Philalethes  Consentanus  1670 
bekämpft  worden  (Qu^tif  2,  781),  im  thomistischen  Sinne:  Thomi- 
starum  triumphns,  i.  e.  SS.  Aug.  et  Thomae  summa  concordia  de 
scieqtia  media,  de  natura  pura . . .  . ,  Douay  1672,  2  vol.  4.,  dann 
gegen  eine  Erwiederung  des  Jesuiten  Fr.  Fournestraux  einen  3.  Band 
des  Thom.  triumphns,  1674,  und  Funiculus  triplex,  quo  necessitas 
D.  Thomae  ad  veram  S.  Augustini  intelligentiam  insolubiliter  strin- 
gitur  adv.  Bajum,  Molinam  et  Jansenium,  Cambray  1675. 

Die  beiden  ersten  Bände  des  Thom.  triumphns  wurden  in  Rom 
denuncirt,  aber  nicht  verb.  Card.  Bona,  der  sich  des  Verfassers 
angenommen,  theilte  ihm  dieses  19.  Mai  1G73  mit.  P.  Carolus 
dankte  dem  Cardinal  für  seinen  Schutz  (Epp.,  Lucca  1759,  I  No.  80), 
beging  aber  die  Tactlosigkeit,  jenen  Brief  mit  Bemerkungen  drucken 
zu  lassen.  Bei  Papebroch,  Elucidatio  p.  89  ist  ein  Brief  Bona^s  an 
P.  Carolus  vom  15.  Aug.  1674  abgedruckt,  worin  er  es  diesem 
verweist,  dass  er  den  Brief  vom  .1.  1673  habe  drucken  lassen,  und 
ihn  auffordert,  alle  Exemplare  einzusammeln  und  zu  verbrennen.  Da- 
bei beklagt  er  sich  nicht  über  eine  Alterirung,  sondern  nur  i\ber 
falsche  Deutungen  des  Briefes:  manche  beklagten  sich,  er  habe  sie 
zu  scharf  angegriffen,  während  er  nur  die  zwei  oder  drei  gemeint, 
die  P.  Carolus'  Buch  denuncirt  hätten,  und  dieser  selbst  deute  den 
Brief  nicht  richtig:  er  habe  in  diesem  weder  selbst  seine  Lehre  ge- 
billigt noch  gesagt,  die  Inquisition  habe  sie  gebilligt,  sondern  nur, 
er  habe  dazu  beigetragen,  dass  sein  Buch  nicht  verdammt  worden 
sei ;  es  seien  übrigens  auch  noch  andere  Schriften  von  ihm  zu  prüfen, 
und  er  wisse  nicht,  ob  nicht  diese  verboten  werden  würden.  —  Die 
Ausgabe  des  Briefes  wurde  1676  verb.  Sie  steht  in  den  älteren 
Indices  als  Liber  cui  titulus:  Epistola  sub  nomine  Eminentissimi 
Dom.  Joannis  S.  R.  E.  Card.  Bona,  approbans  doctrinam  Germani 
Philalethis  Eupistini,  seit  Ben.  als  Epistola  .  .  .  Eupistini  mit 
dem  Zusätze:  Libellus  contra  Card.  Bona  sie  inscriptus.  Dieser  Zu- 
satz ist  irreführend.  Die  Schrift  ist  allerdings  nur  wegen  der  dem 
Briefe  beigefügten  Bemerkungen,  die  man  allenfalls  als  Libellu»  con- 
tra Card.  Bona  bezeichnen  kann,  verb.  (Concina,  Appar.  1,56),  aber 
der  Brief  selbst  ist  echt  und  richtig  abgedruckt.  Quesnel  bei  Avr. 
3 ,  124  behauptet,  Card.  Altieri  habe  den  Brief  aus  persönlicher 
Malice  gegen  Bona  in  den  Index  gebracht.  —  Dieser  nämliche  P. 
Carolus,  der  ein  so  eifriger  Vertheidiger  der  thomistischen  Gnaden- 
lehre war,  veröffentlichte  1678  anonym  und  ohne  Approbation:  Pen- 


J.  Wierts.   Card.  Bona.    Pentalogus  diaphorioas.  621 

talogus  diapboricus  s.  quinqne  differentiarum  rationes,  ex  qnibuB 
yerum  judicatur  de  dilatione  abBolutionis  ad  meutern  gemini  Eccle- 
siae  solis  SS.  Ang.  et  Tboroae,  oblatus  ad  examen  Innocentio  XI., 
8.  1.  et  a.,  8.  ein  Bueb,  von  dem  Arnaald  (42,  515)  sagt,  es  sei 
ein  monströser  Haufen  von  Wabrbeiten  nnd  Irrtbümem  über  die 
Basse  (er  fübrt  daraus  u.  a.  den  Satz  an:  aucb  wer  alle  Sonntage 
dieselben  Sünden  beicbte,  sei  zu  absolviren).  Es  erscbienen  mebrere 
Scbriften  dagegen,  u.  a.  Examen  Pentalugi  diapb.  .  .  Innocentio  XI. 
oblatum  a  Tbeologo  Moguntino,  Col.  1688,*  8.,  und  Eclaircissements 
von  dem  Biscbof  von  Tournay.  Innocenz  XI.  soll  das  Bucb  vor 
dem  Druck  geseben  und  die  Erlaubniss  zur  Veröffentlicbung  ge- 
geben baben;  der  Carmeliter-General,  der  das  nicbt  wusste,  befabl 
dem  P.  Carolus,  der  damals  Provincial  war,  unter  Androbung  der 
Excomm.,  das  Bucb  zu  verbrennen,  was  dieser  aucb  tbat.  Der  neue 
General  erlaubte  ibm,  eine  französiscbe  Bearbeitung  seines  Bucbes 
zu  veröffentlichen:  Eclaircissement  toucbant  Tusage  de  Tabsolution 
des  consu6tudinaires  et  recidives  selon  S.  Tbomas  avec  trois  r^gles 
pour  la  frequente  communion,  Lille  1682  (mit  einer  36  Seiten 
langen  Approbation  von  dem  Dominicaner  Hieron.  Henneguier). 
Dann  scbrieb  er  nocb  Yindiciarum  postulatio  a  Jesu  Cbr.,  peccato- 
mm  omnium  poenitentium  et  impoenitentium  redemptore,  adv.  rigori- 
stas  bomines  a  sacro  tribunali  retrabentes,  Leodii  1683.  —  Der 
Pentalogus  (aber  keine  von  den  dadurcb  veranlassten  Scbriften) 
wurde  1685  verb.^). 

5.  Die  Deputirten  der  Löwener  Universität,  welcbe  1677 — 79 
in  Rom  waren,  waren  die  Professoren  Franc,  van  Vianen,  Cbristian 
Lupus  (Wolf,  Augustiner),  Lambert  Le  Drou  (Augustiner)  und  Mar- 
tin Steyaert.  Die  von  ibnen  denuncirten  Sätze,  über  100,  sind  ab- 
gedruckt in  den  Opuscula  eximii  viri  Dr.  J.  L.  Hennebel,  Lov. 
1703,*  p.  19.  In  dem  Decrete  der  Inq.  Fer.  V.  2.  März  1679 
(Const.  p.  150)  werden  die  65  Propositiones  als  „mindestens  ärger- 
nissgebend  und  in  praxi  verderblicb**  verdammt  unter  Androhung  der 
reservirten  Excomm.  1.  sent.  für  jeden,  der  einen  derselben  vertbei- 
digen  werde,  und  mit  der  Erklärung,  die  Verdammung  dieser  65 
Sätze  dürfe  nicht  als  Gutheissung  anderer,  dem  Papste  von  irgend- 
welcher Seite  vorgelegter  oder  vorzulegender  Sätze  angesehen  werden. 
Am  Schlüsse  des  Decretes    macht  es  der   Papst  den  Theologen  zur 


1)  Kurier  2.  311.  Paquot  1,  133.  Mart.  a  S.  Jo.  Bapt.,  Biblioth. 
Carmel.  1,  312.  536.  A.  E.  1689,  261.  —  Auch  Havermans  schrieb  ein 
Elxamen  libelli  P.  Caroli  ab  Ass.  .  .  cui  tit.  Pentalogus  .  .  .  Col.  1679, 
8.  (er  lobt  einiges  darin,  Arn.  42,  516).  Gegen  die  Eclaircissements  des 
Bischofs  von  Tournay  schrieb  P.  Carolus  anonym  (vier)  Lettres  d'un  Theo- 
logien flamand  ä  l'eveque  de  Tournay,  1680,  gegen  eine  Erwiederung  des 
Bischofs  nochmals  sechs  Lettres,  danach  der  Bischof  Lettre  aux  pasteurs 
et  confesseurs  de  son  diocdse,  1681.  Arnauld  schrieb  Observations  d'un 
Professeur  en  philosophie  sur  les  Lettres  d'un  Theologiea  flamand,  1680. 
Der  Bischof  veröffentlichte  auch  gegen  das  Eclaircissement  eine  Seconde 
lettre  pastorale  mit  einer  Censur  von  21  Doctoren  (Arn.  42,  514). 


522  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654 — 90. 

Pflicht,  sich  fortan  in  Schriften,  Disputationen  und  Predigten  aller 
Censaren  (censnra  et  nota)  nnd  Schmähungen  gegen  diejenigen  Sätze 
zu  enthalten,  die  noch  unter  den  Katholiken  controvers  seien,  his 
der  h.  Stuhl  darüber  ein  Urtheil  aussprechen  werde.  —  Auch  die 
Bischöfe  von  Arras  und  St.  Pons  hatten  1677  nach  Befragung 
mehrerer  Theologen  in  einem  in  ihrem  Anftrage  von  Nicole  con- 
cipirten  Briefe  um  die  Verdammung  von  80  laxen  Moralsätzen  ge- 
beten; aber  das  sind  mit  ganz  wenigen  Ausnahmen  andere  als  die 
in  dem  Decrete  von  1679  stehenden;  dieses  ist  also  nicht  durch 
jenen  Brief  veranlasst.  Ludwig  XIV.  verbot  damals  den  anderen 
Bischöfen,  sich  an  dieser  Denunciation,  durch  welche  alte  Streitig- 
keiten wieder  angefacht  werden  könnten,  zu  betheiligen  (A.  J.  P. 
13,  938.  Michaud  3,  283).  £r  drang  auch  in  Eom  mehr  auf  die 
Unterdrückung  des  Jansenismus  in  Löwen  als  auf  die  Verdammung 
der  Moralsätze,  und  die  Publication  des  Decretes  von  1679  wurde 
in  Frankreich  von  dem  Parlamente  nicht  gestattet  (Michaud  4, 
177.  180). 

Bezüglich  der  Gnadenlehre  legten   die  Deputirten  eine  Anzahl 
von  Artikeln  vor,  welche  die  Lehre  der  Facultät  enthielten  (Henne- 
bei,  Opusc.  p.  12);   von  diesen    wurde  nur  einer  beanstandet,    aber 
mit  der  von  den  Deputirten  gegebenen  £rläuterung  für  zulässig  er- 
klärt^).    Femer    legten   sie  eine    ihnen  1679    von    der    Universität 
übersandte  Erklärung  vor,    dass  sie   an  der  in  der  Censur  von  1588 
und  in  der  Justificatio  derselben  (I  S.  446)  enthaltenen  Lehre  fest- 
halte.   Die  Inquisition  liess  diese  durch  den  Mag.  S.  Pal.  Capisucco, 
den  Commissar  Puteobonellus    und    die  Consultoren   Nie.    Mirabella 
und  Laur.  de  Laurea  prüfen;  diese  erklärten  nach  drei  Monaten  die 
Censur  für  orthodox,  und  9.  Juni  1679  eröffnete  der  Assessor  S.  0. 
Piazza  den  Deputirten  im  Auftrage  der  Inq.:  die  Censur  könne  tuto 
legi  et  doceri;  ein  förmliches  Document  darüber  zu  geben,  sei  gegen 
die  Praxis  der  Inq.    Die  Deputirten  wurden  zugleich  ermahnt,  man 
möge  sich  die  Eintracht  zwischen  Welt-    und  Ordensgeistlichen  und. 
die  Vermeidung  aller  Neuerungen  bezüglich  der  Heiligen-  und    Bil- 
derverehrung   und    bezüglich    des    Busssacramentes    angelegen    Beim 
lassen^).     Wenn  die  Inq.  wirklich  dem  Internuncius  in  Belgien  mit— 
getheilt  hat,  die  Censur  dürfe  ohne  Erlaubniss  des  Papstes  oder  der* 
Inq.  nicht  gedruckt  werden,  so  war  das  nur  eine  Application  der  allge— 
meinen  Verordnung  über  die  Veröffentlichung  von  Schriften  de  auxiliis 
(S.  299).     Die  Censur  und    die  Justificatio  wurden    zu  Paris    1683 
und  die  Apologiae  der  Jesuiten  zu  Lüttich   1684  gedruckt*  und  nicht 


1)  Orone  opus  ut  plane  bouum  sit  et  ne  venialiter  quidem  in  eo  de- 
linquatur,  debet  ex  tali  caritate  procedere  ac  per  ipsam  referri  in  Deum. 
Damit  solle  nicht  gesagt  sein:  opera,  quae  per  caritatem  nou  referuntar 
in  Deum,  nunquam  esse  moraliter  bona,  sondern:  nisi  saltem  per  imper- 
fectam  caritatem  in  primum  principium  virtualiter  referantur,  non  fieri 
sicut  oportet. 

2)  Dieses  ist  nach  den  weitläufigen  Erörterungen  von  Serry  p.  38 
und  L.  de  Meyer  1,  78  als  das  Richtige  anzunehmen. 


Propositiones  damnatae  von  1679.  52S 

V6rb.  *).  Gegen  die  Behauptung  Le  Telliers,  die  Ceneuren  von  Löwen 
und  Douay  seien  von  SixtuR  V.  verworfen  worden,  schrieb  Quesnel 
Apologie  historique  de  deux  censures  de  Louvain  et  de  Donai  sur 
la  matiere  de  ia  grace,  par  M.  Gery,  Bachelier  en  Theol.,  Col. 
1688,  479  S.  12.  Die  Facultät  von  Douay  erklärte  1690,  dass  sie 
manches  in  dem  Buche  missbillige,  und  1697  wurde  es  mit  d.  c. 
verb.  (das  einzige  Buch  von  Quesnel  mit  d.  c.;  das  Verbot  fehlt 
in  den  Indices  vor  Ben.). 

Von  den  Schriften  über  die  Urheber  der  65  verdammten  Sätze 
stehen  folgende  im  Index:  Hefutatio  accusatoris  anonymi  damnatas 
ab  Innocentio  XI.  propositiones  adscribentis  ordinum  religiosorum 
theologis  ac  praecipue  Societatis  Jesu,  auct.  Wilh.  Sandaeo,  S.  Th. 
Lic.,  Mog.  1679*,  84  und  14  S.  12,  verb.  von  der  Inq.  Fer.  V.  14. 
März  1680,  von  Estrix,  gegen  eine  angeblich  zu  Brügge  gedruckte 
flämische  üebersetzung  eines  Theils  der  65  Sätze,  in  der  die  Ver- 
theidiger  derselben  genannt  waren;  in  einem  beigedruckten  Briefe 
d.  d.  Mecheln  4.  Apr.  1679  wird  versucht  nachzuweisen,  dass  die 
meisten  Sätze  von  Löwener  Theologen  gelehrt  worden  seien.  —  Re- 
sponsio  cujusdam  S.  Theol.  Professoris  ad  epistolam  cujusd.  Prae- 
lati,  qua  continebatur  quaestio  facti,  an  certi  theologi  reguläres  sint 
auctores  65  propositionum,  quas  die  2.  Martii  1679  Innocentius  P. 
XL  damnavit,  Col.  1679,  —  E^futation  peremptoire  d'un  certain 
livret  avort^  depuis  peu  sous  le  titre  de  D6cret  de  N.  S.  PAre, 
auquel  on  a  adjoint  une  certaine  table  et  quelques  avertissements 
diffamatoires  et  h^retiques,  Col.  (1679?),  —  Avertissement, 
cujus  initium :  Celui  qui  a  recueilli  les  passages  rapportez  cy-devant, 
a  cru  faire  plaisir  au  public,  flnis  vero:  k  fln  d'apprendre  leur  con- 
damnation  k  plusieurs  personnes,  —  diese  drei  verb.  18.  Juni  1680. 
Dem  letzten  Titel  hat  Ben.  beigefügt:  quod  habetur  p.  34  opusculi 
inscripti:  D6cret  de  N.  S.  Pere  le  Pape  Innocent  XI.  contre  plu- 
sieurs propositions  de  morale.  Das  ist  ohne  Zweifel  das  Schriftchen, 
gegen  welches  die  Refutation  gerichtet  ist,  und  wahrscheinlich 
stammt  daraus  die  A.  J.  P.  13,  938  (aus  einer  Pariser  Handschrift) 
abgedruckte  Table  des  livres  ou  autres  ecrits,  oi\  sont  les  propo- 
sitions, in  der  viele  Sätze  Bauny  und  Moya,  einige  Estrix  zuge- 
schrieben werden.  —  Decrets  de  nos  saints  p^res  les  Papes  Ale- 
xandre VII.  et  Innocent  XI.  contre  plusieurs  propositions  de  la 
morale  relachee.  Liege  1680,  —  Unitas  dogmatica  et  politica,  in 
qua  agitur  de  reformatione  hoc  tempore  attentata  in  Belgio,  ob- 
lata  Sereniss.  Prineipi  Joanni  Austriaco,  antiquitatis  patrono,  fldei 
propugnatori,  s.  1.  1679*,  80  S.  12.,  —  beide  verb.  von  der  Inq. 
Fer.  V.  26.  Juni  1681.  Das  letzte  Schriftchen  beweist  allerdings 
nicht  im  einzelnen,  sondern  behauptet  nur,  die  65  Sätze  seien  nicht 
von  Ordensgeistlichen  aufgestellt,  vielmehr  grossentheils  von  ihnen 
schon  vor  1679  verdammt  worden;  sein  Hauptzweck  ist,  zu  zeigen, 
dass  die  dogmatische  und  politische   Einheit    in  Belgien   nur  herge- 


1)  I  S.  446.  Arn.  2,  361.  Serry  p.  58.  714, 


624  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654 — 90. 

stellt  werden  könne,  wenn  man  alle  Römischen  Decrete,  auch  die 
den  Jansenisten  anbequemen,  energisch  durchführe  nnd  den  Neue- 
rungen steuere.  Aus  diesem  Schriftchen  p.  77  ist  auch  zu  er- 
sehen, worum  es  sich  bei  den  Notulae  ad  decretum  Archiepiscopi 
Mechliniensis,  datum  Bruxellis  die  29.  Aug.  1674  et  conclusum  14. 
Jnnii  ejusdem  anni,  Col.,  verb.  1683,  handelt.  Der  Erzbischof  (Al- 
phons  de  Berghes,  1669 — 89)  hatte  verboten,  bei  Processionen  gleich- 
zeitig das  Sanctissimum  und  Heiligenbilder,  speciell  in  Brüssel  bei 
einer  Procession  am  Feste  des  h.  Michael  dessen  Bild  und  das 
Sanctissimum  einherzutragen.  Der  Magistrat  beklagte  sich  darüber 
bei  dem  Gouverneur,  und  dieser  verordnete,  es  solle  bei  der  alten 
Sitte  bleiben  1). 

Zu  den  durch  das  Decret  von  1679  hervorgerufenen  Schriften 
gehört  noch  eine,  der  Tendenz  nach  der  Unitas  ähnliche,  welche 
zwar  nicht  in  den  Index  gekommen,  aber  für  die  Geschichte  des 
Index  wichtig  ist,  die  S.  18  erwähnten  Constitutiones  et  dccreta . . . 
Col.  1679.  Jo.  Neercassel,  Bischof  von  Castoria  i.  p.«  hatte  das 
Decret  von  1679  mit  einem  kurzen  Hirtenbriefe  publicirt.  Dieser 
ist  in  dem  Schriftchen  an  erster  Stelle  abgedruckt,  mit  einigen  pa- 
renthetischen Zusätzen,  in  denen  das,  was  Neercassel  von  jenem  De- 
crete  sagt,  auf  alle  päpstlichen  Decrete  ausgedehnt  wird ;  dann  folgt 
ein  einfacher  Abdruck  der  römischen  Decrete,  von  denen  der  Her- 
ausgeber annahm,  dass  sie  den  Jansenisten  weniger  genehm  seien 
als  das  von  1679,  mit  der  Bulle  Pius  Y.  gegen  Bajus  beginnend, 
darunter  auch  eine  Anzahl  von  Decreten  der  Inq.  und  der  Index- 
Congr.  In  der  3.  Ausgabe  von  1686  ist  diese  Sammlung  bis  1687 
fortgeführt  und  auch  ein  polemischer  Epilogus  beigefügt. 

Ausser  den  genannten,  in  den  Niederlanden  verfassten,  wurden, 
noch  folgende  Commentare  zu  den  Decreten  Alexanders  YII.  und 
Innocenz'  XI.^)  verb.:  Tuta  conscientia  s.  theologia  moralis,  in  qua 
quid  possit  vel  non  possit  fieri  tuta  conscientia  .  .  .  decemitur  juxta 
doctrinam  .  .  primae  classis  doctorum  necnon  juxta  decreta  Summo- 
rum  Pontif.  et  Cardinalium  Congregationis  .  .  concinnata  a  Carolo 
Casalichio  (S.  J.),  Neapel  1681,  Fol.,  verb.  1683  (Hurt^r  2,523). 
Raymundi  Lumbier  (Carmeliter  in  Saragossa,  Biblioth.  Carmel.  2, 


1)  Der  Erzbischof  wurde  damals  in  Rom  auch  wegen  eines  Verbotes 
der  oftmaligen  Expositionen  des  Sanctissimums  und  der  Benedictionen 
mit  demselben  denuncirt.  Der  Denunciant  erkannte  an,  in  Italien  fanden 
solche  Expositionen  selten  statt,  hob  aber  hervor,  in  Belgien  seien  die- 
selben Sitte  (die  Sitte  sei  durch  die  österreichischen  Fürsten  dort  ein- 
geführt), und  die  Abneigung  des  Erzbischofs  oder  seiner  Käthe  stamme 
aus  Amaulds  Freq.  Comm.  und  dem  Ritucl  d'Alet.  Laemmer,  Melet. 
p.  402. 

2)  Das  verbreiterte  Buch  über  diesen  Gegenstand  ist  das  von  dem 
Jesuiten  Dominicus  Viva,  Damnatae  theses  ab  Alexandre  YII.,  Inuocentio  XI. 
et  Alexandro  YIII.  necnon  Jansenii  ad  theologicam  trutinam  revocatae 
juxtu  pondus  sanctuarii,  Neapel  1708  u.  o.  Patuzzi  weist  im  3.  und  4. 
Bande  der  Lettere  di  Eusebio  Eranista  nach,  dass  Viva's  Angaben  über 
die  Urheber  der  Theses  vielfach  ungenau  sind. 


Aeg.  Gabrielis.  626 

673)  Obseryationes  theologicae  morales  circa  propositiones  ab  Alex. 
YII.  et  Innoc.  XI.  damnatas,  Barcinonae  1682,  4.,  verb.  1684;  da- 
gegen scbrieb  Laur.  Maria  Pisani  0.  P.  Gedeonis  gladius  proposi- 
tiones  ab  Innoc.  XI.  damnatas  angelici  doctoris  ope  penitns  profli- 
gans  .  .  addita  appendice  contra  ObservationeB  .  .  .  Panormi  1683 
(Qu6tif  2,  727). 

6.  Einige  Monate  nach  der  VerdammuDg  der  65  laxen  Moral- 
sätze verbot  die  Inq.  Per.  IV.  27.  Sept.  1679  (Const.  p.l65)  Speci- 
mina  moralis  christianae  et  moralis  diabolicae,  autli.  H.  P.  F.  Ae- 
gidio  Gabriel  iß  S.  T.  B.  F.  Tertii  Ordinis  S.  Francisci  de  Poeni- 
tentia,  vulgo  Beggardoram^j,  Lov.  1675,  in  welcher  laxe  Moralsätze, 
n.  a.  der  von  Alexander  VII.  für  zulässig  erklärte  Satz  über  die 
Attritio,  als  Proben  teuflischer  Moral  angeführt  waren.  1680  wurde 
Gabrielis  nach  Rom  citirt,  wie  es  scheint,  auch  wegen  anderer  An- 
klagen. Amauld  sagt  in  einem  Briefe  an  Neercassel  (42,  Suppl.  20), 
er  sei  wegen  Neuerungen  bezüglich  der  Busse  und  der  Marien  Ver- 
ehrung citirt  worden,  bittet  den  Bischof,  ihm  Empfehlungen  mitzu- 
geben, und  bemerkt,  die  Verdammung  der  Specimina  werde  als  eine 
Paralysirung  der  Verdammung  der  65  Sätze  die  I^axisten  freuen.  — 
In  Rom  wurde  Gabrielis  von  Favoriti  (f  1683)  und  Casoni,  Secre- 
tären  Innocenz'  XI.,  die  als  Jansenisten  galten,  protegirt.  Favoriti 
liess  sein  Buch  durch  Dirois,  den  Theologen  des  Card.  d^Estrees, 
corrigiren  und  erwirkte  die  päpstliche  Erlaubniss  zum  Drucke  der 
expurgirten  Ausgabe.  Sie  erschien  schon  1680  zu  Rom  mit  der,  wie 
es  scheint,  ungern  gegebenen  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  Capi- 
succo  unter  dem  Titel:  Specimina  moralia  R.  P.  F.  Aeg.  Gabrielis 
Leodiensis  .  .  .  Ed.  secunda  ab  authore  correcta  et  aucta.  Aber 
Card.  Ludovisio  gab  dem  Papst  ein  Schriftstück,  worin  behauptet 
wurde,  auch  die  neue  Ausgabe  enthalte  Irrthümer^),  und  der  Papst 
liess  diese  zuerst  ohne  Vorwissen  Favoriti's  durch  einen  Theologen, 
dann  durch  den  Mag.  S.  Pal.  und  vier  Consultoren  der  Inq.  prüfen, 
und  diese  Prüfung  fiel  ungünstig  aus.  Die  Inquisition  von  Toledo 
hatte  1681  die  1.  Ausgabe    als  „Bajanistische,  Jansenistische,    nach 


1)  Arnauld  sagt,  die  Beggardi  (Bogards)  seien  une  espöce  de  Fran- 
ciscains  trös-mitigee.  Auf  dem  Titelblatt  der  2.  Ausgabe  wird  Gabrielis 
als  Deflnitor  generalis  apostolicus  et  per  Belgium  commissarius  bezeichnet. 
Er  hatte  sich  schon  früher  Anfeindungen  zugezogen.  In  einem  Briefe  an 
Card.  Bona  (vom  J.  1673?  Epp.,  Lucca  1759,  1,78)  sagt  er:  der  Cardinal 
habe  ihm  durch  den  Internuncius  die  CoroUaria  seiner  Antithesis  geschickt, 
die  hauptsächlich  Anstoss  erregt  hätten,  weil  mau  darin  eine  Billigung 
der  5  verdammten  Sätze  (des  Jansenius)  gefunden;  er  habe  dem  Inter- 
nuncius eine  Erklärung  überreicht,  dass  er  diese  Sätze  nicht  billige;  er 
danke  dem  Cardinal,  dass  er  sich  seiner  angenommen.  Am  24.  Febr.  1674 
schreibt  er  an  Bona  (1,  79):  die  beiliegende  Thesis.  in  der  er  sich  aller- 
dings stark  gegen  die  laxen  Casuisten  und  den  falschen  Probabilismus 
ausspreche,  sei  angegriffen  worden,  der  Cardinal  möge  sie  prüfen  und  ihn 
belehren. 

2)  Sie  wurde  auch  von  Fierlant,  Kanzler  von  Brabant  denuncirt. 
Jansenismus  in  multis  ezotioe  rigidus,  1698,  p.  43. 


526  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654 — 90. 

Ketzerei  sohmeckende  etc.  Sätze  enthaltend^'  verdammt,  nnd  der 
spanische  Gesandte  beklagte  sich  im  Auftrage  des  Königs  über  die 
Gestattung  der  neuen  Ausgabe ;  es  erschienen  ein  paar  Streitschriften 
dagegen^;,  und  so  wurde  denn  von  der  Inq.  Fer.  V.  9.  Sept.  1683 
auch  die  drei  Jahre  vorher  in  Rom  approbirte  Ausgabe  verb.,  gleich- 
zeitig auch  eine  von  Gerberon  besorgte  französische  Ausgabe:  Les 
essais  de  la  th6ologie  morale  par  le  R.  P.  Gilles  de  Gabriel  .  .  . 
Definiteur  general  et  Commissaire  Apost.  dans  les  Pays-Bas.  3.  Edi- 
tion revue,  corrigee  et  augment^e  suivant  Toriginal  imprim^  k  Rome 
.  .  .  1680  avec  la  permission  du  Maistre  du  S.  P.,  1682,  und  alle 
anderen  Ausgaben  und  Uebersetzungen ,  gleichzeitig  auch  ein  mir 
nicht  bekanntes  Buch:  Uyterste  devoiren  in  den  uytersten  nood  van 
de  leste  casuistique  Pasquil-makers  teghens  de  recht-sinnige  theo- 
loganten,  gheremonstreerd  door  Philippus  Jansenius. 

7.  Patricius  Duffy,  ein  irischer  Minorit,    denuncirte,  angeblich 
nomine  Catholicae  Majestatis,  96,  Fr.  Porter^  gleichfalls  ein  irischer 
Minorit  (S.  415),  nomine  cleri  saecularis  et  regularis  Belgii  (er  war 
von  50  Geistlichen  bevollmächtigt),  104  Sätze    als  in  den  Schriften 
von  Löwener  Theologen    und    ihren    Gesinnungsgenossen   enthalten. 
Viele  Sätze  standen   in    beiden  Denunciationen.      Beide   wurden   zu- 
nächst dem  Mag.  S.  Palatii,  dem  Commissar  der  Inquisition  und  zwei 
anderen  Qualiticatoren,  Ricci  und  de  Laurea  (beide  später  Cardinäle), 
tiberwiesen,  um    zu  constatiren,  ob  die  Sätze  in  den  Büchern,  die  al0 
Quelle  angegeben  waren,  wirklich  enthalten  seien.     Manche  wurden 
von  diesen  mit  Bemerkungen    wie  Non  habetur  apud  auctorem  unA 
dgl.  beseitigt.     Mit  der  Prüfung  der  von  den  vier  Quali£catoren  an- 
erkannten Sätze  wurden  8  andere  beauftragt;  wie  es  scheint,  wurdeiB. 
die  Löwener  auch  über  die  betreffenden  Sätze  (oder  über  einen  Theil. 
derselben)    zur    Aeusserung    aufgefordert.     Von    1682    bis   Anfangs 
1685  wurde    in    den   Sitzungen  der   Inquisition    wiederholt  darübeir' 
verhandelt;  daun  trat  die  quietistische  Angelegenheit  in  denYorder— 
grund.     Es  kam  aber  noch  unter  Innocenz  XI.  ein  Beeret  zu  Stande., 
worin  31    Sätze  verdammt  wurden.      Der  Papst  bestätigte  dasselbe 
aber  nicht,    wie    es  scheint,    auf  den  Rath  des  Card.  Grimaldi  un(L 
wegen  der  Vorstellungen,  die  Card.  d'Estrees  gegen  die  Verdammungr 
des  gallicanischen    29.  Satzes  machte.      Nach   dem   Tode    Innocenz^ 
XI.  wurde  die  Sache,  hauptsächlich  auf  Betreiben  eines  Agenten  dei» 
Königs  von  Spanien,    des  Minoriten  Diaz,  wieder  aufgenommen  uncL 
das  Decret  ohne  nochmalige  Berathung  in  der  Inq.,  —  wohl  haupt — 
sächlich  um    des  29.  Satzes  willen,  —  von  Alexander  VIII.   bestä — 


1)  Scrupuli  novi  et  antiqui  ex  lectione  Speciminum  mor.  .  .  .  oborti> 
Cornelio  Zegers,  Col.  1681*,  8.  Aeg.  Gabrielis  moralis  doctrinae  reiteratun». 
examen  cjusque  catholica  repetita  castigatio,  Leodii  1683,  8.  (Dict.  Jan&» 
4,  14).  lieber  die  Verhandlungen  in  Rom  s.  Michaud  4,  184;  2,  332.  455« 
Es  wurde  1683  gegen  Gabrielis  weiter  inquirirt  wegen  gallicanischer  Satse» 
die  er  früher  vorgetragen  haben  sollte,  und  wegen  einer  Retractation  der^ 
selben,  die  man  nicht  genügend  fand.  Man  verlangte  von  ihm,  er  solle  gegen 
die  gallicanischen  Artikel  schreiben;  er  entwich  aber  aus  Rom  (2,  4t66). 


Propositiones  damnatae  von  1690.  627 

tigt^)  und  mit  dem  Datum  Fer.  V.  7.  Dec.  1690  am  20.  Dec.  1690 
pnblicirt  (Bull.  12,  66.  Arg.  III  b  371).  Die  31  Sätze  wurden  ver- 
lammt als  resp.  temerariae,  scandalosae,  male  sonantes,  injuriosae, 
baeresi  proximae,  .  .  .  schismaticae  et  haereticae,  also  schärfer  als 
iie  Sätze  von  1679,  die  nur  als  ut  minimum  scandalosae  et  in  praxi 
perniciosae  bezeichnet  wurden.  Einige  derselben  sind  aus  Sinnich 
and  anderen  älteren  Theologen  entnommen,  einige  aus  Schriften  von 
Christ.  Lupus,  Huygens,  Havermans,  Gabrielis,  Henr.  a  S.  Ignatio, 
Ire!  aus  Arnaulds  Fr^quente  Communion  (S.  450),  der  26.  aus  den 
Bionita  von  Widenfeld  (Viva,  P.  III.  Dict.  Jans.  3,  335). 

Arnauld  und  seine  Freunde  waren  über  dieses  Beeret  ebenso 
betroffen  wie  über  das  vom  J.  1679  erfreut.  Arnauld  (3,  350) 
nennt  es  un  pitoyable  d^cret,  und  Gerberon  (Proces  II,  p.  10)  sagt: 
Cette  censure  ambigue  est  le  scandale  de  la  Cour  Eomaine,  la  honte 
du  Saint  Office  et  la  confusion  du  pontificat  d^Alexandre  VIII.  — 
Von  den  Schriften,  die  über  dieses  Decret  erschienen,  kam  ausser 
Arnaulds  Difficult^s  prop.  a  M.  Steyaert,  deren  9.  Theil  (9,  322) 
ausführlich  davon  handelt  und  1705  verb.  wurde,  in  den  Index  nur 
Lettre  d'un  abbe  a  un  prelat  de  la  Cour  de  Kome  sur  le  decret 
de  rinquisition  du  7.  Dec.  1690  contre  31  propositions,  Toulouse 
1691  (2.  Ed.,  jouxte  la  copie  imprimee  ä  Thoulouse  1691.*  66  S.  12.), 
erst  1703  von  der  Inq.  verb.,  eine  kleine,  aber  sehr  pikante  Schrift 
von  Quesnel  (C.  Qu.  p.  451).  —  Precipiano  hatte  diese  schon  1695 
verb.;  zwei  andere  von  ihm  verbotene  Schriften  stehen  nicht  im 
Böm.  Index,  obschon  er  starke  Stellen  daraus  anführt  und  die  erste 
auch  von  Steyaert  bekämpft  wurde:  Notae  breves  ac  modestae  in 
prop.  31  S.  Inquisitionis  decreto  proscriptas,  Col.  (Löwen)  1691,  nach 
Paquot  3,  629  wahrscheinlich  von  Hennebel,  und  Quaestio  juris 
pontificii  circa  decretum  ab  Inquisitione  Rom.  adv.  31  prop.  latum 
Em.  S.  R.  E.  Cardinalibus  dioata  a  P.  le  Pretre,  Abbate  Frigidae 
Vallis,  V.  J.  Caudidato.  Juxta  exemplar  impressum  Tolosatibus 
1693,  worin  nachgewiesen  werden  soll,    dass  nach  den  Grundsätzen 


1)  Avr.  3,  342  sagt:  schon  1676  habe  der  Franciscaner  Bruno  Neusser, 
den  der  Erzbischof  von  Mechelu  (?)  und  andere  Anti-Jansenisten  nach 
Rom  gesandt,  die  (später  verdammten?)  Sätze  denuncirt;  dieser  sei  nach 
dem  Tode  Clemens' X.  (1G76)  nach  Belgien  zurückgekehrt;  der  Carmeliter 
Seraphim  a  Jesu  Maria  habe  aber  die  Betreibung  der  Sache  übernommen. 
Die  31  Sätze,  welche  verdammt  wurden,  stammen  aber  jedenfalls  aus  den 
Denunciationen  von  Dufify  und  Porter.  Vgl.  die  im  Text  angeführte  Lettre 
von  Quesnel,  Arn.  2,  585.  539,  Michaud  4,  177.  Nach  Michaud  4,  183 
wurde  auch  über  8  8ätze  aus  einem  Buche  von  Christ.  Lupus  verhandelt, 
der  ja  auch  schon  1655  als  des  Jansenismus  verdächtig  nach  Rom  citirt 
worden  war;  diesen  nahm  aber  Innocenz  XI.  in  Schutz.  —  Mit  diesen 
Denunciationen  hangen  zusammen  Specimina  doctrinae  theologicae  per 
Belgium  manantis  ex  Academia  Lovaniensi  ab  a.  1644  usque  ad  a.  1677, 
6  Partes,  die  zusammen  einen  ziemlich  starken  Quartband  bilden,  Auszüge 
meist  aus  Löwener  Thesen,  wie  in  der  Vorrede  gesagt  wird,  zur  Infor- 
mation für  die  Römischen 'Behörden  als  Manuscript,  darum  s.  1.  et  a. 
gedruckt. 


528  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654 — 90. 

des  canonischen  Eeolites  das  Decret  ipso  jnre  nnllum  sei  (Dict.  Jans. 
3,  355). 

8.  Von  P.  Duffy  wurden  1684  durch  die  Inquisition  Thesen 
verb.,    welche   er  1679   in  dem  irischen  Minoriten-Colleg  zu  Löwen 
hatte  vertheidigen  lassen.    Der  Titel,  Theologia  ad  meutern  Doctoris 
subtilis  Jo.  Duns  Scoti,  lässt  vermuthen,  dass  sie  zu  scotistisch  ge- 
wesen sind.     Andere  Thesen,  die  1685  verboten  wurden,  hangen  mit 
den  besprochenen  Parteiungen  zusammen.     Der  Erzbischof  Alphons 
de  Berghes  versuchte    nämlich    1685    eine  Verständigung   zwischen 
den  Jesuiten    und   Recollecten    und    den    Löwener  Theologen    durcli 
eine  Conferenz  herbeizuführen.     Die  für  diese  Conferenz  vorgeschla- 
genen Materien  formulirte  Huygens.      Namens  der  Jesuiten  machte 
Philipp  de  Vos  Gegenvorschläge  in  vier  Artikeln,   von  denen  einer 
verlangte,    die  Professoren   sollten,    ehe  man     mit    ihnen    disputire, 
ein  anderes  Formular  unterzeichnen  als  das  an   der  Universität  ge- 
bräuchliche, nämlich  das  Alexanders  VII.  mit  dem  Zusätze:  „so  wie 
ich  denn  überhaupt  auch  alles  verdamme  und  verwerfe,  was  der  h. 
Stuhl  oder  die  Inquisition  aus  Anlass  dieser  oder  ähnlicher  Contro- 
versen  verdammt  hat**  (Arn.  2,  546).     Darauf  gingen  die  Professoren 
nicht  ein,    und  so  kam  die  Conferenz  nicht  zu  Stande.     Nun  wurde 
in  den  nächsten  Wochen  eine  Reihe  von  Thesen  (Heftchen  von  we- 
nigen Seiten)  gedruckt,  über  die  unter  dem  Präsidium  von  Huygens 
und  de  Vos  von  jungen  Theologen  disputirt  wurde  (Bäcker  6,  76S 
verzeichnet  6);     die   beiden  ersten    wurden   1685  von  der  Inq.  ver- 
dammt: Theses  theologicae,  i.  e.  articuli  Theologorum  Lovan.  exhi- 
biti  .  .  .  Archiepiscopo    Mechlin.   causa    concordiae     ineundae     cuno^ 
Patribus  Soc.  J.  et  aliis,  quas  praes. .  .  .  Gummaro  Hujgens  ..   • 
defendet  Jo.  Beauwer  Gemblacensis    in   Coli.  Adriani  VI.  Pontifici9 
die  12.  Jul.  1685,  und  Antitheses  ad  Theses  theol.  seu  articulos .  .  -^ 
quas    praes.    Phil,    de  Vos  S.   J.  .  .  .  defendet    P.  Groswinus    vaim 
Geffen  ejusd.  Soc.  exercitio    hebdomadario    Lovanii    apud  PP.   S.  J^ 
(Const.  p.  205;  Arn.  2,  500.  562).     Die  folgenden  liess  man  laufen  «^ 

Strena  veritatis  amatoribus  pro  veritate  defendenda  anno  praece^ — 
denti  multum  impugnata,  nuUis  annis  expugnanda,  oblata  primo  annE 
1680  per  Jo.  Lucam  Veronensem  S.  Th.  Bacc.  [Lovan.],  Col.   1680^ 
und  Le  prÄtendu  ennemi  de  Dieu  et  de  la  loi  refute  par  le  Sieur  d^ 
Saint  Victor,  adresse  k  Tauteur  d^guise  sous  le  nom  de  Henri  d^ 
la  Mark,    Lille   1681,    beide   1681    verb.,    sind   nach   C.  Qu.  p.  25^ 
Schriften  zur  Vertheidigung   des  Jansenius,    der   die   5    Sätze    nicht' 
gelehrt    habe.     Reyner    ab    Andringa,    Doctrina  non  Universitatis 
Lovan.,    sed   quorundam   privatorum,    Mainz   1681,    mit   d.  c.    verb- 
1682,   kenne  ich  nicht.  —  Ein  Capuciner  Eugenius  von  Brügge  erregte 
1679  in  Löwen  Aufsehen  durch  eine  Predigt,  worin  er  eine  lobende 
Anspielung  auf  Jansenius  und  die  5  Sätze  machte,  ohne  jedoch  jenen 
zu  nennen.     Er  war   ausserdem    als    heftiger    Gegner   der   Jesuiten 
bekannt   und    hatte    ein  flämisches  Schriftchen   gegen    sie    verfasst, 
welches  heimlich  gedruckt,  aber  confiscirt  wurde.     Durch  sein  Ver- 
halten  kam    er   in    Conflict    mit  seinen  Oberen;    er   wurde    in   dem 
Kloster  zu  Maseyk  in  Haft  gehalten.     Seine  Schriften  wurden  nach 


G.  Haygens.   t^h.  de  Vot  u.  a.  Holländische  Schriftchen.  529 

Rom  geschickt  und    dort  dem   Augustiner  van  Heck   zur   Prüfung 
übergeben.     Seine  Molinomachia  inter  Capuoinos  Provinciae  Flandro- 
Belgicae  per  Jesuitas  et  Jesuiticos  excitata  ist  nicht  vollendet  (Pa- 
quot  3,  585).     Im  Index  steht  von  ihm  nur:  Ultima  yox  zelatricis 
innooentiae   indigna    patientis,    sive    libellus    supplex    Fr.  Eugenii 
Brugensis    sacerdotis    Capuc.     ad    Innocentium  XI.,    Col.    (Holland) 
1689,  von  der  Inq.  verb.  1689.     Er  zieht  darin  gegen  die  Jesuiten 
und   Infallibilisten    los.  —  Das  Generalcapitel    der    Capnciner    ver- 
pflichtete 1685  alle  Lectoren  der  flandrischen  Provinz,  die  Praedesti- 
natio  post  praevisa  merita,    die  Molinistische  Gnadenlehre    und   die 
Sufficienz  der  Attritio  ohne  Liebe  Gottes  zu  lehren.     Die  Inquisition 
cassirt«   aber  1691   den  ßeschlues   nnd  ertheilte   dem  General  einen 
Verweis  und  den  Befehl,  die  Verordnung  zurückzunehmen  (Am.  3,  385). 
9.    Ende    1682   erregte  in  den  Niederlanden  grosses  Aufsehen 
ein  Decret  der  Inq.  Fer.  V.  6.  Aug.  1682,  worin   eine   Anzahl  von 
Heftchen  und  Blättern  verboten  wurden,    quibus  continentur  Septem 
puncta  8.  articuli    fldei    quos   quisque   scire   debet  necessitate  medii, 
ut  salvas  fiat:     Belydinghe   van   de  seven  puncten  ofte  artikelen 
des  gheloofs,  de  weloke  een  jeder  moet  weten  door  noodigjieyd  des 
middels,  om  selig  te  worden,  —   Belydinghe  .  .  .  .,  wat  breeder 
uytgheleydt,    om    beter    te   verstaen;    den   tweeden   drnck,    Brüssel 
1673    —    Belydinghe   .  .  .  Brüssel    1680    (die   zwei  ersten    als 
Libelli  das    3.  als  Folium  bezeichnet),  —  dann  duo  folia  latino  idio- 
mate   continentia    eosdem    7    articulos,   ferner:     De    Christel ijke 
leeringhe    gedeylt  in   diversche   liedekens,    seer    dienstigh    voor   de 
ouders  ende  haerlieder  kinderen,  uytgegheven  door  eenen  liefhebber 
von  den  catechismus,    om  in    deselve  gebruykt  te  worden,    Brüssel 
1680,  —  Reg  eis  ofte  maximen  van  het  christendom  gestelt  teghen 
de   maximen  der     wereld,     Te  Ceulen    1680,  —    Den    noodighen 
leydsman  tot  den  dienst  Gods  verciert  met  25  liedekens,  uytgegeven 
door  een  liefhebber  von  den  Catechismus,  Amst.  1681  ^).  —  Arnauld 
(2,  167)  berichtet:  vor  12 — 15  Jahren  hätten  einige  Weltgeistliche 
in  der  DiÖcese  Mecheln  diese  Punkte  mit  Rücksicht  auf  die  Unwis- 
senheit des  Volkes  zusammengestellt  und  diese  Heftchen  und  Blätter 
seien  in  drei  oder  vier  Diöoesen  ziemlich  verbreitet;  in  einem  1631 
zu  Rom   mit  Approbation    des    Mag.  S.  Pal.  gedruckten  und  Urban 
VIII.  gewidmeten  Bache    des   Mechelner  Canonicus  Cornelius  t'Sas 


1)  Das  Decret  (Const.  p.  186)  war  sehr  incorrect  gedruckt;  es  steht 
darin:  I.  Catholico-Komanus  pacificus  auth.  Jo.  Bamesio  .  .  .  Item  varii 
libelli  seu  folia  eandem  fere  materiam  eodem  modo  proponentia,  nempe: 
n.  Libellus  belgico  idiomate  cuititulus:  Belydinghe  u.  s.  w.  11.  hätte  vor 
Item  stehen  sollen;  denn  mit  dem  Buche  von  Barnes  haben  die  Libelli 
nichts  zu  thim.  In  den  älteren  Indices  stehen  sie  in  Folge  dieser  Incor- 
rectheit  alle  unter  Jo.  Barnes,  sogar  mit  der  Einleitung:  et  ejusdem  auc- 
toris varii  libelluli  etc.  Ben.  hat  dieses  oorrigirt,  aber  bei  ihm  und  noch 
heute  steht  im  Index:  Christel  (de)  ycke  Leeringhe,  und  unter  Confessio 
und  Professio  die  in  dem  Decrete  beigefügte  lateinische  Uebersetzung  des 
Titels  von  Belydinghe  etc.  Dagegen  hat  er  die  zwei  Folia  weggelassen. 

Renach,  Index  n.  34 


5d0  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden  1654- M. 

seien  dieselben  Pnnkte  aufgezählt^).  Einige  dieser  Punkte  zu  wiesen 
(ezplioite  zu  glauben),  bemerkt  Amauld  weiter,  sei  freilich  nach  der 
Ansicht  einiger  Theologen  nur  necessitate  praecepti  nothwendig  ^) ; 
aber  die  andere  Ansicht  sei  doch  berechtigt  und  jedenfalls  sei  es 
praktisch  besser,  in  einer  solchen  Zusammenstellung  diese  beizufügen 
als  sie  wegzulassen.  —  Warum  die  Schriftchen  verboten  worden 
seien,  erfuhr  Amauld,  wie  er  1685  (2,  561)  klagt,  nicht,  obschon 
er  7  oder  8  Briefe  darum  geschrieben.  Du  Vaucel  schrieb  aber  an 
Neercassel,  das  Decret  sei  durch  einen  Augustiner  veranlasst  wor- 
den, der  in  Eom  gegen  die  Löwener  intriguire.  Dass  hier  der 
Gegensatz  zwischen  Welt-  und  Ordensgeistlichen  von  Einflnss  war, 
ergibt  sich  daraus,  dass  die  belgischen  Ordensgeistlichen  das  Decret, 
noch  ehe  der  Internuncius  dasselbe  erhalten,  eifrig  verbreiteten 
(Arn.  2,  167).  Sie  Hessen  auch  Placate  drucken,  worauf  sie  das 
apostolische  Symbolum  an  die  Spitze  stellten ,  als  ob  dieses,  sagt 
Amauld  (2,  176),  durch  die  7  Stücke  hätte  abrogirt  werden  sollen. 
Vielleicht  hat  man  in  Rom  gerade  das  bedenklich  gefunden ,  dass 
eine  solche  neue  Zusammenstellung,  die  in  der  Form  doch  an  ein 
offizielle!  Symbol  erinnerte,  ohne  förmliche  Kömische  Approbation 
verbreitet  wurde. 

Die  Pfarrer  stellten  dem  Erzbischof  von  Mecheln  vor:  einige 
Bischöfe  hätten  denjenigen,  die  die  7  Stücke  gelernt,  Ablässe  ver- 
liehen; die  Leute  seien  jetzt  besser  unterrichtet  als  vorher;  und  nun 
kämen  Zeloten  in  die  Schulen  und  forderten  die  Kinder  auf,  die 
Heftchen  zu  zerreissen.  Im  Auftrage  der  Pfarrer  schrieb  der  Pfarrer 
Cnypers  zu  Brüssel  eine  Justificatio  praxeos  pastorum  aliomm- 
que  curatornm,  qua  consueverunt  populo  proponere  Septem  fidei 
punota  tanquam  credenda  explicite  ac  necessario  necessitate  medii, 
die  Amauld  (9,  316)  als  sehr  gründlich  und  massvoll  rühmt.  Der 
Erzbischof  schickte  sie  im  Nov.  1682  nach  Rom  und  Arnauld  (2, 170) 
meinte,  wenn  die  Herren  vom  Sanctum  Officium  nicht  zur  Erkennt* 
niss  ihres  Unrechts  kämen  und  ihr  Urtheil  reformirten,  das  so  un- 
haltbar sei  und  so  grossen  Scandal  verursache,  müsse  man  an  der 
Menschheit  verzweifeln.  Die  Justificatio  wurde  aber  9.  Febr.  1683 
von   der  Index-Congr.  verb.    (und   als   Cnypers  Decan  von  Mechel] 

werden  sollte,  wurde   diese    Censur  gegen  ihn  geltend  gemacht;         

wurde    freilich    1686    doch    ernannt;   Am.  2,  619.  668).      AmauL^ ^ 


1)  Arnauld  theilt  die  7  Punkte  lateinisch  mit;  es  sind  dieselbe) 
die  als  ,,die  sieben  Stücke,  die  zu  wissen  zur  Seligkeit  nothwendig  ist 
in  manchen  deutschen  Catechisroen  stehen.  —  Das  Buch  von  t^as  (Schul 
8,  1,  696)  heisst:  Epitome  praxeos  virtatnm  theoloc'icarum,  fidei,  spei 
caritatis,  praesertim  qua  media  sunt  salutis.  Inder  Vorrede  sagt  er,  einii 
der  7  Punkte  seien  sicher,  einige  wahrscheinlich  nothwendig  neoessit 
medii.     Arn.  2,  177;  9,  314.  K.  Martin,  Moralth.  8.  A.  S.  299. 

2)  Mehrere    belgische  Jesuiten    vertheidigten   um   1700   die  Th 
Nobis  non  necessaria  necessitate  medii    ad  salutem  videtur  fide»  expli 
SS.  Trinitatis  aut  Christi  mediatoris  etiam  post  promulgatum  legis 
evangelium. 


Attritio  und  Peooatum  philosoplucam.  681 

(2,  243)  klagt:  nnn  sagten  die  protestantischen  Prediger,  man  habe 
die  7  Punkte  selbst  in  Rom  verdammt. 

Einige  Jahre  später,  Fer.  V.  9.  Sept.  1688,  hielt  die  Inqui- 
sition es  für  nöthig,  ein  ABC-Buch  (eins  stand  schon  im  Index,  I  S.  420) 
zu  verbieten:  Libelli  abecedarii  latino  vel  flandrico  idiomate  editi, 
in  quibus  nltra  alios  errores,  qui  in  illis  irrepserunt,  secunda  pars 
salutationis  angelicae  mutata  est  et  omissis  verbis  ,,Sancta  Maria 
mater  Dei  etc.^  substituta  sunt  haec.  alia  „Maria  mater  gratiae  etc." 
Es  werden  eine  latein.  Ausgabe  Antw.  1669  und  zwei  flämische 
Antw.  8.  a.  et  si  qui  alii  verb.  Seit  Ben.  steht  das  Verbot  stark 
abgekürzt  unter  ABC.  Auch  über  dieses  Schriftchen  gibt  uns  Ar- 
nauld  (3,  132)  Auskunft:  Es  ist  eine  Fibel,  die  (zuerst)  vor  100 
Jahren,  man  weiss  nicht  von  wem,  herausgegeben  worden  ist,  wahr- 
seheinlich  von  einem  Buchdrucker,  der  sich  einbildete,  er  werde 
den  Gueusen  gegenüber  Wunders  was  thuen,  wenn  er  in  dem  Ave 
Maria  statt  des  Satzes  Sancta  Maria  etc.  [der  übrigens  erst  in  der 
2.  Hälfte  des  16.  Jahrb.  gebräuchlich  wurde.  Eist.  Jahrb.  1884,  88. 
E.-L.  1,  1743]  Maria  mater  gratiae,  dulcis  parens  clementiae,  tu  nos 
Etb  hoste  protege  et  mortis  hora  suscipe  setze.  Die  „anderen  Irr- 
Ihümer",  die  das  Decret  rügt,  reduciren  sich  darauf,  dass  in  der 
flämischen  üebersetzung  des  Credo  nicht  eine  h.  katholische,  sondern 
eine  h.  allgemeine  Kirche  stebt  (nach  Hist.  Zts.  1875,  269  wurde 
aaoh  gerügt,  dass  im  Ave  Maria  „gebenedeit  unter  [nicht:  über]  den 
Weibern"  stand).  Die  Mönche  in  Mecheln  haben  gegen  die  Welt- 
geistlichen  Spectakel  gemacht,  obschon  von  keinem  derselben  er- 
iriesen  ist,  dass  er  den  Neudruck  veranlasst  hat;  der  arme  Drucker, 
ier  die  alte  Fibel  abgedruckt  hat,  ohne  etwas  Böses  dabei  zu  denken, 
L8t  verhaftet  worden;  und  nun  haben  sie  das  Ding  sogar  in  Rom 
rerdammt.  —  und  es  paradirt  noch  heute  auf  der  ersten  Seite  des  Index. 

Es  mag  hier  gleich  ein  anderes  winziges  Werk  erwähnt  wer- 
Sen,  welches  die  Index-Congr.  1 680  verbot,  obschon  ich  nicht  weiss, 
Db  es  aus  den  Niederlanden  stammt.  Seit  Ben.  steht  das  Verbot 
itark  abgekürzt  unter  Missa.  Nach  dem  Decrete  (Const.  p.  171) 
lind  es  Folia  quaedam  mit  dem  Tit^l  De  audienda  diebus  festis  ex 
Draeeepto  missa.  Es  werden  die  Anfangs-  und  die  Schlussworte  an- 
^^eben,  und  aus  den  letzteren:  ex  quo  enim  permittitur  sibi  [tibi?] 
ib  Ecclesia  sie  missam  integre  audire  ut  partem  ab  uno  audias,  — 
B^ird  man  schliessen  dürfen,  dass  darin  gesagt  war,  man  genüge  der 
Pflicht,  die  Messe  zu  hören,  wenn  man  zwei  halbe  Messen  höre.  Das 
laben  freilich  gewiss  nicht  die  Jansenisten  gelehrt.  Der  Satz  ist 
lie  53.  unter  den  1679  verdammten  Propositiones. 


56.     Der  Streit  fiber  die  Attritio  nnd  iiber   das 

Peccatnm  philosophicum. 

Neben    den    Inqaisitionsdecreten ,     durch    welche    ganze 
Seihen  von  Sätzen  verdammt  worden,  sind  noch   zwei   zn   er- 


532  AUriiio  und  Pecoatum  pliilosophicum. 

wähnen,  in  denen  es  sich  nur  um  einzelne  Sätze  handelt.  Durch 
ein  unter  Alexander  VII.  veröflFentlichtes  Beeret  vom  5.  Mai 
1667  wurde  die  Streitfrage,  ob  die  sog.  unvollkommene  Reue, 
Attritio,  genüge,  um  der  sacramentalen  Lossprechung  theilhaftig 
zu  werden,  nicht  entschieden,  sondern  nur  verboten,  die  eine 
oder  die  andere  Ansicht  zu  verketzern.  Durch  ein  unter 
Alexander  VIII.  veröflFentlichtes  Decret  vom  24.  Aug.  1690 
wurden  die  zwei  Sätze  verdammt,  dass  die  Liebe  Gottes  zu 
einem  sittlichen  Leben  nicht  nothwendig  und  dass  eine  Sflnde, 
die  jemand  begehe,  der  Gott  nicht  kenne  oder  im  Augenblicke 
des  Sttndigens  an  Gott  nicht  denke,  —  die  sog.  philosophische 
Sünde  im  Unterschiede  von  der  theologischen,  —  keine  Tod- 
sünde sei.  Diese  beiden  Inquisitionsdecrete  haben  das  Verbot 
einiger  Schriften  zur  Folge  gehabt.  Die  bedeutendste  darunter 
ist  ein  unter  dem  Titel  Amor  poenitens  erschienenes  Werk  eines 
der  ehrwürdigsten  Bischöfe  aus  den  letzten  Decennien  des  17. 
Jahrhunderts,  des  Bischofs  von  Castoria  i.  p.,  Johannes  Neer- 
cassel,  welches  nach  langen  Verhandlungen  1690  mit  d.  c.  ver- 
boten wurde. 

1.  Das  Trienter  Concil  erklärt  S.  14.  de  sacr.  poen.  o.  4:  die 
vollkommene  Reue,  welche  in  der  Liebe  Gottes  ihr  Motiv  habe 
(contritio  caritate  perfecta),  könne  die  Aussöhnung  mit  Gott  bewirken, 
ehe  das  Sacrament  der  Busse  empfangen  werde,  aber  nicht  ohne 
das  Verlangen,  dieses  Sacrament  zu  empfangen,  welches  in  ihr  ein- 
geschlossen sei;  die  unvollkommene  Reue,  die  sog.  Attritio,  welche 
aus  der  Betrachtung  der  Schändlicbheit  der  Sünde  oder  aus  der 
Furcht  vor  den  Höllenstrafen  entstehe,  mit  der  aber  der  Wille, 
nicht  mehr  zu  sündigen,  und  die  Hoffnung  auf  Vergebung  ver- 
bunden sei,  könne  aus  sich  selbst  ohne  das  Sacrament  der  Busse 
den  Sünder  nicht  zur  Rechtfertigung  führen,  disponire  ihn  aber,  in 
diesem  Sacramente  die  Gnade  Gottes  zu  erlangen.  Da,  wie  Palla- 
vicini  berichtet,  in  Trient  ursprünglich  vorgeschlagen  war,  zu  sagen: 
die  Attrition  genüge  (sufficere),  um  im  Sacramente  der  Busse  die 
Sündenvergebung  zu  erlangen,  dann  aber  statt  sufficere  auf  den  An- 
trag des  Bischofs  von  Tudela  clisponere  gesetzt  wurde,  so  hat  das 
Concil  offenbar  die  Controverse  nicht  entscheiden  wollen,  ob  die 
Attrition  selbst  genügend  sei,  um  die  Lossprechung  zu  empfangen, 
oder  nur  den  Werth  einer  Vorstufe  zu  der  für  den  Empfang  der 
Lossprechung  erforderlichen  Contrition  habe. 

Am  1.  Juli  1638  censurirte  die  Sorbonne  in  einer  französischen 
Uebersetzung  des  Buches  de  virginitate  von  Ambrosius  von  dem 
Oratorianer  Claude  Seguenot,  Paris  1638,  ausser  anderen  Sätzen 
auch    diejenigen,    in   welchen   er  die  Attrition  als  ungenügend,    die 


Attritio  und  PoGoatom  pbilosophicam.  538 

Contrition  aus  vollkommener  Liebe  als  absolut  nothwendig  zum 
Empfange  des  Busssacramentes  nnd  zugleicb  die  priesterlicbe  Los- 
sprecbnng  als  eine  blosse  juridiscbe  Erklärung,  dass  dem  Beichten- 
den seine  Sünde  (um  der  Contrition  willen)  vergeben  sei,  bezeichne 
(Arg.  III  a  24).  Der  General  der  Oratorianer  soll  darauf  erklärt 
haben,  die  Sätze  seien  von  Saint-Cyran  und  in  Seguenots  Buch,  man 
wisse  nicht  wie,  hineingekommen.  Seguenot  und  Saint-Cjran  wurden 
auf  Befehl  Richelieu^ s  verhaftet  (Avr.  2,  84).  Es  ist  also  etwas 
Wahres  daran,  wenn  berichtet  wird:  Richelieu  qui  se  piquait  de 
thdologie,  pr^tendait  que  Tamour  n^6tait  pas  nicessaire  avec  le 
sacrement,  und  er  habe  Saint-Cyran,  der  das  Gregentheil  behauptet, 
verhaften  lassen^).  Nur  war  dieses  nicht  der  eigentliche  Grund 
der  Verhaftung.  —  Mit  Rücksicht  auf  eine  in  der  Diöoese  Chalons 
entstandene  Controverse  schrieb  Launoy  1658  De  mente  Concilii 
Trid.  circa  contritionem  et  attritionem  in  sacramento  poenitentiae 
(Opp.  1,  1,  143),  dem  Bischof  von  Chalons  gewidmet,  worin  er 
nachweist,  dass  das  Concil  die  Frage  nicht  entschieden  habe,  dass 
aber  die  Ansicht,  die  Contritio  sei  erforderlich,  antiquior  et  tutior  sei. 
Im  J.  1666  wurde  die  Frage  in  Belgien  lebhaft  verhandelt. 
Christianus  Lupus  schrieb  De  germano  ac  avito  sensu  ss.  universae 
Eoclesiae  et  praesertim  Trid.  synodi  circa  christianam  contritionem 
et  attr.,  Löwen  1666,  12.,  dagegen  der  Jesuit  Max.  Le  Dent  De 
attritione  ex  metu  gehennae  ejusque  cum  sacramento  poenitentiae 
sufficientia,  Mechl.  1668.  Es  erschienen  noch  mehrere  Streitschriften 
darüber  (Backer  1,  258;  3  Schriften  von  Le  Dent  sind  abgedruckt 
bei  Hon.  Fabri ;  s.  S.  504).  —  Lupus  schrieb  über  den  Streit  an 
den  Card.  Bona  (Epp.  sei.  ed.  Sala,  No.  88.  108):  er  und  seine 
Freunde,  welche  die  Ansicht,  dass  die  Attritio  sine  ulla  charitatis 
scintilla  genüge,  bekämpften,  würden  von  den  Jesuiten  als  Janse- 
nisten  bezeichnet ;  der  Internuncius  habe  die  Löwener  Facultät  veran- 
lasst, den  Jesuiten  nicht  zu  antworten,  und  sein  Buch  nach  Rom 
gesandt;  Bona  möge  ihn  und  seine  Freunde  bei  dem  Papste  und 
dem  Card.  Barberini  vertreten.  Aehnlich  schrieb  er  an  H.  Noris 
(Nat.  Alex.  ed.  Bing.  Suppl.  1,  281).  Lupus'  Buch  wurde  nicht 
verboten,  aber  es  erschien  ein  Decret  der  Inquisition  von  Fer.  V. 
5.  Mai  1667  (Alex.  No.  92),  worin  es  heisst:  Der  Papst  habe  zu 
seinem  Bedauern  gehört,  dass  über  die  Frage,  an  illa  attritio,  quae 
concipitur  ex  metu  gehennae,  exciudens  voluntatem  peccandi  cum 
spe  veniae,  ad  impetrandam  gratiam  in  nacramento  poenitentiae  re- 
quirat  insuper  aliquem  actum  diiectionis  Dei,  von  den  Theologen 
heftig  und  nicht  ohne  Anstoss  für  die  Gläubigen  gestritten  und  die 
eine  Partei  von  der  andern  censurirt  werde;  nach  Berathung  mit 
der  Inq.  verbiete  er  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent., 
die  eine  oder  die  andere  Ansicht  zu  verketzern,  so  lange  nicht  der 
h.  Stuhl  etwas  darüber  definirt  habe.  Dabei  wird,  und  darin  liegt 
die  Pointe  der  Entscheidung,  von  der  Ansicht,  welche  die  necessitas 


1)  Eusöbe  Philalöthe  (Clemencet),  Lettre  a  Morenas  p.  270. 


684  Attritio  and  Pecoatam  philosophioam. 

aliqnalis  dileotionis  Dei  in  attritione  ex  mein  gehennae  conoepta 
verneint,    gesagt:    qnae  hodie  inter  scholasticos  communior  yidetor. 

Eine  weitere  Definition  des  h.  Stnhlee  ist  nie  erfolgt^).  Be- 
nedict XIII.  sagt  in  einer  Instractio,  die  hinter  dem  Römischen 
Proyincialconcil  von  1725  steht,  die  sententia  hodie  communis  sei, 
dats  die  Attritio,  d.  i.  dolor  conceptas  vel  ex  infemi  metn  yel  ex 
paradisi  jactura  yel  ex  peccati  foeditate,  genüge  ant  pura  ant  ad 
Bummnm  conjunota  cum  aliquali  initio  amoris  benevoli  erga  Denm. 
Benedict  XIV.,  Syn.  dioec.  7,  3,  19,  behandelt  die  Frage  als  con- 
troyers. 

Seit  1667  erschienen  viele  Schriften,  in  denen  die  Attritio 
sine  amore  initiali  als  genügend  dargestellt  wurde,  namentlich  von 
Jesuiten;  dem  Jesuiten  Harscouet  wurde  von  seinen  Ordensgenossen 
diese  Ansicht  geradezu  als  doctrine  de  la  compagnie  bezeichnet; 
(Charma,  Le  P.  Andr^  1,  430).  Die  andere  Ansicht  wurde  nament- 
lich von  den  Jansenisten  und  den  Dominicanern,  auch  von  den  mei- 
sten französischen  Theologen  vertheidigt,  und  der  Dominicaner  Con- 
cina  sagt,  Theol.  ehr.  contr.  2,  148:  Mehr  als  hundert  berühmte 
Theologen,  darunter  der  Card.  Aguirre  und  Bossuet,  der  allein  mehr 
gUt  als  100  Casuisten,  verwerfen  die  Attritio  formidolosa.  —  Die 
Aisemblee  du  Clerge  von  1709  verdammte  den  Satz:  das  Trienter 
Concil  habe  das  Anathema  gegen  diejenigen  ausgesprochen,  welche 
leugneten,  attritionem,  quae  supponatur  sine  amore  Dei  esse,  sufficere 
ad  absolutionem  (Hecueil  des  actes  1,  733).  Die  Sorbonne  aber  cen- 
furirte  1716  ausführlich  die  Lehre  des  Prof.  Le  Roux  zu  Reims 
über  die  Sufficienz  der  Attrition  (Arg.  III  a  168)  und  formulirte 
dann  1717  ihre  Lehre  in  6  Artikeln,  denen  andere  französische  Fa- 
cultäten  beistimmten  (Fleur.  69,  667). 

Im  Index  steht  ausser  Launoy's  Buch,  welches  40  Jahre  nach 
dem  Erscheinen,  1693  verb.  wurde,  keine  Schrift,  welche  die  Frage 
ex  professo  behandelt.  1698  wurde  zu  Rom  eine  Dissertatio  de 
necessitate  amoris  initialis  ad  sacramenta  mortuorum  von  Fr.  M.  Cam- 
pioni  mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  gedruckt,  worin  gezeigt 
war,  dass  die  neueren  Theologen  allerdings,  wie  Alexander  VII. 
sage,  meist  die  entgegengesetzte  Ansicht  vortrügen,  diese  aber  der 
Lehre  des  Thomas  von  Aquin,  Bonaventura  u.  s.  w.  widerspreche. 
Campioni*8  Gegner  verschafften  sich  durch  Bestechung  des  Setzers 
ein  Exemplar,  beantragten  in  einer  5  Bogen  langen  Eingabe  bei 
dem  Mag.  S.  Pal.,  er  solle  die  Licentia  super  publicatione  (I  S.  542) 
nicht  ertheilen,  und  drohten,  da  dieses  erfolglos  blieb,  das  Buch 
bei  der  Inq.  zu  denunciren  (Bossuet  41,  443.  525).  Verboten  wurde 
es    aber  jedenfalls   nicht.     Einige    Jahre  später  erschienen  in  Rom 


1)  Die  Verdammung  der  Sätze:  Probabile  est,  sufficere  attritionem 
naturalem,  modo  honestam  (1679,  No.  57);  Timor  gehennae  non  est  super- 
naturalis;  Attritio,  quae  gehennae  et  poenarum  metu  concipitur,  sine  di- 
lectione  benevolentiae  Dei  propter  se,  non  est  bonus  motus  ac  supemt- 
turalis  (1690,  No.  14. 15),  berührt  die  Controverse  nicht. 


J.  Neeroassel  (Episoopus  Castoriensis).  586 

einerseits  ein  Bacb  des  Jesuiten  Balth.  Francolinns  für,  anderseits 
eins  des  Angustiners  Peter  Lambert  Le  Drou  gegen  die  jesuitische 
Ansicht  (Hurter  2,  984). 

Joannes  Neeroassel,  geb.  1623  zu  Goroum,  Oratorianer,  seit 
1663  als  Bischof  von  Castoria  i.  p.  apostolischer  Viear  von  Hol- 
land, t  1686,  veröffentlichte  1683:  Amor  poenitens,  sive  de  divini 
amoris  ad  poenitentiam  necessitate  et  recto  clavium  usu  libri  dno, 
auth.  Joanne  Episcopo  Castoriensi,  Emmerich  1683,  2  vol.  12^). 
Vor  der  Veröffentlichung  war  das  Buch  von  Arnauld  und  Gerberon 
revidirt  und  auf  deren  Wunsch  und  den  Wunsch  der  Löwener  Pro- 
fessoren van  Vianen  und  Huygens,  die  es  approbiren  sollten,  noch 
einiges  geändert  worden  (Arn.  2,  154.  184;  4,  162).  Es  erschien 
gleich  eine  Gegenschrift:  In  librum  Amor  poen.  .  .  animadversio- 
num  decas  1.  per  Jo.  Peresium  Theologum,  Mainz  s.  a.*  (approbirt 
1683).  Im  1.  Theile  handelt  N.  vorzugsweise  von  der  Attrition  und 
Contrition,  der  2.  entwickelt  ähnliche  Grundsätze  über  die  Beicht- 
praxis, Aufschieben  der  Absolution  u.  dgl.,  wie  sie  Arnauld  und 
Huygens  vorgetragen.  In  Eom  wurde  anfangs  der  2.  Theil  viel- 
fach angegriffen,  namentlich  von  dem  Augustiner  van  Heck,  dem 
Dominicaner  Weynants  und  dem  Card.  Capisucco,  früher  Mag.  S. 
Pal.  Man  erkannte  indess  bald,  dass  man  doch,  wenn  auch  in  Rom 
die  Praxis  der  Aufschiebung  der  Absolution  unbekannt  sei,  die  An- 
sichten nicht  verdammen  dürfe,  für  welche  sich  N.  auf  den  h.  Carl 
Borromaeus  berufen  könne.  Nun  wurde  der  1.  Theil  angegriffen, 
in  welchem  einige  gegen  100  Sätze  beanstandeten,  in  welchem  man 
aber  namentlich  eine  Verletzung  des  Decretes  Alexanders  VII.  über 
die  Attrition  fand.  Bei  Innocenz  XI.  selbst  und  bei  mehreren 
angeseheneu  Cardin älen  war  N.  persönlich  sehr  beliebt,  und  es 
schien  eine  Zeit  lang,  als  ob  man  mit  Rücksicht  auf  den  Verfasser 
und  seine  Verdienste  um  die  niederländische  Kirche  von  einer  Cen- 
surirung  des  Buches  Abstand  nehmen  werde.  Card.  Grimaldi,  Erz- 
bischof von  Aix,  schrieb  13.  Aug.  1684  an  Card.  Casoni:  man  dürfe 
den  vortrefflichen  Bischof  nicht  durch  das  Verbot  eines  Buches 
kränken,  welches  durchaus  unverfänglich  sei,  dem  Geiste  des  h. 
Carl  und  den  Ansichten  aller  guten  französischen  Bischöfe  entspreche 
und  nicht  der  Gnade,  sondern  der  Gerechtigkeit  bedürfe;  der  Papst 
wisse  ja  doch,  dass  das  grösste  Uebel  in  der  Kirche  die  laxe  Moral 
sei,  die  hier  bekämpft  werde  u.  s.  w.  Am  17.  Febr.  1685  schrieb 
du  Vaucel  an  Arnauld  (2,504):  Die  Sache  ist  abgemacht;  man 
wird  die  Mönche  schreien  lassen. 

1685  erschien  eine  zweite  Auflage  des  Buches^),  in  der  N.  alles. 


1)  Vgl.  zum  Folgenden  Am.  vol.  2 — 4  passim.  Bossuet  37,  282.  Ra- 
cine 12,  41.  Bellegarde  p.  179. 

2)  Amor  poeniteus  .  .  .  libri  dao.  Cum  appendice  in  qua  circa 
quorundam  theologorum  doctrinam  de  remissione  peccatomm  nonnullae 
difficultates  proponuntur,  et  demonstratur  vera  sententia  S.  Thomae  Aq. 
de  sacr.  poeuitentiae  ...  2.  Ed.  auotior,  Embricae  1685.*   2  vol.  8.    Vor 


586  Attritio  und  Pecoatum  philosophioam. 

wovon  er  glaubte,  dass  man  Anstoss  daran  genommen,  yorachtiger 
gefasst  hatte,  mit  Approbationen  von  den  Bischöfen  von  Angers, 
Agde  UDd  Saint  Pons  nnd  von  30  französischen  und  niederländieehen 
Theologen  (darunter  J.  Boileau  und  Gr.  Hermant);  die  znetimmenden 
Erklärungen  von  den  Cardinälen  Le  Camus  und  Griroaldi,  von  Bos- 
suet  und  anderen  Bischöfen  veröffentlichte  N.  nicht,  theils  weil  er 
fttrohtete,  den  Unterzeichnern  Verlegenheiten  zu  bereiten,  theils  weil 
sie  wegen  ihrer  Betheiligung  an  der  AssembUe  von  1682  in  Rom 
missliebig  waren.  —  Im  Januar  1686  schrieb  du  Yauoel:  es  sei 
ein  neuer  Sturm  gegen-  das  Buch  ausgebrochen,  man  habe  sechs 
neue  Bedenken  dagegen  geltend  gemacht.  Im  Februar  schreibt  der 
Benedictiner  M.  Grermain  (bei  Val^ry  1,  222)  voll  Entrüstung  über 
das  Gutachten  des  Card.  Capisucco,  spricht  aber  die  Hoffnung  aus, 
die  Fürsprache  angesehener  Männer,  die  Rücksicht  auf  die  Verdienste 
des  Verfassers  und  sein  Anerbieten,  er  wolle  einige  Stellen,  die 
selbst  seine  Freunde  missbilligten,  ändern,  —  N.  hatte  an  den  Papst 
selbst  geschrieben,  —  würden  ein  Verbot  des  Buches  hindern.  Die 
Inq.  beschloss  aber  bald  darauf,  das  Buch  mit  d.  o.  zu  verbieten ; 
der  Papst  bestätigte  indess  den  Beschluss  nicht  und  ordnete  eine 
nochmalige  Prüfung  durch  andere  Examinatoren  an;  er  soll  zu  dem 
Assessor  S.  Off.,  der  ihm  den  Beschluss  vorlegte,  gesagt  haben: 
„Der  Inhalt  des  Buches  ist  gut  und  der  Verfasser  ein  braver  Mann*, 
nach  einer  andern  Version:  II  libro  i  buono  ed  il  autor  santo  (Am. 
3,638.  661;  9,  297).     N.  starb  6.  Juni  1686  zu  Zwolle. 

Im  März  1689  schreibt  Arnauld  (3,  183)  an  du  Vaucel:  Wenn, 
wie  Sie  schreiben,  die  Cabalen  gegen  das  Buch  wieder  beginnen, 
so  wäre  das  ein  Zeichen,  dass  der  Fluch  Gottes  auf  den  Römischen 
Gongregationen  liegt.  Erst  nachdem  auch  Innocenz  XI.  gestorben 
war,  unter  Alexauder  VIII.  wurde  dann  wirklich  20.  Juni  1690 
das  Buch,  und  zwar  ausdrücklich  nur  die  1.  Auflage  desselben  (Am. 
9,  299),  von  der  Inquisition  mit  d.  c.  verboten.  Seit  Ben.  ist  die 
Erwähnung  der  1.  Auflage  weggelassen. 

2.  Etwas  früher  als  die  31  Sätze  (S.  516),  Fer.  V.  24.  Aug. 
1690,    wurden  von   der  Inquisition  folgende  zwei  Sätze  verdammt: 


dem  1.  Bande  ist  ein  Hirtenbrief  abgedruckt,  hinter  dem  2.  (mit  beson- 
derer Paginirang)  die  Appendix.  Appendiois  pars  altera,  p.  55 — 88  ist 
von  Arnauld  (Arn.  3,417).  In  dorn  Hirtenbriefe  heisst  es  §25:  Uti  tanti 
Pontißcis  (Innocentii  XI.)  vices  hisoe  in  provinciis  immeritus  sustineo,  ita 
me  ex  ejus  sensu  loqui  ac  docere  oonvcnit.  Unde  etiam  hocce  meum  scrip- 
tum, sicuti  et  ea  omnia,  quae  hactenus  composui  aut  forte  componam, 
ejus  judicio  devotus  subdo  .  .  .  Haec  considerans  unus  ex  Eminentissimis 
Ecclesiae  Antistitibus,  ut  suo  ex  nomine  libri  hi,  prout  primo  editi  fuerant, 
S.  D.  Nostro  commendarentur,  scripsit  ad  magnae  pietatis  et  doctrinae  vi- 
rum,  nihil  hisce  in  libris  contineri  nisi  praestantissimis  theologis  probatum 
et  nisi  conforme  doctrinae  ss.  patruro,  sacris  canonibus,  decretis  S.  Pon- 
tificum,  sensibus  et  disciplinae  tum  S.  Caroli  tum  optimorom  totius  Gal- 
liae  episcoporum.  Non  absimilia  testati  alii  episcopi.  —  I,  281  werden  die 
(älteren)  Jesuiten  verzeichnet,  welche  die  Attritio  für  nicht  genügend  er- 
klären.   Die  von  ihm  bekämpften  Schriftsteller  nennt  N.  nie  mit  Namen. 


Pecoatum  philosophicam.  587 

L.  Bonitas  objectiva  consietit  in  conyenientia  objecti  cnm  natura 
"ationali,  formalis  vero  in  conformitate  actus  cum  regula  morum. 
id  hoc  sufficit  ut  actns  moralis  tendat  in  finem  ultimum  interpreta- 
iye;  hinc  homo  non  tenetur  amare  neque  in  principio  neque  in 
lecursu  vitae  suae  moralis.  —  2.  Peccatum  philosophium  seu  mo- 
"ale  est  actus  humanus  disconveniens  naturae  rationali  et  rectae 
«tioni,  theologicum  vero  et  mortale  est  transgressio  libera  divinae 
egis.  Pbilosophicum,  quantumvis  grave,  in  illo,  qui  Deum  ignorat 
rel  de  Deo  actu  non  cogitat,  est  grave  peccatum,  sed  non  est  of- 
ensa  Dei  neque  peccatum  mortale  dissolvens  amioitiam  Dei  neque 
leterna  poena  dignum.  —  Es  beisst  in  dem  Decrete:  der  Papst 
labe  die  beiden  Thesen,  von  denen  die  erste  schon  früher,  die  zweite 
etzt  zuerst  aufgestellt  worden  sei,  zuerst  mehreren  Theologen,  dann 
len  Cardinälen  der  Inq.  zur  Prüfung  übergeben  und,  nachdem  diese 
hr  Votum  abgegeben,  die  erste  für  ketzerisch  erklärt  und  zu  lehren 
^'erboten  unter  Androhung  der  für  Ketzer  und  ihre  Begünstiger 
'estgesetzten  Strafen;  die  zweite  habe  er  als  scandalös,  temerär,  für 
Iromme  Ohren  verletzend  und  irrig  verdammt  und  unter  Androhung 
ier  reservirten  Excomm.  1.  sent.  sie  zu  lehren  oder  zu  einem  an- 
iem  Zwecke  als  zum  Zwecke  der  Widerlegung  über  sie  zu  dispu- 
tiren  verboten  (Bull.  12,  66.  Arg.  III  b  365). 

Die  erste  These  war  im  Jan.  1689  im  Jesuiten  -  Collegium  zu 
?ont-ä-Mousson  vertheidigt  worden,  obscbon  ganz  ähnliche  Sätze 
Bne  der  Schlusssatz,  auf  den  es  ankommt,  1665  von  Alexander  VII. 
[No.  1)  und  1679  von  Innocenz  XI.  (No.  5.  6.  7)  verdammt  Wor- 
ten waren.  Die  Jesuiten  sahen  sich  veranlasst,  die  These  durch 
lie  theologische  Facnltät  von  Pont-ä-Mousson  24.  Febr.  1690  cen- 
mriren  zu  lassen  (Arn.  31,  XXII).  Der  zweiten  These  fügt  Den- 
Einger  in  seinem  Enchiridion  (1854)  die  Bemerkung  bei:  Illam 
)ffinxerat  pro  suo  libitu  Amaldus  suisque  adversariis  oalumniose 
le  more  attribuit.  Es  ist  nicht  sehr  respectvoU  gegen  den  Papst 
md  die  Inquisition,  zu  behaupten,  sie  hätten  sich  von  Arnauld  so 
lupiren  lassen.  Die  These  war  wörtlich  so,  wie  sie  in  dem  Decrete 
iteht,  unter  dem  Vorsitz  des  P.  Musnier  im  Juni  1686  in  dem  Je- 
miten-CoUeg  zu  Dijon  vertheidigt  worden  und  lag  in  £om  gedruckt 
7or.  Arnauld  hat  aber  durch  die  Schrift  Nouvelle  h^r^sie  dans  la 
morale,  d^noncee  au  Pape  et  aux  ^veques,  aux  princes  et  aux  ma- 
^istrats,  1689,  und  durch  vier  andere  Schriften,  die  er  selbst  als 
D6nonciations  du  peche  philosophique  bezeichnet  und  in  denen  er 
zugleich  nachwies,  dass  ganz  ähnliche  Thesen  auch  von  anderen 
Jesuiten  vertheidigt  worden,  zu  der  Verdammung  Anlass  gegeben^). 


1)  Die  Schriften  von  Arnauld  stehen  im  31.  Bande  der  Oeuvres, 
in  der  Einleitung  des  Bandes  eine  Geschichte  der  Controverse,  p.  403  auch 
3ine  Schrift  über  die  erste  These :  Heresie  impie  contre  le  commandement 
i'aimer  Dieu,  renouvelee  apres  les  condamnations  solennelles  de  FEglise 
par  une  these  soutenue  chez  les  Jesuites  1690.  Vgl.  3,  866.  Magn.  Bibl. 
8ccl.  p.  592.  Backer  4,  366.  —  Cret.-Joly  4,  335  berichtet:  in  dem  Archiv 
des  Collegium  Rom.  befinde  sich  ein  Actenstück,  woraus  hervorgehe,  daaa 


688  Attritio  und  Peccatum  philosophicum. 

£r  forderte  auch  du  Yaucel  auf,  für  eine  Yerdammung  der  Lehre 
zu  wirken,  und  zwar  nicht  durch  ein  blosses  Index- Decret  gegen 
die  These  von  Dijon  und  eine  ähnliche  von  P.  de  Reux,  sondern 
durch  ein  besonderes  Decret  der  Inquisition  (3,  248).  —  Dass  die 
2.  These  nicht  auch  wie  die  erste  als  ketzerisch  verdammt  wurde, 
hat  seinen  Grund,  wie  du  Vaucel  (Am.  31,  XII)  berichtet,  darin, 
dass  das  h.  Offfcium  jene  Qualiiication  nur  auf  solche  Sätze  anzu- 
wenden pflegte,  die  schon  einmal  verdammt  worden  waren.  Die 
Verdammung  der  2.  These  war  schon  am  3.  Aug.  fast  einstimmig 
beschlossen  worden,  wurde  aber  erst  publicirt,  nachdem  auch  die 
Verhandlungen  über  die  erste  zu  Ende  geführt  worden  waren.  Man 
erwartete,  die  Jesuiten  würden  sich  Mühe  geben,  die  Public-ation 
des  Decretes  in  Frankreich,  wie  die  des  Decretes  von  1679  gegen 
die  65  Sätze,  durch  Parlamentsbeschluss  verbieten  zu  lassen.  Das 
Decret  wurde  aber  ungehindert  in  Paris  gedruckt  und  verbreitet. 
Schill,  Die  Bulle  Unigenitus  S.  31,  sagt,  Alexander  VIII.  habe 
„unter  dem  Jubel  der  Jansenisten"  die  Lehre  von  der  philosophi- 
schen Sünde  verdammt.  £s  jubelten  damals  aber  auch  noch  andere, 
z.  B.  Mabillon,  und  Card.  Aguirre  schrieb  1690  an  den  General 
der  Mauriner,  es  sei  zwar  nicht  wahr,  dass  P.  Estiennot  die  These 
von  Dijon  bei  der  Inquisition  denuncirt  habe,  aber  wenn  er  es  ge- 
than  hätte,  würde  er  ehBr  Lob  als  Tadel  verdienen  (VaUry  2, 219. 
295.  301.  304).  Bossuet  und  die  vier  anderen  französischen  Bischöfe, 
welche  das  Buch  des  Card.  Sfondrato  1697  bei  Innooenz  XII.  de- 
nuncirten,  bezeichnen  die  darin  erneuerte  Lehre  von  der  philoso- 
phischen Sünde  als  eine  von  Alexander  VIII.  verdammte  porten- 
tosa  doctrina.  Auch  die  Assemblee  du  Clergä  von  1700  verdammte 
die  These  von  Dijon  (No.  113).  —  Die  Jesuiten  selbst  wagten  die 
Lehre  in  der  Fassung,  wie  sie  in  Dijon  vorgetragen  worden,  nicht 
zu  vertheidigen ;  P.  Musnier  selbst  veröffentlichte  eine  Erklärung 
(Arg.  III  b  355)  und  P.  Bouhours  Namens  der  französischen  Jesui- 
ten eine  Art  Desavouirung  derselben.  —  S.-Beuve  5,  461  sagt:  ihn 
würde  die  Lehre  von  der  philosophischen  Sünde  weniger  scandali- 
siren  als  Arnauld;  man  brauche  sie  doch  nur  wenig  zu  modifieiren, 
um  sie  für  den  gesunden  Menschenverstand  ansprechend  zu  machen. 
Was  an  der  Lehre,  wie  sie  P.  Musnier  vorgetragen,  das  Anstössigste 
war,  sieht  man  aus  den  Thesen,  die  der  Erzbischof  von  Ronen  1697 
dem  Jesuiten  Buffier  zur  Unterzeichnung  vorlegte :  Bezüglich  der 
philosophischen  Sünde  erkenne  ich  an,  dass  die  Behauptung  falsch 
ist,    es  sei  eine  actuelle  Aufmerksamkeit  auf  die  Schlechtigkeit  der 


1619  ein  Jesuit  gelehrt:  wenn  jemand,  der  invincibiliter  Gott  nicht  kenne, 
aber  die  sittliche  Schlechtigkeit  des  Actes  einsehe,  auch  in  einer  gewich- 
tiffen  Sache  gegen  das  Licht  der  Vernunft  handle,  so  sündige  er  nicht 
schwer,  dass  aber  vier  Revisoren  der  Gesellschaft  erklärt  hätten,  diese 
Lehre  sei  zwar  von  katholischen  Autoren  vorgetragen  worden,  der  Jesuit 
solle  sie  aber  als  eine  verderbliche  gelegentlich  retractiren  und  seinen 
Schülern  das  Gegentheil  dictiren;  eine  ähnliche  Verordnung  sei  1659  er- 
lassen worden. 


y 


„Jansenisiische*^  Erbauangsbücher.  589 

Handlang  nöthig,  damit  sie  zur  Sünde  werde.  Verblendete  und  ver* 
härtete  Sünder,  welche  Mord,  Ehebruch  und  andere  Verbrechen 
ohne  Gewissensbedenken  begehen,  indem  sie  nicht  bedenken,  dass 
sie  dadurch  Grott  beleidigen  und  dieselben  dem  natürlichen  Gesetze 
zuwider  sind,  sind  darum  doch  der  Hölienstrafe  würdig,  da  sie  nicht 
darum  von  einer  Todsünde  freizusprechen  sind,  weil  sie  actuell  auf 
die  Schlechtigkeit  der  Handlung  nicht  achten. 

Es  war  keine  Zurücknahme  des  Decretes  vom  24.  Aug.  1690, 
wenn  7.  Dec.  (No.  2)  der  Satz  verdammt  wurde:  Wiewohl  es  eine 
ignorantia  invincibilis  des  Naturrechtes  gibt,  entschuldigt  dieselbe 
doch  im  Zustande  der  gefallenen  Natur  niemals  von  einer  Tod- 
sunde. —  Die  Schriften,  aus  welchen  die  beiden  Thesen  entnommen 
waren,  stehen  nicht  im  Index,  auch  keine  der  bis  1690  erschienenen 
Streitschriften.  Der  General-Procurator  der  Jesuiten  reichte  bei  der 
Inquisition  mit  einer  Vertheidigung  der  Thesen  von  Dijon  und  Lö- 
wen zugleich  eine  Denunciation  der  Nouvelle  h6r£sie  von  Arnauld 
ein  (Am.  31,  XIII),  deren  Verbot  er  beantragte,  weil  darin  eine 
angebliche  Ketzerei  den  Fürsten  und  Gerichten  denuncirt,  also  die 
weltliche  Gewalt  als  competent  zur  Entscheidung  religiöser  Fragen 
anerkannt,  und  weil  darin  eine  nicht  nur  controverse,  sondern  in 
den  katholischen  Schulen  vielfach  recipirte  Ansicht  als  Ketzerei  be- 
zeichnet werde,  was  namentlich  gegen  das  Breve  Innocenz'  XI.  von 
1679  Verstösse.  Arnaulds  Schrift  wurde,  obschon  sich  auch  Card. 
d^Estrees  für  die  Verdammung  bemühte,  von  der  Inq.  im  April  1693 
freigegeben  (Arn.  3,  640);  dagegen  wurden  1.  Juli  1693  verb.: 
Le  d6nonciateur  du  p6ch^  philosophique  convaincu  de  m^chant  prin- 
cipe dans  la  morale,  par  M.  du  Pont  Theologien,  Col.  1690,  und 
Diatriba  theologica  de  peccato  philos.  cum  expositione  decreti  In- 
quis.  Rom.  editi  24.  Aug.  1690,  s.  1.  et  a.,  40  S.  12.,  von  dem 
Jesuiten  Robert  Mansfeld  in  dem  englischen  Colleg  zu  Lüttich  (Arn. 
31,  XIV).  Einige  Thesen,  die  in  einem  Schriftchen  eines  Löwener 
Theologen,  Triplex  haeresis  in  moralibus,  mater  peccati  philos.,  de- 
nunciata,  1692,  angegriffen  werden,  wurden  von  der  Inq.  geprüft, 
aber  nicht  oensurirt  (Arn.  31,  XVII). 


57.    „JaDsenistische^^.  Erbaaungsbächer. 

Das  von  Plus  V.  in  einer  Bulle  vom  J^  1571  ausgesprochene 
Verbot  der  Uebersetzung  des  Officium  parvum  B.  M.  V.  in  der 
Volksprache  (I  S.  439)  wurde  1651  auf  ein  von  einem  Theo- 
logen von  Port-Royal  herausgegebenes  Werkchen  angewendet, 
während  andere  ähnliche  Schriften  nicht  verboten  wurden.  Im 
J.  1661  verdammte  Alexander  VII.  in  einem  Breve  in  sehr 
scharfen  Ausdrücken  eine  französische  Uebersetzung  des  Mess- 


640  „Janseniftiscbe^*  Erbaaungsbücher. 

buches  and  erklärte  überhaupt  alle  Uebersetzungen  des  Mess- 
buches  für  unzulässig.  Noch  1695  wurde  L*ann6e  chrötienne 
von  Nie.  Le  Tourneux  verboten,  weil  darin  die  Messgebete  in 
Uebersetzung  enthalten  waren.  Das  Verbot  der  Uebersetzungen 
der  Messgebete,  namentlich  des  Canons,  die  im  17.  Jahrhundert 
auch  von  französischen  Bischöfen  missbilligt,  von  den  sog.  Jan- 
senisten  aber  empfohlen  wurden,  ist  später  auch  iu  Rom  still- 
schweigend aufgehoben  worden;  sogar  das  seit  Alexander  VII. 
im  Index  stehende,  aus  dem  Breve  von  1661  stammende  Verbot: 
Missale  Komanum  e  latino  idiomate  ad  gallicam  vulgarem  lin- 
guam  conversum  et  typis  evulgatum  wurde  von  Benedict  XIV. 
gestrichen.  —  Durch  ein  Breve  Clemens'  IX.  vom  J.  1668  wurde 
eine  von  Theologen  von  Port-Koyal  besorgte  Uebersetzung  des 
Neuen  Testamentes,  das  sog.  N.  T.  von  Mons,  verboten,  jedoch 
nicht  allgemein  die  Uebersetzung  der  Bibel  in  die  Volksprache 
missbilligt  (s.  u.  §  81). 

In  sehr  charakteristischer  Weise  trat  der  Gegensatz  zwischen 
den  Jesuiten  und  ihren  Anhängern  und  den  von  ihnen  so  ge- 
nannten Jansenisten  hervor  bei  dem  Streite  über  die  Monita 
salutaria  B.  M.  V.,  eine  sehr  schöne  kleine  Schrift  gegen  die 
Auswüchse  der  Marienverehrung,  die  von  den  Jesuiten  heftig 
angefeindet,  von  ihren  Gegnern  lebhaft  vertheidigt  wurde.  Sie 
wurde  1674  verboten,  in  den  nächsten  Jahren  auch  einige  Ver- 
theidigungen  derselben  und  eine  Schrift  ähnlicher  Tendenz  von 
A.  Baillet.  Von  diesem  wurde  auch  ein  Leben  der  Heiligen 
verboten,  welches  man  in  Rom  als  hyperkritisch  ansah. 

1.    Unter  dem  Titel  Le  chapelet  secret  du  tr^-eaint  sacrement 
hatte  M^re  Agn^s  (Arnauld)  in  Port-lioyal,  zunächst  zu  ihrem  eige- 
nen Gebrauche,  ein  Büchlein  mit  etwas  überschwänglichen  Betrach- 
tungen verfasst.  .  Eine  AbBchrift  kam   dem  Erzbischof  von  Sens  zu 
Gesicht,  und  dieser  Hess  es  duroh  8  Doctoren  der  Sorbonne  prüfen. 
Sie  beantragten  die  Unterdrückung  desselben,   weil  es  mehrere  Ex- 
travaganzen, Irrthümer,   Blasphemieen  und   GottloBigkeiten   enthalte 
(das  Schriftchen  mit  der  Censur  bei  Arg.  III  a  1).    Der  Erzbischof 
schickte  es  auch  nach  Rom,   wo   man  sich  aber  mit  dem  Rathe  be- 
gnügte, das  Schriftchen  ohne  Aufsehen  zu  unterdrücken.    Der  Abb6 
de  Saint-Cyran  schrieb  eine  anonyme  Vertheidigung  desselben,   unA 
wird  mitunter  mit  Unrecht  als  Verfasser  bezeichnet^). 


1)  Wendrock  p.  476.  Racine  10,  487.  S.-Beuve  1,  330.  Reuchlin, 
Port- Royal  1,  414.  Dass  Saint-Cyran  der  Verfasser  sei,  behauptet  u.  a- 
Stubrock iu8  p.  253. 


Heares  de  Port- Royal.  541 

1650  erschien  in  Paris:  L'office  de  T^glise  et  de  la  Vierge 
en  latin  et  en  fran^ais  avec  les  hymnes  traduites  en  vers,  par  M. 
Damont,  eccl^siastique  (in  anderen  Ausgaben  par  M.  Laval).  Der 
Verfasser  ist  Isaac  le  Maitre  de  Saci.  Von  diesem  gewöhnlich 
Heares  de  Port-Royal  genannten  Gebetbuche  erschienen  in  einem 
Jahre  6,  in  den  folgenden  20 — 30  Auflagen.  In  dem  beigefügten 
Kalender,  in  welchen  ausser  Heiligen  auch  einige  heiligmässige  Per- 
sonen aufgenommen  waren,  war  durch  ein  Versehen  des  Druckers 
dem  Namen  Bernlle  ein  B.,  d.  i.  bienheureux  vorgesetzt,  welches  in 
den  folgenden  Ausgaben  wieder  beseitigt  wurde.  Das  veranlasste 
den  Jesuiten  Philipp  Labbe  zu  der  Streitschrift:  Le  caiendrier  des 
Heures  surnomm^es  a  la  Jans^niste  revu  et  corrig6  par  FrauQois  de 
Saint  Romain,  prStre  cath.,  Par.  1650,  59  S.  12.,  welcher  er  einen 
Abdruck  der  incriminirten  Ausgabe  des  Kalenders  beifügte:  Caien- 
drier des  Heures  k  la  Janseniste  de  la  seconde  edition,  imprimee 
depuis  deux  ou  trois  mois  k  Paris,  24  S.  12.  (Backer  7,  288). 
Auch  andere  Jesuiten  griffen  den  Kalender  und  das  Gebetbuch  an, 
und  P.  Annat,  der  damals  in  Rom  war,  bemühte  sich,  dort  ein  Ver- 
bot zu  erwirken.  Saint- Amour  liess  es  sich  angelegen  sein,  dieses 
zu  hintertreiben,  und  gibt  in  seinem  Journal  einen  ausführlichen  und 
amüsanten  Bericht  über  seine  Verhandlungen  mit  Cardinälen  und 
Prälaten^).  Die  Bedenken,  welche  gegen  das  Buch  geltend  gemacht 
wurden,  waren  ausser  dem  unglücklichen  B.  hauptsächlich  folgende: 
1.  Christe  redemtor  omnium  in  dem  Adventshymnus  sei  mit  J^sus 
divin  sauveur  übersetzt  und  so  auch  sonst  Stellen,  an  denen  gesagt 
werde,  dass  Christus  für  alle  Menschen  gestorben,  nach  der  5.  Pro- 
position des  Jansenius  geändert;  es  wurde  aber  gezeigt,  dass,  wenn 
an  3  Stellen  des  Versmasses  oder  Reimes  wegen  das  omnium  nicht 
wiedergegeben  sei,  der  darin  liegende  Gedanke  an  5  anderen  Stellen 
stehe;  2.  in  dem  1.  Gebote  stehe:  vous  ne  ferez  point  d'idole  ni 
d'image  taill^e  ni  aucune  figure  pour  les  adorer,  ganz  wie  in  der 
Genfer  Bibel,  wobei  die  letzten  Worte  die  Meinung  veranlassen 
könnten,  man  dürfe  vor  heiligen  Bildern  nicht  knieen;  Saint- Amour 
wies  nach,  dass  ebenso  nicht  gerade  in  allen,  aber  in  vielen  fran- 
zösischen Catechismen  stehe  und  dass  die  Fassung  sich  an  den  bib- 
lischen Text  und  den  Catechismus  rom.  anschliesse;  8.  durch  die 
Bulle  Pius*  V.  seien  überhaupt  Uebersetzungen  des  Officium  parvum 
B.  M.  V.  in  der  Volksprache  verboten;    Saint-Amour  bemerkte  da- 


1)  Vgl.  ArnauldSO,  137.  Dict.  Jans.  2, 177.  S.-Beuve  2,325,  Reuchlin 
2,  791.  Lettre  de  L.  de  Saint- Aubin  ä  unc  personne  de  conditiou  pour 
justifier  la  traduction  des  hyranes  en  vers  contre  les  reproches  injurieases 
du  P.  Labbe  et  d^autres  Jes.,  qui  ont  accuse  le  traducteur  d'avoir  venia 
oter  k  Jesus-Christ  la  qualite  de  Redempteur  de  tous  les  hommes,  Par. 
1661.  17  S.  4.  (von  Antoine  le  Maitre).  —  R.  Simon  (Sainjore  3.  180) 
sagt:  in  den  Heures  de  Port-Royal  seien  die  Psalmen  nicht  nach  der  Vul- 
gata,  sondern  nach  dem  Hebräischen  übersetzt;  das  sei  nicht  l'office  de 
Feglise,  sondern  l'office  de  la  synagogue  ou,  si  vous  voulez,  des  eglises 
protestantes.  Diesen  Punkt  finde  ich  bei  den  Verhandlungen  über  das 
Buch  sonst  nicht  erwähnt 


542  „Jansenistiscke"  Erbaaungsbücber. 

rauf,  dergleichen  seien  aber  in  Frankreich  mehrere  erschienen,  n.  a. 
eine  von  dem  Jesuiten  Adam,  in  der  die  Hymnen  in  vers  borles- 
ques  et  ridicnles  wiedergegeben  seien ^).  Card.  Spada  antwortete: 
wenn  er  diese  dennncire,  würde  sie  auch  verboten  werden.  —  Die  Sache 
wurde  anfangs  bei  der  Inquisition  verhandelt,  dann  aber,  da  diese 
nicht  geneigt  war,  ein  Verbot  zu  erlassen,  an  die  Index-Congr.  ge- 
bracht. Saint- Amour  bat,  man  möge  ihm  angeben,  was  man  beanstande; 
es  solle  in  einer  neuen  Ausgabe  geändert  oder  erläutert  werden.  Aber 
18.  Juni  1651  wurde  das  Office  sammt  den  zwei  Streitschriften  von 
Labbe  verb. ;  Card.  Spada  meinte,  das  Verbot  sei  nicht  so  schlimm, 
da  in  demselben  Decrete  gegen  30  andere  Bücher  ständen.  Saint- 
Amonr  meint  wohl  nicht  mit  Unrecht,  das  Buch  sei  weniger  um 
des  Inhaltes,  als  um  des  Verfassers  und  seiner  Freunde  willen  ver- 
boten worden.  Als  Grund  des  Verbotes  wurde  ihm  die  Bulle  Pius'Y. 
angegeben.  Aber  warum  wurde  denn  nicht,  da  man  wusste,  dass 
in  Frankreich  viele  französische  Ausgaben  existirten,  das  allgemeine 
Verbot  in  Erinnerung  gebracht?  Amauld  sagt,  das  Verbot  Piue'  V. 
sei  in  Frankreich  nie  beobachtet  worden,  es  gebe  vielleicht  200  la- 
teinisch-französische oder  französische  Ausgaben  des  Officium. 

2.  Der  Titel  des  französischen  Messbuches  lautet:  Le  Missel 
Romain  selon  le  reglement  du  Concile  de  Trente,  traduit  en  fran^ais, 
avec  Texplication  de  toutes  les  messes  .  .  .  Far  le  Sieur  de  Voy- 
sin,  Pretre,  Docteur  en  Theologie  etc.  Paris  1660,  4  vol.  12.  — 
Voisin,  ehe  er  Priester  wurde,  Parlamentsrath  in  Bordeaux,  +  1685, 
war  ein  frommer  und  gelehrter  Mann;  er  ist  der  erste  Herausgeber 
des  Pugio  fidei  von  Raymund  Martini  und  hat  auch  andere  gelehrte, 
von  R.  Simon  als  sehr  gut  bezeichnete  Bücher  geschrieben  (Hurter, 
2,  891).  Simon,  der  ihn  genau  gekannt,  sagt  ausdrücklich,  er  sei 
kein  Jansenist  gewesen,  wiewohl  die  Jansenisten  sich  die  Verthei* 
digung  seines  Messbuches  hätten  angelegen  sein  lassen  (Lettree  2, 
258).  —  Das  Breve  Alexanders  VII.  vom  12.  Jan.  1661  (Alex. 
No.  72)  lautet:  Es  ist  Uns  zum  grossen  Schmerze  Unserer  Seele  zu 
Ohren  gekommen,  dass  in  Frankreich  einige  Söhne  des  Verderbens, 
welche  zum  Schaden  der  Seelen  nach  Neuerungen  streben  und  die 
kirchlichen  Satzungen  und  den  kirchlichen  Gebrauch  verachten,  in 
neuester  Zeit  bis  zu  dem  Wahnsinn  (vesania)  fortgeschritten  sind, 
dass  sie  das  Römische  Messbuch,  welches  in  der  durch  den  Gebrauch 
so  vieler  Jahrhunderte  in  der  Kirche  bewährten  lateinischen  Sprache 
abgefasst  ist,  in  die  französische  Volksprache  zu  tibersetzen,  in 
dieser  Uebersetzung  drucken  zu  lassen  und  unter  Leuten  jeden 
Standes  und  Geschlechtes  zu  verbreiten  gewagt  und  so  vermessent- 
lich  versucht  haben,  die  in  lateinische  Worte  gefasste  Majestät  des 
hochheiligen  Ritus  herabzuwürdigen    und   mit  Füssen  zu  treten  und 


1)  Das  Buch  von  Jean  Adam  (1608—84)  heisst:  Heures  oatholiqnes 
en  latin  et  en  fran^ais,  dediees  au  Roy,  1651  und  1656.  In  der  Vorrede 
der  2.  Ausgabe  will  er  beweisen,  dass  die  Heures  de  Port-Royal  nicht 
katholisch  seien.  Backer  1,  3.  Sein  Buch  bestand  namentlich  der  schlechtes 
Verse  wegen  die  Concurrenz  nicht.     Arn.  8,  118. 


Französisches  Missale  von  Voisin.  54d 

die  Würde  der  h.  Mysterien  dem  gemeinen  Volke  preiszugeben. 
Wir,  denen,  wiewohl  ohne  Unser  Verdienst,  die  Sorge  für  den  von 
Christas,  unserm  Erlöser,  gepflanzten  nnd  mit  seinem  kostbaren 
Blnte  bewässerten  Weinberg  des  Herrn  Sabaoth  übertragen  ist, 
wollen,  um  dem  Wachsthum  solcher  Dornen,  von  denen  er  über- 
wacbert  werden  würde,  zu  steuern  und  dieselben,  so  viel  wir  mit 
Gott  vermögen,  auszurotten^  wie  wir  jene  Neuerung  als  eine  Ent- 
stellung der  beständigen  Schönheit  der  Kirche,  die  leicht  Ungehor- 
sam, Verwegenheit,  Aufruhr,  Schisma  und  andere  Uebel  zur  Folge 
haben  kann,  verabscheuen  und  verwünschen,  so  das  besagte  in 
französischer  Sprache  von  wem  auch  immer  verfasste  oder  in  Zu- 
kunft irgendwie  anders  zu  verfassende  und  zu  veröffentlichende 
Messbuch  aus  eigenem  Antriebe  und  aus  sicherer  Wissenschaft  und 
nach  reiflicher  Ueberlegung  für  immer  verdammen,  verwerfen  und 
verbieten  und  als  verdammt,  verworfen  und  verboten  angesehen 
haben,  und  Wir  verbieten  für  immer  den  Druck,  das  Lesen  und  das 
Behalten  desselben  allen  und  jeglichen  Christgläubigen  beider  Ge- 
sohlechter, jeden  Ranges  und  Standes,  jeder  Würde,  Ehre,  und 
Praeeminenz,  auch  wenn  dieselben  speciell  und  einzeln  zu  erwähnen 
wären,  bei  Strafe  der  Excommunicatio  latae  sent.,  der  sie  ipso  jure 
verfallen  sollen.  Wir  verordnen  zugleich,  dass  jeder,  der  das  Mess- 
bach hat  oder  in  Zukunft  auf  irgend  eine  Weise  bekommen  wird, 
dasselbe  sogleich  dem  Ortsbischof  oder  Inquisitor  abliefern  und 
dieser  die  Exemplare  unverzüglich  verbrennen  soll. 

Die  auffallende  Schärfe,  mit  welcher  Alexander  VII.  gegen  das 
ßaoh  vorging,  erklärt  sich  aus  dem,  was  Arnauld  (8,  306)  berichtet: 
„Man  weiss  aus  dem  Munde  eines  Prälaten  (des  Bischofs  Persin  de 
Montgaillard  von  St  Pons),  dass  Card.  Mazarin,  um  Alexander  VII. 
gegen  Card,  de  Retz  einzunehmen,  ihn  glauben  machte,  dessen  Ge- 
neralvicare  zu  Paris  hätten  das  Messbuch  approbirt,  um  die  Feier 
der  Messe  in  französischer  Sprache  vorzubereiten/^  Der  Nuncius, 
berichtet  Arnauld  weiter,  wurde  beauftragt,  Mazarin  zu  bitten,  er 
möge  auch  die  Verdammung  des  Buches  durch  die  eben  damals 
tagende  AssembUe  du  Clerge  veranlassen.  Eine  solche  durchzu- 
setzen, gelang  den  Bemühungen  des  Erzbischofs  von  Ronen,  jetzt 
von  Paris,  und  de  Marca's.  Die  Assemblee  verbot  das  Buch  am 
7.  Dec.  1660  und  forderte  die  Bischöfe  auf,  dasselbe  in  ihren  Diö- 
cesen  zu  verbieten;  sie  schrieb  darüber  auch  7.  Febr.  1661  an  den 
Papst,  dessen  Breve  aber  mittlerweile  schon  erschienen  war,  also 
nicht  auf  den  Antrag  der  Assemblee  erlassen  worden  ist.  Die 
Assemblee  erwirkte  auch  ein  Arret  du  Conscil  gegen  das  Buch 
(Arg.  III  b  298),  obschon  die  Generalvicare  dagegen  als  gegen  einen 
Eingriff  in  die  Rechte  des  Erzbischofs  protestirten  (Avr.  2,  385). — 
Die  Sorbonne  erklärte  4.  Jan.  1661  unter  Bezugnahme  auf  frühere 
Censuren:  sie  missbillige  die  Uebersetzung  der  Bibel,  des  Brevieres, 
des  Rituale,  des  Messbuches  und  anderer  liturgischer  Bücher  über- 
haupt; sie  habe  auch  das  Messbuch  von  Voisin  nicht  approbirt;  es 
sei  von  ihr  nur  die  Approbation  einer  Erklärung  der  Messen  des 
ganzen  Jahres,    nicht    einer    französischen  Uebersetzung   des  Mess- 


544  „Jansenistiscbe''  Erbauungsbücher. 


biicbes  nacbgesucbt  worden.  Am  2.  März  1661  censnrirte  sie  dann 
ausfUbrlicb  Voisin^R  Werk:  es  sei  vieles  falsch  nnd  ungenan  über- 
setzt und  es  seien  (in  den  Erklärungen)  Sätze  enthalten,  die  so,  wie 
sie  lauteten,  Irrthümer  gegen  die  Lehre  von  Christus,  dem  h.  G-eiste, 
der  Gnade  und  den  Sacramenten,  namentlich  der  Taufe«  und  der 
Busse,  enthielten  (Arg.  III  a  81).  Es  handelt  sich  an  den  Stellen^ 
welche  in  der  Censur  angeführt  werden,  nur  um  ungenaue  und  niiss- 
verständliche    Ausdrücke  (R.  Simon,  Lettres  2,  260). 

Das  Breve    wurde  in  Frankreich    schon  ^seiner  Fassung  wegen 
nicht  einregistrirt;    aber    auch   die  Verbote  der  AssembUe'  und  der 
Sorbonne  wurden  nicht  beachtet.  Arnauld  (8,  308)  sagt  sogar,  nach 
dem  Verbote  der  Assembl^e  sei  das  Messbuch  nur  um  so  mehr  ge- 
kauft worden.    Bossuet  (Oeuvres  42.  474)  erwähnt  die  französiscben 
Verbote  nicht  und  sagt:    „Man    hat  dem  Breve  in  Frankreich  keine 
Beachtung  geschenkt,  und  man  hat  sich   genöthigt  gesehen,  zur  Be- 
lehrung der  Convertiten  (unter  Ludwig  XIV.)    Tausende  von  Exem- 
plaren einer  französischen  Uebersetzung  der  Messe  zu  verbreiten^'  ^). 
R.  Simon  (p.  263)  erwähnt  das  Breve  nicht  und  sagt:    „Trotz  der 
Censur  der  Sorbonne  und  des  Verbotes  der  Assembl^e  ist  das  Mess- 
buch in  ganz  Frankreich  immer  gelesen,  gedruckt  und  öffentlich  ver- 
kauft worden,    und  niemand  hat  sich  Scrupel  gemacht,  es  zu  lesen. 
Gewöhnlich    iässt    das    Publicum    den    Schriftstellern    Gerechtigkeit 
widerfahren,  deren   Bücher    man    übereilter  Weise   censurirt  hat***). 
—    In    praxi   ist    das  Breve    Alexanders  VII.    ausserhalb    Italiens, 
(und  Spaniens)   von  Anfang  an  nicht  allgemein  und  allmählich  immer 
weniger  beachtet  worden.     Voisin    selbst  Hess    später    das  Officium 
der  Charwoche    mit    dem    ganzen  Ordinarium   missae  einschliesslich 
des  Canons  französisch  drucken  und  widmete  das  Buch  der  Königin- 
Mutter.     Ebenso  wenig  wie  dieses,  wurden  andere  Bücher,   die  das 
Ordinarium  französisch  enthielten,  beanstandet.    Erzbischof  Noailles 
von    Paris    liess    1695    eine    Uebersetzung    des    Pariser   Messbuchs 
drucken.    —    Die  neueren   katholischen  Gebetbücher,    auch    die  von 
Jesuiten  herausgegebenen,  enthalten  so  ziemlich^  alle  die  Messgebete, 
wie  sie    der  Priester  spricht,     einschliesslich    des  Canons,    und    die 
vollständigen  Uebersetzungen    des  Missale   von   Nickel  >  und  Reischl 
sind  wenigstens  in  Deutschland  nicht  beanstandet   worden.     Der  Bi- 
schof von  Langres    hat    freilich    noch  ,1851  auf  die  Anfrage,  ob  es 
erlaubt    sei,    das    Ordinarium    missae    in    die  Volksprache  zu  über- 
setzen, von  der  Riten-Congr.  die  Antwort   erhalten:   moneat  traduc- 
tores    ut   a    coepto  abstineant,    ejusdemque    operis   impressionem  et 
publicationem  inhibeat  (Ami  de  la  rel.  153,  303). 

3.  Nicolas  Le  Tourneux,  geb.  1640,    seit  1679  Beichtvater  in 


1)  Die  auf  Veranstaltung  des  Königs  und  des  Erzbischofs  von  Paris 
gedruckten  Prieres  cbretiennes  seien  l'esprit  de  PEglise,  pour  servir  d*in- 
struction  aux  nouveaux  catholiques  enthielten  das  Ordinarium  missae  sammt 
dem  Canon  französisch.  In  der  2.  Auflage  wurde  dieses  weggelassen  (Ar- 
nauld 8,  106). 

2)  Mehrere  Memoires  über  Voisins  Missel  bei- Arn.  9,  App.  96. 


Nie.  Le  Toumeux.  546 

Port-Koyal^  gab  1673  L^office  de  la  semaine  sainte  lateinisch  und 
französisch  heraus  (1675  erhielt  er  von  der  Akademie  den  Prix 
d'^loquence),  1682  Car^me  chr^tienne,  die  Episteln,  Evangelien  und 
Collepteu  der  Fastenzeit  mit  Belehrungen  und  Betrachtungen.  Der 
Kanzler  Le  Tellier  und  der  Akademiker  Pellisson  (Convertit)  for- 
derten ihn  auf,  diese, Arbeit  fortzusetzen,  und  1682  erschien  der 
1.  Band  von  L^ an  nee  chretienne,  ou  les  messes  des  dimanches, 
feries  et  f^tes  de  toute.  Pannee  en  latin  et  en  frangais,  avec  l'ex- 
plication  des  epitres  et  des  6vangiles  et  un  abr6g6  de  la  vie  des 
saints  dönt  on  fait  l'ofüce.  Nachdem  1685  der  6.  Band  erschienen 
war,  —  es  sollten  noch  3  folgen,  —  sagte  der  Nuncius  dem  könig- 
lichen Beiclitvater  La  Chaise,  der  Papst  verlange  das  Verbot  des 
Buches,  weil  darin  eine  französische  Uebersetzung  der  Messe  stehe 
(die  Angabe,  Le  Toumeux  habe  das  Missel  von  Voisin  oder  das 
Neue  Testament  von  Mons  benutzt,  ist  unrichtig).  Auf  Befehl  des 
Königs  verbot  darauf  der  Erzbischof  von  Paris  dem  Verleger  den 
Verkauf  des. Buches  unter  Zusicherung  einer  Entschädigung  und 
Hess  Le  Tourneux  ein  Avertissement  zustellen,  er  solle  nicht  in 
seine  Schriften  meler  de  ces  choses,  que  TEglise  n'approuve  pas  et 
qu^on  taxe  de^-nouveautes.  Le  Tourneux  antwortete  dem  Erzbischof 
zuerst  brieflich,  und  kam  dann  nß,ch  Paris,  um  die  Sache  zu  regeln, 
wurde  aber  28.  Nov.  1686  vom  Schlage  gerührt  und  starb.  Der 
Erzbischof  hob  das  Verbot  Ende  1686  wieder  auf,  und  der  Nuncius 
gab  sich  zufrieden,  naphdem  die  Uebersetzung  des  Canons  wegge- 
lassen worden  (Arn.  8>  V).  —  Am  10.  Apr.  1688  verbot  Harlay's 
Official  auch  Le  Tourneux*  Breviaire  Eomain  en  latin  et  en  frangais, 
4  vol.  8.,  dessen  Druck  im  Nov.  1687  vollendet  war,  weil  die  Ueber- 
setzung des  Breviers,  überhaupt  nicht  zulässig  und  diese  Ueber- 
setzung anonym  und  ohne  Approbation  des  Erzbischofs  erschienen 
und  nicht  genau  sei  und  mehrere  von  der  Kirche  verdammte  Ketze- 
reien enthalte.  Der  Erzbischof  Le  T^Uier  von  Reims  schrieb  da- 
rüber 26.  April  1688  an  Bossuet:  II,  faut  que  M.  de  Paris  ait 
Tesprit  de  vertige.  Das  Buch  wurde  nach  dem  Verbote  nur  um  so 
mehr  gekauft,  und  der  Erzbischof  musste  dasselbe  freigeben^).  Das 
Brevier  wurde  in  Rom  nic)it  verb.,  aber  1695  die  Ann6e,  und  zwar 
11  Bände  (der  10.  und  11.  wurden  von  Paul-Emest  Ruth  d'Ane 
beigefügt),  mit  dem  Zusätze:  das  Werk  enthalte  das  schon  von 
Alexander  VIL  verbotene  Missale  in  französischer  Sprache  und 
werde,  so  weit  es  (nach  diesem  Verbote)  nöthig  sei,  aufs  neue 
verboten. 


1)  Am.  2,  648;  3,  101.  104;  8,  259  (Defense  de«  versioos  de  rEcri- 
ture  sainte,  des  Offices  de  l'Eglisc  et  des  ouvrages  des  p^rcs,  et  en  par- 
'ticulier  de  la  nouvelle  traduction  du  Breviaire  contre  la  sentence  de 
TOfficial  de  Paris  du  10.  Avril  1688,  Col.  1688).  S.-Beuve  6,  209.  Dict. 
Jans.  1,  199.  Tn  dem  Brevier  erschien  zuerst  die  Uebersetzung  der  Hym- 
nen von  Racine.  Als  Ludwig  XIV.  diesen  auflforderte,  de  faire  quelques 
Vers  de  piete,  antwortete  er:  Sire,  j*en  ai  voula  faire,  on  les  a  con- 
damnef. 

Rensch,  Index   II.  35   ' 


540  „JanBeuistische"  Erbaunngsbücher. 

S.-Beuve  5,  231  spricht  sehr  schön  über  das  Yerdienstliche 
der  Arbeiten  von  Le  Tourneux  und  mit  gerechter  Entrüstung  gegen 
Grueranger,  der  (Inst,  liturg.  t.  2,  eh.  17)  diese  und  ähnliche 
Arbeiten  des  17.  Jahrh.  als  r^sultat  d*une  grande  oonspiration  qui 
se  tramait  contre  la  foi  des  fid^les,  darstellt.  Celui-ci  (Le  Tourneux), 
sagt  er  weiter,  est  surtout  Pobjet  d'attaques  singulieres.  On  est 
mSme  all6  (car  la  calomnie  de  ce  cote  est  prompte  et  la  betise  s'y 
mdle  ais^ment)  jusqu^a  incriminer  sa  foi  en  la  divinit6  de  J^sus- 
Ghrist.  Mais  le  grand  crime  etait  de  vouloir  introduire  une  part  de 
raison  et  de  connaissance  dans  les  livres  jusqu*  alors  ferm^s  du 
sanctuaire,  de  diminuer,  mSme  en  le  reverant,  mais  en  se  Texpliquant 
dans  une  certaine  mesure,  le  mysterieux  et  le  merveilleux  inh^rant 
k  la  c6Ubration  du  culte  ...  Au  Heu  de  Taider,  on  le  condamne, 
on  Taccable  sous  la  stupidite  des  accusations,  on  insulte  k  sa  me- 
moire. Que  gagne  la  vraie  religion  k  ces  guerres  ciyiles?  Comme 
si  Tennemi  commun,  les  philosophes,  l'esprit  du  si^ole,  Voltaire  en 
personne  n^approchaient  pas.  Oh,  que  le  malin  qui  savait  son  Jan- 
senisme  k  merveille  et  qui  en  avait  de  bonnes  informations  dans  sa 
famille,  devait  rire  en  voyant  les  livres  de  Le  Tourneux  k  l'Index 
et  Tauteur  trait^  comme  un  m^creant!  CVtait  autant  de  gago6  pour 
lui.  —  Arnauld  schreibt  1688  an  den  Landgrafen  Ernst  (3,  113): 
Sie  haben  Recht,  wenn  Sie  meinen,  man  müsse  mehr,  als  in  Spanien 
und  Italien  geschieht,  die  Volksprache  zur  Unterweisung  des  Volkes 
anwenden.  Wir  haben  seit  50  Jahren  in  diesem  Sinne  gearbeitet. 
Er  erwähnt  dann  die  Heures  de  Port-Royal,  die  Arbeiten  von  Le 
Tourneux,  Priores  en  frangais  pour  dire  dans  les  familles,  die  der 
Herzog  von  Luynes  unter  dem  Namen  Laval  herausgegeben  und  von 
denen  ein  frommer  Mann  4 — 5000  Exemplare  für  die  Soldaten  habe 
drucken  lassen,  und  Cantiques  (französische  Kirchenlieder)  von  Abbe 
de  Heauville;  einem  Pariser  Pfarrer,  der  solche  Cantiques  habe  her- 
ausgeben wollen,  sei  es  verboten  worden. 

Auch  in  den  Niederlanden  wurde  über  die  Zulässigkeit  von 
Uebersetzungen  des  Ordinarium  Missae,  speciell  des  Canons  gestritten. 
Der  Abt  von  Rolduc  wurde  wegen  eines  solchen  Buches  bei  dem 
Nuncius  in  Köln  denuncirt^  machte  diesen  aber  darauf  aufmerksam, 
dass  dergleichen  Bücher  auch  in  Lüttich  und  Brüssel  erschienen 
seien  und  dass  ein  sehr  verbreitetes  Gebetbuch  eines  Kölnischen 
Jesuiten  die  ganze  Messe  von  allen  Heiligen  mit  dem  Canon  enthalte 
(Am.  8,  316);  die  letzte  Bemerkung,  behauptet  Arnauld  (2,  788), 
habe  mehr  Effect  gemacht,  als  wenn  man  dem  Nuncius  alle  Kirchen- 
väter citirt  hätte.  —  Auch  ein  in  Holland  sehr  verbreitetes  und  von 
dem  Bischof  Neercassel  1685  empfohlenes  Gebetbuch,  Christelycke 
Onderweyzingen  en  Gebeden  enthielt  die  Messgebete  flämisch  (C.  Qu. 
p.  102).  Es  wird  dieses  dasselbe  Buch  sein,  von  welchem  Arnauld 
(3,  162)  1689  an  du  Vaucel  schreibt,  er  möge  doch  dahin  wirken, 
dass  die  Heures  cath.  en  flamand,  in  denen  die  Messgebete  nach 
einer  altem  Uebersetzung  von  einem  Jesuiten  ständen,  nicht  ver- 
boten würden,  da  das  Verbot  des  in  Holland  sehr  geschätzten  Buches 
grosses    Scandal    verursachen    würde.    —    1695    wurde    Hugo   van 


Monita  salutaria  B.  Mariae  V.  547 

Henssen,  Provicar  in  Utreclit,  deimncirt,  weil  er  dem  Dominicaner 
van  Hoom  einen  Verweis  ertheilt,  der  gepredigt  hatte,  der  Canon 
dürfe  nicht  übersetzt  werden,  und  weil  er,  als  ihm  das  Breve  Ale- 
xanders VII.  entgegengehalten  wurde,  erklärt,  dasselbe  gelte  nur 
für  Frankreich  (C.  Qu.  103).  —  De  Kleine  getyden  oft  bedeston- 
den,  Utrecht  1699,  nach  C.  Qu.  p.  89  Ton  A.  Schurius  nach  dem 
Vorbilde  der  Ann^e  chr^t.  bearbeitet,  wurde  1701  verb. 

4.  Die  Monita  salutaria  Beatae  Mariae  Virginia  ad  cultores 
BU08  indiscretos  erschienen  zuerst  Ende  Nov.  1673  zu  Gent  mit  Ap- 
probation des  bischöflichen  Censors,  Canonicus  .1.  Gillemans^).  In 
dem  Schrift<ihen  werden  der  h.  Jungfrau  Warnungen  vor  üebertrei- 
bungen  ihrer  Verehrung  in  den  Mund  gelegt,  z.  B.  „Nehmt  nicht 
leicht  alle  und  jede  Geschichtchen  an,  die  über  meine  Erscheinungen 
oder  Offenbarungen  oder  Wohlthaten  und  Privilegien  verbreitet 
werden.  ...  Es  ist  von  Ewigkeit  nicht  erhört  worden,  dass  der- 
jenige, welcher  eine  ernste  Busse  vernachlässigt  hat,  durch  mich 
befreit  worden  wäre.  Einem  solchen  werden  nichts  helfen  die  For- 
meln und  Gebetchen,  die  er  hergesagt,  oder  die  Zeichen  und  Instru- 
mente der  Frömmigkeit,  die  er  getragen,  oder  die  Bruderschaften, 
denen  er  angehört  hat  .  .  .  Saget  nicht,  Christus  sei  ein  strenger 
Richter,  ich  aber  die  Mutter  der  Barmherzigkeit;  er  habe  sich  die 
Gerechtigkeit  vorbehalten,  mir  aber  die  Barmherzigkeit  übertragen." 
—  Der  Verfasser  ist  ein  frommer  Kölnischer  Jurist,  Adam  Widen- 
feldt,  ein  Freund  des  dortigen  Weihbischofs  Peter  von  Walenburg, 
t  2.  Juni  1678.  Der  Angabe  des  Dict.  Jans.  1, 164,  er  sei  auf  einer 
Reise  mit  den  Jansenisten  zu  Gent  und  Löwen  und  zu  Paris  mit 
Arnauld  und  dessen  Freunden  bekannt  geworden,  habe  sich  dann 
zwar  der  Bulle  Innocenz^  X.  unterworfen,  von  den  Jansenisten  aber 
verleiten  lassen,  jenes  Schriftchen  zu  verfassen,  steht  die  Erklärung 
von  Arnauld  (2,  732)  gegenüber:  er  und  seine  Freunde  hätten  von 
Widenfeldt  erst  nach  dem  Erscheinen  der  Monita  etwas  gehört  und 
niemals  Verkehr  mit  ihm  gehabt.  Arnauld  und  seine  Freunde  haben 
sich  aber  die  Verbreitung  und  Vertheidigung  des  Schriftchens  ange- 
legen sein  lassen,  standen  indess  in  dieser  Hinsicht  nicht  allein.  Es 
erschienen  bald  nach  der  Originalausgabe  mehrere  französische  Ue- 
berRetzungen,  eine  (von  Gerberon)  unter  dem  Titel:  Avis  salutaires 
de  la  B.  V.  Marie  ä  ses  divots  indiscrets,  Lille  1674,    eine  andere 

unter  dem  Titel:  Avertissemens  salut par  M.  W.,  und  eine 

flämische:  Heylsame  vermaningen  van  de  S.  M.  Maria  an  haer 
ondiscrete  dienaers,  Middelburg  1675  (mit  Anmerkungen).  In  dem 
gleich  zu  erwähnenden  Buche  von  A,  Baillet  ist  eine  französische 
Üebereetzung  und   eine  Reihe   von  Approbationen  aus  dem  J.  1674 


1)  Ich  kenne  nur  eine  Ausgabe  juxta  exemplar  Gandavense  typis 
Fr.  d'Erckel  a.  1673,  KJ  S.  4.,  die  zu  Köln  gedruckt  sein  muss,  da  ausser 
der  Genter  Approbation  eine  zweite  von  Godefr.  Molanas,  Prof.  et  Pastor 
8.  Pauli,  d.  d.  Köln  24.  Jan.  1674  darin  steht.  Nach  einer  Ausgabe  Leo- 
<lii  apud  Nie.  de  la  Roche  1674  ist  das  Schriftchen  abgedr.  in  M.  Lcydeckeri 
De  bist.  Jansenismi  11.  6,  1695,  p.  631—640. 


548  j^JanseniBtische*'  Erbauungsbiicher. 

abgedruckt,  u.  a.  von  dem  Bischof  von  Touroay  vom  13.  HSn,  von 
dem  Weihbischof  Walenburg  und  dem  6eneralvioar  AoMem  von 
Köbi  vom  2.  Jau.  (Walenburg  sagt,  er  habe  das  Sohriftchen  iwei- 
mal  sorgfältig  geprüft  und  nichts  Bedenkliches  gefunden,  er  könnte 
sogar  vieles  zur  Vertheidigung  desselben  sagen,  wenn  er  das  flr 
nöthig  hielte).  In  den  Jahren  1674  und  75  erschienen  mehr  als  40 
Schriften  für  und  gegen  die  Monita  ^),  darunter  Sentiments  des  aaints 
peres  touchant  les  excellences  et  les  prcrogatives  de  la  trös-sainte 
Vierge  .  .  .  pour  servir  de  reponse  aux  Avis  salntaires,  par  Louis 
Abelly,  ev^ue  de  Khodez,  Par.  1674,  und  Lettre  pastorale  de  Mgr. 
rill,  et  Rev.  Eveque  de  Tournay  aux  fideles  de  son  diooese  sur  le 
culte  de  la  tr^s-sainte  Vierge  et  des  Saints,  a  Toccasion  du  livre  des 
Avis  salutaires  .  .  .  Lille  1674*,  45  S.  4.  (abgedr.  bei  Baillet 
p.  304).  Der  Bischof  (Gilbert  de  ühoiseul  du  Plessis-Praslin)  sagt 
in  diesem  vom  17.  Juni  1674  datirten  Hirtenbriefe,  er  kenne  den 
Verfasser  nicht;  er  vertheidigt  ihn  u.  a.  gegen  ein  zu  Donay  er- 
schienenes Schriftchen  (von  de  Cerf) :  Jesu  Christi  monita  etc.  (b.  u.  ; 
gegen  dieses  vertheidigt  er  auch  p.  400  die  Bemerkungen  der  Mo- 
nita §  IV  über  die  Mancipia  B.  M.  V.,  s.  S.  242),  und  spricht 
schliesslich  auch  von  der  von  manchen  ausgesprochenen  Erwartung, 
dass  die  Monita  würden  in  Rom  verboten  werden.  £r  halte  es  für 
möglich,  sagt  er,  dass  man  durch  Declamationen  über  die  schlimmen 
Wirkungen  des  Büchleins  obrepticement  ein  Verbot  desselben  er- 
wirke; man  werde  aber  gewiss  nicht  die  Lehre  desselben  verdammen 
und  keinen  einzigen  Satz  desselben  censuriren;  er  werde  alles,  was  ^ 

von  dem  h.  Stuhle  komme,  mit  Hespect  annehmen  und  gewissenhaft  ^ 

ausführen;    aber  die  Lehre,    die  er   in  seinem  Hirtenbriefe  im  An-  — 

schluss  an  die  Monita  vortrage,    sei  so  unanfechtbar,    dass  er  fiber  "* 

jeden,  der  ein  anderes  Evangelium  predige,  das  Anathema   sit  (Gal.  •  * 

1, 8)  aussprechen  könne.      Von   dem  Hirtenbriefe  wurde  eine  latei-  — 

nische  Uebersetzung   gedruckt :    Pastoralis  epistola  111.  ac  Rev.  £pi-  — 

scopi  Tomacensis  ad  fideles  diuecesis  Tomac.  de  cultu  .  .  .,  Insulii  ^ 

1674'*',    79  S.  4.      Sie  wurde  ausgegeben,    obschon  mittlerweile  die  ^ 

Monita  in  Rom  verboten  waren ;  es  wurde  nur  die  beabsichtigte  Bei-  ^ 

fügung  der  Monita  selbst  auf  den  Wunsch  des  Bischofs  unterlasssen;  «; 

dagegen  sind  die  sämmtlichen  Approbationen  beigedmckt.  —  Widen-         ' 

feldt    selbst    schrieb    eine  Vertheidigung    und    schickte    sie    seinem       .^ 


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1)  Im  Dict.  Jans.  1,  171  werden  46  Nummern  verzeichnet  (darante^^er 
aber  auch  Uebersctzungen  und  blosse  Briefe).  Bei  Gelegenheit  des  Streite^s«^  ^ 
über  Muratori's  Buch  Della   regolata  divozione   Hess  Zaccaria  dieses  Te^L.  ■  fl    ;^| 

zeichniss  in    der  Storia  letteraria  8,  247  abdrucken.    Es    steht   auch    l> 
Backer  2,  497  und  Migne  2,  901.     Zaccaria  bezeichnet  bei  dieser  Gele^ 
heit  die  Monita   als    empia   opericciola.  Avr.  8,  113  versichert:    II   n 
rien  de  plus  miserable  que  ce  libellc.    —   Das  Sohriftchen   ist  in  ans 
Jahrb.  noch  einmal  und    zwar    in  Africa  gedruckt  worden:    Lettre  do       ^^ 
Sainte  Vierge  trouv6e  dans  la  chapelle  provisoire    de  N.  D.  d'Afriquej^^^ 
adresseo  a  L.  A.  A.  Pavy,    eveque    d'Alger.    2.  Ed.  augmentee  de  1. 
ponse  k  TAkhbar,  2.  Avis  salutaires  publies  en  1673,    Alger  1861. 


II    »T-,        s  I    ^a 


Monita  salutaria  6.  Mariae  V.  549 

ersten  Approbator  Gillemans  in  Gent,  der  sie  als  Epistola  apologe- 
tica  auctoris  Monitorum  .  .  .  Mecheln  1674,  drucken  Hess. 

Die  (Jesuiten-)  Universität  zu  Mainz  verdammte  die  Monita 
1674  als  scandalosa,  noxia,  officinam  Jansenariorum  olentia  et  gustui 
Luthero-Calvinicorum  vehementer  arridentia;  die  Index-Congr.  verbot 
sie  19.  Juni  1674  mit  d.  c,  die  spanische  Inquisition  27.  Nov.  1674 
unbedingt.  —  Die  Correspondenz  des  Card.  Bona  (Epistolae,  1759, 
I,  51  und  II,  22)  enthält  über  das  Römische  Verbot  folgendes:  Der 
Bischof  von  Tournay  schickte  Bona  seinen  Hirtenbrief,  Gillemans 
die  Epistola  apologetica,  der  Bischof  Neercassel  ein  handschriftliches 
Grutachten  mit  der  Bemerkung,  er  sei  aufgefordert  worden,  es  drucken 
zu  lassen,  wünsche  aber  vor  dem  Druck  die  Approbation  der  In- 
quisition zu  erhalten,  der  Bona  das  Manuscript  vorlegen  möge ;  wenn 
seine  Schrift  mit  dieser  Approbation  erscheine,  könne  der  Lärm  über 
die  Monita  dadurch  beschwichtigt  werden.  Bona  selbst  schreibt, 
theils  an  Gillemans,  theils  an  Neercassel:  es  seien  viele  Exemplare 
der  Monita  mit  Denunciationen  nach  Rom  gesandt  worden  und  meh- 
rere Prälaten  hätten  Briefe  seu  potius  declamationes  erhalten,  in 
denen  gesagt  werde,  das  Schriftchen  werde  von  den  Ketzern  gelobt 
und  thue  der  Verehrung  der  h.  Jungfrau  Eintrag;  es  hätten  schon 
Frauenzimmer  in  der  Beichte  sich  als  über  eine  Sünde  und  mit  dem 
Versprechen,  es  nicht  wieder  thuen  zu  wollen,  darüber  angeklagt, 
dass  sie  die  Lauretanische  Litanei  und  den  Rosenkranz  gebetet^); 
auch  habe  man  den  Verfasser  als  Jansenisten  bezeichnet.  Er  habe 
sich  nach  Kräften  bemüht,  das  Verbot  des  Buches,  welches  nach 
seiner  Ansicht  nichts  gegen  den  Glauben  enthalte,  zu  verhindern; 
man  habe  es  aber  mit  d.  c.  verbieten  zu  müssen  geglaubt,  weil  man 
gefürchtet  habe,  die  Freigebung  des  Schriftchens  würde  in  Belgien 
Aergernisse  hervorrufen  und  der  Marienverehrung  Eintrag  thuen. 
An  Neercassel  schreibt  er:  seine  Erläuterung  der  Monita  sei  vor- 
trefflich, aber  der  Inquisition  könne  er  sie  jetzt  nicht  mehr  vor- 
legen; dass  sich  viele  Missbräuche  in  die  Marienverehrung  einge- 
schlichen und  dass  etwas  dagegen  geschehen  sollte,  sei  ja  nicht  zu 
leugnen,  sed  aliquando  Deo  permittente  saniora  consilia  negliguntur 
et  praevalent  artes  existimantium  quaestum  esse  pietatem;  emerget 
tamen  veritas,  cum  Dens  voluerit.  —  Der  Kurfürst  von  Köln,  Maxi- 
milian Heinrich  Herzog  von  Baiern,  hatte  unter  dem  3.  Juni  1674 
ein  Schreiben  an  die  Cardinäle  der  Inquisition  gerichtet,  worin  er 
sagt:  er  habe  gehört,  man  habe  die  Monita  in  Rom  denuncirt;  das 
Schriftchen  sei  von  seinem  Weihbischof,  von  seinem  Generalvicar 
und  den  gelehrtesten  Weltgeistlichen  in  Köln  approbirt,  von  dem 
Bischof  von  Tournay,  dem  Bischof  Neercassel  und  vielen  verdienst- 
vollen Männern  empfohlen  werden;  ein  Verbot  desselben  könne  nur 
dazu  dienen,  die  Einfältigen  in  ihren  Irrthümern,  die  Ketzer  in  ihren 


1)  Auch  der  Bischof  von  Tournay  (Baillet  p.  425)  und  der  Land- 
graf Ernst  (Rommel  1,  269)  erwähnen  dieses  und  ausserdem:  man  habe 
die  Scapuliere  und  Rosenkränze  ins  Feuer  geworfen,  das  Beten  des  Salve 
Regina  eingestellt  u.  dgl.,  —  bezeichnen  es  aber  als  pure  Erfindung. 


550  jjJanscnistischc''  Erbauungsbücher. 

falschen  AnHichten  von  der  katholischen  Lehre  zu  bestärken,  die 
Streitigkeiten  zwischen  den  Freunden  und  Gegnern  des  Buches,  in 
seiner  Diöcese  zwischen  Welt-  und  Ordensgeistlichen  zu  vermehren 
und  fromme  und  eifrige  Laien  wie  den  Verfasser  zu  verletzen  und 
zu  verstimmen;  er  bitte  kein  Urtheil  zu  fällen,  ohne  diese  seine  Er- 
klärung zu  erwägen. 

Die  Angabe  von  Zaccaria  u.  a.,  das  bedingte  Verbot  der  Mo- 
nita  von  1674  sei  1675,  da  man  gesehen,  dass  die  Vertheidiger 
immer  schlimmer  geworden,  durch  ein  absolutes  Verbot  ersetzt  wor- 
den, ist  unwahr.  Die  lateinische  Ausgabe  steht  noch  heute  mit  d.  c. 
im  Index.  Unbedingt  verboten  wurde  1676  die  flämische  und  1678 
eine  französische  Uebersetzung  (Avertissements).  Einer  der  31 
Sätze,  die  7.  Dec.  1690  von  der  Inquisition  verdammt  wurden,  No.  26, 
Laus,  quae  defertur  Mariae  ut  Mariae,  vana  est,  steht  in  den  Monita 
3,  1,  aber  mit  dem  Nachsatze:  das  Maria  als  der  Mutter  und  Magd 
Gottes  gespendete  Lob  sei  heilig.  —  Von  den  Streitschriften  über 
die  Monita  stehen  folgende  im  Index:  Ulula  seu  bubo  ecclesiasticus 
recte  expositus  P.  Alexii  Recollecti  suo  in  sermone  habito  8.  Dec. 
1673  Gandavi  super  libello  dicto:  Monita  sal.,  verb.  1674  (es  ist 
beigefügt:  flandrice;  der  flämische  Titel  wird  aber  nicht  angegeben) ; 
Monita  sal.  B.  M.  V.  vindicata  per  notas  salutares  ad  libellum  in- 
titulatum:  Cultus  B.  V.  M.  vindicatus  Patris  Hieronymi  Henneguier 
[Dominicaner,  St.  Omer  1674]  et  similes  scriptores,  authore  qnodam 
Eegulari  orthodoxi  cultus  B.  V.  M.  zelatore.  Cui  accedit  Appendix 
contra  Defensionem  B.  V.  M.  Ludovicii  Bona,  verb.  .1676^);  — 
Apologie  des  devots  de  la  S.  Vierge,  ou  les  sentiments  de  Theo- 
time sur  le  libelle  intitule:  Les  avis  sal.  .  .  .,  sur  la  lettre  apolo- 
getique  de  son  auteur  et  sur  les  nouveaux  avis  en  forme  de  re- 
flexions  ajoutees  au  libelle,  verb.  1677  (nach  dem  Dict.  Jans,  von 
Grenier,  Brux.  1675);  —  Statera  et  examen  libelli  a  S.  Congrega- 
tione  pjoscripti,  cui  titulus:  Monita  .  .  .  auct.  Laur.  a  Dript,  Be- 
nedictiuo  Gladbacensi,  Episcopi  Paderborn.  Consiliario  et  Commis- 
sario,  1675  (2.  Ed.  Neuhaus  1677,  12.)  mit  d.  c.  verb.  1678.  — 
Die  Schrift  des  Bischofs  Neercassel :  Tractatus  quatuor  de  Sanetorum 


1)  Der  Titel  dieses  Schriftchens  ist  Defensio  B.  V.  Mariae  et  pio- 
rum  cultorum  illius  contra  libellum  intit.  Monita  ...  et  contra  Episto- 
lam  apologeticam  pro  iisdcm,  cui  addita  est  Praefatio  contra  Epistolani 
pastoralem  gallicc  editam  a  D.  Gilberte  Episc.  Tornac,  ad  Ecciesiae  Prae- 
iatos  directa,  authore  Francisco  Loduiscio  Bona  Theologo,  [Mainz]  1674,* 
251  S.  16.  In  der  Vorrede  wird  gesagt,  in  Belgien  habe  die  geistliche 
Behörde  den  Druck  von  Schriften  für  und  gegen  die  Monita  verboten, 
Prof.  Dubois  in  Löwen  habe  seinen  Zuhörern  eine  Widerlegung  dictirt 
und  dieses  Dictat  liege  der  Schrift  zu  Grunde.  Widenfeldt  wird  als  Ver- 
fasser genannt  und  als  eifriger  Jansenist  bezeichnet.  Beigedruckt  ist 
p.  221  Jesu  Christi  monita  maxime  salutaria  de  cultu  dilectissimae  matri 
Mariae  debite  exhibendo,  edita  Duaci  per  R.  D.  Henr.  de  Cerf,  S.  Th. 
Dr.  et  Prof.  Regium  (abgedr.  bei  Leydecker  p.  641).  Letzteres  Schriftchen 
liess  der  Jesuit  Piazza  1751  in  einer  Streitschrift  gegen  Mnratori  noch 
einmal  abdrucken  (Ilurter  2,  1B60). 


J.  Crasset.     A.  Baillet.  551 

et  praecipue  B.  V.  M.  cultu,  Utrecht  1675  (französisch  von  Le  Roy, 
Abb^-  de  Hautefontaine,  Par.  1679),  wird  eine  erweiterte  Bearbei- 
tung der  Schrift  sein,  die  er  dem  Card.  Bona  sandte;  wenigstens 
sagt  er  in  einem  Briefe  an  Bossuet  vom  5.  Febr.  1676  (37,  109), 
er  habe  sie  ans  Anlass  der  im  vorigen  Jahre  in  Belgien  entstandenen 
Controversen  über  die  Marienverehrung  geschrieben.  Sie  steht  nicht 
im  Index  und  wird  von  Benedict  XIV.  wiederholt  citirt.  —  Land- 
graf £rn8t  von  Hessen  beklagt  es  in  einem  Briefe  an  Leibniz  vom 
J.  1680  (Rommel  1,  269),  dass  die  Gegner  der  Jansenisten  durch 
ihr  Crucifige  -  Schreien  das  Verbot  des  Schriftchens  durchgesetzt 
hätten ;  die  Vertheidiger  der  Unfehlbarkeit  des  h.  Stuhles,  meint  er, 
sollten  denselben  doch  nicht  zu  solchen  Dummheiten  (bivues)  ver- 
leiten, durch  die  er  thatsächlich  seine  Fehlbarkeit  beweise.  Leibniz 
meint  (S.  286):  man  solle  die  Herren  von  der  Inquisition  nöthigen, 
die  zu  corrigirenden  Stellen  anzugeben  (wie  ja  die  spanische  Inqui- 
sition thue),  und  dann  eine  corrigirte  Auegabe  veranstalten.  Eine 
solche  ist  nicht  erschienen. 

Eine  etwas  verspätete  Widerlegung  der  Monita  gab  der  Jesuit 
J.  Crasset  1679  heraus  unter  dem  Titel:  La  veritable  devotion  a  la 
Sainte  Vierge  etablie  et  defendue.     Thiers,  Superst.  4,  131  sagt  da- 
von:   Le  P.  Crasset  a  donne  tete  baissee  dans  toutes  les  d^votions 
nouyelles   qu'il    a   cru   pouvoir   contribuer  ä  l'honneur    de    la  S.  V. 
Jurieu    aber    benutzte    das    Buch    in    seinem    Pr^servatif  contre    le 
changement  de  religion,  ou  Tid^e  juste  et  veritable  de  la  rel.  cath. 
rem.,  oppos^e    aux  portraits  flattes   que  Ton  en  fait,  et  particuliere- 
ment  k  celui   de  M.   de   Condom.      Arnauld  (42,  Suppl.  22)   schrieb 
darauf   an    Neercassel    21.  Sept.  1681:     er    möge    Bossuet   darüber 
schreiben  und  diesen  bitten,  falls  die  Citate  richtig  seien,  eine  Cen- 
äurirung  des  Buches  von  Crasset  durch  die  Sorbonne  zu  veranlassen; 
er  selbst  möge  das  Buch  in  Rom  denunciren.     „Was    soll   man  den 
Maeretikem  antworten,  fügt  er  bei,  wenn  sie  uns  vorhalten,  dass  man 
die    Monita    verboten,    aber    nicht    die    Gegenschriften,    welche    die 
^rössten  Masslosigkeiten  vertheidigen  ?    Es   ist  ein  grosser  Fehlgriff 
gewesen,  dass  man  die  Monita  verdammt  hat;  durch  die  Verdammung 
^rassets    könnte    er    einigermassen    wieder    gut    gemacht    werden." 
Neercassel  schrieb  gleich  in  diesem  Sinne  an  Bossuet  (Oeuvres  37,  235) 
xind  erklärte,   wenn  die  Citate  richtig  seien,  werde  er  sich  bemühen, 
uit  Romano  fulmine    feriantur.     Crassets  Buch    ist  natürlich  in  Rom 
:»iicht  censurirt  worden,    auch  nicht  von  der  Sorbonne,    obschon  Ar- 
xiauld    (2,   349)    auch    direct    an    den    Syndicus    Pirot    schrieb.    — 
Die  Monita  werden  noch  einmal  erwähnt  in  dem  Judicium    der  Lö- 
"wener  Facultät  über  den  Cas  de  conscience  von  1704  (Arg.  III  b  599): 
,,Wie    weit    bezüglich     der    Heiligen  Verehrung    gewisse    Rigoristen 
^ehen,    zeigen    verschiedene    Schriften    derselben,     namentlich     die 
Wonita.** 

Crassets  Buch  wurde,  wie  gesagt,  in  Rom  nicht  verboten,  wohl 

»her    die   im    Sinne   Widenfeldts  geschriebene,    aber  umfangreichere 

Schrift  De  la  d6votion  a  la  Sainte  Vierge  et  du  culte  qui  lui  est 

du,    Paris  1693;    nouvelle    ed.    1696.     Das    Buch    ist    von    Adrien 


552  Gallicanische  Controverse  uuter  Alexander  VII. 

Baillet,  geb.  1649,  seit  1676  Priester,  seit  1680  Bibliothekar  des 
Präsidenten  Lamoignon ,  und  soll  veranlasst  sein  durch  eine  von 
Bourdaloue  8.  Dec.  1692  gehaltene  Predigt,  worüber  Madame  de 
Lamoignon  Baillets  Urtheil  haben  wollte.  In  einer  spätem  Ausgabe 
(Toumay  1712*,  24  und  444  S.  12.)  ist  Baillets  Name  auf  dem 
Titelblatte  und  unter  der  Dedication  genannt  und  sind  die  Avis  sa- 
lutaires  und  die  Lettre  pastorale  des  Bischofs  von  Tournay  beige- 
fügt. Das  Buch  wird  im  Dict.  jans.  1,  402  und  von  Avr.  4,  35 
sehr  scharf  getadelt;  aber  der  Erzbischof  de  Harlay  und  die  Sor- 
bonne, bei  denen  es  denuncirt  wurde,  censurirten  es  nicht,  und  in 
Eom  ist  es  nur  mit  d.  c.  verboten  worden,  die  1.  Ausgabe  1695, 
die  2.  1701^).  —  Von  dem  grössern  Werke:  Les  vies  des  Saints, 
compos^es  sur  ce  qui  nous  est  reste  de  plus  authentique  et  de  plus 
assur^  dans  leurs  histoires,  dispos^es  selon  Tordre  des  calendriers 
et  des  martyrologes  avec  l'hist.  de  leur  culte  .  .  .  par  M.  Adrien 
Baillet,  sind  nur  die  zwei  ersten  Bände,  Paris  1704,  die  Monate 
Jan.  bis  Aug.  umfassend,  1714  verb.  Das  Buch  erschien,  dem  Card. 
Noailles  gewidmet,  zuerst  1701  in  3  Fol.  (und  12  vol.  8);  ein  4. 
Band,  1703,  enthält  L'hist.  des  fetes  mobiles,  les  vies  des  Saints 
de  TA.  T.,  Chronologie  und  Topographie  des  Saints.  Es  ist  das 
erste  ausführliche  Leben  der  Heiligen,  in  welchem,  vielfach  im  An- 
schluss  an  Tillemont,  Fabeln  und  unzuverlässige  Wunder-  und  an- 
dere Berichte  ausgeschieden  sind  (Dupin  18,  287.  Baumg.  7,  427). 
Selbst  Benedict  XIV.  meint  freilich,  Baillet  sei  zu  weit  gegangen; 
er  polemisirt  wiederholt  gegen  ihn  und  sagt  z.  B.  De  festis  2,  16,  8: 
Homo  vel  certissimarum  rerum  veritatem,  ut  intemperanti  ingenio 
est,  sollicitans.  Ausführlich  kritisirt  ihn  Mich,  a  S.  Jos.  1,430. — 
Der  Bischof  von  Gap  verbot  1711  das  ganze  Werk  unter  Androhung 
der  Excomm.  1.  sent.,  weil  viele  Dogmen  und  Artikel  der  Dieciplin 
darin  im  Jansenistischen  oder  protestantischen  Sinne  behandelt  seien. 
Die  Verbote  haben  der  Verbreitung  des  Buches  keinen  Eintrag  ge- 
than;  es  ist  wiederholt  gedruckt  worden.  Der  an  der  Spitze  des 
1.  Bandes  stehende  Discours  sur  Thist.  de  la  vie  des  Saints  war  zu- 
erst 1690  anonym  erschienen. 


58.     Die  gallicanische  Controverse  nnter 
Alexander  VII.  1663. 

Veranlasst  durch  das  Auftauchen  ultramontaner  Ansichten, 

fasste  die  Sorbonne  4.  Mai  1663  folgende  Erklärung  ab: 

1.  Es  ist  nicht  Lehre  der  Facultät,  dass  der  Papst  irgendwelche 
Autorität  über  die  weltlichen  Angelegenheiten  des  allerchristlichsten 


1)  So  seit  Ben.    In  den  älteren  Indices  steht  nur  „nouvelle  ed.  Par. 
1696"  und  als  Datum  des  Verbots:  S.  0.  1.  Juli  1693! 


Erklärung  der  Sorbonne  von  1663.  553 

Königs  habe;  sie  hat  auch  denjenigen  immer  widersprochen,  welche 
nur  eine  indirecte  derartige  Autorität  annehmen.  —  2.  Es  ist  Lehre 
der  Facnltät,  dass  der  allerchr.  König  in  weltlichen  Dingen  keinen 
andern  Obern  hat  als  Gott.  —  3.  Es  ist  Lehre  der  Facultät,  dass 
die  Unterthanen  unter  keinem  Vorwande  von  der  Treue  und  dem 
Gehorsam  gegen  ihn  dispensirt  werden  können.  —  4.  Die  Fac. 
billigt  keine  Sätze,  welche  der  Autorität  des  Königs,  den  echten 
Freiheiten  der  gallicanischen  Kirche  nnd  den  im  Königreiche  reci- 
pirten  Canones  widersprechen,  z.  B.  dass  der  Papst  im  Widerspruch 
mit  diesen  Canones  Beschlüsse  fassen  könne.  —  5.  Es  ist  nicht 
Lehre  der  Fac,  dass  der  Papst  über  dem  allgemeinen  Concil  stehe, 
—  6.  oder  dass  der  Papst  ohne  Zustimmung  der  Kirche  (nullo 
accedente  Ecclesiae  consensu)  unfehlbar  sei. 

Diese  Erklärung  wurde  30.  Mai  von  dem  Parlamente, 
4.  Aug.  1663  von  dem  Könige  bestätigt  und  zugleich  verboten, 
irgend  etwas  derselben  Widersprechendes  zu  lehren  und  zu 
vertheidigen^).  —  Im  J.  1664  und  1665  censurirte  die  Sorbonne 
nltramontane  Sätze  in  Büchern  von  Jacques  de  Vernant  und 
Amadaeus  Guimenius.  Diese  Censuren  verdammte  Alexander  VII. 
in  einer  scharfen  Bulle  vom  23.  Juni  1665.  Das  Pariser  Par- 
lament verbot  die  Veröffentlichung  der  Bulle  und  bestätigte  die 
Censuren  der  Sorbonne.  Diplomatische  Verhandlungen  ttber 
diesen  Conflict  blieben  ohne  Ergebniss.  Er  hatte  aber  zunächst 
noch  keine  weiteren  Folgen.  Die  nicht  lange  nach  der  Bulie 
Alexanders  VII.,  1671  erschienene  Exposition  de  la  doctrine  de 
r^glise  catholique  sur  les  matieres  de  controverse  von  Bossuet 
fand  sogar,  obschon  darin  über  die  allgemeinen  Concilien  und 
den  Papst  nicht  gerade  die  curialistischen  Ansichten  vorgetra- 
gen wurden,  eine  sehr  beifällige  Aufnahme  und  wurde  von  In- 
nocenz  XI.  belobt. 

1.  Am  12.  Dec.  1661  behauptete  der  Jesuit  Jacques  Coret 
in  einer  These,  die  er  im  College  de  Clermont  vertheidigte,  die 
Unfehlbarkeit  des  ex  cathedra  redenden  Papstes,  und  zwar  auch  in 
factis  dogmaticis  (dieselbe  These  war  schon  im  Juni  im  College  de 
Navarre  vertheidigt  worden).  Arnauld  schrieb  dagegen  La  nou- 
velle  h6r6sie  des  Jesuites  .soutenue  publiquement  a  Paris  .  .  .  de- 
nonc^e  k  tous  les  ^veques  de  France  (Arn.  21,  514).  —  Am  19.  Jan. 
1663  wollte  Gabriel  Drouet  de  Villeneuve  eine  These  vertheidigen, 
in  welcher  einige  ultramontane  Sätze  vorkamen  (der  Papst  habe 
sonveräne  Gewalt  über   die  Kirche ;    er  habe  einigen  Königen,    na- 


1)  Arg.  III  a  87.  Bossuet,  Dcfcnsio,  App.  3,   11  (33,  632). 


554  Gallicanische  Coutroverse  unter  Alexander  VII. 

mentlich  den  französischen,  Privilegien  verliehen;  allgemeine  Con- 
cilien  seien  nützlich,  aber  nicht  nöthig).  Das  Parlament  verbot 
die  Vertheidigiing  der  These  22.  Jan.,  und  als  am  4.  April  eine 
ähnliche  These  im  Colleg  der  Bernardiner  vertheidigt  wurde,  rügte 
es  dieses  in  einem  Arret  vom  14.  April  (Avr.  2,  407.  418).  —  Um 
sich  gegen  den  Verdacht  zu  sichern,  als  theile  sie  solche  Ansichten, 
fasste  die  Sorbonne  die  oben  mitgetheilte  Erklärung  ab.  Sie  soll 
von    dem  Erzbischof  Hardouin  de  Perefixe  von  Paris    redigirt  sein. 

Noch  im  J.  1663  verhandelte  die  Sorbonne  über  eine  im  Juli 
im  College  de  Clermont  vertheidigte  These :  es  könne  dahin  gestellt 
bleiben,  ob  das  Decret  der  Römischen  Inquisition  über  die  Coper- 
nicaniscbe  Lehre  eine  definitive  Entscheidung  der  ganzen  Coutro- 
verse sei;  jedenfalls  sei  es  für  diejenigen  von  grossem  Gewichte, 
welche  nicht  nur  darauf  achteten,  was  die  Kirche  gebiete,  sondern 
auch  darauf,  wohin  sie  neige  (quo  propendeat),  und  jedenfalls  zeige 
es,  welchen  Weg  man  einzuhalten  habe  (Arg.  Illa  94;  s.  o.  S.  398). 

2.  Das  von  dem  Carmeliter  Bonaventura  a  S.  Anna  (sein 
Familienname  war  Her^die,  t  1667)  unter  dem  Namen  Jacques  de 
Vernant  herausgegebene  Buch:  La  defense  de  TautoritÄ  de  N.  S.  P. 
le  Pape,  de  Nosseigneurs  les  Cardinaux,  les  Archeveques  et  Eve- 
ques  et  de  Temploi  des  Mendiants  contre  les  erreurs  du  temps, 
Metz  1658,  wurde  der  Sorbonne  1.  Apr.  1664  denuncirt.  Nach 
langen  Verhandlungen  censurirte  sie  26.  Mai  eine  Seihe  von  Sätzen 
desselben,  u.  a. :  dem  Papste  als  Stellvertreter  Jesu  Christi  komme 
active,  der  Kirche  passive  Autorität  zu  (dieser  Satz  wird  als  haere- 
tisch  bezeichnet) ;  nur  durch  die  göttliche  Autorität  könne  die  Ge- 
walt des  Papstes  beschränkt  und  ihm  Gesetze  vorgeschrieben  wer- 
den;  nur  die  Ketzer  und  Feinde  des  Glaubens  verlangten  Concilien; 
die  Autorität,  Verordnungen  für  die  ganze  Kirche  zu  erlassen,  habe 
das  Concil  vom  Papste;  ein  allgemeines  Concil  könne  nicht  ürtheile 
des  Papstes  prüfen;  der  Papst  entscheide  in  letzter  Instanz  in  Glau- 
bensfragen; die  Bischöfe  erhielten  ihre  Jurisdiction  vom  Papste, 
nur  mittelbar  von  Gott;  der  Papst  könne  in  allen  Diöcesen  ohne 
Zustimmung  der  Bischöfe  seine  Gewalt  delegiren  (andere  Sätze  be- 
ziehen sich  auf  die  Privilegien  der  Orden,  S.  383).  Die  Facultät 
erklärte  dabei,  sie  wolle  durch  ihre  Censuren  nicht  dem  Primate 
des  Papstes,  der  Autorität  des  apost.  Stuhles  und  den  Bullen 
Innocenz'  X.  und  Alexanders  VII.,  die  sie  recipirt  habe,  derogiren. 
Sie  rügte  nebenbei,  dass  Vernant  unechte  Schriften  von  Kirchen- 
vätern anführe,  die  echten  falsch  citire  u.  s,  w.  ^).  —  Bei  der  Cen- 
Kurirung  des  Buches  des  Guimenius  (des  Jesuiten  Moya)  am  3.  Febr. 
1665  handelte  es  sich  vorzugsweise  um  laxe  Moralsätze  (S.  499). 
Aber  Guimenius  war  ein  ebenso  strenger  Infallibilist  wie  laxer  Mo- 
ralist,   und  die  Sorbonne  censurirte   neben  vielen  abscheulichen  Mo- 


1)  Arg.  lila  100.  Bossuet  82,  401.  Der  Carmeliter  schrieb  da- 
gegen: La  doctrine  ancienne  des  theologiens  de  la  Fac.  de  Paris  opposee 
ä  la  censure  faite  par  la  meme  Fac.  de  P.  sur  le  livre  de  l'aut.  de  N. 
S.  P.  le  Pape,  1664. 


J.  de  Vernaut.  655 

ralsätzen  auch  zwei  Sätze  über  die  päpstliche  Gewalt,  —  man  müsöe 
glauben  (ad  iidem  pertinet),  dass  der  Papst  unfehlbar  sei,  nicht  nur 
in  Sachen  des  Glaubens,  sondern  auch  der  Sitten,  in  dem  Sinne, 
dass  er  nicht  etwas  als  der  evangelischen  Vollkommenheit  entspre- 
chend billigen  könne,  was  dieses  nicht  sei,  —  mit  der  Erklärung, 
die  in  diesen  Sätzen  enthaltene  Lehre  sei  falsch  und  temerär,  den 
Freiheiten  der  gallicanischen  Kirche  zuwider,  für  die  Universitäten, 
theologischen  Facultäten  und  orthodoxe  Doctoren  beleidigend  (Arg. 
ma  113). 

In  Eom  war  man  über  diese  Ceusurirung  curialistischer  An- 
sichten sehr  aufgebracht  und  Alexander  VII.  beging  die  Ungeschick- 
lichkeit, sich  nicht  nur  über  die  Censurirung  Vernants,  sondern 
gleichzeitig  auch  über  die  des  Guimenius  zu  beklagen.  Unter  dem 
6.  April  1665  richtete  er  an  den  König  ein  Breve  folgenden  In- 
halts: der  Nunciufl  werde  ihm  mittheilcn,  wie  sehr  die  Censur  der 
Facultät  sein  päpstliches  Gemüth  betrübt  habe;  er  werde  die  Zu- 
rücknahme der  Censur  verlangen  wegen  der  darin  enthaltenen  gegen 
den  apostolischen  Stuhl  feindseligen  und  injuriösen  Sätze;  die  Fa- 
cultät habe  sich  durch  die  Bekämpfung  der  Ketzerei  der  Jansenisten 
80  sehr  ausgezeichnet,  sie  werde  doch  nicht  wollen,  omnem  gloriam 
et  labores  tantos  irritos  cadere  et  vel  ipso  tempore,  quo  pestiferi 
errores  confodiuntur,  gladii  eorum  jugulo  instantis  aciem  adeo  im- 
portune  retundi  (Arg.  III  a  115).  In  dem  Avis  des  gens  du  Roi 
(von  Denis  Talon)  über  dieses  Breve  (Arg.  III  a  115 — 124)  heisst 
es  u.  a. :  der  Papst  beklage  sich  über  die  Censuren  nur,  weil  sie 
seiner  Autorität  Schranken  setzten  und  ihm  die  Infallibilität  ent- 
rissen, welche  ihm  diese  neuen  Autoren  so  freigebig  beigelegt.  Am 
25.  Juni  1665  erliess  dann  Alexander  VII.  eine  lange  Bulle  (Alex. 
No.  86)  gegen  die  beiden  Censuren^),  worin  es  heisst:  In  den  bei- 
den Büchern  werden  vorzugsweise  solche  Sätze  censurirt,  welche 
die  Autorität  des  Papstes  und  des  apost.  Stuhles,  die  Jurisdiction 
der  Bischöfe,  das  Amt  der  Pfarrer,  die  von  dem  h.  Stuhle  verlie- 
henen Privilegien,  die  apostolischen  Dispensationen  upd  die  Kegel 
der  sittlichen  Handlungen  betreffen,  und  andere,  welche  sich  auf  die 
Autorität  der  gewichtigsten  Schriftsteller  und  den  beständigen  Ge- 
brauch der  Katholiken  stützen.  Solche  Censuren  können  nicht  ohne 
Schaden  für  die  katholische  Eeligion  ohne  gebührende  Eüge  und 
Verdammung  von  Seiten  der  Kirche  bleiben.  Um  dem  Aergemisse 
entgegenzuwirken,  welches  daraus  für  die  Katholiken  entstehen  kann, 
verdammen  Wir,  —  nachdem  gelehrte  und  hervorragende  Magister 
und  Professoren  der  h.  Theologie  und  Uualificatoren  der  Congrega- 
tionen  des  apost.  Stuhles,  die  Wir  speciell  dazu  deputirt,  wie  die 
Wichtigkeit  der  Sache  verlangte,  darüber  berathen,  und  nachdem 
Wir  die  Vota  der  Cardinäle  der  Inquisition  angehört,  —  aus  eige- 
nem Antriebe  und  sicherer  Wissenschaft  und  kraft  der  Fülle  Unse- 


1)  Im  Index  s.  v.   Censura    wird    das    Acteustück    als    Breve,    s.  v. 
BuUarium  als  Bulle  bezeichnet. 


556  Gallicanische  Goutroverse  unter  Alexander  VII. 

rer  apost.  Gewalt  die  besagten  Censuren  als  anmassend,  temerär 
und  ärgernissgebend,  erklären  sie  für  null  und  nichtig  und  be- 
fehlen, dass  sie  niemand  billigen  oder  vertheidigen  oder  in  Büchern 
oder  Schriftstücken  allegiren  soll,  bei  Strafe  der  reservirten  Ex- 
comra.  1.  sent.  Bei  der  gleichen  Strafe  wird  verboten,  die  besagten 
Bücher  und  Censuren  •  zu  drucken  oder  zu  verkaufen.  Alle  Schrif- 
ten, in  welchen  die  Censuren  irgendwie  enthalten  sind,  gelobt  oder 
vertheidigt  werden,  werden  verboten  und  sind  den  Bischöfen  oder 
an  den  Orten,  wo  das  Amt  der  h.  Inquisition  ausgeübt  wird,  den 
Inquisitoren  abzuliefern,  bei  der  gleichen  Strafe.  Die  Bischöfe  und 
die  Inquisitoren  sollen,  erstere  auch  als  Delegirte  des  apost.  Stuh- 
les, gegen  die  Ungehorsamen  mit  Erklärung  der  Excommunication 
und  anderen  geeigneten  Strafen  nach  ihrem  Ermessen  vorgehen. 
Das  weitere  Urtheil  über  die  Censuren  und  die  in  den  beiden  cen- 
surirten  Büchern  ausgesprochenen  Meinungen  bleibt  dem  apost.  Stuhle 
vorbehalten.  —  Demgemäss  stehen  beide  Censuren  der  Sorbonne 
noch  heute  unter  Censura  im  Index. 

Das  Pariser  Parlament  verbot  29.  Juli  auf  den  Antrag  von 
Denis  Talon,  diese  Bulle  zu  behalten,  zu  lesen  oder  zu  veröffent- 
lichen, bestätigte  die  Censuren  der  Facultät  und  forderte  sie  auf, 
auch  in  Zukunft  vorkommenden  Falls  ihr  Censnrrecht  auszuüben 
(Arg.  III  a  125).  Eine  noch  im  ,1.  1665  zu  Paris  erschienene  ano- 
nyme Schrift  (von  Noel  de  Lalane,  Dr.  Sorb.  f  1673):  Recit 
de  ce  qui  s'est  pass^  au  parlament  au  sujet  de  la  Bulle  de  N.  S.  P. 
le  P.  Alexandre  VII.  contre  les  censures  de  Sorbonne,  wurde  durch 
ein  specielles  Decret  der  Inq.  Per.  V.  15.  Juli  1666  (Alex.  No.  90) 
verdammt,  weil  sie  voll  von  Unrichtigkeiten  und  Irrthümern  sei, 
der  Verfasser  alles  nach  seinem  Sinne  zurechtlege  (omnia  suo  ca- 
pite  componere)  und  die  Schrift  irrige,  ärgemissgebende  und  für 
den  Papst  und  die  Autorität  des  h.  Stuhles  injuriöse  Sätze  enthalte. 

Die  Bulle  und  die  Beschlüsse  der  Sorbonne  und  des  Parla- 
ments gaben  zu  diplomatischen  Verhandlungen  zwischen  der  fran- 
zösischen Regierung  und  der  Curie  Veranlassung,  welche  im  Auf- 
trage der  erstem  von  dem  Card,  de  Retz  geführt  wurden  und  über 
welche  R.  Chantelauze,  Le  Card,  de  Retz  et  ses  missions  diploma- 
tiques  ä  Rome,  Paris  1879,  p.  213  ausführlich  berichtet.  Card. 
Pallavicini,  der  Beichtvater  des  Papstes,  behauptete,  die  Ansicht  von 
der  Unfehlbarkeit  des  Papstes  werde  von  dem  h.  Stuhle  und  von 
allen  Universitäten  mit  Ausnahme  der  Pariser  als  so  sicher  ange- 
sehen, dass  die  entgegengesetzte  Ansicht  als  temerär  und  ketzerisch 
bezeichnet  werden  dürfe.  Card.  Albizzi,  der  die  Bulle  verfasst 
hatte,  —  der  Nuncius  in  Paris  sagte  sogar,  die  Bulle  sei  von  der 
Inquisition  ausgegangen,  der  Papst  habe  dieselbe  gar  nicht  gelesen 
(p.  266.  286),  —  meinte  dagegen,  man  verlange  in  Rom  nur,  dass  die 
Ansicht  von  der  Unfehlbarkeit  nicht  als  ketzerisch  bezeichnet  werde, 
nicht,  dass  man  dieselbe  in  Frankreich  als  Glaubenssatz  anerkenne. 
Der  Papst  selbst  war  geneigt,  seine  Bulle  in  diesem  Sinne  zu  in- 
terpretiren,  wenn  die  Sorbonne  wie  Card.  Retz  erkläre,  [dass  sie 
nicht  gegen    die  Lehre    von  der  Unfehlbarkeit   selbst,    sondern  nur 


BoBsuets  Exposition.  557 

gegen  die  Yerketzerung  ihrer  eigenen  Lehre  habe  protestiren  wollen 
(p.  304).  Die  Verhandlungen  blieben  aber  schliesslich  ohne  Ergeb- 
niss  (p.  357.  369). 

In  dem  1673  erschienenen  5.  Bande  der  Lyoner  Ausgabe  des 
Bullarium  Eomanum  wurde  die  Bulle  weggelassen.  Die  Index- 
Congr.  erklärte  darauf  25.  Jan.  1684:  der  Band  sei  verboten,  donec 
in  ea  ponatur  Bulla  Alexandri  VII.  data  7.  Kai.  Jul.  1665  .  .  . 
prout  est  in  Bullario  £om.  edito  Eomae  1672.  —  Nicht  verb.  ist: 
Recueil  de  diverses  pi^ces  concernant  les  censures  de  la  Fac.  de 
Th.  de  Paris  sur  la  hierarohie  de  l'Egl.  et  sur  la  morale  chr6tienne, 
avec  des  remarques  sur  le  18.  tome  des  Annales  d*0dericu8 
Raynaldus,  Münster  (?)  1666,  12.  Als  Herausgeber  wird  J.  Boi- 
leau  bezeichnet;  jedenfalls  sind  von  ihm  die  in  der  Sammlung  stehen- 
den Consid6rations  respectueuses  sur  le  bref  d^Alexandre  VII.  con- 
tre  les  censures  etc.  Die  auch  in  dieser  Sammlung  stehenden  He- 
marques  sur  la  nouvelle  bulle  du  Pape  faite  contre  les  censures  de 
Sorbonne  sind  nicht  von  Nicole,  sondern  von  Arnauld  (10,  740 
vgl.  p.  XL VIII).  Er  sagt  u.  a. :  La  nouvelle  bulle  est  peut-dtre 
la  plus  monstrueuse  et  la  plus  etonnante  que  Ton  ait  jamais  vue 
dans  TEgl.  cath.  —  Dass  die  Schrift  nicht  verboten  wurde,  ist  um 
so  auffallender,  als  die  Cardinäle  der  Inquisition  sie  recht  wohl 
kannten  und  „sehr  gewürzt'^  (assai  aromatico)  fanden  (Chantelauze 
p.  365.  368).  —  Auch  eine  von  Edmond  Imbert  9.  Oct.  1665  in 
der  Sorbonne  vertheidigte  These,  die  in  Eom  denuncirt  worden  war 
und  welche  während  der  Unterhandlungen  mit  Retz  von  der  In- 
quisition geprüft  wurde  (Chantelauze  p.  325),  ist  nicht  in  den  Index 
gekommen. 

3.    Bossuet  sagt   in   seiner   Exposition   u.    a. :    „19.  Durch  die 
Art  und  Weise,    wie  der  erste  Streit    in  der  Zeit  der  Apostel  ent- 
schieden wurde  (Apg.  15,  6  ff.),   haben  diese  allen   folgenden  Jahr- 
hunderten gezeigt,  durch  welche  Autorität  alle  anderen  Streitigkeiten 
beendigt  werden  müssen.  Wenn  also  Streitigkeiten  entstehen,  welche 
die  Gläubigen  entzweien,    wird  die  Kirche    mit   ihrer  Autorität  da- 
zwischen treten  und  ihre  versammelten  Hirten  werden  wie  die  Apostel 
sagen:  Es  hat  dem  h.  Geiste  und  uns  gefallen.  —  21.  Da  der  Sohn 
Crottes  wollte,  dass  seine  Kirche  Eine  und  fest  auf  der  Einheit  auf- 
gebaut sei,    hat   er  den  Primat  des  h.  Petrus  eingesetzt,    um   diese 
Hoheit  zu  erhalten  und  zu  befestigen.     Darum  erkennen  wir  diesen 
IPrimat  in  den  Nachfolgern  des  Apostelfürsten  an,  denen  aus  diesem 
brande  die  Unterwerfung  und  der  Gehorsam  gebühren,    welche  die 
li.  Concilien  und  die  h.  Väter  immer  alle  Gläubigen  gelehrt  haben. 
"Was  die  Dinge  betrifft,  von  denen  man  weiss,  dass  in  den   Schulen 
darüber  disputirt  wird,    so  ist  es,    obschon    die  Prediger  nicht  auf- 
liören  sie  anzuführen,     um  jene  Gewalt  gehässig  zu  machen,    nicht 
^öthig  hier  davon  zu  reden,     da  sie    nicht    zum  kath.  Glauben  ge- 
lieren.    Es  genügt,    ein  Oberhaupt  anzuerkennen,    welches  Gott  ge- 
setzt, um  die  ganze  Heerde   auf   seinen  Wegen  zu  leiten,    was  die- 
jenigen immer  gern  thuen  werden,  welche  die  Eintracht  der  Brüder 
xind  die  kirchliche  Einmüthigkeit  lieben." 


558  Gallicanische  Controverse  unter  Alexander  VTl. 

Die  Exposition  erschien  zuerst  Ende  1671  mit  Approbationen 
von  elf  französischen  Bischöfen,  dann  bald  in  vielen  Ausgaben  und 
Uebersetzungen.  Von  Rom  aus  schrieb  schon  19.  Jan.  1672  Card. 
Bona  an  Card.  Bouillon:  ,Jch  habe  das  Buch  mit  besonderer  Auf- 
merksamkeit gelesen,  und  da  Sie  mir  andeuten,  dass  einige  etwas 
daran  auszusetzen  fänden,  so  habe  ich  besonders  darauf  geachtet, 
was  e^wa  getadelt  werden  könnte.  Aber  ich  weiss  nichts  darin  zn 
finden,  was  nicht  das  grösste  Lob  verdiente,"  und  5.  April  1672 
Card.  Sigismund  Chigi  an  A.  de  Dangeau:  „Ich  habe  mit  dem  Mag. 
S.  Pal.  und  dem  Secretär  der  Index-Congr.  geredet  und  von  ihnen 
gehört,  dass  niemand  mit  ihnen  ungünstig  über  das  Buch  gesprochen ; 
sie  sind  selbst  voll  Achtung  vor  demselben.  Ich  habe  anch  mit 
den  Cardinälen  der  Congregation  geredet  und  u.  a.  Card.  Brancaccio 
sehr  geneigt  gefunden,  das  Buch  zu  schätzen  und  den  Verfasser  zu 
loben  .  .  .  Von  der  Autorität  des  Papstes  spricht  er  gut  und  mit 
dem  gebührenden  Respect  vor  dem  Römischen  Stuhle  jedesmal,  wenn 
er  von  dem  sichtbaren  Oberhaupte  der  Kirche  redet."  Der  Mag. 
S.  Pal.,  Hyacinth  Libelli,  schrieb  26.  April  1672  an  Card.  Chigi: 
„Die  Lehre  des  Buches  ist  ganz  gesund ,  es  ist  nichts  daran  auszu- 
setzen (ne  v*ha  ombra  di  mancamento),  und  ich  weiss  nicht,  was 
man  dagegen  vorbringen  könnte.  Wenn  das  Buch  in  Rom  nachge- 
druckt werden  soll,  werde  ich  die  Druckerlaubniss  ertheilen,  ohne 
dass  ein  Wort  geändert  wird.**  Auch  Libelli's  Nachfolger  Capisucco 
lobte  das  Buch  in  einem  Briefe  an  Bossuet  vom  20.  Mai  1675.  Im 
J.  1678  erschien  eine  im  Auftrage  des  Card.  Chigi  von  dem  Herans- 
geber des  Giomale  de'  letterati,  Nazari,  mit  Hülfe  des  Dr.  Dirois, 
eines  Begleiters  des  Card.  d'Estrees,  angefertigte  italienische  Ueber- 
setzung  zu  Rom  mit  den  dort  vorgeschriebenen  Approbationen,  der 
Congregation  der  Propaganda  gewidmet  und  in  ihrer  Druckerei  ge- 
druckt. Schon  1675  war  in  Rom  eine  irische  üebersetzung  von 
dem  Minoriten  Franc.  Porter  gedruckt  worden.  Innocenz  XI.,  dem 
die  italienische  und  die  lateinische  Üebersetzung  (von  A.  Flcury) 
überreicht  worden  war,  Hess  Bossuet  durch  den  Abb6  de  Saint  Luc 
seine  Zufriedenheit  aussprechen.  Bossuet  dankte  dem  Papste  22.  Nov. 
1678  und  erhielt  dann  ein  Breve  vom  4.  Jan.  1679,  worin  der  Papst 
sagt,  das  Buch  verdiene  nicht  nur  von  ihm  gelobt,  sondern  von 
allen  gelesen  und  geschätzt  zu  werden.  Der  Ausgabe  von  1679 
fügte  Bossuet  ein  Avertissement  bei,  worin  er  u.  a.  der  Einwen- 
dung der  Protestanten  gegenüber:  in  Frankreich  habe  man  besondere 
Ansichten,  die  sich  den  ihrigen  mehr  annäherten  als  die  im  übrigen 
Europa  und  namentlich  in  Rom  herrschenden,  sich  auf  die  Schreiben 
von  Bona,  Chigi  u.  s.  w.  beruft.  Dieses  Avertissement  übersandte  er 
dem  Papste  und  erhielt  darauf  ein  zweites  Breve  vom  12.  Juli  1679, 
worin  es  heisst:  „Wir  bestätigen  das  reichliche  Lob,  welches  Wir 
dir  für  dein  vortreffliches  Werk  mit  Recht   gespendet  haben" ^). 

1)  Die  hier  angeführten  Actenstücke  stehen  in  den  späteren  Aus- 
gaben der  Exposition,  z.  H.  in  der  12.  Ed.,  Par.  1686*.  Vgl.  Oeuvrefi 
37,  89.    Recueil  des  actes  du  Clerg^  1,  123. 


L.  Thoraassin.  669 

Bossuet  berief  sich  später  in  seiner  Vertheidigung  der  galli- 
canisohen  Artikel  auf  diese  RömiHche  Approbation  seines  Buches 
(31,  188;  33,  637).  Innocenz  XI.  äusserte  allerdings  im  J.  1683 
dem  französischen  Gesandten  gegenüber,  der  ihn  während  der  durch 
die  Declaration  von  1682  entstandenen  Misshelligkeiten  an  das  Breve 
erinnerte:  questo  e  scappato  (Michaud  4,  48).  —  üeber  die  Gegen- 
schriften von  La  Bastide  und  Jurien  s.  S.   131. 

4.  Als  um  1660  die  Superioren  der  Orato rianer  bei  dem  Pa- 
riser Nuncius  ihre  Congregation  gegen  den  Verdacht  verwahrten, 
als  sei  sie  den  (Jansenistischen)  Neuerungen  hold,  wurde  ihnen  ge- 
antwortet, das  beste  Mittel  de  detromper  le  Pape  werde  die  Ver- 
öfPentlichnng  eines  Buches  sein,  welches  dem  Papste  gefallen  könne. 
Darauf  wurde  1662  Louis  Thomassin  (1619 — 95;  R.  Simon  nennt  ihn 
un  homme  tres-laborieux,  mais  qui  m^ditait  peu)  beauftragt,  etwas 
der  Art  zu  schreiben.  Er  schrieb  einen  Quartband:  Dissertationum 
in  concilia  generalia  et  provincialia  Tom.  I.  Das  Buch  erregte  aber 
in  Paris  Anstoss  und  der  General-Procurator  de  Harlay  verbot,  an- 
geblich in  Folge  einer  Denunciation  des  Dr.  Faure,  den  Verkauf, 
und  gestattete  ihn  auch  nicht,  nachdem  zu  36  Seiten  Cartons  ge- 
druckt und  eine  neue  Vorrede  beigefügt  worden.  Erst  später  ge- 
langte es  in  die  Oeffentlichkeit  ^).  —  Ein  späteres  Werk  von  Thom., 
Ancienne  et  nouvelle  discipline  de  l'Eglise  touchant  les  ben^fices  et 
les  b^näficiers,  1678,  gefiel  Innocenz  XI.  so,  dass  er  ihn  1686  zum 
Cardinal  machen  wollte  und  ihn  aufforderte,  eine  lateinische  Be- 
arbeitung herauszugeben,  die  1688  erschien.  Einige  Römische  Theo- 
logen fanden  aber  auch  in  diesem  Buche  Gallicanismen.  Card.  Casa- 
nate  schickte  Thom.  eine  scharfe  Censur  eines  Römischen  Theologen. 
Thom.  schickte  dem  Cardinal  eine  Replik,  erhielt  von  diesem  eine 
Dnplik  und  Hess  in  den  folgenden  Ausgaben  seine  Replik  und  eine 
^Entgegnung  auf  die  Duplik  abdrucken  (in  der  Mainzer  Ausgabe 
^on  1787  I  p.  XXI).  Er  sagt:  während  ihm  der  Römische  Theologe 
vorwerfe,  dass  er  dem  h.  Stuhle  zu  wenig  einräume,  sage  man  in 
Prankreich,  er  räume  ihm  zu  viel  ein;  er  glaube  die  goldene  Mi ttel- 
««trasse  eingehalten  zu  haben. 


1)  Sein  Ordensgenosse  R.  Simon  erzählt  die  Geschichte  ausführlich, 
Xettres  1,  197.  201,  zunächst  1665:  die  Gens  du  Roi  hätten  auf  eine  Con- 
^scation  verzichtet  und  gestattet,  dass  die  Exemplare  in  einem  Zimmer, 
^a  dem  sie  allein  den  Schlüssel  gehabt,  aufbewahrt  würden,  dann  1694: 
^or  einigen  Jahren  hätten  die  Oratorianer  den  Schlüssel  erhalten  und 
ciarauf  sei  das  Buch  ohne  Genehmigung  des  General-Procurators  und  des 
^irzbischofs  verkauft  worden;  die  Oratorianer  hätten  die  Schuld  auf  den 
Bibliothekar  Bordes  geschoben,  und  dieser  habe  gesagt,  er  habe  gemeint, 
cla«  Buch,  werde  jetzt  keinen  Anstoss  mehr  erregen,  und  er  habe  Exem- 
plare verkauft,  um  für  den  Erlös  andere  Bucher  anzuschaffen;  die  wenigen 
Yioch  nicht  verkauften  Exemplare  seien  auf  Befehl  des  Erzbischofs  wieder 
^''erschlossen  worden. 


560  Streit  über  das  Regalienrecht. 


59.    Der  Streit  über  das  Regalienrecht,  1677—82. 

Die  von  Ludwig  XIV.  im  J.  1673  verfügte  Aasdehnung  des 
sog.  Kegalienrechtes  auf  alle  französischen  Diöcesen  wurde 
der  Anlass  zu  einem  heftigen  Conflicte  mit  Innocenz  XL,  der 
bis  1682  dauerte,  dann  aber  durch  die  vier  gallicanisehen  Ar- 
tikel (§  60)  in  den  Hintergrund  gedrängt  wurde.  Während  de« 
Streites  kam  nur  eine  anonyme  Schrift  des  Jesuiten  Rapin  in 
den  Index.  Aber  1710  wurde  ein  Buch  über  das  Regalienrecht 
von  Audoul  durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  verboten,  und  als 
dieses  Breve  von  dem  Parlamente  zurückgewiesen  wurde,  ver- 
bot die  Inquisition  1712  auch  das  ArrSt  du  Parlement.  Das- 
selbe Schicksal  hatte  schon  1680  ein  anderes  Arret  gegen  ein 
Breve  über  eine  Angelegenheit  von  ganz  untergeordneter  Be- 
deutung gehabt. 

1.  Unter  Regalienrecht  (la  rigale)  verstand  man  die  von  den 
französischen  Königen  seit  langer  Zeit  geübte  Befugniss,  von  dem 
Augenblicke  der  Erledigung  eines  Bisthums  nicht  nur  bis  zur  Er- 
nennung oder  Einsetzung  des  neuen  Bischofs,  sondern  bis  dieser 
seinen  Treueid  in  der  Rechnungskammer  zu  Paris  hatte  einregistriren 
lassen  und  von  dieser  gegen  Entrichtung  einer  Geldsumme  die  Frei- 
gebung seiner  Einkünfte  erlangt  hatte,  die  Einkünfte  des  Bisthums 
zu  beziehen  und  alle  Beneficien  mit  Ausnahme  der  Pfarreien  pleno 
jure,  d.  h.  mit  derselben  Wirkung,  als  ob  sie  der  Bischof  vergeben 
hätte,  zu  vergeben.  Schon  1637  that  Ludwig  XIII.  Schritte,  das  Re- 
galienrecht auch  auf  die  Diöcesen  auszudehnen,  für  weiche  es  noch 
nicht  bestand  (Racine  10,  412).  Ludwig  XIV.  dehnte  es  durch  ein 
Edict  vom  10.  Febr.  1673  auf  alle  Diöcesen  aus^).  Die  einzigen 
Bischöfe,  welche  offen  dagegen  opponirten,  waren  Nicolas  Pavillon 
von  Aleth  und  Fr.  Etienne  Caulet  von  Pamiers.  Sie  brachten  die 
Sache  1677  an  den  Papst.  Pavillon  starb  schon  8.  Dec.  1677,  80 
Jahre  alt,  Caulet  7.  Aug.  1680,  nachdem  im  J.  1679  seine  Ein- 
künfte sequestrirt  worden  waren.  Der  Streit  dauerte  in  der  Diöcese 
Pamiers  noch  einige  Zeit  fort,  weil  die  von  Caulet  ernannten  Dom- 
herren Capitularvicare  wählten,  welche  die  Opposition  fortsetzten, 
und  der  Papst  dem  von  dem  Könige  ernannten  neuen  Bischof  Bourle- 
mont  die  Bestätigung  verweigerte.  —  Caulets  Generalvioar  Antoine 
Charlas  musste  1679  fliehen  und  ging  nach  Rom.  Abbe  dja  Yaucel, 
Theologal  von  Aleth,  wurde  1677  nach  St.  Pour<;;ain  verbannt,  ging 


1)  G.  J.  Phillips,    Das  Regalienrecht  in    Frankreich,    1873,    S.  259. 
Michaud  3,  340.  Abrege  du  Recueil  des  actes  du  Clerge,  1764,  p.  1404. 


streit  über  das  Regcalienreht.  561 

1681  zu  Arnauld  und  lebte  1682 — 1702  zu  Rom  unter  dem  Namen 
Valloni  (f  1715  zu  Maestrich t).  Beide  schrieben  gegen  das  Rega- 
lienrecht ^)  und  spielten  in  den  Streitigkeiten  der  nächsten  Decennien 
eine  Rolle,  Cbarlas  als  Ultramontaner,  du  Yaucel  als  Jansenist. 

Innocenz  XI.  richtete  in  dieser  Sache  nach  einander  drei  Breven 
an  den  König,  andere  an  den  Erzbischof  von  Toulouse,  der  die  Or- 
donnanzen seines  Suffraganen  von  Pamiers  cassirt  hatte,  an  den  in 
Pamiers  gewählten  Capitularvicar  u.  s.  w.  Er  unterlag  in  diesem 
Streite.  Schon  1680  Hess  nach  der  Beendigung  der  Assembl^e  du 
Clerg6  der  Erzbischof  Harlay  einen  zustimmenden  Brief  an  den 
König  unterzeichnen;  auch  eine  im  März  1681  nach  Paris  berufene 
Versammlung  von  Bischöfen  sprach  sich  zu  Gunsten  der  königlichen 
Ansprüche  aus.  Das  Protocoll  dieser  Versammlung  wurde  der  In- 
quisition überwiesen  und  der  belgische  Augustiner  van  Heck  mit 
dem  Referat  darüber  beauftragt;  aber  Card.  d^Estr^es  setzte  durch, 
dass  man  die  Sache  fallen  lies  (Michaud  3,  493).  Die  im  October 
1681  zusammengetretene  Assembl^e  du  Clerg^  erklärte  sich  11.  Dec. 
mit  der  Ausdehnung  des  Regalienrechtes  auf  alle  französischen  DiÖ- 
cesen  einverstanden,  mit  dem  Vorbehalt,  dass  die  von  dem  Könige 
ernannten  Beneficiaten,  wenn  mit  ihren  ßeneficien  Seelsorge  oder 
Jurisdiction  verbunden  sei,  sich  von  den  Capitularvicaren  die  cano- 
uische  Institution  geben  lassen  müssten.  Dieses  wurde  von  dem 
Könige  im  Jan.  1681  genehmigt.  Die  Assembl^e  richtete  darauf 
unter  dem  3.  Febr.  ein  langes  Schreiben  an  den  Papst  und  bat  ihn, 
nunmehr  nachzugeben.  Innocenz  XI.  antwortete  mit  einem  Breve 
vom  11.  April  1682,  worin  er  erklärt:  kraft  der  ihm  von  dem  all- 
mächtigen Gott  übertragenen  Autorität  cassire  er  alles,  was  von  der 
Assembl^e  bezüglich  der  Regalien  beschlossen  sei,  und  er  erwarte 
eine  schleunige  Retractation  (Coli.  Lac.  1,  821).  Am  6.  Mai  1682 
protestirte  darauf  die  Assembl^e  gegen  die  über  die  Regalien  erlas- 
senen Breven  vom  20.  Oct.  1680  und  1.  Jan.  1681  (und  die  Breven 
an  die  Nonnen  von  Charonne,  s.  u.),  soweit  sie  den  Rechten  der 
gallicanischen  Kirche  zuwider  seien,  und  diese  Protestation  wurde 
dem  Nuncius  eingehändigt  (Phillips  S.  353).  Das  Breve  vom  11. 
April  wurde  der  Assembl6e  9.  Mai  vorgelegt;  Bossuet  entwarf 
eine  Antwort,  die  aber  nicht  mehr  zur  Discussion  kam,  weil  die 
Sitzungen  am  9.  Mai  von  dem  Könige  suspendirt  wurden  und  die 
Assembl^e  am  23.  Juni  geschlossen  wurde  (Phillips  S.  371).  Durch 
die  Declaration  dieser  Assembl^e  vom  19.  März  1682  wurde  der 
Streit  über  das  Regalienrecht  in  den  Hintergrund  gedrängt,  und  die 
Ausübung  desselben  wurde  fortan  von  Rom  aus,  wo  man,  wie  S.- 
Beuve  5,  190  sagt,  auf  die  Privilegien  einiger  französischen  Bischöfe 
keinen  sonderlichen  Werth  legte,  fortan  geduldet. 

2.  Während  Arnauld  in  diesem  Streite  auf  Seiten  des  Papstes 
stand,  standen  die  Jesuiten,  den  königlichen  Beichtvater  La  Chaise 


1)  Causa  Regaliae.    Auct.  M.  C.  (Charlas),  Leodii  1685  (gegen  Nat. 
Alexander). 

Rensob,  Index  II.  36 


562  Streit  über  das  Regalienrecht. 

an  der  Spitze,  auf  Seiten  des  Königs.  Das  hatte  seinen  Ghund 
nicht  in  blosser  Servilität,  sondern  wesentlich  in  dem  Hasse  g^g^T^ 
die  Jansenisten,  die  sich  seit  dem  Frieden  Clemens'  IX.  (1669)  wie- 
der freier  bewegen  konnten  nnd  zu  kirchlichen  Aemtern  gelangten; 
—  die  Bischöfe  von  Aleth  und  Pamiers  galten  als  eifrige  Janse- 
nisten.  Dem  wollte  man  dadurch  entgegenwirken,  dass  die  Be- 
setzung möglichst  vieler  Stellen  in  die  Hand  des  Königs  bezw.  des 
P.  La  Chaise  gebracht  würde.  Ueber  die  Rolle,  welche  die  Jesuiten 
in  diesem  Streite  spielten,  berichtet  Crit.-Joly  4,  286  u.  a.  folgen- 
des :  „Innocenz  XI.  blieb  nicht  innerhalb  der  von  der  Klugheit  vor- 
geschriebenen Grenzen.  Er  erliess  Breven,  in  denen  la  forme  du 
langage  ne  sert  meme  point  de  passe-port  k  la  rudesse  de  la  pensee. 
Eins  derselben  vom  1.  Jan.  1681  wurde  von  dem  Pariser  Parlament 
(auf  den  Antrag  des  Generalprocurators  Denis  Talon)  31.  März 
unterdrückt.  Der  Papst  befahl  darauf  dem  Generalvicar  des  Jesui- 
tenordens, Charles  de  Noyelle,  den  Provincialen  zu  Paris  und  Tou- 
louse Abschriften  des  Breves  mitzutheilen,  mit  dem  Auftrage,  sie 
zu  publiciren.  Der  Assessor  S.  Off.  erhielt  den  Auftrag,  über  die 
Antwort  der  Jesuiten  zu  berichten.  Noyelle  gehorchte;  die  franzö- 
sischen Jesuiten  aber  ignorirten  das  Breve.  Sie  wurden  vor  die 
Parlamente  von  Paris  und  Toulouse  citirt;  aber  die  Provinciale  er- 
schienen nicht  und  die  Patres,  die  erschienen,  redeten  sich  heraus. 
.  .  .  Später  schleuderte  Innocenz  XI.  in  einem  Anfall  (acces)  von 
Zorn,  der  vielleicht  gerechtfertigt  war,  ein  Excommunicationsbreve 
gegen  Ludwig  XIV.  und  gab  es  dem  P.  Dez  mit,  um  es  in  Paris 
zu  publiciren.  Dieser  veröffentlichte  aber  das  Breve  nicht.  Die 
Pariser  Jesuiten  schrieben  an  den  General,  um  die  Vernichtung 
dieses  Breves  zu  verlangen,  welches  der  Papst  selbst  zur  Vergessen- 
heit zu  verdammen  schien,  da  er  es  nicht  in  der  gesetzlichen  Form 
publicirte.  Der  Papst  erkannte  schliesslich  an,  dass  die  Jesuiten 
verständig  gehandelt;  diese  Excommunication,  von  der  sich  zu  Born 
jede  Spur  verloren  hat,  hatte  keine  weiteren  Folgen  und  diente  nur 
dazu,  die  Klugheit  der  Kinder  Loyola's  zu  beweisen"  ^). 

Wenn  Cr^t.-Joly  übrigens  sagt,  von  den  Jesuiten  habe  nur 
Maimbourg  zu  Gunsten  des  Königs  geschrieben,  so  ist  das  unrichtig. 
Die  erste  Schrift  über  den  Regalienstreit,  welche  (1681)  in  den  In- 
dex kam,  ist  Epistola  pro  pacando  super  regaiiae  negotio  Snmmo 
Pontifice  Innocentio  XI.  ad  Em.  Card.  Alderanum  Cybo,  pontificii 
Status  administratorem,  1680,  und  diese  hat  den  damals  sehr  ein- 
flussreichen P.  Kene  Rapin  zum  Verfasser,  nicht  den  Abbi  de  Saint 
Frimon,  wie  Querard  5, 1 1 95  meint.  Backer  verzeichnet  sie  unter 
Rapins  Schriften  und  sagt  nur,  die  zu  Köln  (in  Holland)  1684,  also 
nach  dem  Verbote  erschienene  französische  Uebersetzung  sei  zu 
schlecht,  als  dass  sie  von  Rapin  sein  könne;  sie  ist  aber  ohne 
Zweifel  von  den  Jesuiten  besorgt.  Rapin  spricht  es  ofPen  aus,  dass 
das  Regalienrecht  den  Vortheil  habe,    die  Besetzung   vieler  Stellen 


1)  Vgl.  Avr.  3,  197.    Phillips  S.  292.  Michaiid  1,  270. 


H.  Kapin.     I).  Talon.     G.  Audoal  u.  a.  563 

in  die  Hand  des  Königs  zu  bringen.  „Der  König,  sagt  er,  war  zn 
dem,  was  er  gethan,  verpflichtet  darch  den  bei  seiner  Krönung  ab- 
gelegten Eid,  dass  er  die  Religion  schützen  wolle;  denn  auf  andere 
Weise  konnte  er  es  nicht  hindern,  dass  ein  Bischof,  der  der  Secte 
von  Port-Royal  angehörte,  Anhängern  der  Secte  die  Beneficien  ver- 
lieh" (Am.  35,  72). 

Ein  im  Auftrage  Ludwigs  XIV.  geschriebenes  Werk,  Disser- 
tations  sur  Tautorite  legitime  des  rois  en  mati^re  de  regale,  par  M. 
L.  V.  M.  d.  R.  (d.  h.  Le  Vayer,  Maitre  de  requetes,  S.  370),  Col. 
(Paris)  1682,  12.^),  kam  erst  in  den  Index  (1703),  als  es  unter 
dem  Namen  Denys  Talon 's  und  unter  dem  Titel  Traitö  de  Tauto- 
rite  des  rois  touchant  l'administration  de  TEgl.  gallicane,  Amst. 
(Paris)  1700,  8.  (und  Ronen  1700,  12.)  nochmals  erschien.  (Es 
erschien  nochmals  unter  Talons  Namen,  Londres  [Paris]  1754,  2  vol. 
12. ;  beiden  Ausgaben  ist  Omer  Talons  Plaidoyer  über  das  Arret  du 
Parlement  du  23.  Janv.  1688  sur  la  bulle  d'Innocent  XI.  touchant 
la  franchise  beigedruckt).  Auch  das  1737  verbotene  Buch:  Trait6 
des  bornes  de  la  puissance  ecclesiastique  et  de  la  pnissance  civile, 
avec  un  sommaire  chronol.  des  entreprises  des  papes  pour  ^tendre 
la  puissance  spirituelle,  par  un  conseiller  de  grande  chambre  (Del- 
pech  de  M^rinville),  Amst.  1734,  ist  im  wesentlichen  ein  Abdruck 
von  Le  Vayers  Werk  (Schulte  3, 1, 616.  Haur^au,  Hist.  litt,  du 
Maine  4,  34). 

Eine  ausführliche  geschichtliche  Yertheidigung  des  Regalien- 
rechtes, Trait^  de  Torigine  de  la  Regale  et  des  causes  des  son  Eta- 
blissement. Par  M.  Gaspard  Audoul,  Avocat  au  Parlement  et  aux 
Conseils  du  Roi  et  de  Mgr.  le  Duc  d'Orleans,  Par.  1708,  4.,  wurde 
durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  vom  18.  Jan.  1710  (Bull.  12,  480) 
verb.  Der  Verfasser,  heisst  es  darin,  dehne  das  Regalienrecht  nicht 
allein  auf  diejenigen  Diöcesen  aus,  die  zur  Zeit  der  auf  dem  2. 
Lyoner  Concil  erlassenen  Constitution  davon  frei  gewesen,  sondern 
behaupte  auch,  das  allgemeine  Regalienrecht,  welches  Innocenz  XI. 
als  allem  göttlichen  und  menschlichen  Rechte  widersprechend  ange- 
sehen, sei  von  dessen  Nachfolgern  als  der  Gerechtigkeit  entsprechend 
anerkannt  worden.  Die  mit  der  Prüfung  des  Buches  beauftragten 
Cardinäle  und  Theologen  hätten  gefunden,  dass  dasselbe  ausserdem 
viele  Sätze  enthalte,  welche  resp.  augenscheinlich  falsch,  der  durch 
Gottes  Anordnung  und  die  canonischen  Satzungen  begründeten  kirch- 
lichen Immunität  zuwider,  gottlos,  temerär,  irrig,  ja  nach  Ketzerei 
schmeckend  seien.  Demgemäss  werde  das  Buch  kraft  apostolischer 
Autorität  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  verboten;  die 
Exemplare  desselben  seien  an  die  Bischöfe  oder  Inquisitoren  abzu- 
liefern und  von  diesen  zu  verbrennen  u.  s.  w.  —  Dieses  Breve  und 
ein  zweites  von  demselben  Datum  gegen  den  Bischof  von  St.  Pens 
(§  67)  wurden  von  dem  Pariser  Parlamente  1.  April  1710  zurück- 
gewiesen.    Das  Arret  de  la  cour  du  Parlement  sur  deux  imprimez 


1)  Pressense,  1/egl.  et  la  revolution  fran^aise,  1864,  p.  74. 


564  Streit  über  das  Regalien  recht. 

en  forme  de  brefs  du  Pape  du  18.  Janv.  1710  .  .  .  wurde  dann 
22.  Juni  1712  von  der  Inq.  verb.  —  Die  scharfe  Verdammung  des 
Buches  von  Audoul  ist  um  so  auffallender,  als  nicht  nur  d'Agnes- 
seau  (18,  306)  davon  sagt:  der  dicke  Band  sei  eher  geeignet, 
Zweifel  an  der  Gerechtigkeit  des  Regalienrechtes  zu  erwecken  als 
sie  zu  beweisen,  sondern  auch  das  Gutachten,  welches  der  gelehrte 
(von  Pius  VII.  1803  selig  gesprochene)  Theatiner  Joseph  Maria 
Thomasius  im  Juli  1708  darüber  abgegeben  hatte  (Opp.,  Rom  1754, 
7,  155),  gar  nicht  so  scharf  lautet.  Der  Verfasser,  sagt  er,  sei  ein 
Feind  der  Ketzer  und  erkenne  den  Primat  und  die  Gewalt  der 
Kirche,  Beneficien  zu  verleihen,  an  und  habe  sein  Buch  geschrieben, 
um  Rom  zu  bewegen,  nicht  den  Feinden  Frankreichs  zu  glauben. 
In  der  Widmung  an  den  König  würden  Bibelstellen  zu  Schmeiche- 
leien missbraucht;  auch  in  dem  Buche  selbst  sei  einiges  za  tadeln: 
von  Bonifaz  VIII.,  Innocenz  XL,  Card.  Baronius  und  den  Gegnern 
des  Regalienrechtes  werde  in  verletzenden  Ausdrücken  gesprochen; 
für  den  König  von  Frankreich  werde  das  Recht  beansprucht,  dem 
Missbrauche  der  kirchlichen  Gewalt  entgegenzatreten,  Nationalcon- 
cilien  zu  berufen,  Reglements  über  die  äussere  Kirchendisciplin  za 
erlassen  u.  s.  w.  Auch  sei  bedenklich,  dass  das  Buch  französisch 
geschrieben  sei.  Das  Merkwürdigste  in  dem  Gutachten  ist  der 
Schluss:  Dicerem  prohibendum  esse  librum,  nisi  me  retardaret  nova 
praeceptorum  et  censurarum  obligatio,  ex  qua  paulatim  in  contemtnm 
veniant  censurae  multiplicatae  crescatque  in  immensum  jugum  prae- 
ceptorum huroanorum.  Er  sei  also  dafür,  das  Buch  zu  verdammen, 
aber  nicht  das  Lesen  desselben  zu  verbieten,  wie  es  das  4.  Laie- 
ranconcil  mit  dem  Buche  des  Abtes  Joachim  gehalten  (I  S.    18). 

3.  Im  J.  1677  ernannte  Ludwig  XIV.  zur  Äbtissin  des  1643 
von  der  Herzogin  von  Orleans  gegründeten  Klosters  Charonne  im 
Faubourg  St.  Antoine  Maiie  Ang^lique  Le  Maftre  de  Grandchamp. 
Sie  war  eine  Gistercien serin,  während  die  Nonnen  der  Congregation 
des  Pierre  Fourier  angehörten  ;  ihre  Ernennung  wurde  aber  von  dem 
Erzbischof  von  Paris  durch  die  Erklärung  motivirt,  dass  in  der 
Congregation  selbst  keine  Nonne  vorhanden  sei,  die  geeignet  wäre, 
das  geistig  und  materiell  heruntergekommene  Kloster  wieder  zu 
heben.  Die  Nonnen  protestirten  und  beanspruchten  das  Wahlrecht. 
Der  Erzbischof  installirte  aber  8.  Nov.  1679  die  neue  Äbtissin  und 
schickte  12.  Dec.  vier  der  lautesten  Opponentinnen  nach  Lothringen 
zurück,  unter  dem  Vorgeben,  sie  hätten  während  des  Krieges  ver- 
dächtige Correspondenzen  unterhalten  und  das  Kloster  habe  kaum 
für  die  Einheimischen  genug.  Die  Nonnen  wandten  sich  an  Inno- 
cenz XL,  und  dieser  cassirte  in  einem  Breve  vom  7.  Aug.  1680  die 
Ernennung  der  Grandchamp  und  wies  die  Nonnen  an,  eine  Äbtissin 
zu  wählen.  Ein  Arret  du  Conseil,  welches  die  Wahl  verbot,  kam 
erst  an,  als  Catherine  Ang^lique  L^v^que  bereits  gewählt  war.  Das 
Parlament  erklärte  24.  Sept.  die  Wahl  für  nichtig,  der  Papst  aber 
bestätigte  sie  durch  ein  Breve  vom  15.  Oct.  und  fügte,  da  sie  nicht 
vorschriftsmässig  vorgenommen  war,  die  Erklärung  bei,  er  sanire 
sie  a  quocuiique  defectu,    etiam   substantiali.      Das   Parlament   wies 


,    Die  gallioanischen  Artikel  von  16d2.  565 

dieses  Breve  4.  Dec.  zurück.  Mittlerweile  war  der  Parlamentsbe- 
schluBS  vom  24.  Sept.  in  Rom  angekommen;  am  18.  Dec.  erschien 
ein  neues  Breve,  worin  der  Papst  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm. 
1.  sent.  verbot,  gedruckte  oder  geschriebene  Exemplare  des  Arr6t 
de  la  cour  du  parlement  sur  un  bref  du  mois  d^Aoüt  1680,  du  24. 
Sept.  1G80,  zu  lesen  oder  zu  behalten,  und  befahl,  dieselben  an  die 
Bischöfe  oder  Inquisitoren  zum  Verbrennen  abzuliefern.  Das  Par- 
lament unterdrückte  auch  dieses  Breve  29.  Jan.  1681 ,  nachdem  es 
14.  Jan.  das  Kloster,  um  die  Gläubiger  desselben  zuMeden  zu 
stellen,  mit  Genehmigung  des  Erzbischofs  aufgehoben.  Die  19 
Nonnen  wurden  in  andere  Klöster  vertheilt.  Auch  die  Assembl^e 
du  Clerg^  protestirte  1682  gegen  dieses  Breve  (S.  561).  Es  war  in 
Rom  die  Rede  davon ,  dass  der  Papst  ein  weiteres  Breve  erlassen 
wolle;  es  geschah  aber  nicht ^).  —  Das  Arröt  vom  24.  Sept.  1680 
ist  das  erste,  welches  seit  dem  ArrSt  vom  J.  1594  (S.  284)  in  den 
Index  kam. 

Um  eine  ähnliche  Angelegenheit  wird  es  sich  handeln  bei 
Olivier  Patru,  Plaidoyer  pour  dame  Ciaire  Charlotte  de  Rotondis 
de  Biscaras,  nomm^e  par  le  Roy  k  Tabbaye  de  S.  Jean  Baptiste 
de  Moncel,  verb.  1678. 


60.    Die  gallicanischen  Artikel  Yon  1682. 

Die  Assemblöe  du  Glerg^  von  1682  erkannte  nicht  nur 
die  Ausdehnung  des  Regalienrecbtes  an,  sondern  erliess  auch 
19.  März  1682  die  bekannte  Declaration: 

1.  Dem  Papste  ist  von  Gott  keine  Gewalt  über  bürgerliche 
und  weltliche  Dinge  übertragen.  Die  Könige  und  Fürsten  sind  in 
weltlichen  Dingen  keiner  kirchlichen  Gewalt  unterworfen  und  sie 
können  nicht  durch  die  Schlüsselgewalt  der  Kirche  direct  oder  in- 
direct  abgesetzt  oder  ihre  Unterthanen  von  Treue  und  Gehorsam 
und  von  dem  Treueide  entbunden  werden.  —  2.  Der  Papst  hat  die 
volle  Gewalt  in  geistlichen  Dingen  in  der  Weise,  dass  die  Be- 
schlüsse der  4.  und  5.  Sitzung  des  Constanzer  Concils  in  Kraft 
bleiben;  die  französische  Kirche  erkennt  nicht  an,  dass  diese  von 
zweifelhafter  Autorität  oder  nur  für  die  Zeit  des  Schismas  erlassen 
seien.  —  3.  Der  Gebrauch  der  apostolischen  Gewalt  ist  durch  die 
Canones  zu  normiren  (moderandum);  auch  die  von  der  franzöischen 
Monarchie  und  Kirche  recipirten  Regeln,  Gewohnheiten  und  Ein- 
richtungen sind  in  Kraft.  —  4.  Auch  in  Glaubensfragen  kommt 
dem  Papste  eine  hervorragende  Bedeutung  zu  (praecipuas  Summi 
Poutificis  esse  partes)    und  gehen    seine  Decrete   alle    und    jegliche 


1)  Avr.  3,  löO.   Phillips  S.  289.  360.    Michaud  3,  330. 


566  Die  gallicanischen  Artikel  von  1682.  • 

Kirchen  an;  sein  Urtheil  ist  aber  nicht  irreformabel,  wenn  nicht  die 
Zustimmung  der  Kirche  hinzugekommen  ist. 

Die  Declaration  wurde  durch  ein  am  23.  März  1682  vom 
Parlamente  einregistrirtes  Edict  Ludwigs  XIV.  bestätigt.  —  Man 
dachte  in  Rom  daran,  die  Declaration  durch  eine  Bulle  zu  ver- 
dammen; —  eine  Qualification  der  vier  Artikel  war  schon  ent- 
worfen :  der  2.  wurde  als  temerär  und  irrig,  der  4.  als  sich  der 
Ketzerei  annähernd  bezeichnet;  —  indess  weder  Innocenz  XI. 
noch  einer  seiner  Nachfolger  hat  vor  dem  Jahre  1870  eine  solche 
Bulle  erlassen.  Aber  ein  Breve  Alexanders  VIII.  vom  J.  1691 
erklärte  die  Beschlüsse  der  Versammlung  von  1682  sammt  den 
auf  Grund  derselben  erlassenen  Edicten  fUr  null  und  nichtig, 
und  in  indirecter  Weise  gaben  auch  sonst  vielfach  die  Päpste 
ihre  Missbilligung  des  Inhaltes  der  Declaration  zu  erkennen, 
namentlich  durch  das  Verbot  von  Bttchern,  in  welchen  derselbe 
vertheidigt  wurde.  Durch  besondere  Breven  Innocenz'  XL 
wurden  verboten  Bttcher  von  Natalis  Alexander  (1684),  Maim- 
bourg  (1685),  Dupin  (1688),  von  der  Inquisition  bezw.  Index- 
Congregation  Schriften  von  dem  Bischof  Ghoiseul  von  Tour- 
nay,  Borjon,  Claude  Fleury,  Fevret,  Amauld  u.  a.  Als  1730 
Bossuets  Vertheidigung  der  Declaration  von  1682  erschien,  dachte 
man  daran,  das  Buch  zu  verbieten,  unterliess  es  aber  aus  Zweck- 
mässigkeitsgründen. 

1.  Mitglieder  der  Assembl^e  du  Clerge  waren  je  zwei  Bi- 
schöfe und  je  zwei  Priester  aus  jeder  der  17  Kirchenprovinzen  ^).  Die 
Declaration  war  von  Bossuet  verfasst.  Sie  wurde  von  der  Assem- 
hlie  mit  einem  Begleitschreiben  vom  19.  März  allen  französischen 
Bischöfen  übersandt.  —  In  dem  Ediete  Ludwigs  XIV.  vom  23.  März 
1682  wird  u.  a.  verordnet:  1.  Es  darf  niemand  etwas  dieser  Lehre 
Widersprechendes  lehren.  2.  Die  Lehrer  der  Theologie  an  der 
Universität  müssen  die  Declaration  unterschreiben.  3.  In  allen 
Collegien  der  Universität  muss  die  Lehre  der  Declaration  alljährlich 
bezw.  alle  drei  Jahre  einmal  vorgetragen  werden.  4.  Bei  allen 
,  Promotionen  in  der  Theologie  oder  im  Kirchenrechte  ist  in  einer 
These  diese  Lehre  zu  verth eidigen.  —  In  einem  Schreiben  an  Inno- 
cenz XI.  vom  4.  Mai  1682  bat  die  Assembl^e,  ohne  die  vier  Ar- 
tikel ausdrücklich  zu  erwähnen,  den  Papst,  nicht  zu  dulden,  dass  das 
verletzt  oder  beeinträchtigt  werde  (convelli  aut  minui),  was  die 
französische  Kirche  auf  Grund  der  Gewohnheit  und  eines  alten  Be- 

1)  Phillips,  Regalienrecht  8.  327.  Michaud,  4,  67.    Coli.  Laa  1.  793. 


Die  gallioanisohen  Artikel  von  1682.  667 

sitzstandes  vertheidige,  die  ürtheile  der  Bischöfe,  die  Jurisdiction 
der  Metropoliten  und  Bischöfe,  die  Rechte  des  Reiches,  die  Frei- 
heiten der  Kirchen. 

Innocenz  XI.  verweigerte  allen  Theilnehmern  der  Versammlung 
von  1682,  die  von  dem  Könige  zu  Bischöfen  ernannt  wurden,  die 
BestätigungshuUen ;  der  König  nahm  seinerseits  die  Bestätigungs- 
bullen für  andere  Bischöfe  nicht  an,  so  lange  sie  nicht  auch  jenen 
bewilligt  würden.  So  waren,  als  Innocenz  XI.  12.  Aug.  1689 
starb,  35  Diöcesen  ohne  Bischöfe;  sie  wurden  aber  von  den  er- 
nannten als  Capitularvicaren  verwaltet. 

Die  Spannung  zwischen  der  französiscben  Regierung  und  der 
Curie  wurde  noch  vergrössert,  als  Innocenz  XI.  durch  eine  Bulle 
vom  7.  Mai  1687  das  Asylrecht  für  die  Quartiere  der  fremden  Ge- 
sandten in  Rom  (les  franchises)  aufhob  und  im  Verlaufe  des  da- 
rüber entstandenen  Streites  den  französischen  Gesandten  Marquis  de 
Lavardin  excommunicirte  und  auf  die  Kirche  St.  Louis  in  Rom  das 
Interdict  legte.  Das  Pariser  Parlament  erklärte  23.  Jan.  1688 
auf  den  Antrag  des  Generalprocurators  Talon  diese  Massregeln  für 
null  und  nichtig  und  appellirte  an  ein  allgemeines  Concil.  Ludwig  XIV. 
Hess  im  Sept.  Avignon  und  Venaissin  besetzen  und  den  Nuncius 
in  seinem  Hause  bewachen.  —  Innocenz  XI.  Hess  Sätze  aus  dem 
ParlamentsbeschluBse,  dem  Plaidoyer  Talons  und  der  Erklärung  La- 
vardins  qualificiren,  und  eine  besondere  Congregation  von  7  Car- 
dinälen  erklärte  nach  Anhörung  der  Qualificatoren  eine  Reihe  von 
Sätzen  aus  den  drei  Actenstücken  für  falsch,  . .  .  für  fromme  Ohren 
verletzend,  gegen  den  Papst  injuriös  und  beschimpfend.  Der  Plan, 
eine  Bulle  darüber  zu  erlassen,  kam  aber  nicht  zur  Ausführung^). 

Dem  Nachfolger  Innocenz'  XL,  Alexander  VIII.,  der  6.  Oct. 
1689  gewählt  wurde,  gab  Ludwig  XIV.  Avignon  und  Venaissin  zu- 
rück ;  auch  verzichtete  er  auf  die  Franchises.  Bezüglich  der  De- 
claration  einigte  man  sich  dahin,  der  König  solle  dem  Papste  er- 
klären, dass  er  sein  Edict  vom  23.  März  1682  nicht  aufrecht  er- 
halte, und  die  von  ihm  ernannten  Bischöfe  zu  der  Erklärung  anhalten, 
sie  hätten  nicht  beabsichtigt,  etwas  zu  definiren,  was  dem  h.  Stuhle 
missfällig  sein  könne.  Während  man  aber  über  die  Fassung  dieser 
Erklärungen  verhandelte,  Hess  der  Papst  4.  Aug.  1690  durch  den 
Cardinal  Albani  ein  Breve  entwerfen,  worin  er  „nach  Anhörung 
mehrerer  mit  der  Prüfung  dieser  Angelegenheit  speciell  beauftragter 
Cardinäle,  Theologen  und  Canonisten  aus  eigenem  Antriebe  .  .  .  und 
kraft  der  Fülle  seiner  apostolischen  Gewalt  alles  und  jegliches, 
was  bezüglich  der  Ausdehnung  des  Regalienreohtes  und  der  Decla- 
ration  über  die  kirchliche  Gewalt  und  der  in  dieser  Declaration 
enthaltenen  vier  Sätze  auf  der  Versammlung  vom  J.  1682  verhan- 
delt und  beschlossen  worden,  sammt  allen  und  jeglichen  Edicten 
und  Beschlüssen  (arrestis),  die  von  irgendwelchen  Personen  darüber 
veröffentlicht  worden,  für  ipso  jure   null  und    nichtig   erklärt.**  Das 


1)  A.  J.  P.   11,  319.    Michaud  3,  8.  58.  71;  4,  273. 


568  Die  gallicanischen  Artikel  von  1682. 

Breve  wurde  aber  vorerst  nicht  publicirt.  Erst  am  31.  Jan.  1691, 
am  Tage  vor  seinem  Tode  Hess  der  Papst  es  den  zwölf  in  Kom 
anwesenden  Cardinälen  vorlesen  und  befahl  die  Veröffentlichung. 
Unter  dem  30.  Jan.  richtete  er  ein  entsprechendes  Breve  an  den 
König.  (Am  7.  Dec.  1690  hatte  die  Inq.  einen  gallicanischen  Satz 
verdammt;  S.  516.)  Der  König  verbot  dem  Parlamente,  von  dem 
Breve  vom  4.  Aug.  1690  Notiz  zu  nehmen,  und  liess  unter  Inno- 
cenz  XII.,  der  erst  5  Monate  nach  dem  Tode  seines  Vorgängers, 
12-  Juli  gewählt  wurde,  weiter  verhandeln.  1693  kam  es  endlich, 
nachdem  über  die  Fassung  der  betreffenden  Schriftstücke  vielfach 
hin  und  her  verhandelt  worden  (Phillips  S.  383.  390.  Michaud 
4,  132),  zu  einem  Ausgleich.  Ludwig  XIV.  schrieb  14.  Sept.  an 
den  Papst:  er  habe  die  nöthigen  Befehle  ertheilt,  dass  die  Bestim- 
mungen seines  Edictes  vom  22.  März  1682,  zu  denen  er  durch  die 
damaligen  Verhältnisse  genöthigt  worden  sei,  nicht  mehr  beobachtet 
würden,  und  die  betreffenden  Bischöfe  schrieben  an  den  Papst:  sie 
bedauerten,  was  auf  der  Versammlung  von  1 682  geschehen  sei  und 
sähen  das,  was  als  auf  derselben  bezüglich  der  kirchlichen  Gewalt 
und  der  päpstlichen  Autorität  beschlossen  hätte  angesehen  werden 
können  (decretum  censeri  potuit),  als  nicht  beschlossen  an,  —  wo- 
rauf sie  ihre  Bullen  erhielten  (Phillips  S.  428.  434). 

Mit  diesen  diplomatischen  Erklärungen  wurden  aber  nicht  die 
der  Declaration  zu  Grunde  liegenden  Anschauungen  aufgegeben  (Phil- 
lips S.  430).  Das  Edict  vom  22.  März  1682  war  durch  die  Ein- 
registrirung  Gesetz  geworden  und  wurde  von  dem  Parlamente  fort- 
während als  gültig  angesehen,  und  auch  die  Curie  wurde  darüber 
gar  nicht  im  Unklaren  gelassen,  dass  man  jene  Anschauungen  nicht 
aufgegeben.  Als  der  Abb6  de  Saint- Agnan  1718  zum  Bischof  von 
Beauvais  ernannt  worden  war,  verweigerte  Clemens  XI.  die  Bestä- 
tigung, weil  derselbe  1705  in  einer  These  die  vier  Artikel  verthei- 
digt,  und  verlangte  vorher  eine  Retractation.  Darauf  schrieb  Ludwig 
XIV.  dem  Card,  de  la  Tremoille  7.  Juli  1713,  mit  dem  Auftrage, 
dieses  dem  Papste  mitzutheilen :  „Innocenz  XII.  hat,  als  ich  die 
unter  Innocenz  XI.  begonnenen  Streitigkeiten  mit  ihm  ausglich,  von 
mir  nicht  verlangt,  dass  ich  die  durch  die  Declaration  geheiligten 
Grundsätze  der  französischen  Kirche  aufgeben  solle;  er  wusste,  dass 
dieses  Verlangen  vergeblich  sein  würde^'  (d'Aguesseau  13,  424). 
Fin^lon  schrieb  in  derselben  Sache  12.  Juli  einen  Brief  an  P.  Dau- 
benton, worin  es  heisst:  „Abbä  de  Saint-Aignan,  ein  Bruder  de« 
Ministers  Duc  de  Beauvilliers,  ist  sehr  päpstlich  gesinnt  und  in 
Saint  Sulpice  erzogen.  Die  These  hat  er  vertheidigen  müssen,  weil 
der  Kanzler  einen  Befehl  des  Königs  erwirkt  hatte  und  man  sonst 
den  Abb6,  das  Seminar  von  St.  Sulpice  und  andere  gutgesinnte 
Personen  bei  dem  Könige  verdächtigt  haben  würde.  Aehnlich  ist 
es  dem  Neffen  des  Bischofs  von  Chartres  (de  Merinville)  ergangen, 
der  1709  zu  dessen  Nachfolger  ernannt  worden  und  dem  der  Papst 
die  Bullen  nicht  verweigert  hat.  (P.  Timothie  de  la  Flfeche  schrieb 
an  Clemens  XI.:  „Sie  haben  schon  mehr  als  30  Bischöfe  und  Aebte 
bestätigt,  obschon  sie  dieselbe  Lehre  vorgetragen  wie  de  Saint- Ag- 


Die  gallicaiiischeji  ^Vrtikel  von  1682.  569 

nan,  den  die  Jansenisten  in  Rom  denuncirt  haben,  um  Sie  mit  dem 
Könige  zu  brouilliren".)  Vor  1672  durfte  an  der  Sorbonne  die 
eine  oder  die  andere  Ansicht  vertheidigt,  nur  nicht  die  souveräne 
Gewalt  des  Königs  in  weltlichen  Dingen  bestritten  werden;  Saint- 
Agoan  hat  also  nur  von  dieser  alten  Freiheit,  über  welche  sich  Kom 
früher  nie  beklagt  hat,  Gebrauch  gemacht.  Die  Jansenisten  suchen 
den  Papst  und  den  König  zu  entzweien,  um  der  Bulle,  die  man  vor- 
bereitet, und  allen  dogmatischen  Entscheidungen,  die  von  dem  Mit- 
telpunkte der  Kirche  ausgehen  müssen,  den  Weg  zu  versperren. 
Man  macht  Rom  verhasst,  indem  man  sagt,  es  dulde  die  Bezwei- 
felang seiner  Unfehlbarkeit  nicht,  mit  welcher  es  seine  Gewalt, 
Könige  zu  entthronen,  unzertrennlich  verknüpfen  wolle.  Der  König 
ist  gemässigt,  fromm  und  dem  h.  Stuhle  ergeben;  aber  man  sucht 
ihm  einzureden,  seine  Autorität  werde  in  den  Grundfesten  erschüt- 
tert werden,  wenn  man  die  Bestrebungen  der  Ultramontanen  nicht 
unterdrücke.  Nichts  ist  so  gefährlich  wie  ein  plausibeler  Vorwand 
unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen,  wo  es  sich  um  die  einfache 
Annahme  einer  Bulle  handelt,  um  die  gefährlichste  Ketzerei  mit 
der  Wurzel  auszureissen.  Der  Papst  kann  jetzt  freilich  die  These 
Saint-Agnans  nicht  mehr  ignoriren,  aber  man  sollte  einen  Ausweg 
suchen.  Man  sollte  das  festhalten,  was  nach  Bellarmin  de  fide  ist, 
über  das  aber,  was  nicht  dazu  gehört,  die  Meinungen  frei  lassen. '^ 
P.  Daubenton  antwortete  F6nelon  9.  Sepr.,  er  habe  seinem  Auftrage 
entsprechend  dem  Papste  seinen  Brief  mitgetheilt,  und  dieser  habe 
Saint -Agnan  (ohne  Widerruf)  bestätigt  (Corr.  de  F^nelon  4,  302. 323). 
Crit.-Joly  4,  294  sagt:  man  glaube,  Ludwig  XIV.  habe  die  Je- 
suiten, die  ihm  wahrend  des  Eegalienstreites  Dienste  geleistet,  von 
der  Unterzeichnung  der  vier  Artikel  dispensirt,  obschon  P.  La 
Chaise  nicht  gewollt,  dass  man  zu  ihren  Gunsten  eine  Ausnahme 
mache;  er  fügt  aber  bei:  „Jedenfalls  hätten  sie  dieselben  unter- 
zeichnet, wenn  man  es  verlangt  hätte,  wie  sie  dieselben  denn  ja 
1761  wirklich  unterzeichnet  haben.  Die  vier  Artikel  sind  nie  als 
ketzerische  Lehre  verdammt  worden.  Die  Päpste  haben  sich  eines 
definitiven  und  feierlichen  Urtheils  enthalten;  sie  haben  nur  wieder- 
holt die  Declaration  von  1682  cassirt  und  annullirt  als  einen  Act 
des  französischen  Clerus,  durch  welchen  eine  bestimmte  Lehre  vor- 
geschrieben und  die  entgegengesetzte  Lehre,  welche  die  in  der 
Kirche  am  allgemeinsten  angenommene  ist,  verdammt  wurde,  womit 
eine  einfache  Versammlung,  die  kein  Goncil  war,  sich  die  Rechte 
des  Papstes  und  der  allgemeinen  Kirche  anmasste."  —  Pius  VI.  tadelt 
es  in  der  Bulle  Auctorem  fidei  vom  J.  1794  in  den  schärfsten  Aus- 
drücken, dass  die  Synode  von  Pistoja  die  Declaration  von  1682  in 
ein  Decretum  de  fide  aufgenommen,  und  sagt:  „Die  Acten  der  As- 
sembl^e  sind  gleich  nach  dem  Erscheinen  durch  ein  Breve  Inno- 
cenz*  XL  vom  11.  Apr.  1682  und  ausdrücklicher  durch  die  Con- 
stitution Alexanders  VIII.  vom  4.  Aug.  1690  für  null  und  nichtig 
erklärt  worden;  um  so  mehr  müssen  Wir  die  Adoption  derselben 
durch  die  Synode  von  Pistoja  als  temerär,  ärgemissgebend  und, 
namentlich   nach    den  Decreten  Unserer  Vorgänger,    für  den  aposto- 


570  Die  gallicanischen  Artikel  von  1682. 

lischen  Stuhl  im  höchsten  Grade  injuriös  verwerfen  und  verdammen^'. 
Aber  noch  am  27.  Sept.  1820  hat   die  Römische  Poenitentiarie  auf 
die  Anfrage  eines  Beichtvaters,  ob  er  einen  Priester  absolviren  dürfe 
und  müsse,    der  sich  weigere,    sich    der    von  dem  h.  Stuhle    ausge- 
sprochenen Verdammung  der  vier  Artikel  zu  unterwerfen,    die  Ant- 
wort ertheilt:    „Die  Declaration    der  Assemblee    von   1682  ist  zwar 
vom  apost.  Stuhle  missbilligt  und    die  Acte  derselben  sind  für  null 
und  nichtig  erklärt  worden ;  aber  die  in  jener  Declaration  enthaltene 
Doctrin  ist  nicht  ceuHurirt  worden   ^doctrinae  nulla  nota  theologicae 
censurae  inusta);  darum  steht  nichts  im  Wege,  jene  Geistliche,  welche 
in  gutem  Glauben   und  aus  Ueberzeugung  jener  Lehre   noch  anhan- 
gen, loszusprechen,  vorausgesetzt,  dass  sie  sonst  der  Lossprechnng  wür- 
dig sind"  (Roskovany,  Rom.  Pont.  4,  67).  —  Was  speciell  die  päpst- 
liche Unfehlbarkeit  angeht,  so  schrieb  Fen^lon  im  J.  1704  an  Card  - 
Gabrielli:    Sie  wird  nicht  anerkannt  von  den  Parlamenten,    von  der" 
Bischöfen  und    von    den  Gelehrten    mit    sehr    wenigen    Ausnahmen 
Si  Pontificiam  infallibilitatem  asseras,    uno  totius  gentis  et  cleri  or 
proscriberis ;  si  reticeas,  Romae  damnaberis  (Oeuvres  2,  420). 

Die  Sorbonne  hielt  an  der  Erklärung  von  1668  (S.  552)  fest  -:M  ^t, 
welche  die  Grundlage  der  Declaration  von  1682  ist,  und  wenn  man-»' -^^ 
von  Bossuet  den  Satz  anfuhrt  (aus  der  Defensio,  Diss.  praevia  n.  10):  <L  ^)' 
Abeat  declaratio  quo  libuerit;  non  enim  eam  tutandam  hie  susci-  m^^^' 
pimus,  so  sollte  man  nicht  unterlassen,  die  zweite  Hälfte  des  Satzes  ^^  «^^ 
mit  zu  citiren :  manet  inconcussa  et  censurae  omnis  expers  prisc&s  ^^  *p* 
illa  sententia  J'arisiensium. 

Am  4.  Dec.  1681   vertheidigte  der  Carmeliter  Buhy  eine  These^^  «3^, 
worin  die  Sätze  vorkamen:  Es  gibt  Kirchengesetze,  denen  der  Papsr ^*  «»t 
unterworfen  ist;  er  kann  nicht  immer  von  den  Canones  dispensirenr    ät«!; 
er  kann    nicht  Könige  absetzen    und   den   Geistlichen    ihrer   Reiche  «rftc 
Steuern  auflegen;    die  Bischöfe    haben   ihre  Jurisdiction    von   Gt)tt;     ^^\ 
die  Sorbonne  hält  den  Papst  nicht  für  unfehlbar  und  über  dem  Con—  ä^«* 
eil  stehend ;    das  Regalienrecht   ist    weder  eine  Chimäre    noch    eine^^  ^^ 
Usurpation.     Der  Papst    suspendirte   den  Mönch   und   der  Prior  er — ^rM"^ 
hielt    den  Auftrag,    ihm   dieses    zu    insinuiren.      Der  König    vcrboP"  ^^^ 
dieses,    und    Buhy    beachtete    die  Suspension    nicht.     Seine    Oberen*""*^'" 
verhängten  nun  Censuren   über  ihn ;    aber  das  Parlament   nahm  ihnc^  ^ 
14.  April  1682   in  Schutz   und  ertheilte   den  Oberen  einen  Verwei«^^^  ^* 
(Avr.  o,  200).    —    Im  Nov.  1683    wurde    der    Dominicaner    Franc —  "^• 
Malagola,  der  eine  These  S.  Petro,  Dei  vicario,  omnia  liganti  et  sol-^ — '  -** 
venti  in  terris  et  in  coelis,  i.  e.  tenenti  apicem  utriusque  potestatis,  ge-  — '  '^' 
widmet  und  eine  ihm  von  der  Sorbonne  vorgelegte  Erklärung  zu  unter-        '  *" 
zeichnen  verweigerte,  in  der  Liste  der  Baccalaurei  gestrichen  (Arg.    ^ 
III  a  141.  Michaud  2,  416;  4,  151).     Im  Mai  1683  erklärte  die  Fa-    -^" 
cultät  auf   eine    Anfrage    des   Parlamentes,    der  (in   der   zu  Lüttich     ^^ 
erschienenen    Schrift:    Ad   III.   et   Rev.    Galliae    episcopos.     Disqui-  ' 

sitio    theologico-juridica    super    declaratione   cleri    gallic.    facta   19.     ^^' 
Martii  1682  per  quendam  S.  Theol.  Prof.  enthaltene)  Satz:  Ad  solam 
Sedem    apost.   divino   immutabili   privilegio   spectat  de  controvermii^ 
ßdei  judicare,    sei,    sofern   darin  den   Bischöfen  und  den  Concilien, 


i 


J.  Th.  de  Rocaberti.  L.  £.  Dupin.  571 

auch  den  allgemeinen,  die  Autorität,  die  sie  unmittelbar  von  Chri- 
stas hätten,  abgesprochen  werde,  temerär,  irrig,  dem  kirchlichen 
Q-ebranche  zuwider,  dem  Worte  Gottes  widersprechend  und  eine 
Erneuerung  einer  schon  früher  von  der  Facultät  verworfenen  Lehre. 
Das  Buch  wurde  darauf  23.  Juni  vom  Parlamente  verboten,  gleich- 
zeitig mit  einem  „fliegenden  Blatte",  welches  ein  Decret  des  Erz- 
bischofs  von  G-ran  (Strigonia)  über  die  Declaration  enthalte  (Arg. 
III  a  147.  Michaud  4,  104.  108.   111). 

Auch  nach  dem  J.  1693  verbot  das  Parlament  wiederholt  Schrif- 
ten gegen  die  Declaration.  Der  Dominicaner  Jo.  Thomas  de  Rocaberti 
de  Perelada  (1624—99),  seit  1676  Erzbischof  von  Valencia  und  Ge- 
neral-Inquisitor, veröffentlichte  1691 — 94  unter  dem  Titel  De  Rom. 
Pontificis  auctoritate  ein  dem  Papste  gewidmetes  Werk,  worin 
die  päpstliche  Unfehlbarkeit  und  Gewalt  in  weltlichen  Dingen  in 
drei  Foliobänden  vertheidigt  wird.  Im  2.  und  3.  Bande  sind  be- 
lobende Breven  vom  30.  Jan.  1693  und  21.  Nov.  1694  abgedruckt. 
Bossnet  schrieb  darüber  1695  für  Ludwig  XIV.  ein  Gutachten  (33, 
661),  worin  es  heisst:  nachdem  ein  Ausgleich  mit  Rom  zu  Stande 
gekommen  und  der  Papst  sich  mit  den  Erklärungen  der  Bischöfe 
zufrieden  gegeben,  erneuere  dieser  Prälat  den  Streit;  er  behandle 
die  Ansicht  von  der  Fehlbark eit  des  Papstes  als  ketzerisch,  die  von 
der  Unabhängigkeit  der  Könige  in  weltlichen  Dingen  als  gottlos, 
Rchismatisch  und  ketzerisch,  erlaube  sich  heftige  Angriffe  gegen  die 
Franzosen  und  speciell  gegen  den  König  und  fordere  den  Papst  auf, 
mit  kräftigen  Mitteln  den  Uebeln  zu  steuern,  von  denen  Frankreich 
bedroht  sei.  Die  Approbatoren  sprächen  wo  möglich  noch  heftiger; 
einer  derselben  wende  das  0  felix  Adae  peccatum  auf  das  Buch  an: 
heareuse  fante  du  clerge  de  France  qui  a  merit6  d'avoir  Till.  Ro- 
caberti ponr  adversaire.  Es  empfehle  sich  nicht,  meint  Bossuet, 
das  Buch  durch  die  Sorbonne  censuriren  zu  lassen,  da  diese  sich 
schon  wiederholt  über  die  Sache  ausgesprochen  habe  und  eine  neue 
Erklärung  der  Curie  Anlass  zu  einem  neuen  Zank  geben  könne; 
aber  das  Parlament  müsse  das  Buch  verbieten,  solle  aber  in  dem 
Arr^t  alles  Injuriöse,  das  Anordnen  des  Verbrennens  des  Buches 
durch  Henkershand  u.  dgl.  vermeiden.  Auch  könne  man  den  Papst 
um  Erklärungen  über  seine  Belobungsbreven  bitten  und  ersuchen, 
zu  verbieten,  dass  Frankreich  und  seine  Geistlichkeit  als  ketzerisch 
und  schismatisch  behandelt  wurden,  widrigenfalls  französische  Schrift- 
steller ihr  Land  vertheidigen  müssten.  —  Eine  solche  Bitte  wäre 
ohne  Zweifel  erfolglos  gewesen.  Rocaberti  wurde  allerdings  nicht 
Cardinal,  —  Innocenz  XL  hatte  den  Benedictiner  Joseph  Saenz  de 
Agnirre  1686  zum  Cardinal  ernannt,  weil  er  der  erste  gewesen,  der 
gegen  die  Declaration  geschrieben  (Michaud,  4,  125), —  aber  1695 — 
99  wurden  in  Rom  die  21  Foliobände  seiner  Bibliotheca  pontificia 
gedruckt  (Hurter  2,  352).  Vom  Parlamente  aber  wurde  das  (erste) 
Werk  von  Rocaberti  1695  verboten. 

2.  Ueber  Natalis  Alexander  und  Maimbourg  s.  §  61.  Durch 
ein  Breve  vom  12.  Jan.  1688  wurde  verb. :  De  antiqua  Ecclesiae 
disciplina    dissertationes  historicae  auth.  Lud.   Ellies  Dupin,    Par. 


572  Die  gallicaniüchcn  Artikel  von  1682. 

I    B 
1686.     Die   7  Dissertationen   sind    hauptsächlich  gegen   Chr.  Lupus  I    T 

(De  appellationibus)  und  A.  Charlas  gerichtet.     Das  Buch  ist  Talon 
gewidmet    und     von    7    Doctoren    approbirt;     auf    Betreiben     des 
Nuncius  verbot  der  Kanzler  den  Verkauf  desselben  und  ordnete  eine 
nochmalige  Kevision  an,    worauf  es   freigegeben   wurde.     Auch  Ma-         1    I* 
billon  meinte,  Dupin  sei  zu  weit  gegangen  ^).  —  Eine  von  ihm  ano-         |    ^^ 
nym    herausgegebene   Schrift   —  über    die   nicht   kirchenrechtlichen 
Schriften  s.  §  61   —  Traite    de  la  puissance   eccl^s.    et  temporelle, 
1707,  wurde  durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  14.  Mai  1708  (Bull.  12, 
466)  verb.,    unter  Androhung  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  und 
überhaupt    in  den  gewöhnlichen  Formen   (nur  dass  nicht  von  einem 
Verbrennen    des  Buches    die  Eede  ist).     Es  ist    ein  Commentar   zu 
der  Declaration,  zunächst   für  junge  Theologen,   die   sie  zu  verthei — 
digen  hätten  (Dupin  1 9,  404) ;  es  ist  wiederholt  neu  herausgegeben  ^ 
noch  1768    von  Abb^    Dinouart    mit  Dupins    Namen    (Schulte  3,  1^ 
634).     Von  Dupin  ist  auch  Trait^  bist,  des  excommunications,  dan^v 
lequel    on    expose   Tancienne  et    la  nouvelle  discipline   de  Yigh 
sujet  des  excomm.  et  des  autres  censures,  Par.  1715,  12.,  verb.  1722 

Nicht  durch  ein  Breve,  sondern  durch  ein  Decret  der  Inq. 
23.  Oct.  1688  wurde  eine  kleine  Schrift  des  Bischofs  von  Touma};^ . 
verb.:     Epistola     111.     et    Rev.    Gilberti    Chojseul    du     Plesais--^ 
Praslin,    Episc.  Tornacensis,    ad  D.  Martinum  Stejaert  de  potestat^d 
ecclesiastica.    Insulis  1688.     Choiseul   war  ein  hervorragendes  Mit;S' 
glied  der  AssembUe  von  1682;  seine  Schrift  ist  gegen  die  Poaitio  «::^ 
nes    de  Pontifice  Eom.,    Löwen  1687,    gerichtet,    die    der    Löwener^ 
Professor  M.  Steyaert   gegen  den    Pf.  öilles  de  Witte  geschrieben  m~b 
und  bekämpft  namentlich    die  päpstliche  Unfehlbarkeit.     Card.  d'Es 
tr^es  schrieb  über  das  Verbot  an  Ludwig  XIV;    „Das  Decret  wir»' 
dem  Werthe  des  Buches  keinen   Eintrag   thuen   und    dem  Verfasset  < 
sehr  gleichgültig  sein^^;    zugleich  schickte  er  dem  Könige  den  Ent-^ 
wurf  zu  einem  Beschwerdeschreiben,  welches   Choiseul  an  den  Papst  ^ 
richten  könne    und  worin  u.  a.  gesagt  war:    die  Cardinule  der  Inq 
pflegten  sich  nicht  die   Mühe  zu  nehmen,    die    incriminirten   Büchei 
selbst  zu  lesen,    sich    vielmehr  auf   den  Bericht   der  Theologen 
verlassen.      In   dem    Schreiben,    welches    Choiseul    wirklich  3.  Jan. 
1689  an  den  Papst  richtete,  heisst  es:  „Ich  kenne  den  grossen  Un-^ 
terschied  zwischen  den  Decreten  der  Inq.  und  päpstlichen  Constitu — 
tionen    und  ich    weiss,    dass  die  Bücher,    welche  jene  Gongregation  m 
verdammt,  darum  von  verständigen  Leuten  nicht  geringer  geschfitzt:^'  ^* 
werden,  namentlich  wenn  sie  dieselben  verbietet,  ohne  den  Vcrfasser-"^^^  ^^ 
gehört   zu   haben    oder  ohne   einen    bestimmten  Irrthum    antugeben..^ 
Darum    hat    mich    das    Decret    der  Inq.    wenig  gerührt.  .  .  .   Man 
zählt  mich  seit  42  Jahren  zu  denjenigen,   welchen  der  h.  Geist  die 
Leitung   der  Kirche   anvertraut  hat  und   welche  Ew.  Heiligkeit  als 
Brüder   zu    bezeichnen  geruhen :    werden  Sie   dulden,    dass  Ihre  In- 
quisitoren Ihren  Namen  missbrauchen,  einen  Bischof  und  einen 


1)  Valery  1,  326.  332.  835.    Ariiauld  2,  734.    Dupin  19,  176. 


G.    Choyseul.    f.  Descliainps.    Ch.  E.  Borjon.    Cl.  Fleury.  678 

Brüder  nngehört  zu  verdammen?"  (Michaud  4,  254.  Journ.  d.  Sav. 
16  88,  249).  Die  Veröffentlichung  des  Inquisitionsdecretes  wurde 
von  dem  Pariser  Parlamente  17.  Dec.  1688  verboten.  Choiseul 
t  1690.  —  Eine  zweite  Schrift  gegen  Steyaert,  Epistola  D.  Felicia 
Deschamps,  Relig.  S.  Amandi,  S.  Th.  Lic,  nuper  Eegii  in  Acad. 
Dnac.  Philos.  et  in  monasterio  S.  Theol.  Prof.,  ad  M.  Steyaert  de 
Summo  Pontifice  ejusqne  potestate,  wurde  1689  von  der  Inq.  verb. 

Die  Index  -  Congr.  verbot  ausser  einigen  Büchern  von  Boilean 
und  Launoy  im  J.  1690  (unter  Alexander  VIII.)  den  ersten  Band 
von  des  Juristen  Charles  Emmanuel  Borjon  (1633 — 91)  Compila- 
tion  du  droit  romain,  du  droit  fran^ais  et  du  droit  canonique,  ac- 
commod^e  ä  Tusage  d'^k  präsent.  Der  Band  handelt:  des  dignites 
eccl^s.,  du  pape,  des  patriarches,  des  cardinaux.  1700  wurde  das 
ganze  Werk,  Paris  1676,  4  vol.  12.,  verb.  —  Unter  Innocenz  XII. 
verbot  die  Index-Congr.  21.  April  1693,  also  während  der  Verhand- 
lungen über  den  Ausgleich:  Institution  au  droit  eccl6siastique  par 
M.  Claude  Fleury,  3  parties,  1688.  Das  Buch  war  schon  1676 
ersobienen  unter  dem  Titel:  Inst,  du  droit  eccl.  de  France,  compos^e 
par  feu  M.  Charles  Bonel,  Dr.  en  droit  can.  a  Langres  (fingirter 
Name),  et  revue  avec  sein  par  M.  de  Massac,  avocat  an  parlement 
(+1676).  Nach  dem  Verbote  sind  noch  viele  Ausgaben  erschienen; 
das  Buch  ist  in  Frankreich  und  in  lateinischer  Uebersetzung  auch 
in  Deutschland  lange  und  viel  gebraucht  worden  (Schulte,  3,  1, 
628).  —  Viel  mehr  Anstoss  rausste  in  Rom  ein  Buch  erregen,  wel- 
ches erst  nach  Fleury's  Tode  (f  1723)  erschien:  Neuvi^me  discours 
de  M.  Tabb^  Fleury  sur  les  libert^s  de  TEgl.  gallicane,  s.  1.  et  a. 
(1724).  Es  ist  nicht  der  im  20.  Bande  der  Eirchengeschichte  von 
Fleury  versprochene  9.  Discours,  der  über  das  Wiederaufleben  der 
Wissenschaften  seit  dem  14.  Jahrh.  handeln  und  an  die  Spitze  des 
21.  Bande  kommen  sollte,  aber  nicht  erschienen  ist  (Hefele,  Beitr. 
2,  95),  sondern  ein  Discours,  den  Fleury  schon  1690  geschrieben, 
dann  nicht  zu  veröffentlichen  sich  entschlossen,  aber  einige  Jahre 
vor  seinem  Tode  Freunden  abzuschreiben  gestattet  hatte  (Morery, 
Suppl.).  Herausgegeben  war  er  von  Abbe  Louis  Debonnaire,  der 
1750  als  Appellant  starb.  Die  Ausgäbe  wurde  wegen  der  von  die- 
sem beigefügten  Noten  sofort  1724  durch  ein  Arret  du  Conseil  un- 
terdrückt. 1725  wurde  das  Buch  von  der  Inq.  verb.,  und  zwar 
ausdrücklich  der  Discours  und  die  Noten  ^). 

Unter  Clemens  XI.    verbot  die  Inq.  1700   Trait6  de  Tabus  et 


1)  Das  Buch  wurde  noch  mehrere  Male  gedruckt,  —  auch  als  Ma- 
ximes  et  libertes  gallicanes  und  als  Memoire  sur  les  lib.  de  l'egl.  gall., 
—  1763  mit  einem  Commentar  (von  Boucher  d'Argis),  der  selbst  in  den 
N.  E.  1765,  84  als  zu  weitgehend  getadelt  wird  (Nouveau  commentaire 
sur  le  Discours  de  M.  l'abbe  Fleury  touchant  les  lib.  de  l'egl.  gall.,  mis 
k  rindex  Sans  aucune  qualiflcation  .  .  .  Par  M.  Pierre  de  Chiniac  de  la 
Bastide  du  Chaux,  Advocat  au  Pari.  1767*).  Der  Text  differirt  in  den 
verschiedenen  Ausgaben;  er  ist  nach  Fleury's  Handschrift  abgedr.  in  den 
Koaveaux  opuscules  de  M.  l'abbe  Fleury,  par  J.  A.  Emery,  1807. 


574  Die  gallioanischen  Artikel  von  1682. 

du  Trai  snjet  des  appellations  qualifi^es  de  oe  nom  d'abiis,  par  C3uur- 
leB  Fevret,  3.  Ed.  Lyon  1677,  [4.  Ed.  1689*],  2 Fol.     Die  1.  Aus- 
gabe   war    schon    1653    zu    Dijon    erschienen,     wo    der    Verfasser         I  ^ 
Parlamentsadvocat  war  (f  1661).     Bald  darauf  erschien:    Ecclesiast.         \  t^ 
jurisdictionis  vindiciae  adv.  C.  Fevreti  et  aliorum  tractatus  de  abnsu; 
auct.     Dadino  AJtefierra  (Hauteserre,  1703*,  4.  Schulte  3,  1,  689).  — 
L'esprit    de  Gerson  ou    instructions    catholiques  touchant  le  Saint 
Si^ge,  1692,    von    der  Inq.  verb.  1709,   ist   eine    von  Eustache  Le 
Noble,    früher  Generalprocurator  in  Metz  (f  1711),   verfasste  popu- 
läre Yertheidigung  der  gallicanischen  Ansichten,  in  den  beiden  letz' 
ten   Capiteln    des  Droit   de    franchise    und    der  Appellation    an    ei 
allgemeines  Concil^).   1765  verbot  die  Inq.  schärfer  als  das  Origina 
eine  (getreue?)    italienische  Uebersetzung  des  Buches:    Istruzion^r^ 
intomo  la  Santa  Sede,    tradotte  dal  francese:    das  Buch  sei  injariöFsa 
nicht  jiur  gegen    die   weltliche,    sondern  auch   gegen    die  geistliche» 
Gewalt  des  Papstes,    gering  an  Umfang,    aber  malitia,    calamnia  et* 
impudentia  teterrimum;  es  solle  10.  Juli  vor  der  Minerva  verbrannr 
werden,    und    die  Ertheilung    der   Erlaubniss   zum  Lesen    desselbeiur 
dem  Papste  vorbehalten  bleiben  (N.  R.  1765,  198).   —  Im  J.   1801: 
tibersandte    der   Buchdrucker  Varin    eine    neue  Ausgabe   des  Esprir^ 
de  Gerson  dem  damals  in  Paris  versammelten  Nationalconcil.     Macr. 
bemerkte  darin  eine  Stelle,    wo  gesagt  wird:   wenn  ein  allgemeinet 
Concil  nicht  versammelt  sei,   könne  der  Papst  oder  vielmehr  der 
Stuhl  provisorisch  dogmatische  Entscheidungen  geben, —  eine  Aensse 
rung,  die  zu  dem  sonstigen  Inhalte  des  Buches  eben  nicht  paast, 


wies  das  Buch  darum  zurück  und  veranlasste  Yarin,  demselben  ein*  m^k  m:  «ioe 
Erklärung  vorzudrucken  (N.  E.  1801,  66). 

Canonici  juris    institutionum  libri   tres  ad   ecclesiarum  gallica^^^::>ca- 
rum    statnm  accommodati,    op.  et  studio  Franc,  de  R o y e ,    anteeis^  i  "»  es- 
soris  Andegaveusis,   Par.   1681,  12.,    dem  Staatsrath  Bignon  gewi^E»  f  i'd- 
met,    sollte  schon   1684    von  der  Inq.  verboten  werden  (Michaud  4*=-      4, 
140);    warum  dieses  nicht  geschah,    erhellt  nicht.     Verboten  wurd^-fc^'de 
das  Buch  erst  1727;  in  dem  Decrete  wird   die  Ausgabe  Paris  ITIT   -ÄJ7 
genannt;    das    Buch   ist   seit  1684  auch   wiederholt  in    Deutschland  ^ '<d 
gedruckt  (Jugler  1,  435). 

Trait6  de  Tautorit^  du  pape,  dans  lequel  ses  droits  sont  eta- 
blis  et  r^duits  a  leurs  justes  bornes  et  les   principes  des  libert^s  d« 
TEgl.  gall.  justifiez,  par  M.  E.  de  B.,    Haye  172  ,  4  vol.  12.,  verl 
1722  ist    eine  dem  Febronius    ähnliche    Arbeit.     Der  Verfasser    is^  ^^^ 
Jean  L^vesque   de    Buvigny  (1692 — 1785;    Mejer,    Febronius  S.  42?  ■'*'  '^ 
monirt  mit  Recht,  er  heisse  nicht  Burigny,  irrt  aber,  wenn  er  meint,  er^  ^^ 
sei  Bischof  gewesen;    L^vesque  hiess  er).     Eine    neue  Auflage   mit 
einem  5.  Bande  von  Chiniac  erschien  zu  Vienne  (Paris)  1782*). 


it 


1)  Ich  besitze    ein  Exemplar,   in   welchem   auf  dem  Titelblatte  nn 
„L'esprit  de  Gerson.  1691.**    steht,  p.  1:    L'esprit  .  .  .  Siege;   249  8.  12 — 
Das  Buch  erschien  auch  unter   dem  Titel:     Le  boudier  de  Franoe  ou  1 
sentiments  de  Gerson  et  des   canonistes    touchant  les  differends  des 
et  des  reis  de  France. 

2)  Darauf  schrieb    Abbe    J.  Pey  eine  Widerlegung,    die    von  Mgr— 
Brancadoro   1788  ins  Italienische  übersetzt  wurde.    6.  eocl.  4,  86, 


i 


eil.  Fevret.    Arnauld  u.  a.     Bossuets  Defensio.  575 

3.  Arnauld  und  seine  Freunde  standen  in  dem  Streite  über 
die  Franchises  wie  in  dem  über  das  Eegalienrecht  auf  Seiten  des 
Papstes.  Von  den  gegen  Talons  Plaidoyer  erschienenen  Schriften: 
S&flexions  sur  le  plaid.  .  .,  Col.  1688,  und  Refutation  du  plaid.  .  ., 
Haye  1688,  ist  die  erste  von  Gerb#ron  (Haur6au,  Hist.  litt,  du 
Maine  4,  90);  die  zweite  wurde  Arnauld  zugeschrieben,  ist  aber 
nach  Germain  (Valery  2,  152)  von  Genet,  einem  Bruder  des  Bischofs 
von  Yaison,  damals  Uditore  des  Nuncius  Dada  in  England,  den  der 
Papst  1687  zum  Bischof  von  Carpentras  ernennen  wollte,  wogegen- 
die  französische  Regierung  remonstirte  (Michaud  4,  446).  —  Dagegen 
war  Arnauld  ein  entschiedener  Vertreter  der  in  der  Declaration  von 
1682  ausgesprochenen  Lehre.  In  einem  Briefe,  den  er  nach  dem 
Tode  Alexanders  VIII.  schrieb  (Arn.  3,  335),  kommen  folgende 
Ausdrücke  vor:  Le  nepotisme  remis  sur  le  trone,  la  simonie  des 
chapeaux  vendus,  des  enfants  mis  dans  le  S.  College,  le  trouble  mis 
dans  TEglise  par  la  condamnation  de  propositions  ^quivoques  (S.  527), 
la  pemence  d'un  schisme  par  une  bulle  subreptice  publice  la  sur- 
veille  de  sa  mort,  pour  faire  valoir  les  pritensions  insoutenables  de 
la  Cour  de  Rome  et  allumer  le  feu  d*une  fuueste  division  entre  le 
Saint  Si6ge  et  la  plus  savante  eglise  de  la  chretiente.  Arnauld 
missbilligte  es  sogar,  dass  man  von  der  gallicanischen  Lehre  als 
von  einer  zu  duldenden  spreche,  da  sie  von  zwei  allgemeinen  Con- 
cilien  anerkannt  sei;  vielmehr  sei  die  ultramontane  Ansicht  die  bloss 
zu  duldende  (Arn.  3,  429).  Eine  von  ihm  1684  verfasste  Schrift 
gegen  Schelstrate^s  Acta  Concilii  Constant.  etc.,  1683,  die  mit  einem 
Vorworte  von  Petitpied  gedruckt  wurde:  Eclaircissements  sur 
rantoriti  des  conciles  gen^raux  et  des  papes:  ou  explication  du 
vrai  sens  de  trois  decrets  des  sessions  IV.  et  V.  du  concile  g6n.  de 
Constance,  contre  la  dissert.  de  Mr.  de  Schelstrate.  Ouvr.  posth.  de 
M.  t  Dr.  de  Sorb.,  Amst.  1711  (Arn.  11,  1),  wurde  1718  verb.  —Na- 
türlich sind  manche  Bücher  den  Römischen  Censurbehörden  entgan- 
gen, z.  B.  Vindiciae  doctrinae  majorum  scholae  Parisiensis  de  aucto- 
ritate  in  rebus  fidei  et  morum  contra  defensores  monarchiae  univer- 
salis et  absolutae  Curiae  Rom.  11.  4,  Col.  1683,  4.,  —  enthält  eine 
Widerlegung  der  Erklärung  des  Erzbischofs  von  Gran,  Schriften  von 
Richer,  Gerson  u.  s.  w. 

4.  1730  erschien  zu  Luxemburg  in  2  Quartbänden  die  1.  Aus- 
gabe von  Bossuets  Defensio  Declarationis  conventus  cleri  gallicani 
anni  1682  de  ecclesiastica  potestate.  Das  Werk  war  schon  1685 
im  Auftrage  Ludwigs  XIV.  geschrieben  und  dem  Könige  überreicht, 
auf  dessen  Wunsch  aber  damals  nicht  veröffentlicht  worden.  Nach 
dem  Erscheinen  des  Werkes  von  Rocaberti  (S.  571)  begann  Bossuet 
eine  Umarbeitung.  An  dieser  zweiten  Redaction,  die  den  Titel  Gal- 
lia  orthodoxa  s.  vindiciae  scholae  Paris,  totiusque  cleri  gallic.  adv. 
nonnullos  erhalten  und  nicht  mehr  eine  directe  Vertheidigung  der 
Declaration  von  1682  werden  sollte,  arbeitete  er  bis  1702.  Der 
Ausgabe  von  1730  liegt  eine  fehlerhafte  Abschrift  der  1.  Redaction 
zu  Grunde.  1745  erschien  eine  Ausgabe  der  2.  Redaction  nach 
den    Handschriften,    die    Bossuets    Neffe,    der   Bischof  Bossuet    von 


\ 


576  Die  gallicanischeu  Artikel  von  1682. 

Troyes,  besass,  in  dessen  Auftrage  von  dem  Ex-Oratorianer  Le  Boi 
besorgt,  zu  Amsterdam  in  2  vol.  8.  Le  Roi  gab  gleichzeitig  eine 
französische  Uebersetzung  heraus.  Von  ihm  sind  auch  die  Einlei- 
tung und  die  Noten  zu  beiden  Ausgaben.  Der  latein.  Ausgabe  sind 
als  Appendix  die  Vorrede  und  die  3  ersten  Bücher  der  1.  Redac- 
tion,  die  bei  der  zweiten  durch  eine  Dissertatio  praevia  ersetzt  wur- 
den, beigedruckt  (die  Ausgabe  von  1745  ist  in  den  Oeuvres  vol. 
31—33  abgedruckt).  Benedict  XIV.  sagt  in  dem  Briefe  über  das 
'Verbot  der  Schriften  von  Noris  in  Spanien  (s.  u.):  über  die  Ver- 
dammung (der  Luxemburger  Ausgabe)  des  Werkes,  in  welchem 
viele  bedenkliche  Sachen  vorkämen,  sei  unter  Clemens  XIL  (1730 — 
40)  verhandelt  worden,  ein  Verbot  aber  nicht  erfolgt,  nedum  ob 
memoriam  auctoris  de  religione  bene  meriti,  sed  ob  justum  novoram 
dissidiorum  timorem  ^). 

5.     Als  eine  der  besten  Schriften  gegen  die  gallicanische  An- 
sicht wurde  in  Rom  angesehen:    Tractatus  de   libertatibus  Ecclesia^ 
gallicanae,    continens    amplani    discussiorem    declarationis   factae   al:^ 
111.  Archiep.  et  Episc.  Parisiis  mandato  regio  congregatis  1682.  Ant  «* 
M.  C.  S.  Theol.  Dr.,  Leodii  1684  (1689*,  800  S.  4).     Der  Verfasse 
dieses  Buches,  welches  auch  Richer,  Dupuy,   de  Marca,  Fevret  un 
Lannoy    bekämpft   und   von    dem  Papste    und  mehreren   Cardinäle 
sehr  gerühmt   wurde   (Valery  1,99.  108.  Michaud  4,123,   ein   Gut- 
achten  eines  Gallicaners   s.  A.  J.  P.  22,  605),  war  der   S.   560   er- 
wähnte Charlas,    der  1698   zu   Rom   starb.     (Estiennot   schreibt   be 
Valery  1,  159,  im  Oct.  1685,  es  circulire  in  Abschriften  in  Rom  ein 
kurze,    aber   sehr  gut    gemachte  Gegenschrift,    deren  Verfasser    eir 
Italiener  sei,    der  sich    aber  nicht   nenne,    da  er  sonst  passerait  ic 
mal  son  temps).     1 720  wurde  die  Schrift  in  der  Druckerei  der  Pro 
paganda  mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  Selleri  nochmals  gedruckt 
Tractatus  .  .  .  gallic.  Tomus  I.  Autore  Ant.  Charlas,  S.  Th.  Dre.  Ed 


3.  ex  autographo  autoris  locupletior  et   emendatior.     Accedunt  pra 
terea  ejusdem    opuscula  quatuor  antehac  seorsum  evulgata  (Tom. 
und  2.  enthalten  den  Tract.,  Tom.  3.  die  Opuscula,    Primatus  juris 
dictioni«  Rom.  Pontifici   assertus  gegen  Dupin    und  Vertheidignnge 
Steyaerts   gegen    Bischof  Choiseul,    F.  Deschamps  und    einen  Unge 
nannten).     Auffallender  Weise    erschien    aber    ein    Decret    der    Inq 
Fer.  IV.  4.  Juni  1721,    worin  es  heisst:    nach  Anhörung   der   Cen 
suren  mehrerer   mit  der  Prüfung  beauftragter  Theologen  und  nach- 
dem über   diese  und   die  Vota  der  Cardinäle  Innocenz  XII.   referir' 
worden,   verdamme    in    dessen  Auftrage  die  Inq.   die  an  der  Spitza 
dieses  Werkes   stehende  Vita  des  Verfasser;    sie  dürfe  nicht  wiedea 
gedruckt,    nicht   behalten    und    gelesen,    sondern    müsse    abgelieferr^ 
werden;  die  Schriften  von  Charlas  treffe  das  Verbot  nicht  (A.  J.  P 


1)  1869  erschien  zu  Brüssel  ein  Band  von  &00  Seiten :  Gallia  ortho 
doxn,  d'aprös  l'autographe  de  Bossuet,  angeblich  ein  angedrucktes  Werl 
nicht  gallicanischci-  Tendenz.  Es  ist  bis  auf , kleine  Differenzen  eiu  wörf 
lieber  Abdruck  eines  Theiles  der  Defensio.     Etudes  relig.  1869,  8,  169. 


i 


GaDicanisohe  Kirchenhisioriker.  677 

2,  2620).  In  den  Exemplaren,  die  ich  gesehen,  sind  die  vier  Bogen, 
welche  die  Vita  enthielten,  entfernt  und  durch  8  Blätter  ersetzt 
(das  4.  Blatt  ist  mit  e  signirt).  Vielleicht  enthielt  die  Vita  Dinge, 
die  man  doch  aus  Rücksicht  auf  die  französische  Regierung  in  einem 
in  der  Propaganda  gedruckten  und  von  dem  Mag.  S.  Pal.  appro- 
hirten  Buche  hedenklich  fand.  Nun  heging  man  die  unbegreifliche 
Ungeschicklichkeit,  Tractatus  etc.  (den  vollständigen  Titel  des  Buches) 
ohne  irgendwelche  Bemerkung  in  den  Index  zu  setzen,  zuerst  in  die 
Appendix  yon  1739,  dann  in  die  Index- Ausgaben  bis  1752,  so  dass 
mindestens  eine  Zeit  lang  das  Werk  von  Charlas,  —  aus  dem  we- 
nigstens in  den  meisten  Exemplaren  die  allein  beanstandete  Vita 
entfernt  war,  —  zu  den  verbotenen  Büchern  gehörte.  Erst  Ben. 
hat  unter  Vita  die  Sache  richtig  gestellt. 

6.  Die  Inquisition  von  Toledo  motivirte  10.  Juni  1683  das 
Verbot  von  Henningii  Amisaei  de  jure  majestatis  11.  3,  Arg.  1685, 
und  von  S.  Ludovici  Francorum  Regis  Pragmatica  Sanctio  et  in 
eam  bist,  praef.  et  comm.  auct.  Franc.  Pinsonio,  Par.  1663,  damit, 
dass  das  erstere  u.  a.  den  „irrigen  und  schismatischen^*  Satz  ent- 
halte: der  Papst  habe  keine  directe  und  indirecte  Gewalt  über  die 
Temporalia  der  Könige,  und  das  zweite  den  „irrigen  und  schisma- 
tischen'' Satz:  das  Concil  stehe  über  dem  Papste,  und  den  „minde- 
stens irrigen  und  der  Ketzerei  sehr  nahen"  Satz:  der  Papst  sei  in 
Glaubenssachen  nicht  unfehlbar  ohne  Zustimmung  der  Kirche.  Die 
Inquisition  verbot  zugleich  alle  Bücher  und  Manuscripte,  in  welchen 
diese  Sätze  vorkämen,  es  sei  denn,  dass  sie  angeführt  würden,  um 
widerlegt  zu  werden  (A.  J.  P.  2,  2654.  Bossuet  31,  189).  Im  span. 
Index  stehen  aber  nur  die  lat.  Schrift  von  Dupin,  die  zwei  von 
Fleury,  zwei  von  Maimbourg,  Natalis  Alexander  und  Esprit  de 
Gereon  (erst  1750  verb.). 


61.   Gallicanische  Kirchenhistoriker. 

Innocenz  XI.  verbot  durch  besondere  Breven  1684,  1685 
and  1687  die  Kirchengeschichte  von  Natalis  Alexander,  1685 
eine  geschichtliche  Rechtfertigung  der  gallicanischen  Ansicht 
von  L.  Maimbourg  und  1687  dessen  Geschichte  Gregors  I. 
Andere  Schriften  von  Maimbourg  waren  schon  1680  verboten. 
Von  J.  de  Launoy  wurde  1662 — 93  eine  lange  Reihe  von  kirchen- 
geschichtlichen und  kirchenrechtlichen  Abbandlungen  verboten. 
Von  E.  Dupin  wurde  ein  kirchenrechtliches  Werk  durch  ein 
Breve  Innocenz*  XI.  von  1688  verboten  (S.  571),  die  Bibliothe- 
que  1698  von  der  Inquisition;  später  kam  noch  eine  Reihe  von 
Schriften  von    ihm   in   den    Index.    Tillemonts  Werke  wurden 

Beuteh,  Index  II.  37 


578  Gallicaniflche  Kirohenhistoriker. 

1707  denuncirt,  aber  auf  Grund  der  Vorstellungen  Römischer 
Gelehrten  von  einem  Verbote  Abstand  genommen.  Auch  Fleury's 
Kirchengeschichte  steht  nicht  im  Index;  ausser  seinen  kirchen- 
rechtlichen Werken  (S.  573)  wurde  nur  der  Catöchisme  histori- 
que  (mit  d.  c.)  verboten.  Von  Mabillon  wÄre  1703  beinahe  eine 
Schrift  in  den  Index  gekommen,  die  allerdings  weder  mit  dem 
Gallicanismus  noch  mit  dem  Jansenismus  zusammenhängt,  aber 
einen  sehr  heikein  Punct,  den  mit  den  angeblichen  Reliquien 
aus  den  Katacomben  getriebenen  Missbrauch,  behandelt  Man 
begnügte  sich  in  Rom  schliesslich  damit,  dass  Mabillon  von 
seiner  Schrift  eine  „verbesserte"  Ausgabe  veröffentlichte.  Von 
seinem  Trait^  des  etudes  monastiques  wurde  eine  italienische 
Bearbeitung  verboten.  —  Merkwürdig  ist,  dass  auch  ein  kirchen- 
geschichtliches Buch  eines  französischen  Jesuiten,  Avrigny,  ttber 
die  Zeit  von  1600— 171 8  wegen  vieler  gallicanischer  Aeusserungen 
verboten  wurde.  —  Durch  Breven  wurden  noch  verdammt  zwei 
Schriften  von  Le  Courayer,  die  Vertheidigung  der  Gültigkeit 
der  anglicanischen  Weihen  1728,  die  Uebersetznng  der  Ge- 
schichte des  Trienter  Concils  von  Sarpi  1740. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  das  strenge  Verbot  der  Kirchen- 
geschichte des  Natalis  Alexander,  —  ein  sehr  seltener  Fall,  — 
unter  Benedict  XIV.  wesentlich  gemildert,  ja  insofern  aufge- 
hoben wurde,  als  Ausgaben,  in  denen  das  Werk  unverändert 
abgedruckt,  aber  eine  Reihe  von  berichtigenden  Anmerkungen 
und  Abhandlungen  von  Roncaglia  beigefügt  war,  freigegeben 
wurden. 

1.  Jean  de  Launoj,  geb.  1603  in  einem  Dorfe  der  Pioardie, 
wurde  1634  Priester,  1636  Dr.  theol.,  hat  nie  ein  Amt  bekleidet 
und  sein  ganzes  Leben  den  Studien  gewidmet,  f  1678.  Er  war 
Mitglied  des  College  de  Navarre,  wurde  aber  ausgeschlossen,  weil 
er,  obschon  nichts  weniger  als  ein  Jansenist,  der  über  Amanld  aas- 
gesprochenen Censur  nicht  zustimmen  wollte.  Die  Gelehrten- Confe- 
renzen,  welche  Montags  in  seinem  Hause  gehalten  wurden,  wurden 
1676  von  der  Regierung  untersagt.  S.-Beuve,  Port-Royal  3,  36 
charakterisirt  ihn  als  ^rudit  profond  et  original,  esprit  mordant,  k 
bons  mots,  raillant  volontiers  le  mauvais  latin  des  bulles  ou  des 
eviques  et  apportant  en  theologie  quelque  chose  de  l'humeur  de  GKii 
Patin.  Dieser  hat  nach  Bayle  von  ihm  gesagt:  II  dte  tous  les  ans 
un  Saint  du  paradis,  ein  anderer:  II  a  plus  d6thron6  de  scdnts  qae 
dix  papes  n'en  ont  canonis^s;  Thiers  sagt,  man  habe  ihn  le  dinicheur 
des  saints  genannt,    und   dem  Cur^  de  St.  Eustache  schreibt  Bayle 


J.  Lannoy.  579 

die  Aeassernng  zu:  Quand  je  rencontre  le  Docteur  de  Launoy,  je 
le  salue  jusqu^ä  terre  et  ne  lui  parle  que  le  chapeau  k  la  main  et 
avec  beaucoup  d'humilit6,  tant  j  ai  peur  quMl  ne  m^öte  mon  Saint 
EuRtache  qni  ne  tient  k  rien.  Daneben  verdient  aber  die  G-rabscbrift 
angefübrt  zu  werden,  die  der  Generalprocurator  Le  Camus  ihm 
Reizen  wollte,  was  aber  untersagt  wurde:  .  .  .  veritatis  assertor 
perpetuus,  jurium  Ecclesiae  et  Kegis  acerrimus  vindex,  vitam  in- 
noxiam  exegit,  opes  neglexit,  muLta  scripsit  nulla  spe,  nnllo  timore. 
—  Seine  Sobriften  verzeichnet  Nie.  32.  84  (ü.  N.  1716,  633).  Die 
(resammtausgabe,  Jo.  Launoii  opera  omnia,  Genf  1731,  6  Fol.,  ist 
von  dem  Abb6  Grranet  besorgt. 

Im  spao.  Index  steht  L.  als  haereticus  in 'der  1.  Gl.  In  den 
Römischen  kamen  von  ihm  zuerst  zwei  verhältnissmässig  unbedeu- 
tende Schriften.  Auf  Ersuchen  des  Bischofs  von  Laon,  welcher  mit 
den  Prämonstratensern  über  die  von  diesen  beanspruchte  Immunität 
Streit  hatte,  schrieb  er  1658  Inquisitio  in  privilegia  Praemonstra- 
tensis  ordinis  (Opp.  III,  1,  444).  Der  Prämonstratenser  Norbert 
Caillieu  vertheidigte  die  Ansprüche  seines  Ordens  in  einer  Responsio 
ad  inquisitionem  D.  Launoii  .  .  .,  Par.  1661,  und  denuncirte  zugleich 
die  Schrift  von  L.  8.  Dec.  1661  bei  Alexander  VII.  und  dem  Car- 
dinal Carpineo,  dem  Protector  des  Ordens,  indem  er  besonders  her- 
vorhob, dass  L.  päpstliche  Bullen,  namentlich  eine  von  Alexander  Y., 
angreife  (Opp.  IV,  2  am  Ende  p.  XVIII).  13.  Nov.  1662  wurde  L.'s 
Schrift  verb.,  17.  Nov.  1664  auch  seine  Censura  responsionis,  qua 
Fr.  Norbertus  Caillocius  sese  mendaciis  atque  erroribus  novis  irre- 
tivit,  1663.  Zwei  andere  auf  diesen  Streit  bezügliche  Schriften  wur- 
den erst  1690  verb.:  Examen  du  privil^ge  d'Alexandre  V.,  1658, 
und  Capitnli  Laudunensis  Ecclesiae  jus  apertum  in  monasteria  Prae- 
monstratensium  dioecesis  1658  (1670).  —  Die  Assembläe  du  Clerg« 
oensurirte  1661  das  Buch  von  Caillieu  wegen  der  Angriffe  auf  den 
Bischof  von  Laon  und  forderte  alle  Bischöfe  auf,  ihn  verhaften  zu 
lassen  und  die  Prämonstratenser  zu  keinen  kirchlichen  Functionen 
zuzulassen,  bis  sie  das  Buch  desavouirt  hätten.  Auf  Befehl  seines 
Ordensgenerals  leistete  Caillieu  1670  Abbitte  (Recueil  des  actes  du 
Clerg6  1,689). 

1672  wurde  verb.  Conspectus  epistolarum  Jo.  Launoii  (so 
noch  jetzt).  Da  es  ein  Buch  mit  diesem  Titel  nicht  gibt,  werden 
Epistolarum  ad  amioos  libri  8  gemeint  sein,  die  1664 — 66  in  5 
Bänden  erschienen  und,  nachdem  1665 — 73  eine  2.  Ausgabe  in  8 
Bänden  erschienen  war,  1687  mit  dem  richtigen  Titel  nochmals  verb. 
wurden  (mit  einer  Vorrede  von  William  Saywell  auch  Cambridge 
1689,  Fol.;  Opp.  V.).  Es  sind  Abhandlungen  in  Briefform,  —  nach 
Tbiers  wählte  L.  diese  Form,  um  keine  Approbation  nachsuchen  zu 
müssen,  —  die  grösstentheils  in  einschneidender  Weise  die  Infalli- 
bilität  des  Papstes,  seine  Superioritat  über  die  allgemeinen  Conoilien, 
seine  Gewalt  in  weltlichen  Dingen  und  hervorragende  curialistische 
Schriftsteller,  Card.  Cajetanus,  Baronius,  Bellarmin,  Alteserra,  be- 
kämpfen. —  1687  wurde  ferner  verb.:  De  recta  Nioaeni  canonis  VI. 
et  prout  a  Rufino  explicatur  sententia,  1640,  vermehrt  1662   (Opp. 


680  Gallioanische  Kirchenhistoriker. 

TT,  2, 1),  über  die  Patriarchalgewalt  des  Römischen  Bischofs  nnd  die 
Ecclesiae  suburbicariae  (Hefele,  Conc.-Gesch.  1,380). 

Eine  ganze  Reihe  von  Schriften  wurde  29.  Mai,  29.  Aug.  and 
21.  Nov.    1690  yerb.      Darunter    sind    mehrere,    zum    Theil    schon 
einige    Decennien    alte    kritisch-historische    Untersnchnngen,    ausser 
einigen  anderswo  erwähnten  zwei  über  die  Nachrichten  und  Legen- 
den   über    die  Anfänge    des  Christenthums  in    Gallien:     Dispunctia 
epistolae  de  tempore,    quo   primum    in  Galliis    suscepta  est   Cliristi 
fides,  1689,  gegen  einen  Brief  des  Petrus  de  Marca  anHenr.  Yalesius, 
1658;  —  Dissertationes  tres,  quarum  una  Gregorii  Turon.  de  Septem 
episcoporum  (der  angeblich  von  den  Aposteln  gesandten)  adventu  in 
Gallia,    altera  Sulpitii   Sev.    de  primis  Galliae  martjribus  locus  de- 
fenditur  et  in  utraque  diversarum  Galliae  ecclesiarum  origines  trac- 
tantur,    tertia  quid  de  primi  Cenomanomm  antistitis  epocha  sentien- 
dum  Sit  explicatur,  1651;    2.  Ed.  1670   (die  Schriften  über  die  Le- 
genden   von    Lazarus,    Maria  Magdalena   u.  s.  w.    sind    doch    nicht 
verb.),  —  und  über  andere  kirchengeschichtliche  Controversen :    De 
auctore  vero  professionis  fidei,   quae  Pelagio,  Hieronymo,  Augastino 
tribui  vulgo  solet,    diss.,  1665;    L.  vindicirt  sie   dem  Pelagius;  — 
De  Victorino  episcopo  et  martyre,  1 653,  Begründung  der  jetzt  allge* 
mein  anerkannten  Ansicht,  dass  Victorinus  Bischof  nicht  von  Picta- 
vium  =  Poitiers,  sondern  von  Petabion  =  Pettau  war;  —  De  vera 
causa  secessus  S.  Brunonis  in  eremum,  zuerst  1646,  Kritik  der  von 
Urban  VIII.  aus    dem   Brevier    entfernten,    von  Th.  RaynaDd    aber 
vertheidigten  Legende  über  das  Motiv  der  Weltentsagung  des  Stifters 
der  Carthäuser  (K.-L.  2,  1360;  Th.  Raynaud  antwortete  noch  1646 
mit  seinem   Hercules   Commodianus) ;  —  noch    drei   Schriften    über 
angebliche  Privilegien  für  Klöster  (Opp.  IV,  2,  448):    Inqnisitio  in 
chartam  fundationis  et  privilegia  Vindocinensis  monasterii  (Vendome) 
1661 ;  Inq.  in  chartam  immunitatis,  quam  B.  Germanus  Parisiorum 
episc.  suburbano  monasterio  dedisse  fertur,  1657;  Inq.  in  privileginm, 
quod  Gregorius  P.  I.  monasterio  8.  Medardi   dedisse    fertur»    1659. 
—  Vier  Schriften  handeln  von  der  Stelle  des  Aug.  de  bapt  c.  Don. 
2,  9,  14.     In  der  P.  de  Marca  gewidmeten  Schrift  De  vera  notione 
plenarii    apud  Aug.   concilii    in    causa    rebaptizantium,    zuerst  1644 
(Opp.  II,  2,  1 10),  zeigt  er,  plenarium  concilium  sei  concilium  majus 
provinciali,  und  Aug.  meine  das  Concil  von  Arles.      Diese   Ansicht 
vertheidigte  er  gegen  den  Dominicaner  Jo.  Nicolai  (Mich.  a.  S.  Jos. 
S^  350)    sehr   bissig    in   der    Confirmatio  dissertationis    de  vera  etc., 
1667,  und  gegen  Jean  David    in  den  Remarques  sur  la  Dissertation 
(von  David)    oü    Ton    montre   en    quel  temps  et  pour  quelle  raison 
VEgl.  universelle   consentit  a  recevoir   le    bapt^me    des    h6r6tiques, 
1671,    und  in  dem  Examen   de  la  preface  et  de  la  riponse  de  Mr. 
David   aux   Remarques    sur   la  dissertation    du    concile    plenier    qni 
termina    suivant    S.  Aug.    cette    contestation,    1671.  —  Am   erklär- 
lichsten ist   das  Verbot   von  Veneranda  Rom.  Ecclesiae  oiroa  simo- 
niam  traditio,  1675,  worin  er  die  Römische  Kirche  in  Schutz  nimmt, 
der  Römischen  Curie  aber  über  die  Annaten  und  dgl.,  auch  der  In- 
quisition und  Index-Congregation  starke  Dinge  sagt. 


Natalis  Alexander.  581 

1686  wurde  verb.  Jo.  Launojas  testis  et  confessor  veritatis 
evangelico-catbolicae  in  potioribus  fidei  capitibus  controversis  adv. 
Rob.  BellarmiDum  et  alios  qnosdam  Sedis  Rom.  defensores  egregius 
et  luculentus  vindicatus  opera  et  studio  Antonii  Reiseri  Augustani 
(Pastor  in  Hamburg),  Amst.  1685,  862  S.  4.  (auch  unter  dem 
Titel:  Anti-Bellarminus  Jo.  Launoii,  s.  Defensio  libertatum  Ecclesiae 
gall.  contra  infallibilitatem  Rom.  Pontificis  Sedisque  Rom.  defensores, 
ex  Launoii  operibus  excerpta,  Daventriae  1720;  Marcband  1,  29, 
vgl.  Journ.  des  Sav.  24,555),  —  1700:  Elogium  Joannis  Launoii 
Parisiensis  Tbeologi,  una  cum  ejusdem  notationibus  in  censuram  du- 
arum  propositionum  A.  A(maldi)  D(octori8)  S(orbonici),  Lond.  1685, 
12.  (am  Ende  des  1.  Bandes  der  Opera  abgedr.). 

2.  Von  dem  grossen  kircbengescbichtlicben  Werke  des  N  a- 
talis  Alexander  (Noel  Alexandre,  geb.  1639  zu  Ronen,  seit  1655 
Dominicaner,  f  1724  zu  Paris),  Selecta  bistoriae  ecclesiasticae  ca- 
pita  et  in  loca  ejusdem  insignia  dissertationes  bistoricae,  criticae, 
dogmaticae,  erschienen  die  drei  ersten  Bände  (8.)  1677,  der  24.,  bis 
zum  Ende  des  Trienter  Concils  gebend,  1686,  worauf  noch  6  Bände 
über  das  Alte  Testament  folgten.  AI.  schickte  die  einzelnen  Bände 
selbst  nach  Rom  und  erhielt  für  die  ersten  ein  im  Auftrage  Inno- 
oenz'  XI.  von  dem  Card.  Cybo  geschriebenes  belobendes  Schreiben 
vom  15.  Juli  1682.  Die  1683  erschienenen  Bände,  welche  das  11. 
und  12.  Jahrhundert  behandeln,  konnten  aber  bei  der  Weise,  wie 
darin  der  Streit  Gregors  VII.  mit  Heinrich  IV.  und  ähnliche  Punkte 
dargestellt  waren,  in  Rom  keinen  Beifall  linden.  Das  ganze  Werk 
wurde  nun  nicht  der  Index-Congr.  oder  der  Inquisition,  sondern  einer 
besondern  Gommission  von  Cardinälen  (Ottoboni,  Azzolini,  Casanate, 
Lauria  und  Capisucco)  und  mehreren  Theologen  (dem  Augustiner 
van  Heck,  dem  Dominicaner  Bianchi,  einem  zweiten  Augustiner  und 
einem  Theatiner)  zur  Prüfung  überwiesen.  Bianchi  beantragte,  den 
11.  und  12.  Band  unbedingt,  die  vorhergehenden  mit  d.  c.  zu  ver- 
bieten; auch  Card.  Lanria  war  für  ein  Verbot  mit  d.  c,  aber  Capi- 
BUGco  (Dominicaner  und  früher  Secretär  der  Index-Congr.  und  Mag. 
8.  Pal.)  und  andere  Cardinäle  für  das  unbedingte  Verbot  des  ganzen 
Werkes.  Der  Papst  entschloss  sich,  das  Verbot  durch  ein  Breve 
auszusprechen  (Michaud  4,211).  Dieses  ist  vom  13.  Juli  1684  datirt 
and  verbietet  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  die  16 
ersten  Bände  der  Kirchengeschichte  und  zugleich  —  offenbar  nicht 
um  ihres  Inhaltes^  sondern  lediglich  um  des  Verfassers  willen  — 
noch  einige  Schriften  von  AI.:  Summa  S.  Thomae  vindicata  et  eidem 
angelico  doctori  asserta  contra  praeposteras  Jo.  Launoii  dubitationes. 
Item  contra  Launoianas  circa  simoniam  observationes  animadversio, 
Par.  1675,  194  S.  8.  Dissertation  um  eccles.  trias:  1.  De  divina 
episcoponim  supra  presbyteros  eminentia  adv.  Blondellum;  2.  De 
sacrorum  ministrorum  coelibatn  s.  de  bist.  Paphnutii  cum  Nicaeno 
canone  concilianda;  3.  De  Vulgata  scripturae  s.  versione,  Par.  1678, 
382  S.  8.  Dissertatio  polemica  de  confessione  sacramentali  adv. 
libros  4  Jo.  Dallaei  Calvinistae  divinam  ejus  institutionem  et  usum 
in  eccl.    perpetuum  impugnantis,    Par.  1678,    256  S.  8.      Charakte- 


582  GaUicanisohe  Kirohenhistoriker. 

ristisoh  ist,  dass  Launoy^s  böses  Bucli  über  die  Simonie,  gegen 
welches  AI.  die  Curie  vertheidigt,  erst  6  Jabre  später  verb.  wurde. 
Der  General  der  Dominicaner  wurde  angewiesen,  AI.  zu  verbieten, 
noch  weiteres  ohne  seine  Genehmigung  zu  schreiben,  und  ihn  des 
activen  und  passiven  Stimmrechtes  verlustig  und  von  allen  Ordens- 
ämtern ausgeschlossen  zu  erklären.  Durch  Breven  vom  6.  Apr. 
1685  und  26.  Febr.  1687  wurden  3  bezw.  4  weitere  Bände  der  Kir- 
chengeschichte verb. 

AI.  liess  1687  trotz  der  Verbote  eine  zweite  Ausgabe  drucken. 
Er  erhielt  auch    nach    dem  ersten  Breve  von    mehreren  Cardinälen, 
denen  er  die  neuen  Bände  übersandt  hatte,  freundliche  Dankschreiben, 
so  im.  Dec.  1684  von  Norfolk,    1686    von    Rospigliosi    und    Orsini, 
1692  von  Casanate  (und  Noris,  der  damals  noch  nicht  Cardinal  war ; 
er  sagt  u.  a. :  Nemo  jam  eccles.  historiae  sacra  attingit,  qni  non  te 
sibi  prius  ducem  postulet  aut  tua  manu  in  ejusdem  adyta  indnci  non 
poscat.  IV,  23).     Card.  Spada  schrieb  ihm  13.  Apr.  1694:  Innocenz 
XII.  habe  das  Schreiben  wohlgefällig  aufgenommen,  worin  er  erkläre, 
dass    er    alle    seine   Schriften    der  Prüfung,    dem   Urtheil    and    der 
Emendation  Seiner  Heiligkeit  unterwerfe    (IV,  27).      Eine  ähnliche 
Erklärung  steht  auch  in  der  Vorrede  der  3.  Ausgabe   der  Kirchen- 
geschichte vom  J.  1699  (IV,  16).     Diese  Ausgabe  selbst  aber  zeigt, 
dass  AI.    nicht   gesonnen   war,    sein  Werk    im  Römischen  Sinne  zu 
emendiren.     Nach    dem  Tode   Innotienz'  XI.   hatte    er    durch  «einen 
Cardinal,   den  er  nicht  nennt,    eine  Abschrift  der  Censur  der  Theo- 
logen  erhalten,    die    sein  Werk   vor  der   Verdammung  begutachtet 
hatten  (einer  derselben  erklärte:  es  fände  sich  darin  zwar  nnllus  in 
rigore  error  contra  fidem   vel  bonos  mores,    aber  viele  alienae    ab 
opinionibus  in  Curia  Rom.   receptis    de   eccies.   potestate   sententiae. 
Am.  9,  303).     Er   fügte   nun   den   betreffenden  Abschnitten  SchoHa. 
bei,  in  denen  er  die  Monita  der  religiös!  censores  mittheilt  und  be- 
antwortet.   Die  Censoren  wollten  viele  ganze  Dissertationen,  in  vielem 
einzelne    Stellen    gestrichen    haben,    einige    lediglich    darnm,    wei 
darin  die  Ansichten    des  Baronius  bekämpft  werden    (V,  261.  319:^ 
VII,  599),  die  meisten  wegen  des  an ticurial istischen  Inhalts.  AI.  er — 
widert  in  den  meisten  Fällen :  was  er  berichtet  habe,  seien  geschieht 
liehe  Thatsachen;    seine  Urtheile  entsprächen  der  Lehre  der  franzo 
sischen  Kirche  und  der  Sorbonne.     Mitunter  constatirt  er,  dasa  mai 
bei  ihm  streichen  wolle,    was   curialistische   Schriftsteller   vor   ih 
gesagt,    wie  die  Kritik  der  Constantinischen  Schenkung,    die  selbe 
Baronius  fallen  lasse  (VIII,  26),    und    der   Legende  von  der   Taufi 
Constantins  durch  P.  Silvester,    die   auch  von  Papebroch  und 
verworfen  werde  (VII,  599),  zweimal  sogar  Sätze,    die  er  aus  Pal-^ 
lavicini  entnommen  (XVII,  68.  103). 

Im  J.  1734  veranstaltete  Constantin  Roncaglia,  Cler.  reg.,  zu. 
Lucca  eine  neue  Ausgabe  des  Werkes,  worin  der  Text  von  AL 
sammt  den  SchoHen  unverändert  abgedruckt,  aber  eine  Reihe  von 
Anmerkungen  und  Dissertationen  zur  Widerlegung  beigeffigt  ist. 
Diese  Ausgabe  wurde  von  der  Index-Congr.  ausdrücklich  freigegeben, 
und  ist  wiederholt  abgedruckt  worden,    namentlich    (mit  neuen  An- 


L.  Maimbourg.  583 

merkungen  von  Mansi  vermehrt)  zu  Lucca  1749,  zu  Venedig  1778 
und  zu  Bingen  1785 — 90.  Seit  Ben.  steht  im  Index  hinter  dem 
Verbote  die  Bemerkung :  die  Ausgabe  von  Roncaglia  sei  freigegeben 
und  von  Benedict  XIV.  8.  Juli  1754  auch  die  von  Innocenz  XI. 
angedrohte  Excommunication  fUr  alle  Ausgaben  aufgehoben.  —  In 
Spanien  wurde  das  Werk  gleichfalls  1684  verb.,  in  dem  Index  von 
1790  die  Ausgabe  von  Roncaglia  freigegeben. 

In  den  Jahren  1696 — 97  führte  AI.  einen  Federkrieg  mit  den 
Jesuiten  BufPier  und  Daniel  über  seine  Theologia  dogmatica  et  mo- 
ralis,  Par.  1693,  10  vol.  8.  (Quetif  2,812.  Hurter  2,1085).  Davon 
nahm  man  in  Rom  keine  Notiz.  —  Daubenton  schreibt  1710  an 
F6n61on  (Corr.  3,  281):  der  Dominicaner  Delbecque  habe  einen  Aus- 
zug aus  der  Moral  von  AI.  in  4  Bändchen  verfasst  und  dem  Papste 
dedicirt;  das  Buch  sei  aber,  als  es  schon  unter  der  Presse  gewesen, 
auf  Befehl  des  Papstes  confiscirt  und  einem  Consultor  der  Inqui- 
sition übergeben  worden.  1705  war  zu  Rom  eine  Summa  Alexan- 
drina von  Fr.  Bassaliers,  4  vol.  8.  (Hurter  2,  864)  erschienen. 
Daubentons  Angabe  bezieht  sich  vielleicht  auf  eine  von  Delbecque 
besorgte  neue  Auflage  derselben. 

1703  unterschrieb  AI.  den  Gas  de  conscience;  1706—10  war 
er  Provincial  und  1717  schloss  er  sich  den  Appellanten  gegen  die 
Bulle  Unigenitus  an.  Benedict  XIII.  sprach  gleichwohl  sehr  wohl- 
wollend über  ihn  und  nannte  ihn  seinen  gelehrten  Lehrer.  AI. 
richtete  13.  Aug.  1724,  85  Jahre  alt  und  erblindet,  ein  devotes  und 
freimüthiges  Schreiben  an  den  Papst,  starb  aber  —  als  Appellant,  — 
ehe  dasselbe  in  die  Hände  des  Papstes  gelangte  (Hist.  des  Refl.  4, 
8.  191). 

3.  Louis  Maimbourg,  geb.  zu  Nancy  1610,  1626 — 1682 
Jesuit,  t  1686,  hat  eine  Reihe  von  geschichtlichen  Büchern  ge- 
schrieben, —  seine  Werke  füllen  26  Duodezbände;  von  einem  der- 
selben sagt  R.  Simon,  Lettres  I,  87,  was  mehr  oder  weniger  von 
allen  gilt:  peu  d'^toffe,  beaucoup  de  broderie,  und  Quesnel  (bei 
Val6ry  3,  244):  ces  livres  sont  pour  les  femmes.  —  Beanstandet 
wurde  in  Rom  zuerst  Histoire  du  grand  schisme  d'Occident,  1678 
(1677  war  Hist.  du  schisme  des  Grecs  erschienen).  Man  erfuhr  in 
Paris  schon  im  Mai  1679,  dass  das  Verbot  des  Buches  beabsichtigt 
werde.  Der  König  Hess  seinen  Gresandten  in  Rom,  den  Duc  d*Es- 
tr^s,  beauftragen,  bei  dem  Card.  Cybo  darauf  zu  dringen,  dass  man 
ihm  mittheile,  woran  man  Anstoss  nehme.  Cybo  befahl  dem  Se- 
cretär  der  Index -Congr.,  P.  Ricci,  vorläufig  die  Sache  ruhen  zu 
lassen,  und  dem  P.  Ant.  Gilles  aus  dem  Orden  der  Minimi,  der  als 
Consultor  das  Buch  begutachtet  hatte,  ihm  seine  Censur  einzuhän- 
digen, um  sie  dem  Jesuiten  Fabri,  dem  Vertrauensmann  des  Ge- 
sandten, vorzulegen.  Gleichwohl  wurde  das  Buch  12.  Juni  1679 
mit  d.  c.  verboten.  Auf  den  Wunsch  des  Gesandten  suspendirte 
der  Papst  das  Decret  (P.  Gilles,  der  durch  den  Card,  d  fistrees 
Consultor  geworden,  musste  auf  Befehl  des  Königs  nach  Frankreich 
zurückkehren).  Im  Juli  1679  schickte  der  Minister  Pomponne  ein  Me- 
moire von  M.  an  den  Gesandten  und  sprach  die  Hoffnung  aus,  der  Papst 


584  Gallicanische  Kirchenhistoriker. 

werde  das  Verbot  rückgängig  machen.      Der   Papst   versprach  dem 
Gesandten  Mittheilung  dessen,    was  man  in  dem  Buche  beanstande; 
dieser  erhielt  sie  aber  nicht  und  wurde  im  October  beschieden,  man 
wolle    die  Punkte    dem  Jesuiten-General  Oliva  mittheilen,    der   sie 
nach  Frankreich  schicken  könne.      Mittlerweile  hatte  man  auch  die 
Hist.  de  la  dicadence   de   Tempire  apr^s   Charlemagne  et  des  diffi- 
rends  des  empereurs  avec  les  papes  au  sujet  des  investitures  et  de 
rind6pendance,  1679,  in  Untersuchung  genommen,  und  23.  Mai  1680 
wurden  beide  Bücher  durch  ein  besonderes  Decret,  nicht  der  Index- 
Congr.,  sondern  der  Inquisition  (Fer.  V.),  und  nicht  mit  d.  c,  son- 
dern unbedingt  verboten  (Const.  p.  169).     Noch  in  demselben  Jahre 
1 2.  Dec.  folgte  das  Verbot  der  Hist.  du  Lutheranisme,  16F0.  Schon 
im  März  1680  sprach    sich    der   Papst    gegen    den  Jesuiten-General 
sehr  ungehalten  darüber  aus,  dass  er  ein  Mitglied  seines  Ordens  ein 
Buch  über  den  Streit  zwischen  Päpsten  und  Kaisern  habe  schreiben 
lassen,  welches  ebenso  schlecht  sei    wie  die  Bücher  von  Fra  Paolo 
(dem  Gesandten  gegenüber  bezeichnete    er   im  November  M.  als  un 
mechant   homme   et  un  huguenot) ;    am    7.   Jan.  1681    liess  er  dem 
General    durch    den  Assessor  S.  Officii    in  Begleitung    eines  Notars 
unter  Androhung    der   Absetzung  befehlen,    M.    aus    dem  Orden  zu 
entlassen  und  denjenigen,   welche  seine  Bücher  approbirt  hätten,  eine 
Poenitenz  aufzulegen.     Ludwig  XIV.  war  anfangs  geneigt  die  Aas- 
stossung  M.'s  zu  hindern ;    aber  10.  Febr.    1682    trat   dieser    „frei- 
willig" aus,  und  der  König  setzte  ihm  eine  Pension  aus. 

Die  ersten  Bücher,  welche  er  als  Ex-Jesuit  veröffentlichte,  Hist. 
du  Calvinisme,  1682,  und  Hist.  de  la  Ligue,  1683,  wurden  in  Rom 
nicht  beanstandet.  Aber  Ende  1684  erschien,  dem  Könige  gewid- 
met, Trait6  historique  de  T^tablissement  et  des  pr^rogatives  de  Vi- 
glise  de  Rome  et  de  ses  ev^ues,  worin  die  unbestrittenen,  auch  in 
Frankreich  anerkannten  Rechte  des  Papstes  gegen  die  Protestanten 
vertheidigt,  den  Ultramontanen  gegenüber  die  bestrittenen  Rechte, 
Infallibilität,  Superiorität  über  das  allgemeine  Concil,  das  Recht,  die 
Kirche  unabhängig  von  den  Canones  zu  regieren,  Gewalt  in  welt- 
lichen Dingen,  bekämpft  werden.  Die  Inq.  beschloss,  das  Buch  sei 
in  derselben  Weise  wie  das  des  Natalis  Alexander  durch  ein  beson- 
deres Breve  zu  verdammen;  der  Papst,  der  seit  7 — 8  Monaten  den 
Sitzungen  nicht  mehr  beigewohnt,  bestätigte  den  ihm  durch  den 
Assessor  vorgelegten  Beschluss,  und  am  4.  Juni  1685  erschien  das 
Breve,  worin  das  Buch  (zunächst  die  1685  erschienene  2.  Auflage, 
aber  ausdrücklich  auch  alle  anderen  Ausgaben  und  alle  Ueber- 
setzungen)  unter  Androhung  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  ver- 
dammt wurde,  mit  der  Aufforderung,  alle  Exemplare  an  die  Bischöfe 
oder  Inquisitoren  abzuliefern,  um  sie  zu  verbrennen  (Michand  4,  194; 
1,  269).  Emmanuel  Scheelstrate,  gegen  dessen  Acta  Constantiensis 
Concilii  ad  expositionem  decretorum  ejus  sess.  4.  et  5.  facienüa, 
Antw.  1683,  M.  polemisirt  hatte,  wurde  angewiesen,  ihn  zu  wider- 
legen, und  schrieb  einen  Tractatus  de  sensu  et  auctoritate  decretorum 
Conc.  Const.  etc.,  Rom  1686. 

Auch    M.'s   Histoire    du    pontiiicat    de  S.   Grigoire   le   Grand, 


L.  Maimbourg.  J.  Le  Fevre.  585 

1686,  Würde  durch  ein  Breve  Innocenz'  XI.  vom  26.  Febr.  1687 
verb.,  obschon  Scheeletrate  gleich  nach  dem  Erscheinen  des  Buches 
zweifelte,  ob  es  censurirt  werden  würde,  und  ein  anderer  Römer 
meinte:  wenn  nicht  20 — 30  Stellen  wären,  an  denen  er  uns  striegelt, 
könnten  wir  ihm  dankbar  sein  und  wünschen,  er  möge  auch  über 
Leo  schreiben.  Die  Besprechung  der  Verwerfung  des  Titels  Epi- 
scopuB  universalis  durch  Gregor  wird  in  Rom  am  meisten  Anstoss 
erregt  haben.  Jedenfalls  ist  das  Buch  mehr  des  Verfassers  als  des 
Inhalts  wegen  durch  ein  Breve  verdammt  worden.  Hist.  de  L^on 
Ic  Grand  erschien  1687  nach  M.'s  Tode  und  wurde  nicht  verb.  — 
1686  erschienen  in  Paris  Les  histoires  du  Sieur  Maimbourg  (der 
Verleger  wollte  gegen  M.'s  Wunsch  beifügen :  ci-devant  J^suite), 
12  vol.  4.,  und  ein  Italiener  Contarini  Hess  auf  seine  Kosten  sämmt- 
liche  Werke  in  italienischer  Uebersetzung  drucken.  Estiennot 
schreibt  23.  Dec.  1684  aus  Rom,  eine  Zeit  lang  habe  man  bei  der 
Ertheilung  der  Erlaubniss  zum  Lesen  verbotener  Bücher  Maimbourg 
wie  Machiavelli  und  Molinaeus  ausgenommen ;  jetzt  geschehe  es  nicht 
mehr  (Val^ry  I,  46.  218.  228).  —  Im  span.  Index  stehen  nur  Hist. 
de  S.  Gr^goire  und  Traite  hist. 

Gegen  M.'s  Geschichte  des  Lutherthums  schrieb  Seckendorf, 
gegen  die  Geschichte  des  Calvinismus  Bayle  anonym  Critique  gini- 
rale  del'  Hist.  du  Calv.  de  M.  Maimbourg,  Villefranche  (Amster- 
dam) 1682  (3.  Ed.  1684,  2  vol.),  von  der  Inq.  verb.  1684,  und 
!Nouvelles  lettres  de  Tauteur  de  la  Critiqne  g^n.  ...  1.  Partie, 
1685,  2  vol.  (nicht  mehr  erschienen),  verb.  1709.  Die  Critique  ist 
von  Ben.  durch  ein  Versehen  unter  Maimbourgs  Schriften  gestellt 
worden  und  hat  dort  ihren  Platz  behalten !  —  Die  Entretiens  d'Eu- 
doxe  et  d'Euchariste  sur  l'Hist.  de  TArianisme  et  des  Iconoclastes 
du  P.  Maimbourg,  1674,  sind  von  Jacques  Le  FÄvre,  Dr.  Sorb.  und 
Generalvicar  von  Bourges,  f  1716.  Von  ihm  wird  auch  sein  Pre- 
mier Entretien  d'Eudoxe  et  d'Euchariste,  pour  servir  de  defense 
a  )a  th^se  d^un  Bachelier  de  Sorbonne  contre  le  P.  Maimbourg, 
verb.  1674.  Le  Fevre  schrieb  auch  mehrere  Schriften  gegen  die 
Calvinisten,  wegen  deren  er  mit  Arnauld  in  einen  Federstreit  ge- 
rieth,  da  er  diesem  gegenüber  die  mildere  Ansicht  vertrat,  dass 
l'ensemble  des  reformes  n'est  pas  si  absurde  et  si  anticatholique  sur 
Particle  de  la  pr^tendue  inamissibilite  de  la  grace  (S.-Beuve  5,319. 
Hurter  2,  705).  Eine  seiner  polemischen  oder  irenischen  Schriften 
wurde  1681  verb.:  Projet  de  Conference  sur  les  mati^res  de  con- 
troverse,  appuy^  de  quelques  observations  sur  trois  ou  quatre  points 
de  religion    et   particuli^rement    sur   le  sacr.  de  penitence,   avec  50 

f[ue8tions  choisies   pour  etre  propos^es  k  Messieurs  de   la  K.  P.  R. 
religion  pr^tendue  reform 6e],  Par.  1680. 

Louis  Maimbourg  begann  seine  schriftstellerische  Thätigkeit 
mit  Une  methode  pacifique  pour  ramener  sans  dispute  les  protestants 
k  la  vraie  foi  sur  le  point  de  l'eucharistie,  1670.  Diese  Schrift  ist 
nicht  verb.,  aber  Examen  du  premier  trait^  de  controverse  du  P. 
li.  Maimbourg,  intitul^  Methode  etc.,  Col.  1683,  verb.  1685,  von 
seinem  Vetter  Theodore  Maimbourg,  der,  mit  einer  Calvinistin  ver- 


586  Gallicaniscbc  Kirohenhistoriker. 

heirathet,  ein  guter  Katholik  blieb,  so  lange  er  eine  Pension  von 
1000  Livres  von  der  Familie  Schomberg  bezog,  dann  aber  Calvinist 
oder  Sooinianer,  1681  Anglicaner  wurde  und  vor  1687  in  England 
starb  (R.  Simon,  Lettres  1,87;  2,  254). 

4.    Von  Louis  Ellies  Dupin,  geb.  zu  Paris  1657,  Doctor  der 
Sorbonne  1684,    f  1719,  —  über    das  Verbot    seiner  kircbenrecht- 
lieben  Schriften  s.  571   —  erschien   1686   der  erste  Band   der  Nou- 
velle  Bibliotbeque  des  auteurs  eccl^siastiques,  die  ersten  8  Jahrhun- 
derte umfassend.     1691  waren  5  Bände  erschienen.      Auf  Betreiben 
Bossuets  beauftragte  die  Sorbonne  eine  Commission  mit  der  Prüfung 
des  Werkes.     Mittlerweile  veröffentlichten  die  Benedictiner  von  St. 
Yannes  eine  specielle  Kritik  desselben:     Remarques  sur   la    Biblio- 
tbeque  des  auteurs   eccl.,    Par.  1691.  92,    3  vol.  8.    (von  Matthieu 
Petitdidier  verfasst).     Dupin  beantwortete  dieselbe.     Mit  dieser  Ant- 
wort war  aber  Bossuet  noch  weniger  zufrieden  als  mit  dem  Werke 
selbst.     Er  übersandte  dem  Kanzler  Boucherat  zwei  Memoires,  worin 
er  mehrere  dogmongeschichtliche  Ansichten   Dupins   und   seine  Dar- 
stellung   der  Goncilien    von  Ephesus    und   Chalcedon  bestreitet  und 
erklärt,  das  Werk  müsse  censurirt  werden  oder  D.  retractiren  oder 
wenigstens  Erklärungen  abgeben  (Oeuvres  30,  475 ;  42,  653.  Bausset, 
Hist.  de  Bossuet  3,  227).     Racine,  ein  Verwandter  D.'s,  Pirot  und 
Gerbais  verwandten  sich  für  ihn  bei  Bossuet.      Es  wurde    eine  Be- 
sprechung zwischen  beiden  veranlasst  und  Bossuet  gab  sich  mit  D.*6 
Erklärungen  zufrieden.      Es   kam   nun   auch    zu  keiner  Censurirung 
durch  die  Sorbonne.      Aber    der  Erzbischof    de  Harlay  erliess  eine 
Ordonnanz  vom  16.  April  1693,  worin  er  sagt:  er  habe  die  5  ersten 
tomes  (en  7  volumes)  durch  4  Doctoren  der  Sorbonne  prüfen  lassen 
und  selbst  geprüft  und  auch  den  Verfasser  angehört,    der   eine  der 
Ordonnanz  beigefügte  (sehr  umfangreiche)  Erklärung  abgegeben  un^ 
dadurch  seine  persönliche  Orthodoxie  bekundet  habe    (il  met  sa 
ligion   au  couvert);     das  Werk   selbst  sei  einer  Verbesserung  nid 
fähig    und  werde    darum  verboten,    als  Sätze  enthaltend,    die    res] 
falsch,  temerär,  .  .  .  geeignet,  die  Beweise   der   Tradition    für    di 
Autorität  der  canonischen  Bücher  und  für  andere  Glaubensartikel 
schwächen,    für  die  allgemeinen  Goncilien,    den  apostolischen  Stul 
und    die    Kirchenväter    injuriös  .  .  .  seien    (Arg.  III  b  373).       ^^^^1,^^% 
Kanzler  verbot  dann  den  Verkauf  des  Werkes.      Am    1.   Juli  169fc^'  *^ 
wnrden  5  tomi,  a  tribus  prioribus  saeculis  ecclesiae  usque  ad  sae»  ^^.f*^ 
7.,  auch  von  der  Inq.  verb.     D.  setzte  aber  sein  Werk  fort  und  d^^ 
Kanzler  erklärte  sich  trotz  des  Widerspruches  des  Erzbiscbofs  bereit 
ihm  die  Druckerlaubniss  für  die  folgenden  Bände  zu  geben,  wenn  €^ 
den  Titel  ändere  (Valery  2,  356).     Die  Fortsetzung  erschien  zunäoh^  ^^f 
unter  dem  Titel:    Hist.  des  controverses  et  des  matiöres  ecd^siast -i^' "■**" 
ques,    7  vol.,    1694—98    (9— 15.  Jahrb.),    dann   unter   dem  Titeü  ^^^• 
Hist.  de  Teglise  et  des  auteurs  eccl.  du  16.  siecle,  5  vol.,  1701  un^=^*°" 
3,  dann  wieder  unter  dem  alten  Titel,  9  vol.,    1708-11    (16.— 19^    -^• 
Jahrb.).     Wenn  seit  Ben.  im  Index  der  Zusatz:    5  tomi  etc.  wegg^'^^f' 
lassen  und  dem  Datum    1.  Juli   1693  das  zweite  10.  Mai  1757  be    ='^'* 
gefügt    ist,    80    wird   damit  das  Verbot  auf  das   ganze  Werk 
gedehnt. 


L.  E.  Dupin.  687 

Nachdem  das  Breve  Clemens'  XI.  vom  12.   Febr.  1703  gegen 
den  Gas  de  conscience,    den  auch  D.  unterzeichnet   hatte,    in  Paris 
angekommen  war,    wurde  er  von  dem  Könige  verbannt  und  so,  wie 
d'Aguesseau    (13,  204)    sagt,    martyr  d'une  opinion  qu^il  ne  suivait 
pas;  er  sei  ebenso  wenig  ein  Jansenist  gewesen  wie  diejenigen,  die 
seine  Verbannung  bewirkt  hätten ;  man  habe  aber  am  Hofe  gewusst, 
dass    er   als  Gallicaner    in  Kom    übel  angeschrieben  war,    und    der 
König   habe    an    demselben    Tage    durch    einen   Eammerberrn    dem 
Nuncius  sagen  lassen,    que   c^etait   pour  faire   plaisir  a  Sa  Saintete 
qu'il  traitait  ainsi  ce  docteur.     In  einem  Breve  vom  10.  April  1703 
(Arg.  III  b  420)  belobte  denn  auch  Clemens  XI.  den  König  dafür, 
da88  er  mit  der  Bestrafung  der  Unterzeichner  des  Cas  de  conscience 
den  Anfang    gemacht,    indem    er  D.,    nequioris    doctrinae    hominem 
temerataeque    pluries  Apost.  Sedis   dignitatis  reum,    verbannt  habe. 
Nach   vier  Jahren    durfte    er,    nachdem    er    eine    Betractation    ver- 
öffentlicht, zurückkehren.     In  einem  Memoire,  welches  1713  der  Ca- 
puciner  Timoth^e  de  la  Fleche  dem  Könige,   angeblich  im  Auftrage 
des  Papstes,  überreichte,  heisst  es:   der  Papst  wisse,   dass  D.  unter 
dem  Schutze  des  Card.  Noailles  agitire.     Er  gehörte  in  der  That  zu 
den  eifrigen  Gegnern  der  Bulle  ünigenitns.  —  Bei  seinen  Lebzeiten 
Icamen  noch  von  ihm  in  den  Index :  Trait^  de  la  doctrine  chr^tienne 
et  orthodoxe,  dans  lequel  les  v^ritez  de  la  religion  sont  6tablies  sur 
l'Äcriture  et  sur  la  tradition,    et  les  erreurs   opposees   ditruites  par 
les  radmes  principes,    1703,    von    der  Inq.  verb.  1704,    der  1.  (und 
einzige)  Band  eines  Lehrbuches  für  gebildete  Laien;  —   Histoire 
de   Teglise  en  abr%£  par  demandes  et  par  r^ponses  depuis  le  com- 
mencement  du  monde  jusqu'ä  prisent,  1712,  4.  vol.  12.,  verb.  1719 
(erst  seit  Ben.  im  Index),  gleichzeitig  die  italienische  Uebersetzung ; 
s.   S.  199.     1722  verb.  die  Inq.   eine  These,    welche    unter    seinem 
Präsidium  einen  Monat  vor  seinem  Tode   (f  6.  Juni  1719)    verthei- 
di^  worden  war.  —  Nach  seinem  Tode  erschienen   noch:    Histoire 
du   Concile  de  Trente    et  des  choses  qui   se  sont  passees  en  Europe 
tonchant    la  religion  depuis  la  vocation    de    ce   Concile    jusqu^4    sa 
&i,    Brux.  1721,    verb.    1725;  —  M^moires    bist,  pour    servir    k 
l^hist.  des  inquisitions,  Col.  1716,  2  vol.,  verb.  1739    (als  Bestand- 
theil    von    Bernards    C^r/'monies,    s.  u.);  —  Traite    theologique    et 
philos.  de  la  verit^  (im  Index  steht  der  Titel  noch  heute   lateinisch 
Tractatns  theologico-philos.  de  veritate),    Utrecht  1733,  394  S.  12., 
verb.  1742,  gleichzeitig:  Methodus  studii  theologici  recte  instituendi. 
Praefationem  de  vita,  factis  et  scriptis  Dupinii  praemisit  Jo.  Frickius 
[eine  Uebersetzung  der  Methode  pour  etudier  la  th^ologie,  1716,12., 
von  dem  gelehrten  Ulmer  Theologen,  A.  D.  B.  7,379]^).  —  Im  span. 

1)  Das  auf  den  Wunsch  Peters  des  Grossen  1717  von  9  Doctoreu 
<ier  Sorbonne  entworfene  Memoire  über  eine  Union  der  russischen  und 
lateinischen  Kirche  ist  auch  von  Dupin  unterzeichnet,  aber  von  Boursier 
verfasst  (Picot  1,  127).  In  den  Jahren  1718  und  19  correspondirte  Dupin 
mit  dem  Erzbischof  Wake  von  Canterbury  über  eine  Union.  D'un  projet 
<i'iiBion  entre  les  6gl.  gallicane  et  anglicane.  Correspondance  entre  Wake, 
Arch.  de  Cantorberi,  et  Dupin,  Docteur  de  Sorb.    Lond.  1864. 


588  Gallicanische  Rirchenhistoriker. 

Index  werden    alle  Werke    von  D.  mit  d.  c,    nur  De  antiqua  eccl. 
disciplinu  unbedingt  verb. 

In  des  Oratorianers  Charles  Le  Gointe  Annales  ecclesiastici 
Francorum,  1665  —  83,  wurde  1684  in  Rom  die  Dissertation  bean- 
Htandet,  in  welcher  er  zeigt,  dass  P.  Zacharias  nicht  den  König  Chil- 
perich  kraft  seiner  päpstlichen  Gewalt  abgesetzt,  sondern  nur  eine 
Anfrage  der  Franken  beantwortet  habe  (Michaud  4,  233).  Das 
Buch  steht  aber  nicht  im  Index. 

5.    Von  Tillemonts  Werken  sagt  Benedict  XIV.  in  dem  Briefe 
von  1748  über  Noris  (s.  u.),  sie  seien  unter  Clemens  XI.  dennncirt 
und  vieles    der  Censur  Würdige    daraus  angeführt,    von   dem  Papst 
aber  Schweigen  geboten  worden.     Es  war  der  Oratonaner  Laderchi, 
der  Fortsetzer  des  Baronius,  der   1707  Till,  als  einen  sehr  verderb- 
lichen Autor,  den  er  in  16  Briefen  widerlegt  habe,  denuncirte.     Er 
war  ohne  Zweifel  auf  Till. 's  Bücher  speciell  darum  erbost,  weil  darin 
die  Martyreracten,    auf  die  er  sich  in  den  Noten  zu  seinen  Acta  S. 
Crescii  berufen  (S.  430),    für  unecht  erklärt  waren.     Der   Papst  be- 
fahl die  Bücher  zu  untersuchen.      Giusto   Fontanini   Hess   ihm  aber 
eine  Denkschrift  überreichen,    worin  er  u.  a.  sagt:  „Gewisse  Leute 
betreiben  das  Verbot  von  Werken  berühmter  Schriftsteller  lediglich 
darum,  weil  darin  bezüglich  streitiger  Punkte,  bei  denen  es  sich  um 
philosophische  und  die  Religion  nicht  beriihrende  oder  um  geschicht- 
liche Fragen    handelt,    andere  Ansichten    als   die    ihrigen  vertreten 
werden.      Solche  Verbote  würden    die  Decrete    des  h.  Stuhles  dem 
Gespötte  aussetzen,    die  Wissenschaft   schädigen  und   die  Gelehrten 
betrüben.     Ausser  anderen  schon  seit  langer  Zeit  bei  den  Katholiken 
in  Ansehen  stehenden  Büchern    sind  auch    die  Memoires    sur  l'hist. 
eccl.  und  Hist.  des  empereurs  von  Till,  denuncirt  worden.  Till,  war 
ein  sehr  guter  Katholik,  ein  frommer  Geistlicher  und  einer  der  be- 
scheidensten   und   gelehrtesten    Schriftsteller,    die    es    gibt.       Seine 
Schriften  sind  lür  die  Kirche  sehr  nützlich,  werden  von  den  Katho  — 
liken    sehr    gelobt    und  sind  den  Haeretikern    sehr  unbequem.  .  . 
Einige  Männer,  denen  die  Ehre   Roms  und  die  Wahrheit  am  Herze»  ~^ 
liegt    und  welche    die   Werke  von  Till,  unparteiisch  geprüft  habei 
stellen  Ew.  Heiligkeit  ehrfurchtsvoll  vor,  dass  das  Verbot  derselbi 
dem  h.  Stuhle  nicht  zur  Ehre  gereichen  und  zu  grosser  Verwirmn 
und  allgemeiner  Unzufriedenheit  Anlass  geben    würde.  .  .  .     Wen 
Bücher  Censoren    zur  Prüfung    übergeben    werden,    so    scheint    di 
heutzutage  schon  so  gut  wie  ein   Verbot  zu  sein.      Nicht  alle  Cei 
soren  sind,  wenn  auch  vielleicht  in  anderer  Beziehung  sehr  gelehr" 
in  gewissen  Materien  gründlich  bewandert;    es  ist  niemand  da,  d( 
den  Autor  vertheidigt,  und  die  Censoren  sind  von  Hanse  aus  geneij 
ihn  anzuklagen,    und  es  ist  ja  gar  nicht  schwer  für  sie,    etwas  Ti 
delnswerthes  zu  finden;  ja  man  glaubt  ziemlich  allgemein,  es  sei  d( 
Amt  des  Censors,    dem   ein   Buch   zur  Begutachtung  gegeben   wircm»^'^ 
den  Autor  anzuklagen  und  nicht  zu  vertheidigen ,    und    das    sei  cL 
Mittel,    sich  Ansehen    zu  verschaffen.**     Auch  der  spätere   Cardini 
Passionei  überreichte  dem  Papste  eine  von  ihm  und  anderen  Rom     -^' 


Tillemont  Cl.  Fleury.  689 

sehen  Gelehrten  unterschriebene  Denkschrift^)  und  auch  andere  ein- 
fluBsreiche  Personen  machten  dem  Papste  Vorstellungen  (Card.  Me- 
dici  wurde  damals  von  Paris  aus  ersucht,  den  Denunciationen  La- 
derchi's  gegen  angesehene  französische  Schriftsteller  Einhalt  zu  thun). 
Der  Papst  nahm  darauf  seinen  ßefehl  zurück,  und  im  Herbst  schrieb 
Fontanini  an  Magliabechi :  von  einem  Verbote  Till/s  werde,  so  lange 
er  lebe,  nicht  mehr  die  Rede  sein;  wenn  die  Sache  an  die  Index- 
Coögr.  gekommen  wäre,  würde  er  die  Vertheidigung  Till/s  über- 
nommen haben;  wenn  Laderchi  seine  firiefe  drucken  lassen  wolle, 
würden  sie  ihm  zur  Censur  gegeben  werden;  die  Römischen  Ge- 
lehrten seien  sehr  erfreut  über  das  Scheitern  der  Intrigue ;  auch  von 
Florenz,  Neapel  und  Padua  habe  er  Dankschreiben  erhalten  (Clar. 
Yen.  ad  Magl.  Epp.  p.  2Ü4— 274).  Fabroni  (Vitae  lt.  13,  215)  hebt 
als  bemerkenswerth  hervor,  dass  Till,  freigegeben  worden,  obschon 
man  ihn  zu  den  Jansenisten  gezählt  und  Clemens  XI.  nihil  tam  oderat 
quam  Jansenistarum  nomen^). 

6.     Von  Claude  Fleury  (t  1723)    waren    bis  1728    nur  kir- 
chenrechtliche Schriften  verb.  (S,  573).   In  diesem  Jahre  wurde  der 
zuerst  1679,    dann   oft    erschienene  Catechisme  historique   contenant 
en  abrigä  Phistoire  sainte  et  la  doctrine  chretienne  mit  d.  c.  verb., 
und  1745,  auch  mit  d.  c,  eine  italienische  Uebersetzung:  Catechismo 
istorico  che  contiene  in  ristretto  Tist.  santa  e  la  dottr.  christ.,  Ven. 
1705    (beide   fehlen   in   den  Index -Ausgaben    vor  Ben.).     Eine  von 
Paquot    corrigirte  Ausgabe    des  Catechisme,  Bruxelles   1778   (N.  E. 
1780,  73.  116),  wurde  von  dem  Card.  Frankenberg  approbirt.   Aber 
erst  7.  Juli  1859   hat   die  Index -Congr.    erklärt:    Permittitur  editio 
emendata  Avignon    1859,   was    in    den  Index- Ausgaben    sonderbarer 
Weise  nicht    unter   Fleury,    sondern    unter    Catechisme    steht.     (In 
Spanien    wurde    eine   Uebersetzung    von    Fr.  J.  Interian    de  Ayala, 
Madrid  1773,  1785  expurgirt).  —  Die  Histoire  ecclesiastique,  1691  — 
1720,  20  vol.  4.  (bis  1414),  wurde  mehrfach  angegriffen  (Hurter  2, 
1078),   u.  a.   von  dem  Carmeliter  Honoratus  a  S.  Maria  (in  saeculo 
Blaise  Vauzeulle,  f  1729)  in  den    anonymen  Observations  sur  THist. 
eccl.   de  M.  Fleury   adressees  au   P.  Benolt  XIII.    et  aux    eveques, 
Taille  1726  (in  der  Approbation    des  Abdrucks  Mecheln   1729  dankt 
der  Can.  Stevart  Gott,  dass  ein  Katholik  den  Muth  gehabt,  die  nach 
dem  Urtheile    aller  orthodoxen  Theologen    sehr   schlechte    und  ver- 
derbliche Eirchengeschichte  anzugreifen).      Ein    anderer  Carmeliter, 
Alex,   a  S.  Joanne  de  Cruce  zu  Augsburg,  übersetzte  die  noch  stär- 


1)  Memorie  per  servire  alla  storia  del    Card.  Passionei,    Rom  1762, 
p.   20. 

2)  Ueber  die  Bedenken  des  Pariser  Censors  gegen  den  1.  Band  der 
Hist.  ecoL,  die  Controverse  mit  B.  Lamy  über  das  letzte  Abendmahl  und 
die  Angriffe  von  Faydit  s.  S.-Beuve  4,  5;  Hefele,  Beitr.  2,  107.  —  Das« 
die  Ultramontanen  mit  Tillemont  nicht  zufrieden  waren,  und  er  min- 
destens mit  d.  c.  in  den  Index  gekommen  sein  würde,  wenn  die  ('on- 
Rregation  seine  Werke  in  Untersuchung  genommen  hätte,  sieht  man  aus 
Hurter  2,  466. 


590  Gallicanische  Kirchenhistoriker. 

ker  gallicanische  Fortsetzung  des  Fleury'schen  Werkes  von  dem 
Oratorianer  Jean -Claude  Fahre  (bis  1595)  ins  Lateinische  nnd  lie- 
ferte eine  weitere  Fortsetzung  bis  1765  (Hefele,  Beitr.  2,  93).  — 
Im  Index  steht  die  Kirchengeschichte  nicht.  Aber  als  unter  Bene- 
dict XIV.  zu  Venedig  eine  italienische  Uebersetzung  derselben  er- 
scheinen sollte,  fand  man  das  in  Rom  doch  wegen  der  sehr  wenig 
curialistischen  Tendenz  des  Werkes  bedenklich,  und  der  Dominicaner 
Orsi  rieth,  die  Sistirung  des  Druckes  zu  erwirken  und  eine  neue 
italienische  Kirchengeschichte  schreiben  zu  lassen,  womit  er  dann 
selbst  beauftragt  wurde  (Fabroni,  Vitae  It.  11,25);  er  kam  in  20 
Bänden  nur  bis  600,  sein  Werk  wurde  von  Bottari  und  Becchetti 
fortgesetzt. 

1750  erschien  zu  Avignon  ein  im  curialistischen  Sinne  gehal- 
tenes Ahr^gi  de  l'Hist.  eccl.  de  Fleury,  8  vol.  12.,  1751  eine  Con- 
tinuation  als  vol.  9.  et  10.;  als  Verfasser  wird  der  Redactenr  des 
Courier  d'Avignon,  Francois  Morenas  genannt.  Die  Continnation  ist 
Benedict  XTV.  gewidmet  und  wurde  von  ihm  in  einem  Breve  unter 
Berufung  auf  ein  günstiges  Gutachten  des  Dominicaners  Touron  über 
die  drei  ersten  Bände  belobt.  In  den  Lettres  d'Eus^be  Philalithe 
a  M.  Fran<2ois  Morenas,  sur  son  pr^tendu  Abräg6  de  THist.  .  .  . 
[von  Ch.  Clemencet],  Lie^e  1757  *,  p.  552  steht  ein  Brief  des  Do- 
minicaners, worin  er  erklärt,  sein  günstiges  Urtheil  beziehe  sieb 
gar  nicht  auf  das  Abr^g^  von  Morenas,  das  er  damals  gar  nicht  ge- 
kannt habe,  sondern  auf  das  anonym  erschienene  Ährigi  von  Racine 
(s.u.).  —  Ein  anderes  Abregt  de  l'hist.  eccl.  de  Fleury,  traduit 
de  Tanglais,  Beme  1766,  2  vol.  8.,  wurde  unter  Clemens  XIV.  von 
der  Inq.  Fer.  V.  1.  März  1770  verdammt.  In  den  Index- Ausgaben 
seit  1770  steht  es  als  decreto  Clementis  XIV.  in  Congr.  8.  Off. 
verdammt  und  wird  dem  Titel  beigefügt:  mendax  titulus  mendacissimi 
operis.  Das  Buch  ist  nicht  zu  Bern,  sondern  zu  Berlin  gedruckt,  — 
in  Bern  wurde  es  1766  verbrannt;  —  das  Avant-propos  iat  von 
Friedrich  II.  (abgedr.  in  den  Oeuvres  bist.,  Berlin  1847,  7,  133 — 
144),  das  Uebrige  soll  in  seinem  Auftrage  und  nach  seinen  AngaberK\ 
(er  hatte  1762  Fleury ^s  Werk  gelesen)  Abb6  de  Prades  gemacl"BA 
haben  (Oeuvres  1.  c.  p.  XIV)  ^). 

7.     Sehr  oft  sind  bisher  citirt   (mit  Avr.)  worden  Memoir 
chronologiques  et  dogmatiques  pour  servir  k  Thistoire  ecclisiastiqi 
depuis  1600  jusqu'en  1716,    avec   des   r^flexions    et  des    remarqui 
critiques,    s.  1.  (Paris)   1720*,   4  vol.  12.2),  ^erb.  1727.     Das   Bn( 
ist  für  die  Kirchengeschichte   des  17.  Jahrb.   ebenso  brauchbar 
für  die  des  18.     (Picots)  M6moires  pour  servir  k  l'hist.  eccl.  penda"  — ^d* 


1)  Auszug  aus  der  Kirchengesch.  des  Kardinals  [!1  von  Fleury.  Vcgss^^ 
fasst  und  mit  eigenen  Reflexionen  begleitet  von  Friedrich  II.  von  Fmaase^^^'^f 
Berlin  1788. 

2)  Backer    erwähnt  einen    incorrecten    Nachdruck    von    Lyon   u^^" 
Houen,    eine  2.  £d.  Paris  1739  und  eine  Ausgabe  Nismes  1781,    2  vol.       ^' 
llurter  erwähnt  diesen  Autor  nicht. 


R.  d^Avrigny.    Mabillon.  591 

le  18.  si^cle,  2.  Ed.  considerablement  aagraentee,  Paris   1815,  4  vol. 
8.,    wenn  auch  beide  ihren  Partei  -  Standpunkt  deutlich   hervortreten 
lassen.     Der  Verfasser  ist  der  Jesuit  Hyacinthe  Kobillard  d'Avrigny 
(1675 — 1719).     Er    hat    auch  M^moires    p.    s.    ä   Thist.    universelle 
d'Europe   1600—1716,  Paris  1725*,  4  vol.  12'.,  geschrieben.     Beide 
Bücher  sind  erst  nach  seinem  Tode  erschienen  und  der  mit  der  Cen- 
8ur  beauftragte  P.  Lallemant  soll  stark  daran  geändert  haben  (nach 
einer  nicht  wahrscheinlich  klingenden  Angabe  d'Avrigny  vor  Aerger 
über   die  Verstümmelung  des  erstem  Werkes  durch    seinen  Ordens- 
bruder gestorben  sein).     Er  hat  an  dem  erstem  Werke  nicht  genug 
geändert,    um  es  vor  dem  Index    zu  schützen.     Der  Verfasser    ver- 
räth  zwar   nichts  weniger  als  Sympathie  für   die  Jansenisten,    aber 
er  spricht  an  sehr  vielen   Stellen  wie  ein  richtiger  Gallicaner:  „Die 
Uofelilbarkeit  des  Papstes    und    seine  Superiorität  über  das    Concil 
ist  noch  ein   unentschiedenes  Problem,    bezüglich  dessen  jeder   nach 
seiner  Einsicht  Partei  ergreifen  kann.  .  .     Die  Schriftsteller,  die  sich 
für  den  Papst  erklären,   behaupten,   ihre  Ansicht  nähere  sich  einem 
Glaubenssatze,    müssen  aber,    wenn    man  Suarez    and   einige   andere 
aasnimmt,  zugeben,  dass  sie  kein  Dogma  ist  (3,  236).    Streitigkeiten, 
^e   die  über  die    Monarchia  Sicnla   gehen   den  Glauben    nichts  an; 
jeder  ist  berechtigt  die  Partei  zu  ergreifen,    die  er  für  die  gerech- 
tere hält  (l,  142).     Die  Väter  von  Constanz   haben  nicht  daran    ge- 
dacht zu  behaupten,    dass  die  Fürsten  von   den  Statthaltern  dessen, 
der  gesagt,  sein  Reich  sei  nicht  von  dieser  Welt,    abgesetzt  werden 
könnten.     Die  Unabhängigkeit  der  Könige  in  weltlichen  Dingen  ist 
in  Frankreich  immer  sehr  lebhaft  vertheidigt  worden.  .  .    Jetzt  den- 
ken  darüber   die  Staatsbeamten   in  allen  Ländern  ebenso;    Streit  ist 
nur  noch  unter  den  Theologen  (1,  144).     Die  Lehre   der  Ultramon- 
tanen über  einige  Punkte   erscheint  uns  als  Schmeichelei  und  Krie- 
cherei,   und  sie  erweisen  uns  kaum  die  Ehre,   uns    bezüglich  dieser 
Pankte  als  katholisch  anzusehen.     Es  gibt  Dinge,  worüber  man  bis 
znm  Ende    der  Zeiten   disputiren  wird   (1,  202).      Der  auf  die   Un- 
abhängigkeit der  Fürsten  bezügliche  Theil  der  Erklärung  von  1682 
bietet  nur    denjenigen  Schwierigkeiten,  welche  für  die  ultramontanen 
Meinungen  voreingenommen  sind^*  (3,  226). 

8.  Als  Mabillon  1686  in  Rom  war,  kamen  dort  Briefe  an,  in 
denen  angedeutet  war,  er  sei  bei  allen  seinen  vortrefflichen  Eigen- 
aobaften  ein  Gallicaner  (Valery  I,  296).  Er  wurde  gleichwohl  bei 
der  Curie  sehr  beliebt  und  sogar  zum  Consultor  der  Index-Congre- 
^ation  ernannt  (S.  12.  115).  Beinahe  hätte  er  aber  die  Gunst  der 
Curie  verscherzt  durch  die  Schrift  Eusebii  Romani  ad  Theophilum 
G-allum  epistola  de  cultu  sanctorum  ignotorum,  Par.  1698*,  32  S.  4. 
Bie  ist  zwar  direct  gegen  den  in  Frankreich  vorkommenden  Miss- 
brauch  gerichtet,  dass  man  zu  Ehren  von  Heiligen,  von  denen  man 
Reliquien  aus  den  Katacomben  erhalten  und  denen  in  Rom  Namen 
beigelegt  worden,  grosse  Feste  veranstaltete,  Predigten  hielt,  das 
Sanctissimum  ausstellte  u.  s.  w.,  und  Mab.  konnte  sich  diesem  Miss- 
brauch  gegenüber  auf  ein  Decret  der  Congregation  der  Riten  vom 
J.   1691  berufen,    wonach  nur  von  solchen  Heiligen,  die  im  Marty- 


592  Gallicanische  fiirchenhistoriker. 

rologium  stehen,  Officinm  nnd  Messe  gehalten  werden  soll.  Aher 
wenn  auch  nur  indirect,  so  ist  doch  die  Schrift  hauptsächlich  eine 
Kritik  der  Römischen  Praxis  bezüglich  der  „unbekannten  Heiligen". 
Mab.  tadelt  den  Gebrauch,  dass  der  Cardinal  -  Vicar  oder  der  Mon- 
signore  Sacrista  die  Heiligen,  von  denen  man  Reliquien  in  den  Ea- 
tacomben  gefunden,  ohne  dass  auf  den  Grabsteinen  ihr  Name  ge- 
nannt war,  „taufe",  d.  h.  ihnen  Namen  (Victor,  Felicissimus  u.  dgl.) 
beilege  ^),  was  zu  dem  Unfug  Anlass  gebe,  dass  man  nun  auch 
Yitae  solcher  Heiligen  fabricire,  die  auf  blossen  Yermuthungen  oder 
Erdichtungen  beruhten  oder  aus  anderen  Vitae  entlehnt  seien,  wie 
man  z.  B.  das,  was  von  einem  Mailänder  Märtyrer  Victor  berichtet 
werde,  auf  einen  Victor  übertragen  habe,  dessen  Reliquien  aus  den 
Katacomben  nach  Paris  gekommen  seien;  es  gebe  solcher  Vitae, 
die  von  Rechtswegen  im  Index  stehen  sollten.  Ferner  meint  Mab., 
es  würden  viele  in  den  Katacomben  gefundene  Gebeine  ohne  genü- 
genden Grund  als  Gebeine  von  Märtyrern  angesehen.  Man  habe 
früher  jedes  Grab  als  Grab  eines  Märtyrers  angesehen,  auf  dem 
man  ein  Kreuz,  das  Monogramm  Christi,  einen  Palmzweig  n.  dgl. 
gefunden,  und  erst  1608  habe  die  Congregation  der  Ablässe  nnd 
Reliquien  erklärt:  nur  ein  Palmzweig  verbunden  mit  einem  Blut- 
fläschchen  sei  ein  sicheres  Kriterium;  über  die  anderen  bisher  an- 
genommenen Kriterien  bleibe  die  Entscheidung  vorbehalten.  Mab. 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  zwar  in  den  Katacomben  viele 
Märtyrer  beigesetzt,  die  Reliquien  der  meisten  aber  schon  unter  Gre- 
gor III.  (IV.)  erhoben  worden  seien. 

Die  Schrift    war   schon  1691    fertig;    1696  schickte   sie   Mab. 
an   den  Card.  CoUoredo,    dem   er    sie   widmen   wollte.     Dieser  rieth 
ihm  aber,  sie  in  dieser  Gestalt  nicht  zu  veröffentlichen.     Mab.  Hess 
sie  nun  doch   erscheinen,    aber  pseudonym.     Gleich  nachdem   sie  m 
Rom  bekannt  geworden,  schrieb  Estiennot  an  Mab.:    Card.  Casanat^ 
rathe  ihm,    er  solle   gleich  eine   zweite  Ausgabe  voröffentlichen  nu^ 
in  dieser  sagen:  er  habe  die  Zweifel,  welche  die  Kritiker  bezüglü 
der  Kriterien  der  Märtyrer  erheben  könnten,    vorgetragen,    sei  ab« 
der  Ansicht,    dass   auf  Grund    einer    constaiiten  Tradition  die    fi 
liehen  Gebeine  als  Reliquien  von  Märtyrern  angesehen   und  vereh 
werden  dürften,  zumal  es  sich  um  eine  Sache  handle,  die  den  Glav 
ben  nicht  berühre.  Mab.  lehnte  das  ab.  Estiennot  schrieb  ihm  noc? 
mals:    die  Dissertation  werde  sicher   grossen  Anstoss   erregen;    mi 
versende  alle  Tage    solche  Reliquien,    und  der  Papst  wolle  bei 
legenheit  des   bevorstehenden  Jubiläums    eine  grosse  Quantität   v< 
schenken;  es  sei  ein  Missbrauch,  aber  man  müsse  ihn  dulden  u.  8. ' 
Im  Mai  1698   schickte    er  Mab.    die  Bedenken   eines  Generals    ui 
eines  Provinciais:  Mab.  gebe  den  Ketzern  Gelegenheit,  den  Reliquie 
cultus    anzugreifen;    er   gehe    mit  seinen  Vorwürfen    auch   zu  weiS" -^^i 
so  leichtfertig,  wie  er  annehme  verfahre  man  in  Rom  nicht;  die  K       ^*' 


1)  I)a8   Verzeichnias    der  Namen,  die  beigelegt  werden,   s.  A.  J. 
7,  967. 


3.  Mabillon.  590 

tacomben  könnten  noch  nicht  erschöpft  sein,  da  dort  viele  Taneende 
von  Märtyrern  beigesetzt  worden  seien  n.  s.  w.  —  Zu  denen,  die 
Mab.  zustimmten,  gehörte  auch  der  Bischof  Flechier  von  Nismes ; 
er  schrieb  ihm:  „Ich  habe  lange  gewünscht,  dass  man  einigen  aber- 
gläubischen Gebräuchen  bezüglich  der  Leiber  ein  Ende  machte,  die 
man  Heilige  nennt  und  die  vielleicht  nicht  einmal  getauft  waren. 
Die  Römische  Curie  ist  mitunter  sehr  freigebig  mit  solchen  Ge- 
schenken. Es  kommt  kein  vornehmer  Herr  von  Rom  zurück,  ohne 
einen  Märtyrer  mitzubringen,  für  den  er  dann  eine  Andacht  und  ein 
Fest  in  einer  Kirche  einrichtet,  die  er  in  Affection  genommen.  So 
entstehen  an  manchen  Orten  falsche  Geschichten  und  wenig  solide 
Ansichten." 

Die  erste  Entgegnung,  welche  unter  dem  Titel  R^ponse  k  une 

lettre  de  Dom  Mabillon   sur  les  Saints    des  catacombes,    Col.   1698, 

erschien,  —  Mab.    hielt    einen  Jesuiten    für    den  Verfasser,    andere 

vermuthen  den  1696  protestantisch  gewordenen  Mauriner  La  Croze, 

—  veranlasste  Mabillon,  einen  vom  Juli  1698  datirten  Brief,  Fr.  Jo. 

Habillonii  epistola  ad  D.  Cl.  Estiennot,  Procuratorem  Congr.  S.  Mauri 

in  Curia  Rom.,    super   epistola   de   cultu  sanctorum  ignotorum  nach 

Rom  zu  schicken  I    wo   Estiennot  Abschriften   an   die  Cardinäle  und 

Consultoren  der  Inquisition  und  der  Index-Congr.  vertheilte ;  er  wurde 

in  Paris  1698  auch  gedruckt.     In  diesem  sagt  er  u.  a. :    er  erkläre 

allerdings    alle  Kriterien    mit  Ausnahme  des  Palmzweigs  zusammen 

mit  dem  Blutfläschchen  für  unsicher;  wenn  aber  Gebeine  auf  andere 

deichen  hin  als  Märtyrer-Reliquien  vertheilt  würden,  so  geschehe  das 

Glicht  von  dem  Papste,  auch  nicht  von  dem  Cardinal- Vicar  oder  dem 

Sacrist«,  sondern  von  XJnterbeamten ;  man  sollte  bei  der  betreffenden 

TJntersuchung  ebenso  vorsichtig  verfahren  wie  bei  einer  Canonisation ; 

«ein  Brief  sei  weder  gögen  die  Reliquienverehrung  noch  gegen  Rom 

gerichtet;  er  habe  nicht  behauptet,  seit  Gregor  IV.  seien  überhaupt 

l[eine    Märtyrer- Leiber  mehr  in  den  Katacomben  ;  mehrere  Katacomben 

«eien  erst  später  entdeckt  worden.   Estiennot  konnte  Mab.  berichten, 

dass  diese  Erklärung  von  einflussreichen  Cardinälen  gut  aufgenommen 

"worden  sei.  —  1700    erschien    in    Rom    eine  Entgegnung  (Raphael 

!Fabretti,  Präsident  der  Congregation  zur  Untersuchung  der  Reliquien, 

liatte  eine  solche  schreiben  sollen,    starb    aber  27.   Apr.   1700):    In 

«pistolam  Eusebii  Rom.  .  .  .  apocrisis,    in    qua    defendiintur  contra 

Sus.  reliquiae  e  catacombis  Rom.  erutae,   auct.  Ant.  Alex.  Ploverio 

TTornac.  (Plouvier  war    ein  früherer  Oratorianer;    Estiennot   meinte, 

«r  habe  nur  seinen  Namen    dazu    hergegeben).      Der  Mag.  S.  Pal. 

eagte  Estiennot,    er  habe  darin  alle  scharfen  Ausdrücke  gestrichen ; 

^ber  Montfaucon,   der  damals  in  Rom  war,    nennt    das   Buch   male- 

«lictis  respersum,   nugis  plenissimum  et  tamen  editum   cum  approba- 

'tione    Domini    Patrizzi    et   permissu    Mag.   S.   Pal.    (Valery  3,  94). 

Sstiennot  rieth  Mab.,    nicht    darauf   zu    antworten,    da    die    Schrift 

^wenig  Eindruck   gemacht  habe;    ja  er  glaubte    im  Aug.  1700  Mab. 

versichern  zu  dürfen,  dass  sein  Brief  weder  denuncirt  sei  noch  werde 

^enuncirt  werden.      Aber    im  Mai   1701    erfuhr  Mab.,    dass  bei  der 

Index-Congr.    eine  Denunciation    eingegangen  sei.      Er  wandte  sich 

B«iuoh,  Index  n.  88 


i)94  Gallicanische  Kirchenhistoriker. 

darauf  an  den  Card.  Bouillon  und  dieser  schrieb  in  seinem  Interesse 
an  den  Secretär    des  Index,    P.  Bianchi,    der    Mab.'s   Gegner   war; 
Bianchi  antwortete,    er   werde    die    von    dem   Cardinal  angeführten 
Gründe  für  die  Schonung  des  Verfassers  der  Congregation  vorlegen. 
Am  22.  Nov.  1702   schrieb  Guillaume  de  la  Pare,    der   nach    dem 
Tode  Estiennots  Procurator    der  Mauriner  geworden  war,   an  Mab.: 
Bianchi  habe  zuerst  Msgr.  Franc.  Bianchini  mit  dem  Referate  über 
seinen  Brief  beauftragt,    dann    aber,   nachdem  dieser  seinen  Bericht 
eingereicht,  noch  einen  zweiten  Qualificator  bestellt,  der  wahrschein- 
lich weniger  günstig  berichten  werde.     Im  Jan.  1703  schrieb  de  la 
Pare  femer:    auch  Bianchini  rathe,  zwei  Stellen  zu  corrigiren,    die 
Berufung   auf    den  Brief  Gregors  III.  an  Otgarius  von  Mainz,    der 
nicht  echt  sein  könne,  da  jener  100  Jahre  früher  gelebt  als  dieser, 
und  die  Bemerkung,    man    sehe  auch  das  Kreuz,    das  Monogramm 
Christi  und  den   Palmzweig  als  Kriterien  an,    da  man  in  Wirklich- 
keit nur  den  Palmzweig  mit  dem  Blutfiäschchen  zusammen  als  Kri- 
terium gelten  lasse.     Mab.  antwortete  bezüglich  des  ersten  Punktes: 
der  fragliche    Brief   sei    von  Gregor  IV.,    Gregor  III.    sei  nur   ein 
Druckfehler,  bezüglich  des  zweiten:  auch  bezüglich  des  letztem  Kri- 
teriums hätte  er  noch  viel  zu  sagen,    was  er  aus  Bespect  vor  dem 
h.  Stuhle   und  der  Congregation   der  Riten  unterlasse;    tbatsächlich 
habe  man    aber    auch  andere  Kriterien  gelten  lassen.     „Wenn  man 
in  Rom  die  Ausschreitungen  kannte,  die  in  Frankreich  und  anderswo 
vorkommen,  so  würde  man  zugeben,  dass  das,  was  ich  gesagt  habe, 
eigentlich    eine    Apologie    des    Decretes    der  Congr.    der    Riten  ist, 
welches  diese  Missbräuche  verdammt,    welches    aber  hier  zu  Lande 
schlecht  beobachtet  wird,    wo   man  Feste  zu  Ehren   dieser  Art  von 
Heiligen  mit  grösserer  Feierlichkeit  begeht  als  die  Feste  der  grössten 
Heiligen  der  Kirche."      Bianchini   erklärte  sich  befriedigt;    Bianchi 
aber  sagte,  die  Untersuchung  müsse  weiter  geführt  werden,  weil  der 
Card.  Carpegna    auf   einem  Verbote    des   Briefes    bestehe.     Am  27. 
Sept.  1703  schrieb  Mab.  an  Card.  Colloredo:    wenn  er  wüsste,  wa» 
man  beanstande,    werde   er   gern    die  betreffenden  Punkte  erläoterim 
oder  verbessern;  er  denke  daran,  eine  neue  Ausgabe  zu  veranstalten^ 
und  wenn  die  Congregation  darin  citra  veri  et  sinceri  praejudician^^ 
etwas  beigefügt  haben  wolle,  werde  er  gehorchen.  Colloredo  schnell 
ihm  dann  20.  Nov.  1703,  am   19.  habe  die  Index-Congr.  beschlossen^ 
die  Ausstellungen    an    dem  Briefe    zusammenstellen    zu  lassen,    nn^B 
diese  Observationes    wurden    von  einem  Bruder  des  Card.  OttobonS 
Renaudot  und  von  diesem  Mab.  mitgetheilt.     Es  sind  —  abgesehen^i 
von  dem  Briefe  Gregors  III.  —  zwei  Punkte:     nur   das  Eine  Kri — 
terium  werde    in  Rom  anerkannt,    und    die  Katacomben  seien  noc) 
nicht  erschöpft,  man  dürfe  nicht  mit  Dodwell,  den  Ruinart  widerleg 
habe,    an    der  grossen  Zahl    der  Märtyrer  zweifeln.      Mab.  erklärtes: 
darauf,  er  werde  diese  Bemerkungen  in  seiner  zweiten  Ausgabe  be — 
rücksichtigen.      Bianchi   brachte   die   erste  Ausgabe  21.  April  170^ 
nochmals  in  der  Index-Congr.  zur  Sprache  und  Hess  den  Bericht  d( 
zweiten  Qualificators   verlesen;     die  Cardinäle  beschlossen,    wie 
geschehen  pflegte,    wenn   die   zwei  ersten  Qnalificatoren  nicht  übei 


i.  Mabillon.     6.  Ceppi.  5§o 

einstimmten,  einen  dritten  zn  bentellen;  aber  im  Mai  spracli  Card. 
Ottoboni  anf  den  Wunsch  Renandots  mit  dem  Papste,  nnd  dieser 
befahl  Bianchi,  die  Sache  bis  auf  weiteres  ruhen  zu  lassen.  —  Mit 
einem  Briefe  vom  8.  Febr.  1705  übersandte  Mab.  Clemens  XI.  das 
erste  Exemplar  der  zweiten  Ausgabe,  und  2.  Juni  meldete  ihm 
Card.  Ottoboni,  die  Index-Congr.  habe  einstimmig  beschlossen,  die 
Sache  als  mit  dieser  neuen  Ausgabe  erledigt  anzusehen.  In 
einem  Briefe  vom  19.  Jan.  1705  sagt  Mab.:  er  habe  seine  Schrift 
retouohirt,  ohne  etwas  abzuschwächen,  und  sie  um  mehr  als  die 
Hälfte  vermehrt,  in  der  Vorrede  zu  der  neuen  Auflage :  er  habe  sie 
veranstaltet  ad  ejus  nutum  et  imperium,  penes  quem  residet  summa 
praecipiendi  auctoritas,  und  darin  gemildert,  was  zu  scharf,  erläutert 
was  zu  dunkel  gesagt  gewesen,  und  corrigirt,  si  quid  secus  quam 
par  sit  a  me  scriptum  nonnullis  videatur;  namentlich  hebe  er  her- 
vor, dass  man  nicht  den  Palmzweig  allein,  sondern  nur  in  Verbin- 
dung mit  dem  Blutfläschchen  als  Kriterium  ansehe,  und  dass  nicht 
den  Cardinal- Vicar  oder  den  Monsignore  Sacrista,  sondern  nur  die 
secundarii  ministn  ein  Vorwurf  treffe^). 

Von  dem  zweiten  Theile  von  Mabillons  Trait^  des  ^tudes  mo- 
nastiqnes,  Par.  1691,4.,  der  ihn  in  eine  Controverse  mit  dem  Trap- 
pisten-Abt  de  Ranc6  verwickelte,    erschien  zu  Rom  eine  italienische 
Bearbeitung:  La  scuola  Mabillona,  nella  quäle  si  trattano  quei  stndii 
che  possono  convenire  agli  ecclesiastici,    con    una  lista  delle  princi- 
pali  difficoltä  che  si  trovano  nella  lettera  de'  concilii,    dei   padri    e 
deir  istoria,   gik  eretta  per   li  Padri   Benedittini   di  Francia  ed  ora 
aperta  a  tutti  li  religiosi  d'Italia  dal  P.  M.Nicola  Girolamo  Ceppi 
J^gostiniano,  Rom   1701.   1727,  2  vol.  12.     Thuillier  I,  367  berichtet 
darüber:     Ceppi   habe  Mühe  gehabt,  von  dem  Magister    S.  Pal.  die 
J)rnckerlaubniss  zu  erhalten ;  derselbe  habe  Anstoss  daran  genommen, 
^ass  darin  auch    die  Leetüre    von  haeretischen  Büchern,  wenn  auch 
mit  Vorbehalt,  empfohlen,  dass  Usserius,  ein  Haeretiker,  der  zuver- 
lässigste Führer   auf    dem  Gebiete    der  Chronologie  genannt,     dass 
gewisse  scholastische  Fragen  als  überflüssig  bezeichnet,    dass  Theo- 
^oret  über  Gebühr  erhoben,  dass  die  Profangeschichte  und  Chrono- 
logie als  für  das  Verständniss  der  h.  Schrift  nothwendig  dargestellt 
"Würden;  auch  dass  Annius  von  Viterbo  ein  Betrüger  genannt  werde, 
liätten  die  Dominicaner  übel  genommen;   der  Mag.  S.  Pal.  habe  so- 
^^r  gedroht,  er  werde  Mabillons  Buch  durch  die  Inquisition  censu- 
^ren  lassen;    auf  die   Vorstellungen  des   P.  Massoulie    hin   habe  er 


1)  Beide  Ausgaben  der  Schrift  von  Eusebius  Rom.  abgedr.   in  Ouvr. 

rsth.   de    J.  Mabillon    et   de   Th.  Ruinart,    par   V.  Thuillier,   Par.   1724, 
213;    ebend.   p.   803  ff.    die    meisten    im    Text    benatzten    Actenstücke. 
Vgl.  Valery  8,   10  ff.  und  Paulinus,  die  Märtyrer  der  Katakomben  und  die 
Hörn.    Praxis,  1871,    S.  49.      —      Die  wissenschaftliche  Controverse    über 
iie  Leiber  aus  den  Katacomben  ist  in  neuerer  Zeit  wieder  aufgelebt;  über 
lie  Schriften   von    de   Bück,    Le  Blant,    Scognamiglio,    Kraus  s.  Paulinas 
i.  a.  0.,  K.-L.  1,  766.   —  Auch  der  mit  diesen  Reliquien  getriebene  Unfag 
«t  in  neuester  Zeit  mehrfach  aufgedeckt  worden.   Rhein.  Merkur  1871,  808. 


696  Gallicanisohe  Kirchenhistoriker. 

endlich  das  Imprimatur  ertheilt  unter  der  Bedingung,  dass  die  Em- 
pfehlung der  Lecture  haeretißcher  Bücher  weggelassen  werde.  Trotz 
des  Imprimatur  wurde  Ceppi's  Buch  1735  von  der  Inq.  verb. 

Gegen  Montfaucons  Diarium  italicum,  Paris  17<^2,  erschienen 
Osservazioni  di  Francesco  Ficoroni  sopra  l'antichitä  di  Roma  de- 
scritte  nel  Diario  italico  publicato  in  Parigi  .  .  ,  Bom  1709.  Mont- 
faucon  vertheidigte  sich  gegen  die  Bemerkungen  des  Römischen 
Archäologen  im  Journal  des  Savants  1709.  Es  erschien  aber  auch 
eine  Apologia  del  Diario  italico  del  M.  R.  P.  D.  Bernardo  Mont- 
faucon  .  .  .  contra  le  Osservazioni  .  .  .  composta  dal  Padre  Don 
Romualdo  Riccobaldi  .  .  .,  Yen.  1710,  die  von  den  Benedictinem 
dem  Papste  und  den  Cardinälen  überreicht  wurde,  aber  nicht  von 
einem  Mönche  von  Monte  Cassino,  auch  nicht  von  Fontanini  (Clar. 
Ven.  ad  Magliab.  Ep.  295),  sondern  von  Paolo  Aless.  Maffei  ver- 
fasst  ist.  Die  Index-Congr.  verbot  1714  beide  Schriften  mit  d.  c, 
wohl  lediglich  wegen  der  darin  vorkommenden  Grobheiten;  um  theo- 
logische Dinge  handelt  es  sich  nicht. 

P.  Timothee  de  la  Fleche  (p.  154)  erzählt,  er  habe  1713  im 
Auftrage  Clemens'  XI.  Ludwig  XIV.  für  die  Aufhebung  der  Con- 
gregation  der  Mauriner  gewinnen  sollen,  die  er  schon  seit  längerer 
Zeit  wegen  der  vielen  Irrthümer,  die  von  denselben  verbreitet  wür- 
den, vorhabe.  Die  Mauriner  galten  als  Jansenisten  und  Gallieaner, 
und  nach  1713  waren  viele  von  ihnen  Appellanten.  Sie  haben  viele 
Schriften  veröffentlicht,  von  denen  man  sich  wundern  muss,  dass  sie 
nicht  im  Index  stehen.  Besonders  auffallend  ist  es,  dass  von  den 
vielen  Schriften  von  Charles  Clemencet  (f  1778)  keine  verb.  ist. 
Im  Dict.  Jans.  1,  108;  2,  421  wird  die  von  ihm,  Dantine  und  Du- 
rand herausgegebene  Art  de  verifier  les  dates  scharf  kritisirt,  und 
sie  ist  eine  seiner  harmloseren  Schriften.  —  Eine  anonyme  Schrift 
von  dem  Mauriner  Antoine  Guyard  (t  1760)  steht  im  Index:  Dis- 
sertation sur  l'honoraire  des  messes,  oü  Ton  traite  de  son  ori- 
gine,  des  illusions  et  autres  abus  qui  en  sont  suivis  .  .  Oavrage 
examine  et  approuv6  par  differents  docteurs,  s.  1.  1748,  327  S.  8.» 
verb.  1750  (vgl.  M^m.  de  Trev.  1749,  97),  eine  vermehrte  Ausgab 
1757,  italienisch:  Diss.  sulT  onorario  delle  messe,  Prato  1785  (G- 
eccl.  l,  107),  deutsch  unter  dem  etwas  vergröberten  Titel:  Dringend 
Vorstellung  an  die  Religion  wider  die  Halbguldenmesse  und  di 
Priestermiethe.  Eine  französ.  Abb.  des  berühmten  Don  Ant.  Goyar 
.  .  Auf  die  österreichische  Kirche  angewendet  von  Karl  Jo 
Huber,.  .  des  Fürstbischofs  zu  Passau  geistl.  Rath,   1783,202  8.8.^ 

9.    Pierre-Fran^ois  Le  Courayer,  Regular-Canoniker  aus  d 


1)  In  der  Histoire  literaire  de  la  France  (1733  ff.)  wurde  den  Ma 
rineni    von    der  französieclien    Censur  einiges   gestrichen,   z.  B.  in  dem 
Bande  (1746)  ein  Passus  über  die  Scholastik:  On  viut  bientot  k  substitui 
ä  Pautorite   de    l'ecriture,   des  conciles    et    des   peres    celle    d'Aristote 
d'autres  auteurs  profanes  et  k  po8<T  pour  principes  des  axiomes  pris  d'u 
mauvaise    pliilosophie    etc.     Bibliophile    Beige    18ü8,    251.     Th.    Lit. 
1870,  968. 


Mauriner.     Le  Courayer.  597 

Congregation  St.  Genovefa    (Picot  2,  24;  Migne  2,  4181,    veröffent- 
lichte anonym   DiRRertation    Rur   la  validit^    des   ordinationR  des 
anglois  et   sur  la  RnccesRion  des  ^v^queR  de  lYglifle  anglicane,  Brux. 
(Nancy)    1723,    und    zur  Vertheidigung  derselben    gegen  Le  Quien, 
Hardouin  n.  a.     Defense  de  la  Diss.  .  .  .  anglois  contre  les  diffä- 
rentes  r^ponses  qui  y  ont  ^te  faites,  avec  leR  preuves  justificatives 
des  faits  avances  dans    cet  oiivrage,    Bmx.    1726,  4  vol.   12.      l>as 
zweite  Buch  erregte  noch  mehr  Anstoss  als  das  erste,  weniger  wegen 
der  Vertheidigung    der    Gültigkeit    der    anglicanischen  Weihen    als 
wegen  AeuRserungen  über  andere  Punkte.     Der  Bischof  de  Belzunce 
von  Marseille  verdammte  beide  Bücher  1727.      In  demselben  Jahre 
wurden  sie  auf  Befehl  des  Königs  von  20  in  Paris  anwesenden  Bi- 
schöfen   unter  dem  Vorsitze    des  Card.  Bissy  geprüft   und,  nachdem 
diese   37    Sätze    daraus    censurirt    hatten,     7.  Sept.    1727    verboten. 
Auch  das  Concil  von   Embrun  verdammte    sie  auf  Grund    eines  von 
dem    Bischof   von   Marseille    erstatteten    Berichtes    28.  Sept.    1728 
(Coli.  Lac.  1,698.  715).      Benedict  XIIL   verdammte  sie  durch  ein 
Breve  vom  25.  Juni   1728    (Bull.  13,  348),    weil    sie  resp.  falsche, 
.  .   .  für    die  Autorität  des  h.  Stuhles   und    der  Concilien  injuriöse, 
schismatische,  .  .  .  die  Bedeutung  der  h.  Weihen  und  anderer  Sacra- 
mente  der  Kirche  zerstörende  und  ketzerische  Sätze  enthielten^).  — 
1750  wurde  verb.  Commentatio  hist.-theologica,  qua  controversia  de 
consecrationibns  episcoporum  anglorum  recensetur  et  dijudicatur,    in 
academia  Julia  praeR.  Jo.  Laur.  Moshemio   conscripta  et  exhibita  ab 
Olao  Eiörningio  Sueco  [Pastor  primarius  in  Stockholm],  Heimst. 
1739,4.  (ü.  N.   1739  B,  196).  —  Courayer  wurde  1727  von  seinem 
Abt  ausgestossen ,    und    da    der  Erzbischof  Barchmans    von  Utrecht 
seine  Dienste  ablehnte,  ging  er  im  Jan  1728  nach  England,  —  die 
Universität  Oxford  hatte  ihn  28.  Aug.  1727  zum  Dr.  theol.  ernannt, 
—  wo  er  erst  1776,    95  Jahre  alt,   starb.      In    seinem   Testamente 
vom  J.  1 774  sagt   er,  er  sterbe  als  Mitglied  der  katholischen  Kirche, 
missbillige  aber  mehrere  Meinungen  und  aberglnubische  Dinge,    die 
in  der  Römischen  Kirche  eingeführt  seien.    Im  Index  stehen  von  ihm 
noch  Histoire  du  Concile  de  Trente,  ecrite  en  italien  par  Fra  Paolo 
Sarpi  et  traduite  de  nouveau  en  frangois,    avec  des  notes  critiques, 
bist,  et  th^ül.,    Lond.   1736,  2  Fol.    (AmPt  1736,   2  vol.  4.),    verb. 
durch  ein  Breve  Clemens'  XII.  vom  26.  Jan.  1740  (Bull.  15,  345), 
«]&  falsche,   .  .  .  früher  verdammte,  für  alle  Bischöfe,    den  h.  Stuhl 
und  die  ganze  Kirche  injuriöse,  .  .   .  ketzerische  und  die  Begründung 
«ines  gottlosen  und  ketzerischen  Keligionssystems  bezweckende  Sätze 
enthaltend,  —  Defense  de  la  nouvelle  traduction  de  l'Hist.  .  .  .,  verb. 
1746.  —   Von    der  Uebersetzung    Sarpi's    schreibt    Card.  Fleury  an 
Card.  Querini  lin  dessen  Commentarii  II,  2,293):     die   Vorrede  sei 
das  Scandalöseste,  was  man  sich  denken  könne,  nicht  nur  protestan- 
"^isch,  sondern  fanatisch;    das    Buch   werde  begierig  gelesen  werden 


1)  Courayers  Dissertation  on  the  validity  .  .  .  new  edition,  entirely 
irevised,  with  biographical  introd.  and  many  notes  and  additions,  Oxf.  1844. 


598  Philosophische  Schriften. 

und  viel  Böses  anrichten;  die  Kegiernng  habe  mit  £rfolg  die  Ein- 
schleppang  von  Exemplaren  nach  Frankreich  bei  schwerer  Strafe 
verboten.  —  Auffallender  Weise  stehen  andere  Schriften  von  Cour, 
nicht  im  Index,  auch  nicht  Relation  bist,  et  apologetique  des  sen- 
timents  et  de  la  conduite  du  P.  Le  Courayer,  avec  les  preuves 
justificatives  des  faits  avances  dans  Touvrage,  Amst.  1729,  2  vol.  12., 
und  das  anonyme  Examen  des  defauts  th^ologiques,  oü  Ton  indique 
les  moyens  de  les  r^former,  Amst.  1744*,  2  vol.  12. 


62.    Philosophische  SchrifteD,  1660—1750. 

Es  ist  ganz  unrichtig,  wenn  6.  Ventara,  De  methodo  phi- 
losophica,  Rom  1828,  sagt:  die  philosophische  Methode  des 
Cartesius  (R6n6  Descartes,  1596 — 1650)  sei  zweimal  in  Rom 
verdammt  worden.  Es  sind  nur  im  J.  1663  die  Hauptschriften 
desselben  mit  d.  c,  1722  von  den  Meditationes  eine  Ausgabe 
mit  Zuthaten  anderer  unbedingt  von  der  Index-Congregation 
verboten  worden.  Ueber  die  Methode  liegt  also  gar  kein  Ur- 
theil  vor;  es  sind  nur  einzelne  Theile  der  Schriften  beanstandet 
worden.  Welche,  dartiber  liegt  gleichfalls  keine  authentische 
Erklärung  vor,  da  eine  expurgirte  Ausgabe  nicht  erschienen  ist 
und  die  Stellen,  welche  zu  streichen  oder  zu  ändern  gewesen 
wären,  von  der  Index-Congregation  nicht  angegeben  worden 
sind^).  Es  wäre  freilich  nicht  möglich  gewesen,  aus  den  Haupt- 
schriften die  Stellen  hinaus  zu  corrigiren,  an  denen  Cartesius' 
Gegner  Anstoss  nahmen,  ohne  sein  System  zu  zerstören;  denn 
der  Hauptanstoss  war  der  Gegensatz,  in  welchem  er  zu  der 
Aristotelischen  Philosophie  stand,  und  wären  seine  Schriften 
mit  dieser  in  Einklang  gebracht  worden,  so  würden  sie  eben 
nicht  mehr  Schriften  des  Cartesius  gewesen  sein.  Wahrschein- 
lich hat  man  in  Rom  bei  dem  Verbote  mit  d.  c.  gar  nicht  an 
eine  Expurgation   gedacht,   sondern   diese    Form  des  Verbotes 


1)  Vffl.  den  Aufsatz  von  Gosselin  inTables  des  oeavres  de  Fenelon, 
precedees  (rune  revue  de  ses  ouvrages,  Paris  1830,  p.  52.  Stockt  im  K.-L. 
2,  1189  erwähnt  das  Verbot  der  Schriften  des  Cartesius  gar  nicht.  — 
Zum  Folgenden  vgl.  Fr.  Bouillier,  Hist.  de  la  philosophie  Cartesienne, 
Par.  1854,  2  vol.  J.  B.  Meyer,  Die  Philosophie  auf  dem  index,  Deutsche 
Revue  8,  2,  220. 


R.  Descartes.  599 

nur  als  die  mildere  gewählt  (I  S.  30).  —  Von  dem  Oratorianer 
Nicolas  Malebranche  (1638—1715)  wurde  eine  Reihe  von  Werken 
unbedingt  verboten.  Dagegen  stehen  die  philosophischen  Schriften 
von  P.  Gassendiy  M.  Mersenne  und  E.  Maignan  nicht  im  Index. 
Besonders  strenge  wurden,  freilich  erst  1726,  die  Streitschriften 
des  Neapolitaners  Costantino  Grimaldi  gegen  die  Bekämpfung 
des  Cartesianismus  durch  den  Jesuiten  deBenedictis  (1694)  ver- 
boten. Von  den  vielen  Schriften,  in  welchen  über  die  Vereinbar- 
keit der  neueren  philosophischen  Ansichten  mit  der  Lehre  von 
der  Transsubstantiation  verhandelt  wurde,  sind  nur  einige  ver- 
boten. —  Von  B.  Spinoza  wurde  der  Tractatus  theologico-poli- 
ticus  1679,  9  Jahre  nach  dem  Erscheinen  verboten  (er  steht 
noch  heute  als  anonymes  Buch  im  Index),  gleichzeitig  die  Opera 
posthuma,  Amst.  1677.  Von  philosophischen  Schriften  protestan- 
tischer Verfasser  stehen  nur  wenige  im  Index,  von  Leibuiz  und 
Chr.  WolflF  keine.  Im  spanischen  Index  stehen  auch  Cartesius, 
Malebranche  und  Spinoza  nicht. 

1.  In  dem  Decrete  vom  20.  Nov.  IBßS  (Alex.  No.  78;  im  In- 
dex von  1881  ist  verdruckt  1666)  wurden  von  Descartes  (im 
Decrete  und  in  den  älteren  Indices  R.  des  Chartes)  mit  d.  c.  verb. : 
Meditationes  de  prima  philosophia,  in  quibns  Dei  existentia  et  ani- 
mae  hnmanae  a  corpore  distinctio  demonstratur.  His  adjunctae  sunt 
variae  objectiones  doctorum  virorum  .  .  .  cum  responsionibus  autboris, 
Amst.  1650  (zuerst  Par.  1641);  —  Notae  in  programma  quoddam 
sub  finem  a.  1654  [vielmehr  1647,  von  Henr.  Eegius  in  Utrecht] 
in  Belgio  editum  cum  hoc  titulo:  Explicatio  mentis  humanae  s.  de 
anima  rationali,  ubi  explicatur,  quid  sit  et  quid  esse  possit  (Amst. 
1647;  ab^edr.  in  den  Epistolae,  Amst.  1668,  l,  317—332);  —  Epi- 
stola  ad  P.  Dinet,  S.  J.  per  Franciam  Propositum  provincialem  (in 
der  angegebenen  Ausgabe  der  Medit.  p.  143 — 1  4);  —  .  Epist.  ad 
Gisbertum  Voetium,  in  qua  examinantur  duo  libri  pro  Voetio  ültra- 
jecti  simul  editi:  primus  de  confraternitate  Mariana,  alter  de  philo- 
sophia Cartesiana  (Amst.  1643,  der  angegebeneu  Ausgabe  der  Medit. 
beigedruckt);  —  Passiones  animae,  libellus  gallice  conscriptus,  nunc 
autem  in  exterorum  gratiam  latina  civitate  donatus  ab  H.  D.  M.  J. 
U.  L.,  Amst.  1650;  —  Ejusdem  auctoris  opera  philosophica,  womit 
ohne  Zweifel  die  1644  (und  KioOund  1656)  zu  Amsterdam  erschie- 
nenen Op.  phil.  sc.  Principia  philosophiae,  Dissertatio  de  methodo 
(französiscli  zuerst  1637),  Dioptice,  Meteora  et  Tract.  de  pass.  ani- 
mae gemeint  sind  (Pieters,  Annales  de  Tlmpr.  des  Elseviers,  1858, 
p.  246).  —  Wenn  Meditationes  de  prima  philosophia,  in  quibus  ad- 
jeotae  sunt  utilissimae  quaedam  animadversiones  ex  variis  authoribus 


600  Philosophische  Schriften. 

collectae,  Amst.  1709,  1722  ohne  d.  c.  verb.  wurden,  so  gilt  dieses 
unbedingte  Verbot  nur  für  diese  Ausgabe  mit  Zuthaten  von  anderen. 

Schon  vor  dem  Römischen  Verbote,  10.  Mai  1662,  schrieb  ein 
Cardinal  von  Rom  an  einen  Löwener  Theologen:  er  wundere  sich, 
dass  zu  Löwen  die  Irrthümer  der  Cartesianischen  Philosophie  gras- 
sirten,  die  zum  Atheismus  führten.  Am  1.  Juli  forderte  der  Inter- 
nuncius  Hieronymns  Vecchio  zu  Brüssel  die  Löwener  Artisten- Fa- 
cultät  auf,  den  Epikureischen  Dogmen  der  Cartesianischen  Philosophie 
entgegenzutreten  und  die  alte  Aristotelische  Lehre  aufrecht  zu  hal- 
ten. Die  Thesen,  welche  ein  Candidat  der  Medicin  am  29.  Aug. 
vertheidigen  sollte,  veranlassten  den  Internuncius  sich  klagend  an 
den  Rector  zu  wenden.  Dieser  legte  die  Thesen  der  theologischen 
Facultät  vor,  welche  sie  scharf  censurirte  (Arg.  III  b  303).  Trotz 
dieser  Verbote  wurde  die  Cartesische  Lehre  in  Löwen  vorgetragen 
und  1697  widmeten  sogar  fünf  Franciscaner  Cartesianische  Thesen  dem 
Internuncius.  —  Im  J.  1666  verbot  man  in  Paris  die  kirchliche 
Beisetzung  der  Asche  des  Cart.  und,  als  diese  gestattet  worden,  die 
Trauerfeierlichkeit  und  1667  die  Errichtung  eines  Denkmals^). 

Um  1671  bat  die  Sorbonne,  deren  Decan  Morel  war,  den  ersten 
Präsidenten  Lamoignon  um  Wiedereinschärfung  eines  alten  Arrgt, 
wonach  nur  die  Philosophie  des  Aristoteles  vorgetragen  und  jede 
Neuerung,  also  jetzt  die  Cartesische  Philosophie  fem  gehalten  wer- 
den sollte.  Lamoignon  fragte  Arnauld  und  Boileau  um  Rath.  Jener 
schrieb  eine  ernsthafte  Denkschrift  (s.  u.),  dieser  aber  antwortete: 
„Lassen  Sie  mich  nur  machen,  Herr  Präsident,  ich  werde  Sie  von 
diesen  zudringlichen  Menschen  befreien",  und  verfasste  ein  Arr§t 
burlesque,  donne  en  la  Grande  Chambre  du  Parnasse,  en  favear  des 
maitres  es  arts,  medecins,  et  professeurs  de  TüniversitÄ  de  Stagire, 
welches  mit  dem  Satze  schliesst:  La  Cour  maintient  et  garde  Ari- 
stote  en  pleine  et  paisible  possession  et  jouissance  des  dites  ^coles, 
ordonne  qu'il  sera  toujours  suivi  et  enseigne  par  les  .  .  .  professeurs 
en  la  dite  Universite,  sans  que  pour  cela  ils  soient  oblig^s  de  le 
lire  ou  de  savoir  sa  langue  et  ses  sentimens;  remet  les  entitis, 
identit^R  etc.  en  leur  bonne  fame,  .  .  .  bannit  k  perpetuitÄ  la  Raison 
des  ^coles  de  la  dite  Universit^,  lui  fait  defense  d'y  entrer,  troubler 
ni  inqui^ter  le  dit  Aristote  en  la  possession  y  jouissance  d'icelles,  k 
peine  d*etre  d^clar^e  jansÄniste  et  amie  des  nouveaut^s  (Bouillier  I, 
456.  S.-Beuve  5,  490)  —  In  Paris  erfolgte  darauf  für  jetzt  kein 
Verbot;  aber  der  Universität  zu  Angers  wurde  durch  ein  Schreiben 
des  Königs  und  eine  Verordnung  des  Conseil  d'6tat  ISlf)  das  Vor- 
tragen der  Ansichten  von  Cart.  untersagt,  worauf  auch  die  theolo- 
gische Facultät  zu  Caen  ein  solches  Verbot  erliess^);  1691   wurden 


1)  K.  Fischer,  Gesch.  der  neuern  Ph.  8.  Aufl.  1.  2,  9. 

2)  .Arg.  III b  338.  344.  Bouillier  1,  460.  Ausführlich  handeln  ober 
die  Streitigkeiten  in  Angers,  wo  Bernard  Lamy  und  andere  Oratorianer 
die  Cartesianische  Philosophie  vortrugen,  Haureau,  Hist.  litt,  du  Maine  2, 
118,  und  Ingold,  Essai  p.  65. 


i 


R.  Descartes.  601 

auch  den  Professoren  der  Philosophie  zu  Paris  1 1  Sätze  mitgetheilt, 
die  der  König  zu  lehren  verbiete,  und  1693  schärfte  ihnen  die  Sor- 
bonne ein,  von  der  Aristotelischen  Lehre  nicht  abzuweichen  und 
sich  vor  Neuerung  zu  hüten  (Arg.  Illa  140).  —  1678  verboten  die 
Generalcapitel  der  französischen  Oratorianer,  unter  denen  bis  dahin 
der  Cartesianismus  eifrige  Vertheidiger  gefunden,  und  der  Clerici 
reguläres  der  Congregation  der  h.  Genovefa  den  Vortrag  der  Car- 
tesischen  Lehre  (Arg.  IIIb342.  A.  J.  P.  22,  611).  Die  entschieden- 
sten Gegner  des  Cart.  waren  die  Jesuiten.  Hon.  Fabri  soll  der  Haupt- 
nrheber  des  Kömischen  Verbotes  sein,  und  Arnauld  sagt  in  dem 
gleich  zu  erwähnenden  Memoire,  dem  Vernehmen  nach  habe  der 
General  durch  ein  Circular  die  Jesuiten  aufgefordert,  gegen  Cart. 
aufzutreten.  Der  Jesuit  Le  Vallois  schrieb  unter  dem  Namen  Louis 
de  la  Ville:  Sentimens  de  M.  des  Cartes  touchant  Tessence  et  les 
proprietez  du  corps,  opposez  k  la  doctrine  de  TEglise  et  conformes 
aux  erreurs  de  Calvin  sur  le  snjet  de  l'eucharistie,  avec  une  dis- 
sert.  sur  la  pr^tendue  possibilite  des  choses  impossibles,  Par.  1680 
(Bouillier  1,  567).  —  Sehr  heftig  wurde  Cart.  von  Gisbert  Voetius 
und  Martin  Schoockius  in  Utrecht  angegriffen.  Auf  ihr  Betreiben 
wurden  seine  Epistolae  ad  Voetium  und  die  Epist.  ad  P.  Dinet, 
worin  er  über  den  Streit  mit  Voetius  berichtet,  in  Utrecht  verboten ; 
das  Verbot  wurde  aber  von  den  Generalstaaten  aufgehoben  (Boul- 
lier  1,  242). 

Bosöuet  sagt  (38,  251)  von  Cart.:  „Er  hat  immer  gefürchtet, 
von  der  Kirche  censurirt  zu  werden,  und  man  sieht,  dass  er  mit 
Rücksicht  darauf  grosse,  hie  und  da  übergrosse  (jusqu^ä  Texc^s) 
Vorsicht  angewendet  hat."  Nach  der  Verurtheilung  Galilei's  unter- 
drückte er  ein  fast  vollendetes  Werk  über  die  Welt  und  wagte  er 
nicht  mehr,  sieb  offen  für  die  Copernicanische  Lehre  auszusprechen 
(Boullier  1,  42). 

Ein  entschiedener  Vertheidiger  des  Cart.  war  Arnauld  (Boul- 
lier 2,  143.  S.-Beuve  5,  350).  In  dem  für  den  Präsidenten  Lamoi- 
gnon  geschriebenen  Memoire  sur  les  sollicitations  que  fait  M.  Morel 
et  quelques  autres  docteurs  pour  obtenir  du  parlement  un  arr^t  qui 
condamne  toute  autre  philosophie  que  celle  d'Aristote  (Boullier  1 , 
458.  A.  J.  P.  14,  253),  erinnert  er  unter  Bezugnahme  auf  Launoy 
an  die  mittelalterlichen  Verbote  des  Aristoteles  (I  S.  17 ),  die  ohne 
Wirkung  geblieben  seien.  Er  erwähnt  dann,  dass  unter  Franz  I. 
Ramus  zuerst  verboten,  dann  auf  Betreiben  des  Cardinais  von  Loth- 
ringen wieder  erlaubt  worden  sei,  zu  duciren,  dass  die  Sorbonne 
1624  anti- aristotelische  Lehren  strenge  verdammt  habe  (Arg.  III  a 
215),  dass  aber  in  demselben  Jahre  Gassendi  seine  Exercitationes 
paradoxicae  adversus  Aristotelem  geschrieben.  Vor  20  Jahren  habe 
Cart.  seine  Metaphysik  der  Sorbonne  gewidmet,  und  sie  habe  bis 
jetzt  dazu  geschwiegen;  die  Behauptung,  die  Lehre  des  Cart.  ruinire 
die  Lehre  von  der  Transsubstantiation  sei  grundlos;  es  handle  sich 
jetzt  wieder  wie  1624  hauptsächlich  um  die  Lehre  von  den  Formae 
substantiales,  deren  herkömmliche  Fassung  aber  auch  von  Hon.  Fabri 
in  der  dem  Jesuiten-General  gewidmeten,  1666  zu  Paris  gedruckten 


602  Philosophische  Schriften. 

Schrift  De  plantis    et  de    generatione  animalitun,   and  von   dem  P. 
Maignan,   der  zu  Kom  Professor   gewesen,    in  seinem  1653  la  Tou- 
louse   gedruckten    Lehrbuche   bestritten   werde.  —   In   einem  Briefe 
von  1691  (3,  395)  sclireibt  er:  er  wundere  sich  nicht  darüber»  daas 
wie    du  Yaucel    melde,    in  Neapel   junge  Leute    durch   die   Leetüre 
Gassendi's  Atheisten  und  Epikuräer  geworden;  denn  dieser  zerstöre 
ja  die  Beweise  für  die  Existenz  Gottes  und  die  Unsterblichkeit  der 
Seele,   die  Cart.  entwickelt  habe;    das  zeige  die  Weisheit  (le  grand 
jugement)    der   Eömischen    Inquisition    und    die    Nützlichkeit   ihrer 
Verbote,    dass  Gassendi   nicht  verboten  sei,    wohl  aber  Gart.;    man 
werde  ja    auch  Uuets  Buch    gegen  Cart.   (P.  D.  Huetii   Abrincensis 
designati  quaestiones  de  concordia  rationis  et  fidei,  1690)  nicht  ver- 
bieten, vielleicht  aber  die  Vertheidigung  des  Cart.  gegen  Haet  durch 
Sylvain  ßegis.      Von  dem  Verbote  der  Notae  sagt  Arnanld  (8,397): 
„Ein  Schüler  Descartes*  mit  Namen  Eegius    (Le  Roi)  behauptete  in 
einem  Piacard,  wenn  es  nicht  gegen  den  Glauben  wäre,  könnte  man 
sagen :  der  Gedanke  sei  nur  eine  Modification  der  körperlichen  Sub- 
stanz (Boullier  1, 247) ;  Descartes    widerlegte    dieses.      Was    thuen  ^ 
unsere  Bömischen   Censoren?    Sie    sagen    von    dem   Piacard    nichts,               < 
setzen   aber    die  Widerlegung,    Notae   in  progr.   etc.    in   den  Index,  • 
erlauben  also,    das  Gift  zu  verschlucken,  und  verbieten,  das  Gegen- 
gift zu  nehmen.     Freilich  sagen  sie:    donec  corrigatur ;  da  sie  aber 
nicht  sagen,  was  zu  corrigiren  sei,  ist  ihr  Verbot  einem  anbedingten               ^ 
gleich".  —  Nach  dem  Auftreten  Spinoza's  sagt  er  (3,  426):  „Das  ist  • 
kein  Grund,  Descartes^  Philosophie  zu  tadeln,  dass  Spinoza,  der  sich               •■ 
einen  Cartesianer  nennt,  den  Atheismus  gelehrt  hat;  denn  das  heisst               4 
nicht,    dieser  Philosophie    folgen«    sondern    sie    zerstören.     Es   gibt              4 
keine  Philosophie,    die  man  nicht    missbrauchen  könnte.     Auch  die              e 
des  Aristoteles  hat  zu  Leo's  X.  Zeit   viele  zu  Atheisten  und  Liber-              « 
tins  gemacht."     Bücher  wie  die  von  Spinoza,  der  ein  offener  Atheist            ^ 
ist,  sagt  er  anderswo  (3,  406),  darf  man  schon  nach  dem  Natarrechte            ^ 
nicht  lesen,  ausser  um  sie  zu  widerlegen. 

Antonii  Le  Grand  Institutio  philosophiae  secundnm  principia        ^ 
D.  Renati  des  Cartes  nova  methodo  adornata .  .,  Lond.  1678,  wurde        ^ 
erst  1714    verb.    und    desselben  Apologia    pro  B.  Descartes    contra 
Samuelem  Parkerum,  S.  T.  P.  Archidiac.  Cantuar.,  instituta  et  adoi 
nata,    juxta   exemplar    Londin.  .  .  (Lond.  1<)79),  Norimb.  1681,  ei 
1721.     Der  Verfasser  war  Minorit,  geboren  und  erzogen  zu  Douoy, 
Missionar    in  England  (Bouillier  2,  491).     Seine    Concordia   fidei    ^t 
rationis,  1711,  ist,    obschon  die  Abendmahlslehre  Widerspruch  fa;od 
(Werner,  Thomas  v.  Aq.  3,555.560),    nicht  verb.   —   Gleichzei 'ti^g 
mit  dem  ersten  Buche  von  Le  Grand  wurde  verb.  Jo.  Eberh.  Sch^^*^ 
lingii  Exercitationes  cathedrariae  in  Petri  Dan.  Huetii  Episc.  Scb-  ^^ 
sion.  Censuram  philosophiae  Cartesianae,  Bremae  1690. 

2.  Malebranche ^s  Hauptwerk,  De  la  recherche  de  la  v^r^Äw» 
oü  Ton  traite  de  la  nature  de  Tesprit  de  Thomme  et  de  Tus^s^^^ 
qu'il  en  doit  faire  pour  ^viter  l'erreur  dans  les  sciences,  ersehe  ^®° 
1674.     Es    wurde   von  Arnauld  u.  a.    angegriffen    und  von    bei^3w 


A.  Le  Grand.    N.  Malebranohe.  603 

Seiten  eine  Reihe  von  Streitschriften  veröffentlicht^).  Erst  1709 
wurde  von  diesem  Werke,  nachdem  1700  schon  die  5.  Auflage  er- 
schienen war,  die  lat.  Uebersetzung  (von  Abbe  Lenfant)  verb.:  De 
inqnirenda  veritate  libri  sex.  .  .,  Genna  1691  (Genf  1685),  dagegen 
schon  1690:  Traite  de  la  natura  et  de  la  gr&ce,  und  zwar  die  (erste) 
Ausgabe  Amst.  1680  und  die  derni^re  (2.)  edition  augment^e  de 
plusieurs  iclaircissements  qui  n'ont  point  encore  paru,  Rott.  1684, 
und  mehrere  Streitschriften:  Defense  de  Tauteur  de  la  Recherche 
de  la  v6rit^  contre  Taccusation  de  M.  de  la  Ville  (P.  Valois),  1684, 
Lettres  du  P.  Mal.  k  un  de  ses  amis,  dans  lesquelles  il  r^pond  auz  R6- 
flexions  philos.  et  theol.  de  Mr.  Amauld  sur  le  Traite  de  la  nat.  et 
de  la  gräce  (1685),  Rott.  1687,  und  Lettres  touohant  Celles  de  Mr. 
Amauld  [Lettres  au  P.  Mal.  1685],  Rott.  1687.  —  Erst  1714  wur- 
den dann  noch  verb.  Entretiens  sur  la  m6taphysique  et  sur  la  reli- 
gion,  Rott.  1686,  und  Traitä  de  morale  par  Tauteur  de  la  Recherche 
de  la  verit6,   1.  Partie,  Rott.  1684. 

Auch  Bosstiet  und  F^n^lon  waren  Gegner  von  Mal.:  jener 
suchte  ihn  wie  Amauld  auch  mündlich  von  seinen  Ansichten  abzu- 
bringen und  von  der  Veröffentlichung  derselben  abzuhalten.  Es  war 
die  Rede  von  einer  Censurirung  des  Traitä  de  la  nature  et  de  la 
gräce  in  Frankreich;  sie  scheint  nur  aus  Rücksicht  darauf,  dass 
Mal.  persönlich  allgemeine  Achtung  genoss,  unterblieben  zu  sein. 
Dem  Benedictiner  Fran^ois  Lamy  wurde  sogar  von  seinen  Oberen 
die  Fortsetzung  der  Polemik  gegen  Mal.  untersagt^).  —  In  Rom 
war  schon  1685  von  dem  Verbote  des  Traite  die  Rede.  Michel 
Germain  (VaUry  1,  138)  schreibt  in  diesem  Jahre:  „Das  schlechte 
Buch  von  Mal.  wird  vor  Ablauf  des  Jahres  censurirt  werden.  Es 
hätte  schon  längst  geschehen  sein  sollen.  Es  thut  mir  leid,  dass 
die  Sorbonne  nicht  vor  dieser  Censur  ihre  Pflicht  gethan".  Im  Febr. 
1690  schreibt  du  Vaucel  (Arn.  3,  265),  der  TraitÄ  sei  von  der  In- 
dex-Congr.  an  die  Inquisition  abgegeben  worden,  um  durch  ein  spe- 
cielles  Decret  verdammt  zu  werden.  Diese  Nachricht  war  unrichtig 
oder  der  Plan  ist  aufgegeben  worden;  denn  kein  Buch  von  Mal. 
ist  von  der  Inq.  verb.  worden. 

In  einem  Briefe  vom  13.  Juni  1690  sagt  Mal.:  Der  Trait6  ist 
zusammen  mit  den  [vielen]  Büchern  von  Launoy  verboten.  Man 
sagt,  der  P.  Le  Drou  [belgischer  Augustiner]  habe  die  Sache  be- 
trieben .  .  .  Ich  hatte  nach  Rom  geschrieben,  um  zu  erfahren,  was 
man  an  meinem  Buche  auszusetzen  habe,  und  mich  erboten,  die 
Ausstellungen  zu  beachten  (d'y  satisfaire);  man  hat  es  aber  nicht 
für  angezeigt  gehalten,  mich  vor  der  Verdammung  zu  hören.  Man 
hat  mir  geschrieben,  Urban  VIII.  habe  verboten,  über  die  Gnade 
zu  schreiben,  mein  Buch  sei  in  Holland  gedruckt,  man  habe  auch 
Descartes  verdammt:    Gründe    für    die  Verdammung,    deren  Beant- 


1)  Arn.  38,   XXVII.    S.-Beuve  6,  348.     Bouillier  2,  16.    168.     Poly- 
biblion  1876,  285. 

2)  Bausset,  Fenelon  3,  267.  Bossuet  37,  283.  372.  390. 


604  Philosophische  Schriften. 

wortung  auf  der  Hand  liegt  .  .  .  Man  muss  also,  um  ein  Christ  zu 
sein,  Peripatetiker  werden  ...  Es  scheint  mir,  die  Römischen  Theo- 
logen sollten  einfach  katholische  Theologen  sein  und  den  Platonis- 
mus  und  Peripateticisraus  den  Universitäten  überlassen^).  —  In  einem 
Briefe  an  P.  Andre  (1,  26)  vom  J.  1707  wiederholt  Mal.:  die 
Freunde  Amaulds,  die  als  Deputirte  von  Löwen  in  Rom  waren, 
hätten  den  Traite  denuncirt,  „namentlich  Herr  *,  —  der  Name  ist 
mir  entfallen,  er  war  einer  der  Approhatoren  von  Arnaalds  Disser- 
tation sur  les  miracles,  einem  Buche,  welches,  wie  Sie  wissen,  voll 
Verleumdungen  ist  und  dessen  Approbation  ein  gewissenhafter  Mann 
zurücknehmen  müsste  [gemeint  ist  Le  Drou].  Sie  hatten  damals  Freunde 
in  Rom,  und  ich  kannte  dort  niemand.  Vor  10 — 12  Jahren  hat  mir 
ein  Römischer  Geistlicher,  den  ich  sonst  nicht  kenne,  das  Gutachten 
des  Examinators  meines  Buches  geschickt,  mit  welchem  er  befreundet 
war.  Die  Arbeit  ist  erbärmlich  und  der  Verfasser  hat  mich  gar 
nicht  verstanden.  Ich  habe  davon  keinen  Gebrauch  machen  und 
es  der  Zeit  überlassen  wollen,  die  Wahrheit  zur  GMtung  zu  bringen. 
Wenn  man  seine  Ansichten  möglichst  klar  dargelegt  hat,  ist  es  in 
der  Regel  besser,  zu  schweigen,  als  auf  Kritiken  zu  antworten. 
Dieses  erbittert  noch  mehr,  und  die  Zeit  mildert  alles."  Arnauld 
selbst  antwortete  übrigens  du  Vaucel,  als  ihm  dieser  vorschlug,  an 
den  Card.  Bouillon  zu  schreiben,  er  möge  die  Verdammung  der 
Schriften  von  Mal.,  mit  denen  sich  eben  die  Inquisition  beschäftige, 
nicht  hindern:  „Das  würde  ich  für  alles  Geld  in  der  Welt  nicht 
thaen.  Mögen  sie  thuen,  was  sie  wollen;  es  soll  nicht  auf  mein 
Betreiben,  geschehen.  Das  würden  alle  anständigen  Leute  sehr  übel 
aufnehmen,  und  mit  Recht"  (3,  285).  Uebrigens  waren  auch  Ar- 
naulds  Schriften  gegen  den  Traite  von  den  Jesuiten  denuncirt;  sie 
wurden  aber  nicht  verb. 

Charakteristisch  für  die  Stellung,  welche  die  Jesuiten  gegen 
Cartesius  und  Malebranche  einnahmen,  sind  die  Mittheilungen  des 
Jesuiten  Yves  Andr6  (1675 — 1764)^).  Ein  Assistent  des  Provinciais 
schrieb  1709  an  Andr^:  Sie  gestehen  in  Ihrem  Briefe,  dass  Sie 
Cart.  und  Mal.  stets  geschätzt  haben,  und  behaupten,  dass  deren 
Lehre  keine  Ketzerei  oder  gefährliche  Neuerung  sei  und  dass  jeder 
vernünftige  Mensch  in  Frankreich  einräumen  müsse,  unter  ihren  An- 
sichten seien  sehr  annehmbare.  Diese  Sprache  setzt  mich  in  Er- 
staunen. Denn  die  Wahrheit  ist,  dass  diese  Lehre  in  ihrem  ganzen 
Wesen  mit  der  guten  Theologie,  ja  mit  mehreren  Glaubensartikeln 
in  Widerspruch  steht.  Sie  wissen,  dass  sie  zu  Rum,  von  dem  Erz- 
bischof von  Paris  und  von  mehreren  Universitäten  verworfen  worden 
ist.     Es  kann  Ihnen  nicht  unbekannt   sein,    dass  der  Pater  General 


1)  Der  Brief  steht  bei  E  -A.  Blampignon,  Etüde  sur  Malebranche., 
suivie  d'une  correspondance  inedite,  Par.  1802,  p.  7,  aber  mit  dem  falschen 
Datum   1689. 

2)  Le  Pere  Andre,  par  A.  Charma  et  G.  Marcel,  Caen  1844,  2  vol.  8. 
Bouillier  2,  373. 


R.  Descartes  und  N.  Malebranche.  605 

nnd  die  Superioren  sie  verbieten  und  daRS  die  Gesellschaft  nicht 
nur  verlangt,  dass  man  sie  nicht  billige,  sondern  dass  man  sie  be- 
kämpfe, wie  man  die  Lehre  Calvins  vor  dem  Üoncil  bekämpfte  .  .  . 
Man  ist  entschlossen,  in  der  Gesellschaft  nicht  nur  diejenigen  nicht 
zu  dulden,  welche  jenen  Schriftstellern  folgen  oder  sie  loben, 
sondern  auch  diejenigen  nicht,  welche  sie  nicht  tadeln  und  keinen 
Eifer  gegen  ihre  Lehre  bekunden.  —  Andre  antwortete  u.  a.:  Mein 
Gewissen  soll  mir  nicht  vorwerfen,  dass  ich  die  Schmach  ohne  Ant- 
wort lasse,  die  Sie  in  Ihrem  Briefe  zwei  sehr  katholischen  Schrift- 
stellern anthuen,  indem  Sie  sie  mit  den  infamsten  Haeresiarchen  auf 
eine  Linie  stellen  .  .  .  Welche  Anhänglichkeit  zeigt  nicht  Descartes 
in  seiner  Methode  an  die  Religion  seiner  Väter!  Wem  widmet  er 
seine  metaphysischen  Meditationen,  in  denen  man  das  ganze  Gift 
seiner  Lehre  finden  will?  Niemand  anders  als  der  katholischsten 
Universität  in  Europa,  der  Universität,  die  sich  auch  bei  dieser 
Gelegenheit  als  eine  katholische  erwies,  indem  sie  die  Widmung  des 
Buches  erst  annahm,  nachdem  sie  es  durch  ihre  tüchtigsten  und 
eifrigsten  Doctoren  hatte  prüfen  lassen.  Wissen  Sie  nicht,  dass  er 
seine  Principien  der  Censur  der  Kirche  unterworfen  hat?  Hat  er 
ein  Buch,  ja  man  kann  fast  sagen,  hat  er  auch  nur  einen  Brief  ge- 
schrieben, der  nicht  die  deutlichsten  Spuren  seiner  Religiosität  an 
sich  trägt?  Ist  es  ketzerisch,  dass  er  eine  Wallfahrt  nach  Loreto 
machte?  Sie  wissen,  dass  er  unsere  Gesellschaft  stets  liebte  und 
bis  zu  seinem  Tode  mit  den  heiligsten  und  gelehrtesten  Jesuiten 
seiner  Zeit  in  Briefwechsel  stand.  Diese  hüteten  sich  wohl,  seine 
Lehre  als  mit  unserm  heiligen  Glauben  in  Widerspruch  stehend  an- 
zusehen, während  der  protestantische  Theologe  Voet  an  der  Spitze 
der  Universität  Utrecht  sie  verdammte  als  den  gänzlichen  Ruin  des 
Calvinismus  bezweckend,  während  man  ihn  in  Holland  als  einen 
Emissär  des  Papstes  und  einen  verkappten  Jesuiten  ansah.  ...  Er 
hat  stets  in  der  kath.  Kirche  gelebt  und  ist  in  Frieden  gestorben. 
Wenige  Tage  vor  seiner  letzten  Krankheit  hat  er  aus  der  Hand  des 
P.  Vincent  die  Communion  empfangen  ...  Die  Königin  Christine 
hat  schriftlich  erklärt,  Descartes  habe  mehr  als  irgend  ein  anderer 
zu  ihrer  Bekehrung  beio^etragen  (Bouillier  1,  449).  —  Was  den 
Pater  Malebranche  betrifft,  welche  Frömmigkeit  bekundet  er  in 
seinen  Schriften!  Wie  demüthig  bekennt  er  seine  Unwissenheit  und 
gesteht  er  seine  Irrthümer  ein,  sobald  man  sie  aufdeckt!  Welche 
Liebe  zu  Christus,  welche  Anhänglichkeit  an  die  Kirche  zeigt  er! 
Welche  Geissei  war  er  für  den  Jansenismus!  .  .  Vor  allem,  mit 
welcher  Liebe  antwortet  er  seinen  Gegnern!  ...  Es  kommen  Irr- 
thümer bei  beiden  Schriftstellern  vor,  und  vielleicht  kann  man  aus 
diesen  Irrthümern  Folgerungen  ziehen,  die  für  den  Glauben  bedenk- 
lich sind.  Aber  sie  leugnen  diese  Consequenzen  und  behaupten, 
dass  sie  aus  ihren  Principien  nicht  folgen  .  .  .  Können  Sie  billiger 
Weise  zwei  Schriftsteller  mit  Calvin  zusammenstellen,  welche  der 
grössere  und  verständigere  Theil  der  Katholiken  für  orthodox  hält, 
.  .  .  von  denen  der  eine  im  Schoosse  der  Römischen  Kirche  ge- 
storben   ist,    der  andere    noch   in  erbaulicher  Weise  darin  lebt?  — 


606  Philosophische  Schriften. 

Aber,  sagen  Sie,  ihre  Lehre  ist  in  Rom  verdammt  worden.  Das 
klingt,  als  sprächen  Sie  von  einer  authentischen,  von  dem  Papste 
gegen  sie  geschlenderten  Censur,  und  doch  handelt  es  sich  nur  um 
den  Index.  Ich  weiss,  dass  einige  ihrer  Werke  in  den  Index  ge- 
setzt worden  sind.  Aber  meinen  Sie  denn,  man  müsse  die  Lehre 
aller  Schriftsteller,  die  in  dieser  Liste  stehen,  bekämpfen  wie  die 
Calvins?  Dann  müsste  man  auch  den  P.  Langlois,  den  P.  Le  Tellier 
und  viele  andere  gute  Katholiken  anathematisiren. 

3.  Der  Cursns  philosophicus  des  oben  von  Arnauld  erwähnten 
£mmanuel  Maignan  aus  dem  Orden  der  Minimi,  f  1676,  —  er 
war  kein  Cartesianer,  aber  ein  Anti-Aristoteliker,  —  der  zu  Tou- 
louse 1652  u.  s.  erschien,  steht  nicht  im  Index,  auch  nicht  die 
Vertheidigung  desselben,  Philosophia  sacra  sive  entis  tum  supema- 
turalis  tum  increati,  Toul.  1662 — 72,  2  Fol.,  —  von  ihm  ist  nur 
eine  Dissert.  theol.  de  usu  licito  pecuniae,  Toul.  1673,  12.,  1674 
verb.,  —  obschon  beide  Werke  von  Dominicanern  und  Jesuiten, 
u.  a.  von  Vinc.  Baron  und  Th.  Raynaud  angegriffen  wurden  (Werner, 
Thomas  v.  Aq.  8,  546.  Hurter  2,  152).  Dagegen  wurden  1709 
zwei  Bücher  seines  Schülers  Jo.  Saguens  verb.:  Philosophia 
Maignani  scholastica  in  4  vol.  divisa,  Toul.  1703,  und  Systema 
gratiae  philos.-theologicum,  in  quo  omnis  vera  gratia,  tum  actualis, 
tum  habitualis,  explanatur;  accessit  Appendix,  in  qua  exponitur 
quid  rei  physicae  sint  virtutes  infusae,  gratiae  gratis  datae,  frnctus 
Spiritus  s.  ac  characteres  sacramentales,  Mailand  1701  (beide  Bücher 
erschienen  nochmals  Col.  1718  resp.  1721).  Eine  spätere  Verthei- 
digung der  vielfach  angefochtenen  Lehre  Maignans  von  seinem 
Ordensgenossen  Emmanuel  de  Naxera,  Maignanus  redivivus  s.  de 
vera  quidditate  accidentium  manentium  in  eucharistia  juxta  novo- 
antiquam  Maignani  doctrinam,  Toni.  1720  (Mich,  a  S.  Jos.  3,  335), 
ist  wieder  frei  ausgegangen.  —  Ein  anderes  grösseres  Werk,  welches 
den  Aristotelismus  vom  Standpunkte  der  neuen  Philosophie  bekämpft, 
gleichfalls  die  Formae  substantiale^  und  accidentales  verwirft  und 
von  der  Transsubstantiation  handelt,  ist:  Atomi  peripateticae  sive 
tum  veterum  tum  recentiorum  atomistorum  placita  ad  neotericae 
peripateticae  scholae  methodum  redacta  a  P.  Casimire  Tolosate 
Capucino,  Biterris  1675,  6  vol.  8.  (Journ.  des  Sav.  30.  März  1676). 
Die  Bände  2  —  6  wurden  1681   mit  d.  c.  verb. 

In  Frankreich  erregte  ein  Buch  des  Pfarrers  Pierre  Cailly  zu 
Reims  (f  1709),  Durand  comment^,  ou  Taccord  de  la  philosophie 
avec  la  th^ologie  touchant  la  transsubstantiation  de  l'eucharistie, 
Col.  1700,  einiges  Aufsehen.  Bossuet  (38,  234;  42,  684)  gab  1701 
ein  Gutachten  darüber  ab,  worin  er  im  Einverständnisse  mit  dem 
Card.  Noailles  das  Verbot  des  Buches  beantragt,  aber  zugleich  er- 
wähnt, der  Verfasser  sei  bereit,  zu  retractiren  ^).  Im  Index  steht 
Cailly    nicht.     Dagegen    wurde    1734   verb.:    Pikees   fugitives  sur 


1)  Bouillier  1,  518.  Suppl.  de  Morery  s.  v.  Cally. 


E.  Maignan.    J.  B.  Chiavetta.    A.  Pissinus  u.  a.  607 

reacharistie,  Genf  1730.  Die  Sammlung  ist  von  dem  protestan- 
ÜBcben  Theologen  Vernet  herausgegeben  und  enthält  u.  a.  ein 
Memoire  pour  expliquer  la  possibilite  de  la  transnubstantiation, 
welches   Malebranche    zugeschrieben    wird    (Le    P.    Andr^   1,  308). 

Wie  in  Frankreich,  so  wurde  auch  in  Italien  in  einer  Reihe 
Ton  Schriften  in  der  2.  Hälfte  des  17.  Jahrb.  über  die  Vereinbar- 
keit der  Lehre  von  der  Transsubstantiation  mit  den  neuen  (ato- 
mistischen)  philosophischen  Ansichten  verhandelt  (Werner  3,  545). 
Im  Index  stehen  von  den  zahlreichen  zu  dieser  Controverse  ge- 
hörenden italienischen  Schriften  nur  zwei:  Trutina  D.  Jo.  Bapt. 
Chiavettae,  Dr.  Theol.  Panormit.,  qua  D.  Jo.  Balli  [Canonicus  in 
Bari,  f  1640]  sententia  eo  libro  contenta  cujus  titulus  est :  Aenigma 
dissolutum  de  modo  existendi  Christi  Dom.  sub  speciebus  panis  et 
yini  in  augustissimo  eueharistiae  sacramento,  ad  aequissimum  exa- 
men  expenditur,  Monreale  1643,  verb.  1655,  —  und  Naturalinm 
doctrina,  qua  funditus  eversis  materiei  primae  formaeque  substan- 
tialis  et  accidentalis  sententiis,  inopinata  substituantur  aut  penitus 
obsoleta  revocantur,  auct.  Andr.  Pissino,  Augsb.  1675,  verb.  1675. 
—  Eaynaud  verhöhnt  den  Mag.  S.  Pal.  Vincentius  Candidus,  f  1654, 
dass  er  das  Buch  von  Chiavetta  und  damit  dessen  und  Ballo's  An- 
sicht approbirt  habe:  die  nach  der  Consecration  zurückbleibenden 
Gestalten  des  Brodes  und  Weines  seien  nur  ein  durch  die  göttliche 
Macht  bewirkter  subjectiver  Sinnenschein  (die  Ansicht  de  speciebus 
eueharistiae  evanidis,  quales  sunt  colores  iridis,  wie  Raynaud  sagt); 
Vinc.  Baron,  Apolog.  1,  33  antwortet  ihm  aber:  die  Trutina  sei 
von  dem  Jesuiten  Franc.  Bardus  verfasst,  der  sie,  da  er  keine  Ap- 
probation habe  erhalten  können,  unter  dem  Namen  des  Chiavetta 
veröffentlicht  habe,  nachdem  er  sie  selbst  mit  seinem  wahren  Namen 
approbirt  und  sich  dann  auch  die  Approbation  von  13  Theologen 
aus  verschiedenen  Orden  verschafft  habe,  worunter  drei  Jesuiten 
und  die  Dominicaner  Jos.  Caruso  und  Jo.  Vinc.  Candia  (nicht 
Candidus).  —  Der  Olivetaner  Andrea  Pissini  (nicht  Pissy,  K.-L. 
1,  627)  aus  Lucca  vertheidigte  eine  ähnliche  Ansicht.  Da  ihm 
die  Inquisition  zu  Venedig  und  Padua  die  Druckerlau bniss  ver- 
ureigerte,  Hess  er  das  Buch  (wirklich  oder  angeblich)  in  Augs- 
l>urg  drucken.  Er  wurde  darauf  von  der  Inquisition  nach  Rom 
«itirt  und  musste  eine  Erklärung  unterschreiben,  worin  er  einige 
Sätze  zurücknimmt,  namentlich  dass  er  die  herkömmliche  Ansicht 
als  eine  gottlose  Meinung  und  ihre  Vertreter  als  Schwachköpfe, 
als  Märtyrer  des  Aristoteles  auf  Kosten  des  Evangeliums  u.  dgl. 
bezeichnet  hatte  (Clar.  Ven.  ad  Magliabecum  Epp.  p.  82.  Werner 
S,  556). 

4.  Der  Jesuit  Giambattista  de  Benedictis  (1622 — 1706),  Professor 
in  Neapel,  veröffentlichte  fünf  Lettere  apologetiche  in  difesa  della 
teologia  scolastica  e  della  filosofia  peripatetica  di  Benedetto  Aletino, 
l^eapel  1694,  12.,  mit  einer  scharfen  Kritik  des  Cartesianismus  und 
persönlichen  Angriffen  auf  Neapolitanische  Gelehrte,  die  als  Gegner 


C.  Grimaldi.    B.  Spinoza  u.  a.  609 

les  Secretärs  des  Index  P.  Orsi  wurde  beschlossen,  mit  Kücksicht 
laf  eine  Retractation  Grimaldi's  zwar  das  Verbot  seiner  Bücher 
iufrecht  za  halten,  aber  sie  aus  der  1.  Classe  zu  entfernen.  Die 
Etetractation  ist  in  einem  Briefe  an  einen  Freund  (Storia  1.  c.  p.  180) 
mthalten,  worin  Grimaldi  sagt:  er  sei  ein  gläubiger  Katholik  und 
jebr  betrübt  über  das  scharfe  Verbot  seiner  Bücher;  er  habe  darin 
keine  andere  Absicht  gehabt,  als  die  Studien  und  die  Gelehrten 
»eines  Vaterlandes  zu  vertheidigen  und  zu  zeigen,  dass  das  Studium 
1er  dogmatischen  und  der  scholastischen  Theologie  zwar  sehr  gut 
lei,  die  letztere  aber  von  einigen  Theologen  missbraucht  werde; 
nrenn  er  dabei  zu  harte  Worte  gebraucht,  so  thue  ihm  das  leid; 
)r  gestehe  auch,  dass  er  zu  diesen  Missbräuchen  nicht  viele  kirch- 
iche  Gebräuche  hätte  zählen  dürfen,  die  seit  Jahrhunderten  im 
Ibendlande  beständen,  z.  B.  dass  man  auf  die  Altäre  ein  Crucifix 
itelle,  die  Privatmessen,  dass  man  den  Kindern  nicht  die  Commu- 
lion  und  die  Firmung,  den  Laien  das  Abendmahl  nur  unter  Einer 
jrestalt  spende,  dass  die  Lossprechung  modo  indicativo  ertheilt 
tverde,  die  überstrenge  Verordnung  über  das  Beichtsiegel;  was  er 
a^gen  diese  Gebräuche  gesagt,  nehme  er   zurück. 

5.  Spinoza*s  Opera  posthuma  stehen  in  den  älteren  Indices 
licht;  erst  Ben.  hat  sie  aufgenommen.  Er  gibt  als  Datum  des 
Verbotes  13.  Mart.  1679  et  29.  Aug.  1690  an.  Das  erstere  ist 
iber  das  Datum  des  Verbotes  des  Tractatus.  —  1826  wurde  verb.: 
rheologisch-politische  Abhandlung  von  Spinoza,  freie  Uebersetzung 
md  mit  Anmerkungen  begleitet  von  Z.  [recte  J.]  A.  Kalb,  München 
1825,  wohl  nicht  die  gefährlichste  unter  den  vielen  Schriften  über 
Spinoza.  —  Die  Schrift  des  mit  Spinoza  befreundeten  Amsterdamer 
Irztes  Ludwig  Meyer,  Philosophia  scripturae  interpres,  exercitatio 
mradoxa,  in  qua  veram  philos.  infallibilem  s.  literas  interpretandi 
lormam  esse,  apodictics  demonstratur,  Eleutheropoli  1666,  4.  (3  Ed. 
jum  praef.  Semleri,  1776;  Diestel,  Gesch.  des  A.  T.  S.  392),  ist 
licht  verb. 

Von  philosophischen  Schriften  protestantischer  Verfasser  stehen 
ms  der  Zeit  von  1670 — 1757  ausser  Schweling  im  Index  nur:  Jac. 
rhomasius  (zu  Leipzig,  1622 — 84),  Exercitatio  de  stoica  mundi 
sxustione,  cui  accesserunt  argumenti  varii,  sed  inprimis  ad  bist, 
itoicae  philos.  facientes  dissertationes,  Lpz.  1676,  verb.  1678.  — 
Pansophia  enchiretica  sive  philosophia  experimentalis  in  academia 
Üoysis  primum  per  sex  prima  capita  Genesis  tradita,  demum  per 
gnem  examinata  et  probata,  auct.  Arnoldo  Bachimio  Denstonio 
]!o8mo8opho,  Nürnb.  1682,  verb.  1688.  —  Trait6  du  beau,  par 
Fean-Pierre  de  Crousaz,  Amst.  1724,  2  vol.,  verb.  1742  (Suppl. 
le  Morery  s.  v.).  —  Jac.  Brück  er,  Historia  critica  philosophiae, 
»  vol.,  1742 — 44,  verb.  1755  und  1757  (obschon  Brucker  noch 
1754  mit  dem  Card.  Passionei  in  freundschaftlicher  Correspondenz 
itand;  Memorie  della  vita  del  Card.  Passionei,  Rom  1762,  p.  240). 
—  Die  Philosophie  von  Leibniz  und  Chr.  Wolff  ist  im  Index  nur 
vertreten  durch  das  Buch  von  Canz    (8.   113)    und  G.  B.  Bülffin- 

ReiiBcli,  Index   II.  39 


610  Der  Quietismufi. 

geruB  (Bilfinger,  A.  D.  B.  2,  634),  De  harmonia  animi  et  corporis 
hum.  maxime  praestabilita  ex  mente  Leibnitii,  1720,  verb.  1727. 

6.  Durch  Cartesius  wnrde  auch  die  Controverse  de  anima 
brutorum  angeregt.  Im  Index  steht  von  den  zahlreichen  Schriften, 
die  Reit  1662  darüber  erschienen  (Bouillier  2,  151),  nur  De  anima 
brutorum  commentaria.  Curiosum  nobis  natura  ingenium  dcdit. 
Sen.  de  yita  beata  c.  32.,  mit  d.  C.  yerb.  1784. 


63.   Der  Qnietismas. 

Zwei  kleine  ascetische  Schriften  des  in  Rom  in  hohem  An- 
sehen lebenden  Spaniers  Miguel  de  Molinos  wurden  schon  um 
1680  als  eine  falsche  Frömmigkeit,  den  Quietismus,  befördernd 
angegriffen,  unter  anderm  von  dem  Jesuiten  Paolo  Segneri,  von 
der  Inquisition  jedoch  anfangs  in  Schutz  genommen.  Im  J.  1685 
wurde  gegen  Molinos  wegen  seiner  Lehre  und  seines  Lebens 
ein  Process  eingeleitet  und  1687  er  selbst  zu  lebenslänglicher 
Haft  verurtheilt,  seine  Lehre  zuerst  durch  ein  Decret  der  Inqui- 
sition, dann  durch  eine  besondere  Bulle  Innocenz'  XI.  verdammt 
und  alle  seine  Schriften,  gedruckte  und  handschriftliche,  verboten. 
Bald  darauf  wurden  von  der  Inquisition  auch  die  ascetischen 
Schriften  seines  Freundes,  des  Cardinais  Petrucci,  —  obschon 
sie  viel  weniger  von  der  herkömmlichen  mystischen  Theologie  ab- 
weichen als  die  des  Molinos,  —  sowie  anderer  Anhänger  desselben 
verboten,  auch  einige  französische  Schriften  ähnlichen  Charakters, 
namentlich  von  Malaval,  Boudon,  La  Combe  und  Madame  Gnyon. 

In  deii  nächsten  Jahren  bis  1704  verbot  die  Inquisition  noch 
eine  Reihe  von  ascetischen  Schriften,  darunter  manche,  welche 
bis  dahin,  zum  Theil  schon  seit  geraumer  Zeit,  ungehindert  ver- 
breitet worden,  zum  Theil  in  Rom  selbst  gedruckt  waren,  von 
Falconi,  Canfeld,  Bernieres-Louvigny  u.  s.  w.  Jeden&Us  ist  bei 
diesem  Eifer,  welchen  die  Inquisition  jetzt  im  Ausraufen  des  Un- 
krauts auf  dem  Felde  der  ascetischen  Literatur  entfaltete,  auch 
mancher  Weizenhalm  mit  ausgerauft  worden.  —  Schon  vor  Mo- 
linos, 1675  wurden  von  Giacomo  Lambardi  sämmtliche  Schriften 
verboten. 

1.  Die  ersten  Schriften  des  17.  Jahrb.,  welche  vielleicht  als 
quietistische  bezeichnet  werden  können  und    im  Index  stehen ,   sind 


G.  Lambardi  u.  a.  M.  Molinos.  611 

die  von  einem  VincentiuB  Nerius  Neapolitanns :  Expositio  nova  in 
verbnm  hoc:  Judicium  (seit  Ben.  in  verbum:  Hoc  Judicium)  und 
Luminoao  Bole,  per  mezzo  del  quäle  Tanima  christ.  pu6  intrare  nel 
sacro  regno  della  mistica  ed  occulta  theologia,  verb.  1634,  und 
Exercices  spirituels  pour  la  r^traite  de  dix  jours  par  le  F.  Sul- 
pice,  Recollet  de  Nantes,  mit  d.  c.  verb.  1668.  —  Von  Giacomo 
Lambardi  berichtet  Pelayo  2,  573:  er  habe  fast  alle  Ceremonien 
und  äusseren  Cultusbandlungen  verworfen,  sei  von  der  Inquisition 
zu  Perugia  zu  einer  Busse  verurtheilt,  später  nochmals  in  Spoleto 
verhaftet  worden  und  im  Gefängnisse  gestorben  ^).  In  einem  Decrete 
(wohl  der  Inq.)  vom  28.  März  1675  werden  von  ihm  verboten  die 
Opuscoli:  Deploratio  animae,  Semplicitä  spiritnale,  Trattato  deir 
esterioritik,  Yerba  ministri  altaris  o  sia  libro  di  profetie,  und  ,,alle 
von  ihm  geschriebenen  oder  dictirten  oder  aus  seinen  Schriften  ent- 
nommenen oder  irgendwie  abgeschriebenen  Regeln,  Documente  und 
Weisungen  (avvertimenti)  und  überhaupt  alle  von  ihm  verfassten 
oder  über  ihn  handelnden  Schriften"  (seit  Ben.  nur:  alle  seine  ge- 
druckten oder  handschriftlichen  Opuscula).  ~  Nur  in  der  Raccolta 
stehen  als  von  der  Inq.  10.  Sept.  1679  verb.,  Libretti  spirituali  del 
P.  Bernabei,  Min.  Conv.,  dedicati  air  Imperatrice  Eleonora,  stam- 
pati  in  Praga. 

1676  wurde  verb.:  Stati  d^orazione  mentale  per  arrivare  in 
breve  tempo  a  Dio,  dalla  Rev.  M.  Maria  Bonaventura  dell*  Incar- 
nazione,  eine  üebersetzung  einer  Schrift  der  Marie  Guy ard,  geb. 
1599,  vom  17.  bis  19.  Jahre  verheirathet,  seit  1631  Ursulinerin 
(als  solche  hiess  sicf  Mere  Bonav.  de  Tlncamation),  die  1639  nach 
Canada  ging  und  dort  Vorsteherin  eines  Klosters  war,  f  1672.  Ihr 
Sohn,  der  Mauriner  Claude  Guyard,  schrieb  ihre  Biographie,  Par. 
1677,  12.  Sie  stand  mit  Bernieres-Louvigny  (s.  u.)  in  Verkehr 
(Heppe  S.  96).  Bossuet  spricht  in  seinen  Schriften  über  den  Quie- 
tismus  mit  Achtung  von  ihr  und  sagt  in  einem  Briefe  von  1695 
(39,  365),  ihre  Biographie  habe  er  sehr  geschätzt ''^).  Trotz  des  Ver- 
botes ihres  Buches  ist  ihr  Beatiiicationsprocess  eingeleitet  (Acta  S.  S. 
15,  288).  —  üeber  A.  Bourignon  und  J.  de  Labadie  s.  S.  94.  101. 

2.  Miguel  de  Molinos^),  geb.  1640,  aus  einer  angesehenen 
Pamilie  in  Aragonien,  zu  Coimbra  zum  Dr.  theol.  promovirt,  kam 
1669  oder  1670  nach  Rom,  wurde  dort  ein  sehr  gesuchter  Beicht- 
vater und  stand  in  geistlichen  Kreisen  in  hohem  Ansehen,  auch  bei 


1)  üeber  Processe  der  Inquisition  gegen  schwärmerische  Conventikel 
und  damit  zusammenhangende  Ünsittlichkeiten  in  Neapel,  Brescia,  Treviso, 
Florenz  s.  D.  Bernini,  Hist.  di  tutte  l'heresie,  Ven.  1721,  4,  722.  A.  J.  P. 
45,  1569.  Le  Bret,  Mag.  8.  564. 

2)  La  Combe  (Bossuet  40,  107)  erwähnt  drei  andere  Schriften  der 
Mere  Bon  (sie)  de  l'Incarnation,  Ursuliaerin  von  St.  Marccllin  in  der  Dau- 
phine :  Jesus  bon  pasteur,  Etat  da  pur  amour,  Catechisme  spirituel.  Heppe 
erwähnt  diese  nicht. 

'6)  Vgl.  Scharling,  M.  Molinos,  Zts.  f.  hist.  Theol.  1854.  55.  Ileppe, 
Gesch.  der  quietist.  Mystik,  1876.  Bossuet,  Oeuvres  27,  493.  Michaud  4, 
451.  Valery,  ('orr.  de  Mabillon. 


612  Der  Quietismus. 

mehreren  Cardinälen,  u.  a.  bei  dem  Card.  Benedetto  Odescalchi,  der 
1676  als  Innocenz  XI.  Papst  wnrde  nnd  Mol.  eine  Wohnung  im 
päpstlichen  Palaste  anwies.  1675  erschien  von  ihm  zu  Rom  eine 
kleine  Schrift:  Guida  spirituale  che  disinvolge  l'anima  e  la  condnce 
per  Tinteriore  cammino  air  acquisto  della  perfetta  contemplazione  e 
del  ricco  tesoro  della  pace  interiore,  etwas  später  eine  von  ihm 
spanisch  geschriebene,  ohne  seinen  Auftrag  von  einem  italienischen 
Priester  übersetzte  Abhandlung :  Breve  trattato  della  cotidiana  com- 
munione,  composta  in  idioma  spagnuolo  dal  D.  M.  de  Molinos  e 
fatto  tradurre  e  mandato  a  luce  da  un  altro  divoto  sacerdote.  1678 
erschienen  beide  zusammen  zu  Venedig,  seitdem  regelmässig  zusam- 
men, zu  Eom  1681  u.  s.,  bald  auch  in  anderen  Sprachen  (lateinisch 
von  A.  H.  Francke  1687,  deutsch  von  Gottfr.  Arnold  1699,  3.  Aufl. 
1712,  englisch  s.  1.  1699).  Die  Guida  war  von  5  Theologen,  wor- 
unter 4  Qualiflcatoren  der  Inquisition,  approbirt.  Der  Erzbischof 
von  Palermo  Hess  1681  eine  Ausgabe  für  die  Frauenklöster  seiner 
Diöcese  und  ihre  Beichtväter  mit  einem  Vorwort  drucken.  Dagegen 
klagte  der  Erzbischof  von  Neapel,  Card.  Caraccioli,  in  einem  Briefe 
an  Innocenz  XI.  vom  30.  Jan.  1682  über  die  neuen  „Quietisten": 
sie  missachteten  das  mündliche  Gebet  und  die  Meditation  und  legten 
nur  Werth  auf  das  passive  Gebet  oder  die  Contemplation  und  hielten 
die  Gedanken,  die  ihnen  in  dieser  Stille  des  Gebetes  in  den  Sinn 
kämen,  für  göttliche  Eingebungen  und  glaubten  darum  keinem  Ge- 
setze mehr  unterworfen  zu  sein ;  einige  verwürfen  das  mündliche 
Gebet  ganz,  auch  den  Rosenkranz  und  das  Ereuzzeichen,  Crucifixe 
und  Heiligenbilder;  viele,  auch  Verheirathete,  Sollten  täglich  com- 
municiren;  er  habe  einer  ihm  vorgelegten  quietistischen  Schrift  die 
Approbation  verweigert.  —  Der  bedeutendste  Anhänger  des  Mol., 
sein  „Timotheus",  war  Pietro  Matteo  Petrucci,  geb.  1636  zu  Jesi, 
erst  Jurist,  dann  nach  einem  leichtfertigen  Leben  Oratorianer,  damals 
Vorsteher  des  Oratoriums  zu  Rom.  Seine  ältesten  Schriften  sind : 
Lettere  e  trattati  spirituali  e  mistici,  2  Theile,  Jesi  1676  und  78, 
Ven.  1681,  —  Meditazioni  ed  esercitii  prattici  di  varie  virtu,  ed 
estirpatione  de'  vitii  per  la  novena  del  s.  Natale  di  Gesü  N.  S.  e 
per  la  Settimana  santa,  Jesi  1679,  —  I  mistici  enigmi  disvelati; 
dichiaratione  delV  ultimo  sonetto  della  4.  parte  delle  poesie  del  P. 
Petrucci,  con  un  breve  metodo  per  la  guida  delle  anime  all'  altezza 
mistica  della  divina  gratia  guidate,  Jesi  1680. 

Die  ersten  literarischen  Gegner  des  Mol.  waren  Jesuiten.  Schon 
1678  veröflPentlichte  Gottardo  Bell'  Huomo  zu  Modena  II  pregio 
e  l'ordine  dell'  orationi  ordinarie  e  mistiche.  Es  ist  bezeichnend 
für  das  Ansehen,  in  welchem  Mol.  damals  stand,  dass  der  Jesuiten- 
General  Oliva,  als  dieses  Buch  bei  der  Inq.  denuncirt  worden,  sich 
1680  bei  Mol.  für  den  Verfasser  verwendete^).     1680  erschien  dann 


1)  Serry  p.  656  theilt  Bruchstücke  aus  dem  Briefwechsel  mit.  Oliva 
schreibt  25.  Febr.  1680:  Bell'  Huoino  sei  denuncirt  worden,  als  wenn  er 
von  dem  h.  Dionysius  Areopagita  verächtlich  gesprochen,  die  wahre  Con- 


M.  Moliuos.    P.  M.  Petracci.   P.  Segneri.  618 

Concordia  tra  la  fatica  e  la  quiete  nell*  oratione  espressa  ad  im  re- 
ligioRo  in  risposta  da  Paolo  Segneri  della  C.  di  Gesii,  worin  au«- 
geführt  wird:  man  dürfe  nicht  die  Meditation  verachten  und  metho- 
disch nach  der  Contemplation  streben,  da  diese  ein  besonderes  Cha- 
risma sei;  das  contemplative  Leben  sei  höher  als  das  ascetische, 
aber  höher  als  beide  stehe  das  Leben,  in  welchem  Contemplation 
und  Meditation,  Beschaulichkeit  und  Thätigkeit  vereinigt  seien. 
Pctrucci  schrieb  dagegen  La  contemplazione  mistiöa  acquistata,  in 
cui  si  sciogliono  l'oppositioni  contro  a  questa  oratione,  Jesi  1681, 
dem  Card.  Alderano  Cybo  gewidmet,  nochmals  mit  einer  polemisch- 
apologetischen Aggiunta  1682.  Von  Segneri  erschien  dann  Lettera 
di  risposta  al  Sig.  Ignatio  Bartalini  sopra  Teccettioni  che  da  un  di- 
fensore  de'  moderni  quietisti  a  chi  ha  impugnato  le  loro  leggi  [in 
orare,  divulgata  in  onor  deir  utile  e  vera  contemplazione  e  in  dis- 
cemimento  della  contraria],  Ven.  1681.  Im  folgenden  Jahre  erschien 
noch  Clavis  aurea,  qua  aperiuntur  errores  Michaelis  de  Molinos  in 
ejus  libro  cui  titulus:  La  guida  spirituale,  per  Patrem  Alex,  ße- 
gium,  Cler.  reg.  minorem  elaborata,  Ven.  1682.  —  Die  Inq.  nahm 
diese  Schriften  in  Untersuchung  und  verbot  nicht  die  von  Mol.  und 
Petrunci,  sondern  26.  Nov.  1681  die  von  Beir  Huomo  mit  d.  c,  15. 
Dec.  1682  unbedingt  die  von  Eegius  und  Segneri's  Lettera.  Ein 
Verbot  von  dessen  Concordia  scheint  nicht  veröflFentlicht,  ihm  aber 
aufgegeben  worden  zu  sein,  eine  neue  verbesserte  Ausgabe  davon 
zu  veranstalten,  welche  aber  erst  1691  unter  dem  Titel  Concordia 
.  .  .  corretta  dal  medesimo  autore  in  Eoma,  nella  stamperia  di  D.  A. 
Ercole  erschien^). 


templation  geleugnet  und  sich  als  unerfahren  in  den  ersten  Elementen 
des  innern  Gebets  gezeigt  habe,  während  er  doch  sehr  verständig  und 
bescheiden  geschrieben.  „Lob  sei  Gott,  der  den  höchsten  Definitorcn 
der  Inquisition  so  viel  Licht  mitgetheilt,  und  Dank  der  göttlichen  Vor- 
sehung, dass  die  Unschuld  eines  so  tüchtigen  und  vorsichtigen  Mannes 
beschützt  wird."  Mol.  antwortet  27.  Febr.:  er  kenne  den  Pater  Beir 
Huomo,  und  wenn  er  auch  kein  so  bedeutendes  Talent  hätte»  wie  Oliva 
angebe,  würde  er  ihn  doch  schon  darum  schätzen,  weil  er  ein  Sohn  der 
von  ihm  sehr  geachteten  Gesellschaft  Jesu  sei.  Oliva  möge  sich  beruhigen ; 
wenn  das  Buch  so  gut  sei,  werde  Gott  die  Gegner  erleuchten,  dass  sie  es 
anerkannten.  Auch  Pelayo  2,  576  berichtet  über  diesen  in  der  Casana- 
teusischen  Bibliothek  befindlichen  Briefwechsel,  sagt  aber  von  Bell*  Huomo 
nichts  und  stellt  die  Sache  so  dar,  als  ob  Mol.  sich  bei  Oliva  wegen  seiner 
Ansichten,  die  mit  denen  der  spanischen  Begardos  und  Alumbrados 
(I  S.  584)  nichts  zu  thuen  hätten,  gerechtfertigt  und  Oliva  darauf  halb 
ironisch  geantwortet  hätte. 

1)  In  Segneri's  Biographie  von  Massei  (in  den  Opere  del  P.  Paolo 
Segneri,  Ven.  1742,  4  vol.  4.)  wird  §  49  erzählt:  „Die  Concordia  wurde 
in  Rom  verboten.  Segneri  beklagte  sich  nie  darüber,  tröstete  vielmehr 
die  Freunde,  die  ihm  ihr  Beileid  bezeugten,  mit  den  Worten:  das  sei 
Gottes  Sache  und  Gott  werde  ihn  beschützen,  wie  es  denn  auch  geschah, 
da,  nachdem  die  Wahrheit  besser  erkannt  und  die  unter  den  Blumen  ver- 
borgene Schlange  entdeckt  worden  war,  die  Irrthümer  [des  Mol.]  von  der 
Inq.  verdammt  und  Segneri's  Buch  zu  seinem  grossen  Kuhme  dem  Publicum 
zurückgegeben  wurde.'*  Die  Concordia  steht  in  keinem  Index ;  aber  in  einem 


614  Der  (juietismuB. 

Petrucci,  der  1681  Bischof  von  Jesi  geworden,  veröffentlichte 
in  den  nächsten  Jahren  noch  :  II  nulla  delle  creature  e  il  tutto  di 
Dio;  trattati  due,  Jesi  1682,  —  Lettere  brevi  spirituali  e  sacre,  2 
Theile,  Jesi  1682  und  84  (dem  2.  Theile  beigefügt  un  trattato  per 
bene  regolare  le  passioni),  —  La  scuola  dell'  oratione  aperta  alle 
anime  devote  nelV  expositione  d'una  sagra  canzonetta  di  S.  Teresa, 
Bologna  1686,  —  La  Vergine  assunta,  novena  spirituale  per  il 
beatissimo  transito,  resurrettione  ed  assuntione  di  Maria  Nostra 
Signora,  con  una  introduttione  all'  oratione  interna  e  con  un'  expli- 
catione  di  sette  punti  di  perfettione  cristiana,  accennati  dal  Ven.  P. 
F.  Giov.  Taulero,  Macerata  16871). 

Im  J.  1685  beschlosfl  die  Inquisition,  gegen  Molinos,  allem 
Anscheine  nach  hauptsächlich  auf  Grund  von  Anzeigen  tiber  sittliche 
Vergehen,  einen  förmlichen  Process  einzuleiten^).     Der  Assessor  S. 


Briefe  vom  4.  Sept.  1690  (Lettere  inedite  p.  139)  schreibt  Segneri  an  deu 
Grossherzog  Cosimo  III. :  „Ich  habe  (von  Rom)  die  Bemerkungen  über  die 
Concordia  erhalten.  Card.  Colonna  will,  dass  ich  die  neue  Ausgabe  nicht, 
wie  die  erste,  ihm,  sondern  einem  andern,  etwa  Ew.  Hoheit  widme  (Seg- 
neri erwähnt  dabei,  der  Grossherzog  habe  sich  auch  unter  dem  vorigen 
Pontificate  für  das  Buch  verwendet).  Uebrigens  glaube  ich,  dass  der  Car- 
dinal nicht  ohne  Mühe  es  dahin  gebracht  hat,  dasa  nur  wenige  un«l  un- 
bedeutende den  Sinn  betreffende  Aendorungen  verlangt  werden.  Die  Re- 
visoren haben  nicht  unterlassen,  möglichst  viel  zu  nergeln  (cavillare);  aber 
die  h.  Cong^egation  ist  schliesslich  dem  Urtheil  des  Cardinais  beigetreten.** 
Am  17.  März  1691  (p.  149)  schreibt  er  von  Rom  aus:  „lob  habe  mit  den 
beiden  mir  von  der  h.  Congr.  angewiesenen  Revisoren,  dem  Magister  S. 
Pal.  und  dem  Conventualen  P.  Fabbri,  Consultor  der  Inq.,  bezüglich  der 
Concordia  alles  in  Ordnung  gebracht."  —  Ein  Verbot  der  Lettera  erwähnt 
Massei  nicht;  ohne  Zweifel  ist  aber  die  noch  jetzt  im  Iudex  stehende 
Lettera  di  risposta  al  Sig.  Igu.  Bartalini  identisch  mit  der  (trotz  des  Ver- 
botes) in  den  Opere  4,  337  unmittelbar  hinter  der  Concordia  abgedruckten 
Lettera  (der  Titel  ist  ganz  derselbe;  nur  fehlt  in  den  Opere  ,,al  Sig.  Ign. 
Bartalini"  und  sind  die  oben  in  [  ]  stehenden  Worte  beigefugt) ;  hinter 
der  Lettera  stehen  noch  zwei  andere,  Ven.  1682  erschienene  Schriften, 
die  gegen  die  Schrift  von  Malaval  gerichtet  sind,  die  auch  in  der  Lettera 
erwähnt  wird.  Petrucci  wird  in  dieser  nicht  genannt,  ist  aber  ohne  Zweifel 
mit  L'illustrissimo  mio  impuguatore  gemeint.  In  einem  Briefe  vom  23. 
März  1686  (p.  G8)  spricht  Segneri  von  questo  aocidente  della  mia  Lettera 
di  risposta  ristampata  con  quelle  righe  di  aggiunta  spropositata,  —  also 
einem  nach  dem  Verbote  erschienenen  Abdruck,  —  und  fügt  bei:  der 
Pater  General  habe  ihm  aufgegeben,  an  den  Commissar  der  Inq.  zu 
schreiben,  der  ihn  kenne. 

1)  Auch  einige  Schriften  von  Petrucci  wurden  früh  von  Protestanten 
übersetzt:  Kurtze  geistliche  Brieffe  des  Card.  P.  M.  Petrucci,  mit  Vorrede 
G.  Arnolds,  Halle  1705  (ü.  N.  1705,  366).  Card.  Petrucd's  Christian  per- 
fection  in  the  love  of  God.  .  .  .,  1704. 

2)  Es  heisst,  Ludwig  XIV.  habe  auf  Betreiben  seines  Beichtvaters 
La  Chaise  durch  seinen  Gesandten  dem  Papste  sein  Befremden  darüber 
aussprechen  lassen,  dass  er  einen  Mann  in  seinem  Hause  unterhalte  und 
begünstige,  der  offenbare  Ketzereien  lehre  und  das  Volk  zur  Geringschätzung 
der  kirchlichen  gottesdienstlichen  Uebungen  verleite.  Scharling  1856,  16. 
Bei  Michaud  findet  sich  aber  nichts  der  Art  und  4,  463  eine  Mittheilnng 


M.  Molinos.  615 

Off.,  Piazza,  hatte  Mühe,  von  dem  Papste  die  Genehmigung  zur 
Verhaftung  des  Angeklagten  zu  erlangen.  Der  Process  dauerte  bis 
zum  August  1687.  Im  August  1685  schreibt  J.  Durand:  manche 
meinten,  die  Sache  werde  in  Eauch  aufgehen ;  die  Königin  Christine 
protegire  Mol.,  bemühe  sich,  seine  Freilassung  zu  erwirken,  und  habe 
durchgesetzt,  dass  er  im  Gefängnisse  sehr  gut  behandelt  werde. 
Gleichzeitig  schreibt  Germain :  die  meisten  billig  urtheilenden  Leute 
sagten,  Mol.'s  Sitten  seien  vorwurfsfrei  gewesen;  französische  Ge- 
lehrte, die  sein  Buch  und  andere  Actenstücke  gelesen,  fänden  darin 
nichts  Bedenkliches  ;  aber  die  Inq.  pflege  allerdings  sonst  niemand 
zu  verhaften,  dessen  Schuld  nicht  zu  zwei  Dritteln  erwiesen  sei 
(Valery  1,  73.  98).  Man  beschränkte  sich  nicht  auf  eine  Unter- 
suchung des  gedruckten  Buches,  sondern  prüfte  auch  die  Tausende 
von  Briefen,  die  sich  bei  Mol.  gefunden,  —  angeblich  allein  von  der 
Fürstin  Borghese  2000,  von  der  Königin  Christine  200  (Michaud 
4,484),  —  und  verhörte  auch  eine  Menge  von  Personen,  welche 
durch  diese  Briefe  oder  sonstwie  als  seine  Anhänger  bekannt  ge- 
worden waren.  Anfangs  scheint  der  Process  lässig  betrieben  worden 
zu  sein.  Die  spanische  Inquisition  kam  der  Kömischen  mit  der 
Verdammung  des  Buches  zuvor  (sie  verbot  eine  1677  zu  Saragossa 
gedruckte  span.  Ausgabe),  was  man  in  Rom  übel  nahm.  Erst  Ende 
1686  scheint  man  begonnen  zu  haben,  die  Untersuchung  energischer 
zu  führen.  Im  Herbst  wurden  der  Priester  Simon  Leoni,  Beicht- 
vater in  einem  Römischen  Nonnenkloster,  und  sein  Bruder  Antonio 
Maria,  ein  Schneider,  verhaftet,  am  9.  Febr.  1687  70  Personen,  um 
als  Zeugen  vernommen  zu  werden,  darunter  Paolo  Rocchi,  der  Beicht- 
vater der  Fürstin  Borghese,  und  mehrere  andere  Geistliche,  der 
Graf  und  die  Gräfin  Vespignani  und  andere  hochgestellte  Personen. 
Es  ging  sogar  das  abenteuerliche  Gerücht,  auch  Benedetto  Odes- 
calchi,  —  der  Papst,  —  sei  als  Zeuge  vernommen  worden.  Unter 
dem  15.  Febr.  1687  erliess  die  Inq.  ein  von  dem  Card.  Cybo  als 
Secretär  unterzeichnetes  geheimes  Circular  an  die  italienischen  Bi- 
schöfe^), worin  dieselben  zum  Einschreiten  gegen  quietistische  Con- 
vertikel  und  zur  U eberwach ung  der  Beichtväter  der  Nonnen  aufge- 
fordert wurden.  Am  29.  Juni  1687  schreibt  Estiennot  (Val.  2,  52): 
er  habe  den  Process  gelesen;  man  habe  260  Sätze  aus  den  Manu- 
scripten  und  Briefen  des  Mol.  ausgezogen,  —  diese  von  den  Con- 
Bultoren  und  Qualiflcatoren  begutachteten  Sätze  waren  nach  Michaud 
4,  462  schon  4.  März  den  Cardinälen  der  Inq.  mitgetheilt  worden, 
—  von  seinem  Buche  habe    man    noch    nichts  gesagt;    da    dasselbe 


des  Card.  d'Estrees  vom  19.  Aug.  1687 :  Card.  Chigi  habe  gewünscht,  der 
König  möge  den  Papst  (zur  Bestätigung  des  Urtheils)  drängen;  er  habe 
geantwortet,  die  Sache  gehe  die  Franzosen  nichts  an. 

1)  Bei  Bossuet  27,  497  steht  dieses  Circular  mit  der  falschen  üeber- 
sohrift:  ä  tous  les  potentats,  eveques  et  superieurs  de  la  chretiente.  Aus 
dem  Inhalte  ergibt  sich,  dass  es  au  die  italienischen  Bischöfe  gerichtet  ist, 
und  darum  ist  es  auch  gar  nicht  auffallend  (Heppe  S.  266),  dass  es  nicht 
lateinisch  abgefasst  ist. 


616  Der  (juietismus. 

noch  vor  wenigen  Jahren  approhirt  worden,  werde  man  sich  jetzt 
noch  nicht  entschliessen  können,  daRßelbe  zu  verdammen  ;  das  werde 
kommen,  aber  erst  mit  der  Zeit.  Die  Irrthümer  der  Quietisten, 
welche  sich  bei  der  Untersuchung  ergeben,  wurden  in  19  Artikeln 
zusammengestellt  ^). 

Am  8.  Juli  1687  wohnte  der  Papst  zum  ersten  Male  seit  einem 
Jahre  wieder  einer  Sitzung  der  Inq.  bei  (Michaud  4,  462).  Am  22. 
Juli  1687  schreibt  Estiennot  (Val.  2,  68):  Appiani,  —  ein  wegen 
seiner  Gelehrsamkeit  und  Frömmigkeit  angesehener  Jesuit,  —  sei 
verhaftet  worden;  man  sage,  er  sei  im  Gefängniss  irrsinnig  gewor- 
den und  in  der  vorigen  Woche  gestorben.  Letzteres  Gerücht  war 
irrig ;  im  October  meldet  Estiennot,  Appiani  sei  zu  3  Jahren  strengen 
und  7  Jahren  gewöhnlichen  Gefängnisses  verurtheilt  worden;  man 
meine,  er  sei  noch  wohlfeil  davon  gekommen^). 

Noch  vor  der  Beendigung  des  Processes,  in  den  Jahren  1686 
— 87,  verbot  die  Inq.:  Eespuesta  d  unos  errores  que  han  appa- 
recido  vagos  sin  autor,  bien  que  se  presume  prohijarse  al  insigne 
varon  el  Doctor  Molinos;  —  L^ecclesiastico  in  solitudine  .  .  . 
composto  da  N.,  Prete  della  Congr.  dell*  Oratorio,  Bre6cial685;  — 
Alfabeto  litterale,  fantasmatico,  mistico  .  .  .;  —  Passi  dell'  anima 
per  il  Camino  di  pura  fede,  cioe  brevi  notizie  dei  gradi  e  mutationi, 
che  fa  l'anima  nell'  oratione  acquistata  per  il  Camino  di  pura  fede. 
Opera  del  P.  Gio.  Paolo  Rocchi  da  Cittä  di  Castello,  Ven.  1677; 
—  Lettera  scritta  dall'  abate  Verneuil  ad  un*  amico  di  Marseglia 
[Malaval?]  sopra  la  dottrina  del  maestro  della  nuova  scuola  dell' 
orazione  di  quiete  o  di  pura  fede;  Meizi  3,210  sagt:  nach  der 
Biblioth.  Picena  habe  der  Capuciner  P.  Franc.  Maria  da  Jesi,  in 
saeculo  G.  B.  Mengarelli,  diesen  Brief  in  Druck  gegeben  (auch  ver- 
fasstVj.  1689  wurden  noch  verb.:  Quinque  folia  impressa  sine  no- 
mine autoris  et  s.  1.  et  a.  impressa,  quorum  titulus  est:  Kisposta 
deir  amico  alla  lettera  scritta  dair  abate  Verneuil  .  .  .  Die  Eeplica 
deir  ab.  Verneuil  alla  risposta  dell'  amico  sopra  la  dottrina  del  C. 
P.  [Card.  Petrucci],  Padua  1687  (Melzi  3,  210),  steht  nicht  im  Index. 

Endlich,  am  3.  Sept.  1687,  wurde  ein  Decret  der  Inq.  von 
Fer.  V.  28.  Aug.  angeheftet  und  das  am  20.  Aug.  von  der  Inq. 
gefällte  ürtheil  über  Molinos  in  Santa  Maria  sopra  Minerva  in  Ge- 
genwart von  23  Cardinälen  und  vielen  Prälaten,  des  spanischen 
Gesandten  und  einer  grossen  Volksmenge  verkündigt.  In  dem  De- 
crete  heisst  es:    es  sei  der  Inq.  kund  geworden,    dass  ein  gewisser 


1)  Die  Errori  principali  di  quelli  che  esercitano  Toratione  di  quiete 
stehen  in  den  Three  Lettres  p.  55,  französisch  bei  Bossuet  27,  498. 

2)  Die  Jesuiten  geben  an,  Appiaui  habe  abgeschworen  und  sei 
reumüthig  gestorben,  Michaud  4,  468:  er  sei  im  Gefängniss  fast  irrsinnig 
geworden,  schliesslich  ohne  Abschwörung  entlassen,  ihm  aber  die  Erlaubniss, 
Beicht  zu  hören,  entzogen  worden.  Von  dem  Jesuiten  Esparza,  der  das 
Buch  von  Mol.  mit  approhirt  hatte,  ging,  als  er  nach  der  Einleitung  des 
Processes  von  Rom  verschwand,  das  abenteuerliche  Gerücht,  er  sei  einge- 
mauert worden. 


M.  Molinos.  617 

11.  de  Molinos,  ein  Sohn  des  Verderbens,  schlechte  Lehren  mündlich 
ind  schriftlich  verkündet  und  praktisch  angewendet,  durch  welche 
mter  dem  Vorwande  der  Oratio  quietis  im  Widerspruche  mit  der 
!jehre  und  dem  Gebrauche  der  Kirche  die  Gläubigen  der  wahren 
ieligion  und  der  Reinheit  der  christlichen  Frömmigkeit  entfremdet 
md  zu  sehr  grossen  Irrthümern  und  gewissen  Schändlichkeiten  ver- 
eitet  worden  seien ;  nach  dem  Votum  der  Inq.  habe  der  Papt  fol- 
gende Sätze,  welche  Mol.  gelehrt  und  geglaubt  zu  haben  überwiesen 
worden  bezw.  geständig  sei,  als  resp.  ketzerisch,  verdächtig  .  .  . 
'erdammt  (folgen  68  Sätze;  es  waren  der  Inq.  263  Sätze  vorgelegt 
irorden;  A.  J.  P.  10,  574);  ferner  verbiete  der  Papst  alle  gedruckten 
ind  geschriebenen  Schriften  des  Mol.  und  gebiete ,  dieselben  abzu- 
iefern  und  zu  verbrennen.  —  In  dem  sehr  umfangreichen  Urtheil 
leisst  es  u.  a.:  mehrere  Zeugen  hätten  bekundet,  dass  Mol.  unzüch- 
ige  und  andere  schlechte  Handlungen,  Schmähungen  gegen  Gott, 
lie  h.  Jungfrau  und  die  Sacramente  u.  s.  w.,  die  sie  begangen,  ent- 
ichuldigt  und  sie  ermächtigt  habe,  dieselben  nicht  zu  beichten;  aus 
leinen  Briefen  und  Geständnissen  ergebe  sich,  dass  er  von  solchen 
landlungen  gesagt,  sie  seien  nicht  sündhaft,  weil  nicht  freiwillig, 
londern  in  Folge  einer  Nöthigung  durch  den  Teufel  begangen;  er 
labe  behauptet,  er  sei  durch  höhere  Erleuchtung  in  den  Stand  ge- 
setzt worden,  solche  Handlungen  von  wirklich  sündhaften  zu  unter- 
scheiden; die  von  ihm  mündlich  und  brieflich  vorgetragenen  Irrthtimer 
iber  das  Gebet  seien,  in  einige  Hauptpunkte  zusammengefasst,  von 
len  Qualificatoren  censurirt  und  die  von  ihm  selbst  gegebenen  Er- 
änterungen  als  ungenügend  erkannt  worden ;  er  habe  in  einem  Briefe 
[esagt,  es  gebe  zahllose  Seelen,  die  nie  zu  beichten  brauchten,  weil 
ie  sich  keiner  Sünde  bewusst  seien,  und  er  selbst  habe  22  Jahre 
:eine  materia  actualis  sufficiens  zur  Beichte  gehabt;  er  habe  un- 
ücbtige  Handlungen  eingestanden.  Schliesslich  heisst  es:  Mol.  sei 
Is  Haereticus  dogmatizans  den  Censuren  verfallen,  solle  aber,  da  er 
leue  bekundet,  nach  vorheriger  Abschwörung  von  der  Excommuni- 
ation  losgesprochen  werden ;  ferner  werde  er  zu  formalis  carcer 
»erpetuus  sine  spe  veniae  verurtheilt  und  habe  täglich  das  aposto- 
Ische  Glaubensbekenntniss  und  den  dritten  Theil  des  Eosenkranzes 
u  beten  und  viermal  jährlich  zu  beichten.  —  Am  folgenden  Tage 
lussten  die  Brüder  Leoni  abschwören;  der  Priester  wurde  zu  zehn- 
ähriger,  der  Schneider  zu  lebenslänglicher  Haft  verurtheilt.  Erst 
6.  März  1689  wurde  der  Spanier  Pedro  Pefia,  der  Molinos'  Secretär 
:ewesen  war,  zur  (nicht  öffentlichen)  Abschwörung  und  zu  lebens- 
änglicher  Haft  verurtheilt. 

Am  15.  Febr.  1688  wurde  eine  eigene  vom  20.  Nov.  1687 
atirte  Bulle  über  die  Irrthümer  des  Molinos  publicirt.  Sie  ist  in- 
laltlich  im  wesentlichen  nur  eine  "Wiederholung  und  Bestätigung 
es  Inquisitionsdecretes     vom   28.  Aug.^).      In    den    älteren  Indices 


1)  Das  Decret  vom    28.  Aug.  1687    und    die  Bulle    stehen    bei  Arg, 
IIb  357,  die  Sentenz  A.  J.  V.  6,  1658  (auch  juxta  exemplar  Rom.  im  An- 


618  Der  Quictisinus. 

steht  mit  Verweisung  auf  die  Bulle  Mich.  Molinos  libri  omnes  om- 
niaque  opera  quoc.  loco  et  idiomate  impressa  uecnou  omnia  manu- 
scripta,  seit  Ben.  opera  orania  tarn  edita  quam  manuscr.  —  Kenau- 
dot,  der  einen  Auszug  aus  den  Processacten  in  Händen  hatte,  schrieb 
13.  Oct.  1687  an  Bossuet:  Molinos  etait  un  des  plus  grands  scele- 
rals  qu'on  puisse  s'imaginer.  II  n'y  a  ordures  execrables  qu'il  n'ait 
commises  durant  22  ann^es  sans  se  confesser.  Auch  andere,  welche 
die  (abschriftlich  in  München  befindlichen)  Acten  durchgesehen, 
sprechen  über  seine  sittliche  Verkommenheit  nicht  milder.  Diese 
ist  denn  auch  ohne  Zweifel  der  Hauptgrund  des  Verbotes  seiner 
Schriften  gewesen^).  —  1693  ging  das  Gerücht,  Mol.  sei  gestorben; 
nach  den  Römischen  Zeitungen  ist  er  aber  erst  28.  Dec.  1697,  reu- 
müthig  und  mit  den  Sacramenten  versehen,  gestorben  (das  Gerücht, 
er  sei  vergiftet  worden,  ist  ohne  Zweifel  grundlos).  Auf  seinem 
Grabe  im  Dominicanerkioster  San  Pietro  in  Montorio  steht  die  In- 
schrift: Qui  e  il  corpo  del  D.  M.  Molinos  il  gran  heretico. 

Gegen  Petrucci,  er  wurde  2.  Sept.  1686,  also  nach  der  Ein- 
leitung des  Processes  gegen  Mol.,  zum  Cardinal  ernannt,  —  wurde 
natürlich  rücksichtsvoller  verfahren.  Er  wurde  nicht  verhaftet,  und 
im  Juni  1687  übertrug  der  Papst,  zum  Verdrusse  der  Inquisition, 
die  Untersuchung  gegen  ihn  einer  besondern,  aus  den  Cardinälen 
Cybo,  Ottoboni,  Casanate  und  Azzolini  bestehenden  Commission  und 
suspendirte  das  Decret  der  Inq.,  welches  seine  oben  verzeichneten 
Schriften  verbot.  --  Estiennot  meldet  im  Aug.  1687:  ein  Abate 
Taya  sei  von  der  Inq.  verhaftet  worden,  weil  er  eine  Apologie  der 
Ansichten  Petrucci's  und  der  Quietisten  habe  drucken  lassen ;  der 
Verfasser  derselben  sei  P.  Boussy  (Biscia?  s.  u.)  von  der  Chiesa 
nuova,  —  also  ein  Oratorianer,  —  und  Card,  Cybo  habe  mündlich 
die  Erlaubniss  zum  Drucke  ertheilt;  die  Exemplare  seien  confiscirt 
worden,  Boussy  aber  habe  sich  dadurch  aus  der  Affaire  gezogen, 
dass  er  bei  dem  Papste  ein  offenes  Geständniss  abgelegt;  nun  müsse 
Taya  für  alle  bezahlen;  die  fragliche  Sclirift  sei  nicht  übel  gemacht, 
aber  Taya  habe  sie  ohne  Erlaubniss  des  Mag.  S.  Pal.  drucken  lassen 
und  zu  frei  gesprochen;  übrigens  habe  man  ihm  schon  lange  etwas 
anhaben  wollen  und  auf  einen  Anlass  gewartet.  Card.  Petrucci  habe 
gesagt,  er  habe  keinen  Auftrag  zur  Abfassung  der  Schrift  gegeben; 


hange  von  A.  H.  Francke's  Uebersetzung  der  Guida,  Manuductio  spiritualis, 
1687),  die  Sentenzen  gegen  die  Brüder  Leoni  A.  J.P.  10,  594,  die  Sentenz 
gegen  Pefia  bei  Laemmer,  Mel.  Rom.  p.  407,  Beschreibungen  der  Abschwö- 
rung des  Mol.  bei  Le  Bret,  Mag.  4,  124;  Valery  2,  95;  Laemmer  1.  c; 
Michaud  4,  465.  Vgl.   Deutscher  Merkur  1879,  113. 

1)  Leibniz  schreibt  1688  an  den  Landgrafen  Ernst  (Rommel  2,  131): 
Les  personnes  les  plus  devotes  et  les  plus  eclairees  de  Rome  ont  ete  trom- 
pees  par  les  hypoerisies  de  Molinos  ...  La  Guida  ne  dit  presque  rien 
qu'on  ne  trouve  dans  les  auteurs  mystiques  approuves.  Si  Molinos  a  cache 
•du  venin  sous  ce  miel,  est-il  juste  que  Petrucci  et  autres  personnes  de 
merite  en  soient  responsables?  .  .  J'ai  trouve  des  espressions  dans  la 
Guida  que  je  n'approuve  pas,  quoiqu'elles  se  trouvent  chez  quelques  au- 
teurs mystiques. 


Card.  Petraooi.  B.  Biscia.  610 

dem  Vernehmen  nach  lasse  er  seihst  eine  Schrift  drut^ken,  worin 
er  das,  was  man  in  seinen  Büchern  beanstande,  desavouire,  revocire 
oder  erkläre;  er  solle  dem  Papste  gesagt  haben,  er  habe  geglaubt, 
die  Wahrheit  zu  schreiben,  aber  wenn  der  Papst  anders  urtheile, 
wolle  er  retractiren.  Am  23.  Sept.,  also  nach  Molinos'  Verurthei- 
lung,  schreibt  Estiennot :  Petrucci  thue  ganz  unbefangen;  einige  sag- 
ten, er  werde  in  einer  Schrift  rectractiren,  andere,  er  behaupte,  er 
habe  nichts  geschrieben,  was  man  censuriren  könne.  Etwas  später 
meldet  Estiennot,  man  habe  Commissare  in  Petrucci's  Diöcese  ge- 
sandt ^).  —  Durch  ein  Decret  der  Inq.  vom  5.  Febr.  1688  wurden  seine 
oben  verzeichneten  8  Schriften  verboten,  „damit  sie  nicht  unter  dem 
Vorwande  einer  gefährlichen  Andacht  den  üngelehrten  zum  Anstoss 
würden"  2).  Er  ist  der  einzige  Cardinal  aus  den  letzten  Jahrhunder- 
ten, der  im  Index  steht,  —  über  Noailles  s.  §  83  — ;  er  wird  aber 
nicht  als  Cardinal  bezeichnet,  obschon  er  wenigstens  einige  Schriften 
als  solcher  nochmals  hat  drucken  lassen.  —  Die  Inq.  hielt  auch 
eine  Abschwörung  für  nöthig;  aber  der  Papst  nahm  diese  selbst 
entgegen  ohne  die  bei  der  Inq.  üblichen,  für  einen  Cardinal  aller- 
dings demüthigenden  Formalitäten,  und  Hess  auch  der  Inq.  kein 
ProtocoU  darüber  mittheilen  (Michaud  4,  467).  Er  wurde  darauf 
nach  Jesi  geschickt,  später  aber  wieder  nach  Rom  berufen,  wahr- 
scheinlich um  dort  beaufsichtigt  zu  werden;  1696  resignirte  er  auf 
sein  Bisthum,  f  1701.  Im  J.  1697  interessirte  er  sich  für  F6nelon, 
wird  aber  keinen   Einfluss  gehabt  haben  ^). 

Gleichzeitig  mit  Petrucci's  Schriften  wurden  drei  von  dem  Ora- 
torianer  Benedetto  Biscia  verb.:  Insegnamenti  spirituali  per  le  mo- 
nache,  Jesi  1683;  Brevi  documenti  per  le  auime  che  aspirano 
alla  crist.  perfettione,  Jesi  1683;  Giesü  specchio  dell'  anima,  Rom 
[1687?  8.  o.],  —  ferner  ein  französisches  Blatt;  Propositions 
tir^es  des  livres  et  autres  ecrits  du  Dr.  Molinos,  chef  des  qui^tistes, 
condamndes  par  la  S.  Inquisition  de  Rome,  von  dem  die  Inq.  1.  Apr. 
nachträglich  erklärte,  es  sei  nur  wegen  der  schlechten  Uebersetzung 
der  Sätze  verb.  worden. 

3.  Es  folgten  nun  in  der  nächsten  Zeit  Verbote  von  älteren, 
bis  dahin  nicht  beanstandeten  ascetischen  Schriften.  1.  Apr.  1688 
wurden    die  in    italienischer  Uebersetzung   in -Rom    selbst,    also  mit 


1)  Valery  2,  64  ff.  Am  30.  Sept.  1687  schreibt  Estiennot :  es  sei  eine 
Schrift  über  die  Lehre  der  Quietisten  von  dem  Marchest»  Pallavicini,  Maestro 
di  Camera  des  Card.  Cybo  (Secretärs  der  Inq.),  erschienen;  Pallavicini  sei 
citirt  worden;  der  Cardinal  habe  von  ihm  verlangt,  er  solle  nicht  sagen, 
dass  er  selbst  ihm  die  Schrift  diciirt  habe,  und  da  Pallavicini  sich  dessen 
geweigert,  habe  er   ihn  entlassen. 

2)  Trotz  des  Verbots  ist  1837  in  Regensburg  erschienen:  Pastoral- 
conferenz  für  höhere  Seelen leitung  in  auserlesenen  Briefen  des  Card,  und 
Bischofs  von  Jesi,  P.  M.  Petrucci. 

3)  Corr.  de  Feu.  8,  163;  9,  78.  —  Abbe  Bossuet  schrieb  anfangs 
(Oeuvres  de  Bossuet  40,  391):  Petrucci  lobe  Fenelons  Buch  bei  den  Mönchen; 
c'est  un  bavard  qui  ne  sait  rien;  später  (40,  464):  er  habe  sich  gegen 
Fenelon  ausgesprochen. 


618  Der  Quiutismus. 

stellt  mit  Verweisung  auf  die  Bulle  Mich.  Molinos  libri  omnes  om- 
niaque  opera  quoc.  loco  et  idiomate  impressa  necnon  omnia  manu- 
scripta,  seit  Ben.  opera  orania  tarn  edita  quam  manuscr.  —  Kenau- 
dot,  der  einen  Auszug  aus  den  Processacten  in  Händen  hatte,  schrieb 
13.  Oct.  1687  an  Bossuet:  Molinos  etait  un  des  plus  grands  scele- 
rats  qu'on  puisse  s'imaginer.  II  n'y  a  ordures  execrables  qu*il  n'ait 
commises  durant  22  ann^es  sans  se  confesser.  Auch  andere,  welche 
die  (abschriftlich  in  München  befindlichen)  Acten  durchgesehen, 
sprechen  über  seine  sittliche  Verkommenheit  nicht  milder.  Diese 
ist  denn  auch  ohne  Zweifel  der  Hauptgrund  des  Verbotes  seiner 
Schriften  gewesen^).  —  1693  ging  das  Gerücht,  Mol.  sei  gestorben; 
nach  den  Römischen  Zeitungen  ist  er  aber  erst  28.  Dec.  1697,  reu- 
müthig  und  mit  den  Sacramenten  versehen,  gestorben  (das  Gerücht, 
er  sei  vergiftet  worden,  ist  ohne  Zweifel  grundlos).  Auf  seinem 
Grabe  im  Dominicanerkloster  San  Pietro  in  Montorio  steht  die  In- 
schrift: Qui  e  il  corpo  del  D.  M.  Molinos  il  grau  heretico. 

Gegen  Petrucci,  er  wurde  2.  Sept.  1686,  also  nach  der  Ein- 
leitung des  Processes  gegen  Mol.,  zum  Cardinal  ernannt,  —  wurde 
natürlich  rücksichtsvoller  verfahren.  Er  wurde  nicht  verhaftet,  und 
im  Juni  1687  übertrug  der  Papst,  zum  Verdrusse  der  Inquisition, 
die  Untersuchung  gegen  ihn  einer  besondern,  aus  den  Cardinälen 
Cybo,  Ottoboni,  Casanate  und  Azzolini  bestehenden  Commission  und 
suspendirte  das  Decret  der  Inq.,  welches  seine  oben  verzeichneten 
Schriften  verbot.  --  Estiennot  meldet  im  Aug.  1687:  ein  Abate 
Taya  sei  von  der  Inq.  verhaftet  worden,  weil  er  eine  Apologie  der 
Ansichten  Petrucci's  und  der  Quietisten  habe  drucken  lassen ;  der 
Verfasser  derselben  sei  P.  Boussy  (Biscia?  s.  u.)  von  der  Chiesa 
nuova,  —  also  ein  Oratorianer,  —  und  Card.  Cybo  habe  mündlich 
die  Erlaubniss  zum  Drucke  ertheilt;  die  Exemplare  seien  confiscirt 
worden,  Boussy  aber  habe  sich  dadurch  aus  der  Affaire  gezogen, 
dass  er  bei  dem  Papste  ein  offenes  Geständniss  abgelegt;  nun  müsse 
Taya  für  alle  bezahlen;  die  fragliche  Schrift  sei  nicht  übel  gemacht, 
aber  Taya  habe  sie  ohne  Erlaubniss  des  Mag.  S.  Pal.  drucken  lassen 
und  zu  frei  gesprochen;  übrigens  habe  man  ihm  schon  lange  etwas 
anhaben  wollen  und  auf  einen  Anlass  gewartet.  Card.  Petrucci  habe 
gesagt,  er  habe  keinen  Auftrag  zur  Abfassung  der  Schrift  gegeben; 


hange  von  A.  H.  Francke's  üebersetzung  der  Guida,  Manuductio  spiritualis, 
1687),  die  Sentenzen  gegen  die  Brüder  Leoni  A.  J.P.  10,  594,  die  Sentenz 
gegen  Pefia  bei  Laemmer,  Mel.  Rom.  p.  407,  Beschreibungen  der  Abschwö- 
rung des  Mol.  bei  Lc  Bret,  Mag.  4,  124;  Valery  2,  95;  Laemmer  1.  c; 
Michaud  4,  465.  Vgl.   Deutscher  Merkur  1879,  113. 

1)  Leibniz  schreibt  1688  an  den  Landgrafen  Ernst  (Rommel  2,  ISl): 
Les  personnes  les  plus  devotes  et  les  plus  eclairees  de  Rome  ont  ete  trom- 
pecs  par  les  hypocrisies  de  Molinos  ...  La  Guida  ne  dit  presque  rien 
qu'on  ne  trouve  dans  les  auteurs  mystiques  approuves.  Si  Molinos  a  cache 
du  venin  sous  ce  miel,  est-il  justc  que  Petrucci  et  autres  personnes  de 
merite  en  soient  responsables?  .  .  J'ai  trouve  des  espressions  dans  la 
Guida  que  je  n'approuve  pas,  quoiquVlles  se  trouvent  chez  quelques  au- 
teurs mystiques. 


Card.  Petruooi.  B.  Biscia.  619 

dem  Vernehmen  nach  lasse  er  selbst  eine  Schrift  drucken,  worin 
er  das,  was  man  in  seinen  Büchern  beanstande,  desavouire,  revocire 
oder  erkläre;  er  solle  dem  Papste  gesagt  haben,  er  habe  geglaubt, 
die  Wahrheit  zu  schreiben,  aber  wenn  der  Papst  anders  urtheile, 
wolle  er  retractiren.  Am  23.  Sept.,  also  nach  Molinos'  Verurthei- 
lung,  schreibt  Estiennot:  Petrucci  thue  ganz  unbefangen;  einige  sag- 
ten, er  werde  in  einer  Schrift  rectractiren,  andere,  er  behaupte,  er 
habe  nichts  geschrieben,  was  man  censuriren  könne.  Etwas  später 
meldet  Estiennot,  man  habe  Commissare  in  Petrucci*s  Diöcese  ge- 
sandt ^).  —  Durch  ein  Decretder  Inq.  vom  5.  Febr.  1688  wurden  seine 
oben  verzeichneten  8  Schriften  verboten,  „damit  sie  nicht  unter  dem 
Vorwande  einer  gefährlichen  Andacht  den  üngelehrten  zum  Anstoss 
würden"  2).  Er  ist  der  einzige  Cardinal  aus  den  letzten  Jahrhunder- 
ten, der  im  Index  steht,  —  über  Noailles  s.  §  83  — ;  er  wird  aber 
nicht  als  Cardinal  bezeichnet,  obschon  er  wenigstens  einige  Schriften 
als  solcher  nochmals  hat  drucken  lassen.  —  Die  Inq.  hielt  auch 
eine  Abschwörung  für  nöthig;  aber  der  Papst  nahm  diese  selbst 
entgegen  ohne  die  bei  der  Inq.  üblichen,  für  einen  Cardinal  aller- 
dings demüthigenden  Formalitäten,  und  Hess  auch  der  Inq.  kein 
Protocoll  darüber  mittheilen  (Michaud  4,  467).  Er  wurde  darauf 
nach  Jesi  geschickt,  später  aber  wieder  nach  Rom  berufen,  wahr- 
scheinlich um  dort  beaufsichtigt  zu  werden;  1696  resignirte  er  auf 
sein  Bisthum,  f  1701.  Im  J.  1697  interessirte  er  sich  für  Fenelon, 
wird  aber  keinen   Einfluss  gehabt  haben  ^). 

Gleichzeitig  mit  Petrucci's  Schriften  wurden  drei  von  dem  Ora- 
torianer  Benedetto  Biscia  verb.;  Insegnamenti  spirituali  per  le  mo- 
nache,  Jesi  1683;  Brevi  documenti  per  le  anime  che  aspirano 
alla  crist.  perfettione,  Jesi  1 683  ;  Giesü  specchio  dell'  anima,  Rom 
[1687?  s.  0.],  —  ferner  ein  französisches  Blatt;  Propositions 
tir^es  des  livres  et  autres  ecrits  du  Dr.  Molinos,  chef  des  qui^tistes, 
condamn^es  par  la  S.  Inquisition  de  Rome,  von  dem  die  Inq.  1.  Apr. 
nachträglich  erklärte,  es  sei  nur  wegen  der  schlechten  Uebersetzung 
der  Sätze  verb.  worden. 

3.  Es  folgten  nun  in  der  nächsten  Zeit  Verbote  von  älteren, 
bis  dahin  nicht  beanstandeten  ascetischen  Schriften.  1.  Apr.  1688 
wurden    die  in    italienischer  Uebersetzung   in  •  Rom    selbst,    also  mit 


1)  Valery  2,  64  ff.  Am  30.  Sept.  1687  schreibt  Estiennot :  es  sei  eine 
Schrift  über  die  Lehre  der  Quietisten  von  dem  Marchese  Pallavicini,  Maestro 
di  Camera  des  Card.  Cybo  (Secretärs  der  Inq.),  erschienen;  Pallavicini  sei 
citirt  worden;  der  Cardinal  habe  von  ihm  verlangt,  er  solle  nicht  sagen, 
dass  er  selbst  ihm  die  Schrift  diciirt  habe,  und  da  Pallavicini  sich  dessen 
geweigert,  habe  er   ihn  entlassen. 

2)  Trotz  des  Verbots  ist  1837  in  Regensburg  erschienen:  Pastoral- 
conferenz  für  höhere  Seelen leitung  in  auserlesenen  Briefen  des  Card,  und 
Bischofs  von  Jesi,  P.  M.  Petrucci. 

3)  Corr.  de  Fen.  8,  163;  9,  78.  —  Abbe  Bossuet  schrieb  anfangs 
(Oeuvres  de  Bossuet  40,  391) :  Petrucci  lobe  Fenelons  Buch  bei  den  Mönchen ; 
c*e«t  un  bavard  qui  ne  sait  rien;  später  (40,  4(14):  er  habe  sich  gegen 
Fenelon  ausgesprochen. 


> 


620  Der  Quietismus. 


Erlaubnis»  des  Mag.  S.  Pal.  gedruckten  Schriften  des  Spaniers  Joai 
Falconi  aüB  dem  Orden  B.  M.  V.  de  Mercede   (1596—1638)  verb.; 
Alfabeto  per  Baper  leggere  in  Christo,  libro  di  vita  eterna  [spanisch. 
Madrid    1657,    auch   ins   Französische   übers.];    5.  impressione    [dei 
italien.  Uebers.]  .  con  Tagginnta  del   ristretto   della  vita  dell*  autore  -^^c 
e  di  iina  lettera   soritta  dal  medesimo   ad  una  sua  divota  [d.  d.  23.  —  ^• 
Juli   1628],  Rom  1680,  —   Lettera   scritta    dal  Servo    dl    Dio  il  P. 
Gio.  Falconi    ad  una   6gliola   spirituale,    nella    quäle  insegna  11  piü 
puro  e   perfetto   spirito   dell'   oratione,    Kom  1680    [der  dem  ersten 
Buche  angehängte  Brief;    die  span.  Ausgabe,    Madrid  1657,  ist  die 
einzige  Schrift  von  Falconi,  die  auch  im  span.  Index  steht],  —  Let- 
tera  scritta  ...  in  difesa    del  modo    deir  oratione  in    pura  fede   da 
lul  insegnato  [Madrid   1629],  Rom  1674.     Moiinos  bat  die  Schriften 
von  Falconi  gekannt ;  einmal  beruft  er  sich  ausdrücklich  auf  ihn,  und 
mehrere  Sätze,    die  in   der  Bulle    verdammt  werden,    kommen  auch 
bei  ihm  vor  (Bossuet  27,  72.  76).     Die  italienische  Ueberaetzung  ist 
von  dem  Oratorianer  Nie.  Balducci  zu  Rom,  f  1684,  der  wie  Biscia 
mit  Petrucci   befreundet  war  (Melzi  1,  34).     Das  Verbot  der  Ueber- 
setzung  wird   auch  für  das  Original  gelten  sollen  (S.  82). 

Durch  dasselbe  Decret  wurde  verb. :  Prattica  facile  per  elevar 
l'anima  alla  contemplatione  in  forma  di  dialogo  di  Franc.  Malavalle,     «-  «, 
laico  cieco,  tradotta  dal  francese.  Parte  L,  Rom  1677  [1671?].  P.  IL,      ^-  ., 
volgarizzata    da   D.  Lucio  Labacci,    Sacerdote   Romano,    Rom  1672.      .  T 
Auch  dieses  Buch  ist  von  Balducci  tibersetzt.     Der  Verfasser  heisst    .::Ä";t 
FrauQois  Malaval,  war  1627  zu  Marseille  geboren  und  9  Monate  alt    ^:^J 
erblindet,  tl717.     Seine  Pratique  facile  pour  elever  r&me  &  la  con-    — j- 
templation    erschien    mit   Approbation    von    mehreren  Doctoren    der  -riar  r 
Sorbonne  1669.      Er    tibersandte  das    Buch    durch   den    Oratorianer-ir"  ^r 
Chappnis  dem  Card.  Bona,  widmete  diesem  auch  eine  Ausgabe  des —  ,^q. 
selben,  und  Bona  schrieb  ihm  1.  Sept.  1671:  er  habe  die  ihm  über- 
sandten Exemplare  vertheilt  und  sie  würden  cum  ingentl  lucro  ani* 
marum  gelesen ;    die  Königin  Christine  nenne  ihn  den  Didymus  ui 
serer  Zeit.     Bona    erwirkte   für  Malaval    auch    ein  Breve,    dass 
trotz  seiner  Blindheit  Cleriker  werden  könne.     Er  schrieb  u.  a.  am 
ein  Leben  des  Philipp  Benizi  und    übersetzte  Bona's  Via   compen^ 
ad  Deum    (Bona,    Epist.,  Lucca   1759,  I,  41.46.  II,  15.     Epist.  » 
ed.  Sala   No.  150).      Als    ihm    das    Verbot    seines    Buches    bekai 
wurde,  erklärte  er  seine  Unterwerfung^). 


1)  Dass  Malaval  sich  unterworfen,  sagen  nicht  bloss  die  Jesuiter:»-  *° 
den  Mem.  de  Trevoux  von  1719  (Heppe  S.  65),  sondern  auch  Racine  ^^ 
808,  und  Goujet  im  Suppl.  de  Morery  Die  zu  Cologne  (Amsterdam)  1^  '^* 
erschienonen  Poesies    spirituelles,    oü  Ton  apprend  k   s'elever  k  Dieu  PJ^ 

N.  S.  Jesus-Christ,  par  les  oeuvres  de  la  nature  et  par  les  merveill 
la  gräce,  sprechen  nicht  dagegen,  weil  sie  bereits  1671  erschienen  w 
und  wohl  ohne  Malavals  Vorwissen  1714  nochmals  gedruckt  wur 
Als  er  starb,  hinterliess  er  seine  Manuscripte  den  Feuillants  zu  Mars«^ 
(Goujet  verzeichnet  sie) ;  sie  wurden  nicht  j^edruckt.  Darunter  sind  Br^  ^J' 
die  er  seit  1648  geschrieben,  auch  einer  an  den  Papst  und  einer  an  L-^""' 
wig  XIV.    über    seine   Unterwerfung;     eine  Erklärung    über   seine  üi»^^^'^ 


de 

ren 

en. 

ille 


J.  Falconi.     Fr.  Malaval.    T.  Menghini.     B.  Canfeld.  601 

Die  Lettre  de  M.  Malaval  ä  Mr.  Tabbö  de  Foresta-Colongue, 
vicaire  gin^ral  de  T^veque  de  Marseille,  Marseille  1695,  sollte  1697 
yerb.  werden;  Card.  Bouillon  hintertrieb  dieses  damals,  indem  er 
hervorhob,  die  Qaalificatoren  Granelli  und  Miro  verständen  nicht 
genug  französisch  (Bossuet  41,  503).  Sie  wurde  dann  aber  1704 
verb.  —  Bossuet  urtheilt  sehr  scharf  über  Malaval  (27,  79),  auch 
F^nelon  war  nicht  mit  ihm  einverstanden  (Corr.  7,  179.  183),  und 
sogar  La  Combe  (Bossuet  40,  168)  sagt,  er  habe  einige  Ansichten 
desselben  missbilligt. 

Durch  dasselbe  Decret  von  1688  wurden  endlich  auch  zwei 
Bücher  des  Dominicaners  Tommaso  Menghini  aus  Albacina , 
des  Verfassers  des  Sacro  Arsenale  (Reusch,  Galilei  S.  480.  Qu^tif 
2,  703),  verb,:  Opera  della  div.  gratia,  che  mostra  la  prattica  degl' 
affetti  mentali  per  via  di  fede  per  salire  con  preslezza  e  facilitä  al 
Monte  Orebbe  della  contemplatione,  Rom  1680,  —  Lume  mistico 
per  Tessercitio  degl'  affetti  divini  preso  dall*  Opera  della  div.  gra- 
tia e  pubblicato  a  beneücio  deir  anime  divote  dallo  scrittore  di  essa, 
Jesi  1682. 

In  einem  Decrete  vom  29.  Nov.  1689  verbot  die  Inq.  italie- 
nische Uebersetzungen  noch  älterer  ascetischer  Schriften,  von  dem 
englischen  Capuciner  Benedict  von  C  an  feit  (Canfeld),  t  1611,  und 
dem  französischen  Laien  Jean  de  Bemi^res-Louvigny,  f  1659.  Ersterer 
veröffentlichte  eine  Schrift,  die  zuerst  in  Abschriften  verbreitet  und 
nach  einer  schlechten  Abschrift  gegen  seinen  Willen  gedruckt  wor- 
den war,  zu  Ronen  1608  unter  dem  Titel:  La  r^gle  de  perfection, 
contenant  un  abrege  de  tonte  la  vie  spirituelle  reduit  a  ce  senl 
point  de  la  volonte  de  Dien,  divis6  en  3  parties  .  .  .,  dem  Card. 
Joyeuse,  Erzbischof  von  Ronen,  gewidmet,  mit  Approbation  von  Pa- 
riser Doctoren  u.  s.  w.,  auch  englisch :  The  rule  of  perfection,  Ronen 
1609,  und  auf  Veranlassung  des  Capuciner- Grenerals  auch  lateinisch: 
Regula  perfectionis  .  .  .  a  Fr.  Benedicto  Anglo  de  Canfeld  in  £sse- 
xia,  Praedicatore  Capucino,  gallice  primum  et  anglice  composita, 
postmodum  de  mandato  R.  P.  Hieron.  a  Castro  Ferrettamm  ejusdem 
Ord.  Generalis  typis  ab  eodem  lat.  mandata,  Col.  1610.  Bei  Sot. 
werden  p.  95  diese  lat.  Ausgabe,  p.  115  alle  Uebersetzungen  in 
der  Volkssprache,  speciell  die  spanische,  Zaragoza  1629,  verb.,  in 
Rom  aber  erst  1689  die  italienische  Uebersetzung:  Regola  di  per- 
fettione  .  .  .  trad.  dal  P.  Fr.  Modesto  Romano,  Viterbo  1667^). 


werfung  schickte  er  au  fast  alle  französischen  Bischöfe,  die  Sorbonne  und 
mehrere  Ordensgenerale.  Wenn  Goujet  beifügt:  dass  er  sich  unterworfen, 
zuige  sein  Brief  au  Foresta  (den  Heppe  gar  nicht  erwähnt),  so  scheint  es 
freilich,  da  eben  dieser  Brief  in  Rom  verboten  wurde,  dass  er  sich  zwar 
unterworfen,  aber  nicht  von  seinen  Ansichten   hat  losmachen  können. 

1)  Wenigstens  die  lat.  Ausgabe  ist  trotz  des  Verbotes  wieder  ge- 
druckt worden:  Regula  perfectionis  .  .  .  Impressum  sccundum  Romanorum 
Editionem.  Wirceburgi  1741,*  578  S.  12.  Hinter  den  Approbationen  steht 
eine  Erklärung,  worin  Fr.  Ben.  de  Canfeld  dieses  Buch  und  alle,  die  er 
jemals  schreiben  werde,  der  Censur  und  dem  ürtheil  der  h.  Rom.  Kirche 
et  universalis  inquisitinnis  unterwirft.     Dodd  2,  144    nennt    ihn  Causficld 


622  Der  Quietismus. 

Jean  de  Bernieres-Louvigny,  geb.  1602  in  der  Normandie, 
königlicher  Rath  und  Tresorier  de  France  zu  Caen,  seit  1641  Mit- 
telpunkt eines  frommen  Kreises  im  nördlichen  Frankreich,  verlebte 
die  letzten  Jahre  in  Zurückgezogenheit,  f  3.  Mai  1659  (Heppe  S.  88). 
Nach  seinem  Tode  erschien:  Le  chretien  Interieur,  ou  la  conformit^ 
interieure  que  les  chretiens  doivent  avoir  avec  J.-C,  compose  d'apr^s 
les  manuscrits  dictes  par  le  pieux  Jean  de  Berniöres-Louvigny,  Par, 
1660,  corapilirt  von  dem  Capuciner  Louis  Fran^ois  d^Argentan,  der 
1676  einen  2.  Band  herausgab.  1670  wurden  von  Robert  de  Saint 
Gilles  aus  dem  Orden  der  Minimi,  seine  Oeuvres  spirituelles  heraus- 
gegeben, in  4  Büchern,  von  denen  das  1.  und  2.  Le  chretien  Inte- 
rieur enthalten.  Das  erste  Buch  war  1678  schon  in  12  Auflagen 
und  30,000  Exemplaren  verbreitet,  und  wurde  1666  ins  Holländische 
übersetzt,  in  demselben  Jahre  ins  Italienische:  II  Christiano  in- 
teriore,  ovvero  la  conformita  interiore  che  devono  havere  li  christiani 
con  Griesu  Christo.  Opera  trad.  .  .  dal  Sig.  Aless.  Cenami,  Priore 
di  S.  Alexandro  di  Lucca,  Ven.  1666.  Diese  Uebersetzung  wurde 
1688  verb.,  später  auch:  Opere  spirituali  del  Sig.  di  BerniÄres- 
Louvigni,  onde  fü  cavato  il  Christiano  interiore,  ovvero  gnida  secu- 
ra  per  quelli,  che  aspirano  alla  perfettione,  Parte  1.  e  2.,  data  in 
luce  da  F.  A.  D.,  Todi  1676,  verb.  1692,  und  Esercizii  del  Christiano 
interiore  ne*quali  s'insegnano  le  prattiche  per  conformare  il  nostro 
interiore  a  quello  di  Gesü  Christo  e  per  vivere  della  sua  vita,  com- 
positi  dal  P.  Luigi  Franc.  d^Argentano,  dalla  lingna  franc.  trad. 
neir  ital.,  Ven.  1660,  verb.  von  der  Index-Congr.  1728.  Im  span. 
Index  von  1707  steht  ohne  Bernieres'  Namen  El  christiano  interior, 
übersetzt  von  Franc.  Cobillas  Don  Yague,  Madrid  1677.  —  Mabil- 
Ion  fragt  (Valery  2,  310)  1690  bei  Sergardi  an,  warum  denn  Le 
chretien  Interieur  verboten  worden  sei,  und  Ranc6,  der  Stifter  der 
Trappisten,  soll  1692  geäussert  haben:  es  gebe  kein  Buch,  welches 
bis  in  die  letzte  Zeit  so  allgemeine  Anerkennung  gefunden  (Val.  3, 
300).  Bo8suet(39,  354.  360)  sagt  1695  über  das  Verbot:  Ich  habe 
in  dem  Buche  noch  nichts  Schlechtes  gefunden;  aber  im  allgemeinen 
finden  sich  bei  den  modernen  Mystikern  starke  Uebertreibnngen; 
viele  Briefe  von  Bernieres  gefallen  mir  nicht,  es  kommen  darin  manche 
sehr  verdächtige  Stellen  vor.  Pension  (Corr.  7,  102)  schreibt  1694: 
„Man  sagt  [!],  man  habe  in  Rom  auch  die  Werke  des  Verfassers 
des  Chretien  intörieur  verboten.  Es  ist  jetzt  Mode,  dass  sehr  gute 
Bücher  verboten  werden  und  sehr  schlechte  en  vogue  sind"^). 


al.  Fitch.  Nach  Räss,  Convertiten  2,  422  hiess  er  William  Filch,  wurde 
um  1584  katholisch,  1586  Capuciner  (Benedict  ist  sein  Ordensname)  und 
schrieb  1596  eine  Geschichte  seiner  Conversion,  die  in  der  7.  Ausgabe 
der  Rögle  de  perfection,  Par.  1027  abgedruckt  ist.  Dass  Canfeld  im  Index 
steht,    davon  hat  Räss  keine  Ahnung. 

1)  In  Mastiaux'  Lit.-Ztg.  1819,  31  wird  „Das  verborgene  Leben  mit 
Christus  in  Gott,  aus  den  Schriften  des  gottsei.  Joh.  von  Bernieres  Louvigni 
gesammelt  von  einem  Katholiken,  1818'*  gelobt,  und  dabei  erwähnt,  bis 
1700  seien  20  Ausgaben  des  Buches  erschienen,  172G  zu  Köln  eine  deutsche 


J.  de  Bemi^refl-LonvigDy.    H.  M.  Boudon.     Fr.  La  Combe.        623 

1688  wurde  ferner  verb.:  Dio  solo,  owero  aggregazione  per 
rinteresse  di  Dio  solo,  composto  in  lingaa  francese  dal  Sig.  Hen- 
rico  Maria  Dudone,  Theol.  ed  Archidiacono  della  Chiesa  d'Evreux, 
e  trad.  nell'  ital.  da  un  sacerdote,  Rom  1667.  Dudone  wird  der 
Verfasser  in  Folge  eines  Druckfehlers  in  dem  Decrete  in  allen  In- 
dices  genannt,  seit  Ben.  Dudone  alias  Budone.  Er  hiess  Boudon 
und  war  nach  Picot  4,  6  einer  der  frommsten  und  eifrigsten  Geist- 
lichen des  17.  Jahrh.,  dem  sogar  Wunder  zugeschrieben  wurden, 
f  1702.  Er  hat  viele  kleine  Erbauungsschriften  verfasst^).  Gleich- 
zeitig wurden  noch  verb.  eine  Schrift  des  Bamabiten  Fran^ois  La 
Combe  aus  Thonon.in  Savoyen  (s.  u.):  Orationis  mentalis  analysis 
deque  variis  ejusdem  speciebus  Judicium  ex  divini  verbi  sanctorum- 
que  patrum  sententiis,  per  Fr.  Franc.  La  Combe  Tononensem,  Presb. 
professum  Congr.  Cler.  Reg.  S.  Pauli,  Vercelli  1686,  und  zwei  ita- 
lienische Schriften,  eine  1676  gedruckte  von  dem  Dominicaner  R. 
Grilinzoni  und  eine  anonyme:  Barlumi  [Lichtstrahlen,  Andeutun- 
gen] a'   direttori  nell'  esercizii  di  S.  Ignatio  Lojola  .  .  .  Ven.  1684. 

Unter  dem  23.  April  1689  erliess  die  Inq.  ein  Circular  an  die 
(italienischen?)  Bischöfe,  um  sie  zur  Wachsamkeit  bezüglich  des 
Qnietismus,  der  noch  in  verschiedenen  Gegenden  grassiren  solle,  zu 
ermahnen.  So  wird  A.  J.  P.  6,  1373  berichtet;  hier  wird  auch,  lei- 
der ohne  Datum,  die  Antwort  der  Inq.  auf  eine  Anfrage  des  Bischofs 
von  Savona  mitgetheilt,    die  durch   die  Ansicht  mancher  veranlasst 


Ausgabe  mit  Kupfern ;  1809  sei  ein  Auszug  von  der  Tractaten-Gesellschaft 
zu  Basel  und  1815  ein  ähnlicher  von  J.  M.  Anich  zu  Luzern  erschienen; 
die  oben  genannte  Ausgrabe  aber  sei  vollständig  und  treu.  Das  Römische 
Verbot  wird  nicht  erwähnt.  In  dem  Bücher-Verzeichniss,  welches  dem 
Augsburger  Pastoralschreiben  gep^en  die  aftermystischen  Lehren  und  Secten 
von  1820  beigefügt  ist,  stehen:  Das  verborgene  Leben  . . .  aus  den  Schriften 
des  gottsei.  J.  v.  B.  L.  gesammelt  für  die  Innigen  und  Stillen  im  Lande. 
4.  Buch,  von  der  h.  Communion,  1813,  72  S.  12.,  und  Innerlicher  Christ 
.  .  .  gezogen  aus  den  Schriften  eines  grossen  Dieners  Gottes  unserer  Zeiten 
durch  einen  Einsiedler.  Aus  dem  Französ.  .  .  .  von  Fr.  Brandenberg, 
Canonico  zu  Bischofzell,  zum  5.  Male  gedr.  Nürnb.  1740,  597  S.  8.  Von 
einer  (protestantischen)  Uebersetzung  ist  Frankf.  1848  die  9.  Aufl.  erschienen, 
von  einer  andern,  mit  Vorwort  von  Gerhard  Tersteegen,  Essen  s.  a.,  die 
6.,  eine  neue  deutsche  Ausgabe  von  M.  Siutzel  Re^ensb.  1887.  Im  K.-L.  2, 
244  heisst  es  nach  Erwähnung  der  Römischen  Verbote:  Eine  purgirte 
Ausgabe  erschien  1781  in  Pamiers.  Die  deutschen  Ausgaben  Regensb. 
1887,  Münster  1863,  Regensb.  18H6,  werden  besser  nicht  verbreitet. 

1)  Es  gibt  mehrere  eigene  Biographieen  Boudons,  eine  von  Collet, 
Par.  1754,  2  vol.  8.  K.-L.  2,  1152;  dass  Boudon  im  Index  steht,  weiss 
das  K.-L.  ebensowenig  wie  andere  (in  Folge  des  Druckfehlers).  Einige 
andere  Schriften  von  ihm  hat  der  Convertit  E.  H.  Thompson  übersetzt : 
Hidden  life  of  Jesus,  Devotion  to  the  niue  choirs  of  angcls,  Holy  way  of 
the  cross,  Lond.  1869—76.  —  Das  Original  der  verbotenen  Schrift  heisst: 
Dieu  seul  ou  l'association  pour  Tinteret  de  Dieu  seul;  die  biographischen 
Lexica  führen  statt  ihrer  eine  andere  an :  Dieu  seul  ou  le  saint  esclavage 
de  la  mere  de  Dieu,  1674  (von  dieser  finde  ich  eine  Ausgabe  Marseille 
1886  angezeigt),  aber  auch  Dens  solus  s.  confoederatio  inita  ad  majorem 
solius  Dei  honorem,  1747. 


624  Der  Quietismus. 

war,  durch  die  Verdammung  des  Molinos  sei  aucli  die  Lehre  de« 
Franz  von  Sales  und  anderer  über  die  Contemplation  verworfen. 
Die  Inq.  erklärt:  sie  verdamme  nicht  das  innere  Gebet,  die  sog. 
Orazione  degli  affetti  e  della  quiete,  sondern  die  Ansichten  derje- 
nigen, welche  1.  die  mündlichen  Gebete  und  die  in  der  Kirche  üb- 
lichen Andachtsübungen  verwürfen,  2.  behaupteten,  diejenigen,  welche 
jenes  innere  Gebet  übten,  seien  ihres  Heiles  gewiss  und  bedürften  3. 
nicht  der  Busse,  wer  4.  jenes  Gebet  nicht  übe,  begehe  eine  Todsünde; 
in  diesem  Sinne  solle  der  Bischof  seine  Diöcesanen  belehren;  die- 
selbe Erklärung  solle  auch  dem  Inquisitor  von  Genua  niitgetheilt 
werden;  beide  sollten  auch  darüber  wachen,  dass  nicht  bei  Tage 
oder  bei  Nacht  Conventikel  gehalten  würden. 

Ein  Decret  der  Inq.  vom  29.  Nov.  1689  verbot  wieder  eine 
Reihe  von  italienischen  Schriften,  die  zum  Theil  schon  seit  mehr 
als  20  Jahren  in  Umlauf  waren,  von  Paolo  Manassei  da  Terni, 
Capucino,  Tiberio  Malfi,  Gio.  Maria  Grimaldi  (seit  Ben.  nicht  mehr 
im  Index),  Pietro  Batt.  di  Perugia,  Min.  Osserv.,  Gio.  Ant.  So- 
lazzi  da  Veraila,  Carlo  Guadagni,  Livio  Leoni,  Ant.  Rojas 
(Vita  dello  spirito,  Pavia  1684;  das  spanische  Original,  Madrid 
1629,  und  ein  zweites  Buch  von  Rojas  stehen  schon  bei  Sot.),  — 
auch  einige  anonyme:  Strada  felice,  Tesoro  mistico,  Trattato  per 
condurre  Tanime  alla  stretta  unione  con  Dio.  .  .  trad.  dalla  lingua 
franoese,  —  ferner  Traite  de  la  theologie  mystique,  oüi  l'on  decou- 
vre  les  secrets  de  la  sagesse  de  Dieu  dans  la  conduite  des  &mes 
appliquees  au  saint  exercise  de  l'oraison,  par  M.  Desqueux,  Cure 
et  Doyen  de  Lille,  Lille  1686,  endlich:  Moyen  court  et  tres- 
facile  pour  Toraison  que  tous  peuvent  pratiquer  tres-aisement  et 
arriver  par-la  en  peu  de  temps  ä  une  haute  perfection,  Grenoble 
1685,  —  Lettre  d*un  serviteur  de  Dieu  ä,  une  personne  qui  aspire 
h,  ia  perfection  religieuse,  —  R^gle  des  associez  ä  Penfance  de 
J^sus,  modele  de  perfection  pour  tous  les  estats,  Lyon  1685.  Das 
erste  Schriftchen,  Moyen  etc.,  ist  von  Madame  Guyon  (Joanne  Marie 
Bouvieres,  geb.  1648,  1664 — 76  mit  Jacques  de  la  Mothe-Guyon 
verheirathet),  und  war,  nachdem  es  bereits  in  Abschriften  Ver- 
breitung gefunden,  von  einem  Parlamentsrathe  mit  Approbation  der 
Sorbonne  und  der  Ordinariate  von  Lyon  und  Grenoble  1685  ver- 
öffentlicht und  seitdem  wiederholt  gedruckt  worden.  Die  Lettre  ist 
eine  dem  Moyen  p.  157  beigefügte  Uebersetzung  des  Briefes  von 
Falconi  (S.  620).  Die  Regle  ist  nach  Heppe  S.  450  auch  von  Mad. 
Guyon,  nach  Biblioth.  Jans.  p.  287  aber  von  Bemieres;  sie  wird 
von  Bossuet  und  Fenelon  nie  als  eine  Schrift  der  Mad.  Guyon  er- 
wähnt, und  diese  erklärte  selbst  1695  (Corr.  de  F^n.  7,  160),  es 
seien  nur  zwei  Schriften  von  ihr  gedruckt  worden,  Moyen  und  Le 
Cantique  des  Cant.  interprete  selon  le  sens  mystique,  1685.  La 
Combe  erklärte  1698  (Bossuet  41,  107):  II  y  a  une  6banohe  d'un 
livre  R^gle  des  associez,  livret  qui  devrait  etre  tont  autre  que  celui 
<[ui  a  ete  imprime  sous  le  meme  titre  et  que  M.  de  Meaux  a  cen- 
sure.  Je  Tavais  conimenc6  il  y  a  14  ans  avant  presque  que  l'autre 
eAt  parn.      Von  den  zahlreichen   anderen  Schriften   der  Mad.  Guyon 


Mad.  Gayon.    Maria  di  Giesü.    J.  Sarin  n.  a.  626 

ist,  obschon  durch  den  Process  gegen  sie,  bei  dem  Bossnet  und 
F6n61on  eine  so  grosse  Rolle  spielten,  die  Aufmerksamkeit  auf  sie 
gelenkt  wurde,  in  Rom  keine  verb.  worden;  ihr  Name  steht  über- 
haupt nicht  im  Index. 

4.  In  den  nächsten  Jahrzehnten  wurden  von  der  Inq.  noch 
verb.  Schriften  von  dem  Minoriten  Sisto  de'  Cucchi  di  Bergamo, 
dem  General -Definitor  der  Augustiner  Gio.  Bart,  da  S.  Claudia, 
Strada  di  salute  von  einem  ungenannten  Augustiner,  Breve  oom- 
pendio  intorno  alla  perfettione  christ.  (1672,  verb.  1703),  —  Va- 
rii  esercizi  spirituali  composti  .  .  .  dalla  Ven.  Madre  Maria  di 
Giesu,  Carmelitana  Scalza  (Genua  1652.  Ven,  1679),  und  Teo- 
piste  ammaestrata  secondo  gli  esempj  della  M.  Suor  Paola  Maria 
di  Gesü  Centuriona,  Carmelitana  Scalza,  fondatrice  de'  monasteri  in 
Vienna  ed  in  Gratz  (Ven.  1649.  Genua  1658),  beide  verb.  1693, 
letzteres  mit  d.  c.  ^).  Ben.  hat  auch  dem  erstem  d.  c.  beigefügt 
und  letzteres  unter  den  Namen  des  Verfassers  gesetzt :  Gio.  Andrea 
Alberti  (Jesuit,  1611 — 57,  Backer  1,  7),  —  ferner  Catechismo 
spirituale,  in  cui  si  contengono  ii  principali  mezzi  per  arrivare  a 
la  perfettione,  comp,  da  Gius.  Surini  Sacerdote  e  trad.  .  .  .  dair 
ab.  Pellegrino  Monegnini,  Bologna,  verb.  1695,  eine  Uebersetzung 
des  Cat^chisme  spirituel  contenant  les  principaux  moyens  d'arriver 
k  la  perfection  des  Jesuiten  Jean  Joseph  Surin  (Seurin),  fl^öS^), 
den  zuerst  der  Prinz  von  Conti  ohne  Surins  Vorwissen  und  gegen 
den  Willen  seiner  Oberen  als  compose  par  J.  D.  S.  F.  P.  (Jean  de 
Sainte  Foy,  Pretre),  Par.  1661.  63,  2  vol.,  drucken  Hess,  der  dann 
aber  auch  wiederholt  unter  Sarins  Namen  erschien.  Bossuet,  mit 
dessen  Approbation  ein  anderes  Bach  von  Surin,  Les  fondements  de 
la  vie  spirituelle,  erschienen  war  (F^nelon  4,  281),  vertheidigt  (28, 
699)  den  Catechismus  ^). 


1)  Die  beiden  Klöster  waren  von  Ferdinand  II.  und  der  Kaiserin 
Eleonore  gegründet,  bei  weicher  die  Centuriona  (1686—1646)  in  grossem  An- 
sehen stand.  Nach  der  Biblioth.  Carmelitana,  Orleans  1 752,  II,  523  wurde 
sie  incorruptione  corporis  aliisquc  prodigiis  a  Deo  honorata.  Alberti  schrieb 
1648  eine  Vita  derselben. 

2)  Im  J.  1633  wurde  der  Pfarrer  Urbain  Grandier  von  Londun, 
der  verdächtig  war  La  cordonniere  deLoudun,  ein  Pamphlet  gegen  Richelieu, 
geschrieben  zu  haben,  auf  dessen  Befehl  verhaftet  und  18.  Aug.  1634  als 
Zauberer  und  Urheber  der  angeblichen  Besessenheit  der  Nonnen  eines 
Klosters  zu  Loudun  verbrannt.  P.  Surin  und  zwei  andere  wurden  dann 
nach  Loudun  gesandt,  um  die  Nonnen  zu  exorcisiren.  Die  Dämonen,  so 
wird  erzählt,  sagten  bei  den  Exorcisirungen  aus,  zwei  Zauberer  hätten 
oonsecrirte  Hostien  bei  Seite  gebracht;  Surin  erbot  sich  im  Gebete,  seinen 
eigenen  Leib  den  Dämonen  preiszugeben,  um  das  h.  Sacrament  zu  retten ; 
die  Dämonen  brachten  die  Hostien  zur  Stelle  und  Surin  wurde  besessen. 
Avr.  2,  41.  Bayle  s.  v.  Grandier.  Es  erschien  darauf  Hist.  des  diables  de 
Loudun  von  dem  Calvinisten  Aubin.  —  Die  Hist.  abregee  de  la  possession 
des  Ursulines  de  Loudun  et  des  peines  du  P.  Surin  und  andere  Sachen 
von  Surin  sind  erst  1828  u.  s.  w.  gedruckt.  Der  oben  erwähnte  H.  M. 
Boudon  schrieb  L'homme  de  Dieu  en  la  personne  du  P.  J.  J.  Seurin, 
1683.  Backer  2,  604;  7,  861. 

3)  Bei  dem  Process  gegen  den  Mailänder  Priester  Joseph  Beccadelli, 
Bensoli,  Index  II.  40 


626  Der  Quietismus. 

Von  der  Inq.  wurden  auch  verb. :  Trois  lettres  toucbant 
l'6tat  präsent  de  Tltalie,  icrites  1687;  la  1.  regarde  Taffaire  de 
Molinos  et  des  qui^tistes,  la  2.  Tlnquisition  et  Tetat  de  la  religion, 
la  3.  la  politique  et  les  interßts  de  quelques  ^tats.  Ponr  servir 
de  suppÜment  aux  lettres  du  Dr.  Burnet.  Trad.  de  Panglais,  Col. 
1688,  verb.  1691  und  1692,  eine  von  Cornand  de  la  Crose  besorgte 
Uebersetzung  der  Three  Letters  concerning  tbe  state  of  Italy,  die 
1688  als  Supplement  zu  Gilbert  Burnets  Letters  (S.  123)  erschienen 
(Scharling  1854,  339);  —  Recueil  de  diverses  pi^es  concemant 
le  quietisme  et  les  qui^tistes  ou  Molinos  et  ses  disciples,  Amst. 
1688,  verb.  1691,  auch  von  C.  de  la  Croze,  enthält  eine  Ueber- 
setzung der  zwei  Schriften  von  Molinos,  Auszüge  aus  Briefen  über 
ihn  und  in  der  Vorrede  eine  Apologie  desselben  (A.  E.  1688,  426. 
Scharling  1854,  344);  —  La  rovina  del  quietismo  e  dell'  amore 
pnro,  per  F.  Gulielmo  Felle,  Maestro  Dominicano,  Col.  1702,  verb. 
1704.  Das  Buch  enthält  eine  Widerlegung  der  68  Sätze  des  Mo- 
linos und  der  23  Sätze  Fenelons  und  161  Theoremata,  in  welchen 
die  Nonnen  vor  dem  Quietismus  gewarnt  werden.  Felle  (f  1711; 
Qnitif  2,  775  erwähnt  nicht,  dass  das  Buch  verb.  ist)  ist  ein 
leidenschaftlicher  Gegner  des  Quietismus.  Zur  Verdammung  seines 
Buches  haben  ohne  Zweifel  Stellen  Anlass  gegeben  wie  die  von 
Heppe  S.  129  citirten:  £n  Sanctum  Romae,  quem  adorabant  Car- 
dinales, episcopi,  generales  ordinum,  principes,  .  .  .  qui  fascinabat 
principes  viros  ac  feminas  et  in  amorem  ac  admirationem  sni  rapie- 
bat  Romam  sanctam  universam.  —  Gothofredi  Arnoldi  Hist.  et 
descriptio  theologiae  mysticae  s.  theosophiae  arcanae  et  reconditae 
itemque  veterum  et  novorum  mysticorum,  wurde  1709  von  der 
Ind.-Congr.  verb. 

5.  Die  bisher  erwähnten  Verbote  sind  fast  alle  von  der  Inq. 
ausgegangen,  welche  seit  1680  die  quietistische  Literatur  sich  re- 
servirt  zu  haben  scheint.  Auch  die  Index- Congr.  verbot  freilich  in 
dieser  Zeit  eine  Reihe  von  ascetischen  Schriften,  ob  aber  wegen 
quietistischer  Tendenz  oder  aus  anderen  Gründen,  erhellt  nicht. 
Dahin  gehören  elf  1676 — 80  erschienene  Schriften  des  Venetianischen 
Priesters  Michele  Cicogna,  die  1684 — 1714  verb,  wurden,  zwei 
von  dem  Augustiner  Antero  Maria  da  San  Bonaventura  zn  Ge- 
nua, eine  zu  Jesi  1682  erschienene  Schrift  des  Canonico  Carlo 
Caldori  di  Fabriano,  ferner  Schriften  von  dem  Augustiner  Fr. 
Maria  Battaglia,  Gio.  Giac.  Cevasco,  dem  Minoriten  Angelo  Elli, 
Inn.  Am.  Gherardi,  G.  Palazzi  (S.  137),  Luc.  Raineri,  eine  anonyme 
Maniera  di  conversare  con  Dio  .  .  .  trad.  dal  francese,  und  spanische 


der  1708  von  der  Inquisition  verhaftet  wurde,  1710  zu  Venedig  abschwor 
und  zur  Galeere  verurtheilt  wurde  (Heppe  S.  446),  handelte  es  sich,  wie 
bei  früheren  Processen  (S.  611)  hauptsächlich  um  grobe  ünsittlichkeiten 
(A.  J.  P.  6,  1374.  Laemmer,  Zur  Kirchengesch.  S.  58).  —  üebcr  die 
1724  zu  Palermo  verbrannten  beiden  ^Quietisten  und  Molinisten'  und 
das  darüber  erschienene  Buch  L'atto  pubblico  di  fede  .  .  .  descritto  dal 
D.  Ant.  Mongitore,  Palermo  1724  (Bologna  1868),  vgl.  Th.  Lit-Bl.  1878, 49. 


G.  Felle.  P.  Gisolfo.  Fr.  de  Clugny  u.  a.  627 

Schriften  von  dem  Capaoiner  Felix  de  AI  am  in  nnd  P.  Martin  de 
Zearrote.  —  Von  La  gaida  de'  peccatori  von  Pietro  Gisolfo, 
Napoli  1681  ^),  verb.  1684,  erschien  nach  Toppi  eine  Aasgabe, 
corretta  ed  espurgata  da'  Padri  Pii  Operarii  di  S.  Balbina,  Ven. 
1711  (im  Index  nicht  erwähnt);  von  demselben  wurde  1684  verb. 
Prodigio  di  mature  virtü  nella  vita  di  Fusco,  fanciallo  di  tre  anni 
e  mesi,  Nap.  1682.  —  II  cristiano  occupato  di  dieci  giomi  per 
far  gli  esercizi  di  S.  Ignazio,  und  Giornata  bene  spesa  ...  da 
un  religioso  Franciscano  de'  Min.  Convent.,  verb.  1742,  sind  von 
G-ius.  Ant.  Marcheselli ;  von  dem  ersten  Buche  wurde  eine  expur- 
girte  Ausgabe  von  1777  freigegeben. 

La  d^votion  des  p^cheurs,  par  un  picheur,  Lyon  1685, 
292  S.  12.,  u.  8,,  und  De  l'oraison  des  pecheurs,  par  un  p^cheur, 
Dijon  1689,  139  S.  16.,  beide  verb.  1714,  sind  von  dem  Oratorianer 
Fran^ois  de  Clugny,  1637 — 94  (Ingold,  Essai  p.  35.  Suppl.  de  Mo- 
riry  s.  v.).  Er  sagt  in  dem  zweiten  Schriftchen,  einer  seiner  Haupt- 
zwecke sei  die  Bekämpfung  der  Irrthümer  des  Molinos  und  der 
anderen  Quietisten;  die  Bibl.  Jans.  p.  248  behauptet  aber,  es  sei 
ganz  durchdrungen  von  diesen  Irrthümern,  und  in  dem  ersten 
Schriftchen  findet  das  Dict.  Jans.  1,  418  viele  impi^tes,  blasphimes 
etc.  Die  Sujets  d'oraison  pour  les  pecheurs  tir^s  des  ipitres  et 
des  evang.  de  l'annöe,  par  un  p^cheur,  Lyon  1695 — 96,  4  vol.,  12., 
stehen  nur  in  dem  Jesuiten-,  nicht  im  Köm.  Index.  Von  dem  Abbi 
de  Brion,  den  Feller  als  Gesinnungsgenossen  der  Mad.  Guyon 
bezeichnet,  wurde  1727  verb.  La  vie  de  la  tr^s-sublime  contem- 
plative  Soeur  Marie  de  S.  Ther^se,  Carmelite  de  Bordeaux,  Par. 
1720,  3  vol. 

6.  Im  spanischen  Index  von  1707  sind  die  38  Sätze  des 
Molinos  abgedruckt.  In  dem  von  1747  wird  beigefügt:  gemäss 
einem  Edicte  der  span.  Inquisition  seien  18  zur  Lehre  des  Molinos 
gehörende  Sätze,  —  8  werden  spanisch,  5  indeoente  lateinisch  an- 
geführt, —  überall,  wo  sie  vorkämen,  zu  streichen.  Von  den  vielen 
anderen  im  Rom.  Index  stehenden  quietistischen  Schriften  steht  im 
spanischen  ausser  denen  von  Falconi,  Bernieres  und  Zearrote  keine. 
Dagegen  werden  zuerst  in  dem  Supplement  zu  dem  von  1707  verb.: 
Fr.  Ant.  de  la  Anunciacion,  De  la  communion  qnotidiana,  Cadiz 
1689  (in  seinem  Memorial  de  padres  espirituales,  Alcala  1679,  soll 
ein  Gitat  aus  Molinos  gestrichen  werden),  und  Franc.  Montalvo,  Hist. 
de  los  quietistas,  und  seit  1747  eine  Schrift  des  Bischofs  Jean  Pierre 
Camus  von  Belley,  dem  Freunde  des  h.  Franz  von  Sales,  f  1652, 
in  allen  Sprachen,  speciell  in  der  Uebersetzung  von  Cabillas,  Epitome 
5  quinta  essencia  del  amor  de  Dios,  Barcelona  1693. 


1)  Von  diesem  Buche  schreibt  de  la  Mennais,  Oeuvres  inedites,  1866, 
I,  96,  im  J.  1811:  Un  livre  qiii  est  bien  fait  pour  moi:  Le  guide  des 
pecheurs  par  le  P.  P.  Gisolfe  de  l*Ordre  des  pieux  ouvriers,  Naples  1677. 
On  voit  que  l'auteur  etait  un  bon  religieux,  plein  de  piete,  tel  que  le  Pore 
Grenade,  k  la  suite  duquel  11  marche  humblement.  Er  beschreibt  das 
Bach  (700  S.)  und  gibt  Auszüge  daraus. 


628  FSnelon. 

1733  verbot  der  Bischof  von  Münster,  Clemens  August  von 
Baiern,  die  Uebersetzung  des  Buches  von  Berniöres  von  Branden- 
berg,  Via  s.  vita  spiritus  auct.  A.  de  Roxas,  Col.  1695  und  1716, 
Tita  aeterna,  Col.  1719,  und  Thalamus  sponsi,  Col.  1723,  mit  dem 
Bemerken,  die  beiden  ersten  Bücher  seien  von  der  h.  Congregation 
schon  öfter  verb.  worden  (d.  h.  in  mehreren  Index-Ausgaben  ent- 
halten; Hartzheim,  Conc.  10,  475).  —  In  der  Biblioth.  Jans,  steht 
ein  Anhang :  Biblioth.  des  auteurs  quietistes,  mit  der  Bemerkung : 
der  Quietismns  sei  nichts  anderes  als  der  praktische  «Tansenismus. 
Thatsächlich  waren  die  Jansenisten  die  entschiedensten  Gegner  des 
Quietismus.  Arnaald  spricht  2,  770  sehr  ungünstig  von  Malaval 
und  Berni^res;  Nicole  bekämpfte  in  den  Yisionnaires  direct  des  Ma- 
retz  de  Saint-Sorlin,  der  ein  erklärter  Gegner  von  Port-ßoyal  war 
(S.-Beuve  4,  441),  aber  indirect  auch  Bernieres  und  Guillor^^),  und 
schrieb  1695  auf  Veranlassung  Bossuets  eine  Refutation  des  prin- 
cipaux  erreurs  des  quietistes.  Auch  Racine  und  die  N.  E.  (1750, 
89  u.  s.)  sprechen  sehr  ungünstig  von  dem  Quietismus.  In  dem 
Streite  zwischen  Bossuet  und  F6nelon  standen  nicht  die  Jansenisten, 
sondern  die  Jesuiten  auf  des  letztern  Seite  (Tabaraud,  Suppl.  aux 
bist,  de  Bossuet  et  de  F^nelon,  1822,  p.  485).  Pichon  war  zwar 
nichts  weniger  als  Quietist,  berief  sich  aber  auf  Molinos  und  Fal- 
coni  (S.  453). 


64.     FendloD. 

Ueber   die  Schriften   der  §  63  erwähnten  Madame  Gayon 
veruneinigten  sich  1696   zwei   der   bedeutendsten  französischei 
Bischöfe,    Bossuet  und   F^n^lon.    Des   letztem  ^Darlegung  de^^  ^j. 
Grundsätze  der  Heiligen  über  das  innere  Leben",  1697,  wurd^   _e 
namentlich  wegen  dessen,  was  er  darin  über  die  ContempIatio-üiMn 
im  Unterschiede  von   der  Meditation  und    über  die   reine  uc!^d 
uneigennützige  Liebe  Gottes,  bei  der  die  Hoffnung  und  dasVe^r- 
langen  nach    eigener  Beseligung  zurücktrete,   vorgetragen,  v^^n 
Bossuet   und   einigen    anderen   Bischöfen   angegriffen    und  -von 
ihm  selbst  dem  Papste  zur  Entscheidung  übersandt.  Ludwig  ^^^* 
beantragte    im  Juli  1697   bei   Innocenz  XIL   die  Verdamm  «3^^ 
des  Buches.    Dasselbe  wurde  der  Inquisition  zur  Prüfung  ül^^^* 


1)  Heppe  S.  95  spricht  von  einem  Mystiker  Saint  Jorius;  er  nmöin^ 
den  Jesuiten  J.  B.  de  Saint  Jure,   von    dem  Arg.  III  b  352  berichtet,     ^r 
habe  über  einige  Stellen   eines  seiner  ascetischen  Bücher  Erklftrungea    ^b- 
geben  müssen. 


F.  La  Combe  und  Mad.  Guyon.  629 

wiesen.    Ueber  die  Verhandlungen  haben  wir  von  den  Vertretern, 

welche  die  beiden  Bischöfe  nach  Rom  gesandt  hatten,  Berichte, 

die    geeignet    sind,    das  Verfahren   der  Inquisition    in    solchen 

Fällen  (S.  2)  anschaulich  zu  machen.    Es  würde  wohl  nicht  zu 

einer   Verdammung    des  Buches    gekommen    sein,    wenn   nicht 

Ludwig  XIV.  auf  einer  solchen  bestanden  hätte  ^).    Sie  erfolgte 

durch  ein  Breve  vom  12.  März  1699,  worin  das  Buch  bei  Strafe 

der  Excommunication  verboten,  23  Sätze  aus  demselben  censurirt 

wurden.    In  dem  Breve  waren  die  meisten   der   sonst  üblichen 

Formeln,  welche  in  Frankreich  die  ßeception  desselben  erschwert 

haben  würden  (S.  19),  vermieden,    namentlich  jede   Erwähnung 

der  Inquisition.    Es   wurde  denn    auch   in  Frankreich   formlich 

publicirt.     Fen61on  unterwarf  sich  dem  Urtheil. 

Das  Römische  Verbot  von  Schriften  des  P.  La  Combe  und  der 
Mad.  Guyon  ist,  wie  es  scheint,  in  Frankreich  kaum  bekannt,  jeden- 
falls nicht  beachtet  worden;  in  den  Verhandlungen  über  beide  ist 
80  gut  wie  nie  die  Rede  davon.  1688  verbot  der  Bischof  von  Genf, 
Jean  d'Aranthon  d'Alex,  in  einem  Hirtenbriefe  die  Schriften  von 
beiden  nebst  denen  von  Molinos,  Falconi  and  Malaval.  Seit  1688 
wurde  Mad.  Guyon  auch  sonst  in  Frankreich  vielfach  angefeindet^). 
Im  Sept.  1693  übergab  sie  auf  Fen^lons  Rath  Bossuet  alle  ihre 
Papiere  mit  der  Erklärung,  sie  wolle  sich  seinem  Urtheil  unterwer- 
fen. Bossuet  versuchte,  nachdem  er  ihre  Schriften  gelesen,  wie  es 
scheint,  nicht  ohne  Erfolg,  sie  zu  belehren,  und  rieth  ihr,  zurück- 
gezogen zu  leben  und  zu  schweigen.  Im  Juni  1694  verlangte  sie 
in  einem  Briefe  an  Mad.  de  Maintenon  eine  neue  Prüfung  ihres 
Lebens  und  ihrer  Lehre,  und  auf  ihren  Wunsch  wurden  Bossuet, 
Noailles,  damals  noch  Bischof  von  Chalons,  und  Tronson,  Superior 
von  St.  Sulpice,  mit  der  Untersuchung  beauftragt.  Diese  hielten 
vom  Herbst  1694  bis  Frühjahr  1695  zu  Issy  Conferenzen.  Ausser 
Mad.  G.  übersandte  ihnen  auch  Fen.  eine  Reihe  von  Schriftstücken; 
beide  erklärten  wiederholt,   sie  würden  sich  dem  Spruche  der  Com- 


1)  Der  Kanzler  d'Agueeseau  (Oeuvres  18,  167)  bezeichnet  die  An- 
gelegenheit als  cette  grande  affaire  qui  n'a  pas  ete  moins  uneintrigue  de 
cour  qu'une  quereile  religieuse. 

2)  Ueber  die  Schicksale  der  Mad.  Guyon  und  des  P.  La  Combe 
vgl.  Heppc  S.  145.  283  und,  ut  audiatur  et  altera  pars,  Ruckgaber,  der 
Quietismus  in  Frankreich,  Tüb.  Q -S.  1856;  J.  Phelippeaux,  Relation  de 
l'origine,  du  progres  et  de  la  condanination  du  Quietisme  en  France,  1782, 
2  vol.  (auf  Befehl  des  Conseil  d'etat  verbrannt),  und  Lettres  de  Pabb^  de 
la  Blatterie  au  sujet  de  la  Relation  du  Quietisme  (1783)  in  der  Corr.  de 
Fen.  9,  91.  Tabaraud,  Suppl.  aux  hist.  de  Bossuet  et  de  Fcnclon.  1822. 
Die  Hauptquellen  für  das  Folgende  sind  Oeuvres  de  Bossuet,  vol.  27 — 29, 
40 — 42.  Oeuvres  de  Fenelon,  vol.  6.  6.  Correspondance  de  Fenelon  vol.  7 
— 9.  Vgl.  D'Aguesseau,  Oeuvres  18,  167. 


\ 


680  Felelon. 

mission  fügen.  (Während  der  Conferenzen  veröffentlichte  Erzh.  Har- 
lay  von  Paris  ein  Verbot  des  Baches  von  La  Combe,  des  Moyen 
und  des  Cantique).  Das  Ergebniss  der  Conferenzen  waren  34  Ar- 
tikel, die  10.  März  1695  von  den  drei  Cominissaren  und  von  dem 
8.  Febr.  1695  zum  Erzbischof  von  Cambray  ernannten  F^n61on  unter- 
schrieben wurden.  Sie  wurden  Mad.  G.  vorgelegt,  die  sie  15.  Apr. 
gleichfalls  unterschrieb.  Bossuet  und  Noailles  erliessen  dann  16.  resp. 
25.  April  Ordonnanzen,  worin  sie  die  Artikel  von  Issy  publicirten 
und  die  Guida  von  Molinos,  die  Pratique  von  Malaval,  die  Analysis 
von  La  Combe  und  das  Moyen  und  Cantique  (da  sie  anonym  er- 
schienen waren,  ohne  Nennung  der  Verfasserin)  verboten.  Auch 
diesem  Verbote  ihrer  Schriften  unterwarf  sich  Mad.  G.  —  Ihr  Freund 
La  Combe  starb,  nachdem  er  zehn  Jahre  lang  von  einem  Gefäng- 
nisse ins  andere  geführt  worden,  1699  im  Irrenhause  zu  Charenton; 
sie  selbst  starb  erst  9.  Juni  1717  zu  Blois.  Noch  zu  ihren  Leb- 
zeiten erschienen  von  ihr  zu  Cologne  (Amsterdam)  Opuscules  spiri- 
tuels  1704,  Les  livres  de  TA.  et  du  N.  T.  avec  des  explications  et 
des  r^flexions  qui  regardent  la  vie  Interieure  1713 — 15,  20  vol.,  von 
dem  reformirten  Theologen  Pierre  Poiret  herausgegeben,  später  wie- 
derholt französisch  und  deutsch  gedruckt,  Discours  chretiens  et  spi- 
rituels  1716,  2  vol.,  nach  ihrem  Tode  Lettres,  1717,  4  vol.,  La 
vie  de  Mad.  G.  6crite  par  elle-meme,  1720,  8  vol.,  und  Poesies  1722 
(Heppe  S.  449).  In  den  Index  kam,  wie  gesagt,  von  diesen  späte- 
ren Schriften  keine. 

Bossuet  hatte  in  seiner  Ordonnanz  vom  16.  Apr.  1695  eine 
ausführlichere  Erläuterung  der  Artikel  von  Issy  in  Aussicht  gestellt. 
Diese  schrieb  er  unter  dem  Titel  Instruction  sur  les  etats  d^oraison 
und  bat  Noailles,  seit  19.  Aug.  1695  Erzb.  von  Paris,  und  F6n61on, 
als  die  beiden  Bischöfe,  welche  die  Artikel  mit  unterschrieben,  die 
Schrift  zu  approbiren.  F^n.  verweigerte  dieses  wegen  des  nach 
seiner  Meinung  ungerechten  Urtheils,  welches  Bossuet  darin  über 
Mad.  Guyon  ausgesprochen,  und  verfasste  auch  seinerseits  eine  Schrift 
über  die  Artikel  unter  dem  Titel  Explication  des  maximes  des  Saints 
sur  la  vie  Interieure.  Sie  erschien  im  Febr.  1 697,  einen  Monat  früher 
als  Bossuets  Schrift.  Dieser  Streit  zwischen  zwei  der  angesehensten 
Bischöfe  erregte  natürlich  grosses  Aufsehen.  F^n.  wurde,  nicht  mit 
Unrecht,  beschuldigt,  dass  seine  Schrift  mit  den  Artikeln  von  Issy 
nicht  harmonire,  und  Bossuet  arbeitete  mit  Noailles  und  dem  Bischof 
Godet  Desmarets  von  Chartres,  die  sein  Buch  approbirt  hatten,  an 
einer  Erklärung,  durch  die  F6n.  zum  Widerruf  genöthigt  werden 
sollte.  —  Beide  Bischöfe  übersandten  ihr  Buch  dem  Papste,  F^n. 
mit  Erlaubniss  des  Königs  mit  einem  Briefe  vom  27.  Apr.,  worin 
er  den  Papst  um  die  Entscheidung  der  Controverse  bat.  Im  Juli 
bat  er  den  König  um  die  Erlaubniss,  selbst  nach  Eom  zu  gehen, 
um  sein  Buch  zu  vertheidigen.  Diese  wurde  ihm  verweigert  und 
ihm  zugleich,  —  ein  Zeichen  der  allerhöchsten  Ungnade,  —  die 
Weisung  ertheilt,  sich  in  seine  Diöcese  zu  begeben.  Am  26.  Juli 
1697  schrieb  der  König  einen  eigenhändigen  Brief  an  den  Papst, 
worin  er  F6n.^s  Buch  als   ein  sehr  schlechtes  und  gefährlicheB|    be- 


F6n6Ion.  681 

reite  von  Bischöfen  und  vielen  Theologen  verworfenes,  die  von  F^n. 
angehotenen  Erklärungen  als  ungenügend  hezeichnet  und  versichert, 
er  werde  seine  ganze  Autorität  anwenden,  um  die  Entscheidung  des 
h.  Stuhles  zur  Geltung  zu  bringen.  Der  Papst  versprach  10.  Sept. 
eine  Untersuchung.  Im  August  überreichten  Noailles,  Bossuet  und 
Godet  mit  Genehmigung  des  Königs  ihre  D6claration  des  sentiments 
dem  Nuncius  Delfini. 

Fen.  schickte  als  seinen  Vertreter  den  Abbe  N.  de  Lacropte 
de  Chanterac  nach  Eom,  Boss,  beauftragte  mit  seiner  Vertretung 
seinen  Neffen,  Abb6  Bossuet  und  den  Abb6  Phelippeaux,  die  bereits 
wegen  einer  andern  Angelegenheit  seit  einem  Jahre  in  Rom  waren. 
Durch  deren  'Berichte  und  Bossuets  und  Föneions  Briefe  an  sie  sind 
wir  sehr  vollständig  über  die  Verhandlungen  unterrichtet,  zumal 
trotz  des  Stillschweigens,  zu  welchem  die  betheiligten  Theologen 
und  Cardinäle  verpflichtet  waren,  Abbe  Bossuet  Mittel  fand,  über 
alle  Sitzungen  u.  s.  w.  genaue  Informationen  zu  erlangen;  Chanterac 
erfuhr  viel  weniger.  Es  ist  sehr  menschlich  dabei  zugegangen,  und 
es  haben  allerlei  Einflüsse  dabei  mitgewirkt. 

Eine  Hauptstütze  Fen.'s  war  in  Rom  merkwürdiger  Weise  der 
französische  Botschafter,  Card.  Bouillon,  der  aber  in  Rom  keinen 
Einfluss  hatte,  am  Hofe  der  königliche  Beichtvater,  P.  La  Chaise,  den 
aber  Mad.  de  Maintenon  in  Schach  hielt.  Ueberhaupt  standen  die 
Jesuiten  auf  seiner  Seite  ^), —  diese  waren  aber  eben  damals  wegen 
der  chinesischen  Angelegenheit  bei  dem  Papste  übel  angeschrieben 
(Corr.  11,  65),  —  und  es  blieb  nicht  aus,  dass  seine  Gegner  als 
Jansenisten  bezeichnet  wurden.  Unter  den  Römischen  Prälaten 
ergriff  am  entschiedensten  für  ihn  Partei  Fabroni,  damals  Secretär 
der  Propaganda,  der  amtlich  bei  den  Verhandlungen  gar  nicht  be- 
theiligt, aber  bei  dem  Papste  sehr  einflussreich  war.  —  Wäh- 
rend der  Verhandlungen  verfassten  Boss,  und  F6n.  eine  Reihe 
von  Schriften  zu  ihrer  Vertheidigung,  theils  lateinische,  die  direct 
für  Rom  bestimmt  waren,  —  Fön.  übersetzte  auch  seine  Maximes 
ins  Lateinische,  —  theils  französische,  —  qui  divertirent  le  pu- 
blic et  affligerent  TEglise,  sagt  d'Aguesseau  (13,  177)  davon,  — 
die  aber  auch  nach  Rom  geschickt  wurden.  In  einer,  der  Relation 
sur  le  quiötisme  (29,  519),  brachte  Boss,  auch  Fen.'s  Verhältniss  zu 
Mad.  Guyon  zur  Sprache,  und  sein  Neffe  schrieb  ihm  wiederholt : 
Beweise  für  einen  unzüchtigen  Verkehr  dieser  Frau  mit  La  Combe 
und  für  Fen.'s  freundschaftliches  Verhältniss  zu  ihr  würden  in  Rom 
mehr  Eindruck  machen  als  zwanzig  theologische  Argumente.  Ein- 
druck machte  in  Rom  auch  die  Entlassung  mehrerer  Freunde  Fen.^s 


1)  Beim  Beginne  der  Verhandlungen  bezeichnete  Boss,  in  einem 
Briefe  an  seineu  Neffen  (40,  288)  P.  Dez  als  einen  seiner  speciellen  Freunde. 
Dieser  nahm  aber  für  Feu.  Partei  und  ist  der  Verfasser  von  zwei  anonymen 
Schriften  zu  seineu  Gunsten:  Reflexions  d'un  Docteur  de  Sorbonne,  1697, 
und  Lettre  d'un  ecclesiastique  de  Flandres,  1698.  —  D'Aguesseau  13,  173 
sagt:  auf  Betreiben  des  P.  La  Chaise  und  des  Duc  de  Beauvilliers  sei 
Card.  Janson  in  Rom  durch  den  Fen.  günstig  gesinnten  Card.  Bouillon 
ersetzt  worden. 


682  Fen^lon. 

vom  Hofe,   und  ein  angünstiger  Znfall  war,    dass  eben  jetzt  wieder* 
einige  Quietisten   in  Rom  verhaftet  wurden. 

Mit  der  Prüfung  der  F^n/schen  Schrift  wurden  zunächst  7  Quali — 
ficatoren  beauftragt:  der  Mag.  S.  Pal.  Paolino  Bemardini,  der  Do- 
minicaner Antonin  Massoulie,  der  Generalprocurator  der  Augustiner- 
Eremiten  Nie.  Serrano,  der  spanische  Jesuit  Alfaro,  der  Franciscaner 
Jo.  Maria  Gabrielli^  der  Observant  Thom.  Granelli  und  der  Bene- 
dictiner  G.  B.  del  Miro.  Es  wurden  dann  aber,  wie  es  scheint,  auf" 
Betreiben  der  Gönner  Fen.'s,  noch  drei  weitere  Qualificatoren  er- 
nannt, zunächst  der  Conventual  Jo.  Damascenus,  der  aber  auf  eine 
Yon  Paris  aus  erhobene  Einsprache  bald  wieder  beseitigt  wurde 
(man  machte  gegen  ihn  geltend,  dass  er  bei  der  Herausgabe  von 
Sfondrato's  Buch  betheiligt  gewesen  sei.  was  freilich  auch  gegen 
Gabrielli  hätte  eingewendet  werden  können),  und  an  dessen  Stelle 
dann  der  frühere  General  der  unbeschuhten  Carmeliter  P.  Philipp 
trat,  und  Nie.  Radoloric  aus  Ragusa,  Erzbischof  von  Chieti,  und 
der  Augustiner  Lambert  le  Drou,  früher  Professor  in  Löwen,  seit 
1692  Erzbischof  von  Porphyra  und  Monsignore  Sacrista  des  Papstes.  — 
In  der  ersten  Zeit  wurden  die  Qualificatoren,  abweichend  von  dem 
Stile  des  h.  Officiums,  dem  Vertreter  Fen.^s  gegenüber  von  dem 
Secretum  Sancti  Off.  dispensirt,  um  sich  von  ihm  Informationen  geben 
zu  lassen;  auch  wurde  Chanterac  gestattet,  die  von  den  Anklägern 
eingereichten  Schriftstücke  durch  vereidete  Copisten  abschreiben  zu 
lassen.  Sobald  aber  die  10  Examinatoren  sich  über  die  zu  qualifi- 
cirenden  Sätze  geeinigt  hatten  und  es  sich  nun  um  die  Qualification 
derselben  handelte,  wurden  sie  zum  Stillschweigen  verpflichtet.  Die 
Leitung  der  Verhandlungen  der  Qualificatoren  stand  dem  Assessor 
S.  Off.  Bemini  zu.  Ende  Januar  1698  wurden  die  Cardinäle  Noris 
und  Ferrari  beauftragt,  in  den  Sitzungen,  in  denen  es  mitunter  sehr 
lebhaft  herging,  zu  präsidiren ;  ausser  ihnen  und  dem  Assessor  nahm 
auch  der  Commissarius  S.  Off.  daran  Theil. 

Vom  12.  Oct.  1697  bis  25.  Sept.  1698  fanden  64  Sitzungen 
statt,  die  mitunter  6 — 7  Stunden  dauerten.  Anfangs  Mai  1698  war  man 
so  weit  gekommen,  dass  man  38  Sätze  aus  dem  Buche  zusammen- 
gestellt hatte^  —  sie  wurden  später  auf  23  reducirt,  —  über  die 
von  nun  an  Montags  und  Mittwochs  die  Qualificatoren  in  Gegen- 
wart der  beiden  Cardinäle  discutirten.  Donnerstags  fanden  die  Sit- 
zungen der  Cardinäle  der  Inquisition  unter  dem  Vorsitze  des  Papstes 
statt,  in  denen  auch  wieder  die  Qualificatoren  gehört  wurden. 

Ludwig  XIV.  sprach  wiederholt  im  Febr.  und  im  Mai  1698, 
das  erfite  Mal  unter  Beifucrun?  einer  von  Boss,  verfassten  Denkschrift, 
den  Wunsch  aus,  man  möge  die  Sache  beschleunigen.  Fen.  äusserte 
im  Juni  in  einem  Briefe  an  den  Papst  nochmals  den  Wunsch,  sich 
personlich  in  Rom  zu  vert heidigen.  Es  wurden,  da  die  Sache  sich 
•o  in  die  Länge  zog,  allerlei  Auswege  vorgeschlagen,  u.  a.,  man 
•olle  das  Buch  mit  d.  c.  in  den  Index  setzen,  auch,  man  solle  das 
Buch  und  Alle  zur  Vertheidigung  desselben  veröffentlichten  Schrif- 
t^i  bei  Stzmfe  der  Excommunic^tion  verbieten  und  die  Fortsetzung 
der  Prüfung  der  Lehre  vorbehalten.     CatI.  Bouillon  liess  im  August 


F6n61on.  633 

1698  F^n.  vorschlagen,  er  möge  den  Papst  selbst  bitten,  sein  Buch 
zu  verbieten  und  die  beanstandeten  Sätze  in  dem  Sinne,  den  ihnen 
seine  Gegner  beilegten,  verdammen,  worauf  Fen.  natürlich  nicht 
einging. 

Am  25.  Sept.  1698  wurden  endlich  die  Discussionen  der  Quali- 
ficatoren  geschlossen  und  diesen  aufgegeben,  jeder  einzeln  sein  Votum 
schriftlich  einzureichen  ^).  Sie  lieferten  das  missliche  Ergebniss,  dass 
sich  5  für,  5  gegen  die  Verdammung  der  discutirten  Sätze  ausspra- 
chen, dagegen  die  drei  zuletzt  ernannten  Qualificatoren,  Gabrielli 
und  der  Jesuit  Alfaro.  Die  Angabe  Baussets-),  nach  den  Regeln 
der  Inquisition  hätte  das  Buch  nun  freigegeben  werden  müssen,  aber 
mit  Rücksicht  auf  das  Drängen  Ludwigs  XIV.  habe  der  Papst  die 
definitive  Prüfung  den  Cardinälen  der  Inq.  übertragen,  ist  unrichtig. 
Das  Gutachten  der  Qualificatoren  hatte  überhaupt  keine  massgebende 
Bedeutung.  Nach  der  Praxis  der  Inq.  hätten  der  Papst  oder  die 
Cardinäle  der  Inq.  allenfalls  noch  weitere  Qualificatoren  mit  der 
Begutachtung  beauftragen  können,  und  dass  man  davon  absah,  ist 
nicht  auffallend.  Eine  Beschleunigung  und  Abkürzung  des  Verfah- 
rens wurde  insofern  beliebt,  als  man  die  Gutachten  der  Qualifica- 
toren nicht  erst  den  Consultoren  der  Inq.  überwies,  sondern  die 
Cardinäle  beschlossen,  sofort  selbst  über  die  Sache  zu  verhandeln. 
Auf  den  Papst  machte  allerdings  die  Stimmengleichheit  Eindruck, 
aber  der  Commissar  der  Inq.  stellte  ihm  vor,  die  Ansichten  der 
Cardinäle  seien  nicht  so  getheilt  und  die  Entscheidung  stehe  doch 
schliesslich  ihm  allein  zu. 

Da  aber  im  October  die  Donnerstags  -  Sitzungen  auszufallen 
pflegten ,  weil  die  Cardinäle  meist  aufs  Land  gingen,  —  die 
Mittwochs-Sitzungen  erlitten  keine  Unterbrechung,  —  so  wurde  be- 
schlossen, die  Cardinäle  sollten  während  dieses  Monats  die  Gutachten 
der  Qaalificatoren  und  das  sonstige  Material  studiren  und  gleich 
nach  Allerheiligen  die  Discussion  beginnen.  Während  dieser  Unter- 
brechung veranlasste  Noailles,  —  Bossuet  war  dabei  nicht  bethei- 
ligt, —  den  Dr.  Pirot,  eine  raotivirte  Censur  von  12  Sätzen  aus  Fen.*s 
Buch  von  Doctoren  der  Sorbonne  unterschreiben  zu  lassen;  16.  Oct. 
unterzeichneten  60,    später   noch  mehr  (Bossuet  41,  554)    ein    1699 


1)  Einige  Vota  sind  in  den  A.  J.  P.  veröffentlicht,  die  von  Bemar- 
dini,  Le  Drou  und  Massoulie  9,  810.  828.  919,  die  von  Serrano  und  Miro 
20,  323.  407. 

2)  Vie  de  Fenelon  2,  216;  ebenso  Heppe  S.  428.  Chanterac  sagt 
freilich  (Corr.  8,  494)  auch:  man  habe  ihm  gesagt,  bei  Stimmengleichheit, 
ja  selbst  bei  Majorität  von  nur  einer  Stimme  werde  ein  Buch  freigegeben, 
und  Fen.  selbst  (9,  485) :  „Wird  man  die  Regel  des  h.  Officiums,  wonach 
ein  Buch  freigegeben  wird,  wenn  die  Hälfte  der  Stimmen  dafür  abgegeben 
worden,  verletzen,  um  einem  unterwürfigen  und  dem  h.  Stuhle  ergebenen 
Erzbischof  für  immer  ein  Brandmal  aufzudrücken?"  Aber  später  sagt 
Chanterac  (9,  482):  „Wenn  diese  Examinatoren  Richter  wären,  müssten 
wir  freigesprochen  werden;  .  .  .  denn  es  ist  unerhört,  dass  man  im  h. 
Officium  bei  Stimmengleichheit  eine  Person  oder  ein  Buch  verdammt  hätte; 
aber  die  Examinatoren  haben  nur  eine  berathende  Stimme;  das  Urtheil 
fällen  die  Cardinäle  oder  der  Papst." 


634  F6n61on. 

gedrucktes  Memoire  dagegen  (Corr.  10,  245.  282).     In  Rom  scheinezm 
manche  dieses  Vorgehen   übel   genommen   zu   haben;   man   sagte  zxb^ 
ihrer  Beschwichtigung,    es  handle    sich  nur    um  eine    vorbereitende 
gutachtliche  Aeusserung    und  um  eine  Widerlegung   des   Gerüchtea^r 
die  Sorbonne  sei  für  Fen.  Dieser  beklagte  sich  über  diese  „Erzwin— 
gung  von  Unterschriften*^   gegen  ihn  in   zwei  Briefen  an  den  Papste 
vom  25.  Oct.  1698  und  31.  Jan.  1699.     Er  bemühte  sich    auch  im 
Jan.  1699,   durch  M.  Steyaert   ein  Gutachten   der  Löwener  Facultät 
zu  erlangen,    und  deutete  an,   man  möge  von  Rom  aus  auch  andere 
Universitäten    befragen.     Dass  man    dieses    thun  werde,    hielt  auch 
Boss,  für  möglich;  er  fragte  bei  dem  Gesandten  in  Madrid  über  die 
Stimmung    in  Spanien    an  und    erhielt  im  Dec.  1698    zur  Antwort: 
es  herrsche  dort  jetzt  eine  solche  Unwissenheit,    dass  man  die  My- 
stik kaum  dem  Namen  nach  kenne;  die  Inquisition  führe  nur  gegen 
das  Judenthum  Krieg  u.  s.  w.  (42,  76). 

Im  Jan.  1699  schrieb  F6n.  an  Chanterac:  er  selbst  könne 
nicht  wohl  Bossuets  Schriften  bei  der  Inquisition  denunciren;  aber 
wenn  die  Sache  sich  in  die  Länge  ziehe,  möge  Chanterac  irgend 
einen  geachteten  Ordensgeistlichen  veranlassen,  dieses  in  einer  Weise 
zu  thuen,  dass  auf  ihn  selbst  kein  Verdacht  falle;  dieses  Manöver 
sei  freilich  nicht  nach  seinem  Geschmack,  man  habe  ihm  aber  ge* 
rathen,  etwas  der  Art  zu  thuen,  wie  ja  auch  in  dem  Streite  de  auxi- 
liis  die  Jesuiten  aus  der  Defensive  in  die  Offensive  übergegangen 
seien;  in  seinen  Schriften  habe  er  anstössige  Sätze  von  Boss,  her- 
vorgehoben ;  man  könne  auch  Sätze  aus  der  von  ihm  approbirten 
Yie  du  Fr.  Laurent^)  beifügen.  (Es  handelt  sich  nur  um  Sätze, 
die  mit  der  obschwebenden  Controverse  zusammenhangen,  nicht  etwa 
um  gallicanische.)  —  Dieser  Plan  kam  aber  ebenso  wenig  zor  Aus- 
führung wie  der  Gedanke  an  eine  Befragung  der  Universitäten. 

Am  12.  Nov.  1698  begannen  die  Sitzungen  der  Cardinäle  der 
Inquisition:  Bouillon,  Carpegna,  Nerli,  Casanate,  Marescotti,  Spada, 
Panciatici,   Ferrari,    Noris,   Ottoboni    und   Albani^).      Ausser   ihnen 


1)  Les  moeurs,  entretiens  et  pratiques  du  Frdre  Laurent  de  la  Re- 
surrection,  religieux  convcrs  (Laienbruder)  des  Carmes  dechaussez,  Paris 
1694.  Das  Buch  war  übrigens  nicht  vou  Bossuet,  sondern  von  Noailles 
approbirt.  Bossuet  40,  434  erwähnt,  dass  man  in  Elom  auf  das  Bach  and 
Noailles'  Approbation  aufmerksam  gemacht,  und  fugt  bei:  L'ezc^  et 
Pexageration  sortent  partout  dans  les  paroles  de  ce  bon  religieux.  Fröre 
Laurent  biess  vor  seinem  Eintritt  in  den  Orden  Nicolas  Herman  und  war 
ein  Lothringer,  f  1611.  Ueber  seine  Schriften  und  seine  qaietistische 
Mystik  8.  Heppe  S.  83.  Im  Index  steht  das  Buch  nicht. 

2)  Altieri  war  kurz  zuvor  gestorben,  Cybo,  87  Jahre  alt,  kam  nicht 
mehr  zu  den  Sitzungen,  Portooarrero  war  in  Spanien,  d'E^strees  in  Frank- 
reich, Medici  in  Florenz,  Orsini  in  seiner  Diöcese  Benevent.  Die  Cardinäle 
werden  Corr.  10,  543  charakterisirt.  Pikant  ist  die  Bemerkung  vonAbbi 
Bossuet  (41,  289):  Durch  den  Tod  des  Card.  Altieri  haben  wir  einen 
günstigen  Richter  verloren;  seine  Theologen  waren  gut  instmirt  Ein 
anderes  Mal  (41,  513)  schreibt  er:  Ich  stehe  im  Verkehr  mit  den 
Theologen  der  Cardinäle  Marescotti,  Carpegna,  Panciatici  und  Ottoboni 
Spada  wird  den  Cardinälen   Noris   und  CaMinate  folgen.     Kerli  will  den 


F^nelon.  685 

nahmen  der  Assessor  S.  Off.  (Sperello  Sperelli;  Bernini  war  im  Juni 
gestorben)  und  der  Commissar  der  Inq.  an  den  Sitzungen  Theil. 
Auch  in  diesen  zog  sich  die  Discussion  in  die  Länge.  Unter  dem 
23.  Dec.  1698  richtete  Ludwig  XIV.  wieder  ein  Schreiben  an  den 
Papst,  worin  er  bedauert,  dass  das  für  den  Frieden  der  Kirche  so 
nothwendige  Ur theil  verzögert  werde  durch  die  Kunstgriffe  derjeni- 
gen, welche  an  der  Verzögerung  ein  Interesse  zu  haben  glaubten, 
und  worin  er  um  eine  baldige,  aber  klare,  bestimmte  und  gegen 
falsche  Auslegungen  gesicherte  Entscheidung  bittet,  im  Interesse  des 
Wohles  der  Kirche  und  der  Beruhigung  der  Gläubigen  und  des 
Buhmes  Seiner  Heiligkeit.  Auch  an  den  Card.  Bouillon,  dem  man 
Schuld  gab,  dass  er  die  Sache  hinziehe,  schrieb  der  König  einen 
Brief,  den  Phelippeaux  als  furchtbar  und  kränkend  bezeichnet.  Seine 
Stimmung  gab  er  auch  dadurch  zu  erkennen,  dass  er  im  Jan.  1699 
P6n.  den  Titel  und  die  Besoldung  eines  Erziehers  der  Prinzen  ent- 
zog. Am  31.  Jan.  1699  schrieb  Chanterac  an  F6n.:  „Alle  Welt 
ist  verwundert  über  den  furchtbaren  Eindruck,  den  der  Brief  des 
Königs  und  die  Gunst  des  Hofes  machen;  man  hält  es  für  unmög- 
lich, dass  Eom  dem  widerstehe;  Card.  Bouillon  scheint  mehr  einge- 
schüchtert zu  sein  als  alle  anderen.  Es  scheint,  dass  die  Cardinäle 
alle  die  Sätze  zu  qualificiren  [censuriren]  entschlossen  und  nur  ver- 
sohiedener  Ansicht  sind  über  die  Weise  und  die  Wahl  einiger  mehr 
oder  minder  starker  Ausdrücke*^,  und  10.  Febr.  schrieb  Bouillon  an 
den  König,  die  Sache  werde  nun  bald  nach  seinen  Wünschen  ent- 
schieden werden^). 

Am  17.  Febr.  beendigten   die  Cardinäle  ihre  Discussionen ;    es 
wurden  nun  noch  an  drei  auf  einander  folgenden  Tagen  Sitzungen  unter 


Konig  nicht  beleidigen.  Albaui  ist  ein  Politiker,  der  sich  mir  gegenüber 
engagirt  hat.  Anderswo  (41,202)  zählt  er  die  günstig  und  die  ungünstig 
gestimmten  Cardinäle  auf,  unter  letzteren  den  Botschafter  Card.  Bouillon, 
und  fügt  bei:  Man  darf  wohl  Cardinal  gegen  Cardinal  zählen;  aber  ein 
Gesandter  ist  une  terrible  affaire  ä  Rome.  Er  fügt  dann  bei,  der  kaiser- 
liche Botschafter  sei  ungünstig  gestimmt,  der  spanische  jetzt  nicht  mehr. 
—  Von  den  Consultoren  schreibt  Phelippeaux  (41,  73) :  Man  sollte  nie 
eine  dogmatische  Sache  nach  Rom  bringen;  man  ist  hier  zu  unwissend 
und  zu  zuganglich  für  Gunst  und  Intrigue.  Hätte  man  die  Sache  in 
Frankreich  durch  Bischöfe  oder  durch  die  Sorbonne  entacheiden  lassen, 
so  würde  man  hier  nicht  gewagt  haben,  etwas  dagegen  zu  thuen.  Man 
weiss,  dass  Frankreich  gelehrter  ist;  die  Römer  bringt  bei  ihrer  Unwissen- 
heit jede  dogmatische  Frage  in  Verlegenheit.  Schliesslich  hängt  unsere 
Sache  von  den  Vota  von  Mönchen  ab,  und  es  gibt  fast  keinen  Doctor  der 
Sorbonne,  der  nicht  für  religiöse  Fragen  viel  geschickter  wäre  als  sie.  — 
Der  Benedictiner  Estiennot  deutete  in  einem  Briefe  an  den  Erzbischof  von 
Reims  während  der  Verhandlungen  an,  que  Rome  ne  sait  plus,  oü  eile  en  est, 
que  tout  y  est  ignorance  ou  politique  (42,  328).  Abbe  Bossuet  (42.  841) 
meint :  Die  schwächsten  Examinatoren  sind  die  Theologen  gewesen ;  die 
Scholastik  verdirbt  hier  alles. 

1)  Vom  10.  Februar  1699  an  gibt  die  Corr.  de  Fen.  vol.  10  eine 
Reihe  von  wichtigen  Briefen  Bouillons  an  den  König  und  den  Marquis 
de  Torci. 


686  Fenelon. 

dem  Vorsitze  des  Papstes  abgehalten,  in  denen  jeder  Cardinal  sein 
definitives  Votum  abgab  und  motivirte  ^).  Dass  das  Buch  von  F4n. 
zu  verdammen  sei,  darüber  scheinen  alle  Cardinäle  einig  gewesen 
zu  sein,  auch  darüber,  dass  dieses  nicht  durch  ein  Beeret  der  Inqui- 
sition, sondern  durch  ein  päpstliches  Beeret  geschehen  müsse.  Aber 
ob  durch  eine  Bulle  oder  ein  Breve,  und  wie  die  Verdcunmung  zu 
formuliren  sei,  darüber  waren  die  Ansichten  getheilt.  Namentlich 
wurde  darüber  gestritten,  ob  Fen.  als  Urheber  der  zu  verdammen- 
den Sätze  zu  nennen  sei  oder  nicht,  ob  jedem  einzelnen  Satze  eine 
Qualification  beizufügen  oder  alle  in  globo  zu  verdammen  seien,  ob 
man  der  Verdammung  der  einzelnen  Sätze  mit  quatenus  eine  genaue  Be- 
stimmung darüber  beifügen  solle,  in  welchem  Sinne  sie  verdammt 
würden  (S.  451),  oder  eine  Bemerkung,  dass  die  von  F6n.  gegebenen 
Erklärungen  über  die  Sätze  nicht  missbilligt  werden  sollten,  endlich 
ob  man  dem  10.  Satze  die  Bemerkung  beifügen  solle,  Fän.  habe 
denselben  desavouirt  (er  hatte  wiederholt  erklärt,  derselbe  sei  nur 
durch  ein  Versehen  bei  dem  Brücke  in  das  Buch  gerathen).  —  Card. 
Bouillon  schrieb  3.  März  an  Ludwig  XIV.,  er  bemühe  sich  auch 
dafür,  dass  in  das  Beeret  nichts  inserirt  werde,  was  den  Freiheiten 
der  gallicanischen  Kirche  zuwider  sei,  und  kein  Ausdruck,  aus  wel- 
chem die  Curie  Vortheil  ziehen  könne  gegen  die  den  curialistischen 
Maximen  entgegengesetzten  französischen.  Auch  Bossuets  Vertreter 
bemühten  sich  in  dieser  Richtung  und  drangen  namentlich  darauf, 
es  möge,  wie  in  dem  Breve  gegen  das  Neue  Testament  von  Mons, 
die  Formel  motu  proprio  vermieden  werden.  Sie  suchten  auch,  wo- 
mit sie  nicht  durchdrangen,  ein  Verbot  der  Vertheidigungsachriften 
FÄn.'s  zu  erwirken. 

Innocenz  XII.  war  persönlich,  nachdem  er  sich  ungern  zur 
Verdammung  des  Buches  entschlossen,  für  die  mildeste  Form.  Er 
soll  in  den  letzten  Tagen  noch  den  Assessor  und  den  Commissar 
der  Inq.  zu  den  einzelnen  Cardinälen  geschickt  haben,  um  ihnen 
Schonung  der  Person  F6n.'s  zu  empfehlen,  und  den  gegen  diesen 
feindlich  gesinnten  Cardinälen  gegenüber  soll  er  geäussert  haben: 
Peccavit  ille  excessu  divini  amoris,  sed  vos  peccastis  defectu  amoris 
proximi,  nach  einer  andern  Version:  Meldensis  defectu  amoris  pro- 
ximi.  Abbe  Bossuet  meldet,  man  habe  dem  Papste  gesagt,  er  könne 
F6n.  nicht  verdammen,  ohne  zugleich  die  h.  Theresia  zu  verdammen, 
und  er  sei  zuletzt  so  günstig  für  F6n.  gestimmt  gewesen,  dass  man 
es  als  ein  Wunder  ansehen  müsse,  dass  er  gethan,  was  er  gethan. 
Auch  Card.  Bouillon  schrieb  7.  März  (Corr.  10,  387):  der  Papst 
sei  sehr  für  F6n.  eingenommen,  aber  er  wolle  dem  Könige  nicht 
missfallen  und  das  habe  ihn  bestimmt,  sich  über  jede  andere  mensch- 
liche Rückflicht  hinwegzusetzen.  Gleichzeitig  deutete  er  von  den 
Cardinälen  an ,    da  die  meisten    von    ihnen  papabiles  seien  und  der 


1)  Abbe  Bossuet  schreibt  darüber  (42,  276):  Ces  congregations  ont 
6te  tenues  ad  honores;  car  le  Pape  n'entend  rien  k  ces  discussions;  il  est 
vrai  qu'en  recompense  il  a  uns  grande  confiance  au  Saint  Esprit. 


Fön^lon.  687 

Papst  alt  sei,  würden  sie  auf  die  Wünsche  des  französischen  Hofes 
Rücksicht  nehmen^). 

Am  24.  Febr.  wurden  der  Pen.  gewogene  Card.  Albani  als 
Secretär  der  Breven  und  die  Gardinäle  Noris  und  Ferrari  als  Theo- 
logen des  h.  Collegiums  beauftragt,  das  päpstliche  Decret  zu  conci- 
piren.  Auf  Grund  der  Vorstellungen  mehrerer  Gardinäle  und  der 
Agenten  Bossuets  gegen  die  Ausschliessung  des  Card.  Casanate  von 
dieser  Commission»  wurde  dieser  ihr  nachträglich  beigegeben^  und 
unter  seinem  Einflüsse  wurde  der  von  den  drei  angefertigte  Entwurf 
noch  verschärft,  namentlich  der  Satz:  „Wir  beabsichtigen  nicht,  die 
Erklärungen  des  Verfassers  zu  verwerfen"  gestrichen,  desgleichen 
der  Zusatz  zu  dem  10.  der  verdammten  Sätze:  „Der  Verfasser  er- 
klärt, dieser  Satz  sei  nicht  von  ihm."' 

Während  dieses  letzten  Stadiums  der  Verhandlungen  erfuhr 
Abbe  Bossuet,  es  sei  der  Vorschlag  gemacht  worden  und  derselbe 
habe  Aussicht  angenommen  zu  werden,  der  Papst  solle  sich  darauf 
beschränken,  in  12  Canones  (Corr.  10,  481)  den  Irrthümem  der 
Quietisten  gegenüber  die  Lehre  der  Kirche  zu  formuliren  und  diese 
Canones  von  Fen.  unterschreiben  zu  lassen.  Card.  Ferrari  sollte 
diesen  Vorschlag  auf  Anstiften  des  Carmeliters  Philipp  gemacht  und 
Card.  Bouillon,  Fabroni  und  die  Jesuiten  denselben  unterstützt  haben. 
Card.  Bouillon  berichtet  seinerseits  darüber  7.  März:  der  Papst  habe 
diesen  Vorschlag  in  der  letzten  Donnerstags-Sitzung  mitgetheilt,  mit 
der  Erklärung,  derselbe  scheine  ihm  sehr  zweckmässig  und  er 
wünsche,  dass  auch  die  Cardinäle  ihm  zustimmten;  er  habe  zuge- 
stimmt mit  dem  Vorbehalt,  dass  die  Erledigung  der  Sache  dadurch 
nicht  um  mehr  als  drei  Tage  verzögert  werden  dürfe ;  die  Mehrzahl 
der  Cardinäle  habe  sich  aber  dagegen  ausgesprochen.  Jedenfalls 
liess  der  Papst  das  Project  fallen.  —  Als  Abb6  Bossuet  von  diesem 
Projecte  hörte,  sandte  er  einen  besondern  Courier  nach  Paris,  um 
eine  Protestation  des  Königs  zu  provociren.  Am  16.  März  sandte 
denn  auch  Ludwig  XIV.  ein  von  Boss,  verfasstes  fulminantes  Me- 
moire ab  (Boss.  42,  342.  351).  Als  dieses  in  Rom  ankam,  war 
aber  die  Sache  bereits  erledigt.  Am  12.  März  wurde  das  Decret 
in  einer  Sitzung  der  Inq.  definitiv  genehmigt  und  von  Innocenz  XII., 
—  der  zuvor  öffentliche  Gebete  hatte  abhalten  und  Almosen  ver- 
theilen  lassen,  —  unterzeichnet. 

Es  ist  ein  Breve,  keine  Bulle.  Im  Eingange  wird  der  volle 
Titel  des  Buches  angegeben  und  dann  gesagt:  die  über  die  nicht 
gesunde  Lehre  desselben  entstandene  Aufregung  habe  den  Papst  ver- 


1)  Chanterac  schreibt  Corr.  10,  872  mit  specieller  Rücksicht  auf 
Card.  Casanate:  „Man  sagt,  die  papabelen  Cardinäle,  wiewohl  sonst  ganz 
gewissenhafte  Männer  (fort  integres),  seien  für  uns  immerhin  zu  fürchten.^* 
10,  543  sagt  er  von  Casanate:  er  sei  der  Protector  der  Anti-Regalisten 
und  Jansenisten,  und  von  Noris:  er  wolle  Papst  werden.  Auch  Abbe 
Bossuet  äussert  41,  289:  „Gegen  das  Ende  eines  Pontificates  denkt  jeder 
nur  daran,  k  se  menager'^,  und  41,  396:  „Carpegna  hat  Einsicht,  aber  er 
will  Papst  werden." 


688  F6n61on. 

anlagst,  —  von  den  Schritten  Ludwigs  XIV.  and  Bossnets  and  an- 
derer französischer  Bischöfe  wird  den  Wünschen  des  französischen 
Hofes  entsprechend  nichts  gesagt,  —  dasselbe  durch  einige  Cardinäle 
und  Theologen  prüfen  zu  lassen,  —  von  der  Inquisition  wird  nicht 
gesprochen ;  —  nach  Anhörung  derselben,  fährt  der  Papst  fort,  ver- 
biete er  aus  eigenem  Antriebe  und  aus  sicherer  Wissenschaft  und 
nach  reiflicher  Ueberlegung  und  kraft  der  Fülle  seiner  apostolischen 
Gewak  das  Buch  in  allen  Ausgaben  und  Uebersetzungen,  weil  durch 
das  Lesen  desselben  die  Gläubigen  allmählich  in  schon  von  der 
Kirche  verdammte  Irrthümer  geführt  werden  könnten  (diese  Formel 
ist  aus  dem  Breve  von  1669  gegen  das  Bituel  d'Aleth)  and  weil 
dasselbe  Sätze  enthalte,  die  entweder  nach  dem  zunächst  liegenden 
Sinne  ihres  Wortlautes  (in  obvio  eorum  verborum  sensu)  oder  mit 
Rücksicht  auf  ihren  Zusammenhang  (dieselbe  Formel  kommt  in  der 
Bulle  gegen  Meister  Eckart  vor)  temerär,  ärgernissgebend,  übel- 
klingend, für  fromme  Ohren  beleidigend,  in  praxi  verderblich  und 
auch  irrig  seien  (für  die  Beifügung  von :  ketzerisch  und  der  Ketzerei 
sich  annähernd  hatten  vier  Cardinäle  gestimmt,  dagegen  Noris,  Fer- 
rari und  die  anderen).  Das  Drucken,  Abschreiben,  Lesen  und  Be* 
halten  des  Buches  wird  bei  Strafe  der  Excommunicatio  1.  sent.  ver- 
boten (die  Excomm.  ist  nicht,  wie  sonst  gewöhnlich,  eine  reservirte) 
und  jedem,  der  es  besitzt,  befohlen,  es  dem  Bischof  oder  Inquisitor 
abzuliefern  (bei  dem  Rituel  d^Aleth  war  noch  das  Verbrennen  des 
Buches  angeordnet).  Dann  werden  23  Sätze  aus  dem  Buche  ange- 
führt, welche  die  oben  ausgesprochene  Censur  treffe,  mit  der  Er- 
klärung, durch  die  ausdrückliche  Verwerfung  dieser  Satze  solle  nicht 
der  übrige  Inhalt  des  Buches  gutgeheissen  werden.  —  Abb6  Bossuet 
meinte  noch  am  13.  März,  der  Papst  habe  eine  Bulle  unterzeichnet ; 
später  stellte  er  die  kühne  Behauptung  auf,  der  Papst  selbst  habe 
dieses  gemeint.  Er  meinte  dann,  der  König  solle  die  Umwandlung 
des  Breves  in  eine  Bulle  verlangen,  was  mehrere  Cardinäle  für 
möglich  hielten.  Aber  der  französische  Hof  und  Bossuet  iraren  zu- 
frieden, endlich  so  viel  erreicht  zu  haben.  Später  meldet  Abb6 
Bossuet,  die  Cardinäle  hätten  darüber  berathen,  ob  das  Breve  in 
eine  Bulle  umzuwandeln  sei,  die  Frage  aber  verneint. 

F6n.  erhielt  die  Nachricht  von  der  Verdammung  seines  Buches 
durch  seinen  von  Paris  nach  Cambray  geeilten  Bruder  25.  März 
1699,  als  er  eben  die  Kanzel  besteigen  wollte.  Er  predigte  darauf 
über  den  Gehorsam  gegen  die  Oberen.  Dann  schickte  er  Chanterao 
zwei  vom  4.  Apr.  datirte  Briefe  an  den  Papst,  mit  dem  Anheim- 
geben, den  einen  oder  den  andern  zu  überreichen.  In  dem,  welcher 
tiberreicht  wurde,  heisst  es:  „Meine  Unterwürfigkeit  und  Gelehrig- 
keit siegen  über  den  Schmerz,  den  ich  über  das  Urtheil  Über  mein 
Buch  empfinde.  Ich  erwähne  nicht  mehr  meine  Unschuld ,  die 
Schmähungen,  die  zahlreichen  zur  Rechtfertigung  meiner  Lehre  ge- 
schriebenen Erläuterungen ;  ich  will  von  der  Vergangenheit  überhaupt 
nicht  mehr  reden.  Ich  habe  schon  ein  Mandement  entworfen,  worin 
ich,  der  apostolischen  Censur  mich  demüthig  unterwerfend,  das  Buch 
mit  den  23  daraus  entnommenen  Sätzen  demüthig,  absolut  und  ohne 


F6n61on.  639 

einen  Schatten  von  Vorbehalt  verdammen  und  das  Behalten  und 
Lesen  des  Buches  verbieten  werde.  Das  Mandement  wird  veröfFent- 
liobt  werden,  sobald  ich  die  Erlaubniss  des  Königs  erhalten  haben 
werde  .  .  .  Ich  werde  nicht  den  Schatten  einer  Distinction,  wodurch 
dem  Decrete  ausgewichen  werden  könnte,  und  nicht  die  geringste 
Entschuldigung  vorbringen."  In  dem  nicht  abgegebenen  Briefe  (Com 
10,479)  sagt  er  am  Schljisse:  „Nur  eins  bedauere  ich:  dass  manche 
meinen,  der  apostolische  Stuhl  habe  die  Lehre  verdammt,  dass  die 
Liebe  sich  auf  Gott  selbst  beziehe,  ohne  etwas  für  sich  zu  erwarten. 
.  .  .  Wenn  Ew.  Heiligkeit  auf  die  Person  eines  unschuldigen,  be- 
trübten und  mit  der  grössten  Gelehrigkeit  sich  unterwerfenden  Erz- 
bischofs keine  Eücksicht  nehmen  zu  dürfen  glauben,  so  mögen  Sie 
doch  wenigstens  die  durchaus  reine  Lehre  in  Schutz  nehmen."  Nach- 
dem die  Erlaubniss  des  Königs  eingetroffen,  veröffentlichte  F^n.  9. 
Apr.  ein  kurzes  Mandement  des  angegebenen  Inhalts  und  sandte 
dieses  10.  Apr.  nach  Rom  mit  einem  Briefe,  worin  er  sagt:  „Gott 
ist  mein  Zeuge,  dass  ich  die  in  meinem  Buche  einfach  angeführten 
Erfahrungen  und  Aussprüche  der  Heiligen  vielfach  habe  mildem 
(temperare)  wollen.  Ich  glaubte,  hinlänglich  dafür  Sorge  getragen 
zu  haben,  dass  meine  Worte  nicht  anders  gedeutet  werden  könnten, 
als  ich  sie  in  meinen  Vertheidigungsschriften  erklärt  habe.  Aber 
nun  muss  ich  glauben ,  dass  ich  meine  Ansichten  in  dem  Buche 
schlecht  dargelegt  habe  und  dass  es  mir  nicht  gelungen  ist,  Miss- 
verständnisse fern  zu  halten."  —  Der  Brief  vom  4.  April  wurde  in 
der  Sitzung  der  Inq.  vom  27.  vorgelesen  und  Card.  Albani  beauf- 
tragt, eine  Antwort  darauf  zu  entwerfen.  Abb6  Bossuet  erwirkte 
aber,  dass  sie  nicht  abgesandt  wurde.  Die  von  Albani  entworfene 
Antwort  auf  den  Brief  vom  10.  circulirte  bei  den  Cardin älen  und 
wurde  auf  Verlangen  mehrerer  sehr  stark,  auf  die  Hälfte  reducirt 
und  zu  einem  ziemlich  farblosen  Actenstück  gemacht. 

Gerberon  rieth  F6n.,  dahin  zu  wirken,  dass  das  Breve  wegen 
seiner  Verstösse  gegen  die  gallicanischen  Maximen  nicht  recipirt 
werde.  Er  that  nichts  der  Art,  erwähnt  aber  Gerberons  Argumente 
in  einem  Briefe  an  Chanterac  (10,492):  Die  Formel  motu  proprio 
ist  in  Frankreich  monströs;  das  Breve  sagt  auch,  die Publication  in 
Rom  solle  für  die  ganze  Welt  gelten,  was  alle  französischen  Maxi- 
men über  den  Haufen  wirft.  Aber  meine  Feinde,  die  Urheber  der 
Erklärung  von  1682,  haben  alle  Freiheiten  der  gallicanischen  Kirche 
zum  Opfer  gebracht. 

Ludwig  XIV.  ermächtigte  durch  ein  Rundschreiben  vom  22. 
April  die  Erzbischöfe,  mit  ihren  Suffraganen  zusammenzutreten,  um 
über  die  Annahme  des  Breves  und  die  gleichmässige  Durchführung 
desselben  in  allen  Diöcesen  zu  berathen  und  über  ihre  Beschlüsse 
an  ihn  zu  berichten,  damit  er  dann  seine  Lettres  patentes  für  die 
Publication  und  Execution  des  Breves  erlasse^).      Die  Bischöfe  der 


1)  Die  im  Folgenden  erwähnten  Actenstücke  stehen  im  Recueil  des 
Actes  du  Clerge  1,  381. 


640  FenSlon. 

Pariser  Kirchenprovinz  (Paris,  Meaux,  Chartres  und  Blois),  die  zu- 
erst zusammentraten,  baten  auf  Betreiben  Bossuets  in  ihrer  Antwort 
den  König,    auch  die   zur  Vertheidigung  der  Maximes    erschienenen 
Schriften  zu  verbieten.  Von  den  IG  anderen  Versammlungen  schlössen 
sich   8  dieser  Bitte   an,    auch   die   von  Cambray   mit    den  Stimmen 
der  3  Suffraganen    gegen    die   Fenelons.     Auf    dieser  Versammlung 
äusserte  der  Bischof  von  St.  Omer :    die  Ausdrücke  in  dem  Mande- 
ment  von   Fen.  Hessen  eine  innere  Zustimmung  vermissen.  Fen.  ant- 
wortete:    er  glaube  deutlich  genug  gesagt  zu  haben,    dass    er    sein 
Buch    aus    aufrichtiger  Gelehrigkeit    gegen    den  h.  Stuhl    innerlich 
verdamme;    er   denke    nicht  daran,    dasselbe  zu  erklären;    er  stellen 
die  Auctorität  des  h.  Stuhles  über  seine   eigene  schwache  Einsicht^ 
sein  Gewissen  verbiete    ihm  freilich,  einzuräumen,    dass    er   jemalo- 
einen  der  Irrthümer  gehegt,    die    man  ihm  zugeschrieben  habe;    er~ 
habe  gemeint,  sein  Buch  könne  mit  den  Verbesserungen,  die  er  dem 
selben  habe  folgen  lassen,    den   Irrthum   weder  lehren   noch  begün 
stigen;    aber    er  verzichte    auf  sein  Urtheil,    um    sich    dem   des  h 
Vaters  anzuschliessen;  wenn  dieser  seine  Unterwerfung  ungenügen 
finde,  wolle  er  sie  so  aussprechen,  wie  es  verlangt  werde. 

In  der  königliclien  Declaration  über  die  Publication  des  Breve 
vom  4.  Aug.  1699  wurden  mit  den  Maximes  alle  zur  Vertheidigun 
der  verdammten    Sätze    veröffentlichten    Schriften    verboten.     Dies 
Declaration  wurde  14.  Aug.  im  Pariser  Parlament  verlesen  und  nac 
einem  Vortrage  des  General- Advocaten  d'Aguesseau,    worin    er  em 
pfähl,  über  das  motu  proprio  und  die  Formel,    dass  das  Buch  auc 
für  diejenigen,    welche    speciell   zu  erwähnen  wären,    verboten  sein 
solle,  hinwegzusehen,    wurde  das  Breve  einregistrirt.     Dasselbe  ge- 
schah in  den  anderen  Parlamenten  (d'Aguesseau  13,  183).  Die  Sache 
kam  nochmals    zur  Verhandlung    in   der  AssembUe   du   Clergi  von 
1700.     Diese  approbirte  23.  Juli  einen  von  Bossuet  vorgetragenen, 
objectiv    und  massvoll  gehaltenen  Bericht,    in    welchem   schliesslich 
betont  wird,    die  Bischöfe    seien    auf   den  Pro vincial Versammlungen 
nicht  mit  einer  einfachen  Ausführung  des  Breves,  sondern  mit  einer 
Kenntnissnahme   von  demselben    und    in    der    Form    eines   Urtheils 
vorgegangen  und  hätten,    weil    in    der    Sache   mit  dem   päpstlichen 
Decrete    einverstanden,    über    gewisse  Formalitäten    hinweggesehen, 
auf  die  man  jedoch,  um  den  Consoquenzen  aus  denselben  vorzubeugen, 
ebenso    bestimmt    wie    respectvoll    aufmerksam    gemacht  habe.     In 
Rom  war  man  von  diesen  Gallieanismen  nicht  sehr  erbaut,  achwieg 
aber  dazu. 

Fen.  fürchtete,  man  werde  auch  in  Rom  seine  Vertheidigungs- 
schriften  verbieten.  Vielleicht,  sagt  er  (Corr.  10,  580),  werden  diese 
Italiener,  welche  die  Lehre  meiner  Vertheidignngsschriften  so  loben, 
auch  sie  dem  Könige  zum  Opfer  bringen,  wenn  dieser,  nachdem  alle 
Kirchen  seines  Reiches  ihre  Unterdrückung  verlangt  haben,  dem 
Papste  vorstellt,  er  dürfe  im  Interesse  der  Befestigung  des  Friedens 
die  Verdammung  nicht  verweigern.  .  .  Dann  wird  man  annehmen, 
der  h.  Stuhl  billige  nur  die  Lehre  der  Partei,  der  er  zum  Siege 
verholfen  hat.     Abbe  Bossuet  regte  die  Sache  wirklich  in  Rom  an; 


F6nelon.  641 

ber  ein  förmlicher  Antrag  oder  eine  Dennnciation  bei  der  Inq. 
ßheint  nicht  eingereicht  worden  zu  nein,  and  ohne  eine  solche  yor- 
agehen,  war  weder  der  Praxis  entsprechend,  noch  mochte  man 
Teigung  dazu  haben.  Im  Juni  1699  meldet  Abhi  Bossuet:  das 
'ostscriptum  de  la  2.  Lettre  d'un  th^ologien  (Gerberon)  k  M.  de 
[eaux  avec  des  remarques  sur  le  nouveau  bref  du  Pape  (Philip- 
eanx  2, 250)  sei  der  Inq.  übergeben  worden  und  werde  sicher  verb. 
rerden.     Die  Lettre  steht  aber  nicht  im  Index. 

Schill,  Die  B.  Unig.  S.  56,  sagt:  Noailles  sei  dafür,  dass  er, 
bwohl  ein  Jungendfreund  Fän.^s,  „sich  von  Bossuet  ins  Schlepptau 
ehmen  liess,  mit  dem  Cardinalate  belohnt  worden,  das  ihm  der 
LÖnig  1700  von  Innocenz  XII.  erwirkte."  Bemerkens werther  ist, 
ass  von  den  F6n.  günstigen  Qualificatoren  zwei,  Grabrielli  und  Ba- 
olovic,  einige  Monate  nach  der  Entscheidung  zugleich  mit  dem  As- 
ossor  S.  Off.  Sperelli  Cardinäle  wurden  (Fabroni  1706).  Innocenz  XII. 
oll  auch  F6n.  selbst  zum  Cardinal  haben  ernennen  wollen  oder  er- 
annt,  aber  in  petto  reservirt  haben  und  davon  abgehalten  worden 
ein,  ihn  vor  seinem  Tode  zu  nennen  (Gorr.  11,  64). 

Der  Herausgeber  der  Oeuvres  de  Fen.  sagt  in  der  Vorrede 
am  4.  Bande  S.  4:  er  habe  die  Maximes  aus  Gehorsam  gegen  die 
[irche  nicht  in  die  Sammlung  aufgenommen,  gebe  aber  eine  Ana- 
jTse  des  Buches.  Dieses  berichtigt  er  nachher  S.  231  sehr  vor- 
ichtig  dahin:  er  wolle  keineswegs  eine  Analyse  des  Buches  geben, 
ondem  nur  die  hauptsächlichsten  Irrthümer  desselben  darlegen, 
reiche  seine  Verdammung  veranlasst  hätten.  —  F6n.'s  Neffe,  Mar- 
uis  de  F6n61on,  der  seine  Manuscripte  geerbt  hatte,  liess  1718  zu 
intwerpen  zwei  Bände  Oeuvres  spirituels  drucken.  Er  wollte  auch  die 
triefe,  die  er  nachträglich  erhalten,  drucken  lassen,  sonderbarer 
Veise  zu  Avignon.  Der  dortige  Erzbisohof  verweigerte  die  Druck- 
rlaubniss.  Da  er  in  seinem  Briefe  an  den  Marquis  von  der  Ver- 
ammung  der  Lehre  Fön.'s  und  seiner  erbaulichen  Retraotation 
prach,  antwortete  der  Marquis :  sein  Oheim  habe  seine  Lehre  in  den 
''ertheidigungsschriften  entwickelt;  diese  habe  der  Papst  nicht  ver- 
ammt,  also  könne  auch  von  einer  Retractation  nicht  die  Eede  sein. 
lIs  1736  holländische  Buchhändler  einen  Prospectus  von  Oeuvres 
pirituels  von  F6n.  verbreiteten,  liess  Card.  Fleury  darüber  an  den 
farquis  schreiben.  Dieser  erklärte,  es  handle  sich  nur  um  bereits 
edruckte  Schriften.  Fleury  liess  antworten,  es  sei  passender,  dass 
as  Buch  in  Frankreich  mit  Approbation  erscheine,  und  da  es  gleich- 
wohl in  Holland  gedruckt  wurde,  liess  es  die  Regierung  auch  in 
*aris  drucken,  aber  —  gegen  den  Wunsch  des  Marquis  —  das  Avis 
eifügen:  einige  Ausdrücke  in  diesen  Schriften  erinnerten  an  die 
erdammten  Sätze  der  Maximes;  es  sei  zu  beachten,  dass  diese 
Ichriften  zum  Theil  verfasst  worden  seien,  ehe  der  Verfasser  mit 
er  Kirche  jene  Ansichten  verdammt  habe  ^(Bausset,  F6n61on  3,  483). 

F6n.  wird  vielfach  bezüglich  der  Unterwerfung  unter  die  Ent- 
cheidungen  des  h.  Stuhles  als  Muster  aufgestellt.  Schon  die  oben 
litgetheilten  Aussprüche  in  den  Briefen  an  den  Papst  und  Abb6 
!hanterac  und  dem  Bischof  von  St.  Omer  gegenüber  lassen  aber  den 

Beusch,  Index   II.  41 


I 


642  Fenelon. 

Yorwnrf  nicht  als  unbegründet  erscheinen,  den  z.  6.  Tabarand  p.  310 
ausspricht:    er  habe  dasselbe  gethan,  was  er  an  den  Jansenisten  so 
scharf  getadelt;    seine  Unterwerfung    habe  sich  auf   das  Silenoe  re- 
spectueux  beschränkt^).      Es  finden  sich  aber   noch  deutlichere  Er- 
klärungen.      In    einem    umfangreichen    eigenhändigen    lateinischen 
Schriftstücke,  welches  sich  nach  seinem  Tode  unter  seinen  Papieren 
fand  und  welches    er  selbst  als    eine  Art  Testament  bezeichnet  und 
von   dem    er   bestimmte,    es    solle    dem    Papste    zugesandt    werden 
(Bausset  2,  383),  wiederholt  er  in  starken  Ausdrücken  seine  Unter- 
werfung unter  die  päpstliche  Entscheidung,  fügt  dann  aber  bei:  „Ich 
glaube  bis  zur  Evidenz  erwiesen  zu  haben,    dass  ich  niemals  einen 
der  23  Sätze  so,  wie  sie  im  Breve  stehen,  habe  vertheidigen  wollen", 
und    gibt    dann    eine  längere  Darlegung  seiner  Ansichten,    von  der 
leider  Bausset  nur  einen  dürftigen  Auszug  mittheilt.     In  einem  für 
den  Jesuiten  Le  Tellier  geschriebenen  Memoire  vom  J.  1710  (Corr. 
3,  245)    sagt  er:     „Ich  habe  das  verdammte  Buch  nur  geschrieben, 
um  die  Irrthümer  und  Illusionen  des  Quietismus  zu  verwerfen.  Ich. 
wollte  nur  sagen,  im  Stande  der  höchsten  Vollkommenheit  habe  mais 
in  der  Regel  kein   eigenes  Interesse   und   keine  eigennützige   Lieber 
Gottes  mehr.      Das  ist  die  gewöhnliche  Sprache  aller  Heiligen  vo 
dem  h.  Clemens  von  Alexandria  bis  auf  den  h.  Franz  von  Sales . . 
Der  Bischof   von  Meaux    hat    mein   Buch    aus  Yoreingenommenhei 
bekämpft    und  eine  verderbliche   und  unhaltbare  Lehre  vertheidigt 
der  Grund   der  Liebe   zu  Gott  sei  nur  das  Verlangen  nach  Glück- 
seligkeit.    Man  hat  diese  unwürdige  Lehre,    welche  die  Liebe  de 
gradirt,  indem  sie  dieselbe  auf  die  Hoffnung  als   ihren  einzigen  Be* 
weggrund    reducirt,    geduldet    und    triumphiren    lassen.     Derjenige 
welcher  irrte,  hat  gesiegt;  derjenige,  welcher  frei  von  Irrthum  war, 
ist  zertreten  worden  (^cras6).    Der  König  und  die  Meisten  glauben, 
meine  Lehre  sei  verdammt  worden;    ich  schweige  dazu,  schon    sei 
mehr  als  zehn  Jahren."  Ramsay  gegenüber  erklärte  er:  er  habe  sei 
Buch  fallen  lassen,    da    dieses   eine  unreife  Geburt  (avorton)  sein 
Geistes  sei;  seine  Lehre  aber  sei  keineswegs  in  Rom  verworfen  wo 
den,    werde    vielmehr    in    allen    katholischen    Schulen    vorgetragen 
(Heppe  S.  440).     Schon   1699    sagt  er    in   einem    Briefe    (11,  18): 
„Der  Ausdruck  Retractation  wird  gewöhnlich  nur  angewendet,  wenn 
jemand  eingesteht,  dass  er  an  eine  Lehre  geglaubt  habe,  die  er  jetzt 
als  falsch  erkennt.     In   diesem  Sinne   habe  ich   nie  retractirt;    viel- 
mehr   habe  ich  immer  behauptet,    ich  hätte  nie  an  einen  der  frag- 
lichen Irrthümer  geglaubt.     Der    Papst    hat   keinen    Punkt    meiner 
wahren  Lehre  verdammt,    die  ich   ausführlich   in  meinen  Yertheidi- 
gungsschriften  dargelegt  habe;    er  hat    nur   die   Ausdrücke    meines 
Buches  »in  dem  Sinne,  welchen  sie  natürlicher  Weise  darbieten«  und 
den  ich  nie  damit  verbunden  habe,  verdammt." 


1)  Cret.-Joly  4,  339  sagt  von  P.  La  Chaise,  der  ganz  auf  Fen^'s  Seite 
gestanden:  II  n'eut  pas,  ainsi  que  le  dit  Fontenelles,  toute  la  ooqaetterie 
dHiumilitS  de  Tauteur  de  Telemaque,  mais  en  pretre  soumis  ä  Pautorite, 
il  accepta  la  sentence. 


Streitigkeiten  in  den  Niederlanden.  64S 

Im  span.  Index  stehen  F6n61ons  Maximes  nicht,  aher  gemäss 
einem  Edicte  von  1771  werden  die  Noten  zu  einer  Londoner  Ausgabe 
des  TöUmaqne  expurgirt. 


65.     StreitigkeiteD  in  den  Miederlanden  1690—1712. 

Der  Streit  der  kirchlichen  Parteien  in  den  Niederlanden 
wurde  wieder  sehr  lebhaft,  nachdem  der  bisherige  Bischof  von 
Brügge,  de  Precipiano,  ein  fanatischer  Gegner  der  Jansenisten, 
1690  Erzbischof  von  Mecheln  geworden  war  (f  1711).  Im  J. 
1692  versachte  er  im  Verein  mit  den  anderen  Bischöfen  ein 
Formular  einzuführen,  welches  über  das  Alexanders  VII.  (S.  458) 
noch  hinausging.  Innocenz  XII.  verordnete  aber  in  einem  Breve 
vom  6.  Febr.  1694,  es  solle  nur  die  Unterzeichnung  des  Formu- 
lares  Alexanders  VII.  und  die  Verdammung  der  aus  dem  Buche 
des  Jansenius  entnommenen  Sätze  in  sensu  obvio,  —  also  nicht 
in  sensu  ab  auctore  intento  —  verlangt  werden.  Gleichzeitig 
wurde  bezüglich  der  Interpretation  des  Formulares  und  der 
flinf  Sätze  ewiges  Stillschweigen  geboten  und  den  Bischöfen 
zur  Pflicht  gemacht,  nicht  zu  dulden,  dass  jemand  als  Jansenist 
verdächtigt  oder  von  geistlichen  Aemtem  und  Functionen  aus- 
geschlossen werde,  von  dem  nicht  erwiesen  sei,  dass  er  einen 
der  fünf  Sätze  festhalte.  Diese  Entscheidung  wurde  nicht  mit 
Unrecht  als  ein  Seitenstück  zu  der  Paix  de  Clement  IX.  (S.  459) 
bezeichnet.  Um  diese  Zeit  wurden  mehrere  Denunciationen  gegen 
belgische  Jansenisten  von  der  Inquisition  abgewiesen  und  mehrere 
Streitschriften  gegen  sie,  u.  a.  von  Precipiano's  Beichtvater,  dem 
Jesuiten  Jacques  de  la  Fontaine,  verboten.  Precipiano  verbot  nun 
seinerseits  durch  ein  Decret  vom  15.  Jan.  1695  Jansenistische 
Schriften  (S.  59)  und  erwirkte  in  demselben  Jahre  Verordnungen 
des  Königs  von  Spanien,  nach  welchen  die  des  Jansenismus 
Verdächtigen  von  allen  Aemtem  ausgeschlossen  werden  sollten. 
Neue  Klagen  in  Rom  veranlassten  ein  zweites  Breve  Innocenz'  XII. 
vom  19.  Juli  1696,  in  welchem  das  erste  bestätigt,  aber  ausdrück- 
lich erklärt  wurde,  die  Bulle  und  das  Formular  Alexanders  VII. 
solle  dadurch  nicht  modificirt  werden.  Auch  in  den  folgenden 
Jahren   wurden   mehrere  Streitschriften  gegen    die   Jansenisten 


Erzbischof  Precipiano.  645 

verboten  werden.  —  Die  Conferenz  richtete  unter  dem  31.  Jan, 
1691  ein  Schreiben  an  die  Inquisition,  worin  über  das  Umsichgreifen 
des  Jansenismus  geklagt  wird.  Insbesondere  wird  über  fraudulenti 
articuli  der  Jansenisten  geklagt  und  eine  Schrift,  worin  dieselben 
abgedruckt  seien,  Doctrinae  Augustinianorum  Theologorum  etc.,  de- 
nuncirt;  gleichzeitig  wird  der  Inquisition  ein  Buch  von  Cornelius 
a  Craneberch  übersandt,  der  praeter  ceteros  felicius  in  exagitandis 
bis  articulis  desudavit.  Ferner  werden  Specimina  der  zahllosen  be- 
denklichen Sätze  beigefügt,  die  von  Jansenisten  vertheidigt  würden 
und  ebensowohl  verdammt  werden  sollten  wie  die  31  Sätze  von 
1690  (S.  516).  Endlich  wird  über  die  Jansenistische  Busspraxis 
geklagt:  rei  huic  initium  dedit  famosus  de  frequenti  communione 
Über,  cujus  vel  ipsa  praefatio  haereticam  continet  de  bicipiti  Eccle- 
siae  capite  propositionem  (Synodicon  1,  570). 

Die  fraudulenti  articuli  sind  die  5  in  Paris  1663  vereinbarten 
Artikel  (S.  477),  welche  Quesnel  1689  mit  einer  Vorrede  hatte 
drucken  lassen  und  mit  denen  die  Löwener  Theologen  (auch  Stey- 
aert)  sich  einverstanden  erklärt  hatten.  Arnauld  hatte  sich  nach 
l&ngerm  Widerstreben  bestimmen  lassen,  26.  Jan.  1690  an  Alexan- 
der VIII.  einen  Brief  zu  schreiben  (3,  269),  dem  Quesnels  Schrift 
beigelegt  wurde.  Die  Gegenschrift,  welche  die  Bischöfe  der  In- 
quisition übersandten,  heisst:  Fraus  quinque  articulorum  a  Pseudo- 
Augustini  discipulis,  primum  Alexandre  VII.,  nunc  iterum  Alexan- 
dre VIII.  obtrusorum  sive  eorum  cum  Augustino  Iprensi  conve- 
nientia  demonstrata  per  Comelium  a  Craneberch  Lovaniensem 
Theologum,  Col.  1690.  Der  Verfasser  derselben  war  der  Jesuit 
Jacques  de  la  Fontaine,  der  Beichtvater  Precipiano's.  Mit  ihrer 
Denunciation  hatten  die  Bischöfe  Unglück.  Beide  Schriften  wurden 
von  der  Inquisition  geprüft,  die  von  Quesnel  freigegeben,  die  von 
Craneberch  19.  März  1602  verb.  Eine  ausdrückliche  Erklärung  über 
die  5  Artikel  und  die  Censuren  von  1587  (I  S.  446),  die  Arnauld 
(3,  426)  wünschte,  erfolgte  nicht ^). 

2.  Das  Formular,  welches  die  belgischen  Bischöfe  1692  ein- 
zuführen versuchten,  ging  insofern  über  das  Alexanders  VII.  hin- 
aus, als  es  den  Zusatz  enthielt:  „Ich  beschwöre  nicht  nur  die  Wahr- 
heit dessen,  was  sich  in  diesen  Bullen  auf  das  Recht  (jus),  sondern 
auch  dessen,  was  sich  auf  die  von  Alexander  VII.  definirte  That- 
sache  (factum)  bezieht,  d.  h.  dass  ich  die  5  Sätze  verdamme,  nicht 
nur  im  allgemeinen    in  jedem    ketzerischen  Sinne,    den    sie    haben, 


1)  Die  Schrift  von  Quesnel  wird  oft  als  „Coram"  citirt,  weil  sie 
mit  diesem  Worte  anfängt.  In  dem  Recueil,  welches  Quesnels  Schrift  La 
paix  de  Clement  IX.  (8.  482)  beigedruckt  ist,  steht  p.  14  eine  französische 
üebersetzuDg  derselben :  Nouvelle  declaration  des  disciples  de  St.  Aug., 
contenante  rexposition  sinc^re  de  leur  doctrine  sur  la  matiere  des  5  pro- 
positions  en  5  articies  presentes  en  1663  au  P.  Alexander  VII.  et  sourais 
de  nouveau  au  jugement  du  P.  Alexandre  VIII.  en  1689.  —  Ueber  die  Ver- 
handlungen der  Inquisition  über  die  beiden  Schriften  s.  Recueil  p.  51. 
Bayle,  Oeuvres  3,  896. 


646  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

sondern  anoh  speoiell  als  ans  dem  Angustinns  des  Jansenins  exce^ 
pirt  nnd  in  dem  von  Jans,  intendirten    oder   in   seinem  Bnche  aus- 
gedrückten Sinne"    (Arn.  24,  60fi;  25,  164).     Die  Bischöfe   berich- 
teten darüber  an  Innocenz  XII.   im  März  1692  in  einem  Schreiben 
(Synod.  1,  579),    worin    folgende  charakteristische  Ansföhmng  vor- 
kommt: Weil  einige  Bischöfe  jansenistisch  gesinnt  gewesen  nnd  die 
weltliche  Gewalt  nnd  nach  dem  Vorgänge  einiger  Löwener  Profes- 
soren viele  Geistliche  widerstrebt  hätten,   habe  man  bisher  nur  ein 
zweideutiges  Formular    (das  von   1660,  S.  517)    einführen    können. 
Manche  meinten  nun,    die    darin  versprochene    religiosa  observantia 
bestehe  lediglich  darin,    dass    man    die  Bullen   nicht    öffentlich  an- 
greife ;  ein  belgischer  Schriftsteller  sei  es  gewesen,  der  den  in  dem 
Decrete    von  1690    unter    No.  30    verdammten    Satz    vorgetragen: 
wenn  jemand  eine   Lehre    bei    dem    h.  Augustinus   deutlich    autge- 
sprochen finde,    könne   er  sie  festhalten  und  vortragen,  ohne  Rück- 
sicht auf  irgendwelche  Bullen ;  ja,  es  habe  neulich  jemand  geäussert, 
kein  Papst   habe  jemals    seine  Fehlbarkeit  deutlicher    bekundet  als 
derjenige,    welcher    die  5  Sätze    in    dem   von  Jansenius  intendirten 
Sinne  verdammt  habe.     Jansenisten  seien  es  femer,  welche  lehrten, 
das  Lesen  der  h.  Schrift  in  der  Yolksprache,  namentlich  des  N.  T. 
von  Mons,  könne  nicht  durch  kirchliche  Gesetze  beschränkt  werden, 
welche  das  Busssacrament  durch  unkluge  Strenge  gehässig  machten, 
welche  behaupteten,  das  Beichtsiegel  brauche  nicht  strenge  gehalten 
zu  werden^).     Um  die  Axt  an  die  Wurzel  zu  legen,  hätten  die  Bi- 
schöfe  mit  Zustimmung   des    Intemunoius    beschlossen,    fortan   von 
allen,   welche   die   Weihen   oder   Beneficien   und    kirchliche   Aemter 
erhalten  wollten,  einen  Eid  nach  dem  Formular  Alexanders  VIT.  zu. 
verlangen.     Das  sei  jetzt  durchzusetzen,    da  die  Bischöfe  einig,  di» 
Regierung  der  guten  Sache  günstig  gesinnt  und  von  der  Universität^ 
Löwen  Unterstützung,  nicht  Behinderung    zu  erwarten  sei.   —  Da^- 
Vorgehen  der  Bischöfe   veranlasste   eine  Reihe   von    Streitschriften^ 
u.  a.  Supplicatio  ad  Archiep.  Mechlin.   ceterosque  Belgii  episcopos,^ 
qua  juramentum  in  veritatem  facti  Janseniani  ea  qua  par  est  reve- 
rentia  deprecantur  quidam  Belgae  theologi,   1692,  32  S.  4.    Amauld 
schrieb  damals  Histoire   du    formulaire    qu*on    a    fait   signer    en 
France,  et  de  la  paix  que  le  P.  Clement  IX.  a  rendue  k  cette  6glise, 
Lille  1692,  56  S.  8.    (darin  sind  die  verschiedenen  Formlare  abge- 
druckt),   —    sie    wurde    nochmals   Col.   1698    gedruckt,    und  diese 
Ausgabe  1734(1)  verb.»). 


1)  Wie  Am.  8,  77.  473  berichtet,  hatte  man  1688  eine  solche  Be- 
schuldigung gegen  Huygens  und  Opstraet  ausgestreut.  Es  handelte  sich 
aber  nicht  um  das  Beichtsiegel,  sondern  um  die  Solicitatio  ad  turpia.  Mit 
dieser  Beschuldigung  werden  die  1689  unter  Hen  nebeis  Vorsitz  verthei- 
digten  Thesen  de  sigillo  confessionis  (Opuscula  p.  570)  zusammenhangen. 
~  Die  Inquisition  hatte  schon  1682  eine  auf  das  Beichtsiegel  bezügliche 
Propositio  verdammt  (Constit.  p.  191). 

2)  Sie  erschien  nochmals  1765  mit  einer  Fortsetzung  von  anderer 
Hand,    und   ist  abgedr.  Arn.  25,  152.     lieber  die   anderen  Streitschrüten 


Das  Formalar.  647 

Anf  den  Wunsch  Carls  II.  schickten  beide  Theile  Agenten 
nach  Rom,  die  Bischöfe  den  Augustiner- Eremiten  Bernard  Desirant, 
—  er  war  Professor  der  Geschichte  und  Politik,  also  Justus  Lip- 
sius'  Nachfolger,  —  ihre  Gegner  den  Professor  Jo.  Libertus  Henne- 
bel.  Vom  Nov.  1692  an  wurde  länger  als  ein  Jahr  in  der  Inqui- 
sition darüber  verhandelt^).  Dann  schickte  Innocenz  XII.  den  Bi- 
schöfen ein  Breve  vom  6.  Febr.  1694  (Arg.  III  b  890),  worin  er 
znnäohst  die  Bullen  von  Innocenz  X.  und  Alexander  YII.  bestätigt 
und  die  Bischöfe  auffordert,  gegen  jeden,  der  die  darin  verdammten 
5  Sätze  vertheidige,  auf  rechtlichem  Wege  vorzugehen,  dann  aber 
verordnet:  es  sei  zu  verlangen,  dass  jeder,  der  zur  Unterzeichnung 
des  Formulars  aufgefordert  werde,  dasselbe  aufrichtig  unterzeichne 
und  ohne  Distinction,  Eestriction  oder  Exposition  die  aus  dem 
Buche  des  Jansenius  excerpirten  Sätze  in  sensu  obvio,  quem  ipsamet 
propositionum  verba  prae  se  ferunt,  verdamme;  es  solle  aber  dem 
Formular  Alexanders  VII.  weder  mündlich  noch  schriftlich  irgend 
etwas  zur  Erklärung  beigefügt  werden.  Um  allen  Streitigkeiten 
vorzubeugen,  sagt  der  Papst  weiter,  habe  er  (in  dem  unten  zu  er- 
wähnenden Decrete  der  Inq.)  verboten,  andere  Deutungen  des  For- 
mulars als  die  in  den  Worten  selbst  liegenden  vorzutragen  oder 
darüber  zu  disputiren;  auch  habe  er  bezüglich  der  Interpretation 
des  Formulars  und  der  5  Sätze  ewiges  Stillschweigen  aufgelegt. 
Schliesslich  macht  er  den  Bischöfen  zur  Pflicht,  nicht  zu  dulden, 
dass  gegen  jemand  die  vage  Beschuldigung  des  Jansenismus  ausge- 
sprochen oder  der  gehässige  Name  Jansenist  angewendet  werde, 
von  dem  nicht  feststehe,  dass  er  verdächtig  sei,  einen  der  5  Sätze 
gelehrt  oder  festgehalten  zu  haben,  oder  dass  jemand  unter  diesem 
Vorwande  von  Aemtern,  Beneficien,  Gnaden,  dem  Predigen  oder 
anderen  kirchlichen  Functionen  ausgeschlossen  werde,  wenn  nicht 
rechtlich  erwiesen  sei,  dass  er  diese  Strafe  verdient  habe.  —  Unter 
demselben  Datum  wurde  ein  Breve  an  die  Löwener  theologische 
Facultät  erlassen  (Serry  p.  57.  716),  worin  der  Papst  sagt:  Hennebel 
habe  ihm  einen  Brief  der  Facultät  vom  7.  Mai  1693  überreicht, 
worin  sie  bitte,  es  möge  ihr  gestattet  werden,  bis  zu  einer  ander- 
weitigen Entscheidung  des  h.  Stuhles  die  in  den  Censuren  von  1587 
enthaltene  Lehre  vorzutragen ;  er  erachte  eine  eingehende  Erörterung 
über  die  Gnadenlehre,  wie  sie  unter  Clemens  VIII.  und  Paul  V. 
stattgefunden,  jetzt  nicht  als  opportun,  halte  das  Verbot  der  Ver- 
öffentlichung von  Schriften  über  diese  Materie  aufrecht,  und  er- 
mahne sie,  sie  möchten,  indem  sie,  wie  sie  versicherten,  sich  zu 
der  Lehre  des  h.  Augustinus  und  des  h.  Thomas  bekannten,    Strei- 


und  die  Opposition    gegen  das  neue  Formular  überhaupt    s.  Am.  8,  439. 
460.  493:  24,  607;  25,   178. 

1)  Ueber  die  Verhandlungen  s.  van  Espen,  Commcntariolus  de  ori- 
gine  et  progressu  formularii  Alexandrini  in  Belgio,  Opp.  5, 322,  336.  Am. 
24,  608;  26,  362.  (Quesnel)  Paix  de  Clement  IX.  p.  249  und  Recueil  p.  272. 
Fleur.  66,  145,  Laemmer,  Zur  Kirchengesch.  S.  99.  Clarorum  Venet.  ad 
Magliabechium  Epistolae  1,  180. 


648  Streitigkeiten  in  den  Niederlan<len. 

tigkeiten  yermeiden  n.  s.  w.  —  Gleichzeitig  wnrde  das  in  dem 
ersten  Breve  erwähnte  Decret  der  Inq.  Fer.  V.  28.  Jan.  1694  (Bull, 
cont.  1,  294.  Arg.  III  h  390)  publicirt,  in  welchem  bezüglich  der 
Deutnng  des  Formulars  und  der  5  Sätze  allen  Schweigen  auferlegt 
wird,  alle  ex  professo  oder  incidenter  darüber  handelnden  Schriften 
verboten  werden  und  untersagt  wird,  Schriften  darüber  drucken  zu 
lassen.  Die  üebertreter  dieses  Decretes  sollen  ipso  facto  der  Pri- 
yation  ihrer  Dignitäten  und  Aemter  und  der  Vollmacht  zu  predigen  und 
zu  docireu  u.  s.  w.  verfallen,  alle  noch  zu  veröffentlichenden  Schriften 
der  bezeichneten  Art  ohne  weitere  Erklärung  als  ausdrücklieh  ver- 
boten angesehen,  die  Drucker  derselben  mit  Confiscation  der  Bücher 
und  mit  Geld-  und  anderen  körperlichen  Strafen  belegt  werden. 

Ganz  zufrieden  waren  mit  dieser  päpstlichen  Entscheidung 
beide  Theile  nicht.  Der  Erzbischof  musste  natürlich  sein  Formular 
aufgeben  und  verordnete  im  Juli  1694  die  Unterzeichnung  des 
Alexandrinischen  (Arg.  III  b  597).  Arnauld  (3,  749)  war  nament- 
lich über  das  Inquisitionsdecret  unzufrieden;  von  dem  Breve  an 
die  Bischöfe,  welches  mit  königlichem  Piacet  publicirt  wurde,  meinte 
er:  wenn  es  nicht  so  klar  seit  wie  man  wünschen  könne,  so  sei  es 
doch  in  drei  Punkten  den  Löwenern  günstig:  1.  die  Bestätigung 
der  früheren  Bullen  sei  auf  den  dogmatischen  Inhalt  derselben  be- 
schränkt; 2.  es  heisse:  die  5  Sätze  seien  in  sensu  obvio,  quem  verba 
prae  se  ferunt,  (nicht  in  sensu  a  Jansenio  intento)  verdammt^); 
3.  es  verbiete  die  vagen  Beschuldigungen  des  Jansenismus.  Jeden- 
falls meinte  er,  könnten  die  Löwener  das  Formular  Alexanders  Vü. 
unterzeichnen,  und  es  sei  zu  hoffen,  dass  das  Breve  der  niederlän- 
dischen Kirche  den  Frieden  wiedergeben  werde.  Auch  sonst  wurde 
vielfach  dieses  Breve  dem  Breve  an  die  Seite  gestellt,  durch  welches 
die  Paix  de  Clement  IX.  begründet  worden.  Es  erhielt  auch  für 
Frankreich  Bedeutung  dadurch,  dass  die  Assemblie  du  Clerge  von 
1700  daraus  die  Warnung  vor  der  vagen  Beschuldigung  des  Jan- 
senismus in  ihre  Beschlüsse  aufnahm  (Recueil  des  actes  1,  713).  — 
Auch  Quesnel  verfasste,  wie  Arnauld  (3,  770)  1694  schreibt,  eine 
eigene  Schrift,  um  zu  zeigen,  dass  man  jetzt  das  Formular  unter- 
zeichnen könne.  Es  wird  das  dieselbe  sein,  die  freilich  erst  1697 
Pseudonym  erschien:  Defense  des  deux  brefs  de  N.  S.  P.  le  F. 
Innocent  XII.  aux  eveques  de  Flandre  (des  Breve  von  1694  und 
des  gleich  zu  erwähnenden  von  1696)  contre  le  Docteur  Martin 
Steyaert,  adressee  k  ce  mdme  docteur  par  l'abbe  du  Manoir, 
Douay  1697,  von  der  Inq.  verb.  1704  (C.  Qu.  p.  73.  347). 

Specielle  Bücherverbote  sind  in  dem  Decrete  der  Inq.  nicht 
enthalten.  Das  für  die  Zukunft  bestimmte  Verbot  wurde  natürlich 
nicht  beobachtet,   —   es  ist  nicht  wie  ähnliche  Verbote  unter  Libri 


1)  Den  Unterschied  hebt  auch  Sainjore  2,  56  hervor:  das  unglück- 
liche in  sensu  ab  auctore  intento,  welches  der  Klugheit  Alexanders  YII. 
keine  Ehre  mache,  sei  durch  in  sensu  obvio  (le  sens  naturel  de  son  livre) 
ersetzt  worden. 


Das  Formular.     Denunoiaiionen.  649 

in  die  Indices,  ancb  nicht  bei  Ben.  in  die  Decr.  gen.  aufgenommen. 
—  Schon  19.  Mai  1694  verbot  die  Inq.  Lettre  6crite  de  Rome  k  un 
Docteur  de  Louvain  au  sujet  du  nouvean  decret  et  du  bref  de  N.  S. 
P.  le  P.  Innocent  XII.  aux  öv^ques  des  Pays-Bas  touohant  le  for- 
mnlaire  contre  Jans^nius,  und  Litt  er  ae  Roma  datae  ad  Doctorem 
Lovan.  circa  novum  decretum  et  breve  S.  D.  N.  Innocentii  XII.  ad 
episcopos  Belgii  de  formulario  contra  Jansenium  et  theologi  Lovan. 
ad  illas  responsio  (d.  d.  Rom  23.  Febr.,  wahrscheinlich  von  Hennebel, 
8.  u.),  mit  dem  Zusätze:  dieses  Verbot  werde  auf  alle  solche  Briefe 
in  jeder  Sprache  ausgedehnt  (dieser  Zusatz  ist  von  Ben.  gestrichen). 
Sonst  scheinen  keine  Bücher  auf  diesen  Grund  hin  verb.  worden  zu 
sein.  —  Am  7.  Dec.  1694  wurde  ein  einzelnes  Heft  einer  (im  Haag 
1692 — 1728  von  J.  Bernard,  H.  Basnage  u.  a.  herausgegebenen) 
Zeitschrift  verb.:  Lettres  historiques  contenant  ce  qui  ce  passe 
de  plus  important  en  Europe  et  les  reflexions  necessaires  sur  ce 
sujet.  Mois  d^Avril  1694*.  Das  Heft  beginnt  p.  357  mit  einem 
Artikel  über  das  Breve  und  die  Verhandlungen  in  Rom.  Gleich- 
zeitig wurden  Thesen  von  den  Recollecten  Bukentop,  van  Doren, 
Mersman  und  Schrynmaekers  verb.,  weil  darin  von  dem  Formulare 
(im  Sinne  Precipiano's;  Quesnel,  Remontrance  p.  70)  gesprochen 
war.  Am  7.  Sept.  1695  wurden  Thesen  von  L.  de  Behault  mit 
ausdrücklicher  Angabe  des  Grundes  verb.:  ob  contradictionem  silen- 
tii  a  Sanctissimo  impositi. 

3.  Mit  den  Verhandlungen  in  Rom  1692 — 94  hängt  zusammen 
die  Schrift:  Propositiones  per  Belgium  disseminatae  jussu  Congre- 
gationis  S.  Officii  collectae  atque  ad  supremum  Innocentii  XII.  P. 
M.  tribunal  delatae  per  theologos  orthodoxae  fidei  et  autoritatis 
pontificiae  defensores,  Col*.  1692,*  6  Bl.  143  S.  4.  (Auszug  daraus 
A.  J.  P.  6,  1753).  Die  Jesuiten  sagten,  der  Erzbischof  von  Mecheln 
habe  diese  Zusammenstellung  auf  Befehl  des  Cardinais  Cybo,  des 
Secretärs  der  Inquisition,  drucken  lassen  (Arn.  10,  XXXIV).  Wahr- 
scheinlich sind  es  im  wesentlichen  die  1691  von  Precip.  und  den 
anderen  Bischöfen  denuncirten  Sätze  (S.  645).  Als  denjenigen,  der 
die  Sätze  zusammengestellt  und  die  Denunciation  eingereicht,  be- 
zeichnet Arnauld  (3,  605.  625)  den  Franciscaner  Diaz,  der  damals 
in  Rom  mit  Desirant  im  Interesse  der  belgischen  Bischöfe  thätig 
war.  In  einem  kurzen  Schreiben  an  die  Cardinäle  der  Inquisition, 
welches  an  der  Spitze  der  Sammlung  steht,  sagt  der  Verfasser,  er 
habe  die  Sätze  im  Auftrage  Ihrer  Eminenzen  zusammengestellt,  um 
zu  zeigen,  dass  von  manchen  mit  Unrecht  behauptet  werde,  es  gebe 
in  Belgien  keine  Jansenisten,  Bajaner  und  Neuerer,  um  den  trau- 
rigen Zustand  der  Religion  in  Belgien  anschaulich  zu  machen  und 
um  die  Censurirung  der  betreffenden  Sätze  zu  erwirken.  Die  Sätze, 
bei  denen  die  Schriften,  woraus  sie  entnommen,  genau  angegeben 
werden,  beziehen  sich  auf  dogmatische  und  ethische  Fragen,  auch 
auf  die  Autorität  des  Papstes,  der  Inquisition  und  der  Index- Con- 
gregation  und  die  von  ihnen  ausgehenden  Bücherverbot«  ^).  —  Huy- 


1)  Z.  B. :    Die   Sitte,   durch   12   oder  weniger  Römische   Censoren 


650  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

gens  nnd  andere  angegriffene  Theologen  reclamirten.  Die  von  Jo. 
Opstraet  verfasste  Yertheidignng  wurde,  nachdem  Amanld  (3,  601. 
608;  10,  676)  sie  durchgesehen,  1G93  handschriftlich  nach  Rom 
geschickt  und  1694  gedruckt:  Responsio  Jo.  Opstraet  ad  articulos, 
de  quihus  accusatur  in  libro,  qui  inscribitur  Propositiones  .  .  . 
84  S.  4.  (Opp.  6,  247—395).  Sie  behandelt  69  Anklagepunkte  i). 
Wenigstens  über  viele  dieser  Sätze  ist  in  Rom  verhandelt  worden; 
—  A.  J.  P.  2,  1594  werden  Qualificationen  von  16  Sätzen  über 
Absolution  u,  dgl.  mitgetheilt,  —  zu  einer  Censurirung  kam  es  aber 
nicht,  aber  doch  wohl  aus  einem  andern  Grrunde  als  ans  dem  von 
den  A.  J.  P.  vermutheten:  weil  man  die  rigoristischen  Lehren 
einiger  Theologen  von  schwachem  Renommee  nicht  für  so  gefähr- 
lich hielt,  dass  der  h.  Stuhl  seine  Stimme  erheben  müsste.  —  Eine 
andere  Denunciation  überreichte  im  J.  1694  Desirant  der  Inquisition. 
Es  wurden  darin  61,  angeblich  wörtlich  aus  den  Schriften  von 
Huygens,  Hennebel,  Opstraet  und  van  Espen  entnommene  Sätze 
denuncirt  (von  van  Espen  6  aus  seinem  noch  nicht  gedruckten 
Tractat  de  cultu  sanctorum).  Hennebel  überreichte  eine  Verthei- 
digungsschrift.  Die  Inq.  nahm  nur  6  von  den  denuncirten  Sätzen 
in  Untersuchung,  und  auch  diese  wurden  freigegeben  (Vie  de  v. 
Espen  p.  111). 

Im    J.  1693,    also    während    der  Verhandlungen  in  Rom,    er- 
schienen  kurz    nach  einander,    angeblich    zu  Köln,    drei  kleine  An- 
klageschriften gegen  die  Jansen isten,  die  einen  ganz  ähnlichen  Cha- 
rakter haben,  nur  wo  möglich   noch  boshafter  sind  als  die  Proposi- 
tiones:   Jansenismus    evertens     omnem    religionem,     extingaen0 
omnem  pium  affectum  erga  Deum,  .  .   .   omnem   in  ecclesia  judicenB. 


Wahrheiten  der  Religion  zu  entscheiden,  macht  dem  h.  Stuhle  keine  Ehre 
Die  Inquisition  ist  wie  eine  Räuberhöhle,    in  welcher   die   Censoren    de 
Leuten  nachstellen,  sofern  sie  dieselben  verdammen,  ohne  ihnen  eineY 
theidigung  zu  gestatten  (Quesnel,  p.  10.  11).     Ein  Decret  der  Index-Gon 
gregatiou  oder  der  Inquisition   (una  Feria  V.,   imo  nna  Feria  IV.)   reiss 
uns  mitunter  die    besten  und  nützlichsten   Bücher  aus  der  ELand  (p.  12) 
Niemand  ist  verpflichtet,    seine  Einsicht   dem  Urtheil   von  7  oder  8  Gon 
sultoren  oder  auchivon  ebenso  vielen  Cardinälen,   denen  sie  referiren,   z 
unterwerfen.     Der  Trionter    Index  ist  nur  eine   für  eine  bestimmte  Zei 
erlassene  Verordnung,  den  Verordnungen  zu  vergleichen,  die  zur  Zeit  eim 
Krieges,  einer  Pest  oder  Hungersnoth  erlassen  werden  und,  nachdem   d 
Grund  weggefallen,  von  selbst  erlöschen  (de  Witte,  p.  17). 

1)  Manche  Sätze  waren  in  den  Prop.  zwar  richtig  oitirt,    aber  a 
dem  Zusammenhange  gerissen.     So  wird  von  Opstraet  der  Satz  oitirt:   ni 
forte  tarn  missis  opus   sit  quam  stipendio,    non  ad  refrigerandas  animas 
in  purgatorio,  sed  in  refectorio.     Opstraet  zeigt  p.  268,    daw  er  von  dem 
Unfug  der  Mönche  gesprochen,  die  den  Sterbenden  verhiessen,  sie  würden     - 
nicht  ins  Fegfeuer  kommen,  wenn  ihnen  durch   ihren  Ablass  die  Taufim-  — 
schuld  wiederhergestellt  werde   (s.  Reusch,  Die  deutschen  Bischöfe  S.  20)« 
und  die  dann  gleich  nach  dem  Tode  eine  grosse  Menge  von  Messen  fur^ 
nÖtbig  erklärten.  —  Viele  Sätze  sind  übrigens   aus  Schriften  entnominen^ 
die  bereits  verboten  waren  (Eugenius  Brug.,   S.   Victor,  Goude,  M61iton 
n.  8.  w.). 


Denanoiatioiien.  Index  Precipiano's.  651 

infallibilem  eliminans,  .  .  .  venerationem  imaginum  et  sanotorum, 
etiam  Deiparae  cultum  convellens,  yilipendens  indnlgentias  et  a  sa- 
oramentis  poenitentiae  et  eucharistiae  avertens,  .  .  .  procnlcans  reg. 
4.  Indicifl  Trid.  sive  permittens  omnibns  sine  discrimine  lectionem 
8.  soriptnrae  in  lingua  vulgari  et  lectionem  libromm  prohibitorum 
(abgedr.  bei  M.  Leydecker,  Hist.  Jans.  p.  557),  —  Jansenismus 
plnrimas  haereses  et  errores  damnatos  pertinaciter  defendens,  55  ä. 
8.*,  —  Jansenismns  in  maltis  exotice  rigidus,  51  S.  8.*  Der 
Verfasser  ist  nicht  bekannt;  approbirt  sind  sie  von  Nie.  Dnbois 
L(ibrorum)  C(ensor)  zu  Löwen;  Amauld  (3,  627.  629)  berichtet 
von  Steyaert  die  Aeusserung,  der  Erzbischof  selbst  sei  an  der  Ab- 
fassung betheiligt,  unter  den  etwa  30  Jansenisten,  die  darin  an- 
gegriffen werden,  befinden  sich  ausser  den  belgischen  auch  franzö- 
rische,  Saint  Cyran,  Arnauld,  Nicole  (Paulus  Irenaeus),  Bischof 
Pavillon  u.  s.  w.;  auch  die  Fabel  von  Bourgfontaine  wird  darin 
yerwerthet.  —  Amauld  schrieb  gegen  das  erste  Stück  Procis  de 
oalomnie  intente  devant  le  Pape  et  les  ^veques,  les  princes  et  les 
magistrats  par  les  nomm^s  dans  le  placard:  Jansenismus  omnem 
destruens  rel.,  contre  les  auteurs,  les  approbateurs  et  les  fauteurs 
de  ce  placard,  in  5  Abtheilungen  1693  erschienen  (die  2. — 5.  an 
Steyaert  gerichtet,  abgedr.  Arn.  25,  207 — 318)  i).  Er  drang  auch 
in  Briefen  an  du  Yaucel  darauf,  dass  die  Schriftchen  in  Rom  ver- 
boten würden,  und  zwar  nicht  etwa  in  einem  Decrete  mit  beliebig 
vielen  anderen  Schriften  zusammen,  sondern  in  einem  besondern 
Decrete;  damit  sie  nicht  wegen  Mangels  eines  Denuncianten  unge- 
rügt  blieben,  wolle  er  sie  nöthigenfalls  selbst  bei  der  Inquisition 
denunciren  (Am.  3,  637.  753).  Sie  wurden  denn  auch,  aber  mit 
einigen  anderen,  u.  a.  einer  zweiten  Schrift  von  Fontaine  (S.  484) 
und  einigen  Thesen  (S.  649)  von  der  Inq.  7.  Dec.  1694  verb.  (Kam. 
p.  173). 

4.  Im  Jan.  1695  veröffentlichte  Precipiano  das  S.  59  be- 
sprochene Decret,  worin  über  60  „Jansenistische"  Schriften  verb. 
werden,  ausser  den  bereits  erwähnten  und  noch  zu  erwähnenden 
von  Arnauld,  Huygens  und  Quesnel  eine  ganze  Reihe  von  Gilles  de 
Witte  und  anonyme  lateinische,  französiche  und  flämische  Bro- 
schüren über  die  Einführung  des  Formulars  und  das  Bibellesen, 
auch  einige  Streitschriften  gegen  ihn  selbst  und  seinen  Ver- 
theidiger  Oropega^)    und    gegen    Steyaert.     In  Rom    hat  man  von 


1)  De  Witte  schrieb  dagegen  Pbrenesis  Molinistica  .  .  auot.  Jo.  Au- 
relio  Tbeologo,  1698,  15  S.  8  (Idee  54). 

2)  Didacus  de  Oropega  ist  wie  Cranebercb  und  Monbron  ein  nom 
de  giierre  des  Jesuiten  Jacques  de  la  Fontaine;  s.  Backer  s.  v.,  wo  auch 
die  Streitschriften  für  und  gegen  Prec.  verzeichnet  sind.  — *  In  den  seinem 
Index  beigefügten  Specimina  (S.  61)  führt  Prec.  aus  einer  Lettre  d'un  eccle- 
siastique  sur  le  sentiment  de  S.  Augustin  touchaut  Tautorite  dos  Papes  et 
des  Conciles  oecumeniques  a  roccasion  des  thöses  de  M.  Steyaert,  s.  1. 
1687,  ausser  dem  S.  650  angeführten  Satze  über  die  Feria  V.  noch 
folgende  an :    Der  Papst  und  vollends  die  Kirche  haben  mit  solchen  De- 


652  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

diesem  Index  keine  Notiz  genommen  (S.  61 ;  anch  Qaesnels  Bemon- 
trance  wurde  nicht  verb.);  dagegen  wird  er  in  dem  Dict.  Jans, 
wiederholt  citirt,  um  von  einem  Buche,  welches  nicht  im  Rom.  In- 
dex steht,  doch  sagen  zu  können,  es  sei  verboten  worden.  —  Schliess- 
lich verbietet  Prec.  das  Lesen,  Abschreiben  und  Verbreiten  eines 
an  ihn  selbst  gerichteten  Briefes  von  Hennebel  d.  d.  Rom  20.  Febr. 
1694  dessen  temeritas,  wie  ihm  von  dem  Internunoius  mitgetheilt 
worden,  der  Verfasser  später  selbst  anerkannt  habe.  Es  war  das 
ein  Brief  über  das  Formular,  den  die  Inquisition  wegen  Verletzung 
des  vom  Papste  aufgelegten  Schweigens  und  vielleicht  wegen  unan- 
gemessener Ausdrücke  missbilligt  und  den  darauf  4.  Sept  Hennebel 
vor  der  Inq.  retractirt  hatte  (Quesnel,  Remontr.  p.  88.  Fleur. 
66,  195;  s.o.  8.649). 

5.    Aus  dem  J.  1695  wird  auch  die  bei  Gachard,  Hist.  de  la 
Belgique    au    commencement  du  18.   si^cle,    1880,    p.  99  theil weise 
abgedruckte    eigenhändige   Denkschrift    stammen,    worin    Prec.  dem 
Madrider  Hofe  vorstellt:    es  sei  unmöglich,  den  Jansenismus  in  den 
Niederlanden   auszurotten,    wenn    es   nicht    der  König    kraft    seiner 
Autorität  thue.    Sie  beginnt:    „Von  Rom  ist  nichts  zu  hoffen  unter 
dem  jetzigen  Papste:    er  thut  selbst  nichts  und  überweist  alles  den 
Congregationen,     in    denen    der    Card.  Casanate    und    der    Assessor 
Bernini  dominiren,  die  notorisch  erklärte  Beschützer  der  Jansenisten 
sind.     Auch  der  Card.  Aguirre  (er  wurde   IH86  Cardinal)  beschützt 
sie,  seit  er  in  Rom  ist"  u.  s.  w.    —    Unter  dem  7.  Nov.  1695  ge- 
bot denn   auch    Carl  II.    dem  Erzbischof,    dem   Conseil    de  Brabanfc 
und  der  Löwener  Universität,    die  Jansenisten  von  kirchlichen  un 
staatlichen    Aemtem    fern   zu    halten.     Bei   der  Ausführung    diese^f 
Verordnung   kam  natürlich    alles    auf   den  Begriff    „Jansenist''    an  ^r^ 
dem  der  Erzbischof   eine  sehr    weite  Ausdehnung  zu  geben  genei 
war.     Etwa    150    Geistliche    beauftragten    den    Brüsseler    Pfarre: 
Wilh.  van  de  Nesse    14.  Febr.  1696    zu    remonstriren,     und  diese: 
reichte    dem    Conseil  de  Brabant   zwei  Suppliken  ein.     Das  ConseiE^ 
sprach  sich    denn  auch    in  einem  Berichte    an  den  Statthalter,    de: 


creten  wenig  oder  nichts  zu  schaffen.     Sie  kommen  sehr  oft  ohne  genü-"-' 
gende  Untersuchung  und  in  Folge  von  Cabalcn  zu  Staude.     Die  Ordens^ — ^ 
geistlichen,  von  denen  man  weiss,   dass  ihnen  ihre  Sonderinteressen  mehr*  -• 
am  Herzen  liegen  als  die  wahren  Interessen  der  Kirche,  dominiren  in  allen  ^^ 
Congregationen.     Die  Erfahrung  lehrt,    dass  Jahre   lange  Anstrengungen  ^ 
und  eine  grosse  Geduld  dazu  gehören,    um  die  Verdammung  der  schlech-    ^ 
testen  Lehren  zu  erwirken,  wenn  die  Ordensgeistlichen  dagegen  sind,  dass    ^ 
dagegen^    wenn  diese  es   wünschen,    die  besten  Bücher  mit  der  grössten 
Uebereilung  censurirt  werden  .  .  .     Diejenigen,  welche  an  den  Römischen 
Verboten  den  grössten  Antheil  haben,    sind  in  der  Regel  Mitglieder  ver- 
schiedener   Orden,    namentlich    der  Bettelorden.     Und   da   merkwürdiger 
Weise   die  meisten  von  diesen  jetzt  die    erklärtesten  Vertheidiger  laxer 
Ansichten  und  die  gefährlichsten  Gegner  der  guten  Moral  sind,  so  kommt 
es  oft  vor,    dass  die  besten  Bücher  Gefahr  laufen,   censurirt    zu   werden, 
und  dass  die,  welche  den  Laxismus  und  die  schlechte  Moral  fordern,  bei 
den  Tribunalen,  die  sie  verdammen  sollten,  Schutz  finden. 


Yerordnangen  des  Königs  von  Spanien.  668 

Herzog  yon  Baiern,  vom  13.  Apr.  1696  dabin  ans,  daes  die  könig- 
lichen  Decrete  gemäss  dem  Breve  yon  1694  zu  deuten,  also  das 
Wort  Jansenist  stricte  zu  interpretiren  sei.  Der  Aufforderung  des 
Herzogs,  sieb  die  Unterdrückung  der  Scbriften  der  Neuerer  und 
Rigoristen  angelegen  sein  zu  lassen,  stellt  das  Conseil  eine  Hin- 
weisung auf  das  Breve  von  1694  und  die  Bitte  entgegen,  es 
möge  ibm  eine  von  der  Eircbe  anerkannte  Eegel  angegeben  werden, 
wonacb  man  beurtbeilen  könne,  was  Neuerung  oder  Rigorismus 
soi^). 

Die  Verordnung  des  König  veranlasste  die  „Jansenisten/^  dem 
Papste  durcb  Hennebel  eine  Supplik  überreicben  zu  lassen^).  Aucb 
die  Biscböfe  wandten  sieb  19.  Juli  1696  nocbmals  an  den  Papst 
und  klagten  darüber,  dass  dem  Jansenismus  durcb  das  Breve  von 
1694  nicbt  wirksam  gesteuert  worden  sei.  Der  Papst  antwortete 
in  einem  Breve  vom  19.  Juli  1696  (Arg.  III  b  392):  Jenes  Breve 
bedürfe  keiner  weiteren  Erläuterungen.  Wenn  angeblicbe  Janse- 
nisten  das  Formular  innerlicb  verkebrt  deuteten,  so  urtbeile  die 
Kircbe  nicbt  de  occultis;  wenn  sie  es  mündlicb  oder  scbriftlicb 
yerkebrt  deuteten,  so  bätten  die  Biscböfe  einzuscbreiten.  Mit  Ver- 
wunderung vemebme  er,  dass  in  Belgien  einige  mündlicb  oder 
scbriftlicb  bebauptet  bätten,  durcb  das  Breve  sei  die  Bulle  Alexan- 
ders VII.  und  dessen  Formular  alterirt  oder  reformirt  worden;  beide 
würden  ja  ausdrücklieb  bestätigt.  Bezüglicb  des  Lesens  von  Bibel- 
übersetzungen und  anderen  verbotenen  Bücbem  sei  in  früberen  Bullen 
das  Nötbige  verordnet.  Bezüglicb  der  Spendung  der  Sacramente 
bätten  die  Biscböfe  darüber  zu  wacben,  dass  die  canoniscben  Sat- 
zungen und  die  kircblicbe  Praxis  beobacbten  würden.  Die  Inquisi- 
tion sei  übrigens  mit  der  Prüfung  von  Sätzen  bescbäftigt,  die  ibr 
denuncirt  worden  seien. 

In  der  nächsten  Zeit  erscbienen  in  der  Form  von  Vertbei- 
digungen  der  königlicben  Decrete  zwei  Streitscbriften  gegen  die 
Jansenisten:  Decreta  Regis  catbolici  a  calumniis  vindicata,  s.  1.  et 
&.,  126  S.  4.,  und  Memorial  al  Rey  nuestro  seiior  Carlos  IL  eu 
defensa  de  sus  reales  decretos  en  el  Pais  Baxo  catbolico,  beginnend: 
Sefior,  Juan  dePalazol,  Sac.  Prof.  de  la  Comp,  de  Jesus,  in  nom- 
bre  y  de  mandato  de  Tyrso  Gonzalez,  Preposito  general  de  la  mis- 
ma  ordeo  etc.,  20  Bl.  Fol.  Der  Jesuit  klagt  darüber,  dass  der 
Jansenismus  in  Belgien  sebr  verbreitet  und  mäcbtig  sei,  dass  die 
päpstlicben  Breven,  welcbe  Hennebel  zu  erwirken  gewusst,  den- 
selben gefördert  bätten,  das  Conseil  de  Brabant  und  andere  Bebör- 
den  nicbts  Ernstlicbes  dagegen  tbäten  u.  s.  w.  Die  Scbrift  wurde 
von  der  spaniscbeu  Inquisition  28.  Sept.  1698  verb.,  als  beleidigend 


1)  Vie  de  v.  Espen  p.  22.  129.  v.  Espen,  Opp.  5,  338.  Reiffenberg, 
Annuaire  de  la  Biblioth.  roy.  1848,  p.  77. 

2)  Epistola  quinque  deputatorum  ad  Innocentium  XII.  super  regiis 
mandatis  in  causa  Jansenismi,  datirt  Löwen  27.  Dec.  1695,  unterscbrieben 
von  Huygens,  van  de  Nesse  und  drei  anderen,  abgedruckt  in  dem  Anbang 
der  Confutatio  (s.  u.)  No.  I. 


654  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

und  injariös  für  hochgestellte  Personen  geistlichen  und  weltlichen 
Standes  und  die  königlichen  Behörden  und  G-erichtshöfe.  In  Rom 
verklagte  Hennebel  im  Juni  1698  den  Jesuiten-General  bei  der  In- 
quisition und  drohte  ihm  mit  einer  Injurienklage  bei  einem  andern 
Grerichtshofe  (Bossuet,  Oeuvres  40,  288);  er  überreichte  auch  dem 
Papste  und  mehreren  Cardinälen  eine  von  ihm  verfasste  Widerle- 
gung. Die  Kömische  Inquisition  soll,  wie  Bossuet  von  seinem 
Neffen  aus  Rom  geschrieben  wurde  (Oeuvres  40,  517),  der  spanischen 
für  das  Verbot  gedankt  haben.  Sie  selbst  verbot  die  Schrift  quo- 
cnnque  idiomate  8.  Apr.  1699.  —  Opstraet  schrieb  dagegen:  Libelli 
hispanice  editi  hoc  titulo:  Memorial  .  .  .  Gonfutatio  per  Beigas 
Theologos,  s.  1.  et  a.*,  101  S.  8.1). 

Mit  Rücksicht  auf  van  de  Nesse's  Suppliken  erschien:  Cer- 
tamen  immunitatis  sacerdotum  Belgii  in  causis  personalibus,  prae- 
cipue  criminalibus,  zelatorisque  ejus  Archiepiscopi  Mechlin.  adv. 
auetores  libelli  ...  95  S.  8.  (von  Precipiano's  Generalvicar  Peter 
G-ovarts),  worin  van  de  Nesse  und  Genossen  darüber  angegriffen 
wurden,  dass  sie  die  Sache  vor  eine  weltliche  Behörde  gebracht 
Van  Espen  schrieb  darauf:  Concordia  immunitatis  eccl.  et  juris  regii, 
adv.   Certamen  .  .  .  1700  fOpp.  4  B,  93;  Vie  p.  23),  erst  1733  verb. 

Im  J.  1698  schickte  Desirant  (handschriftlich)  nach  Rom  eise 
Accusatio  et  querela  populi  Belgici  gegen  Huygens,  Hennebel,  Op- 
straet und  van  £spen.  Diese  liessen  darauf  zu  ihrer  Yertheidigung 
(auch  über  die  61  Sätze,  S.  650)  drucken:  Imposturae  libelli  ano- 
nymi  cui  tit.:  Accusatio  .  .  .  per  Jo.  Opstraet  et  eos  qui  accusantnr 
refutaUe  et  doctrina  accusatoris  denunciata,  Leodii  1698  (v.  Espen, 
Opp.  5,  150).  Diese  Schrift  wurde  10.  Sept.  1700  von  Hennebel 
den  Cardinälen  der  Inq.  überreicht.  Darauf  veröffentlichte  Desi- 
rant Commonitorium   ad  orthodoxos  de   aocusatis  in  ürbe    doctrinis 


1)  In  dieser  Confutatio  steht  p.  51  CoUectio  instrumentorom  ad 
hanc  confutationem  pertinentium.  Beigebuuden  ist  demselben  Memorial 
espagnol  .  .  .  condamne  par  un  decret  de  Plnq.  generale  de  TEspagna 
Le  tout  tradait  en  fraa^ois,  1699,  127  S.  8.,  das  Memorial  spanisch  und 
französisch;  vorgedruckt  ist  das  Decret  der  Inquisition  (dieses  steht  auch 
U.  N.  1752,  870).  In  diesem  wird  zugleich  eine  gegen  den  Franciscancr 
Olmo  gerichtete  Schrift,  La  embiada  . .  .  mas  clara,  verb.,  weil  sie  Sätze 
enthalte,  in  denen  die  h.  Schrift  missbraucht,  der  Observanten-Orden  in- 
juriirt  und  der  Verfasser  des  darin  citirten  Buches  (P.  Olmo)  sammt  den 
Approbatoren  desselben  geschmäht  werde.  —  Ausführlich  über  Palazol 
und  die  Confutatio  Aletophilus  §  34.  Ueber  die  Widerlegung  von  Hen- 
nebel s.  Laemmer,  Zur  Kirchengesch.  S.  98,  über  andere  Streitschriften 
Backer  6,  413.  —  Palazol  ereifert  sich  auch  gegen  eine  Stelle  in  der  Bi- 
blioth.  Hisp.  vetus  des  Nie.  Antonio  1,  500,  wo  der  Satz  des  Prudentius 
Trecensis:  sanguinem  Christi  pro  omnibus  fusura  credentibus,  non  vero 
pro  bis  qui  nunquam  crediderunt  nee  hodie  credunt  nee  unqaam  credi- 
turi  sunt,  als  gut  katholisch  bezeichnet  wird.  Er  meint,  da  weder  Nie. 
Antonio,  noch  Card.  Aguirre,  der  nach  dessen  Tode  das  Buch  zu  Rom 
1696  drucken  liess,  diesen  Jansenistischen  Satz  habe  billigen  können,  so 
müsse  die  Stelle  von  irgend  einem  Jansenisten  eingeschmuggelt  worden 
sein.    Aletophilus  p.  212.  Bayle  s.  v.  Antonio. 


B.  Desirant.    J.  L.  Hennebel.  655 

DD.  Gr.  Hnygens,  J.  L.  Hennebel,  Z.  B.  van  Espen,  Jo.  Opstraet 
cnm  suis,  s.  Imposturarnm,  qnae  ipsorum  nomine  prodiemnt,  con- 
fntatio,  LoY.  1701.  Das  Buch  war  dem  General  der  Angustiner  ge- 
widmet ;  dieser  befahl  aber  dasselbe  zu  nnterdrücken.  Opstraet 
schrieb  dagegen  Commentarins  super  Commonitorium,  Leodii  1701. 
Die  vier  angegriffenen  Theologen  Hessen  26.  Ang.  1701  dem  Assessor 
S.  Off.  eine  Dennnciation  überreichen  (v.  Espen,  Opp.  5,  341),  und 
1707  wurde  das  Buch  von  der  Inq.  verb.  (nicht  etwa  bloss  wegen 
Verletzung  des  von  Innocenz  XII.  auferlegten  Schweigens;  denn 
dann  würden  auch  die  Imposturae  verboten  worden  sein). 

Anfangs  1701  kam  Hennebel  von  Rom  zurück.  Er  liess  in 
Löwen  drucken:  Declaratio  circa  articulos  dootrinae  in  Belgio  con- 
troversae,  per  Eximium  D.  J.  L.  Hennebel  die  10.  Spt.  1700  ooram 
Sede  apost.  in  Urbe  exhibita,  und  Acta  doctorum  Lovaniensium  De- 
clarationem  ....  approbantium,  wonach  Huygens  und  6  andere 
Doctoren,  zugleich  im  Namen  vieler  abwesenden,  vor  dem  Rector 
ihre  Zustimmung  zu  der  Declaratio  kundgegeben  (den  Opuscula  J. 
L.  Hennebel  beigedruckt;  vgl.  Aletophilus  p.  203).  Die  Facnltät 
erklärte  darauf,  nicht  sie,  sondern  nur  einige  Doctoren  hätten  die 
Declaratio  gutgeheissen  (L.  de  Meyer  p.  LII).  G.  de  Witte,  ein 
Jansenist  in  der  verwegensten  Bedeutung  des  Wortes,  liess  eine 
Quaesita  satisfactio  fidei  et  doctrinae  oblata  omni  poscenti  secundum 
Declarationem  circa  articulos  doctrinae  in  Belgio  controversae  per 
ex.  Dr.  J.  L.  Hennebel,  unter  dem  Namen  Irenaeus  Pbilalethes  dru- 
cken, 1701,  14  S.  4.,  worin  er  sagt,  Hennebels  Erklärung  sei  voll 
Zweideutigkeiten  und  der  auf  Grund  derselben  in  Rom  geschlossene 
Friede  nichts  werth  (Idee  de  Witte  p.  80),  und  ähnlich  äusserte  sich 
Gerberon  in  Memoriale  pacis  S.  Cardinalium  Congregationi  a  D. 
Hennebel  suo  praetensorumque  Jansenistarum  nomine  exhibitum 
anno  jubilaei  1700,  cum  animadversionibus  ac  notationibus  censoriis, 
Par.  1700;  von  der  andern  Seite  veröffentlichte  M.  Steyaert  eine 
Responsio  pacifica  ad  Declarationem  I).  Hennebel,  und  Franc.  Mar- 
tin Reflexionesad  nuperrimam  declarationem  D.  Hennebel,  von  denen 
er  selbst  in  einer  spätem  Schrift  sagt,  er  habe  darin  die  Schüler 
des  h.  Augustinus  infamirt  (vgl.  L^etat  pres.  p.  104.  146.  214.  285). 
Diese  Schrift  von  Martin  wurde  1704  von  der  Inq.  verb. 

Unter  dem  22.  Febr.  1702  wandten  sich  Rector  und  Univer- 
sität von  Löwen  an  den  König  von  Frankreich,  dessen  Truppen  da- 
mals Löwen  besetzt  hatten,  mit  der  Klage,  dass  die  besten  Theo- 
logen mit  vagen  Anklagen  überschüttet  und  von  den  Aemtem  der 
Facultät  ausgeschlossen  und,  wenn  sie  sich  vertheidigen  wollten, 
durch  Verbote,  die  man  von  den  Beamten  erwirke,  gehindert  wür- 
den. Sie  baten  zugleich  Bossuet  um  seine  Fürsprache^).  Ueber  eine 
Schrift  (von  Fouillou)  Via  pacis  seu  Status  controversiae  inter  theo- 
logos   Lovan.,    Lüttich   1702,    welche    die    Ansicht   vertheidigt,    die 


1)  Bossuet  38,  295.    —  42,  698  steht  eine  Denkschrift  aus  demselben 
Jahre  über  den   gänzlichen  Verfall  der  theologischen  Facultät  zu  Douay. 


656  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

Kirche  sei  unfehlbar,  wenn  sie  einen  Satz  in  dem  Sinne,  in  welchem 
sie  ihn  verstehe,  verdamme,  aber  nicht  in  der  Entscheidung  darüber, 
welches  der  sensus  obvius  des  Satzes  sei,  schrieb  F^n^lon  an  Card. 
Gabrielli  (Oeuvres  15,  3).     Sie  wurde  nicht  verb. 

6.  Im  J.  1702  denuncirte  Precipiano  Quesnel  und  Gerberon 
bei  der  Römischen  Inquisition  wegen  Abfassung  und  Verbreitung 
verderblicher  Schriften  und  Unterhaltung  eines  bedenklichen  Ver- 
kehrs mit  Gilles  de  Witte  und  Andreas  Schurius,  welche  in  Holland 
agitirten.  Er  wurde  ermächtigt,  sie  zu  verhaften,  erwirkte  auch 
von  dem  König  von  Spanien  eine  Ordre  an  den  Gouverneur  Marquis 
de  Bedmar,  ihm  starke  Hand  zu  leihen,  und  Hess  dann  30.  Mai  1 703 
beide  und  ihren  Freund  Brigode  zu  Brüssel  festnehmen.  (Quesnel 
entkam  bald  aus  dem  Gefängnisse.  Auf  Grund  der  bei  ihnen  ge- 
fundenen Papiere  wurden  auch  Dom  Thierry  de  Viaiznes,  Dom  Thi- 
roux  und  Vuillart  verhaftet.)  Auf  Grund  der  gegen  sie  eingeleiteten 
Processe  erklärte  Prec.  10.  bezw.  Ö4.  Nov.  1704  beide  der  Ex- 
communication  verfallen  und  verurtheilte  Quesnel  zur  Haft  in  einem 
Kloster,  Gerberon  zur  Auslieferung  an  die  Abtei  Corbie  u.  s.  w. 
Die  Acten  der  Processe  mit  reichhaltigen  Auszügen  aus  den  confis- 
oirten  Papieren  wurden  gedruckt:  Causa  Quesnelliana  sive  Motivum 
juris  pro  procuratore  curiae  ecclesiasticae  Mechliniensis  actore  contra 
P.  Paschasium  Quesnel,  Oratorii  Berulliani  in  Gallia  Presbjterum, 
citatum  fugitivum.  Gui  dein  accessit  Sententia  ab  Hl.  ac.  Rev.  D. 
Archiep.  Mechlin.,  Belgii  Primate  etc.,  in  Quesnellum  lata,  Bruz. 
1704*,  über  500  8.  4.  —  Processus  officii  fiscalis  curiae  eccl.  Mech- 
lin. contra  D.  Gabr.  Gerberon  .  .  .  Brux.  s.  a.,  66,  26  und  44  S.  4.* 
Sie  lieferten  das  Material  für  mehrere  Streitschriften  gegen  die  Jan- 
senisten  ^)  und  sind  eine  der  wichtigsten  Quellen  für  die  Darstellung 
der  literarischen  Thatigkeit  der  beiden  Schriftsteller  und  der  Strei- 
tigkeiten der  damaligen  Zeit.     Quesnel  veröffentlichte  mehrere  Vei^ 


1)  La  Jansenisme  devoile.  Lettre  d'un  Docteur  de  Sorbonne  ä  un 
homme  de  qualitS  sar  le  proces  fait  par  Mgr.  PArchev.  de  Malines  ä  Dom 
Gabriel  Gerberon  .  .  .  Louv.  1704,  44  S.  4-,  abgedruckt  in  Le  veritable 
esprit  des  nouveaux  disciples  de  S.  Augustin,  Brux  1705*,  3  vol.  12, 
p.  1212.  Ein  Auszug  aus  der  C.Qu,  in  der  Suite  du  verit.  esprit,  Brax. 
1707*,  572  S.  12.  Die  beiden  letzteren  Schriften  sind  von  dem  Jesuiten 
Jac.  Phil.  Lallemant.  —  S.-Beuve  5,  482  sag^:  La  saisie  des  papiers  do 
Quesnel  en  1703,  en  donnant  les  moyens  ou  las  pr^textes  de  persecutions 
Sans  nombre,  fut  le  point  de  depart  et  le  signal  d'une  recrudescence  de 
fanatisme  de  tous  les  sens.  Er  führt  aus  einem  Briefe  der  Mad.  de  Main- 
tenon  vom  5.  Apr.  1717  den  Satz  an:  „Ich  glaube,  dass  die  Jesuiten  die 
Papiere  haben,  welche  bei  dem  P.  Quesnel  gefunden  uod  von  dem  Erz- 
bischof von  Mecheln  hieher  geschickt  wurden;  sie  gaben  sie  beftweise 
dem  Könige,  und  icli  habe  zehn  Jahre  damit  zugebracht,  sie  alle  Abende 
zu  lesen  (dem  Könige  vorzulesen?  j'ai  passe  dix  ans  ä  les  lire  tous  les 
soirs)."  6,  180  sagt  er:  Wenn  der  F.  de  la  Chaise  von  dem  Verdacht  des 
Jansenismus,  mit  dem  es  damals  so  leicht  war  Leute  anzuschwärzen,  wirk- 
lich gesagt  hat:  C'est  mon  pot  de  noir,  so  galt  das  namentlich  von  der 
Zeit,  nachdem  er  die  Papiere  des  P.  Quesnel  in  Händen  hatte. 


Quesnel.     Gerberon.    W.  van  de  Nesse.  667 

tlieidigQiigsBcIirifteu  (Migne  2,  791),  u.  a.  Anatomie  de  la  sentence 
de  M.  rArch^y.  de  Malines  coutre  le  P.  Qoesnel,  oü  Ton  däcouvre 
les  inJQstices  et  les  nullites  fond^es  sur  les  calomnies  et  les  arti- 
fices  de  son  fiscal  et  sur  les  d^fauts  essentiels  de  la  procädure, 
1705,  264  S.  12.,  und:  Idee  generale  du  libelle:  Causa  Quesnelliana 
. .  .  oü  sont  exposes  les  artifices  .  .  .,  1706,  138  S.  12.  Diese  bei- 
den stehen  im  span.,  aber  nicht  im  Rom.  Index. 

Bei  Clemens  XI.  fand  Precipiano  auch  sonst  mit  seinen  Mass- 
regeln mehr  Beifall  als  bei  Innocenz  XII.  Im  J.  1700  kam  er 
wiederholt  in  Conflict  mit  den  weltlichen  Behörden,  speciell  dem 
Conseil  de  Brabant,  weil  diese  das  Asylrecht  nicht  respectirten. 
Unter  anderm  beanspruchte  er  die  Auslieferung  eines  Menschen, 
der  auf  einen  Offizier  geschossen  und  sich  dann  in  ein  Kloster  ge- 
flüchtet hatte,  auf  Befehl  des  Generalprocurators  aber  ins  GreiUng- 
niss  abgeführt  worden  war.  Er  bedrohte  den  Generalprocurator, 
wenn  er  den  Menschen  nicht  ausliefere,  mit  der  Excommunication, 
sprach  diese  wirklich  aus  und  weigerte  sich,  auf  das  Verlangen  des 
Grand  Conseil  vom  8.  Aug.  dieselbe  zurückzunehmen.  Die  Sache 
wurde  in  Rom  und  Madrid  verhandelt  und  schliesslich  arrangirt; 
aber  zwei  darauf  bezügliche  Schriften  wurden  von  der  Inq.  11.  Jan. 
1703  verb. :  Copie  d'une  lettre  6crite  k  Mr.  de  .  .  .  sur  Texcom- 
munication  du  Procureur  g^neral  du  Roy  a  Malines,  und  Discus- 
sion  historique,  juridique  et  politique  sur  l'immunit^  reelle  des 
äglises  et  autres  lieux  pieux,  sur  Tusage  des  excommunications, 
lenr  origine  et  leurs  forces,  et  sur  le  pr6texte  que  TArchev.  de  Ma- 
lines s^est  donne  pour  excommuuier  le  Procureur  gin,  du  Roy,  avec 
des  r^flexions  sur  Tordonnance  du  Grand  Conseil  8.  Aoüt  1700.  — 
Precipiano's  General vicar,  P.  Govarts  schrieb  damals  Certamen  pro 
immunitate  eccl.  locali  seu  asylo,  1700,  348  S.  4.,  und  van  Espen 
Dissertatio  canonica  de  intercessione  s.  interventione  episcoporum 
pro  reis  .  .  et  de  confugientibus  ad  ecclesias  sive  de  .  .  .  asylo  tem- 
plorum,   erst  1721  gedruckt,    1734  verb.   (Vie  de  v.  Espen  p.  29). 

Eine  Reihe  von  Schriftstücken  steht  im  Index,  die  sich  auf 
den  Streit  Precipiano's  mit  dem  Brüsseler  Pfarrer  Wilhelm  van  de 
Nesse  beziehen.  Dieser  war  ihm  schon  1696  missliebig  geworden 
(S.  652);  1694  hatte  er  Arnauld  in  seiner  Kirche  beerdigt,  und 
1703  wurde  er,  —  wie  es  scheint,  mit  Unrecht  —  beschuldigt, 
Quesnel  zur  Flucht  verholten  zu  haben,  und  verbannt.  Der  Bischof 
von  Lüttich,  der  ihn  als  der  Ketzerei  verdächtig  behandelt  hatte, 
nahm  1705  sein  Decret  in  Folge  einer  Weisung  von  Rom,  wo  sich 
N.  beschwert  hatte,  zurück  (van  Espen  5,  222).  Nach  der  Wieder- 
herstellung der  spanischen  Herrschaft  im  J.  1706  kam  N.  zurück; 
der  Erzbischof  aber  suspendirte  ihn  4.  Juni  1706,  weil  er  seine 
Antwort  auf  46  ihm  vorgelegte  Fragen,  —  ob  er  die  päpstlichen 
Bullen  annehme,  den  Papst  als  unfehlbar  anerkenne  u.  s.  w.,  — 
nicht  genügend  fand.  N.  beschwerte  sich  bei  dem  Conseil  de  Bra- 
bant;  van  Espen  verfasste  für  ihn  die  Appellationsschrift  und  Mo- 
tivum  juris  pro  Rev.  D.  Guil.  van  de  Nesse,  Pastore  S.  Cath.  in 
civ.  Brux.,  apud  Senatum  Brabantiae  supplicante  contra  111.  et  Rev, 

Reuioh,  Index  II,  42 


668  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

ArcHep.  Mechlin.  etc.  und  Appendix  ad  Mot.  etc.  (v.  Espen,  Opp.5y  189). 
Dieses  wurde  alsbald  26.  Oct.  1701  von  der  Inq.  verb.  Das  Conseil 
entschied  27.  Nov.  1707  zu  Gunsten  N.'s.  Dieser  erhielt  von  dem 
Erzbischof  ein  Monitorium  vom  17.  Febr.  1708,  worin  er  aufgefor- 
dert wurde,  die  Sentenz  des  Conseil  als  null  und  nichtig  anzusehen. 
Das  Conseil  forderte  24.  Februar  den  Erzbischof  auf,  das  Moni- 
torium zurückzunehmen.  Dieser  wandte  sich  aber  sofort  an  die 
Inquisition,  und  diese  fasste  in  einer  unter  dem  Vorsitze  Clemens*  XI. 
Fer.  Y.  29.  März  1708  gehaltenen  Sitzung  einen  ganz  ähnlichen 
Beschluss  wie  1658  (S.  476):  Sententia  s.  decretum  a  Consilio 
Brabantiae  emanatum,  quo  non  solum  praecipitur  Archiepiscopo 
Mechlin.,  ut  quasdam  suas  monitoriales  literas  ad  6.  van  de  Nesse, 
deservitorem  ecclesiae  paroch.  S.  Cath.,  pro  rebus  ad  iidem  spec- 
tantibus  transmissas  casset  et  annullet,  verum  etiam  omnibus  tarn 
ecclesiasticis  quam  saecularibus  personis  injungitur,  ut  censuris  in 
praedictis  monitorialibus  literis  appositis  et  comminatis  nullatenns 
obediant,  wurde  kraft  apostolischer  Autorität  verdammt  und  cassirt, 
bei  Strafe  reservirter  Censuren  verboten,  sie  zu  beachten,  and  dem 
Conseil  befohlen,  sie  aus  seinen  Büchern  und  Regesten  zu  entfernen, 
damit  nicht  der  Papst  genöthigt  sei,  contra  consiliarios  ad  majora 
remedia  procedere  ^).  —  Ohne  Zweifel  hangen  mit  dieser  Sache  auch 
zusammen  Remarques  sur  le  Bref  de  N.  S.  P.  le  P.  Clement  XL 
k  Mgr.  H.  G.  a  Precipiano,  Archiv,  de  Malines,  du  8.  Mars  1708, 
von  der  Inq.  verb.  1709.  —  1712  verbot  die  Inq.  dann  noch:  Re- 
futation dun  monitoire  de  Mgr.  TArchiv.  de  Mal.  signifid  ä  Mr. 
G.  Vau  de  Nesse,  Brux.  17.  Fevr.  1708,  74  S.,  von  P.  E.  Ruth 
d'Ans,  und  Relation  abregne  de  Taffaire  suscitie  par  Mgr.  TAr- 
ch^v.  de  Malines  au  Sieur  G.  van  de  Nesse  .  .  .  ponr  repondre  k 
nne  nouvelle  plainte  de  ce  prölat,  dagegen  merkwürdiger  Weise  nicht 
das  umfangreichste  Buch  über  die  Sache  (von  Quesnel) :  Defense  de 
la  justice,  de  la  souverainete  du  Roy,  de  la  sentence  du  souverain 
Conseil  de  Brabant  et  du  droit  des  eccl^siastiques  dans  la  cause  de 
G.  van  de  Nesse  contre  TArchÄv.  de  Mal.,  s.  1.  1708,  400  S.  4. 
(Vie  de  van  Espen  p.  114).  —  Der  Pfarrer  van  de  Nesse  starb  erst 
unter  Precipiano's  Nachfolger  1716.  Der  Generalvicar  verbot,  ihn 
kirchlich  zu  beerdigen;  das  Conseil  de  Brabant  cassirte  dieses  Ver- 
bot; er  wurde  dann  13  Tage  nach  dem  Tode  beerdigt. 

7.  Arnauld  betheiligte  sich  an  den  niederländischen  Contro- 
versen  mit  einer  der  werthvollsten  Streitschriften  aus  dieser  Zeit, 
—  es  ist  eine  der  letzten  seiner  grösseren  Schriften:  —  Diffi- 
cultez  propos^es  a  M.  Steyaert,  die  in  9  Abtheilangen  (mit  fort- 
laufender Numerirung  der  Difficult^s)  in  den  Jahren  1691  und  92 
erschienen  (Oeuvres  8,  467  und  9,  1).  Steyaert  hatte  mit  zwei  an- 
deren Commissaren  im  Auftrage  des  Erzbischofs  von  Cambray  eine 


1)  A.  J.  P.  6,  1758.  Mem.  biet,  sur  laffaire  de  la  B.  ünigenitus  4, 
620.  Die  Sententia  und  die  Consulta  des  Rathes  von  Brabant  über  das 
Inquisitionsdecret  bei  v.  Espen,  Opp.  4  B,  347. 


A.  Arnauld.  659 

Untersuchung  gegen  die  Oratorianer  zu  Mone  geführt,  die  von  den 
Jesuiten  denuncirt  worden  waren,  und  darüber  in  einem  gedruckten 
Avis  vom  Juli  1690  berichtet.  Gegen  dieses  sind  gerichtet:  Pre- 
miere et  2.  partie  des  Difficultez  .  .  .,  Col.  1691  (sie  handeln  u.  a. 
über  Marienverehrung,  8,  490).  Es  folgten  noch  im  J.  1691 :  3. 
Partie  .  .  .  sur  Tadministration  du  sacrement  de  p^nitence,  4.  P.  .  . . 
Bur  la  lecture  de  l'Ecriture  sainte,  5.  P.  .  .  .  de  la  4.  des  r^gles 
ajout^es  k  rindex  touchant  la  lecture  de  TEcr.  s.  en  langne  vul- 
gaire,  6.  P.  .  .  .  sur  le  Nouveau  Test,  de  Mons,  7.  P.  .  .  .  justifica- 
tion  de  la  Version  du  N.  T.  de  Mons  contre  les  objections  particu- 
liöres  de  M.  Steyaert,  8.  P.  .  .  .  de  ses  emportements  sur  la  lecture 
de  l'Ecr.  s.  et  d'une  nouvelle  ordonnance  sur  ce  meme  sujet  (von 
Precipiano),  und  im  J.  1692:  9.  P.  .  .  .  des  prohibitions  de  livres 
et  de  quelques  autres  matieres.  Die  Difficult^s  erschienen  anonym; 
aber  Am.  schrieb  an  du  Vaucel,  man  würde  ihn  schon  als  Verfasser 
erkennen.  Du  Vaucel  rieth  ihm  (3,  421J,  die  letzte  Abtheilung,  die 
über  die  Bücherverbote  und  die  Verdammung  der  31  Sätze  im  J. 
1690  (namentlich  über  den  7.  und  8.)  handeln  solle,  unter  einem 
andern  Titel  herauszugeben,  da  sonst  die  ganze  Serie  werde  ver- 
boten werden.  Am.  antwortete:  Wenn  das  Verbot  dieser  Abthei- 
Inng  unvermeidlich  ist,  ist  es  meines  Erachtens  für  die  Kirche 
besser,  dass  sie  mit  den  anderen,  als  dass  sie  allein  verboten  wird. 
Das  Werk  wurde  von  Precipiano  1695  verb.,  in  Rom  nicht  unter 
Innocenz  XII.,  sondern  erst  durch  ein  Inquisitionsdecret  vom  3.  März 
1705. 

Amauld  starb  8.  Aug.  1694.  Die  von  Quesnel  verfasste  Hi- 
fltoire  de  la  vie  et  des  ouvrages  de  M.  Amauld,  1695'*',  336  S.  12. 
(1697,  356  S.),  eine  vervollständigte  Ausgabe  der  Schrift:  Question 
cnrieuse,  si  M.  Arnauld  est  h6r6tique,  Gol.  1690,  228  S.  12.,  steht 
merkwürdiger  Weise  nicht  im  Index,  auch  nicht  Vie  de  Messire 
Antoine  Amauld,  Docteur  de  la  maiBon  et  societ^  de  Sorbone,  Paris 
et  Lausanne  1753*,  4^).  —  Dagegen  wurde  1704  von  der  Inq.  verb. 
Instruction^)  sur  la  gr&ce  selon  Tecriture  et  les  p^res,  par  feu  M. 
Arnauld,  avec  l'exposition  de  la  foi  de  Tegl.  rom.  touchant  la 
grace  et  la  Prädestination  par  M.  Barcos  et  plus,  autres  pi^ces  sur 
ce  sujet,  Col.  (Amst.)  1700,  von  Gerberon  herausgegeben  (Procfes 
de  Gerb.  III,  26).  Die  Instruction  ist  eine  kleine,  von  Arn.  un- 
vollendet hinterlassene,  man  weiss  nicht  wann  verfasste  Schrift  (Arn. 
10,  399). 


1)  Amaulds  letzte  Jahre  wurden  noch  verbittert  durch  die  Affaire 
du  Faux  Amauld  oder  Fourberie  de  Douay.  lieber  diese  Sache  und  die 
Fable  de  Bourgfontaine,  die  beide  im  Index  keine  Spur  hinterlassen  haben, 
s.  meine  Aufsätze  im  Deutschen  Merkur  1884,  81  und  121. 

2)  In  den  neuesten  Index -Ausgaben  steht  Institutions.  Schlimmer 
ist,  dass  vor  der  ersten  von  ihm  im  Index  stehenden  Schrift  Arnaldus, 
Ant.,  Theol.  Paris,  durch  ein  Verschen  beim  Drucke  ausgefallen  ist  und 
in  Folge  davon  seine  sämmtlichen  Werke  unter  Arnaldus,  Ant.,  Advocatus 
Paris.,  stehen. 


660  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

Im  J.  1759  erschien,  angeblich  zu  Ayignon  gedruckt,  ein 
Prospectus  zu  einer  Ausgabe  der  sämmtlichen  Werke  Arnaalds,  wo- 
rin der  Lausanner  Bachhändler,  der  diese  drucken  wollte,  sagt,  sein 
Associe  habe  in  Rom  mit  Benedict  XIV.  und  mehreren  Cardinälen 
von  seinem  Plane  gesprochen  und  diese  hätten  denselben  gebilligt. 
Der  Erzbischof  von  Avignon  bezeichnete  in  einer  Ordonnanz  vom 
11.  Juli  1759  die  Angabe,  dass  der  Prospectus  in  Avignon  gedruckt 
sei,  als  unwahr  und  verbot  allen  Buchhändlern  seiner  Diöcese  bei 
Strafe  der  Excomm.  1.  sent.,  denselben  zu  vertheilen  und  Subscrip- 
tionen  anzunehmen.  Am  14.  Aug.  1759  verbot  auch  die  Inq.  den 
Prospectus;  er  steht  noch  heute  im  Index  unter  Progetto.  Goujet 
sagt  in  seinen  M^moires:  er  habe  den  Prospectus  verfasst  und  er 
habe  es  auf  Ersuchen  des  Card.  Passionei  übernommen,  die  Einlei- 
tungen zu  den  Werken  Amaulds  zu  schreiben  (Arn.  1,  XI).  Nach 
Goujets  Tode  (1767)  erschien  1774  ein  neuer  Prospectus  und  dann 
1775—1782  zu  Lausanne  Oeuvres  de  M.  Arnauld,  im  Auftrag 
Dupac  de  Bellegarde's  von  Abb6  Hautefage  besorgt,  in  42  vol.  4.; 
dazu  kamen  als  43.  Yie  de  M.  Arnauld  (von  Larri^re)  und  ein  Re- 
gister (von  Hautefage)  und  die  Perpetuite  de  la  foi,  1781 — 82,  6 
tomes  in  7  vol.  4.  ^).     Die  Ausgabe  steht  nicht  im  Index. 

8.  Gabriel  Gerberon,  geb.  1628,  seit  1649  Mitglied  der  Con- 
gregation  der  Mauriner,  seit  1682  flüchtig  in  den  Niederlanden,  nach 
der  Yerurtheilung  durch  Precipiano  bis  1707  in  Haft  zu  Amiens, 
dann  in  Yincennes,  nachdem  er  das  Formular  unterschrieben,  1710 
in  Freiheit  gesetzt,  worauf  er  seine  Unterschrift  zurücknahm,  f  1711, 
hat  über  100  Schriften  herausgegeben^).  Sein  Name  kommt  im 
Index  nicht  vor;  aber  ausser  den  bereits  erwähnten  (über  seine 
Ausgabe  des  Bajus  s.  I  446)  stehen  folgende  Schriften  von  ihm 
darin:  Le  Miroir  de  la  piet6  chr^tienne,  oü  l'on  consid^re  avec  des 
r^flexions  morales  Fenchainement  des  v6rit^s  cath.  de  la  Prädesti- 
nation et  de  la  gräce  de  Dieu  et  de  leur  alliance  avec  la  libert^ 
de  la  cr^ature,  par  Flore  de  Sainte-Foy,  Brux.  1676,  Liege  1677, 
296  S.  12.,  mit  einer  Suite  du  Miroir  de  la  p.  ehr.,  verb.  1678. 
Das  Buch  wurde  auch  von  mehreren  Bischöfen  verb.  und  es  er- 
schienen 1678  zwei  Gegenschriften.  Gerberons  Yertheidigung :  Le 
Miroir  sans  tache  oü  Ton  voit  que  les  v6ritis  que  Flore  enseigne 
dans  le  Miroir  de  la  pi6t6,  sont  tr^s-pures,  et  que  oe  qu^on  a  äcrit 
pour  les  r^futer,  n^est  rempli  que  dUnjures,  de  iaussetes  et  d'erreurs, 
par  Tabbe  Yalentin,  Par.  1680,  12.  (ein  Auszug  im  Proces  III,  34) 
wurde  nicht  verb.,  aber:  Factum  circa  propositiones  libri  cui  tit.: 
Le  Miroir  .  ,  .  ex  quibus  üdeliter  extractis  et  coUectis  collatisque 
cum  Janseniana  doctrina  clare  patet,  illas  prava  et  haeretica  dog- 
mata  coutinere,  auth.  Andrea  Sanguin.  —  Disquisitiones  duae  de 
gratuita  praedestinatione   et  de  gratia  seipsa  efficaei,    Ant.  Martine 


1)  Ami  de  la  rel.  1819,  18,  268. 

2)  (Tassin)  Hist.  litt,  de  la  Congr.   de  St.  Maur.  p.  Sil.     HaurSau, 
Hist.  litt,  du  Maine  4,  72. 


G.  Gerberon.  P.  Qaesnel.  661 

dn  Cliesne  Theol.,  Par.  1697,  verb.  8.  Mai  1697  (vor  Ben.  nicht  im 
Index);  die  französische  Bearbeitung:  Traitez  bist,  sur  la  grftce  et  la 
Prädestination,  par  Tabbe  de  St  Julien,  Sens  1699,  ist  nicht  verb.  (Pro- 
cSs  I,  28.  55).  —  Adumbrata  Ecclesiae  Rom.  catholicaeque  veritatis  de 
gratia  adv.  M.  Leydeckeri  in  sua  Hist.  Jansenismi  hallucinationes  inju- 
stasque criminationes defensio, vindice Ignatio  Eyckenboom  Theologo. 
In  Batavia  1696,  von  der  Inq.  verb.  1699  (Leydeckers  Buch  wurde 
nicht  verb.).  —  Defense  de  TEglise  Rom.  contre  les  calomnies  des 
protestans,  contenant:  Le  juste  discernement  de  la  croyanpe  cath. 
d'avec  les  sentiments  des  protestans  et  des  P^lagiens  touchant  la 
Prädestination  et  la  gr4ce,  mis  en  fran^ais  par  C.  B.  R.,  et  les  En- 
tretiens  de  Dieudonn6  et  de  Romain  sur  la  meme  mati^re,  avec  an 
Abr^gi  de  Th^resie  des  P^lagiens,  composes  par  G.  de  L.,  th^olo- 
gien,  et  mis  en  francais  par  A.  K.,  von  Precipiano  1695,  von  der 
Inq.  1704  verb.  Die  erste  Schrift  war  zuerst  allein  holländisch 
erschienen ;  sie  stellt  die  pelagianische,  calvinistische  und  katholische 
[Augustinische]  Lehre  in  3  Spalten  neben  einander  ^).  —  Gleichzeitig 
wurde  verb.  La  confiance  chr^tienne  appuyie  sur  quatre  princi- 
pes  in^branlables,  d'od  s'en  suivent  necessairement  les  principales 
verit^s  qui  regardent  le  salut  des  hommes,  Utrecht  1700,  Beweis, 
dass  die  Semipelagianer  der  Lehre  des  h.  Aug.  von  der  Prädesti- 
nation mit  Unrecht  vorgeworfen,  sie  führe  zur  Verzweiflung.  Das 
Buch  wurde  auf  Ersuchen  des  Erzbischofs  von  Mecheln  1703  Äuch 
von  der  Löwener,  1704  von  der  Facultät  zu  Douay  censurirt  (Pro- 
ces  1,83.  II,  16.  Arg.  III  b  439).  —  Im  span.  Index  von  1747 
werden  alle  Werke  von  Gerb,  verb.,  mit  der  Bemerkung,  die  frei- 
zugebenden würden  später  namhaft  gemacht  werden,  was  nicht  ge- 
schehen ist. 

9.  Pasquier  (Paschasius)  Quesnel,  geb.  1634,  seit  1657 
Oratorianer,  1685 — 94  mit  Arnauld  in  den  Niederlanden,  seit  dessen 
Tode  das  Haupt  oder  wenigstens  der  bedeutendste  Schriftsteller  der 
Partei,  f  1719^),  ist  für  die  Geschichte  des  Index  namentlich  als 
Verfasser  des  Buches  von  Bedeutung,  gegen  welches  die  Bulle  Uni- 
genitus  gerichtet  ist.  Unter  seinem  Namen  steht  im  Index  nur: 
S.  Leonis  Magni  opera,  dissertationibus,  notis,  observationibusque 
illustrata,  Par.   1675,  2  vol.  4.,  verb.  1676.     Vor  Ben.  hiess  es  im 


1)  In  dem  Exemplare,  welches  ich  gesehen,  ist  Defense  .  .  .  prote- 
stans der  gemeinsame  (Schmutz-)Titel;  dann  folgt  Le  juste  . . .  par  C.  B.  R., 
Gol.  1691;  dann  Les  Entretiens  und  mit  fortlaufender  Paginirung  p.  144 
Abrege  .  .;  am  Ende  steht  eine  Approbation  vom  J.  1688.  Bei  Precipiano 
wird  das  ganze  Buch  als  Col.  1688  erschienen  angegeben. 

2)  S.-Beuve  5,  482  sagt:  wenn  er  in  seinem  Suche  Quesnel  zu  be- 
sprechen hätte,  würde  es  seine  Aufgabe  sein,  ä  demeler  l'homme  vrai  d'avec 
le  sombre  fantome  que  s'en  sont  fait  les  partis,  und  sein  Leben  darzu- 
stellen als  une  vie  de  disputes,  de  fuites  et  de  refuites  et  de  pratiques 
souterraines.  Le  compagnon  fiddle  d'Arnauld  dans  ses  derni^res  annees, 
il  n'eut  pas  ses  imposantes  qualites  et  poussa  plus  loin  ses  defauts.  —  In 
der  18.  Ed.  des  Dictionnaire  de  Morery,  Amst.  1740,  s.  v.  Quesnel  werden 
66  anonyme  Schriften  von  ihm  verzeichnet. 


662  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

Index,    wie   in    dem   Decrete  (C.  Qu.    p.  331):    P.  Qnesnel  Disser* 
tationes,  notae,   observationes,    emendationcR,   interpretationes,    adno- 
tationes,  postillae  ad  S.  Leonis  M.  opera  et  ad  Codicem  canonum  et 
constitutionum  Sedis  Apost.  Hauptsächlich  hatte  die  5.  Dissertation, 
über   den  Streit  Leo's    mit  Hilarius  von  Arles,   Anstoss  erre^  und 
dass   er  einen    Theil    der  Acten    der    Synode     von    Chalcedon,  der 
zu  Gunsten    der  Komischen  Ansprüche  spricht,    für  unächt    erklärt 
(C.  Qu.    p.  337).     Die  Ausgabe  wurde  trotz  des  Verbotes  1700  zu 
Lyon  vollständig  neu  gedruckt,  der  blosse  Text  auch  Venedig  1741 
u.  6.  (Hurter  2,  791).     —     Ueber  das  Verbot   schrieb  Q.  1677    an 
Magliabechi  (Valery  3,  240):  Man  hat  mir  von  Rom  mehrere  M^moires 
über  die  Punkte  geschickt,  an  denen  man  Anstoss  genommen;   aber 
das  alles  ist    sehr  kleinlich  und  nicht  geeignet,    mir  Furcht    einzu- 
flössen.    Card.  Barberini   hat   die  Gnade  gehabt,    mir  Varianten   zu 
schicken  und  bezeugt  mir  viel  Freundlichkeit;  man  stellt  mir  sogar 
die  Collationen  von  Latinus  Latinius  in  Aussicht  .  .  .  Ich  habe  mich 
genöthigt  gesehen,  auf  einige  Bemerkungen  zu  antworten,  die  mir  Card. 
Barberini  geschickt  hat.     Es   sind  darunter  Bemerkungen  yon  Mgr. 
Suares  (Hurter  2,  140),    von  dem  Erzbischof  von  Rossano  und  von 
dem  Oratorianer  Marquez  (diese    hatten    also    wohl    für    die  Index- 
Congr.    referirt).     Die  Ehre,    die  man  mir  erwiesen,    mich    in    den 
Index    zu  setzen,    hat    mir    die  Bekanntschaft    dieser  Eminenz    ver- 
schafft, die  mir  viele  Güte  erweist  und  mir  viele  Varianten  geschickt 
hat,    um   meine  Textesänderungen    zu  verbessern    oder   vielmehr  zu 
bestätigen.     Im  Sept.  1678  schreibt  er:    Es  ist  nicht  ehrenvoll  für 
diejenigen,  die  mich  bekämpfen  wollen,  dass  man  drei  Jahre  gewartet 
hat    und    nun    nur    einen  guten  Flamländer   gegen    mich    bewaffnen 
kann,  der  nicht  gerade  der  furchtbarste  Mensch  ist  [Emannel  Schel- 
strate,    der  in  der  Antiauitas  illustrata,    Antw.  1698,  gegen  Q.  po- 
lemisirt].      Den  Wolf    [Christ.  Lupus,    der  1681   gegen  Q.  schrieb, 
Hurter  2,  477]  will  ich  abwarten;    ich  glaube  nicht,    dass   er  mich 
fressen  wird.      Ist   denn  das  Index-Decret  nicht  genügend  gewesen, 
das   Unrecht  wieder  gut  zu  machen,    das  ich  ihnen  angethan  haben 
soll,    dass  sie  Bravos  dingen,    mich  zu  schlagen  und  zu  ermorden? 
Das  Gerücht,    ich  hätte  widerrufen,   ist  falsch.     Ich  habe   mir  viel- 
mehr erlaubt,    an   Se.    Heiligkeit    und    den    Card.    Cybo    Briefe    zu 
schreiben,    worin  ich  mich  so  freimüthig  und  kräftig  über  das  un- 
recht,   das  man  mir  durch  das  Verbot  meines  Buches  angethan,  be- 
klage, dass  diejenigen,  denen  ich  die  Briefe   nicht  verschlossen  über- 
sandt,  sie  nicht  haben  abgeben  wollen  (Ein  Auszug  aus  dem  Briefe 
an  den  Papst  C.  Qu.  p.  336).     Meine  Antwort  an  den  Card.  Barbe- 
rini ist  der  Art,    dass  sie    nur  diejenigen  als  eine  Retractation  auf- 
fassen können,  welche  die  Nacht  als  Tag  ansehen.  —  Nach  dem  Er- 
scheinen des   Buches  von  Lupus  verfasste  Q.  eine  Schrift   über  das 
Index-Decret   (C.  Qu.  p.  341),    von  deren  Veröffentlichung  Amanld 
(2,  150.  159)  ihm  abrieth,  u.  a.  mit  der  Bemerkung:  Sie  thuen  der 
Index-Congregation  zu  viel  Ehre  an,  indem  Sie  sich  mit  so  viel  Emotion 
gegen  sie  vertheidigen  ^). 


1)  In  den  Opera  Jos.  M.  Thomasii  Card.  7,  897  steht  eine  Verthei- 


P.  Quesnel.     J.  L.  Hennebel.  668 

Ausser  diesem  Buche  und  dem  durch  die  Bulle  ünigenitus  ver- 
botenen steht  noch  eine  Reihe  von  anonymen  und  Pseudonymen 
Schriften  von  Q.  im  Index,  ausser  den  anderswo  erwähnten  fol- 
gende: Defense  de  TEglise  Eomaine  et  des  Souverains  Pontifes  contre 
Melchior  Leydecker,  Theologien  d'Utrecht,  avec  un  recueil  de  plu- 
sieurs  Berits  curieux  et  importants  pour  Thistoire  de  la  paix  de 
l'eglise  sur  les  questions  du  temps,  par  M.  Germain,  Dr.  en  Th., 
Li^ge  1696,  von  der  Inq.  verb.  1704;  es  ist  eine  Fortsetzung  der 
(nicht  verbotenen)  Tradition  de  T^glise  Rom.  sur  la  predestination 
des  saints  et  sur  la  gräce  efficace,  Col.  1687,  3  vol.  (Reuchlin  2,  801). 
—  L'6tat  präsent  de  la  facult^  de  thiologie  de  Louvain,  oü  Ton 
traite  de  la  conduite  de  quelques-uns  de  ses  thiologiens  et  de  leurs 
sentimens  contre  la  souverainete  et  la  sürete  des  rois  et  contre  les 
qnatre  articles  du  Clerge  de  France.  En  trois  lettres.  Avec  plu- 
sieurs  pi^ces  curieuses  sur  ces  mati^res,  Trevoux  1701*,  12.,  verb. 
1703.  Die  Schrift  wurde  bei  der  Haussuchung  unter  Q.'s  Büchern 
gefanden  (C.  Uu.  p.  447);  ob  sie  von  ihm  verfasst  ist,  ist  zweifel- 
haft (Reuchlin  2,  806).  Sie  enthält  viele  interessante  Mittheilungen 
über  Vorgänge  an  der  Universität  und  charakterisirt  namentlich 
Daelman,  Desirant,  Clenaerts  und  Martin.  Man  sieht,  dass  damals 
der  Gegensatz  zwischen  Curialismus  und  Gallicanismns  (neben  dem 
Gegensatze  zwischen  Laxismus  und  Rigorismus)  eine  ebenso  grosse 
Rolle  spielte  wie  der  Gegensatz  bezüglich  der  Gnadenlehre.  Der 
Verfasser  sagt  ganz  richtig  p.  96,  seit  1682  habe  man  zu  den  Jan- 
senisten    auch    die  Anhänger  der  gallicanischen   Lehre   gezählt  ^). 

10.  Von  Hennebel  war  schon,  ehe  er  nach  Rom  ging,  eine  kleine 
Schrift  verb.  worden :  Theses  sacrae  ex  epist.  B.  Pauli  Ap.  ad  Rom., 
qua«  pro  adipiscendo  s.  theologiae  magisterio  exposuit  Lov.  17.  Aug. 
1682,  schon  14.  Oct.  1682,  also  ungewöhnlich  rasch,  von  der  Inq. 
verb.,  und  zwar  durch  ein  besonderes  Decret  Fer.  IV.  In  dem  De- 
crete  (Const.  p.  190)    wird  er  Nen-Nebel  (Nenhebel)  genannt;  auch 


digung  des  Cardinais  von  P.  del  Pezzo,  worin  es  u.  a.  weitläufig  gerecht- 
fertigt wird,  dass  Tommasi  Quesnel  als  Herausgeber  des  Leo  eruditus 
genannt. 

1)  C.  Qu.  p.  256  wird  viel  Aufhebens  gemacht  von  einem  dort  ab- 
gedruckten, unter  Quesnels  Papieren  gefundenen  Concept  eines  Briefes, 
der  Les  disciples  de  S.  Augustin  unterschrieben,  an  den  französischen  Be- 
vollmächtigten zu  Regensburg  1684,  Comte  d'Avaux  gerichtet  ist  und  die 
Bedingungen  angibt,  welche  die  Schüler  des  h.  Augustinus  bei  dem  Ab- 
schluss  des  20jährigen  Waffenstillstands  zu  stellen  hätten.  Das  Projet  bar- 
lesque  ist  offenbar,  wie  S.-Beuve  6,  178  sagt,  eine  badinerie,  die  Arnauld, 
Quesnel  und  Ernest  Ruth  d'Ans  zum  Scherz  gemacht.  —  Fenelon  bezeich- 
nete in  einer  Instruction  past.  (14,  114)  Q.  als  Verfasser  der  Ancienne 
heresie  des  Jesuites  renouvelee  dans  un  Mandement  publie  sous  le  nom 
de  M.  Teveque  d'Arras  du  3L  Dec.  1697,  denoncee  ä  tous  les  eveques  de 
France.  Q.  schrieb  darauf  Desaveu  du  libelle  calomnieux  attribue  au  P. 
Q.  dans  la  demiere  Instr.  past.  de  M.  Parchev.  de  Cambrai,  1709,  76  S. 
12.,  worin  er  die  Vennuthung  äussert,  jene  Schrift  sei  von  einem  Jesuiten, 
der  sich  als  Jansenisten  anstelle. 


664  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

in  den  Indices  hat  er  bis  Ben.  Nen-Nebel  und  Nennebel  geheissen. 
Im  Dict.  Jans.  4,  102  werden  ans  diesen  Thesen  die  Sätze  angeführt: 
Franz  von  Sales  war  von  dem  Irrthum  der  Semipelagianer  ange- 
st-eckt.  Johannes  Capistranas  ist  zwar  von  Alexander  VIII.  cano- 
nisirt  worden,  aber  darum  ist  seine  Lehre  nicht  minder  verderblich, 
und  wenn  wir  an  seiner  Heiligkeit  zweifeln,  sind  wir  darum  nicht 
weniger  gut  katholisch.  Da  Alexander  VIII.  erst  1689  Papst  und 
Capistranus  erst  1694  selig  gesprochen  wurde,  so  kann  dieses  Hen- 
nebel  1682  nicht  geschrieben  haben.  —  Als  er  1690  eine  von  Ar- 
nauld  (3,  268)  gelobte  These  De  sacerdote  lapso  veröffentlichte  (ab- 
gedr.  Opuscula  p.  411),  drohte  Steyaert,  gegen  den  sie  gerichtet  war, 
mit  Rom;  sie  wurde  aber  ebensowenig  verboten  wie  irgend  eine 
andere  Schrift  von  ihm.  1708  unterschrieb  Hennebel  die  Bulle  Vi- 
neam,  1715  mit  der  ganzen  Facultät  die  Bulle  Unigenitus,  f  1720 
(Paquot  3,  628).  —  In  Fen^lons  Briefwechsel  4,  369.  480  ist  von 
einer  von  Hennebel  oder  einem  seiner  Schüler  verfassten  Diesertatio 
de  nova  quadam  fidei  professione  circa  Jansenii  condemnationem  die 
Rede,  die  1713  Clemens  XI.  vorgelegt  wurde  (zuerst  gedruckt  bei 
F6n.  15,  51 ;  es  ist  ein  Vermittlungsvorschlag).  Dieser  wollte  an- 
fangs mit  einem  Breve  antworten;  die  Entscheidung  wurde  aber,  wie 
Daubenton  1714  schreibt,  trotz  dessen  wiederholter  Erinnerung  hin- 
ausgeschoben, weil  man  mit  politischen  Fragen  beschäftigt  war. 

Jo.  Opstraet,  1651—1720,  wird  von  Hurter  2, 677  als  Orakel 
der  Jansenisten  bezeichnet,  war  in  viele  theologische  Kämpfe  ver- 
wickelt, —  er  schrieb  u.  a.  gegen  Francolinus;  L.  de  Meyer,  Huy- 
lenbroucq  und  andere  Jesuiten  schrieben  gegen  ihn ;  —  und  doch 
stehen  nur  wenige  Schriften  von  ihm  im  Index,  unter  seinem  Namen 
nur  eine  der  unverfänglichsten:  Pastor  bonus,  seu  idea,  officium  et 
praxis  pastorum,  und  von  dieser  zuerst  1687  erschienenen  Schrift 
wurde  erst  die  1764  von  dem  Bischof  von  Passau  für  seine  Geist- 
lichkeit veranstaltete  Ausgabe  (mit  Aenderungen  und  Zusätzen)  1766 
von  der  Inq.  verb.^).  —  Nach  der  Annahme  der  Bulle  Unigenitus 
durch  die  Löwener  Facultät  schrieb  0.  anonym :  Antiquae  facultatis 
Lovaniensis  qui  adhuc  per  Belgium  superstites  sunt  discipuli  ad 
eos  qui  hodie  Lovanii  sunt  theologos  de  declaratione  S.  Fac.  Tb. 
Lovan.  recentioris  circa  Const.  Unigenitus,  1716,  verb.  1734.  Nach 
seinem  Tode  erschienen  De  locis  theologicis  dissertationes  X.  Theo- 
logi  Lovaniensis,  Insuli«  1737,  verb.  1739,  weil  darin  die  Unfehl- 
barkeit der  Kirche  bezüglich  der  nicht  geoffenbarten  Thatsachen,  die 
Unfehlbarkeit  und  weltliche  Gewalt  des  Papstes,  die  Geltung  der  4. 
Regel  des  Index  u.  s.  w.  bestritten  werden.  Trotz  der  Verbote  er- 
schienen seine  Opera  omnia  Ven.  1771*,  9  vol.  8. 


1)  Jo.  Opstraet  Pastor  bonus  .  .  .  jussu  Lcop.  Ernesti  de  Firmian 
Episcopi  Passav.  suae  dioeceseos  clero  pro  norma  agendi  propositus  (N. 
Biblioth.  Frib.  1775,  1,  252).  Die  N.  E.  1767,  104  meinen,  man  habe  die 
Bischöfe  von  Passau  und  Augsburg,  —  auch  dieser  hatte  das  Buch  seinen 
Geistlichen  empfohlen,  —  mit  dem  Verbote  für  andere  Vergehen  gegen 
die  Curie  strafen  wollen.  —  Ausführlich  über  Opstraet  Mor^ry,  Suppl. 


J.  Opstraet.    Henrioas    a  S.  Ig^natib.  665 

Im  J.  1709  erschien  zu  Lüttich:  Etbica  amoris  s.  Theologia 
sanctornm,  magni  praesertim  Angnstini  et  Tboxoae  Aquinatis,  circa 
nniversam  amoris  et  morum  doctrinam  ad  versus  novitias  opiniones 
strenne  propttgnata  et  in  materiis  principaliter  liodie  controversis 
fundamental iter  discussa  per  Fr.  Henricum  a  S.  Ignatio  Athensem, 
Ord.  Fr.  B.  M.  V.  de  Monte  Carmelo,  8  vol.  Fol.  L.  de  Meyer 
2,  611  sagt:  die  Ordensoberen  hätten  das  Buch  missbilligt  und  die 
Approbation  des  General vicars  von  Lüttich  sei  erdichtet  gewesen  und 
das  Buch  darum  von  dem  Fürstbischof  verboten  worden;  der  Ver- 
fasser sage,  es  gebe  keine  Jansenisten,  der  Jansenismns  sei  ein 
Phantasma,  citire  St.  Amour,  Pascal  und  andere  verbotene  Schrift- 
steller, nach  Dict.  jans.  2,  99  auch  Quesnels  Reflexions  u.  s.  w.  (vgl. 
M^m.  de  Trevoux  1715,  100).  In  Rom  wurde  das  Buch  u.  a.  von 
Pension  denuncirt;  sein  dortiger  Correspondent,  der  Jesuit  Danben- 
ton  schreibt  ihm  (Corr.  3,  370)  im  Mai  1711 :  Der  Papst  habe  dem 
Card.  Fabroni  aufgetragen,  Qualificatoren  für  das  scandalöse  Buch 
auszusuchen ;  mais  il  faut  du  flegme  en  un  pays  oü  tout  se  fait  avec 
une  lenteur  inflnie.  Erst  12.  Sept.  1714  verbot  die  Inq.  den  1.  Band, 
erst  29.  Juli  1722  das  ganze  Werk  (bis  Ben.  stand  in  den  Indices 
der  1.  Band  unter  Aethica,  das  ganze  Werk  unter  Ethica).  Vor  dem 
Verbote  des  Buches  veröffentlichte  P.  Henricus  noch  Gratiae  per  se 
efflcacis  s.  Augustinianae,  Thomisticae  adv.  injustam  Jansenismi  ac- 
cusationem  justa  defensio,  ubi  etiam  Theologia  mor.  sanct.  adv.  in- 
justos  detractores  defenditur,  1713,  worauf  Streitschriften  von  L.  de 
Meyer  u.  a.  erschienen  ^).  Dieses  Buch  wurde  nicht  verb.  —  Schon 
früher  hatte  P.  Henricus  veröfiPentlicht:  Artes  Jesuiticae  in  sustinen- 
dis  pertinaciter  novitatibus  damnabilibusque  Sociorum  laxitatibus, 
quarum  sexcentae  et  sexaginta  hie  exhibentur  S.  D.  N.  Clementi  P.XI. 
denuntiatae  per  Christianum  Aletophilum,  Salisburgi  apud  Ama- 
torem  Kerckove  1703^),  357  S.  12.  Diese  Ausgabe  wurde  von  der 
Index-Congr.  1709  verb.,  eine  Editio  secunda  media  fere  parte  auc- 
tior,  Argent.  apud  Am.  Kerckhoven  1710,  von  der  Inq.  1711;  da- 
gegen ist  nicht  verb.  eine  3.  Ausg.,  cum  vindiciis  priorum  editionum, 
Argent.  1717*,  582  S.,  dann  Ad  artes  Jes.  Appendix,  in  qua  de- 
monstratur,  A.  Huylenbroucq  S.  J.  vindicationes  adv.  praesentem 
librum  frivolas  esse  ac  prorsus  infundatas,  62  S.  8.  —  Auffallender 
Weise  ist  auch  ein  zweites  Antijesuiticum  von  P.  Henricus  nicht 
verb.:  Tuba  mirum  clangens  sonum  ad  dementem  XI.  .  .  .  per 
Liberium Gandidum,  1713.  Die  2.  Auflage  hat  den  Titel:  Tuba  altera 
majorem  clangens  sonum,  Argent.  1714,  die  3.:  Tuba  magna  mirum 
cl.  s.  Ed.  3.,  Argent.  Itl7*,  2  vol.  Im  2.  Bande  sind  auch  die 
Protocatastasis,    die  Monarchia  Solipsorum   und   andere  ältere  Anti- 


1)  Werner,  Suarez  1,  336  Bibl.  Carm.  1,  625.  P.  Henr  a.  S.  Ign. 
starb  1719.  89  Jahre  alt. 

2)  Das  Titelblatt  ist  (sehr  schlecht  und)  offenbar  anderswo  gedruckt 
als  das  Buch  selbst  und  allem  Anscheine  nach  statt  des  ursprünglichen 
eingeklebt. 


666  Streitigkeiten  in  den  Niederlanden. 

jesuitica    abgedruckt.      Sonst    ist   Arnaulds    Morale    pratique   stark 
benutzt^). 

Franc.  Martin,  ein  Irländer,  geb.  1652,  von  Precipiano  nach 
der  Absetzung  Opstraets  1691  zum  Professor  im  Mecbelner  Seminar 
ernannt,  später  Professor  in  Löwen,  seit  1701  Mitglied  der  engem 
Faoultät,  t  1721,  war  lange  ein  eifriger  Gegner  der  Jansenisten 
und  Gallicaner  (L'^tat  pris.  p.  148).  Arnauld  (3,  385)  berichtet, 
eine  These  gegen  die  Augustinische  Lehre,  die  er  1691  im  Seminar 
habe  vertheidigen  lassen,  sei  in  Korn  verdammt  und  ihm  ein  scharfer 
Verweis  ertheilt  worden  (ich  finde  sie  in  keinem  Index).  Eine  kleine 
Schrift  gegen  Hennebel  wurde  1704  von  der  Inq.  verb.  (S.  655). 
Später  sagte  er  sich,  wie  er  selbst  sagt,  namentlich  in  Folge  der 
Fourberie  de  Louvain  (s.  u.)  von  seinen  bisherigen  Parteigenossen 
los.  1711  wurde  er  von  ihnen  bei  dem  Rector,  dem  Erzbischof  und 
dem  Internuncius  verklagt,  1712  nochmals,  jetzt  wegen  einer  von 
ihm  angekündigten  These :  ein  allgemeines  Concil  sei  wtinschenswerth 
und  leicht  möglich,  wenn  alle  Bischöfe,  Hirten  und  Doctoren  ihrer 
Stellung  würdig  wären.  Auf  Betreiben  des  Internuncius  verbot  die 
Facultät  die  Disputation  über  diese  These,  und  Martin  veröffentlichte 
nun:  Nodus  in  scirpo  quaesitus  a  Molinistis  et  eorum  asseclis  contra 
D.  Martin,  s.  Motivum  juris  in  causa  thesis  Lovanii  defensae  5. 
Martii  1712  praeside  eodem  Dootore.  Oblatum  Urbi  et  orbi,  25 
S.  4.  (vom  21.  März  datirt).  Die  Jesuiten  veröffentlichten  nun  am 
folgenden  Tage  ein  Motivum  juris  über  zwei  Beden,  die  M.  im  Ja- 
nuar gehalten  und  worin  er  Arnauld  und  Quesnel  gelobt  und  gesagt 
hatte,  der  Cardinal  Tournon  sei  der  Wuth  der  Jesuiten  zum  Opfer 
gefallen.  Schon  am  23.  replicirte  M.  in  einem  Alterum  Motivum 
juris  contra  patres  Soc.  ac  eorum  patronos  et  asseclas,  4  Bl.  4. 
Vom  10.  Mai  1712  ist  datirt  Tertium  motivum  juris  contra  Patres 
Jesuitas  et  ceteros  Molinistas,  oblatum  Urbi  et  orbi,  cujus  priori 
parte  exhibetur  confessio  et  retractatio  erratorum,  de  quibus  tan  tum 
abest,  ut  adversarii  Doctorem  illum  accnsarent,  quin  potius  impense 
laudarent,  posteriori  vero  parte  diluuntur  falsa  crimina  ei  dem  Doctori 
per  eosdem  objecta,  44  S.  4.,  die  interessanteste  unter  diesen  Streit- 
schriften, weil  M.  darin  eine  Art  Selbstbiographie  gibt,  die  er  be- 
züglich seiner  früheren  Schrift-steil erei  als  publicorum  meorum  de- 
lictorum  confessio  bezeichnet.  Es  folgte  noch  in  demselben  Monate 
Quartum  juris  motivum  in  causa  Doctoris  Martin  contra  theologos 
Societatis  et  cunctos  eis  adhaerentes  et  faventes,  oblatum  Urbi  et 
orbi,  quo  exponuntur  beneficia,  quae  ille  Doctor  quibusdam  eorum 
[Damen  und  Parmentier]  praestitit,  et  gravamina,  quae  passus  est 
ab  eis,  narraturque  historia  informationum  hisce  diebus  captarum 
sub  Yicario  generali  Mechlin.  contra  illum,  24  S.  4.  Die  beiden 
ersten  Stücke  wurden  22.  Juni,  die  beiden  letzten  29.  Nov.  1712 
von  der  Inq.  verb.  und  die  Sächelchen  stehen  noch  heute,  seit  Ben. 
mit  abgekürzten  Titeln,    unter  Martin  im  Index.      In  dem  Sammel- 


1)  Ueber  die  Gegenschriften  von  Huylenbroucq  8.  Backer  2, 306. 


Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controversen.  667 

baode,  in  welchem  ich  sie  gefanden,  stehen  noch  Artionli  per  quos- 
dam  objecti  Doctori  Martin  cum  responsis  ad  illos  ab  eo  datis  .  .  . 
Apost.  Internuncio,  Lov.  Apr.  1713,  12  S.  4.,  eine  Antwort  auf  fünf 
Dennnciationen  ans  den  J.  1712  und  13.  Er  sagt  darin  p.  12,  er 
habe  seine  Motiva  dem  Urtheile  des  h.  Stuhles  unterworfen  und 
füge  sich  (acquiesco)  ihrer  Verdammung. 

In  den  ersten  Jahren  des  18.  Jahrh.  spielte  sich  in  Belgien 
auch  die  Controverse  über  die  Acten  der  Congregationes  de  auxiliis 
ab  (S.  308). 

Ausser  den  bereits  erwähnten  belgischen  Theses  stehen  noch 
mehrere  im  Index,  als  1704  von  der  Inq.  verb.  von  den  Jesuiten 
Nie.  Raye  und  J.  B.  van  der  Woestyne  (von  diesem  zwei,  eine  von 
6,  eine  von  8  Bl.)  und  von  des  letztern  Gegner,  dem  Dominicaner 
Chr.  Frentz,  femer  von  dem  Augustiner  Housta.  Es  mögen  liier 
gleich  auch  die  anderen  im  Index  stehenden  Thesen  verzeichnet  wer- 
den, die  nicht  anderswo  erwähnt  werden  und  von  denen  sich  meist 
nicht  ermitteln  lässt,  auch  zu  untersuchen  nicht  der  Mühe  lohnt, 
warum  sie  verb.  sind.  Thesen  der  Sorbonne  stehen  unter  Binet, 
Blouet,  Cougniou,  Courcier,  Grenet,  Mayou,  de  la  Grange,  Mazure, 
Le  Meur,  Le  Paige,  andere  französische  unter  Cuillerie,  Franchois, 
Issautier,  Jardin  (Jesuit),  Sagu  (Jes.),  —  deutsche  unter  Chasteau 
(Jesuit  zu  Köln),  Collendal  (Jesuit  zu  Münster),  Conen  (Dom.  zu 
Coblenz;  einer  der  Respondenten  war  ein  Baron  von  Walpot),  Hilden 
(Dom.  in  Köln),  Ursaya  (Minorit  in  Köln),  —  Panicelli  (Jesuit  zu 
Verona  1719,  doch  nicht,  wie  jetzt  im  Index  steht,  erst  1784,  son- 
dern 1722  von  der  Inq.  verb.),  und  Cortasse  (Romae  in  aede  Mini- 
morum  14.  Apr.   1703,  von  der  Inq.  verb.  15.  Mai  1703). 


66.     Gontroyersen,  welche  mit  der  Jansenistischen 

Zusammenhangen. 

Die  Jansenistische  Controverse  spielte  sieh  im  17.  Jahr- 
hondert  vorzugsweise  in  Frankreich  und  den  Niederlanden  ab. 
Es  wurde  auch  eine  Anzahl  von  Schriften  aus  anderen  Ländern 
verboten,  welche  über  die  Gnadenlehre  handeln;  sie  sind  aber 
von  untergeordneter  Bedeutung.  In  der  Geschichte  des  Iudex 
sind  aber  auch  solche  Bücher  zu  besprechen,  deren  Verbot  in 
Rom  beantragt  wurde,  die  aber  dort  freigegeben  wurden.  Ein 
besonders  merkwürdiges  Beispiel  der  Art  ist  ein  1673  erschienenes 
Werk  über  den  Pelagianismus  und  die  Gnadenlehre  des  h.  Au- 
gustinus von  dem  Augustiner  Heinrich  Noris  (seit  1695  Cardinal, 
t  1704),  welches  wiederholt  von  den  Jesuiten  und  dem  Francis- 


668  Mit  der  Jancns.  zusammenhangende  ControTersen. 

caner  Macedo  als  Jansenistisch  denuncirt,   dreimal   in  Rom  ge- 
prüft und  freigegeben  wurde,    -—    verboten  wurden  nur  einige 
Streitschriften  von  seinen  Gegnern  und  eine  von  ihm,    —    und 
welches  gleichwohl  1747  in  Spanien  als  Jansenistisch  verboten 
wurde,  was  zu  einem  interessanten  Schreiben  Benedicts  XIV.  an 
den  spanischen  General-Inquisitor  Anlass  gab   (§  78).   —   Auch 
andere  Theologen  wurden  von  den  Jesuiten  und  ihren  Freunden, 
welche,  wie  Card.  Bona  sagt,  jeden,  der  nicht  ein  Molinist  war, 
als  Jansenisten  ansahen,  denuncirt  oder  angegriffen,  namentlich 
Dominicaner  und  Augustiner,  welche  die  in  den  Schalen  ihrer 
Orden  herkömmliche  Gnadenlehre  vortrugen;  —  manche  hoben 
dabei    ausdrücklich   hervor,   dass  sich   diese  von   der  Janseni- 
stischen  unterscheide,    und  wurden  daflir  dann  auch  wie  Noria 
von   den  Jansenisten   angegriffen;    —    aber  mit  Ausnahme  des 
Spaniers  Gonzalez  de  Rosende  und  des  französischen  Oratorianers 
Juenin   ist  kein  bedeutender  Theologe    dieser  Richtung  in  den 
Index  gekommen,  wohl  aber  u.  a.  pine  Censur  der  Facultät  von 
Douay  vom  J.   1722,   in    welcher    die  Dominicaner   Contenson 
und  Massoulie    als   Jansenisten    bezeichnet    wurden.    Auf   der 
andern  Seite  wurde  auch  trotz  sehr  starker  Denunciationen  ein 
1697  erschienenes,  über  Molina  noch  hinausgehendes  Buch  von 
Sfondrato,  der  freilich  Cardinal  war,  nicht  verboten.    —    Auch 
die  Mauriner  Ausgabe  der  Werke  des  h.  Augustinus  wurde  als 
Jansenistisch  angegriffen,  aber  in  Rom  in  Schutz  genommen.  — 
Durch  ein   besonderes  Breve  Clemens'  XI.  vom  J.  1704   wurde 
ein  angeblich  von  J.  Launoy  verfasstes,  erst  1703  nach  seinem 
Tode  veröffentlichtes'Buch  gegen  die  Augustinische  Gnadenlehre 
in  scharfen  Ausdrücken  verboten.  —  Im  engen  Zusammenhange 
mit  der  Jansenistischen  Controverse  steht  auch  das  Verbot  des 
sog.  Neuen  Testamentes  von  Mons  durch  ein  Breve  Clemens'  IX. 
vom  J.  1668. 

1.  Das  Verbot  des  Neuen  Testaments  von  Mons  wird  in  dem 
Breve  Clemens'  IX.  vom  22.  April  1668  (Arg.  III  b  336)  nur 
durch ^die  Sätze  motivirt:  der  Papst  habe  darüber  zu  wachen,  dass 
die  h.  Schrift  in  der  Reinheit,  in  welcher  sie  durch  Gottes  Güte  so 
viele  Jahrhunderte  erhalten  worden,  erhalten  bleibe;  auf  Grund 
einer  Prüfung  durch  mehrere  Cardinäle  und  andere  Gelehrte  ver- 
damme er  die  fragliche  TTebersetzung  als  temerär,  schädlich,  von 
der  Vulgata    abweichend  und  für   Einföltige   anstössig    (offendioola 


Neues  Testament  von  Mons.  669 

simplicium  continentem)  bei  Strafe  der  Excoram.  1.  sent.  —  Das 
Bach  erschien  unter  dem  Titel:  Le  Nouveau  Testament  de  Notre 
Seigneur  Jesus-Christ,  traduit  en  frangais  selon  Tedition  vulgate, 
avec  les  diff^rences  du  grec.  Mons,  Gaspard  Migeot  1667,  2  vol.  12. 
(gedruckt  bei  Elzevier  in  Amsterdam),  mit  Approbation  des  Erz- 
bischofs von  Cambray,  des  Bischofs  von  Namur  und  des  könig- 
lichen Censors  Pontanus  (Dupont)  zu  Löwen.  Es  ist  die  gemein- 
same Arbeit  mehrerer  Messieurs  de  Port-Koyal:  ausser  Louis-Isaac 
le  Maitre  de  Saci,  der  die  Hauptarbeit  gethan,  haben  sein  Bruder 
Antoine  le  Maitre,  Amauld  und  Nicole  (und  Claude  de  Sainte-Marthe) 
mehr  oder  weniger  Antheil  daran  ^).  Das  Buch  wurde  nicht  in 
Paris  gedruckt,  weil  der  Kanzler  Seguier  auf  Anstiften  des  Ora- 
torianers  Amelotte,  der  selbst  eine  Uebersetzung  herausgeben  wollte, 
das  Privileg  verweigert.  Abbe  de  Pontchäteau  reiste  nach  Amster- 
dam, um  den  Druck  zu  leiten.  Die  Uebersetzung  sollte  in  Paris 
nachgedruckt  werden;  das  verhinderten  aber  die  Jesuiten,  indem  sie 
Maimbourg  anstifteten,  dagegen  zu  predigen.  Sie  hatte  aber  in 
Paris,  wie  S.-Beuve  sagt,  un  prodigieux  succ^s:  avoir  sur  la  table 
et  dans  la  ruelle  ce  N.  T.  elegamment  traduit,  elegamment  imprim6, 
ätait  en  1667  le  genre  spirituel. 

Das  erste  Verbot  erliess  der  Erzbischof  Hardouin  de  Perefixe 
von  Paris  18.  Nov.  1667  unter  Berufung  auf  Verordnungen  fran- 
zösischer Synoden,  nach  welchen  bei  Strafe  der  Excommunication 
in  keiner  Diöcese  Bibelübersetzungen  ohne  Erlaubniss  des  Bischofs 
gedruckt  oder  verkauft  werden  sollten  (A.  J.  P.  3,  40).  Auf 
Betreiben  des  Erzbischofs,  des  frühern  Lehrers  des  Königs,  und  des 
königlichen  Beichtvaters  Annat  verbot  22.  Nov.  1668  auch  das  Conseil 
d*6tat  die  Uebersetzung,  die  von  Leuten  herrühre,  welche  notorisch 
der  Kirche  ungehorsam  seien.  Gegen  die  Ordonnanz  des  Erzbischofs 
erschienen  mehrere  Broschüren,  u.  a.  (von  Arnauld)  Abus  et  nullitez 
de  l'ordonnance  subreptice  de  Mgr.  PArchev.  de  Paris,  par  laquelle 
il  a  defendu  de  lire  et  de  debiter  la  traduction  du  N.  T.  impr.  a 
Mons  -).  Der  Erzbischof  veröffentlichte  darauf  eine  zweite  Ordon- 
nanz vom  20.  Apr.  1668,  worin  er  von  der  Uebersetzung  sagt:  sie 
weiche  von  der  Vulgata  ab,  stimme  vielfach  mit  der  Genfer  überein, 
halte  sich  nicht  an  die  alte  Interpunction  u.  s.  w.,  sei  vielfach  zu 
frei,  es  seien  Erläuterungen  in  den  Text  eingeschoben,  die  alten 
Inhaltsangaben  über  den  einzelneu  Büchern  und  Capiteln,  die  nach 
der  gewöhnlichen  Annahme  von  dem  h.  Hieronymus  redigirt  seien  [!], 
durch  neue  ersetzt;  die  Uebersetzung  einiger  Stellen  begünstige  den 
Jansenismus  und  die  Vorrede  spreche  von  der  Nothwendigkeit  des 
Bibellesens  für  jedermann,    was  die  Sorbonne  1527  verdammt  habe 


1)  Racine  12,  286,  S.-Beuve  2,  348.  359;  4,  378. 

2)  Eine  zweite  Schrift,  die  der  Erzbischof  in  seiner  zweiten  Ordon- 
nanz verbietet,  Dialogues  entre  deux  paroissiens  etc.,  ist  weniger  gegen 
ihn  als  gegen  den  Erzbischof  La  Feuillade  von  Embrun  gerichtet  and  von 
Michel  Girard,  Abbe  de  Verteuii  verfasst,  der  kein  Jansenist  war.  S.-Beuve 
4,  881. 


670  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controvenen. 

(Dict.  Jans.  4,  45).  —  Die  Uebersetzung  wurde  auch  von  einigen 
wenigen  anderen  franzö  ei  sehen  Bischöfen  verboten  (S.-Beuve  4,  380). 
Die  Index-Congr.  verbot  19.  Sept.  1679  eine  zu  Brüssel  1675  ge- 
druckte Ausgabe  mit  dem  Zusätze :  vel  ubique  locorum  et  quocunque 
idiomate  (!)  impressus  seu  imprimendus.  —  Das  Breve  von  1668 
wurde  in  Frankreich  nicht  publicirt  und  auch  von  dem  Conaeil  de 
Brabant  unterdrückt  (Racine,  12,  319). 

Es  erschien  eine  Reihe  von  Streitschriften  über  die  Ueber- 
setzung und  das  Breve  (Migne  2,  636.  Backer  2,  27;  4,  371).  Die 
Uebersetzung  erlebte  aber  viele  Ausgaben.  Nach  dem  Ausgleich 
von  1669  wurde  sie  mit  Genehmigung  des  Erzbischofs  P^r^fixe 
von  Bossuet  gemeinsam  mit  Arnauld,  Nicole,  Lalane  und  Saei  revi- 
dirt;  der  Erzbischof  starb  aber,  ehe  er  die  revidirte  Ausgabe  appro- 
biren  konnte,  1670  (S.-Beuve  2,  359).  Die  25.  Ausgabe  von  1684 
ist  nach  Sainjore  3,  177  etwas  geändert.  —  Bossuet  37,  76  tadelt 
an  der  Uebersetzung  (nach  dem  Römischen  Verbote)  nur  in  sehr 
milder  Weise  (si  la  version  de  Mons  a  quelque  chose  de  blamable) 
die  Diction ;  R.  Simon  (Sainjore  3,  177)  sagt  nicht  mit  Unrecht, 
sie  würde  besser  und  einheitlicher  geworden  sein,  wenn  nicht  so 
viele  Hände  daran  gearbeitet  hätten,  und  gibt  Arnauld  Schuld,  dass 
man  sich  nicht,  wie  de  Saci  gewollt,  genau  an  die  Yulgata  gehalten. 
Die  Concurrenz-Uebersetzungen  beurtheilen  R.  Simon  u.  a.  weniger 
milde:  der  Oratorianer  Denys  Amelotte  (1606 — 78)  hatte  bei  seiner 
Uebersetzung,  die  schon  1666  erschien,  die  Aushängebogen  der  von 
Mons,  die  er  sich  verschafft,  benutzt  und,  da  er  in  hesserm  Fran- 
zösisch übersetzen  wollte,  seine  Arbeit  von  einem  Mr.  Conrart  cor- 
rigiren  lassen,  der  Protestant  war  und  weder  griechisch  noch  latei- 
nisch verstand  (Sainjore  3,  183).  Von  der  Uebersetzung,  die  der 
Jesuit  Dom.  Bouhours  mit  Hülfe  seiner  Ordensgenossen  Le  Tellier 
und  Bernier  anfertigte,  Par.  1697 — 1703  u.  s.,  —  er  schrieb  seit 
1668  gegen  die  Uebersetzung  von  Mons,  —  sagt  Simon,  sie  lasse 
die  Evangelisten  a  la  Rabutine  reden  ^).  üeber  Simons  Ueber- 
setzung s.  S.  425. 


1)  Difficultez  proposees  au  R.  P.  Bouhours  .  .  .  sur  sa  traduction 
fran^.  des  4  evangeligtes,  Amst.  1697  (die  ersten  2  Briefe  sind  de  Ro- 
mainville,  der  3.  und  4.  Eugene  unterzeichnet).  S.-Beuve  2,  674  berichtet: 
Bouhours  habe,  nachdem  die  Uebersetzung  der  Evangelien  erschienen,  die 
Uebersetzung  der  anderen  Bücher  dem  Erzbischof  Noailles  zur  Approbation 
vorgelegt;  dessen  Censoren  hätten  sie  stark  corrigirt,  dann  habe  Noailles, 
obschoQ  Bouhours  kniefällig  und  weinend  remonstrirt  habe,  erklärt,  das 
Buch  dürfe  nicht  unter  seinem  Namen  erscheinen,  und  seinen  Freunden 
gesagt:  Son  nom  n'est  pas  assez  grave  pour  etre  rais  ä  la  tete  d'un  livre 
si  divin,  weil  Bouhours  bisher  nur  über  profane  Dinge  geschrieben  und 
Tauteur  de  Tepitaphe  de  Moli^re  et  d'une  infinite  de  bagatelles  sei.  — 
Simon  kritisirt  die  Uebersetzungen  von  Mons,  Amelotte  und  von  dem 
Bischof  Godeau  von  Vence,  Paris  1668  (sie  ist  mehr  eine  Paraphrase)  aas- 
führhch  Eist.  crit.  des  versions  eh.  32—39  und  Nouv.  Observations  p.  175. 
Vertheidigungeu  der  Uebersetzung  von  Mons  bei  Arn.  8,  269.  423;    9,  l. 


H.  Noris.  671 

Die  von  de  Saci  verfasete  Histoire  du  V.  et  du  N.  T.  avec 
dcB  explications  ^difiantes  tir^es  des  sb.  pöres  pour  regier  les  moeurs 
daiiB  toutes  sortes  de  conditions,  par  le  Sieur  Royaumont,  Par.  1669 
u.  0.,  und  das  Bibelwerk,  welches  er  während  seiner  Haft  in  der 
Bastille  1666 — 68  begonnen  und  von  dem  die  ersten  Lieferungen 
1672  erschienen,  und  welches  nach  seinem  Tode  (1684)  von  Pierre 
Thomas  du  Fossi  und  Charles  Hur^,  f  1717,  vollendet  wurde  ^),  La 
Sainte  Bible  en  latin  et  en  fran^ais  avec  des  explications  du  sens 
litt^ral  et  du  sens  spirituel,  Par.  1682 — 1706,  32  voL  8.  u.  o.  — 
es  steht  im  K.-L.  2,  749  unter  den  akatholischen  Uebersetzungen, 
—  wurden  nur  von  den  Jesuiten  im  Dict.  Jans,  und  sonst  ange- 
griffen. Nur  Le  N.  T.  de  N.  S.  Jesus-Christ,  traduit  en  fran^ois 
Selon  la  Yulgate  avec  des  notes,  oü  on  explique  le  sens  litt^ral  en 
7  ajoutAut  quelques  reflexions  morales  .  .  par  M.  Charles  Hure  .  ., 
imprim^e  avec  la  permission  de  S.  E.  le  Card.  Koailles,  Par.  1702, 
wurde  nicht  nur  von  5  Bischöfen  wegen  des  engen  Anschlusses  an 
Quesnel  verboten  (R.  Simon,  Critique  2,  573),  sondern  auch,  was 
im  K.-L.  2,  749  nicht  erwähnt  wird,  von  der  Inq.  29.  Juli  1722, 
offenbar  im  Zusammenhange  mit  der  QuesneV sehen  und  Noailles'schen 
Angelegenheit.  Der  spätere  Cardinal  Querini  war  schon  1714  mit 
der  Prüfung  des  Buches  beauftragt  und  erstattete  1715  seinen  Be- 
richt, —  die  erste  Arbeit,  die  er  für  die  Inquisition  lieferte;  — 
der  Bischof  von  Frijus  schrieb  ihm,  die  Uebersetzung  sei  der  von 
Mons  ähnlich  und  die  in  der  2.  Aufl.  beigefügten  Noten  seien  aus 
Quesnel  entnommen  (Comm.  2,  72.  81.  86).  Das  unter  Saci's  Namen 
zu  Paris  1713  erschienene  K.  T.  blieb  unbeanstandet,  obschon  das 
Dict.  Jans,  sagt,  es  sei  dem  von  Mons  sehr  ähnlich. 

2.  Henricus  Noris,  geb.  1631  zu  Verona,  Augustiner,  Professor 
in  Padua,  veröffentlichte  dort:  Historia  Pelagiana  et  dissertatio  de 
Bjnodo  V.  oecumenica  .  .  .  additis  Vindiciis  Augustinianis  pro  libris 
a  s.  doctore  contra  Pelagianos  ac  Semipelagianos  scriptis,  1673. 
Das  Buch  wurde  in  Padua  approbirt,  aber,  wie  Benedict  XIV.  be- 
richtet, von  den  dortigen  Revisoren  nach  Rom  geschickt,  wahr- 
scheinlich weil  es  sich  um  ein  Werk  de  auxiliis  handelte.  Noris 
reiste  im  Sommer  1673  selbst  nach  Rom,  um  die  Approbation  zu 
betreiben.  Dieses  war  nicht  ganz  leicht,  da  er  von  den  Jesuiten 
bereits  als  Jansenist  verdächtigt  worden  war 2).  Er  berichtet  selbst, 
er  habe  erwirkt,  dass  die  Prüfung  des  Buches  nicht  der  Index-Con- 
gregation,  sondern  der  Inquisition  übertragen  worden  sei,  bei  der 
er  einflussreiche  Gönner  gehabt  (Magl.  p.  23).  Die  Prüfung  der- 
artiger Bücher  stand  aber  überhaupt  der  Inq.  zu,  und  auch  einige 
Cardinäle  der  Inq.  und  der  Assessor  S.  Off.  Hieron.  Casanate  zeigten 
sich  anfangs  nicht  freundlich  gegen  ihn  (Fabr.  p.  13).  Er  erhielt 
aber  schliesslich  nicht  nur  die  Druckerlaubniss,  sondern  wurde  auch 


1)  Moröry,  Suppl.  s.  v.  Hure.  Hurter  2,  420. 

2)  Ich  citire  im  folgenden  mit  Fabr.  Fabroni,  Vitae  Italorum^  vol.  6, 
mit  Magl.  Clarorum  viroram  ad  Ant.  Magliabechium  epistolae,  tom.  1.,  Flor. 
1745. 


672  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controversen. 

▼OD  Clemens  X.  zum  Qaalificator  der  Inq.  ernannt;  Card.  Barbe- 
rini  übernahm  die  Bezahlung  der  Druckkosten  und  Card.  Medici 
veranlasste  seine  Berufung  nach  Pisa  (Magl.  p.  197).  In  dem 
Buche  erregten  namentlich  die  Vindiciae  Anstoss,  in  denen  er  die 
Jesuiten  Annat,  Adam  u.  a.  scharf  angegriffen  und  die  Auguati- 
nische  Gnadenlehre,  wie  man  behauptete,  nicht  viel  anders  als  Jan- 
senius  dargestellt  hatte,  obschon  er  sich  gegen  diesen  sehr  stark 
äusserte.  Charakteristisch  ist  eine  Aeusserung  in  einem  Briefe  an 
Card.  Bona  vom  4.  Nov.  1673  (Epp.  sei.  ed.  Sala  No.  26):  „Wenn 
ich  in  der  Vorrede  sage,  bei  Jansenius  seien  nescio  quae  opinionam 
portenta,  so  spreche  ich  im  Sinne  der  Päpste,  ohne  sagen  zu  wollen, 
was  ich  davon  halte;  ich  habe  das  Buch  des  Jans,  selbst  nicht  ge- 
lesen, weiss  also  nicht,  was  für  dogmatische  Ansichten  er  hat,  lege 
auch  keinen  Werth  darauf,  dieses  zu  wissen."  —  Der  Versuch  seines 
Gegners  Macedo,  in  Venedig  ein  Verbot  des  Buches  zu  erwirken, 
blieb  erfolglos;  aber  in  Frankreich  wurde  der  Abdruck  desselben 
verboten,  weil  man  überhaupt  den  Druck  von  Jansenistischen  und 
antijansenistischen  Schriften  nicht  gestatte,  und  die  Einrede,  es 
handle  sich  hier  nicht  um  Jans.,  sondern  um  Augustinus,  nicht  gelten 
Hess  (Magl.  p.  40).  Card.  Bona  (No.  33)  schrieb  Noris  17.  März 
1674:  der  König  habe  das  Verbot  auf  Betreiben  seines  Beicht- 
vaters Le  Tellier  erlassen;  er  fügte  bei:  Ihre  Sache  ist  gerecht;  aber 
so  geht  es  jetzt  in  der  Welt :  wer  kein  Molinist  ist,  ist  ein  Ketzer. 
Am  29.  April  1676  schreibt  Noris  über  eine  zweite  Prüfung 
seines  Buches  durch  die  Inq.  an  .Magliabechi  (p.  83) :  „Die  Jesuiten 
haben  es  nicht  direct,  sondern  durch  andere  denuncirt  und  zwar, 
um  der  Sache  mehr  Nachdruck  zu  geben,  durch  mehrere  und  auch 
durch  Briefe  aus  ultramontanen  Ländern^).  Unter  den  Censoren 
befindet  sich  auch  P.  Lauria,  der  mein  Gegner  ist.  Leider  leben 
Card.  Bona  und  Mgr.  Falconieri  nicht  mehr,  die  1673  Revisoren 
waren.  Man  hat  in  einer  Sitzung  daran  erinnert,  dass  mein  Buch 
in  Rom  approbirt  worden  sei;  aber  Card.  Albizzi  hat  darauf  geant- 
wortet, es  seien  in  Padua  nachträglich  Zusätze  gemacht  worden, 
wie  P.  Macedo  bezeuge,  und  darum  eine  neue  Prüfung  nöthig  .  .  . 
Wird  das  Buch  mit  d.  c.  verboten,  so  werde  ich  rasch  eine  neue 
Ausgabe  machen;  nach  meinem  Tode  würde  keine  solche  von  einem 
andern  gemacht  werden.  Ich  fürchte,  die  Vindiciae  werden  mir  den 
Hals  brechen;  Albizzi  donnert  gegen  sie  speciell;  der  Abdruck  mit 
den  Lobsprüchen  der  Löwener  hat  mir  geschadet;  sie  wären  1673 
nicht  approbirt  worden,    wenn  Bona  nicht  gewesen  wäre."     4.  Mai 


1)  Eine  drollige  Denunciation,  die  bei  der  Inq.  angekommen  war, 
theilt  Noris  (Magl.  p.  110)  mit:  ,^.  N.,  Bischof  in  Dalmatien,  voll  Eifers 
für  den  orthodoxen  Glauben,  fühlt  sich  im  Gewissen  gedrungen,  der  h. 
Congregation  mitzutheilen,  dass  ein  Buch  von  Italien  hierher  gebracht 
worden  ist  mit  dem  Titel:  Hist.  Fei.  .  .  .  Ich  weiss  (non  so,  wird  wohl 
heissenfsoUen :  ich  keune;  denn  der  Name  steht  auf  dem  Titelblatt)  den 
Verfasser  nicht :  aber  ich  weiss,  dass  es  Sätze  und  eine  liohre  enthält,  die 
verdaramenswerth  sind.  Darum  etc."  u.  s.  w. 


H.  Noris.  673 

schreibt  er:  ,,Albizzi  hat  in  der  Sitzung  das  unbedingte  Verbot  der 
Yindiciae  verlangt.  Colonna  widersprach,  und  da  jener  in  scharfen 
Ausdrücken  antwortete,  wurde  Colonna,  der  sehr  heftig  ist  (terri- 
bile  e  yehemente),  zornig  und  sprach  noch  lauter  als  der  andere*' 
(Fabr.  p.  28  schreibt  Albizzi  eine  vehementia  et  petulantia  prope 
incredibilis  zu).  Die  Sache  zog  sich  ein  ganzes  Jahr  hin.  21.  April 
1677  schreibt  Noris:  „Die  Untersuchung  geht  zu  Ende;  man  hat 
mir  mitgetheilt,  die  Geschichte  des  Pelagianismus  werde  höchstens 
an  einigen  Stellen  corrigirt  werden  müssen;  fraglich  ist  noch  das 
Schicksal  der  Vindiciae.  Ich  wollte,  sie  würden  verboten,  weil  ich 
darin  jenen  unversöhnlichen  Menschen  (Macedo)  zu  viel  gelobt  habe,*' 
—  und  am  30.:  „Es  hat  eine  Sitzung  stattgefunden  und  die  Car- 
dinäle  Colonna,  Casanate  und  Azzolini  haben  zu  meinen  Gunsten 
gesprochen ;  auch  die  Consultoren  haben  sich  sehr  günstig  geäussert ; 
aber  es  ist  zu  keinem  Beschlüsse  gekommen.*'  Das  Buch  wurde 
schliesslich  freigegeben.  Auch  die  Beschuldigung,  Noris  habe  einige 
nicht  approbirte  Seiten  beigefügt,  erwies  sich,  wie  Benedict  XIV. 
sagt,  als  unrichtig.  Es  wurde  nur  ihm  und  Macedo  befohlen,  keine 
Streitschriften  mehr  zu  veröffentlichen.  Innocenz  XII.  berief  Noris 
nach  Korn  und  ernannte  ihn  zum  Consultor  der  Inq.  und  1692  zum 
ersten Custos  der  Vaticanischen  Bibliothek^).  Nun  wurde  er  zum  dritten 
Male  angegriffen.  Er  schreibt  24.  Mai  an  Magliabechi  (p.  152): 
,,Es  sind  Seiner  Heiligkeit  mehrere  Denk-  und  Streitschriften  (me- 
morie  come  anco  scritture)  gegeben  worden ;  der  Papst  sagte :  Jetzt, 
da  ich  P.  Noris  hieher  berufen,  ist  die  Hölle  gegen  ihn  wieder  ent- 
fesselt. Eine  Denkschrift  ist  von  P.  Diaz,  dem  Nachfolger  Porters 
in  S.  Isidoro,  unterschrieben,  die  anderen  sind  anonym.**  Um  dieselbe 
Zeit  schreibt  er  (Istoria  delle  investiture  .  .  .  con  204  lottere,  Man- 
tua  1741,  p.  377):  Man  bezeichnet  mich  jetzt  offen  als  Jansenisten, 
weil  ich  in  den  Vindiciae  die  pure  Lehre  des  Jansenius  vertheidigt 
hätte.  —  In  einem  andern  Briefe  (Fabr.  6,  108)  berichtet  er:  „Der 
P.  Diaz  in  dem  hiesigen  Observanten-Kloster,  den  der  König  von 
Spanien  hieher  gesandt,  wird  von  den  Jesuiten  besoldet.  In  seiner 
Eingabe  an  den  Papst  bezeichnet  er  18  Sätze  meines  Buches  als 
Jansenistisch.  Der  Papst  hat  sich  durch  den  Assessor  S.  Off.  über 
die  früheren  Verhandlungen  der  Inq.  berichten  lassen,  auf  dessen 
Veranlassung  auch  durch  den  Card.  Casanate,  der  damals  Asses- 
sor war.  Dieser  sagte  dem  Papste,  die  Inq.  habe  die  gegen  mich 
erhobenen  Anklagen  für  unbegründet  erklärt  und  mir  und  Macedo 
Schweigen  auferlegt.  Dieses  Decret  ist  mir  damals  von  dem  Nun- 
cius  Airoldi  und  dem  Inquisitor  zu  Florenz,  Macedo  zu  Padua  von 
dem  Card.  Barbarigo  insiuuirt  worden.  Casanate  sagte  dem  Papste 
auch,  Card.  Bona  habe  mein  Buch  approbirt.  Am  6.  Mai  hatte  die 
Inq.  Sitzung.     Card.  Lauria,  der  immer  mein  Gegner  gewesen,  war 


1)  Er  schreibt  an  Magliabechi  (Valery  2,  338):  Ich  habe  mein  Amt 
angetreten  und  nun  eine  päpstliche  Carosse  zu  meiner  Verfügung.  Ich 
fahre  oft  am  Jesuiten-Colleg  vorüber,  ut  videant  et  invideant. 

Beusob,  Index  II.  43 


674  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controvenen. 

nicht  anwesend.  Casanate  und  Agnirre  setzten  den  Beschlnss  dnrch, 
der  Assessor  solle  dem  Papste  im  Namen  der  Inq.  rathen,  mich  in 
Eom  zu  behalten.  Am  folgenden  Tage  sagte  P.  Segneri  dem  Papste, 
er  habe  selbst  mein  Buch  nicht  gelesen,  aber  seine  Patres  sagten, 
es  sei  Jansenistisch.  Der  Papst  theilte  ihm  die  Erklärung  der  Inq. 
mit.  Die  Jesuiten  haben  eine  Schrift  gegen  mich  verbreitet,  die 
mir  ein  Cardinal  mitgetheilt  hat.  P.  Le  Drou  von  Löwen  ist  zum 
Sagrista  ernannt  worden;  auch  ihm  sind  die  Jesuiten  gram  wegen 
einer  Schrift  über  die  Attritio.** 

„So  ist  die  grosse  Mine  in  die  Luft  gesprungen^'  schrieb  Noris 
Ende  Mai  1692  an  Magliabechi.  Die  Sache  war  aber  keineswegs 
zu  Ende.  Im  März  1694  schreibt  Noris  (Fabr.  p.  144):  „Im  De- 
cember  wurden  dem  Papste  neue  Denkschriften  über  meine  Yindieiae 
tiberreicht,  u.  a.  von  P.  Diaz,  und  eine  Schrift  des  verstorbenen 
Card.  Lauria  veröffentlicht.  Dieser  hat  nämlich  einen  Monat  vor 
seinem  Tode  ausser  den  früheren  18  Sätzen  noch  28  in  meinem 
Buche  als  der  Correctur  bedürftig  bezeichnet,  und  nach  seinem 
Tode  wurde  dann  ein  Voto  del  Card.  Lauria  circa  il  libro  dcl  P. 
Noris  verbreitet.  Der  Papst  Hess  durch  den  Assessor  aus  der  Woh- 
nung Lanria's  alles,  was  er  gegen  mich  geschrieben,  abholen  und 
beauftragte  dann  mit  der  Prüfung  der  gegen  mich  erhobenen  An- 
klagen nicht  die  Inq.,  sondern  den  Magister  S.  Pal.  und  vier  Or- 
densgeistliche, von  denen  ich  nur  einen  kenne,  einen  Conventualen, 
einen  Zoccolante  (Observanten),  einen  Cistercienser  und  einen  Carme- 
liter.  Erst  nach  20  Tagen  hörte  ich  davon;  ich  überbrachte  dem 
Papste  die  vier  Exemplare  der  Gerrae,  die  ich  noch  hatte  *f  er  sagte 
mir,  er  habe  die  neue  Untersuchung  angeordnet,  um  mir  Ruhe  zn 
verschaffen.  Die  fünf  Theologen  prüften  die  46  Sätze  zwei  Monate 
lang,  und  gaben  dann  ein  ausführliches  Grutachten  zu  meinen  Gunsten 
ab.  (Ein  Cardinal  sagte  mir,  die  Gerrae  hätten  die  Sache  entschie- 
den.) Dieses  Hess  der  Papst  durch  den  Magister  S.  Pal.  in  einer 
Plenarsitzung  der  Inq.  verlesen,  und  diese  stimmte  zu." 

Es    erschienen    aber    noch   fortwährend    Streitschriften    gegen 
Noris.     Er  spricht  im  Dec.  1694  namentlich  von  einer  Schrift,   von 
der  von  Frankreich    aus  Exemplare    an    die  Inq.    und    an  mehrere 
Cardinäle    und  Prälaten    gesandt    worden    seien    (Magl.  p.  169 ;    es 
war  die  Schrift  von  Hardouin,  s.  u.).     Gegen  diese,    sagt  er,    habe 
er  in  vier  Stunden    eine  Vertheidigung  geschrieben,    worin   er  sich 
auf  Petavius,    Vasquez   und    Natalis  Alexander   berufen    habe;    die 
Broschüre  sammt  der  Vertheidigung   sei   dann  dem  Papste  und  der 
Inq.  überrreicht  worden,  und  der  Papst  sei  über  die  prompte  Wider- 
legung sehr    erfreut    gewesen.     Der   Papst   befahl    ihm  dann,    eine 
ausführliche  Vertheidigung  seines  Buches  in  Rom  zu  veröffentlicben. 
Noch  während  er  daran  arbeitete,    erschienen  neue  Schriften  gegen 
ihn  und    wurden    die  Anträge    auf   eine    nochmalige    Untersuchung 
wiederholt    (Magl.  p.  176).     Im  Oct.  1695    schreibt    er  an  Maglia- 
bechi:  „Der  Druck    meines  Buches  hat  begonnen,    wird    aber  zwei 
Monate  in  Anspruch   nehmen.     Es    erscheint    ohne    meinen  Namen, 
wie  die  Cardinäle   wollen ;    ich  habe  es  nur  geschrieben,    weil  der 


H.  Noris.    F.  Macedo.  67Ö 

Papst  es  wünscbt,  dem  man  zum  Vorwarf  gemacht  hat,  er  hahe 
einen  Jansenisten  zum  Gustos  der  Yaticana  gemacht/'  Im  Dec. 
schreibt  er:  „Meine  Gegner  haben  mein  (älteres)  Buch  jetzt  bei  der 
spanischen  Inq.  denuncirt.  Als  ich  dieses  dem  Papste  erzählte, 
sagte  er:  Ich  will  der  Sache  dadurch  ein  Ende  machen,  dass  ich 
Ihnen  einen  andern  Titel  gebe."  Am  12.  Dec.  1695  wurde  er  Car- 
dinal. Ende  Januar  1696  überreichte  er  dem  Papste  seine  Ver- 
theidigungsschrift,  Kom  1695,  4.  Sie  enthält  5  Dissertationen:  Con- 
troversia  de  uno  ex  trinitate  passo;  apologia  monachorum  Scythiae 
ab  anonymi  scrupulis  vindicata;  de  anonymi  scrupulis  circa  veteres 
Semipelagianorum  sectatores;  responsio  ad  appendicem  auctoris  scru- 
pulornm;  Janseniani  erroris  calumnia  sublata^). 

Die  Streitschrift,  mit  der  sich  Noris  in  seiner  Vertheidigung 
hauptsächlich  beschäftigt,  heisst  Scrupuli  Doctoris  Sorbonici  orti 
ex  libro  Rev.  P.  Henrici  de  Noris,  qui  inscribitur  Hist.  Pelagiana, 
ad  Romanos  hujus  libri  censores;  sie  ist  von  dem  Jesuiten  Jean 
Hardouin  und  wurde  schon  7.  Sept.  1695  verb.  —  Von  den  älteren 
Pseudonymen  Streitschriften  und  Noris^  gleichfalls  Pseudonymen 
Antworten  (diese  stehen  hinter  der  Hist.  Pelag.  im  1.  Bande  von 
Henr.  Norisii  opera  omnia,  Verona  1729)  sind  folgende  zu  erwähnen: 
Franciscus  a  S.  Augustino  Macedo,  geb.  1594  zu  Coimbra,  1614 — 
42  Jesuit,  dann  Franciscaner,  f  1681  zu  Padua,  schrieb  Humberti 
Ascetae  Carthusiani  Germanitates  dogmatum  (!)orn.  Jansenii  episc. 
Ipr.  et  Henrici  Noris.  Dagegen  sind  die  oben  wiederholt  als  Gerrae 
erwähnten  Responsa  P.  Fr.  Macedi  adv.  gerras  germanas  Germa- 
nitatum  C.  Jans,  et  H.  Noris  coUecta  ab  Annibale  Riccio  gerichtet. 
Von  Macedo  ist  auch  Henr.  Noris  dogmatistes  S.  Augustino  inju- 
rius  authore  Fulgentio  Risbrochio  Polono,  Canonico  Lateranensi. 
Dagegen  ist  es  nicht  ausgemacht,  ob  der  Prodromus  velitaris  pro 
S.  Augustino  contra  Henr.  de  Noris,  auctore  Brunone  Neusser,  Mainz 
1676,  von  Macedo  oder  von  dem  Jesuiten  Honoratus  Fabri  ist^). 
Die  Schrift  von  Risbrochius  wurde  von  Albizzi  im  Mai  1676  unter 
den  Cardinälen  und  Prälaten  verbreitet  (Magl.  p.  94),  aber  22.  Juni 
1676  verb.,  gleichzeitig  aber  eine  boshafte  Schrift  gegen  Macedo: 
Miles  (in  anderen  Exemplaren  Thraso)    Macedonicus    Plautino    sale 


1)  In  einem  Briefe  des  Card.  Passionei  vom  J.  1742  (Vita  del  F. 
Concina  p.  237)  heisst  es:  Noris  habe  in  den  Yindiciae  die  Sätze  seiner 
Gegner  wörtlich  angeführt,  aber  nicht  die  Stellen  angegeben ;  in  der  sehr 
seltenen  Brüsseler  Ausgabe  von  1675  seien  diese  auf  einem  Blatte 
beigefügt,  in  der  Gesammtausgabe,  Verona  1729—82,  4  Fol.,  aber  aus 
Nachlässigkeit  oder  aus  Rücksichten  wieder  weggelassen.  Sie  stehen  hinter 
dem  Abdruck  der  Yindiciae  in  Migne^s  Patrologia  47,  881. 

2)  Magl.  p.  66.  69.  Melzi  2,  228.  Es  gab  damals  einen  Minoriten 
Bruno  Neusser  (Hurter,  2,  798);  aber  dieser  ist  sicher  nicht  der 
Verfasser.  Von  Macedo's  Commentationes  duae  ecciesiasticae  polemicae 
pro  S.  Vincentio  Lirin.  et  S.  Hilario  Arelat.,  altera  pro  S.  Aug.  et  Aurelio 
et  patribus  Africanis,  Verona  1674,  —  wogegen  Noris  Adventoria  Fran- 
cisco Macedo,  in  qua  de  inscriptione  libri  S.  Aug.  de  gratia  Christi,  Flor. 
1674,  schrieb,  —  ist  die  1.  Commentatio  in  dem  Prodromus   abgedruckt. 


676  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controvenen. 

perfrictas  opera  Annibalis  Corradini  Yeronensie,  Altdorfi  Norico- 
rum  [Verona?  1675].  Sie  ist  sicher  von  Noris^).  üeber  das  Ver- 
bot schreibt  er :  ,,Da6  Buch  wird  jetzt  von  den  Censoren  der  Index- 
Congr.  geprüft  und  in  kurzem  verboten  und  in  dem  grossen  Ver- 
zeichniss  der  verbotenen  Bücher  verewigt  werden"  (Magl.  64). 

Noris  wurde  wegen  seines  Versuches,  die  Augustinische  Gna- 
denlehre zu  vertheidigen,  ohne  die  des  Jansenius  zu  billigen,  auch 
von  anderer  Seite  angegriffen.  Gerberon  schrieb  aus  Anlass  der 
5  Dissertationes :  Norisius  aut  Jansenianus  aut  non  Augustinianus 
demonstratus  a  L.  Mauguin  Peninsulano,  Houen  1699  (nicht  im 
Index).  —  Aus  Noris'  Briefen  sind  noch  einige  interessante  Mit- 
theilungen über  die  Inquisition  anzuführen,  welche  zeigen,  wie  viel 
Arbeit  einem  einzelnen  Beamten  derselben  zufiel,  wenn  er  ein  so 
brauchbarer  Mann  wie  Noris  war.  Als  er  Qualificator  geworden, 
schrieb  er  1673:  Ich  habe  nun,  ohne  ein  Gehalt  zu  beziehen,  viel 
Arbeit  mit  der  Prüfung  der  der  Inq-  denuncirten  Bücher  und  mit 
der  Abfassung  von  Gutachten  (Magl.  p.  197),  und  1695:  Ich  bin 
jetzt  Consultor  und  habe  nun  nicht  viel  Zeit  mehr  zum  Arbeiten: 
drei  Vormittage  (Montag,  Mittwoch  und  Donnerstag)  gehen  mit  den 
Sitzungen  der  Inq.  verloren  (p.  170  erwähnt  er  eine  Montags- 
Sitzung,  die  über  6  Stunden  gedauert);  die  drei  anderen  Vormittage 
bin  ich  auf  der  Bibliothek;  zu  Hause  habe  ich  mit  den  Consulti  ed 
imbrogli  des  h.  Officium  zu  thuen.  Sie  würden  lachen,  wenn  Sie 
hörten,  wie  ich  über  Tortur,  Gefängniss,  Galerenstrafe  votire,  und 
sähen,  wie  ich  aus  einem  Chronisten    ein  Criminalist  geworden  bin. 


l)  Nach  Melzi  1,  256  ist  die  Schrift  in  Löwen  unter  dem  Namen 
Annibale  Butturini  Veronese  nachgedruckt  und  auch  Sparaviero  und  Ferrari 
zugeschrieben  worden.  1709  erschien  zu  Amsterdam  H.  Norisii  Paraenesis 
ad  Jo.  Harduinum.  Accessit  ejusdemThraso  etc.  Darauf  ist  ebensowenig 
Gewicht  zu  legen,  wie  darauf,  dass  der  Thraso  nicht  mit  den  anderen 
Streitschriften  in  die  Opera,  Verona  1729,  I,  1333  aufgenommen  ist;  aber 
aus  den  Briefen  an  Magliabechi  (p.  58)  sieht  man,  dass  Noris  das  Buch 
geschrieben  und  Magliabechi  den  Druck  besorgt,  wenigstens  die  Exemplare 
in  Händen  hatte  und  nach  Noris'  Weisungen  versandte.  Wenn  er  einmal  von 
dem  Veronesen,  seinem  Freunde  und  Advocaten,  spricht,  und  Maffliabeohi 
bittet,  Macedo  zu  sagen,  er  verstehe  zu  wenig  vom  Plautus,  um  das  Buch 
geschrieben  haben  zu  können,  so  spricht  das  nicht  gegen  seine  Autorschaft. 
Auch  die  Somnia  50  Francisci  Macedo  in  Itinerario  S.  Aug.  post  baptis- 
mum  Mediolano  Romam,  excutiebat  levi  brachio  P.  Fulgentius  Fosseus 
August.,  1687,  sind  von  Noris.  Die  Retraotatio  P.  Henrici  Noris  de  ca- 
lumnia  Semipelagianismi  imposita  S.  Vincentio  Lirinensi,  worin  Noris  ober 
das  Verbot  der  Schrift  von  Risbroch  frohlockt  als  über  eine  Bestätigung 
seiner  Lehre,  ist  von  Macedo.  Noris  schrieb  dagegen:  Confutatio  palinodiie 
sub  nomine  H.  N.  publicatae,  auct.  Annibale  Riccio  Veneto.  Unter  dem- 
selben Namen  schrieb  er  Responsiones  P.  Franc.  Maoedi  adv.  Propositiones 
Fr.  Jo.  a  Guiddiciolo  collectas,  Ven.  1676,  gegen  die  von  Hon.  Fabri  unter 
letzterm  Namen  veröffentlichten  Propositiones  parallelae  Michaelis  Biji 
et  Henr.  de  Noris,  Frcf.  1676.  —  In  der  5.  Dissertatio  vertheidigt  sich 
Noris  auch  gegen  eine  Lettera  d'un  cavaliere  dimoranta  in  Parigi  ad  an 
suo  amico  in  Italia,  die  er  auch  in  einem  Briefe  vom  Juli  1695  (Magl. 
p.  177)  erwähnt. 


Fr.  Maoedo.    J.  Bona.    A.  Gonzalez  de  Kosende.  677 

leb  habe  kein  Gescbick  dazu  (non  vi  bo  genio),  und  ich  will  drei 
Jabre  ansbalten  nnd  dann  einen  andern  Entschluss  fassen  (Magl. 
p.  171).  —  1692  schreibt  er  über  die  Paraenesis  ad  Jo.  Harduinum: 
Ich  habe  keine  Aassicht,  die  Druckerlaubniss  für  diese  Antwort  zu 
erhalten.  Der  Mag.  S.  Pal.  ist  ängstlich  im  neunten  Grade.  Ich 
habe  mit  aller  Bescheidenheit  geantwortet;  aber  das  bischen  Salz 
(alcuni  sali)  macht,  dass  die  Antwort  dem  zarten  Gaumen  des  be- 
sagten Paters  nicht  mundet.  Das  ist  einer  der  Gründe,  weshalb  Rom 
nicht  der  Ort  für  mich  ist  (Roma  non  fa  per  me).  Die  Paraenesis 
erschien  erst  1709  zu  Amsterdam. 

Macedo  hatte  früher  gegen  die  Ansicht  über  den  Gebrauch 
des  gesäuerten  und  ungesäuerten  Brodes  beim  Abendmahl,  die  Card. 
Bona  in  Rerum  liturgicarum  libri  2,  Rom  1671,  vorgetragen,  die 
Schrift  herausgegeben:  Azymus  eucharisticus  s.  Joannis  Bona  .  .  . 
doctrina  de  usu  fermentati  in  sacrificio  missae  per  mille  et  amplius 
annos  a  latina  Ecclesia  observato  examinata,  expensa,  refutata,  In- 
golstadii  (Venedig  oder  Padua  1673),  8.,  mit  d.  c.  verb.  1673.  Am 
18.  Nov.  1672  schrieb  er  an  Bona  von  Padua  aus:  der  dortige  In- 
quisitor habe  ihm  für  seinen  Tractatus  de  azymo  die  Druckerlaub- 
niss verweigert,  weil  es  eine  Streitschrift  gegen  einen  noch  leben- 
den Cardinal  sei;  Bona  möge  den  Inquisitor  doch  anweisen,  die 
Erlaubniss  zu  ertheilen  oder  wenigstens  nicht  diesen  Grund  für  die 
Verweigerung  anzugeben  (Bona,  Epp.  ed  Sala,  No.  20  der  ital. 
Briefe).  Bona  selbst  erzählt  in  einem  Briefe  an  Noris  (Epp.,  Lucca 
1759,  IV,  8):  ,,Der  Inquisitor  hat  Macedo'^  Tractat,  weil  er  darin 
mit  wenig  Respeot  von  mir  spricht,  an  diö  Inquisition  hieher  ge- 
sandt. Diese  hat  befohlen,  das  Buch  solle  nicht  gedruckt  und  das 
Manuscript  nicht  zurückgegeben  werden.  Aus  Verdruss  darüber 
hat  Macedo  das  Schriftchen  veröffentlicht,  welches  Sie  mir  gesandt 
haben.  Ich  habe  darüber  gelacht;  aber  der  Assessor  hat  in  einer 
Sitzung,  der  ich  nicht  beiwohnte,  das  Verbot  beantragt  und  erwirkt.** 
In  einem  Briefe  vom  23.  Oct.  1673  (Epp.  ed.  Sala,  No.  323)  bittet 
Bona  Mabillon,  in  seiner  Dissertatio  de  pane  eucharistiae  azymo  et 
fermentato,  die  er  ihm  zugesandt,  das  gegen  Macedo  gerichtete  12. 
Capitel  wegzulassen ;  es  sei  besser,  diesen  zu  verachten  als  ihn  zu 
widerlegen.  Das  Capitel  steht  wirklich  nicht  in  der  Ausgabe  von 
1674,  aber  bei  Thuillier  1,  176  und  in  Bona^s  Epp.  1.  c.  Macedo 
Hess  übrigens  eine  von  den  Ungezogenheiten  gegen  Bona  expurgirte 
Ausgabe  seiner  Schrift  drucken,  die  zwar  nicht  im  Index  freige- 
geben wird,  aber  ohne  Zweifel  approbirt  ist :  Em.  ac  Rev.  D.  Card. 
Bona  doctrina  .  .  .  examinata  et  expensa,  Verona  1673,  und  gleich- 
zeitig Disquisitio  theol.  de  ritu  azymi  et  fermentati,  Verona  1673 
(Mazzuch.  2,  1520). 

3.  Antonii  Gonzalez  de  Rosende  Disputationes  de  justitia 
originali,  de  peccato  orig.,  de  justitia  gratuita.  Tom.  I.  de  just,  orig., 
Lugd.  1677,  wurde  1681  von  der  Inq.  verb.  (steht  auch  im  span. 
Index).  Der  Verf.  gehörte  zum  Orden  der  Clerici  minores  und  hat 
1666  auch  eine  Vita  des  Bischofs  Palafox  geschrieben.  Von  einem 
andern  Buche  desselben  schreibt  Amauld  (2,  243)  1683 :  „Ich  habe 


678  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Conirovenen. 

dasselbe  nicht  gelesen;  da  aber  sein  grosses  Werk  im  Index  steht, 
wird  auch  dieses  verdammt  werden.  Es  wird  ihm  also  nichts  ge- 
holfen haben,  dass  er  Jansenins  und  die  Jansenisten  anathematisirt 
hat;  ans  demselben  Grunde  muss  er  sich  selbst  anathematisiren ;  denn 
er  hat  nach  40-jährigem  Studium  bei  Augustinus  dieselben  Principien 
gefunden  wie  Jansenius." 

Die  Institutiones  theologicae  in  usum  seminariorum  des  Oratoria- 
ners  Caspar  Ju  enin,  Lyon  1696, 4  vol.  12.,  2.  Ed.  Par.  1700,  7  vol.  12., 
wurden  in  mehreren  Seminaren  gebraucht,  von  dem  Erzb.  Noailles  von 
Paris  aber  (die  2.  Ed.)  durch  ein  Mandement  vom  12.  Juni  1700  verb. 
Diesem  Mandement  ist  eine  Erklärung  von  Juenin  selbst  beigedruckt,  mit 
der  sich  der  Erzbischof  zufrieden  gegeben.  Eine  veränderte,  von  dem 
Pariser  Generalvicar  Pirot  approbirte  Ausgabe,  Par.  et  Ven.  1704 
— 5,  übersandte  Juenin  mit  einem  devoten  Schreiben  dem  Papste; 
er  erhielt  ein  Dankschreiben  des  Card.  Paoluccio.  Die  neue  Aus- 
gabe wurde  aber  von  mehreren  Bischöfen  censurirt.  Es  erschienen 
darauf  Lettre  d'un  Docteur  sur  TOrdonnance  de  Mr.  le  Card,  de 
Noailles  touchant  les  Inst,  th^ol.  du  P.  Juenin,  sur  la  declaration 
de  cet  auteur,  mise  en  forme  de  lettre  au  bas  de  la  m8me  Ord.,  und 
Jugement  doctrinal  des  th^ologiens  sur  les  Inst,  th^ol.  du  P. 
Juenin,  suivi  d'un  probleme  sur  TOrdonnance  de  S.  E.  le  Card,  de 
Noailles  et  sur  le  Mandement  de  Mr.  Madot,  ev^ue  de  Belley. 
Diese  beiden  Schriften  wurden  von  der  Inq.  26.  Oct.  1707  verb., 
dann  Juenins  Werk  Fer.  IV.  25.  Sept.  1708  (Bull.  cont.  2,  397), 
und  zwar  unbedingt;  d.  c.  ist  erst  von  Ben.  beigefdgt  worden.  Nach 
diesem  Kömischen  Verbote  veröflfentlichte  der  Bischof  Bissy  von 
Meaux  (später  Cardinal)  eine  eigene  Ordonnanz  gegen  das  Buch, 
1710,  614  S.  4.  Juenin  vertheidigte  sich  in  den  (anonymen)  Re- 
marques sur  le  Mandement  et  Instruction  pastorale  de  M.  Henri  de 
Bissy  .  .  .,  worauf  der  Bischof  1712  ein  zweites  Mandement  erliess. 
Nach  dem  Tode  Juenins  (1713)  erschienen  noch  (14)  Lettres  th^ol. 
contre  le  Mand.  et  T Instruction  past.  de  M.  H.  de  Thiard  de  Bissy, 
6v.  de  Meaux,  sur  le  Jans^nisme,  portant  condamnation  des  Instr. 
thäol.  du  P.  Juenin,  von  Etemare  und  Petitpied.  Vorher  waren 
schon  erschienen:  Denouciation  des  mandements  de  Mgr.  T^v.  de 
Noyon  ...  au  pape,  aux  6veques,  aux  facultas  de  theol.  et  k  tous 
les  pasteurs  de  TEglise,  39  S.  12.,  und  Remarques  sur  TOrdonnance 
et  instr.  past.  de  M.  Paul  Desmarets,  6v.  de  Chartres,  touchant  les 
Inst,  th^ol.  du  P.  Juenin,  1709,  365  S.  12.  (der  Bischof  von  Chartres 
war  für  seine  320  Seiten  füllende  Ordonnanz  vom  Papste  7.  Sept 
1 709  belobt  worden).  Diese  Streitschriften  wurden  nicht  verb.,  auch 
nicht  Juenins  andere  Bücher^). 

Zwei  anderen  französischen  Theologen,  die  im  Dict.  Jans,  ab 
gemilderte  Jansenisten  bezeichnet  werden,  ist  es  in  Rom  besser  er- 
gangen als  Juenin,  obschon  es  an  Bemühungen,  auch  sie  in  den 
Index    zu   bringen,   nicht    fehlte.     Nie.  Lherminier,    Dr.  Sorb.    und 


1)  Fleury  48,  384.  Migne  2,  589.  Hurter  2,  692. 


G.  Jaenin.  N.  Lherminier.  L.  Habert.  679 

Th^ologal  zu  Le  Maos  (1657 — 1755),  schrieb  Summa  theologiae  ad 
uBum  scholarum  accommodatae,  Par.  1700 — 11,  7  vol.  8.  Ueber  den 
Tractat  von  der  Gnade  erschien  alsbald  eine  Denonciation  de  la 
Theol.  de  M.  Lh.  k  Nosseigneurs  les  ev^nes,  1709.  Lh.  gab  den 
Tractat  durch  Cartons  verbessert  heraus;  aber  nun  erschien  eine 
Suite  de  la  D^nonc,  ou  Ton  voit  en  quoi  consiste  la  nouvelle  h6- 
r^sie  et  quels  sont  les  subterfuges  de  ses  sectateurs,  1711.  Auch 
einige  Bischöfe  censurirten  das  Buch.  Eine  Umarbeitung  des  Trac- 
tats  von  der  Gnade,  die  Lh.  1721  vollendet  hatte,  erschien  nicht, 
weil  die  Approbation  verweigert  wurde  ^).  —  Louis  Habert  (1635 
— 1718)  schrieb  im  Auftrage  von  Noailles,  als  dieser  noch  Bischof 
von  Chalons  war,  Theologia  dogmatica  et  moralis  ad  usum  seminarii 
Catalaunensis,  1709.  Fen^lon  verfasste  darüber  eine  Lettre  k  un 
ev^que,  worin  er  namentlich  Haberts  Ansicht  angreift,  es  gebe  zwei 
Delectationes,  die  Gnade  und  die  Concupiscenz;  die  stärkere  der  bei- 
den wirke  mit  moralischer  Noth wendigkeit.  Diese  Lettre  schickte 
er  an  den  Herzog  von  Chevreuse  mit  der  Bitte,  mit  dem  P.  Le 
Tellier  zu  überlegen,  ob  dieselbe  gedruckt  werden  solle.  In  dem 
Briefe  an  den  Herzog  sagt  er:  „Wenn  dieses  System  nicht  ketzerisch 
ist,  so  ist  die  Verdammung  des  Jansenius  ungerecht  und  der  Jan- 
senismus nur  ein  Phantom  und  eine  imaginäre  Ketzerei,  deren  sich 
die  Jesuiten  bedienen,  um  die  treuen  Schüler  des  h.  Augustinus  zu 
verfolgen  und  die  Gewissen  zu  Gunsten  des  Molinismus  zu  tyran- 
nisiren/^  Le  Tellier  hielt  die  Veröffentlichung  der  Lettre  für  un- 
zweckmässig. £s  erschien  dann  eine  Denonciation  de  la  Th^ol.  de 
M.  Habert,  adressee  a  Mgr.  le  Card,  de  Noailles  et  M.  T^v.  de 
Chalons  sur  Marne.  Diese  ist  nicht,  wie  Noailles  meinte,  von  Fe- 
n^lon,  sondern  allem  Anscheine  nach  von  dem  Jesuiten  Lallemant 
verfasst,  aber  nur  eine  von  F6n61on  durchgesehene  Umarbeitung 
seiner  Lettre.  Es  erschienen  einige  Streitschriften  darüber  und  No- 
ailles erliess  im  März  1711  ein  Monitoire,  um  den  Verfasser  her- 
auszubringen. F^nelon  liess  darauf  durch  Le  Tellier  dem  Könige 
sagen,  wenn  Noailles  Habert  vertheidige,  werde  er  ein  Mandement 
gegen  diesen  veröffentlichen.  Ein  solches,  vom  1.  Mai  datirt,  wurde 
auch  gedruckt,  aber  von  dem  Könige  trotz  Fen^lons  wiederholter 
Bitten  die  Veröffentlichung  nicht  gestattet.  Eine  andere  ausführ- 
lichere Ordonnance  gegen  Habert  hat  sich  unter  F^n^lons  Papieren 
gefunden  und  ist  in  den  Oeuvres  16,  207 — 549  abgedruckt^.  — 
F^n^lon  suchte  auch  in  Rom  die  Verdammung  der  Bücher  von 
Lherminier  und  Habert  zu  erwirken.  Sein  dortiger  Correspondent, 
der  Jesuit  Daubenton  schreibt  ihm  23.  Oct.  1711 :  Man  ist  zur  Cen- 
surirung  der  beiden  Bücher  entschlossen ;  aber  alles  geht  hier  lang- 
sam (Corr.  3, 446).  In  späteren  Briefen  spricht  er  nur  von  Habert: 
Er  denkt  wie  Jansenius,    aber  er  drückt  sich  anders  aus,    und  das 


1)  Haur^au,  Hist.  litt,  du  Maine  2,  82. 

2)  Oeuvres    16,  XCVIII.    Corr.  1,  304   u.  8.  w.    3,  309   u.  s.  w.    4, 
146.  155. 


680  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controvenen. 

genügt,  um  ihn  vor  einer  Censnr  von  hier  ans  zu  schützen.  Seine 
moralische  Nothwendigkeit  ist  freilich  eine  physische;  aber  er  leugnet 
dieses,  nud  das  genügt  hier.  Die  Thoraisten  werden  nicht  dulden, 
dass  man  seine  Delectation  victorieuse  censurire,  da  sie  die  Freiheit 
ebenso  wenig  beeinträchtige,  wie  ihre  Gratia  praedeterminanR.  Es 
wird  sehr  schwer  sein,  die  Verdammung  von  Haberts  Buch  zu  er- 
wirken; ich  will  nicht  sagen,  dass  es  unmöglich  sei  (Corr.  3,  506). 
Ich  habe  oft  mündlich  und  zwei-  oder  dreimal  schriftlich  die  Ver- 
dammung von  Haberts  Ansicht  beantragt.  Man  hat  mir  geantwortet, 
man  könne  sich  nicht  mit  so  vielen  Dingen  auf  einmal  befassen;  es 
sei  vorerst  mit  der  Verdammung  Quesnels  genug  (4,  327).  Ihre 
dritte  Eingabe  über  die  Ansicht  der  Dominicaner  ist  ganz  richtig; 
aber  bei  dem  Ansehen,  in  welchem  diese  Patres  hier  stehen,  wagt 
man  nicht  daran  zu  rühren,  üebrigens  sind  die  meisten  Cardinäle 
so  wenig  bewandert  in  den  speculativen  und  abstracten  Fragen,  dass 
es  verlorene  Zeit  ist,  mit  ihnen  davon  zu  reden.  Ich  habe  Ihre 
Schrift  nur  Fabroni  gezeigt;  er  ist  einverstanden,  hält  es  aber  nicht 
für  opportun,  die  Sache  zu  urgiren  (4,  270).  —  Habert  kam  ebenso- 
wenig wie  Lherminier  in  den  Index.  Er  verbessert«  aber  sein  Buch 
in  den  späteren  Auflagen^). 

Theologie  morale  ou  r6solution  des  cas  de  conscience  selon 
l'6criture  sainte,  les  canons  et  les  saints  p^res,  compos^e  par  l'ordre 
de  M.  l'Eveque  et  Prince  de  Grenoble,  8  vol.  12.,  —  zuerst  Paris 
1670,  dann  oft,  im  Auftrage  des  Card.  Le  Camus  verfasst  von  Fran- 
5ois  Genet,  geb.  1640,  der  1685  Bischof  von  Vaison  wurde,  +  1702, 
—  steht  in  Bibl.  und  Dict.  Jans.;  Romanus  Philalethes  (Concina, 
Appar.  1,  57)  hebt  aber  hervor,  dass  der  Verfasser  kein  Jansenist, 
sondern  nur  ein  Gegner  des  Probabilismus  und  Laxismus  war  (er 
wird  auch  in  der  Löwener  Censur  über  den  Cas  de  conscience  zu 
den  Rigoristen  gezählt),  dass  eine  lateinische  Uebersetzung  des  Buches 
von  Capisucco  als  Mag.  S.  Pal.  approbirt  und  von  Card.  Barbadico 
in  seinem  Seminar  zu  Montefiascone  (später  auch  von  dem  Erzb.  Mar- 


1)  In  den  Briefen  Daubentons  anFenelon  aus  den  J.  1710 — 11  (Corr. 
8,  279.  868.  477),  finden  sich  folgende  für  die  Römische  Justiz  charakte- 
ristische Mittheilungen:  Abbe  Louis  Maille  aus  der  Diöoese  Aix,  Professor 
an  der  Sapienza,  ein  Agent  der  Jansenisten  und  Gegner  der  Jesuiten,  der 
viele  Gönner  hatte  und  namentlich  mit  den  Cardinälen  Casanate,  Noris 
und  Casoni  verkehrte,  wurde  im  Frühjahr  1710  aus  Rom  ausgewiesen. 
Er  bat  den  Papst,  ihm  die  gegen  ihn  vorgebrachten  Anklagen  mitzutheilen. 
Der  Papst  wies  ihn  an  die  Inquisition  und  diese  sprach  ihn  frei.  Zwei 
Cardinäle  setzten  darauf  den  Assessor  S.  Off.  und  den  Consultor  P.  Da- 
mascenus  in  Bewegung.  Dieser  verhörte  ohne  Mitwirkung  des  Commissa- 
rius-  S.  Off.  in  drei  Monaten  in  seinem  Kloster  Bekannte  von  Maille,  und 
darauf  Hess  ihn  der  Assessor  nicht  in  das  Inquisitionsgefangniss,  sondern 
in  die  Engelsburg  bringen.  Dort  werde  er  wohl  bis  zu  seinem  Tode  bleiben, 
meinte  Daubeuton  Ende  1711,  da  er  durch  aufjgefangene  Briefe  von  Tou- 
reille,  der  8 — 10  Jahre  in  Rom  mit  ihm  in  einem  Hause  gewohnt,  sehr 
grravirt  sei;  in  diesen  Briefen  werde  der  Papst  als  fripon  behandelt  und 
auf  den  König,  die  Cardinäle  und  die  Jesuiten  geschimpft.  Maille  wurde 
jedoch  1715  freigelassen,  f  1788  in  Paria. 


Theologie  de  0 renoble.  Censura  Duacensis.  681 

tini  statt  des  Antoine  in  Florenz)  eingeführt  wurde  und  dass  die 
Eemarqaes  sor  un  livre  intituU:  Th^ol.  mor.  .  .  .  par  Jacques  de 
Remonde,  Pretre  et  Docteur  en  Theol.  [pseudonym),  2  vol.,  nicht 
nur  von  dem  Card.  Le  Camus  censurirt,  sondern  auch  1679  in  den 
Index  gesetzt  worden  sind.  Die  Angabe,  Le  Camus  habe  das  Buch 
in  seinem  Seminar  wieder  abgeschafft,  ist  unwahr  (N.  E.  1750, 172). 
Spätere  Ausgaben  scheinen  geändert  zu  sein;  wenigstens  bezeichnet 
Migne  2,  509  die  von  1715  als  die  am  wenigsten  schlechte. 

Der  Jesuit  Thirioux  vertheidigte  5.  December  1696  zu  Reims 
die  These:  der  Molinismus  sei  die  rechte  Mitte  zwischen  Semi- 
pelagianismus  und  Calvinismus  und  als  solche  aus  unzähligen 
Anfeindungen  und  aus  der  genauen  Prüfung  durch  die  Päpste,  wie 
das  lautere  Gold  aus  dem  Schmelzofen,  hervorgegangen.  Dagegen 
veröffentlichte  1697  der  Erzbischof  Le  Tellier  eine  von  dem  Pariser 
Theologen  Charles  Wit^sse  verfasste  Ordonnanz.  Dieselbe  ist  strenge 
thomistisch,  desavouirt  aber  dabei  Jansenius  und  seine  Schüler,  was 
Qnesnel  in  einem  Briefe  (C.Qu.  p.  171)  scharf  tadelt.  Die  Jesuiten 
antworteten  darauf  mit  einem  Pasquill  und  einer  (von  P.  Daniel 
verfassten)  Remontrance,  die  Bossuet  respectueusement  insolente  nennt 
und  die  zu  Ronen  gedruckt,  aber  auf  Befehl  des  Königs  conffscirt 
wurde.  Der  Erzbischof  wollte  sie  wegen  ihres  respectwidrigen  Ver- 
haltens in  Rom  verklagen ;  der  erste  Präsident  de  Uarlay  bewog  ihn 
aber,  sich  mit  einer  Abbitte  zufrieden  zu  geben.  Bossuet  schlug 
damals  vor,  die  Ordonnanz,  um  ihr  eine  indirecte  Bestätigung  zu 
verschaffen,  in  Rom  mit  den  dort  üblichen  Approbationen  drucken 
zu  lassen,  wie  er  es  mit  seiner  Exposition  gehalten.  Das  kam  aber 
nicht  zur  Ausführung^). 

4.  Die  Censura  S.  Facultatis  theol.  Duacensis  in  quasdam 
propositiones  de  gratia,  depromptas  ex  dictatis  philosophicis  Domi- 
norum Lengrand  et  Marechal  primorum  Collegii  Duac.  professorum 
.  .  .  Accedit  appendix  ad  causam  professorum  primariorum  Collegii 
regii,  item  mantissa  continens  censuram  in  epistolam  scriptam  ab 
Er.  D.  Pierart  .  .  .  Seminarii  Henniniani  praeside,  1722,4.  (abgedr. 
Arg.  III  b  483),  wurde  mit  d.  c.  verb.  1729  2).  Faure,  Comm.  p.  269 
noiacht  den  Dominicanern  zum  Vorwurf,  dass  sie  die  von  den  An- 
hängern des  Bajus  gegen  die  Jesuiten  erlassene  Censur  von  Douay 
von  1588  (I  S.  446)  trotz  wiederholter  Denunciation  freigegeben, 
dagegen  diese  neuere,  in  der  jene  desavouirt  werde,  verboten  hätten. 
Es  ist  aber  gar  nicht  zu  verwundern,  dass  eine  Censur,  noch  dazu 
nur  mit  d.  c,  verb.  wurde,  in  welcher  Massoulie  und  Contenson  als 
spurii  Thomistae,  welche  die  Ketzereien  Jansens  und  Quesnels  ver- 
theidigten  oder  begünstigten,  sehr  scharf  angegriffen  werden  (Arg. 
III  b  530.  586).  In  den  Acten  der  Index-Congr.  (Catalani,  Secr. 
Ind.  p.  32)    wird   berichtet:    am  31.  Aug.   1728   habe  der  Secretär 


1)  Werner,    Thomas  v.  Aqiiin  3,  443.  Avr.  4,  91.    Bossuet  40,  522. 
553;  41.  16.  23. 

2)  Bist,  du  livre  des  Reflexious  3,  3.  74. 


682  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controversen. 

wegen  der  Censura  angefragt,  worüber  Clemens  XII.  sicli  das  Ur- 
theil  reservirt  hatte;  der  Papst  habe  erklärt,  er  habe  nach  Rück- 
sprache mit  dem  Commissarius  S.  Gif.  beschlossen,  sie  solle  mit  d.  c. 
verb.  werden;  es  würden  darin  mit  Unrecht  Lehren  der  Thomist^n 
als  mit  Jansenius  verdammt  bezeichnet,  und  Massoulie  und  Contenson 
und  selbst  der  h.  Thomas  ungerecht  angegriffen.  Die  Facultät 
schickte  den  Canonisten  Toussaint  Theodor  du  Many  nach  Hom,  um 
zu  erfahren,  was  zu  corrigiren  sei;  die  Index-Congr.  erklärte  ihm 
3.  April  1731:  die  Facultät  solle  nach  den  oben  mitgetheilten  Er- 
klärungen des  Papstes  selbst  eine  expurgirte  Ausgabe  veranstalten 
und  diese  vor  dem  Druck  vorlegen.  Das  ist  nicht  geschehen.  — 
Aus  demselben  Grunde  wurde  1739  ein  Pseudonymes  Werk  des 
spanischen  Jesuiten  Diego  de  Quadros  (1677  — 1746)  verb.:  Caduceas 
theologicus  et  crisis  pacifica  de  examine  thomistico  .  .  opera  et 
studio  D.Martini  Ortizii,  Madrid  1733,  Fol.,  in  drei  Theilen,  von 
denen  der  2.  gegen  Massoulie,  Graveson,  Cajetan  Benitez  de  Lugo, 
Montalvan  u.  a.  gerichtet  ist.  In  Spanien  wurde  das  Buch  nicht 
verb.;  er  erschien  sogar  1741  zu  Madrid  ein  2.  Band,  der  nament- 
lich gegen  Benitez,  f  1739  als  Bischof  von  Zamora,  gerichtet  ist, 
den  er  auch  deutlich  genug  als  denjenigen  bezeichnet,  der  den  ersten 
Band  in  den  Index  gebracht  habe^).  Dieser  2.  Band  wurde  nicht 
verboten. 

Von  Vinc.  Contenson  (f  J674)  wurde  die  Theologia  mentis  et 
cordis,  1673  —  76,  9  vol.  12.,  mehr  noch  wegen  ihres  Rigorismus 
als  wegen  der  Gnadenlehre  angegriffen.  Der  letzte  Theil  des  Werkes 
ist  von  Antoninus  Massoulie  (f  1706),  von  dessen  D.  Thomas  sui  in- 
terpres  de  divina  motione  et  libertate  creata,  Rom  1692,  2  Fol., 
F6n61on  (Corr.  3,  243)  sagt:  Während  er  den  Jansenismus  zu  ver- 
dammen scheint,  ist  er  mit  seiner  Praemotio  tief  in  das  Jansenistische 
System  hineingerathen.  —  Charakteristisch  ist,  was  von  Arn.  31,  448 
berichtet  wird :  Hennebel  und  Desirant,  die  Vertreter  der  beiden 
Parteien  unter  den  Löwener  Theologen  in  Rom  (S  647),  kamen  über- 
ein, einen  angesehenen  Thomisten  um  eine  Darlegung  der  Lehre  von 
der  Gratia  sufficiens  zu  bitten,  die  sie  dann  beide  unterschreiben 
wollten.  Massoulie  verfasste  auf  ihr  Ersuchen  eine  Explicatio  na- 
turae  et  uecessitatis  sufficientis  auxilii  juxta  principia  S.  Thomae  et 
ipsius  scholae,  die  von  anderen  Dominicanern  approbirt  wurde. 
Hennebel  unterschrieb  dieselbe  wirklich,  Desirant  aber  nicht  — 
lieber  ein  Buch,  welches  P.  Dez  gegen  Gerberons  Ausgabe  des 
Bajus  schrieb,  berichtet  Abbe  Bossuet  an  seinen  Oheim  (Oeuvres 
40,  388)  in  den  letzten  Monaten  des  Jahres  1697:  Ein  Wohlunter- 
richteter sagte  mir,  es  sei  ein  schlechtes  Buch;  der  Verfasser  er- 
neuere unter  dem  Verwände,  Bajus  zu  widerlegen,  den  Jansenisti- 
schen Streit  und  spreche  schlecht  von  Augustinus.  Der  Mag.  S. 
Pal.    hat   das  Buch   dem  Dominicaner  Massoulie  gegeben.      Dessen 


1)  Mich,  a  S.  Jos.  2,  342;  3,  394  und  fol.  8;    4,  2.  Hurter  2,  1815 
sagt  nichts  davon,  dass  der  Caduoeus  im  Index  steht. 


M.  Ortiziufl.  V.  Conienson.  A.  Massoulie.  Card.  Sfondrato.  688 

Bemerkungen  sind  Dez  zu  Gesiclit  gekommen  and  er  hat  dagegen 
eine  R^ponse  an  Jans^niste  anonyme  geschrieben,  worüber  sich  Mas- 
sonlie  bei  der  Inquisition  beklagt  hat.  .  .  .  Die  Inq.  hatte  das  Buch 
Miro  und  Granelli  zur  Begutachtung  gegeben;  diese  haben  dasselbe 
als  gefährlich  und  schlecht  bezeichnet.  In  der  Sitzung  hat  Card. 
Bouillon  sich  des  P.  Dez  angenommen,  und  es  ist  vorläufig  be- 
schlossen worden,  das  Gutachten  solle  allen  Gardinälen  schriftlich 
vorgelegt  worden.  —  Zu  einem  Verbote  ist  es  nicht  gekommen; 
Abb6  Bossuet  bezeichnet  aber  schliesslich  (41,  412)  Dez  als  den  ge- 
fährlichsten aller  Menschen. 

5.  Die  Verhandlungen  über  das  Buch  von  Sfondrato  bilden  eine 
eigenthümliche  Diversion  in  dem  Jansenistischen  Streite.  Coelestinus 
Sfondrato  war  Benedictiner,  geb.  1644  zu  Mailand,  seit  1687  Abt 
von  St.  Gallen,  1695  wegen  seiner  Schriften  gegen  den  Gallicanis- 
mus  zum  Cardinal  ernannt,  f  4.  Sept.  1696.  Das  Buch  heisst: 
Nodus  praedestinationis  ex  sacris  literis  doctrinaque  SS.  Augustini 
et  Thomae,  quantum  homini  licet,  dissolutus,  Rom  1697  *,  4.  Sf. 
hatte  sich  noch  selbst  die  Erlaubniss  zur  Veröffentlichung  des  Werkes 
von  der  Inquisition  geben  lassen  (S.  304);  es  wurde  nach  seinem 
Tode  unter  den  Anspielen  der  Cardinäle  Albani  (später  Clemens  XI.) 
und  CoUoredo  von  dem  Minoriten  Jo.  Damascenus  herausgegeben. 
Das  Buch  „schien  einen  extremen  Molinismus  zu  vertreten*'  (Schill, 
Die  B.  Unig.  S.  30),  und  wurde  nicht  nur  von  den  Jansenisten  an- 
gegriffen, sondern  vor  allem  von  Bossuet  dessen  Verdammung  be- 
trieben. Ein  von  ihm  verfasster  Brief  an  Innocenz  XII.  wurde  23. 
Febr.  1697  ausser  von  ihm  von  den  Erzbischöfen  von  Paris  und 
Reims  und  den  Bischöfen  von  Amiens  und  Arras  unterschrieben,  und 
Ludwig  XIV.  beauftragte  den  Cardinal  Janson,  denselben  dem  Papste 
zu  überreichen^).  Innocenz  XII.  antwortete  6.  Mai,  er  habe  eine 
Commission  zur  Prüfung  des  Buches  ernannt.  Der  Brief  der  5  Bi- 
schöfe und  die  Antwort  des  Papstes  wurden  im  Juni  zu  Paris  ge- 
druckt, obschon  der  Kanzler  auf  Anstiften  F6n61ons  und  der  Jesuiten 
Schwierigkeiten  machte.  Mitglieder  der  Commission  waren  die  Car- 
dinäle Aguirre  und  Noris,  die  Generale  der  Dominicaner  und  Jesuiten 
und  P.  Diaz.  Letzterer  war,  wie  Bossuet  sagt,  den  französischen 
Bischöfen  feind  wegen  der  Agreda'schen  Angelegenheit,  und  von  dem 
Jesuiten  -  General  erzählte  man  sich  in  Rom,  er  habe  alle  Federn 
der  Gesellschaft  zur  Vertheidigung  des  Buches  znr  Verfügung  ge- 
stellt. Es  ist  erklärlich,  dass  man  in  Rom  nicht  sehr  geneigt  war, 
ein  dort  gedrucktes  Buch  eines  Cardinais  zu  censuriren,  welches 
diesem  Schicksale  gewiss  nicht  entgangen  sein  würde,  wenn  es  von 
einem  andern  verfasst  gewesen  wäre.     Man  sagte  dem  Papste ,    für 


1)  Arg.  III  b  394.  Bossuet  38,  30;  vgl.  40,  264  u.  s.  w.;  41,  84 
u.  8.  w.  Fabroni  7,  218  erwähnt  eine  nicht  gerückte  Schrift  von  Bacchini, 
worin  gezeigt  werden  sollte,  —  was  hicht  im  mindesten  wahrscheinlich 
ist,  —  Sfondrato's  Buch  sei  von  dem  Herausgeber  geändert  worden  und 
der  Cardinal  könne  nicht  dafür  verantwortlich  gemacht  werden. 


684  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controvenen. 

die  Vertheidigung  eines  von  ihm  ernannten  Cardinais  müsse  er  Zeit 
gewähren.  Im  Sept.  1698  schrieb  Abb^  Chanterac  an  F6n61on 
(Corr.  9,  461):  man  lasse  die  Sache  ruhen  unter  dem  Yorwande,  dass 
Fen^lons  Angelegenheit  die  Inquisition  ganz  in  Anspruch  nehme;  im 
Grunde  aber  wolle  man  abwarten,  ob  die  fünf  Bischöfe  nach  der 
Beendigung  dieser  Angelegenheit  ihre  Anklage  erneuern  würden. 
Gleichzeitig  schickte  er  F6nelon  das  Manuscript  einer  Vertheidigung 
Sf.'s  mit  der  Bemerkung:  „Der  Verfasser,  den  ich  nicht  nenne,  der 
aber  ein  Mann  ist,  welchem  wir  Dank  schulden,  lässt  Sie  bitten,  das 
Buch  in  Köln,  Holland  oder  Flandern  drucken  zu  lassen.  Auch  die 
Curie  würde  es  gern  sehen,  dass  das  Buch  auswärts  gedruckt  würde, 
damit  sie  nöthigenfalls  sagen  kann,  sie  habe  nichts  damit  zu  ihnen. 
Es  ist  mir  ausdrücklich  gesagt  worden,  die  Curie  würde  für  die 
Vermittlung  des  Druckes  dankbar  sein."  Fdnelon  besorgte  den 
Druck  des  Buches :  Dispunctio  notarum  XL,  quas  scriptor  anonymns 
Card.  Sfondrati  libro  .  .  .  inussit,  Col.  1698.  Der  Verfasser  war, 
was  in  Rom  kein  Geheimniss  war,  Card.  Gabrielli,  der  als  Theologe 
des  Papstes  Sf.^s  Buch  approbirt  hatte.  £r  schrieb  selbst  später 
an  Fenelon  (Corr.  2,  477) :  der  Papst  habe  die  Veröffentlichung 
seines  Buches  gewünscht,  dasselbe  habe  aber  auswärts  gedruckt 
werden  müssen,  da  in  Kom,  was  er  sehr  missbillige,  nichts  anonym 
oder  Pseudonym  veröffentlicht  werden  dürfe.  Nach  den  Römischen 
Verordnungen  sollte  aber  auch  kein  Römischer  Schriftsteller  ohne 
Erlaubniss  etwas  auswärts  drucken  lassen^).  —  Bossuets  Agent  in 
Rom  war  übrigens  damit  einverstanden,  dass  die  Verhandlung  über 
Sf.*s  Buch  bis  nach  der  Erledigung  der  F^n61on'schen  Sache  aus- 
gesetzt würde,  und  nachdem  diese  erledigt  war,  erhielt  er  im  Mai 
1699  von  Bossuet  die  Weisung,  nicht  auf  eine  Wiederaufnahme  der 
Untersuchung  zu  dringen,  zumal  auch  der  Erzbischof  Noailles,  der 
Cardinal  werden  wollte,  sich  nicht  durch  ein  nochmaliges  Denunciren 
des  Buches  von  Sf.  missliebig  machen  wollte  (Bossuet  42,  465.  518). 
—  Eine  Sammlung  von  scharfen  Kritiken  des  Buches:  Augustiniana 
Ecclesiae  Rom.  doctrina  a  Card.  Sfondrati  Nodo  extricata  per  varios 
S.  Aug.  discipulos,  Col.  170<),  von  Uuesnel  und  seinen  Freunden 
herausgegeben,  wurde  der  Assembl^e  du  Clerge  von  1700  übersandt 
und  Bossuet  legte  dieser  auch  einige  Sätze  aus  den  Büchern  von  Sf. 
und  Gabrielli  zur  Censur  vor  (Bausset  3, 249).  Die  Assemblee 
glaubte  aber,  wie  Bossuet  (38,  102)  sagt,  den  guten,  wohlgesinnten 
und  Frankreich  wohlwollenden  Papst  menagiren  zu  müssen,  und  er- 
klärte, sie  wolle  sich  über  das  Buch  von  Sf.,  da  der  Papst  eine 
Prüfung  desselben  zugesagt,    nicht  aussprechen,    müsse   aber  einige 


1)  Vgl.  I,  341.  484.  Die  Schrift  von  Gabrielli  ist  gerichtet  gegen 
Hennebels  Propositiones  40  excerptae  ex  1.  cni  tit.  Nodus  praed.,  adjunctis 
quibusdam  notis.  1696  verfasst,  abgedr.  in  der  Sammlung  Angustiniana 
Eccl.  Rom  etc.  Ueber  diese  s.  C.Qu.  p.  255.  Eine  kleine  Satire:  Appendix 
ad  Nodum  Sfondratianum  s.  litterae  parvulorum  sine  baptismo  mortuorum 
scriptae  e  limbis  ad  suae  quietis  perturbatores,  Col.  1698*,  wurde  Serry 
zugeschrieben,  von  diesem  aber  abgeleugnet;  Opera  I  p.  XL 


Maariner-Ausgabe  des  Aagustinus.  685 

Sätze  in  der  Vorrede  des  ihr  übersandten  Werkes,  dass  der  Janse- 
nismus  ein  blosses  Phantom  sei  und  dgl.,  rtigen  (Recneil  des  actes 
1,  713).  Sf/s  Buch  wurde  in  Eom  nicht  censurirt ;  dieüutersuchung 
desselben  scheint  gar  nicht  wieder  aufgenommen  worden  zu  sein. 
Aber  auch  die  Sammlung  von  1700  wurde  nicht  verb.  (im  span. 
Index  von  1747  steht  sie;. 

6.  Die  Mauriner  galten  als  Jansenisten;  es  war  darum  zu  er- 
warten, dass  man  ihre  Ausgabe  der  Werke  des  h.  Augustinus  scharf 
prüfen  werde.  Die  beiden  ersten  Bände,  von  Frangois  Delfau  bear- 
beitet, erschienen  1678  und  79,  die  folgenden  8,  von  Thomas  Blam- 
pin  in  Verbindung  mit  anderen,  1679 — 90.  Der  10.  Band  wurcfe 
angegriffen,  weil  sich  darin  vor  dem  Buche  de  correptione  et  gratia 
eine  Analytica  Synopsis  doctrinae  dieses  Buches  befand,  die  aus  der 
von  Arnauld  1644  veröffentlichten  Ausgabe  desselben  entnommen 
war.  Der  Erzbischof  Harlay  machte  dem  General-Superior  Dom 
Boistard  darüber  Vorstellungen ;  dieser  erklärte:  Blampin  sei  ersucht 
worden,  die  Analyse,  die  ja  1644  mit  Approbation  erschienen  sei, 
besonders  drucken  zu  lassen,  damit  diejenigen,  die  es  wünschten,  sie 
dem  Bande  beifügen  könnten;  der  Drucker  habe  sie  ohne  sein  Vor- 
wissen mehreren  Exemplaren  beigefügt;  er  werde  aber  dafür  sorgen, 
dass  sie  aus  allen  noch  vorhandenen  Exemplaren  entfernt  werde. 
Blampin  wurde  zur  Strafe  seines  Amtes  als  Sous-Prieur  von  St.  Ger- 
main  entsetzt,  aber  nicht,  wie  P.  de  la  Chaise  verlangte,  von  Paris 
entfernt^).  —  Neun  Jahre  nach  der  Veröffentlichung  des  10.  Bandes 
begann  eine  neue  Polemik  über  denselben.  In  einer  Lettre  de 
rabb6  de  ***  aux  RR.  PP.  de  la  Congr^gation  de  Saint  Maur  snr 
le  dernier  tome  de  leur  Edition  de  St.  Augustin,  Col.  (Paris  1699), 
72  S.  12.,  wurde  auf  Irrthiimer  bezüglich  der  Gnadenlehre  hinge- 
wiesen, die  sich  in  den  Noten  des  Bandes  fänden.  Die  Lettre  gab 
sich  als  französische  Uebersetzung  eines  lateinischen  Briefes  eines 
deutschen  Abtes,  ist  aber  von  dem  Jesuiten  Jean  Bapt.  Langlois 
(1663 — 1706).  Da  die  Mauriner  nicht  antworteten,  veröffentlichte 
Langlois  noch  in  demselben  Jahre  Lettre  d*un  abb6  commendataire 
aux  RR.  PP.  Ben^dictins  de  la  Congr.  de  St.  Maur,  27  S.  12.,  worin 
gesagt  wird,  die  Mauriner  thäten  wohl  daran,  zu  schweigen,  und 
Lettre  d'un  Benedictin  non  r^form^  aux  RR.  PP.  B^n.  de  la  Congr. 
de  St.  Maur,  21  S.  12.,  worin  ihnen  vorgehalten  wird,  sie  müssten 
antworten.  Noailles  und  Bossuet  riethen  ihnen,  nicht  offiziell,  aber 
in  anonymen  Broschüren  zu  antworten,  und  so  erschienen  denn  noch 


1)  Hist.  litt,  de  la  Congregation  de  St.  Maur  (von  R.  Fr.  Tasain), 
p.  289  (darin  p.  301 :  Precis  des  contestations  au  sujet  de  la  nouvelle 
edition  de  S.  Aug.).  Backer  8.  v.  Langlois.  Polybiblion  31,  478;  32,  383; 
84,  192.  —  Die  Analyse  (bei  Arn.  U,  649)  ist  in  dem  zu  Antwerpen 
(Amsterdam)  1703  erschieneneu  Nachdruck  wieder  beigefügt;  in  diesem 
steht  auch  eine  Appendix  Augustiniana  von  Phereponius  (Jean  Le  Clerc). 
Der  Mauriner  FranQois  Gesver  (f  1705)  schrieb  Defensio  Arnaldina  s.  Ana- 
lytica Synopsis  .  .  ab  A.  Arnaldo  .  .  .  1644  edita  ab  omnibus  reprehen- 
sorum  calumniis  vindicata,  Antw.  (Reims)  1700. 


686  Mit  der  Jansen,  zosmmmenhmngende  ControTenen. 

1699  Lettre  d*nn  theologien  a  ud  de  ses  amis  snr  un  libelle,  qid  a 
pour  titre :  Lettre  de  Tabbe  de  ***. . . ,  Plainte  de  Tapologiste  des  Beiie- 
dictinsa  MM.  les  prelats  de  France  (beide  von  Francis  Lamy,  i*  1711) 
und  Reflexions  sar  la  lettre  dan  abbe  allemand  .  .  .  (von  Denjs  de 
Sainte-Martbe,  t  1725).  Langlois  schrieb  nnn  noch  Memoire  d^iin 
Docteur  en  Theo!,   a  MM.  les  prelats  de  France  snr  la  reponse  d'nn 

th^logien    des   PP.    B^ned s.  L    1699,     128  S.    8.,    worauf 

Sainte-Marthe  mit  Lettre  a  nn  Doctenr  de  Sorbonne  toncbant  le  Me- 
moire .  .  .  antwortete.  Es  erschienen  noch  mehr  Schriften  von 
beiden  Seiten;  der  KOnig  Hess  im  Nov.  1699  durch  den  Enbiscfaof 
den  Snperioren  beider  Orden  die  Fortsetzung  des  Streites  unter- 
sagen ^i.  —  Montfaucon .  der  damals  eben  in  Rom  war,  Hess  dort 
mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  1G99  drucken:  Vindiciae  editionis 
S.  Aug.  a  Benedictinis  adomatae  adversus  epistolam  abbatis  ger- 
mani,  auth.  D.  B.  de  Riviere.  Am  2.  Juni  1700  wurden  die  vier 
Schriften  von  Langlois  <  keine  andere  über  diese  Controverse)  rerb. 
(das  Decret  bei  Tassin  p.  306;  im  span.  Index  stehen  sie  nicht,  aber 
Poeme  sur  les  ecrits  des  Jesuites  contre  la  nonvelle  edition  de  8. 
Aug.).  —  Im  J.  1700  erschien  der  letxte.  11.  Band  der  Ausgabe 
des  Augustinus.  Die  darin  stehende  Praefatio  generalis  ist  von  Ma- 
billon  geschrieben,  aber  von  den  Bischöfen,  denen  sie  vorgelegt 
wurde,  stellenweise  geändert«  so  dass  die  Schüler  des  h.  Augustinus 
von  der  strengem  Observanz  unzufrieden  damit  waren  (Tassin  p.  358. 
309'.  Clemens  XI.  belobte  in  einem  Breve  vom  J.  1706  an  den 
General-Superior  die  Mauriner  für  ihre  Ausgaben  der  Kirchenväter. 
Die  Anfeindungen  der  Ausgabe  des  Augustinus  hörten  mit  dem 
J.  llOv  nicht  auf.  Im  März  1701  schreibt  Montfiiucon  aus  Rom 
(Talery  3. 1 1 1 ) :  Die  Jesuiten  von  Toulouse  baben  ein  Factum  ge- 
macht, worin  sie  alle  Anklagen  gegen  die  Ausgabe  erneuern  und 
sagen,  unser  General  habe  eiDgestanden.  dass  Ketzereien  darin  stan- 
den, und  die  Praefatio  generalis  gebe  das  auch  zu.  —  1712  behaup- 
tete der  Basilianer  Jo.  Chrrs.  Scarpho  iScarfo»  zu  Neapel  in  einem 
anter  dem  Xamen  Grisofano  Gardieletti  geschriebenen  Briefe«  den 
Montfaucons  Geifer  Ficoroni  drucken  liees.  die  Mauriner  hatten  8 
Sitze  im  Jansenistischen  Interesse  gefälscht.  Der  General-Procniator 
des  Ordens  in  Rom  beklagte  sich,    und  Scarpho   wurde  vor  die  In- 


1  k  Zu  erwähnen  ist  wegen  eines  MtssTerstindnisses  Lettre  d*an  eode- 
siastiqae  au  R.  P  E.  L.  J  sor  cell«,  qa'il  a  ecrite  aox  RR.  PP.  Bened. 
.  .  .  Osnabrück  i?>  lo99.  Mit  E.  L  J.  ist  Emeric  Langlois  Jcsuite  gemeint; 
aber  nicht  dieser,  sondern  Jean  Bapt.  Langiois  ist  der  Terfuser  derLeltzes. 
In  der  2.  rermelirtea  Ausgabe.  Liege  17W.  steht  auf  dem  Titelblatt  an 
R>  P-  L.  J.  —  Der  Maariner  Tincent  Thoillier  (t  1736)  hatte,  als  er  noefa 
AppeUant  wir.  eine  Uist  des  contestauioos  arrivees  entre  les  Jesuites  et 
U  Congr.  de  St.  Maar  an  sojet  de  la  noar.  edition  de  St.  Aug.  geschrieben 
und  an  CL  P.  Goajet  geschickt«  am  sie  dmeken  zu  laaeen,  was  <1^im1« 
anterblieK  Spater  schickte  ThoiUier  die  Histcnre  ganz  amgearbeitet  an 
B.  P«z.  der  sie  17$.>  tra  33.  Bande  der  Bibtiotheca  sermaaiea  reroffent- 
bellte^  Xon  gab  Goajet  d«i  nrsprunglichea  Text  mit  Eialettang  aad  Noten 
hef^fczzs.  1736  «Taein  p.  Sä».  X.  E.  1734x  1^4). 


P.  Lombert.    N.  Fontaine.  687 

qnisition  citirt  und  musste  widerrufen^).  —  Im  J.  1710  plante  F6- 
n^lon  eine  neue  Ausgabe  des  Augustinus  „mit  guten  Noten",  für  die 
man  in  Eom  eine  Approbation  oder  eine  Belobung  erwirken  müsse. 
Le  Tellier  sollte  ihm  dabei  durch  zwei  oder  drei  Theologen  seines 
Ordens  helfen  lassen  (er  nennt  Germon  und  Lallemant) ;  wenigstens, 
schreibt  er  an  Le  Tellier,  müsse  man  eine  neue  Ausgabe  der  Bücher 
über  die  Gnade  veranstalten  „mit  Noten,  welche  die  der  Benedictiner 
discreditiren'*;  denn  es  komme  alles  darauf  an,  den  Jansenisten  den 
grossen  Namen  des  h.  Augustinus  und  die  Maske  des  Thomismus 
zu  entreissen  (Corr.  1,  385;  3,  242).  Von  der  Ausgabe  der  Mau- 
riner  sagt  er:  sie  hätten  viel  und  nicht  bloss  lässlich  darin  gesün- 
digt, und  die  Praef.  gen.  müsse  der  katholischen  Kirche  ebenso  sehr 
missfallen  wie  der  Jansenisten-Secte  (Oeuvres   15,  83). 

Es  sind  hier  noch  zwei  Uebersetzungen  von  patristisohen 
Werken  zu  erwähnen.  Les  oeuvres  de  St.  Cyprien  traduites  en  fran- 
5ois,  avec  des  remarques  et  une  nouvelle  vie  de  St.  Cyprien  tir^e 
de  ses  Berits,  par  M.  Pierre  Lombert,  eine  tüchtige  Arbeit  eines 
Juristen,  der  sich  den  Einsiedlern  von  Port-Royal  angeschlossen, 
t  1710,  wurde  1672  verb.,  wohl  nicht  bloss  wegen  der  Weglassung 
der  Interpolationen  in  dem  Buche  de  unitate  ecclesiae;  wenigstens 
hat  das  Dict.  Jans.  3,  187  auch  an  seiner  Darstellung  des  Streites 
zwischen  Cyprianus  und  Stephanus  vieles  auszusetzen.  —  Ein  anderer 
der  Einsiedler  von  Port-Royal,  Nicolas  Fontaine,  f  1709,  84  Jahre 
alt,  veröffentlichte  anonym:  Homelies  ou  sermons  de  St.  Jean 
Chrysostome,  archevesque  de  Constantinople,  sur  l'^pistre  de  S.  Paul 
aux  Romains,  Paris  1682,  verb.  1687.  Der  5.  Band  des  ganzen 
Werkes,  die  Homelies  .  .  .  sur  les  ^pistres  h  Tim.,  k  Tite,  k  Phi- 
16mon  et  aux  Hebr<?ux,  Par.  1690,  steht  nicht  im  Index,  wurde 
aber  in  Frankreich  angegriffen,  zuerst  1691  von  dem  Jesuiten  Gabriel 
Daniel  in  einer  Lettre  touchant  une  h^r^sie  renouvel^e  depuis  peu. 
und  in  einer  lat.  Dissertation,  dann  von  dem  Jesuiten  Edme  Rivi^re 
in  Le  Nestorianisme  renaissant  denonce  ä  la  Sorbonne,  1693;  dagegen 
schrieb  Quesnel  Le  roman  seditieux  du  Nest,  renaissant  convaincu 
de  calomnie  et  d'extravagance,  1693,  4.,  worauf  Daniel  in  einer 
Lettre  apolog^tique  antwortete  (Backer  1,  241).  Es  wurde  Fontaine 
namentlich  zum  Vorwurf  gemacht,  dass  er  zwei  Stellen  der  Homilieen 
zum  Hebräerbrief  so  übersetzt  hatte,  als  ob  Chrysostomus  von  zwei 
Personen  in  Christus  rede ;  er  war  eben,  wie  S.-Beuve  2, 244  sagt, 
ni  th^ologien  tres-sur,  ni  helleniste  sans  appel.  Dass  er  aber  nichts 
weniger  als  eine  böse  Absicht  gehabt  (im  Dict.  Jans.  2,  236  fehlt 
die  Anklage  nicht,  er  habe  an  der  rialisation  du  projet  de  Bourg- 
fontaine  mit  gearbeitet),  zeigt  ein  Brief  an  den  Erzbischof  Harlay 
vom  4.  Sept.  1693  und  eine  demselben  beigelegte  Retractation ,  die 
er  dem  Bande  beifügen  wollte,  der  ausserdem  durch  Cartons  corrigirt 
wurde  (Arg.  III  b  386).  Der  Erzbischof  verbot  gleichwohl  das 
Werk.     Ein  Avertissement  de  Tauteur  de  la  traduction  des  homelies, 


1)  Tassin  p.  309.  791.  Muratori,  Lottere  ined.  p.  278. 


688  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Cnntrovenen. 

worin  gezeigt  werden  soll,  dass  er  richtig  übersetzt  und  dass  auch 
andere  Kirchenväter  8ich  so  ausgedrückt,  ist  nicht  von  Fontaine, 
wie  er  in  einem  zweiten  Schreiben  an  den  Erzbischof  vom  1 2.  März 
1694  (Arg.  III  b  388)  ausdrücklich  erklärt  ^j. 

7.    Durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  vom    28.  Jan.  1704   (Bull, 
cont.  2,  25.  Arg.  III  b  442)    wurde  unter  Androhung  der  Excomm. 
1.  sent.    verb.  Veritable   tradition   de   TEglise  sur    la  Prädestination 
et  la  gr&ce,  par  Mr.  de  Launoy,  Liege  1703,    127  S.  12.,   als  ein 
Buch,  welches  die  Cardinäle  der  Inq.  als  libellum  ad  minus  impium, 
blasphemum,  nee  non  .  .  .  S.  Augustino  (cujus  praecelsam  doctrinam 
Bom.  Pontifices    magno    semper   in  pretio  habuerunt  totoque  mentis 
affectu  amplexi  faerunt),  quinimo  ipsimet  Ecclesiae  atque  Apost.  Sedi 
injuriosum  bezeichnet  hätten.     Die  Schrift  (abgedr.  Opp.  I,  2,  1065; 
vgl.  IV,  2,  445)  ist  wahrscheinlich  nicht  von  Launoy,  sondern  von 
seinem  Schüler  Louis  de  Marais,  gibt  aber,  von  der  Ausführung  ab- 
gesehen,  Launoy's  Ansicht  wieder,    wie  sie  Am.  3,  531   darstellt: 
Launoy  s'etait  mis  dans   la  tete  qu*il  y  avait  deux  sentiments  dans 
TEglise  touchant  la  grice.  Tun  de  St.  Augustin  et  de  ceux  qui  IV 
vaient  suivi,  Tautre  des  peres  qui  Tavaient  pr^cede  et  des  Semip^- 
lagiens,  et  qu'on  ne  devait  condamner  personne  sur  Tune  on  l'antre 
de   ces   deux   opinious.      R.  Simon,    Lettres  I,  278,    schreibt   schon 
1690:     die  Schrift  sei  in  Abschriften  in   vielen  Händen;    einer  von 
Launoy 'r  Schülern  habe  ihm  eine  Abschrift  gegeben;    er    habe  an- 
fangs geglaubt,  sie  könne  nicht  von  Launoy  sein,  der  zwar  von  den 
Autoren  vor  Anselm  nicht   viel  gewusst  habe,    aber   doch    nicht  so 
grobe  Fehler,  wie  sie  in  der  Schrift  vorkämen,   gemacht  und  nicht 
den  Pseudo-Dionysius   und   den  Pseudo-Clemens  citirt  haben  würde. 
Simon  kam  in  den  Verdacht,    die  Schrift  herausgegeben   zu  haben 
(Ingold ,    Essai    p.    159).     —      Der    Jesuit    Gabr.    Daniel    schrieb 
dagegen  Defense  de  St.  Aug.  contre  un  livre  sous  le  nom  de  Lau- 
noy, oü  Ton  fait  passer  ce  saint  pere  pour  un  novateur  sur  la  pr^ 
destination  et  sur  la  gr&ce.  Par.  1704    (auch   in   seinem  Recueil  de 
divers  ouvrages,   1724,  IL  219  u  und  der  Dominicaner  Serry  D.  Au- 
gustinus summus  praedestinationis  et  gratiae  doctor  a  calumnia  vin- 
dicatus  adv.  Jo.  Launoii   tractatum   peculiari  Clementis  XI.    decreto 
nuper    inustum,    1704,   424  S.  8.     Später    deutete    Serry    in    einer 
Epistola  Jo.  Launoii  ex  Elyseo  ad  Creneralem  Soc.  Jesu  Praepositum 
data.     In  Campis  Elyseis  1705,  24  S.  12.    (Opp.  Launoii  I,   1105), 
an,  Launoy  habe  seine  Bemerkungen  gegen  Aug.  aus   den  Schriften 
der  Jesuiten.      Darauf  erschien   eine  lettre    du  P.  D(aniel)  Jesnite 
au  P.  Ant.  Cloche,  Gen.  de  TOrdre  de  St.  Dom.,    touchant  le  livre 
du  P.  Serry    contre   Launoy  et  touchant    une    imprim^e    contre  les 
J^suites,    1705,  39  S,   12.,    worauf   noch    einige  Streitschriften  von 
beiden  Seiten  folgten  (Quetif  2,  803.  Hurter  2, 180).    Le  Molinisme, 


1)  Racine  V2,  85«.  Recueil  des  divers  ouvr.  du  F.  Daniel,  Par.  1724, 
3,  569.  Racine  und  Goujet  im  Suppl.  k  Morery  halten  das  Avert.  für  echt 
Ntcli  Diot.  Jans.  *2,  289  ^^-ire  es  von  Dupin. 


J.  Laanoy.    G.  J.  Tricassinus.    J.  Le  Noir.  689 

Systeme  thiol.  le  plns  ancien,  le  plns  sür  et  le  plus  raisonnable, 
1 732,  ist  eine  Art  von  Edition  rechaufF^e  des  Buches  von  Laanoy 
von  dem  Ex-Oratorianer  Dueil  (N.  E.  1733,  154.  189). 

Ein  Bnch,  welches  1686  zu  Paris  anonym  erschien  unter  dem 
Titel  Theologie  morale  de  S.  Augustin,  oü  le  precepte  de  Tamour 
de  Dien  est  traite  k  fond  etc.,  —  der  Verfasser  ist  Dr.  Michel 
Bourdaille,  Generalvicar  zu  La  Rochelle,  f  1694,  —  bot  Anlass  zu 
der  Schrift  Morale  relftch^e  (corrompue)  des  pr6tendus  disciples  de 
S.  Augustin  denoncee  k  TAssembl^e  du  Clerge  de  France,  Li6ge  s.  a. 
Die  Assembl^e  von  1700  censurirte  zwei  Sätze  daraus  (No.  114.  115). 
Die  Jansenisten  für  die  Theologie  verantwortlich  zu  machen,  war 
man  aber  nicht  berechtigt,  da  Amauld  die  betreffenden  Sätze  schon 
1686  scharf  getadelt  hatte  und  Quesnel  erklärte,  der  Verfasser  habe 
nie  zu  den  Messieurs  de  Port-Eoyal  gehört.  In  den  Index  ist  das 
Bnch  nicht  gekommen  ^).  —  Dagegen  wurde  Gratia  efficax  a  se  ipsa 
refutata  ex  libris  S.  Augustini  per  P.  Carolum  Josephum  Tricas- 
sinum,  Mog.  1687,  verb.  1693.  Der  Verfasser  war  ein  Capuciner 
aus  Troyes,  der  viele  Schriften  verfasst  hat,  um  Augustinus  für  die 
Molinisten  zu  vindiciren  (Hurter  2,  410). 

Jean  Le  Noir,  seit  1652  Canonicus  und  Th^ologal  zu  S6ez, 
t  1692  zu  Nantes,  wurde  zu  den  Jansenisten  gezählt  2).  Die  Schriften, 
die  von  ihm  im  Index  stehen,  haben  aber  mit  dem  Jansenismus 
nichts  zu  schaffen.  Eine  ist  S.  326  besprochen ;  die  zwei  anderen 
sind  heftige  Streitschriften  gegen  französische  Bischöfe,  namentlich 
gegen  den  sittenlosen  Erzbischof  Harlay:  Lettre  de  M.  Le  Noir, 
Th6ol.  de  S^ez,  k  Son  Alt.  Roy.  Mad.  la  Duchesse  de  Guise  sur  le 
sujet  de  Therosie  de  la  doroination  episcopale  qu^on  6tablit  en  France, 
Col.  1679,  von  der  Inq.  verb.  1681;  —  L'evesque  de  cour  op- 
pos^  k  Tevesque  apostolique.  Premier  entretien  sur  l'ordonnance  de 
M.  l'ev.  d'Amiens  contre  la  traduction  du  N.  T.  en  frangais  imprim^e 
k  Mons,  und  Second  entretien,  oü  Ton  fait  voir,    de  quelle  maniöre 


1)  Am.  3,  11.  Dict.  Jans.  4,  92.  (Lallemant),  Le  v6rit.  esprit 
p.  916.  1000. 

2)  Morery,  Suppl.  8.  v.  —  S.-Beuve  5,  327  (p.  518  zählt  er  andere 
Le  Noirs  auf)  sagt:  er  rcpräseiHire  die  äusserste  Linke  der  Partei  und  sei 
von  Amauld  desavouirt  worden.  Arnauld  missbilligte  aber  nur  seine 
Schriften,  und  spricht  sonst  von  ihm  mit  grosser  Achtung.  „Man  hat  ihn 
schon  zum  dritten  Male  in  ein  anderes  Gefängniss  gebracht,  schreibt  er 
1687  (3,  50);  aber  er  ist  überall  zufrieden  und  wird  von  seinen  Wächtern 
wie  ein  Heiliger  angesehen;  denn  er  ist  sehr  fromm,  wiewohl  sein  Eifer 
nicht  immer  gut  geregelt  ist."  Den  Bischof  von  Seez  verklagte  er  bei 
dem  Könige,  weil  er  nicht  gegen  einen  Catechismus  einschritt,  in  welchem 
gesagft  war,  es  gebe  5  göttliche  Personen,  die  Object  der  Devotion  seien, 
Christus,  Maria,  Joseph,  Joachim  und  Anna,  und  Christus  sei  im  Sacra- 
ment  wie  das  Hühnchen  im  Ei.  Wegen  seiner  Angriffe  gegen  Harlay 
wurde  er  1684  zur  Abbitte  und  zu  den  Galeeren  verurtheilt;  die  Abbitte 
leistete  er  nicht  (er  hörte  das  Vorlesen  derselben  stillschweigend  an),  und 
zu  den  Galeereru  wurde  er  nur  verurtheilt,  damit  man  diese  Strafe  in 
lebenslängliches  Gefängniss  umwandeln  könne,  wozu  damals  in  Frankreich 
direct  niemand  verurtheilt  wurde  (Arnauld  3,  49). 

Reuach,  Index  II.  44 


680  Mit  der  Jansen,  zasammenhangende  ControTeraen. 

les  paroles  qni  paraissent  injniieuses  contre  les  superieurs  eecL,  ne 
le  sont  pas  tonjonrs,  qne  les  evesques  de  conr  sont  la  cause  de  tous 
les  maox  de  l'Egl.,  et  comment,  sans  en  etre  chassez,  ils  oessent 
d'etre  evesques  et  perdent  leur  caractere  et  leur  antorit^  selon  les 
Canons  etc.,  Col.  1674 ^  240  S.  16.,  verb.  4.  Dec.  1674.  Es  folgten 
noch  4  weitere  Entretiens  unter  demselben  Titel  (No.  4 — 6  in  einem 
Tome  2.,  Col.  1682*),  worin  Le  Noir  nachzuweisen  sucht:  ein  Bi- 
schof, welcher  sich  der  Haeresie  schuldig  mache,  verfalle  der  Excom- 
munication;  ein  notorisch  excommunicirter  Bischof  höre  auch  vor 
seiner  förmlichen  Absetzung  auf,  Bischof  zu  sein ;  als  Haeresie  sei  bei 
einem  Bischof  anzusehen  jede  Verletzung  der  Canones  verbunden  mit 
ünverbesserlichkeity  notorische  Simonie,  Tyrannisiruug  der  Geist- 
lichen, speciell  Benutzung  der  Lettres  de  cachet  gegen  sie,  Ver- 
letzung der  Besidenzpflicht  u.  s.  w.  Er  spricht  in  den  ech&rfsten 
Ausdrücken  über  das  ungeistliche  Leben  der  Hof  bischöfe,  und  wendet 
sich  in  No.  6  direct  gegen  den  £lrzbischof  Harlay,  den  er  einen 
Com6dien,  einen  Filou  mitr^  und  dgl.  nennt  und  u.  a.  beschuldigt,  er 
habe  sich  seine  Verfolgung  10,000  Livres  kosten  lassen.  In  den 
älteren  Indices  stehen  nur  die  beiden  ersten  und  harmloseren  E«n- 
tretiens;  erst  Ben.  hat  die  anderen  mit  dem  Datum  10.  Mai  1757 
beigefügt. 

8.  Von  deutschen  Theologen  finden  wir  nur  ganz  vereinzelt 
Schriften  über  die  Jansenistische  Controverse  im  Index,  von  dem 
Dominicaner  Seb.  Enippenberg,  —  er  stammte  aus  Brabant,  war 
aber  Professor  und  apostolischer  Inquisitor  in  Köln  (Paquot  1,  68), 
—  Opusculum:  doctrina  S.  Thomae  in  materia  de  gratia  ab  errori- 
bus  ipsi  falso  impositis  liberata.  Adjungitur  compendinm  doctrinae 
C.  Jansenii  .  .  in  5  famosis  propositionibus  illius  damnatae,  Col. 
1718,  204  S.  8.  (nach  L.  de  Meyer  2,  355  verwirft  er  die  Praede- 
terminatio  physica  im  Sinne  des  Bafiez),  —  und  Opusculum  contra 
librum  auctoris  anonymi  intit  :  Praedicatorii  Ordinis  fides  et  religio 
vindicata,  Col.  1721  (gegen  den  Dominicaner  Jo.  van  Bilsenj,  — 
beide  verb.  1722.  —  Aus  Spanien  kam  in  den  Index:  De  divina 
scientia  et  praedestinatione,  auth.  P.  Michaele  Avendafto  Eztenaga 
S.  J.,  in  Civitate  Lassionensi  vulgo  San  Sebastian  1674,  3  Fol.  verb. 
1685.  —  Von  einem  andern  spanischen  Jesuiten,  Christoph,  de 
Ortega,  f  1686,  90  J.  alt,  rühren  nach  Serry  p.  81  die  zwei  Satze 
her,  welche  durch  ein  Decret  der  Inq.  23.  Nov.  1679  als  mindestens 
temerär  und  neu  verdammt  wurden:  „Gott  schenkt  uns  seine  All- 
macht, damit  wir  sie  gebrauchen,  wie  jemand  einem  andern  ein 
Landgut  oder  ein  Buch  schenkt.  Gott  unterwirft  uns  seine  Allmacht." 
Sein  Werk  De  Deo  uno.  Tomtis  I.  Controversiarnm  dogmaticarum 
scholasticarum  de  essentia,  attributis  non  vitalibus,  de  scientia  et 
decreto  concurrendi  cum  causis  liberis.  Opus  schoUs  theologicis  et 
S.  Inquisitionis  censoribus  (er  war  selbst  Censor)  perutile,  in  quo, 
quidquid  hactenus  pro  scientia  media  vel  adstruenda  vel  impngnanda 
a  variis  auctoribus  tentatum  est,  radicitus  examinatur  et  docti  auc- 
toris penu  illustratur  et  angetur.  Ed.  noviss.,  Lugd.  1671,  FoL, 
wurde  erst  1722  verb.     Der  gleichzeitig  erschienene   2.  Band,    der 


S.  Knippenberg.   M.  Avendafio.    Chr.  Ortega  u.  a.  691 

u.  a.  de  praedestinatione  et  reprobatione  handelt,  wurde  nicht  verb. 
Im  span.  Index  steht  von  ihm  nnr  Allegatio  theologica  pro  illa  pro- 
poflitione:  Dens  assumpsit  hominem,  Toledo  1657. 

Von  italienischen  Schriften  stehen  im  Index :  L'incertezza  ac- 
certata  circa  la  predestinatione  deW  haomo.  Si  sciolgono  alcnni 
dnbbii  curiosi  e  divuoti  per  consolatione  e  quiete  de*  fedeli.  Dal 
Rev.  P.  Frat'  Andrea  da  S.  Tomaso  (Augustiner,  Genua  1654), 
verb.  1659  und  nochmals  1662  (Alex.  No.  76;  Hurter  1,721);  — 
Nova  concordia  praedestinationis  divinae  cum  libertate  voluntatis 
oreatae,  auctore  Gregorio  de  Sebenico,  Ven.  1665,  12.,  verb.  1667. 
Der  Verfasser  war  ein  Carmeliter  aus  Dalmatien;  er  verwirft  die 
Ansichten  der  Thomisten  und  der  Molinisten  und  versucht  eine  neue 
Ansicht  zu  begründen  (Bibl.  Carmelit.).  —  Jos.  de  Vita,  Dominicaner 
in  Sioilien,  f  1677,  gab  heraus:  Tractatus  sex  duobus  tomie  distri- 
buti,  quorum  tomus  1.  tractatum  de  proprio  et  per  se  principio,  unde 
provenit  peccatum  in  actionibus  voluntariis,  continet,  Palermo  1665, 
Fol.,  worin  er  die  Thomistische  Praedeterminatio  bekämpft.  Der 
General  Thomas  Turchi  befahl  1663,  als  das  Buch  unter  der  Presse 
war,  dasselbe  nach  Rom  zu  schicken,  und  verbot  1666  es  zu  ver- 
kaufen. Vita  gehorchte  aber  nicht.  Der  folgende  General  Jo.  Thom. 
de  Rocaberti  verbot  dann  1674  in  einem  Circular  den  Dominicanern 
das  Buch  zu  lesen,  es  sei  denn,  um  es  zu  widerlegen.  Der  2.  Theil 
wurde  in  Rom  zurückbehalten  und  nicht  gedruckt.  Die  Jesuiten  L. 
de  Meyer  und  Jac.  Platel  beuteten  den  1.  Band  aus.  Es  ist  auf- 
fallend, dass  er  nicht  in  den  Index  gebracht  wurde  ^).  —  Contro- 
versiae  dogmaticae  adv.  haereses  utriusque  orbis  in  tres  tomos  die* 
tributae,  auct.  Fr.  Liberio  a  Jesu,  Carmelita  Excalceato.  Tom.  1., 
Rom  1701,  von  der  Inq.  mit  d.  c.  verb.  1703.  Der  Verf.  war  36 
Jahre  Professor  der  Controversen  im  Seminar  seines  Ordens  und  von 
Innocenz  XII.  zum  Studien präfecten  in  der  Propaganda  ernannt,  wurde 
aber  nach  dem  Verbote  seines  Buches  abgesetzt,  f  1718.  Die  Stelle, 
an  der  die  Inq.  Anstoss  nahm,  klingt  allerdings  im  Munde  eines  Römi- 
schen Theologen  naiv.  Er  antwortet  auf  eine  Einwendung  des  Ve- 
drosus  haereticus :  die  Jansenisten  hätten  sich  bezüglich  der  Quaestio 
juris  dem  h.  Stuhle  demüthig  unterworfen  und  verlangten  nur,  ge- 
hört zu  werden  bezüglich  der  Quaestio  facti,  ob  die  5  Sätze  in  dem 
Buche  des  Jansenius  ständen  und  ob  er  sie  in  dem  Sinne  verstan- 
den, in  welchem  sie  verdammt  worden  seien  ;  at  vero  in  quaestio- 
nibus  facti  Apost.  Sedes  non  est  judex  infallibilis.  1710  erschien 
zu  Rom  eine  neue  Ausgabe,  in  welcher  ein  Blatt  mit  einer  demtt- 
thigen  Retractation  eingeheftet  ist  (A.  E.  1710,  398).  Diese  Ausgabe 
wird  im  Index  nicht  ausdrücklich  freigegeben ;  '  aber  bei  dem  Ver- 
bote steht  editionis  Romae  1701 2). 


1)  Harter  2,  22.  Mich.  a.  S.  Jos.  3,  134.  Franc.  Janssens  Elinga, 
0.  P.,  Veritas  manifestata  pro  auctoritate  Fr.  Thomae  Turci,  Mag.  Ordi- 
nis,  circa  praedet«rminationem  physicam;  item  decretum  Fr.  Jo,  Th. 
de  Rocaberti,  Ord.  Mag.,  contra  operaFr.  Jos.  de  Vita,  Antw.  1675,  48  S.  4. 

2)  Biblioth.  Carmel.  2,  252.  1032.  Hurter,  2,  656.  Aus  seinem  Nach- 
lasse wurden  noch  7  Bände  Controversiao  zu  Mailand  1743—54  gedruckt. 


692  Gas  de  oonsoience  von  1702. 


67.     Der  Cas  de  conscience  yon  1702. 

Im  J.  1702  wurde  einer  Anzahl  von  Doctoren  der  Sorbonne 
die  Anfrage  eines  Beichtvaters  vorgelegt,  ob  er  einen  Geistlichen 
absolviren  dürfe,  der  nach  seinen  eigenen  Erklärungen  folgende 
Ansichten  habe  (sie  verdienen  hier  mitgetheilt  zu  werden  als 
eine  Zusammenfassung  der  Ansichten,  die  damals  die  «Jan- 
senisten*'  überhaupt  vertraten): 

1.  Die  5  Sätze  verdammt  er  einfach  und  rückhaltlos  in  jedem 
Sinne,  in  welchem  die  Kirche  sie  verdammt  hat,  auch  im  Sinne  des 
JanseniuB  in  der  Weise,  wie  Innocenz  XII.   1694  erklärt  [S.  643]  hat; 
er  hat  auch  in  dieser  Weise  das  Formular  unterzeichnet.     Was  das 
Factum  betrifft,  so  hält  er  eine  Soumission  de  respect  et  de  silence 
unter  das,    was    die  Kirche  in  dieser  Hinsicht  entschieden  hat,    für 
genügend,   und    er  glaubt,    so    lange  man   ihn  nicht  juridisch  tiber- 
führen könne,  einen  der  5  Sätze  vertheidigt  zu  haben,  dürfe  er  ge- 
mäss dem    von   der   letzten  Assemblee   du  Clerge  (von  1700)  ange- 
nommenen Breve   Innocenz'  XII.  nicht  verdächtigt  werden.    —    2. 
£r  nimmt   eine   Praedestinatio  gratuita    et  praecedens    praevisionem 
meritorum  und  eine  Gratia  efücax  ex  se  ipsa,    die    zu  jedem   guten 
Werke  nothwendig  ist,    an,   weil  er  überzeugt  ist,    dass    dieses  die 
Lehre  des  h.  Augustinus  ist.     Er  erkennt  an,  dass  es  innere  Gnaden 
gibt,  welche  die  Erfüllung  der  göttlichen  Gebote   möglich    macheni 
aber    in    Folge    des  Widerstandes    des   menschlichen  Willens   nicht 
ihre   volle  Wirkung  haben.    —    3.  Er  glaubt,  dass  man  Gott  über 
alles    lieben    und    virtuell    alles    auf   ihn   beziehen    muss  und   dass 
Handlungen,  die  nicht  wenigstens  virtuell  auf  Gott  bezogen  werden 
und  nicht  irgendwelche  Regung  der  Liebe  zum  Motiv  haben,  Sünden 
sind,  wenn    sie    auch  mit  Rücksicht  auf   ihr    specielles  Object    und 
auf  ihren  speciellen  Zweck  gut  sein  können.  —  4.  Er   erkennt  an, 
dass    die  Kirche    nichts   darüber  entschieden   hat.    ob    die  Attrition 
genüge,    und  dass  die  Attrition,    welche   in  der  Furcht  vor  Strafen 
ihr  Motiv  hat,  gut    ist,  weil  diese  Furcht  eine  Gabe  Gottes  ist;  aber 
damit  diese  Attrition  eine  genügende  Disposition  für   den  Empfang 
der  sacramentalen  Lossprechung  sei,  muss  zu  dem  Motive  der  Furcht 
ein  Anfang  der  actuellen  Liebe  Gottes  über  alles  hinzukommen.  — 
5.  Um  der  Messe  in  gebührender  Weise  beizuwohnen,  muss  man  ihr 
mit  Andacht    und,  wenn  man   sich    einer  Todsünde  schuldig    weiss, 
im  Geiste  der  Busse  beiwohnen ;  wer  ihr  beiwohnt  mit  dem  Willen 
und  der  Neigung  (affection)  zur  Todsünde  ohne  irgend  eine  Regung 
der  Busse,  begeht  durch  diese  schlechte  Disposition  eine  neue  Sünde. 
—  6.  Es  ist  für  jeden  Christen    sehr  nützlich,  viel  Devotion  gegen 
die  Heiligen,   namentlich  die  h.  Jungfrau  zu  haben;   aber   diese  be- 
steht nicht  in  den   eitelen  Wünschen  und    oberflächlichen  üebungen, 
die  sich  bei  gewissen  Schriftstellern  finden,  sondern  in  einer  grossen 


Cas  de  oonsoience  von  1702.  698 

Liehe  zur  h.  Jungfrau,  voll  Achtung  und  Ehrfurcht,  welche  hewirkt 
daas  man  sich  freut  über  die  Gnadenerweisungen,  die  ihr  von  Gott 
zu  Theil  geworden,  welche  zur  Nachahmung  ihrer  Demuth  und  ihrer 
anderen  Tugenden  antreibt,  welche  hegleitet  ist  von  Vertrauen  auf  sie 
wegen  ihres  Ansehens  bei  ihrem  göttlichen  Sohne  und  welche  bewirkt, 
dass  man  sich  an  sie  als  eine  mächtige  Fürsprecherin  wendet.  £r 
missbilligt  es  aber,  dass  man  predigt,  man  müsse  auf  sie  ebenso 
viel,  ja  mehr  Vertrauen  setzen  als  auf  Gott,  sie  rette  vor  den  ewigen 
Strafen  Seelen,  welche  die  Gerechtigkeit  ihres  Sohnes  dazu  ver- 
dammt ....  —  7.  Bezüglich  der  Empfängniss  der  h.  Jungfirau  ist 
er  bereit  zu  glauben,  was  die  Kirche  darüber  zu  entscheiden  für 
gut  findet;  an  die  unbefleckte  Empfängniss  glaubt  er  nicht,  da  die 
Bulle  Alexanders  VII.  die  Frage  nicht  entscheidet,  hütet  sich  aber, 
dieser  Bulle  entsprechend,  etwas  gegen  diese  Meinung  zu  sagen.  — 
8.  Er  liest  Arnaulds  Buch  von  der  häufigen  Communion,  Saint 
Cyrans  Briefe,  die  Heures  von  Dumont,  die  Moral  von  Gr^noble, 
die  Conferenzen  von  LuQon  und  das  Bituel  d'Aleth,  weil  alle 
diese  Bücher  von  mehreren  Bischöfen  und  Doctoren  approbirt  und 
in  allgemeinem  Gebrauche  sind,  und  das  Rituel  vom  Papste  nur 
durch  üebereilung  (par  surprise)  verdammt  worden  ist,  da  derselbe 
Papst,  der  es  1688  verdammt  hat,  ohne  eine  Retractation  zu  ver- 
langen, an  den  Bischof  von  Aleth  16.  Jan.  1689  ein  Breve  mit  an- 
erkennenden Ausdrücken  über  seine  Frömmigkeit  und  Gelehrsamkeit 
gerichtet  hat.  —  9.  Er  hält  es  für  nicht  verboten,  das  Lesen  der 
Bibel  in  der  Volksprache  zu  empfehlen.  Das  Verbot  des  N.  T. 
von  Mons  durch  den  Erzbischof  von  Paris  sieht  er  als  nur  für 
dessen  Diöcese  bindend  an. 

Vierzig  Doctoren  der  Sorbonne,  darunter  Petitpied,  Dupin, 
Natalis  Alexander  und  V^ron,  unterzeichneten  folgende  Antwort 
auf  die  Anfrage : 

Die  unterzeichneten  Doctoren  sind  der  Meinung,  dass  die  An- 
sichten des  Geistlichen  weder  neu,  noch  eigenthümlich,  noch  von 
der  Kirche  verdammt,  noch  endlich  der  Art  sind,  dass  der  Beicht- 
vater, um  ihm  die  Lossprechung  zu  ertheilen,  von  ihm  verlangen 
müsste,  sie  aufzugeben.     Berathen    in   der  Sorbonne  20.  Juli  1702. 

Sobald  die  beiden  Actenstücke  gedruckt  erschienen,  wurden 
sie  durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  vom  12.  Febr.  1703  verdammt, 
nochmals  auf  den  Wunsch  Ludwigs  XIV.  durch  die  Bulle  Vineam 
Domini  Sabaoth  vom  15.  Juli  1705.  In  dieser  Bulle  waren  alle 
Ausdrücke  sorgfältig  vermieden,  die  ihre  Reception  in  Frankreich 
hätten  erschweren  können.  Gleichwohl  wurde  sie  in  einer 
solchen  Weise  in  Frankreich  recipirt,  dass  es  darüber  zu  einem  Zer- 
würfnisse kam,  welches  erst  1711  durch  einen  diplomatischen 
Ausgleich  beseitigt  wurde.    Unter  den  mit  dieser  Angelegenheit 


684  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controversen. 

die  Vertheidigung  eines  von  ihm  ernannten  Cardinais  müsse  er  Zeit 
gewähren.  Im  Sept.  1698  schrieb  Abb^  Chanterac  an  F6n61on 
(Corr.  9,  461):  man  lasse  die  Sache  ruhen  unter  dem  Vorwande,  dass 
Fen61ons  Angelegenheit  die  Inquisition  ganz  in  Anspruch  nehme;  im 
Grunde  aber  wolle  man  abwarten,  ob  die  fünf  Bischöfe  nach  der 
Beendigung  dieser  Angelegenheit  ihre  Anklage  erneuern  würden. 
Gleichzeitig  schickte  er  Fen61on  das  Manuscript  einer  Vertheidigung 
Sf.'s  mit  der  Bemerkung:  „Der  Verfasser,  den  ich  nicht  nenne,  der 
aber  ein  Mann  ist,  welchem  wir  Dank  schulden,  lässt  Sie  bitten,  das 
Buch  in  Köln,  Holland  oder  Flandern  drucken  zu  lassen.  Auch  die 
Curie  würde  es  gern  sehen,  dass  das  Buch  auswärts  gedruckt  würde, 
damit  sie  nöthigenfalls  sagen  kann,  sie  habe  nichts  damit  zu  thuen. 
Es  ist  mir  ausdrücklich  gesagt  worden,  die  Curie  würde  für  die 
Vermittlung  des  Druckes  dankbar  sein."  Fdnelon  besorgte  den 
Druck  des  Buches:  Dispunctio  notarum  XL,  quas  scriptor  anonymos 
Card.  Sfondrati  libro  .  .  .  inussit,  Col.  1698,  Der  Verfasser  war, 
was  in  Rom  kein  Geheimniss  war,  Card.  Gabrielli,  der  als  Theologe 
des  Papstes  Sf.*s  Buch  approbirt  hatte.  £r  schrieb  selbst  später 
an  Fenelon  (Corr.  2,  477) :  der  Papst  habe  die  Veröffentlichung 
seines  Buches  gewünscht,  dasselbe  habe  aber  auswärts  gedruckt 
werden  müssen,  da  in  Rom,  was  er  sehr  missbillige,  nichts  anonym 
oder  Pseudonym  veröffentlicht  werden  dürfe.  Nach  den  Römischen 
Verordnungen  sollte  aber  auch  kein  Römischer  Schriftsteller  ohne 
Erlaubniss  etwas  auswärts  drucken  lassen^).  —  Bossuets  Agent  in 
Rom  war  übrigens  damit  einverstanden,  dass  die  Verhandlung  über 
Sf.*s  Buch  bis  nach  der  Erledigung  der  Fen61on'schen  Sache  aus- 
gesetzt würde,  und  nachdem  diese  erledigt  war,  erhielt  er  im  Mai 
1699  von  Bossuet  die  Weisung,  nicht  auf  eine  Wiederaufnahme  der 
Untersuchung  zu  dringen,  zumal  auch  der  Erzbischof  Noailles,  der 
Cardinal  werden  wollte,  sich  nicht  durch  ein  nochmaliges  Denunciren 
des  Buches  von  Sf.  missliebig  machen  wollte  (Bossuet  42,  465.  518). 
—  Eine  Sammlung  von  scharfen  Kritiken  des  Buches:  Augustiniana 
Ecclesiae  Rom.  doctrina  a  Card.  Sfondrati  Nodo  extricata  per  varios 
S.  Aug.  discipulos,  Col.  17CH),  von  Uuesnel  und  seinen  Freunden 
herausgegeben,  wurde  der  Assembl^e  du  Clerge  von  1700  übersandt 
und  Bossuet  legte  dieser  auch  einige  Sätze  aus  den  Büchern  von  Sf. 
und  Gabrielli  zur  Censur  vor  (Bausset  3, 249).  Die  Assemblee 
glaubte  aber,  wie  Bossuet  (38,  102)  sagt,  den  guten,  wohlgesinnten 
und  Frankreich  wohlwollenden  Papst  menagiren  zu  müssen,  und  er- 
klärte, sie  wolle  sich  über  das  Buch  von  Sf.,  da  der  Papst  eine 
Prüfung  desselben  zugesagt,    nicht  aussprechen,    müsse   aber  einige 


1)  Vgl.  I,  341.  434.  Die  Schrift  von  Gabrielli  ist  gerichtet  gegen 
Henncbels  Propositioncs  40  excerptae  ex  1.  cni  tit.  Nodus  praed.,  adjunctis 
quibusdam  notis,  1696  verfasst,  abgedr.  in  der  Sammlung  Augustiniana 
Eccl.  Rom  etc.  lieber  diese  s.  C.Qu.  p.  255.  Eine  kleine  Satire :  Appendix 
ad  Nodum  Sfondratianum  s.  litterae  parvulorum  sine  baptismo  mortuorum 
scriptae  e  limbis  ad  suae  quietis  perturbatores,  Col.  1698*,  wurde  Serry 
zugeschrieben,  von  diesem  aber  abgeleugnet;  Opera  I  p.  XI. 


Maoriner-Ausgabe  des  Augustinus.  685 

Sätze  in  der  Vorrede  des  ihr  übersandten  Werkes,  dass  der  Janse- 
nismas  ein  blosses  Phantom  sei  und  dgl.,  rügen  (Recueil  des  actes 
1,  713).  Sf.'s  Buch  wurde  in  Rom  nicht  censurirt;  dieUntersuchnng 
desselben  scheint  gar  nicht  wieder  aufgenommen  worden  zu  sein. 
Aber  auch  die  Sammlung  von  1700  wurde  nicht  verb.  (im  span. 
Index  von  1747  steht  sie). 

6.  Die  Mauriner  galten  als  Jansenisten;  es  war  darum  zu  er- 
warten, dass  man  ihre  Ausgabe  der  Werke  des  h.  Augustinus  scharf 
prüfen  werde.  Die  beiden  ersten  Bände,  von  FranQois  Delfau  bear- 
beitet, erschienen  1678  und  79,  die  folgenden  8,  von  Thomas  Blam- 
pin  in  Verbindung  mit  anderen,  1679 — 90.  Der  10.  Band  wurcfe 
angegrififen,  weil  sich  darin  vor  dem  Buche  de  correptione  et  gratia 
eine  Analytica  Synopsis  doctrinae  dieses  Buches  befand,  die  aus  der 
von  Arnauld  1644  veröffentlichten  Ausgabe  desselben  entnommen 
war.  Der  Erzbischof  Harlay  machte  dem  General-Superior  Dom 
Boistard  darüber  Vorstellungen ;  dieser  erklärte :  Blampin  sei  ersucht 
worden,  die  Analyse,  die  ja  1644  mit  Approbation  erschienen  sei, 
besonders  drucken  zu  lassen,  damit  diejenigen,  die  es  wünschten,  sie 
dem  Bande  beifügen  könnten;  der  Drucker  habe  sie  ohne  sein  Vor- 
wissen mehreren  Exemplaren  beigefügt;  er  werde  aber  dafür  sorgen, 
dass  sie  aus  allen  noch  vorhandenen  Exemplaren  entfernt  werde. 
Blampin  wurde  zur  Strafe  seines  Amtes  als  Sous-Prieur  von  St.  Ger- 
main entsetzt,  aber  nicht,  wie  P.  de  la  Chaise  verlangte,  von  Paris 
entfernt^).  —  Neun  Jahre  nach  der  Veröffentlichung  des  10.  Bandes 
begann  eine  neue  Polemik  über  denselben.  In  einer  Lettre  de 
rabb6  de  ***  aux  RR.  PP.  de  la  Congr^gation  de  Saint  Maur  sur 
le  dernier  tome  de  leur  Edition  de  St.  Augustin,  Col.  (Paris  1699), 
72  S.  12.,  wurde  auf  Irrthümer  bezüglich  der  Gnadenlehre  hinge- 
wiesen, die  sich  in  den  Noten  des  Bandes  fänden.  Die  Lettre  gab 
sich  als  französische  üebersetzung  eines  lateinischen  Briefes  eines 
deutschen  Abtes,  ist  aber  von  dem  Jesuiten  Jean  Bapt.  Langlois 
(1663 — 1706).  Da  die  Mauriner  nicht  antworteten,  veröffentlichte 
Langlois  noch  in  demselben  Jahre  Lettre  d*un  abb6  commendataire 
aux  RR.  PP.  Ben^dictins  de  la  Congr.  de  St.  Maur,  27  S.  12.,  worin 
gesagt  wird,  die  Mauriner  thäten  wohl  daran,  zu  schweigen,  und 
Lettre  d'un  Benedictin  non  r6form6  aux  RR.  PP.  B^n.  de  la  Congr. 
de  St.  Maur,  21  S.  12.,  worin  ihnen  vorgehalten  wird,  sie  müssten 
antworten.  Noailles  und  Bossuet  riethen  ihnen,  nicht  offiziell,  aber 
in  anonymen  Broschüren  zu  antworten,  und  so  erschienen  denn  noch 


1)  Hist.  litt,  de  la  Congregation  de  St.  Maur  (von  R.  Pr.  Tassin), 
p.  289  (darin  p.  301 :  Pr6cis  des  contestations  au  sujet  de  la  nouvelle 
Edition  de  S.  Aug.).  Backer  s.  v.  Langlois.  Polybiblion  31,  478;  32,  383; 
84,  192.  —  Die  Analyse  (bei  Arn.  11,  649)  ist  in  dem  zu  Antwerpen 
(Amsterdam)  1703  erschienenen  Nachdruck  wieder  beigefügt;  in  diesem 
steht  auch  eine  Appendix  Augustiniana  von  Phereponius  (Jean  Le  Clerc). 
Der  Mauriner  Frangois  Gesver  (f  1705)  schrieb  Defensio  Arnaldina  s.  Ana- 
lytica Synopsis  .  .  ab  A.  Arnaldo  .  .  .  1644  edita  ab  omnibus  reprehen- 
BOrum  calumniis  vindicata,  Antw.  (Reims)  1700. 


686  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Gontroversen. 

1699  Lettre  d*nn  thäologien  ä  un  de  ses  amis  aar  un  libelle,  qni  a 
pour  titre :  Lettre  de  l'abb6  de  ***. . . ,  Plainte  de  Tapologiste  des  B^n^- 
dictins  k  MM.  les  prelats  de  France  (beide  von  Frangois  Lamy,  f  1711) 
und  Reflexions  sur  la  lettre  d'un  abb6  allemand  .  .  .  (von  Denye  de 
Sainte-Marthe,  t  1725).  Langlois  schrieb  nun  noch  Memoire  d'un 
Docteur  en  Theol.  ä  MM.  les  prelats  de  France  sur  la  reponse  d'un 
th6ologien  des  PP.  B6ned.  .  .  .,  s.  1.  1699,  128  S.  8.,  worauf 
Sainte-Marthe  mit  Lettre  ä  un  Docteur  de  Sorbonne  toucbant  Ic  Me- 
moire .  .  .  antwortete.  Es  erschienen  noch  mehr  Schriften  von 
beiden  Seiten;  der  König  Hess  im  Nov.  1699  durch  den  Erzbischof 
den  Superioren  beider  Orden  die  Fortsetzung  des  Streites  unter- 
sagen^). —  Montfaucon ,  der  damals  eben  in  Rom  war,  Hess  dort 
mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.  1699  drucken:  Yindiciae  editionis 
S.  Aug.  a  Benedictinis  adornatae  adversus  epistolam  abbatis  ger- 
mani,  auth.  D.  B.  de  Ri viere.  Am  2.  Juni  1700  wurden  die  vier 
Schriften  von  Langlois  (keine  andere  über  diese  Controverse)  verb. 
(das  Decret  bei  Tassin  p.  306;  im  span.  Index:  stehen  sie  nicht,  aber 
Poeme  sur  les  ecrits  des  Jesuites  contre  la  nouvelle  Edition  de  S. 
Aug.).  —  Im  J.  1700  erschien  der  letzte,  11.  Band  der  Ausgabe 
des  Augustinus.  Die  darin  stehende  Praefatio  generalis  ist  von  Ma- 
billon  geschrieben,  aber  von  den  Bischöfen,  denen  sie  vorgelegt 
wurde,  stellenweise  geändert,  so  dass  die  Schüler  des  h.  Augustinus 
von  der  strengem  Observanz  unzufrieden  damit  waren  (Tassin  p.  258. 
309).  Clemens  XI.  belobte  in  einem  Breve  vom  J.  1706  an  den 
General-Superior  die  Mauriner  für  ihre  Ausgaben  der  Kirchenväter. 
Die  Anfeindungen  der  Ausgabe  des  Augustinus  hörten  mit  dem 
J.  1700  nicht  auf.  Im  März  1701  schreibt  Montfaucon  aus  Rom 
(Valery  3,111):  Die  Jesuiten  von  Toulouse  haben  ein  Factum  ge- 
macht, worin  sie  alle  Anklagen  gegen  die  Ausgabe  erneuern  und 
sagen,  unser  General  habe  eingestanden,  dass  Ketzereien  darin  stän- 
den, und  die  Praefatio  generalis  gebe  das  auch  zu.  —  1712  behaup- 
tete der  Basilianer  Jo.  Chrys.  Scarpho  (Scarfo)  zu  Neapel  in  einem 
unter  dem  Namen  Grisofano  Gardieletti  geschriebenen  Briefe,  den 
Montfaucons  Gegner  Ficoroni  drucken  liess,  die  Mauriner  hätten  8 
Sätze  im  Jansenistischen  Interesse  gefälscht.  Der  General-Procurator 
des  Ordens  in  Rom  beklagte  sich,    und  Scarpho   wurde  vor  die  In- 


1)  Zu  erwähnen  ist  wegen  eines  Missversiändnisses  Lettre  d'un  ecde^ 
siastique  au  R.  P.  E.  L.  J.  sur  celle,    qu'il  a  ecrite   aux  RR.  PP.  Bened- 
.  .  .  Osnabrück  (?)  1699.  Mit  E.  L.  J.  ist  Emeric  Langlois  Jesuite  gemeint  ^ 
aber  nicht  dieser,  sondern  Jean  Bapt.  Langlois  ist  der  Verfasser  derLettreS'^ 
In  der  2.  vermehrten  Ausgabe,  Liege  1700,    steht  auf  dem  Titelblatt   ai«> 
R.  P.  L.  J.  —  Der  Mauriner  Vincent  Thuillier  (f  1786)  hatte,  als  er  nocl» 
Appellant  war,    eine  Hist    des  contestations  arrivees  entre    les  Jesuites  et^ 
la  Congr.  de  St.  Maur  au  sujet  de  la  nouv.  edition  de  St.  Aug.  geschriebeir 
und  an    Cl.  P.  Goujet  geschickt,    um  sie  drucken  zu  lassen,    was  damal9 
unterblieb.     Später  schickte  Thuillier  die  Histoire  ganz  umgearbeitet   aa 
B.  Pez,  der  sie   1735  im  33.  Bande   der  Bibliotheca  germanica    veröffent- 
lichte. Nun  gab  Goujet  den  ursprünglichen  Text  mit  Einleitung  und  Noten. 
heraus,  1736  (Tassin  p.  629.  N.  E.   1736,  124). 


P.  Lombert.    N.  Fontaine.  687 

qnisition  citirt  und  mnsste  widerrufen^).  —  Im  J.  1710  plante  F^- 
n^lon  eine  neue  Ausgabe  des  Augustinus  „mit  guten  Noten",  für  die 
man  in  Rom  eine  Approbation  oder  eine  Belobung  erwirken  müsse. 
Le  Tellier  sollte  ibm  dabei  durch  zwei  oder  drei  Theologen  seines 
Ordens  helfen  lassen  (er  nennt  Gerraon  und  Lallemant) ;  wenigstens, 
schreibt  er  an  Le  Tellier,  müsse  man  eine  neue  Ausgabe  der  Bücher 
über  die  Gnade  veranstalten  „mit  Noten,  welche  die  der  Benedictiner 
discreditiren^';  denn  es  komme  alles  darauf  an,  den  Jansenisten  den 
grossen  Namen  des  h.  Augnstinus  und  die  Maske  des  Thomismus 
zu  entreissen  (Corr.  1,  385;  3,  242).  Von  der  Ausgabe  der  Mau- 
riner  sagt  er:  sie  hätten  viel  und  nicht  bloss  lasslich  darin  gesün- 
digt, und  die  Praef.  gen.  müsse  der  katholischen  Kirche  ebenso  sehr 
missfallen  wie  der  Jansenisten-Secte  (Oeuvres   15,  83). 

Es  sind  hier  noch  zwei  Uebersetzungen  von  patristischeu 
Werken  zu  erwähnen.  Les  oeuvres  de  St.  Cyprien  traduites  en  fran- 
5018,  avec  des  remarques  et  une  nouvelle  vie  de  St.  Cyprien  tir6e 
de  ses  ecrits,  par  M.  Pierre  Lombert,  eine  tüchtige  Arbeit  eines 
Juristen,  der  sich  den  Einsiedlern  von  Port-Royal  angeschlossen, 
t  1710,  wurde  1672  verb.,  wohl  nicht  bloss  wegen  der  Weglassung 
der  Interpolationen  in  dem  Buche  de  unitate  ecclesiae;  wenigstens 
hat  das  Dict.  Jans.  3,  187  auch  an  seiner  Darstellung  des  Streites 
zwischen  Cyprianus  und  Stephanus  vieles  anszusetzen.  —  Ein  anderer 
der  Einsiedler  von  Port-Royal,  Nicolas  Fontaine,  f  1709,  84  Jahre 
alt,  veröffentlichte  anonym:  Homelies  ou  sermons  de  St.  Jean 
Chrysostome,  archevesque  de  Constantinople,  sur  l'6pistre  de  S.  Paul 
aux  Romains,  Paris  1682,  verb.  1687.  Der  5.  Band  des  ganzen 
Werkes,  die  Homelies  .  .  .  sur  les  ^pistres  h  Tim.,  k  Tite,  k  Phi- 
limon  et  aux  Hebr<?ux,  Par.  1690,  steht  nicht  im  Index,  wurde 
aber  in  Frankreich  angegriffen,  zuerst  1691  von  dem  Jesuiten  Gabriel 
Daniel  in  einer  Lettre  touchant  une  h^r^sie  renouvel^e  depuis  peu. 
und  in  einer  lat.  Dissertation,  dann  von  dem  Jesuiten  Edme  Riviere 
in  Le  Nestorianisme  renaissant  denonce  ä  la  Sorbonne,  1693;  dagegen 
schrieb  Quesnel  Le  roman  seditienx  da  Nest,  renaissant  convaincu 
de  calomnie  et  d'extravagance,  1693,  4.,  worauf  Daniel  in  einer 
Lettre  apologetique  antwortete  (Backer  1,  241).  Es  wurde  Fontaine 
namentlich  zum  Vorwurf  gemacht,  dass  er  zwei  Stellen  der  Homilieen 
zum  Hebräerbrief  so  übersetzt  hatte,  als  ob  Chrysostomus  von  zwei 
Personen  in  Christus  rede ;  er  war  eben,  wie  S.-Beuve  2, 244  sagt, 
ni  th^ologien  tres-sur,  ni  helleniste  saus  appel.  Dass  er  aber  nichts 
weniger  als  eine  böse  Absicht  gehabt  (im  Dict.  Jans.  2,  236  fehlt 
die  Anklage  nicht,  er  habe  an  der  r^alisation  du  projet  de  Bourg- 
fontaine  mit  gearbeitet),  zeigt  ein  Brief  an  den  Erzbischof  Harlay 
vom  4.  Sept.  1693  und  eine  demselben  beigelegte  Retractation ,  die 
er  dem  Bande  beifügen  wollte,  der  ausserdem  durch  Cartons  corrigirt 
wurde  (Arg.  III  b  386).  Der  Erzbischof  verbot  gleichwohl  das 
Werk.     Ein  Avertissement  de  Tauteur  de  la  traduction  des  homelies. 


1)  Tassin  p.  309.  791.  Muratori,  Lettere  ined.  p.  278. 


688  Mit  der  Jansen,  zusammenliangende  Controvenen. 

worin  gezeigt  werden  soll,  das»  er  richtig  übersetzt  and  dass  auch 
andere  Kirchenväter  sich  so  aasgedrückt,  ist  nicht  von  Fontaine, 
wie  er  in  einem  zweiten  Schreiben  an  den  Erzbischof  vom  1 2.  März 
1694  (Arg.  III  b  388)  ausdrücklich  erklärt  i). 

7.  Durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  vom  28.  Jan.  1704  (Bull, 
cont.  2,  25.  Arg.  III  b  442)  wurde  unter  Androhung  der  Excomm. 
1.  sent.  verb.  Veritable  tradition  de  TEglise  sur  la  Prädestination 
et  la  gr4ce,  par  Mr.  de  Launoy,  Liege  1703,  127  S.  12.,  als  ein 
Bucb,  welches  die  Cardinäle  der  Inq.  als  libellum  ad  minus  impium, 
blaspheraum,  nee  non  .  .  .  S.  Augustino  (cujus  praecelsam  doctrinam 
Kom.  Pontifices  magno  semper  in  pretio  habuemnt  totoque  mentis 
affectu  amplexi  fuerunt),  quinimo  ipsimet  Ecclesiae  atque  Apost.  Sedi 
injuriosum  bezeichnet  hätten.  Die  Schrift  (abgedr.  Opp.  I,  2,  1065 ; 
vgl.  IV,  2,  445)  ist  wahrscheinlich  nicht  von  Launoy,  sondern  von 
seinem  Schüler  Louis  de  Marais,  gibt  aber,  von  der  Ausführung  ab- 
gesehen, Launoy's  Ansicht  wieder,  wie  sie  Arn.  3,  531  darstellt: 
Launoy  s'etait  mis  dans  la  tete  qu'il  y  avait  deux  sentiments  dans 
TEglise  touchant  la  gr&ce,  Tun  de  St.  Augustin  et  de  ceux  qui  l'a- 
vaient  suivi,  Tautre  des  p^res  qui  Tavaient  pr6c6de  et  des  Semip6- 
lagiens,  et  qu'on  ne  devait  condamner  personne  sur  Tune  ou  Fautre 
de  ces  deux  opinious.  R.  Simon,  Lettres  1,  278,  schreibt  schon 
1690:  die  Schrift  sei  in  Abschriften  in  vielen  Händen;  einer  von 
Launoy's  Schülern  habe  ihm  eine  Abschrift  gegeben;  er  habe  an- 
fangs geglaubt,  sie  könne  nicht  von  Launoy  sein,  der  zwar  von  den 
Autoren  vor  Anselm  nicht  viel  gewusst  habe,  aber  doch  nicht  so 
grobe  Fehler,  wie  sie  in  der  Schrift  vorkämen,  gemacht  und  nicht 
den  Pseudo-Dionysius  und  den  Pseudo-Clemens  citirt  haben  würde. 
Simon  kam  in  den  Verdacht,  die  Schrift  herausgegeben  zu  haben 
(Ingold ,  Essai  p.  159).  —  Der  Jesuit  Gabr.  Daniel  schrieb 
dagegen  Defense  de  St.  Aug.  contre  un  livre  sous  le  nom  de  Lau- 
noy, oü  Ton  fait  passer  ce  saint  p^re  pour  un  novateur  sur  la  Prä- 
destination et  sur  la  gr&ce,  Par.  1704  (auch  in  seinem  Recueil  de 
divers  ouvrages,  1724,  II,  219),  und  der  Dominicaner  Serry  D.  Au- 
gustinus summus  praedestinationis  et  gratiae  doctor  a  calumnia  vin- 
dicatus  adv.  Jo.  Launoii  tractatum  peculiari  Clementis  XI.  decreto 
nuper  inustum,  1704,  424  S.  8.  Später  deutete  Serry  in  einer 
Epistola  Jo.  Launoii  ex  Elyseo  ad  Generalem  Soc.  Jesu  Praepositam 
data.  In  Campis  Elyseis  1705,  24  S.  12.  (Opp.  Launoii  I,  1105), 
an,  Launoy  habe  seine  Bemerkungen  gegen  Aug.  aus  den  Schriften 
der  Jesuiten.  Darauf  erschien  eine  Lettre  du  P.  D(aniel)  J^suite 
au  P.  Ant.  Cloche,  G6n.  de  TOrdre  de  St.  Dom.,  touchant  le  livre 
du  P.  Serry  contre  Launoy  et  touchant  une  imprim^e  contre  les 
J^suites,  1705,  39  S.  12.,  worauf  noch  einige  Streitschriften  von 
beiden  Seiten  folgten  (Qu^tif  2,  803.  Hurter  2, 180).    Le  Molinisme, 


1)  Racine  12,  356.  Recueil  des  divers  ouvr.  du  P.  Daniel,  Par.  1724, 
3,  569.  Racine  und  Goujet  im  Suppl.  ä  Morery  halten  das  Avert.  für  ecbt. 
Nach  Dict.  Jans.  2,  239  wäre  es  von  Dupin. 


J.  Launoy.    C.  J.  Tricassinus.     J.  Le  Noir.  *  689 

Systeme  thäol.  le  plus  ancien,  le  plns  sür  et  le  plus  raisonnable, 
1 732,  ist  eine  Art  von  Edition  rechanff^e  des  Baches  von  Launoy 
von  dem  Ex-Oratorianer  Dueil  (N.  E.  1733,  154.  189). 

Ein  Buch,  welches  1686  zu  Paris  anonym  erschien  unter  dem 
Titel  Theologie  morale  de  S.  Augustin,  oü  le  precepte  de  Tamour 
de  Dieu  est  trait^  k  fond  etc.,  —  der  Verfasser  ist  Dr.  Michel 
Bourdaille,  Generalvicar  zu  La  Rochelle,  f  1694,  —  bot  Anlass  zu 
der  Schrift  Morale  relAch^e  (corrompue)  des  pr^tendus  disciples  de 
S.  Augustin  denonc^e  k  TAssembl^e  du  Clergä  de  France,  Liege  s.  a. 
Die  AssembUe  von  1700  censurirte  zwei  Sätze  daraus  (No.  114.  115). 
Die  Jansenisten  für  die  Theologie  verantwortlich  zu  machen,  war 
man  aber  nicht  berechtigt,  da  Amauld  die  betreffenden  Sätze  schon 
1686  scharf  getadelt  hatte  und  Quesnel  erklärte,  der  Verfasser  habe 
nie  zu  den  Messieurs  de  Port-Boyal  gehört.  In  den  Index  ist  das 
Buch  nicht  gekommen  ^).  —  Dagegen  wurde  Gratia  efficax  a  se  ipsa 
refutata  ex  libris  S.  Augustini  per  P.  Carolum  Josephum  Tricas- 
sinum,  Mog.  1687,  verb.  1693.  Der  Verfasser  war  ein  Capuciner 
aus  Troyes,  der  viele  Schriften  verfasst  hat,  um  Augustinus  für  die 
Molinisten  zu  vindiciren  (Hurter  2,  410). 

Jean  Le  Noir,  seit  1652  Canonicus  und  Th^ologal  zu  S^ez, 
t  1692  zu  Nantes,  wurde  zu  den  Jansenisten  gezählt^).  Die  Schriften, 
die  von  ihm  im  Index  stehen,  haben  aber  mit  dem  Jansenismus 
nichts  zu  schaffen.  Eine  ist  S.  326  besprochen ;  die  zwei  anderen 
sind  heftige  Streitschriften  gegen  französische  Bischöfe,  namentlich 
gegen  den  sittenlosen  Erzbischof  Harlay:  Lettre  de  M.  Le  Noir, 
Th^ol.  de  S6ez,  k  Son  Alt.  Boy.  Mad.  la  Duchesse  de  Guise  sur  le 
sujet  de  Therösie  de  la  domination  episcopale  qu^on  ätablit  en  France, 
Col.  1679,  von  der  Inq.  verb.  1681;  —  L'evesque  de  cour  op- 
pos^  k  Tevesque  apostolique.  Premier  entretien  sur  l'ordonnance  de 
M.  l'ev.  d'Amiens  contre  la  traduction  du  N.  T.  en  franc^ais  imprim^e 
k  Mons,  und  Second  entretien,  o\\  Ton  fait  voir,    de  quelle  mani^re 


1)  Am.  3,  11.  Dict.  Jans.  4,  92.  (Lallemant),  Le  v6rit.  esprit 
p.  916.  1000. 

2)  Morery,  Suppl.  s.  v.  —  S.-Beuve  5,  327  (p.  518  zählt  er  andere 
Le  Noirs  auf)  sagt:  or  repräseutire  die  äusserste  Linke  der  Partei  und  sei 
von  Arnauld  desavouirt  worden.  Amauld  missbilligte  aber  nur  seine 
Schriften,  und  spricht  sonst  von  ihm  mit  grosser  Achtung.  ,,Man  bat  ihn 
schon  zum  dritten  Male  in  ein  anderes  Gefängniss  gebracht,  schreibt  er 
1687  (3,  50);  aber  er  ist  überall  zufrieden  und  wird  von  seinen  Wächtern 
wie  ein  Heiliger  angesehen;  denn  er  ist  sehr  fromm,  wiewohl  sein  Eifer 
nicht  immer  gut  geregelt  ist."  Den  Bischof  von  Seez  verklagte  er  bei 
dem  Könige,  weil  er  nicht  gegen  einen  Catechismus  einschritt,  in  welchem 
gesagt  war,  es  gebe  5  göttliche  Personen,  die  Object  der  Devotion  seien, 
Christus,  Maria,  Joseph,  Joachim  und  Anna,  und  Christus  sei  im  Sacra- 
ment  wie  das  Hühnchen  im  Ei.  Wegen  seiner  Angriffe  gegen  Harlay 
wurde  er  1684  zur  Abbitte  und  zu  den  Galeeren  verurtheilt;  die  Abbitte 
leistete  er  nicht  (er  hörte  das  Vorlesen  derselben  stillschweigend  an),  und 
zu  den  Galeerern  wurde  er  nur  verurtheilt,  damit  man  diese  Strafe  in 
lebenslängliches  Gefängniss  umwandeln  könne,  wozu  damals  in  Frankreich 
direct  niemand  verurtheilt  wurde  (Arnauld  3,  49). 

BeiMch,  Indei  II.  44 


690  Mit  der  Jansen,  zusammenhangende  Controvenen. 

las  paroles  qni  paraissent  injurieuses  contre  las  superiaurs  eccl^  ne 
le  sont  pas  toujours,  qua  las  avesqaas  de  cour  sont  la  cause  de  toua 
las  maux  da  TEgl.,  et  commant,  sans  an  etra  chassaz,  ils  cesBcnt 
d'atre  avasquas  et  perdent  leur  caractere  et  leur  aatorit^  selon  lea 
canons  etc.,  Col.  1674*,  240  S.  16.,  verb.  4.  Dac.  1674.  Es  folgten 
noch  4  weitere  Entratiens  unter  demselben  Titel  (No.  4 — 6  in  einem 
Tome  2.,  Col.  1682*),  worin  Le  Noir  nachzuweisen  sucht:  ein  Bi- 
schof, welcher  sich  der  Haeresie  schuldig  mache,  verfalle  der  Excom- 
munication;  ein  notorisch  excommunicirter  Bischof  höre  auch  vor 
seiner  förmlichen  Absetzung  auf,  Bischof  zu  sein ;  als  Haeresie  sei  bei 
einem  Bischof  anzusehen  jede  Verletzung  der  Canones  verbunden  mit 
ünverbesserlichkeity  notorische  Simonie,  Tyrannisiruug  der  Geist- 
lichen, speciell  Benutzung  der  Lettres  de  cachet  gegen  sie,  Ver- 
letzung der  Eesidenzpflicht  u.  s.  w.  Er  spricht  in  den  schärfsten 
Ausdrücken  über  das  ungeistliche  Leben  der  Hof  bischöfe,  und  wendet 
sich  in  No.  6  direct  gegen  den  Erzbiscbof  Harlay,  den  er  einen 
Com6dien,  einen  Filou  mitr6  und  dgl.  nennt  und  u.  a.  beschuldigt,  er 
habe  sich  seine  Verfolgung  10,000  Livres  kosten  lassen.  In  den 
älteren  Indices  stehen  nur  die  beiden  ersten  und  harmloseren  En- 
tretiens;  erst  Ben.  hat  die  anderen  mit  dem  Datum  10.  Mai  1757 
beigefügt. 

8.  Von  deutschen  Theologen  finden  wir  nur  ganz  vereinzelt 
Schriften  über  die  Jansenistiscbe  Controverse  im  Index,  von  dem 
Dominicaner  Seb.  Enippenberg,  —  er  stammte  aus  Brabant,  war 
aber  Professor  und  apostolischer  Inquisitor  in  Köln  (Paquot  1,  68), 
—  Opusculum:  doctrina  S.  Thomae  in  materia  de  gratia  ab  errori- 
bus  ipsi  falso  impositis  liberata.  Adjungitur  compendium  doctrinae 
C.  Jansenii  .  .  in  5  famosis  propositionibus  illius  damnatae,  Col. 
1718,  204  S.  8.  (nach  L.  de  Meyer  2,  355  verwirft  er  die  Praede- 
terminatio  physica  im  Sinne  des  BafLez),  —  und  Opusculum  contra 
librum  auctoris  anonymi  intit  :  Praedicatorii  Ordinis  fides  et  religio 
vindicata,  Col.  1721  (gegen  den  Dominicaner  Jo.  van  Bilsenj,  — 
beide  verb.  1722.  —  Aus  Spanien  kam  in  den  Index:  De  divina 
scientia  et  praedestinatione,  auth.  P.  Michaele  Avendafto  Eztenaga 
S.  J.,  in  Civitate  Lassionensi  vulgo  San  Sebastian  1674,  3  Fol.  verb. 
1685.  —  Von  einem  andern  spanischen  Jesuiten,  Christoph,  de 
Ortega,  f  1686,  90  J.  alt,  rühren  nach  Serry  p,  81  die  zwei  Sätze 
her,  welche  durch  ein  Decret  der  Inq.  23.  Nov.  1679  als  mindestens 
temerär  und  neu  verdammt  wurden:  „Gott  schenkt  uns  seine  All- 
macht, damit  wir  sie  gebrauchen,  wie  jemand  einem  andern  ein 
Landgut  oder  ein  Buch  schenkt.  Gott  unterwirft  uns  seine  Allmacht." 
Sein  Werk  De  Deo  uno.  Tomus  I.  Controversiarum  dogmaticarum 
scholasticarum  de  essentia,  attributis  non  vitalibus,  de  scientia  et 
decreto  concurrendi  cum  causis  liberis.  Opus  scholis  theologicis  et 
S.  Inquisitionis  censoribus  (er  war  selbst  Censor)  perutile,  in  quo, 
quidquid  hactenus  pro  scientia  media  vel  adstruenda  vel  impugnanda 
a  variis  auctoribus  tentatum  est,  radicitus  examinatur  et  docti  auc* 
toris  penu  illustratur  et  augetur.  Ed.  noviss.,  Lugd.  1671,  Fol., 
wurde  erst  1722  verb.     Der  gleichzeitig   erschienene   2.  Band,    der 


S.  Knippenberg.   M.  Avendalio.    Chr.  Ortega  u.  a.  691 

u.  a.  de  praedestinatione  et  reprobatione  bandelt,  wurde  nicbt  verb. 
Im  span.  Index  steht  von  ihm  nur  Allegatio  theologica  pro  illa  pro* 
positione:  Dens  assumpsit  hominem,  Toledo  1657. 

Von  italienischen  Schriften  stehen  im  Index:  L'incertezza  ac- 
certata  circa  la  predestinatione  dell'  haomo.  Si  sciolgono  alcuni 
dubbii  curiosi  e  divuoti  per  consolatione  e  qaiete  de'  fedeli.  Dal 
Rev.  P.  Frat'  Andrea  da  S.  Tomaso  (Augustiner,  Genua  1654), 
verb.  1659  und  nochmals  1662  (Alex.  No.  76;  Hurter  1,721);  — 
Nova  concordia  praedestinationis  divinae  cum  libertate  voluntatis 
creatae,  auctore  Gregorio  de  Sebenico,  Ven.  1665,  12.,  verb.  1667. 
Der  Verfasser  war  ein  Carmeliter  aus  Dalmatien;  er  verwirft  die 
Ansichten  der  Thomisten  und  der  Molinisten  und  versucht  eine  neue 
Ansicht  zu  begründen  (Bibl.  Carmelit.).  —  Jos.  de  Vita,  Dominicaner 
in  Sioilien,  f  1677,  gab  heraus:  Tractatus  sex  duobus  tomis  distri- 
butiy  quorum  tomus  1.  tractatum  de  proprio  et  per  se  principio,  unde 
provenit  peccatum  in  actionibus  voluntariis,  continet,  Palermo  1665, 
Fol.,  worin  er  die  Thomistische  Praedeterminatio  bekämpft.  Der 
General  Thomas  Turchi  befahl  1663,  als  das  Buch  unter  der  Presse 
war,  dasselbe  nach  Rom  zu  schicken,  und  verbot  1666  es  zu  ver- 
kaufen. Vita  gehorchte  aber  nicht.  Der  folgende  General  Jo.  Thom. 
de  Rooaberti  verbot  dann  1674  in  einem  Ciroular  den  Dominicanern 
das  Buch  zu  lesen,  es  sei  denn,  um  es  zu  widerlegen.  Der  2.  Theil 
wurde  in  Rom  zurückbehalten  und  nicht  gedruckt.  Die  Jesuiten  L. 
de  Meyer  und  Jac.  Platel  beuteten  den  1.  Band  aus.  Es  ist  auf- 
fallend, dass  er  nicht  in  den  Index  gebracht  wurde  ^).  —  Contro- 
versiae  dogmatioae  adv.  haereses  utriusque  orbis  in  tres  tomos  dis- 
tributae,  auct.  Fr.  Liberio  a  Jesu,  Carmelita  Excalceato.  Tom.  1., 
Rom  1701,  von  der  Inq.  mit  d.  c.  verb.  1703.  Der  Verf.  war  36 
Jahre  Professor  der  Controversen  im  Seminar  seines  Ordens  und  von 
lunocenz  XII.  zum  Studienprafecten  in  der  Propaganda  ernannt,  wurde 
aber  nach  dem  Verbote  seines  Buches  abgesetzt,  f  1718.  Die  Stelle, 
an  der  die  Inq.  Anstoss  nahm,  klingt  allerdings  im  Munde  eines  Römi- 
schen Theologen  naiv.  Er  antwortet  auf  eine  Einwendung  des  Ve- 
drosus  haereticus :  die  Jansenisten  hätten  sich  bezüglich  der  Quaestio 
juris  dem  h.  Stuhle  demüthig  unterworfen  und  verlangten  nur,  ge- 
hört zu  werden  bezüglich  der  Quaestio  facti,  ob  die  5  Sätze  in  dem 
Buche  des  Jansenius  ständen  und  ob  er  sie  in  dem  Sinne  verstan- 
den, in  welchem  sie  verdammt  worden  seien  ;  at  vero  in  quaestio- 
nibus  facti  Apost.  Sedes  non  est  judex  infallibilis.  1710  erschien 
zu  Rom  eine  neue  Ausgabe,  in  welcher  ein  Blatt  mit  einer  demü- 
thigen  Retractation  eingeheftet  ist  (A.  E.  1710,  398).  Diese  Ausgabe 
wird  im  Index  nicht  ausdrücklich  freigegeben ;  aber  bei  dem  Ver- 
bote steht  editionis  Romae  1701^). 


1)  Hurter  2,  22.  Mich.  a.  S.  Jos.  3,  134.  Franc.  Janssens  Elinga, 
0.  P,,  Veritas  manifestata  pro  auctoritate  Fr.  Thomae  Turci,  Mag.  Ordi- 
nis,  circa  praedeterminationem  physicam;  item  decretum  Fr.  Jo.  Th. 
de  Rocaberti,  Ord.  Mag.,  contra  operaFr.  Jos.  de  Vita,  Antw.  1675,  48  8.  4. 

2)  Biblioth.  Carmel.  2,  252.  1032.  Hurter,  2,  656.  Aus  seinem  Nach- 
lasse wurden  noch  7  Bande  Controversiae  zu  Mailand  1743—54  gedruckt. 


692  Gas  de  conscience  von  1702. 


67.  Der  Cas  de  conscience  von  1702. 

Im  J.  1702  wurde  einer  Anzahl  von  Doctoren  der  Sorbonne 
die  Anfrage  eines  Beichtvaters  vorgelegt,  ob  er  einen  Geistlichen 
absolviren  dürfe,  der  nach  seinen  eigenen  Erklärungen  folgende 
Ansichten  habe  (sie  verdienen  hier  mitgetheilt  zu  werden  als 
eine  Zusammenfassung  der  Ansichten,  die  damals  die  „Jan- 
senisten"  überhaupt  vertraten): 

1.  Die  5  Sätze  verdammt  er  einfach  und  rückhaltlos  in  jedem 
Sinne,  in  welchem  die  Kirche  sie  verdammt  hat,  auch  im  Sinne  des 
Jansenias  in  der  Weise,  wie  Innocenz  XII.  1694  erklärt  [S.  643]  hat; 
er  hat  auch  in  dieser  Weise  das  Formular  unterzeichnet.  Was  das 
Factum  betrifft,  so  hält  er  eine  Soumission  de  respect  et  de  silence 
unter  das,  was  die  Kirche  in  dieser  Hinsicht  entschieden  hat,  für 
genügend,  und  er  glaubt,  so  lange  man  ihn  nicht  juridisch  über- 
führen könne,  einen  der  5  Sätze  vertheidigt  zu  haben,  dürfe  er  ge- 
mäss dem  von  der  letzten  Assemblee  da  Clerge  (von  1700)  ange- 
nommenen Breve  Innocenz'  XII.  nicht  verdächtigt  werden.  —  2. 
£r  nimmt  eine  Praedestinatio  gratuita  et  praecedens  praevisionem 
meritorum  und  eine  Gratia  efficax  ex  se  ipsa,  die  zu  jedem  guten 
Werke  nothwendig  ist,  an,  weil  er  überzeugt  ist,  dass  dieses  die 
Lehre  des  h.  Augustinus  ist.  £r  erkennt  an,  dass  es  innere  Gnaden 
gibt,  welche  die  Erfüllung  der  göttlichen  Gebote  möglich  machen, 
aber  in  Folge  des  Widerstandes  des  menschlichen  Willens  nicht 
ihre  volle  Wirkung  haben.  —  3.  Er  glaubt,  dass  man  Gott  über 
alles  lieben  und  virtuell  alles  auf  ihn  beziehen  muss  und  dass 
Handlungen,  die  nicht  wenigstens  virtuell  auf  Gott  bezogen  werden 
und  nicht  irgendwelche  Begung  der  Liebe  zum  Motiv  haben,  Sünden 
sind,  wenn  sie  auch  mit  Bücksicht  auf  ihr  specielles  Object  und 
auf  ihren  speciellen  Zweck  gut  sein  können.  —  4.  Er  erkennt  an, 
dass  die  Kirche  nichts  darüber  entschieden  hat,  ob  die  Attrition 
genüge,  und  dass  die  Attrition,  welche  in  der  Furcht  vor  Strafen 
ihr  Motiv  hat,  gut  ist,  weil  diese  Fnrcht  eine  Gabe  Gottes  ist;  aber 
damit  diese  Attrition  eine  genügende  Disposition  für  den  Empfang 
der  sacramentalen  Lossprechung  sei,  muss  zu  dem  Motive  der  Furcht 
ein  Anfang  der  actuellen  Liebe  Gottes  über  alles  hinzukommen.  — 
5.  Um  der  Messe  in  gebührender  Weise  beizuwohnen,  muss  man  ihr 
mit  Andacht  und,  wenn  man  sich  einer  Todsünde  schuldig  weiss, 
im  Geiste  der  Busse  beiwohnen;  wer  ihr  beiwohnt  mit  dem  Willen 
und  der  Neigung  (affection)  zur  Todsünde  ohne  irgend  eine  Regung 
der  Busse,  begeht  durch  diese  schlechte  Disposition  eine  neue  Sünde. 
—  6.  Es  ist  für  jeden  Christen  sehr  nützlich,  viel  Devotion  gegen 
die  Heiligen,  namentlich  die  h.  Jungfrau  zu  haben;  aber  diese  be- 
steht nicht  in  den  eitelen  Wünschen  und  oberflächlichen  üebungen, 
die  sich  bei  gewissen  Schriftstellern  finden,  sondern  in  einer  grossen 


Cas  de  conscience  von  1702.  698 

Liebe  zur  h.  Jungfrau,  voll  Achtung  und  Ehrfurcht,  welche  bewirkt 
daas  man  sich  freut  über  die  Gnaden  erweisungen,  die  ihr  Yon  6ott 
zu  Theil  geworden,  welche  zur  Nachahmung  ihrer  Demuth  und  ihrer 
anderen  Tugenden  antreibt,  welche  begleitet  ist  von  Vertrauen  auf  sie 
wegen  ihres  Ansehens  bei  ihrem  göttlichen  Sohne  und  welche  bewirkt, 
dasB  man  sich  an  sie  als  eine  mächtige  Fürsprecherin  wendet.  Er 
missbilligt  es  aber,  dass  man  predigt,  man  müsse  auf  sie  ebenso 
viel,  ja  mehr  Vertrauen  setzen  als  auf  Gott,  sie  rette  vor  den  ewigen 
Strafen  Seelen,  welche  die  Gerechtigkeit  ihres  Sohnes  dazu  ver- 
dammt ....  —  7.  Bezüglich  der  Empfängniss  der  h.  Jungfrau  ist 
er  bereit  zu  glauben,  was  die  Kirche  darüber  zu  entscheiden  für 
gut  findet;  an  die  unbefleckte  Empfängniss  glaubt  er  nicht,  da  die 
Bulle  Alexanders  VII.  die  Frage  nicht  entscheidet,  hütet  sich  aber, 
dieser  Bulle  entsprechend,  etwas  gegen  diese  Meinung  zu  sagen.  — 
8.  Er  liest  Arnaulds  Buch  von  der  häufigen  Communion,  Saint 
Cyrans  Briefe,  die  Heures  von  Dumont,  die  Moral  von  Grinoble, 
die  Conferenzen  von  Lu^on  und  das  Rituel  d'Aleth,  weil  alle 
diese  Bücher  von  mehreren  Bischöfen  und  Doctoren  approbirt  und 
in  allgemeinem  Gebrauche  sind,  und  das  Eituel  vom  Papste  nur 
durch  üebereilung  (par  surprise)  verdammt  worden  ist,  da  derselbe 
Papst,  der  es  1688  verdammt  hat,  ohne  eine  Hetractation  zu  ver- 
langen, an  den  Bischof  von  Aleth  16.  Jan.  1689  ein  Breve  mit  an- 
erkennenden Ausdrücken  über  seine  Frömmigkeit  und  Gelehrsamkeit 
gerichtet  hat.  —  9.  Er  hält  es  für  nicht  verboten,  das  Lesen  der 
Bibel  in  der  Volksprache  zu  empfehlen.  Das  Verbot  des  N.  T. 
von  Mons  durch  den  Erzbischof  von  Paris  sieht  er  als  nur  für 
dessen  Diöcese  bindend  an. 

Vierzig  Doctoren  der  Sorbonne,  darunter  Petitpied,  Dnpin, 
Natalis  Alexander  und  V^ron,  unterzeichneten  folgende  Antwort 
auf  die  Anfrage : 

Die  unterzeichneten  Doctoren  sind  der  Meinung,  dass  die  An- 
sichten des  Geistlichen  weder  neu,  noch  eigen thümlich,  noch  von 
der  Kirche  verdammt,  noch  endlich  der  Art  sind,  dass  der  Beicht- 
vater, um  ihm  die  Lossprechung  zu  ertheilen,  von  ihm  verlangen 
müsste,  sie  aufzugeben.     Berathen    in   der  Sorbonne  20.  Juli  1702. 

Sobald  die  beiden  Actenstücke  gedruckt  erschienen,  wurden 
sie  durch  ein  Breve  Clemens'  XI.  vom  12.  Febr.  1703  verdammt, 
nochmals  auf  den  Wunsch  Ludwigs  XIV.  durch  die  Bulle  Vineam 
Domini  Sabaoth  vom  15.  Juli  1705.  In  dieser  Bulle  waren  alle 
Ausdrücke  sorgfältig  vermieden,  die  ihre  Reception  in  Frankreich 
hätten  erschweren  können.  Gleichwohl  wurde  sie  in  einer 
solchen  Weise  in  Frankreich  recipirt,  dass  es  darüber  zu  einem  Zer- 
würfnisse kam,  welches  erst  1711  durch  einen  diplomatischen 
Ausgleich  beseitigt  wurde.    Unter  den  mit  dieser  Angelegenheit 


694  Gas  de  consoience  von  1702. 

zosammenhangenden  französischen  Schriften,  weiche  in  Rom 
verboten  wurden,  sind  die  bemerkenswerthesten  die  des  Bischofs 
Persin  de  Montgaillard  von  St.  Pons,  des  einzigen  französischen 
Bischofs,  der  gegen  die  Bulle  offene  Opposition  machte,  —  er 
hatte  auch  früher  schon  allerlei  Differenzen  mit  Rom  gehabt, 
—  und  ein  Arr&t  des  Parlaments,  durch  welches  ein  gegen  den 
Bischof  von  St.  Pons  (und  ein  gegen  das  Buch  von  Andoul, 
S.  563)  gerichtetes  Breve  zurückgewiesen  wurde.  —  In  Löwen 
wurde  die  Bulle  ohne  Widerspruch  angenommen ;  aber  der  Index 
wurde  mit  einer  ganzen  Reihe  von  belgischen  Streitschriften 
bereichert,  namentlich  von  Aegidius  de  Witte,  dem  unermüd- 
lichsten und  verwegensten  Vertheidiger  des  Jansenius. 

1.  Wenn  man  Petitpied  als  Verfasser  des  Gutachtens  der  Doc- 
toren  bezeichnet,  so  ist  das  wohl  nur  daraus  erschlossen,  dass  er 
zuerst  unterzeichnet  hat.  Wahrscheinlich  haben  mehrere  gemein- 
schaftlich den  Gas  de  conscience  mit  dem  Gutachten  ausgearbeitet. 
Unterzeichnet  wurde  das  Gutachten  von  den  meisten  im  Palais  des 
Erzbischofs  Noailles  bei  Dr.  Pirot,  Prof.  der  Sorbonne,  der  damals 
Kanzler  und  Generalvicar  des  Erzbischofs  war  und  wie  der  andere 
Generalvicar  Vivant  lediglich  um  dieser  seiner  amtlichen  Stellung 
willen  nicht  mit  unterschrieb.  Ohne  Zweifel  hat  der  Erzbischof 
darum  gewusst^). 


1)   Ayr.  4j  196  sagt:  den  Entwarf  des  Gas  habe  Perrier,  Ganonico9 
zu  Glermont,  ein  Neffe  Pascals,  nach  Paris  gesandt,  Rouland  und  Anque— 
tille  hätten  daran    gearbeitet  und  Petitpied  habe  statt  der  Thomisti8cheiB> 
Gnadenlehre  die  Augustinische  hineincorrigirt.     Gleich  nach  der  Veröffent^ — 
liebung  des  Gas  wurde  Bernard  Couet,  der  eben  damals  Generalvicar 
Ronen  geworden  war,  als  Verfasser  bezeichnet  (Picot  in  der  Gorr.  de  Feneloi 
11,  305);  er  gab  nach  einander  eine  Reihe  von  Erklärungen  ab;  erst  di 
vierte,  in  der  er  sich  über  Droit  und  Fait  in  einem  jeden  Zweifel  an  sein 
Orthodoxie  ausschliessenden  Weise  ausspricht,  wurde  als  genügend  ang< 
sehen.     Bossuet  (42,  579)   schrieb  in  einem  Briefe  an  Mad.  de  Mainteno 
vom  9.  Juni  1703  sich  das  Verdienst  zu,   ihn  zur  Unterwerfung   bewoge: 
zu  haben.  —  S.-Beuve  sagt  6, 169;   Le  cas  de  conscience,  digne  d'avoir  ete 
forge  par  un  agent  provocateur,  avait  ete  propose  bonnement,  naivement 
par  M.  Eustace,  confesseur  des  religieuses  de  Port-Royal  et  tres-peu  theo- 
logien.  soit  qu'il  eüt  dresse  lui-mcme  l'expos^,  soit  qu'il  ne  Teut  propose 
que  de  vive  voix,  und  6,   173:    Eustace  et  Besson,  eure  de  Magny,  voisin 
de  Port-Royal,  ces  deux  honnetes  gens  un  peu  trop  simples,  avaient  arrange 
les  articles    les  plus  facheux  du  Gas.     Sie  werden    das  Material  geliefert, 
Theologen  der  Partei  den  Gas  redigirt  und  die  Unterzeichnung  arrangirt 
haben.   —   In  der  Hist.  du  Gas  de  consc.  p.  VIII  wird  behauptet,  Noailles 
sei  von   einigen  Doctoren   gefragt   worden  und  habe  ihnen    gerathen,   zu 
unterzeichnen,    aber  ihn  nicht  zu  compromittiren.     Dr.  Bourlet  sagte,  er 
habe    in  Noailles*    Auftrag   Unterschriften   gesammelt   (Gorr.  de   F^nelon 
4,  111.  Bausset,  Fenelon  3,  302).    Auch  Eustace  bemühte  sich,  die  Doctoren 
zum  Unterzeichnen  zu  bewegen  (S.-Beuve  6,  169). 


Lettre  de  M.  ♦*♦.  696 

Erst  Ende  1702  oder  Anfangs  1703  wurde  der  Gas  gedraokt 
herausgegeben  mit  einem  kurzen  Schreiben  des  Canonicus  von  B., 
worin  gesagt  wird:  die  Erklärung  der  Doctoren  diene  zur  Wider- 
legung solcher,  welche  der  guten  Lehre  widersprächen  und  gelehrte 
und  fromme  Priester,  welche  die  hier  mitgetheilten  Ansichten  hegten, 
als  Jansenisten  verschrieen:  Lettre  de  Mr.  ***  Chanoine  de  B.  k 
M.  T.  D.  A.  etc.  Cas  de  conscience  propose  par  un  confesseur  de 
province  touchant  un  ecclesiastique  qui  est  sous  sa  conduite,  et  re- 
solu  par  plusieurs  Docteurs  de  la  Facultä  de  Theologie  de  Paris 
(abgedr.  Arg.  III  b  413).  Wer  das  Schriftchen  veröffentlicht  hat, 
ist  nicht  bekannt;  jedenfalls  keiner  der  Unterzeichner.  Es  erregte 
grosses  Aufsehen.  Es  erschienen  bald  fünf  Gregenschriften.  Der 
Bischof  von  Apt  erliess  schon  4.  Febr.  ein  Mandement  dagegen^). 
Am  10.  Febr.  kam  es  in  Rom  an  und  schon  am  12.  erliess  Cle- 
mens XI.  ein  Breve  (Bull.  12,  385.  Arg.  Illb  417),  worin  es 
heisst:  nachdem  mehrere  Cardinäle,  die  er  mit  der  Prüfung  dieser 
Blätter  beauftragt,  sich  für  die  Verdammung  derselben  ausgesprochen, 
verdamme  er  sie  kraft  apostolischer  Autorität  und  verbiete  bei  Strafe 
der  Excomm.  1.  sent.,  sie  zu  lesen  u.  s.  w.;  die  Publication  des 
Breve's  in  Bom  solle  dasselbe  für  alle  verbindlich  machen  u.  s.  w. 
Unter  dem  13.  schrieb  er  an  den  König  und  an  den  Erzbischof 
Noailles  (Arg.  III  b  418).  In  dem  ersten  Schreiben  heisst  es:  in 
dem  Schriftchen  würden  mehrere  verdammte  Irrthümer  wieder  ans 
Licht  gezogen  und  unverkennbar  ketzerische  Dogmen  begünstigt; 
er  habe  den  Erzbischof  aufgefordert,  gegen  die  Unterzeichner  vor- 
zugehen, und  bitte  den  König,  die  ihm  von  Gott  übertragene  Ge- 
walt im  Dienste  Gottes  und  seiner  Kirche  zur  Anwendung  zu  bringen. 
In  dem  zweiten  Briefe  heisst  es:  das  Schriftchen  sei  von  sehr  ge- 
ringem Umfange,  aber  voll  mannichfaltigen  Giftes  neuer  Lehre;  es 
würden  darin  mehrere  schon  verdammte  Irrthümer  und  verderbliche 
Neuerungen  vorgetragen  und  indirect  die  Bullen  Alexanders  VII. 
angegriffen ;  die  Unterzeichner  gelobten  einen  innern  Gehorsam  gegen 
die  Bullen,  den  sie  äusserlich  verletzten,  und  suchten  durch  unnütze 
und  verwirrende  Fragen  die  Klarheit  der  kirchlichen  Entscheidungen 
zu  verdunkeln. 


1)  Den  Bischof  von  Apt  bezeichnet  d'Aguesseau  18,  202  als  entid- 
rement  devoue  aux  Jesuites,  esclavo  de  la  cour  de  Rome,  grand  partisan 
de  Finfaillibilite  et  aussi  kardi  quUgnorant,  und  sein  Mandement  als  auBsi 
ridicule  que  tout  cc  qui  est  sorti  dopuis  de  la  plume  de  ce  prelat.  —  Die 
hier  in  Betracht  kommenden  Actenstücke  stehen  meist  bei  Arg.  III  b  420, 
wichtige  Berichte  über  die  Verhandlungen  bei  H.  Fr.  d'Aguesseau,  Oeuvres 
13,  200.  D'Aguesseau  (1668—1751),  damals  Generalprocurator  (später 
Kanzler),  war  ein  frommer  Katholik,  aber  entschiedener  Gallicaner.  Er 
berichtet  (p.  206):  der  König  habe  das  Breve  feierlich  acceptiren  lassen 
wollen;  er  habe  aber  in  zwei  Memoires  auf  das  darin  verborgene  Gift  (die 
mit  den  gallicanischen  Grundsätzen  nicht  vereinbaren  Formeln)  aufmerksam 
gemacht  und  durchgesetzt,  dass  durch  ein  Arret  vom  9.  Mai  1703  ein- 
geschärft worden  sei,  dass  keine  Breven  u.  dgl.  ohne  Lettres  pateutes  du 
Roy  enregistrees  au  Parlement  publicirt  werden  dürften. 


696  Gas  de  conscienoe  von  1702. 

Noailles  erliess  nun  eine  Ordonnanz  gegen  den  Gas  (Arg.  III  b 
421).  Sie  iflt  vom  22.  Febr.  datirt,  erschien  aber  erst  am  5.  März 
und  wurde  erst  am  7.  angeheftet,  ist  also  offenbar  antedatirt  (S.-Beuve 
6,  170).  Das  Breve  wird  darin  nicht  erwähnt.  Noailles  erklärt: 
der  1.  Artikel  widerspreche  den  durch  die  Assemblee  von  1700 
angenommenen  Bullen  und  seiner  Ordonnanz  vom  20.  Aug.  1696, 
habe  die  Tendenz,  schon  entschiedene  Fragen  zu  erneuern,  begünstige 
die  Praxis  der  Zweideutigkeiten,  Mental-Eestrictionen  und  sogar  der 
Meineide  und  derogire  der  Autorität  der  Kirche;  in  einigen  anderen 
Artikeln  kämen  verfängliche  Ausdrücke  vor;  das  ganze  Stück  ent- 
halte Widersprüche,  mehrere  tadelnswerthe  und  einige  für  den 
h.  Stuhl  injuriöse  Ausdrücke;  solche  ausserordentliche  und  wichtige 
Casus  seien  in  Zukunft  ihm  vorzulegen.  £r  verdammt  dann  auch 
die  bitteren  Streitschriften,  die  bei  dieser  Gelegenheit  erschienen 
seien,  als  injuriös,  ärgernissgebend,  verleumderisch  u.  s.  w.  und  er- 
neuert schliesslich  unter  Berufung  auf  das  Breve  Innocenz'  XII. 
vom  J.  1694  und  die  Erklärung  der  Assemblee  von  1700  das  Ver- 
bot, die  vage  und  gehässige  Anschuldigung  des  Jansenismns  vorzu- 
bringen, wenn  jemand  nicht  wirklich  verdächtig  sei,  einen  der  5  Sätze 
gelehrt  zu  haben.  —  Noch  im  März  erklärten  die  meisten  Unter- 
zeichner ihre  Unterwerfung  unter  die  Ordonnanz  und  ihr  Bedauern, 
unterschrieben  zu  haben.  Sarrazin  erklärte,  er  habe  gar  nicht  unter- 
schrieben; zwei  Unterzeichner  waren  gestorben;  nur  Petitpied  und 
Hyacinthe  de  Lan  A^erweigerten  die  Unterwerfung.  Sie  wurden 
1.  Oct.  1704  von  der  Sorbonne  für  ausgeschlossen  erklärt,  wenn  sie 
sich  nicht  in  einem  Monat  unterwürfen.  Nun  unterwarf  sich  de 
Lan;  nur  Petitpied  blieb  fest  und  wurde  ausgeschlossen;  er  ging 
bald  darauf  zu   Quesnel   nach  Holland    (Arg.  III  b  423.  III  a  159). 

Durch  ein  Arret  du  Conseil  d'^tat  vom  3.  März  1703  wurde 
fast  in  denselben  Ausdrücken  wie  im  J.  1668  beiden  Parteien 
Schweigen  geboten  und  mit  diesem  Arret  das  Breve  24.  März  den 
Bischöfen  übersandt.  Dieses  Verfahren  erregte  natürlich  die  Unzu- 
friedenheit des  Papstes.  £r  richtete  10.  April  1703  ein  neues 
Schreiben  an  den  König,  worin  er  ihn  zunächst  dafür  belobt,  das« 
er  die  hauptsächlichsten  Billiger  des  abscheulichen  Schriftchens  be- 
straft, namentlich  Dupin  verbannt  habe  (S.  587),  und  ihn  ermahnt,  so 
fortzufahren,  da  es  sich  um  Menschen  handle,  die  nur  mit  strengen 
Strafen  in  Ordnung  zu  halten  seien,  dann  aber  fortfährt:  es  sei 
zwar  zu  loben,  dass  er  ein  von  dem  h.  Stuhle  verdammtes  Schrift- 
chen auch  seinerseits  verboten  habe ;  damit  man  aber  nicht  aus 
einigen  Ausdrücken  des  königlichen  Edictes  schliesse,  es  solle  nicht 
nur  die  Vertheidigung,  sondern  auch  die  Bekämpfung  der  Janse- 
nistischen Ketzerei  fortan  nicht  gestattet  sein,  werde  es  angemessen 
sein,  dass  der  König  sich  darüber  deutlicher  ausspreche;  der  Nun- 
cius  werde  ihm  mündlich  mehr  darüber  sagen.  „Man  begreift  leicht, 
sagt  d'Aguesseau  (13,  205),  wie  ein  Papst  solche  Danksagungen 
schreiben,  aber  weniger  leicht,  wie  ein  König  von  Frankreich  sie 
annehmen  konnte." 

Ausser  Noailles  erliessen  noch  18  französische  Bischöfe  Hirten- 


Judicium  Facultatis   Lovaniensis.  697 

briefe  gegen  den  Gas.  Gegen  vier,  welche  das  Breve  publicirt 
hatten,  ehe  es  einregistrirt  war,  nahm  das  Parlament  den  Appel  comme 
d'abus  an,  u.  a.  gegen  den  Bischof  von  Clermont.  Auch  darüber  war 
der  Papst  sehr  ungehalten  (Corr.  de  Fen.  2,  96;  3,  4),  aber  auch  über 
die  Bischöfe  von  Chartres  und  Noyon.  Wenigstens  schrieb  F6n61on 
(Oeuvres  2,  420)  an  Card.  Gabrielli:  er  höre,  dass  man  deren 
Hirtenbriefe  verbieten  wolle,  weil  sie  darin  viel  von  der  Unfehl- 
barkeit der  Kirche,  aber  gar  nichts  von  der  des  Papstes  sagten 
(auch  F^nelons  Hirtenbrief  erregte  dadurch  in  Rom  Anstoss).  Er 
hebt  hervor,  die  Unfehlbarkeit  des  Papstes  werde  von  den  Parla- 
menten, den  Bischöfen  und  den  Gelehrten  mit  sehr  wenigen  Aus- 
nahmen nicht  anerkannt,  und  wenn  man  sage,  sie  sei  fere  de  fide, 
80  erkenne  man  damit  doch  an,  dass  sie  nicht  de  fide  sei;  wenn 
man  wirklich  jene  Hirtenbriefe  verbiete,  so  werde  kein  französischer 
Bischof  mehr  gegen  die  Jansenisten  kämpfen  wollen,  um  nicht  aus 
der  Scylla  in  die  Charybdis  zu  gerathen.  Der  Bischof  von  Char- 
tres, Godet  Desmarets,  war  ebensowohl  wie  F^nelon  ein  Gegner  des 
Gallicanismus  und  wirkte  durch  Mad.  de  Maintenon  zu  Gunsten  der 
Pnblication  des  Breves  über  den  Cas  (d'Aguesseau  13,  217). 

Die  Sorbonne  befasste  sich  erst  1.  Oct.  1704  mit  der  Sache 
(Arg.  III  a  159)  und  beschränkte  sich  darauf,  Petitpied  und  de 
Lan  die  Ausstossung  anzudrohen  und,  ohne  das  Breve  zu  erwähnen, 
zn  erklären:,  den  Satz,  dass  eine  Soumission  de  respect  et  de  silence 
bezüglich  des  Factums  genüge,  habe  sie  schon  1656  in  der  Censur 
gegen  Arnauld  verworfen;  wenn  sie  jetzt  nur  diesen  Satz  nochmals 
censurire,  wolle  sie  damit  nicht  den  übrigen  Inhalt  des  Cas  gut 
heissen.  Die  Facultät  von  Douay  veröffentlichte  1704  eine  aus- 
führliche Declaration  gegen  den  Cas  (Arg.  III  b  424),  die  von  Löwen 
ein  Judicium  Facultatis  Theol.  Lovan.  super  8  articülis  inter  alias 
excerptis  ex  Casu  conscientiae  in  Sorbona  a  40  doctoribus  20.  Julii 
1702  subscripto,  recenter  vero  Universität!  Lovan.  palam  notificato 
et  eidem  Facultati  Theol.  ex  parte  111.  D.  Mechlin.  Archiepiscopi 
proposito,  expeditum  14.  Martii  1703  (Arg.  III  b  597 — 600).  Dieses 
wurde  von  der  Inq.  11.  März  1704  verb.  Fi^n^lon  (2,  419)  schreibt 
darüber  an  Card.  Gabrielli:  die  Jansenisten  triumphirten  über  dieses 
Verbot,  welches  wohl  ihr  Gönner,  der  Ass.  8.  Off.  Casoni,  besorgt 
haben  werde.  Das  Judicium  sei  zwar  nicht  viel  werth;  man  hätte 
aber  doch  nicht  um  einiger  Unvorsichtigkeiten  willen  fromme  Vor- 
kämpfer der  gesunden  Lehre  wie  die  Löwener  durch  ein  solches 
Verbot  kränken  sollen.  Gabrielli  antwortet  (Corr.  3,  25):  man  habe 
sich  auch  bei  dem  Papste  über  dies  Verbot  beklagt,  und  dieser  sei 
ärgerlich  darüber,  dass  er  (Gabrielli)  in  der  betreffenden  Sitzung 
der  Inq.  gefehlt  habe;  er  kenne  das  Judicium  nicht,  aber  dergleichen 
Censuren  würden  nicht  selten  censurirt,  weil  die  Verfasser  bei  der 
Eritisirung  eines  Irrthums  in  das  entgegengesetzte  Extrem  geriethen 
oder  Schmähungen  aussprächen  oder  die  gute  Sache  mit  schlechten 
Mitteln  vertheidigten ;  ob  das  auch  bei  diesem  Judicium  zutreffe, 
wisse  er  freilich  nicht.  Ohne  Zweifel  hat  man  dasselbe  verdammt, 
weil  man  es  nicht  scharf  genug  fand  und  gleich  an  dem  ersten  Ab- 


698  Gas  de  conscience  von  1702. 

satze  AnstoBs  nahm,  worin  es  heisst:  der  Verfasser  des  Gas  wider- 
spreche sich  selbst,  wenn  er  von  einer  Soumission  de  respect  et  de 
silence  spreche  nnd  dann  sage,  er  glaube  an  die  Entscheidung  über 
das  Factum  nicht  in  derselben  Weise  wie  an  die  über  das  Jus: 
„wer  hat  denn  diesen  Freund  des  Stillschweigens  genöthigt  zu  reden, 
dum  medium  silentium  tenerent  omnia.  und  wie  haben  die  40  Appro- 
batoren  dieses  Stillschweigens  übersehen  können,  dass  solche  Schriften 
und  Unterschriften  reden,  das  gedämpfte  Feuer  wieder  anfachen?*' 
u.  s.  w. 

Durch  dasselbe  Inquisitionsdecret  wurde  verb.:  Lettre  d'un 
^yeque  k  un  eveque,  ou  consultation  sur  le  fameux  Gas  de  con- 
science resolu  par  40  Docteurs  de  la  Fac.  de  Th^ol.  de  Paris,  1704, 
130  S.  12.,  von  Quesnel,  gegen  die  Retractation  der  Doctoreo 
und  gegen  Noailles.  —  1707  verbot  die  Inq.:  Defense  des  th6o- 
logiens  et  en  particulier  des  disciples  de  St.  Augnstin  contre  Tor- 
donnance  de  Mr.  l'^veque  de  Ghartres,  portant  condamnation  du 
Gas  de  conscience.  2.  Ed.  revue  et  augm.,  avec  une  r^ponse  au 
remarques  du  m^me  pr^lat  sur  les  declarations  de  M.  Gouet,  1706, 
von  Jacques  FouiUou,  —  und  sonderbarer  Weise  1709:  Defense  de 
tous  les  th^ol.  ...  de  Ghartres  du  3.  Aoüt  1794,  540  S.  12.,  also 
die  1.  Auflage  desselben  Buches^). 

Im  J.  1705  Hess  Ludwig  XIV.  den  Papst  bitten,  durch  eine 
Bulle  den  durch  den  Gas  de  conscience  wieder  angeregten  Janse- 
nistischen Gontroversen  ein  Ende  zu  machen,  die  Bulle  aber  so  zn 
fassen,  dass  ihre  Publication  in  Frankreich  erfolgen  könne,  also  alle 
den  gallicanischen  Freiheiten  widersprechenden  Ausdrücke  zu  ver- 
meiden. Glemens  XI.  gebrauchte  die  „demüthigende  Vorsicht'',  dem 
Könige  den  Entwurf  der  Bulle  zu  übersenden;  dieser  legte  denselben 
dem  Parlaments- Präsidenten  Harlay,  dem  General-Procurator  d'Agues- 
seau  und  dem  Erzbischof  Noailles  vor  und  verlangte  dann,  es  müsse  in 
der  Bulle  ausdrücklich  gesagt  werden,  dass  sie  auf  den  Antrag  der 
französischen  Bischöfe  erlassen  sei.  Darauf  ging  man  in  Rom  ein, 
und  nun  versprach  der  Gardinal  Jansen,  die  Bulle  werde  in  Frank- 
reich wie  die  von  Innocenz  X.  und  Alexander  VII.  recipirt  werden^). 


1)  Ueber  Fouillou  s.  S.-Beuve  6,  172.  Er  war  nur  Diaoon  und  Li- 
centiat  der  Sorbonne,  aber  „eine  der  besten  Federn  der  Partei".  Die 
Hiatoire  du  cas  de  conscience,  Nancy  (Holland)  1705 — 11,  8  vol.  12.,  an 
welcher  ausser  Fouillou  auch  Louail,  Petitpied,  Quesnel  und  Mdlle.  de  Jon- 
coux  arbeiteten,  also  la  nouvelle  generation  Janseniste  au  complet  (S.- 
Beuve  6,   171),  ist  nicht  in  den  Index  gekommen. 

2)  Corr.  de  Fen.  3,  370.  D'Aguesseau  13,  227  sagt:  er  habe  bean- 
tragt, dass  erwähnt  werde,  der  König  habe  um  die  Bulle  gebeten.  Das 
wird  in  den  Lettres  patentes  (Arg.  III  b  452)  erwähnt,  in  der  Bulle  aber 
steht,  —  und  das  war  ja  auch  vom  gallicanischen  Standpunkte  aus  wich- 
tiger, —  sie  sei  erlassen  auf  die  Bitte  vieler  Bischöfe  in  verschiedenen 
Ländern,  namentlich  in  Frankreich  (nicht  motu  proprio).  Nach  d'Aguesseau 
wünschte  ferner  Noailles,  es  möge  gesagt  werden,  die  früheren  Bullen 
seien  von  der  ganzen  Kirche  recipirt  worden;  dem  Card.  Jansen  wurde 
auch  eine  Abschrift  gezeigt,  in  welcher  stand:  quas  tanto  cum  applausu 


Balle  Vineam  Domini  Sabaoth.  699 

—  Die  80  vereinbarte  Bulle  Vineam  Domini  Sabaoth  ist  vom 
15.  Juli  1705  datirt.  Der  Papst  inserirt  darin  die  Bulle  Alexan- 
ders VII.  von  1664,  in  welche  die  Bnlle  Innoeenz  X.  von  1653  in- 
serirt ist,  und  erklärt  dann :  es  werde  mit  Unrecht  behauptet,  die 
Breven  Clemens^  IX.  von  1669  an  die  vier  französischen  Bischöfe 
und  Innoeenz'  XI.  von  1694  und  1696  an  die  belgischen  Bischöfe 
enthielten  eine  Bestriction  oder  Modification  jener  Bullen  und  das 
Formular  Alexanders  VII.  könne  auch  von  denjenigen  unterschrieben 
werden,  welche  innerlich  nicht  der  Ansicht  wären,  dass  die  ketze- 
rische Lehre  in  dem  Buche  des  Jansenius  enthalten  sei;  um  allen 
Missverständnissen  definitiv  ein  £nde  zu  machen,  erkläre  er,  dass 
dem  jenen  Bullen  gebührenden  Gehorsam  durch  das  obsequiosum 
Silentium  nicht  genügt  werde,  dass  vielmehr  der  Sinn  der  5  Sätze 
des  Jansenius'schen  Buches,  den  der  Wortlaut  habe  (quem  illarum 
verba  prae  se  ferunt),  von  allen  nicht  nur  mit  dem  Munde,  sondern 
auch  im  Herzen  als  ketzerisch  verworfen  werden  müsse. 

Man  hatte  in  Frankreich  die  Ankunft  der  Bulle  während  des 
Tagens  der  Assembl6e  du  Ciergä  von  1705  erwartet  und  den  dieser 
vorhergehenden  Provincialversammlungen  empfohlen,  ihren  Abgeord- 
neten unbedingte  Vollmacht  zur  Annahme  der  Bulle  zu  geben.  Das 
geschah  überall;  nur  in  der  Provinz  Narbonne  widersprach  der  Bi- 
schof Persin  de  Montgaillard  von  Saint  Pons.  Als  die  Bulle  an- 
gekommen war,  erklärten  der  Parlaments-Präsident  und  der  General- 
Proourator  dieselbe  für  unverfänglich,  empfahlen  aber,  in  der  Assem- 
bl6e  und  in  dem  Arr^t  die  Hechte  der  Bischöfe  zu  wahren.  Der 
König  übersandte  2.  Aug.  die  Bulle  der  Assemblee,  um  über  die 
Annahme  derselben  in  der  herkömmlichen  Form  zu  berathen  ^). 
Der  Vorsitzende  Noailles  ernannte  eine  Commision  zur  Prüfung  der 
Bulle  (vorher  soll  er  sich  sehr  lebhaft  gegen  die  Hirtenbriefe 
einiger  Bischöfe  über  den  Cas  de  conscience  ausgesprochen  und  er- 
klärt haben,  die  Kirche  beanspruche  keine  Unfehlbarkeit  bezüglich 
nicht  geoffenbarter  Thatsachen;  Picot  1,  34).  Der  Vorsitzende  der 
Commission,  Erzbischof  Golbert  von  Eouen,  erstattete  21.  Aug.  Be- 
richt: die  Commission  habe  als  Grundsatz  aufgestellt:  1.  Bischöfe 
hätten  nach  göttlichem  Rechte  über  doctrinelle  Materien  zu  urtheilen ; 
2.  die  Constitutionen  der  Päpste  verpflichteten  die  ganze  Kirche, 
wenn  sie  von  dem  Corps  des  pasteurs  angenommen  seien;  3.  diese 
Acceptation  erfolge  immer  par  voie  de  jugement;  die  Commission 
beantrage  ferner:  1.  die  Bulle  sei  mit  Ehrfurcht  und  Unterwerfung 
anzunehmen;  2.  die  Versammlung  solle  dem  Papste  ein  Glückwunsch- 
und  Danksohreiben  übersenden,  3.  alle  Bischöfe  des  Eeiches  er- 
mahnen, die  Bulle  zu  publiciren,  4.  den  König  bitten,  Lettres  pa- 
tentes für  die  Einregistrirung  und  Publication  der  Bulle  zu  gewähren. 
Diese  Anträge  wurden  22.  Aug.  angenommen.  —  In  dem  Schreiben 
an  den  Papst    heisst    es:    Definitionem    Beatitudinis   Vestrae    debita 


tota  excepit  Ecclesia.     Das  wurde  wieder  gestrichen,  der  Papst  gestattete 
aber  nachtraglich,  dass  die  Bischöfe  das  bei  der  Publication  sagten. 
1)  Recueil  des  actes  du  Clerg4  1,  379—404. 


700  Gas  de  conscience  von  1702. 

observantia  colentes  et  nno  spiritn  .  .  .  constitntionem  ea  qua  par 
est  reverentia  suscepimue  communiqne  coneilio  promnlgandam  de- 
crevimuß. 

Unter  dem  30.  Aug.  übersandte  der  König  die  Bulle  der  Sor- 
bonne; diese  nahm  sie  1.  Sept.  summa  cum  reverentia  et  religione 
an  und  bescbloss  zugleicb,  wenn  der  König  damit  einverstanden  sei, 
fortan  von  den  Candidaten  die  Unterzeicbnung  des  Formalars  Alexan- 
ders VII.  zu  verlangen.  Unter  dem  31.  Ang.  erliess  der  König 
Lettres  patentes,  worin  er  dem  Parlamente  die  Einregistrirung  der 
Bulle  befabl,  die  am  4.  Sept.  erfolgte.  Er  sagt  darin:  er  habe  den 
Papst  um  eine  neue  Bulle  zur  Bestätigung  der  früheren  gebeten, 
die  durch  die  Acceptation  von  Seiten  der  Kirche  allgemeine  G-esetze 
geworden  seien;  er  habe  die  neue  Bulle  mit  gebührendem  Respect 
aus  der  Hand  des  Nuncius  entgegengenommen  und  zunächst  der 
Assembl^e  du  Clerge  übersandt,  damit  sie  über  die  Acceptation  der 
Bulle  in  den  herkömmlichen  Formen  berathe  und  damit,  indem  die 
Stimmen  (le  suffrage)  der  Bischöfe  zu  der  Autorität  des  Urtheils 
des  h.  Stuhles  hinzuträten,  dieses  Zusammenwirken  und  diese  Ueber- 
einstimmung  der  Glieder  mit  ihrem  Haupte  die  kirchlichen  Zwistig- 
keiten  unterdrücke;  aus  den  Protocollen  der  AssembUe  ergebe 
sich,  dass  die  Prälaten,  in  der  Bulle  den  Geist  und  die  Lehre  der 
Kirche  erkennend,  dieselbe  mit  der  dem  sichtbaren  Oberhaupte  der 
Kirche  gebührenden  Ehrfurcht  angenommen. 

Unter  dem  14.  Sept.  sandte  die  Assemblee  ein  Rundschreiben 
an  alle  französischen  Bischöfe,  um  sie  zur  Publication  der  Bulle 
aufzufordern ;  der  Entwurf  eines  ganz  kurzen  und  trockenen  Man- 
dement  war  beigefügt.  In  dem  Rundschreiben  heisst  es:  Wir  haben 
eine  so  wichtige  Angelegenheit  sorgfältig  geprüft,  da  wir  wissen, 
dass  wir  dabei  nicht  als  einfache  Executoren  der  apostolischen  De- 
crete  handeln,  sondern  in  Wahrheit  mit  dem  Papste  urtheilen  und 
uns  aussprechen ;  aber  je  mehr  wir  die  Entscheidung  des  h.  Stuhles 
erwogen,  um  so  mehr  haben  wir  darin  die  Grundsätze  und  Gesin- 
nungen der  französischen  Bischöfe  erkannt.  Auch  in  dem  Mande- 
ments-Entwurfe  heisst  es:  die  Bischöfe  der  Assemblee  hätten  in  der 
Entscheidung  des  h.  Vaters  die  Lehre  erkannt,  die  der  französische 
Clerus  stets  festgehalten,  und  in  diesem  Geiste  mit  Ehrfurcht  und 
Unterwerfung  einmttthig  die  Bulle  angenommen^). 


1)  Noailles  publicirte  die  Bulle  mit  einer  Ordonnanz  contre  le  Jan- 
senisme  vom  21.  März  1706.  Die  Ordonnanz  wurde  in  Port-Royal  pabli- 
cirt  und  von  den  Nonnen  angenommen,  sans  deroger  k  ce  qui  est  fait  i 
leur  egard  k  la  Paix  de  PEglise  sous  Clement  IX.  Das  wurde  die  Ver- 
anlassung zur  Aufhebung  des  Klosters  (S.-Beuve  6,  183).  Seit  1706  durften 
keine  Novizen  mehr  aufgenommen  werden ;  eine  auf  den  Antrag  des  Köni^ 
erlassene  Bulle  vom  27.  März  1708  hob  das  Kloster  auf.  Die  noch  darin 
lebenden  22  Nonnen,  von  denen  keine  unter  50,  mehrere  über  80  Jahre 
alt  waren,  wurden  29.  Oct.  1709  in  verschiedenen  Klöstern  untergebracht; 
auf  Grund  eines  Arr^t  du  Conseil  vom  22.  Jan.  1710  wurden  die  Geb&ude 
demolirt.    So  war  das  Kloster  „endlich  zerstört*^;  Schill  S.  42. 


Penin  de  Montgaillard,  Bischof  von  St.  Pons.  701 

Der  einzige  französische  Bischof,  welcher  gegen  die  Balle 
Opposition  machte ,  war  der  von  St.  Pons.  F^n^ion  hatte  in 
seiner  Pastoral-Instruction  über  den  Gas  de  conscienoe  Yom  21.  Mai 
1705  eine  Stelle  des  Briefes  der  19  Bischöfe  von  1667  besprochen, 
die  von  den  Jansenisten  zu  Gunsten  des  ehrfurchtsvollen  Schweigens 
verwendet  wurde.  Der  Bischof  von  St.  Pons,  der  einzige  noch  le- 
bende der  19  Bischöfe,  veröffentlichte  darauf  Lettre  de  M.  l'äv^que 
de  Saint-Pons  k  M.  Tarchev.  de  Cambray,  oü  il  justifie  les  19  6v^ues 
qui  ecrivirent  en  1667  au  Pape  et  au  Roy  au  sujet  des  4  c^lebres 
6vSques  d'Alet  etc.,  datirt  9.  Juni  1705.  Fen61on  antwortete  in 
einem  Briefe  vom  10.  Dec.  1706,  den  ohne  sein  Vor  wissen  der  Je- 
suit Lallemant  drucken  Hess  (Oeuvres  12,  413).  Darauf  erschien 
Nouvelle  lettre  de  M.  T^veque  de  Saint- Pons  qui  refute  celle  de 
M.  Tarch^v.  de  Cambray  touchant  Tinfaillibilit^  du  Pape,  1707. 
Fän61on  antwortete  darauf:  er  habe  nicht  von  der  Unfehlbarkeit 
des  Papstes,  sondern  der  Kirche  bezüglich  der  dogmatischen  That- 
sachen  gesprochen  (Oeuvres  12,  473.  Dieser  Brief  wurde  lateinisch 
gedruckt  und  nach  Rom  geschickt,  dort  aber  „nicht  goutirt^';  Oeu- 
vres 10,  LVI).  Der  Bischof  von  St.  Pons  veröffentlichte  nun  noch 
SÄponse  de  M.  Tev.  de  Saint- Pons  k  la  lettre  de  M.  Tarch.  de 
Cambray.  lieber  die  Bulle  Vineam  Dpmiui  veröffentlichte  er  das 
vom  31.  Oct.  1706  datirte  Mandement  de  M.  T^v.  de  Saint-Pons  tou- 
ehant  Tacceptation  de  la  bulle  de  N.  S.  P.  le  P.  Clement  XI.  sur 
le  cas  signe  par  40  docteurs,  avec  la  justification  des  23  ^veques, 
qui  voulant  procurer  la  paix  k  T^gl.  de  France  en  1667,  se  ser- 
virent  de  Texpression  du  silence  respectueux  pour  marquer  la  sou- 
mission  qui  est  due  aux  d^cisions  de  TEgl.  sur  les  faits  non  ri- 
VÄ168,  avec  le  moyen  de  retablir  a  präsent  cette  paix. 

F^n^lon  drang  1707  in  einem  Briefe  an  Card,  ßabrielli  da- 
rauf, diese  Briefe  zu  censuriren:  die  Jansenisten  würden  triumphiren, 
wenn  das  nicht  geschehe  (Oeuvres  2,  448).  P.  Daubenton  schrieb 
ihm  2*i.  März  1709:  er  bemühe  sich  nun  schon  geraume  Zeit,  das 
Verbot  durchzusetzen;  aber  tout  va  lentement  en  cette  cour  (Corr. 
3,  204).  Endlich  wurden  die  drei  Briefe  und  das  Mandement  von 
der  Inq.  Fer.  IV.  17.  Juli  1709  verb.  (sie  stehen  jetzt  unter  Per- 
8 in),  gleichzeitig  die  Defense  von  Fouiliou  und  die  unten  zu  er- 
wähnende Justification  von  demselben.  Der  Papst  verdammte  die 
vier  Schreiben  nochmals  in  einem  Breve  vom  10.  Jan.  1710  (Bull. 
12,  479),  worin  es  heisst:  da  dieselben  trotz  der  Verdammung  noch 
immer,  namentlich  in  Frankreich  verbreitet  würden,  so  verdamme 
er  sie  nach  Anhörung  einiger  Cardinäle  und  Theologen  nochmals 
als  Schriften,  welche  falsche,  .  .  .  schismatische  und  offenbar  eine 
Umgehung  der  letzten  zur  gänzlichen  Ausrottung  der  Jansenistischen 
Ketzerei  erlassenen  Bulle  bezweckende  Sätze  enthielten,  bei  Strafe 
der  reservirten  Excomm.  1.  sent. ;  die  Exemplare  seien  an  die  Bi- 
schöfe oder  Inquisitoren  abzuliefern  und  zu  verbrennen;  gegen  den 
Verfasser  behalte  er  sich  vor  nach  den  canonischen  Satzungen  zu 
verfahren;  die  Publication  des  Breves  in  Rom  solle  genügen  u.  s.w. 
—   Das  Breve  wurde  mit  Lettres  patentes  dem  Parlament  übersandt^ 


702  Cas  de  conscienoe  von  1702. 

von  diesem  aber  auf  den  Antrag  des  Generaladvocaten  6.  Fr.  Joly 
de  Fleury  die  Einregistrirung  verweigert,  weil  es  mehrere  den  gal- 
licanischen  Grundsätzen  widersprechende  Ausdrücke  enthalte,  u.  a.  in 
dem  Satze,  der  Papst  wolle  gegen  den  Bischof  einschreiten.  Gleich- 
zeitig protestirte  das  Parlament  gegen  das  Breve  über  Audoul, 
S.  563  i). 

Der  König  verlangte  nun  eine  Bulle  gegen  den  Bischof  von 
St.  Pons,  stiess  aber  in  Rom  auf  Schwierigkeiten.  Man  war  dort 
sehr  unwillig  über  die  „gallicanischen  Allüren*'  der  Assemblee  von 
1705  (Schill  S.  44).  Der  Papst  klagte  in  einem  Breve  an  den 
König  vom  31.  Aug.  1706:  die  Assemblie  habe  sich  so  ausgedrückt, 
als  ob  sie  nicht  an  die  Annahme  seiner  Bulle,  sondern  an  eine 
Begränznng  der  Autorität  des  h.  Stuhles  gedacht;  er  habe  die 
Bischöfe  ermahnt,  nicht  die  Fülle  der  Gewalt,  die  allein  dem  Stuhle 
des  h.  Petrus  von  Gott  übertragen  sei,  zu  usurpiren  und  zu  beden- 
ken, dass  sie  dergleichen  Decrete  über  den  katholischen  Glauben 
zu  verehren  und  auszuführen,  nicht  zu  discutiren  und  zu  beurtheilen 
hätten ;  er  habe  übrigens  gehört,  dass  viele  Bischöfe  mit  den  Aens- 
serungen  der  Assemblde  nicht  einverstanden  seien.  (Aber  sogar 
FÄn^lon  schrieb  1707  an  Card.  Gabrielli:  Nihil  insolitum  sibi  arro- 
gant gallicani  antistites,  dum  doctrinale  Judicium  sibi  tribunnt).  — 
Als  es  sich  um  eine  Bulle  gegen  den  Bischof  von  St.  Pons  han- 
delte, erklärte  der  Papst:  er  werde  eine  solche  nicht  erlassen,  wenn 
er  nicht  zuvor  von  Seiten  der  Assembl6e  Satisfaction  erhalten ;  wenn 
man  ihm  sage,  die  Bulle  werde  in  Frankreich  ebenso  angenommen 
werden  wie  die  von  Innocenz  X.  und  Alexander  VII.,  so  habe  ihm 
der  Card.  Jansen  dasselbe  bezüglich  der  Bulle  Vineam  versprochen, 
man  habe  aber  nicht  Wort  gehalten  (Corr.  de  F6n.  3,  370).  Es 
wurde  also  nun  zwischen  dem  Card.  Fabroni  und  dem  Abb6  de 
Polignac  über  die  Redressirung  des  Auftretens  der  Assemblee  ver 
handelt  (d'Aguesseau  13,  262).  Noailles  und  11  andere  Prälaten 
hatten  10.  März  1710  eine  Explication  des  maximes  etablies  .  .  . 
21.  Aoüt  1705  unterzeichnet,  worin  es  hiess:  1.  Die  Assemblee  habe 


1)  lieber  Fenelons  Streit  mit  dem  Bischof  von  St.  Pons  s.  Oeuvres 
10,  LVl.  Fen.  schrieb  auch  1710  auf  P.  Le  Telliers  Ersuchen  eine  Lettre 
k  un  6veque  sur  le  Mandement  de  P^v.  de  St.  Pons  (13,  177),  erklärte 
aber,  es  widerstrebe  ihm,  nachdem  das  Breve  erschienen  sei,  noch  etwas 
gegen  den  80jährigen  Mann,  dessen  Familie  mit  der  seinigen  befreundet 
sei  und  der  jetzt  schweige,  zu  veröffentlichen  (Corr.  3,  329.  349).  —  üeber 
das  Arret  des  Parlaments  war  Fen.  sehr  ungehalten:  „Man  will  durch 
diese  Kritiken  die  Sache  dahin  treiben,  dass  Rom  es  nicht  mehr  wagt, 
dogmatische  Urtheile  gegen  die  Neuerung  nach  Frankreich  zu  schicken. 
Rom  wird  doch  nicht  den  Stil  aller  seiner  Bullen  ändern  sollen ;  das  hie»e 
sich  selbst  erniedrigen  und  sich  seine  Aufsätze  vom  Parlament  corrigiren 
lassen.  So  wird  man  Rom  zum  Schweigen  bringen ;  man  möchte  es  auch 
mit  dem  Könige  brouilliren"  (Corr.  1,  363).  —  Üeber  die  Verhandluugeo 
in  Paris  s.  d'Aguesseau  13,  291.  Am  Hofe  waren  die  Jesuiten  und  Sul- 
picianer  und  der  Bischof  von  Chartres  gegen  den  Bischof  von  St.  Pons 
thätig. 


Arret  de  la  coar  du  parlement.  708 

die  Bulle  Yineam  in  derselben  Weise  annehmen  wollen,  wie  die 
anderen  Ballen  gegen  das  Buch  des  Jansenius  angenommen  worden 
seien ;  2.  wenn  sie  gesagt,  die  päpstlichen  Ballen  verpflichteten  die 
g^nze  Kirche  nach  der  Annahme  durch  das  Corps  des  pasteurs,  so 
habe  sie  nicht  eine  feierliche  Acceptation  für  nöthig  erklären  wol* 
ien;  3.  sie  seien  tiberzeugt  gewesen,  dass  den  Bullen  gegen  Janse- 
nius keine  der  Bedingungen  fehle,  die  nöthig  seien,  damit  sie  die 
ganze  Kirche  verpflichteten;  4.  sie  hätten  der  Assemblee  nicht  das 
Recht  vindiciren  wollen,  die  dogmatischen  Urtheile  der  Päpste  zu 
prüfen  und  sich  als  Richter  derselben  und  als  ein  höheres  Tribunal 
zu  geriren.  —  Noailles  wurde  nun  willig  gemacht,  eine  in  diesem 
Sinne  gehaltene  Erklärung  nach  Rom  zu  schicken.  Das  Concept 
derselben  wurde  in  Rom  modificirt;  Noailles  unterzeichnete  dieselbe 
in  dieser  modificirten  Form  und  am  29.  Juni  1711  wurde  sie  nebst 
einem  Schreiben  des  Königs  dem  Papste  von  dem  Card,  de  Tre- 
moille  übergeben.  Der  Papst  antwortete  beiden  1 7.  Aug.  Daubenton 
schreibt  23.  Oct.  1711:  der  König  sei  mit  dem  an  ihn  gerichteten 
Breve  zufrieden  gewesen,  das  an  Noailles  gerichtete  habe  er  dem 
N'ancius  zurückgegeben  und  verlangt,  der  Papst  solle  daraus  alles 
mtfernen,  was  gegen  die  Usages  de  France  Verstösse^).  In  dem- 
selben Briefe  schreibt  Daubenton:  der  Papst  sei  so  ärgerlich  über 
Ien  letzten  Brief  des  Bischofs  von  St.  Pons,  dass  er  dessen  Schrif- 
sn  in  einer  scharfen  Bulle  verdammen  wolle:  aber  um  die  Cardi- 
läle,  die  dagegen  seien,  zum  Schweigen  zu  bringen,  wünsche  er, 
lass  der  König  nochmals  die  Bulle  verlange;  er  (Daubenton)  habe 
lieses  dem  P.  Le  Tellier  mitgetheilt.  Die  Bulle  ist  nicht  erschie- 
len;  aber  22.  Juni  1712  verbot  die  Inquisition  Arret  de  la  cour 
In  parlement  sur  deux  imprimes  en  forme  de  brefs  du  Pape  du  18. 
fanv.  1710,  Tun  concemant  le  mandement  et  autres  ecrits  de  M. 
'6v.  de  St.  Pons,  l'autre  le  Trait6  de  l'origine  de  la  regale  (von 
indoul),  obschon  Ludwig  XIV.  ein  von  dem  General  -  Advocaten 
Pleury  geschriebenes  Memoire  zur  Erläuterung  einer  beanstandeten 
Stelle  des  Arr^t  mit  einer  Art  von  Entschuldigungsschreiben  nach 
[lern  geschickt  hatte  (d^Aguesseau  13,  315). 

2.  In  Löwen  wurde  die  Bulle  Yineam  einfach  angenommen 
ind  die  Facultät  durch  ein  Breve  vom  12.  Febr.  1705  dafür  belobt 
Arg.  III  b  455).  Aber  ohne  Opposition  und  ohne  viele  Streit- 
ichriften  ging  die  Sache  auch  in  den  Niederlanden  nicht  ab^). 


1)  Corr.  de  Fen.3,  446.  d'Agucsseau  13,  31G.  Die  beiden  Fassungen 
ler  Erklärung  von  Noailles  stehen  bei  Arg.  III  b  458  (vgl.  Corr.  de  Fön. 
l,  372).  Das  p.  470  abgedruckte  Breve  an  Noailles  enthält  nichts  auf- 
allendes;  es  scheint  also  die  castrirte  Fassung  zu  sein. 

2)  Die  Facultät  beschloss  damals  auch,  jeder  zu  promovirende  Can- 
lidat  solle  das  Formular  Alexanders  VII.  conformiter  ad  BuUam  Vineam 
mterschreiben.  Da  sich  1710  zwei  Candidaten  darüber  bei  dem  Conseil 
le  Brabant  beschwerten,  sprachen  sich  Universität  und  Facultät  für  die 
Lufhebung  der  Forderung  aus,  und  das  Conseil  verordnete  die  Wieder- 
inführung  des  Formulars  von  1660   (S.  517).    Die  Regierung  suspendirte 


704  Gas  de  conscience  von  1702. 

Heinrich  Denys,  seit  1686  Professor  im  Seminar  zu  Lütticb^), 
hatte  schon  1694  dnrch  Thesen  Anstoss  erregt.  Der  Bischof  ver- 
bot sie  anfangs,  gab  sie  dann  aber,  wahrscheinlich  auf  Grnnd  von 
Erklärungen  Seitens  Denys\  frei.  Seine  Gegner  appellirten  nach  Rom, 
und  dort  wurden  1695  gleichzeitig  in  den  Index  gesetzt;  Henr. 
Denys  Epistola  ad  amplissimnm  Dominum  a.  1695,  und  Bespon- 
sio  ad  Epistolam  a  D.  Lic.  Denys  scriptam  ad  amplissimum  Do- 
minum, Col.  1695.  Auch  1699  wurden  wieder  Thesen  von  ihm 
denuncirt  und  mehrere  Streitschriften  darüber  veröffentlicht;  es  kam 
aber  nichts  davon  in  den  Index,  nicht  einmal  Quesnels  Justification 
de  la  doctrine  de  M.  H.  Denys,  1700,  150  S.  4.  —  Nach  der  Pub- 
lication  der  Bulle  Yineam  schrieb  Denys  1705  anonym  Epistola  de 
subscriptione  formularii  (gewöhnlich  als  Ep.Leodiensis  citirt),  worin 
er  ausführt,  dass  man  das  Formular  aus  Gehorsam  gegen  die  kirch- 
lichen Oberen  unterschreiben  könne,  wenn  man  sich  auch  bezüglich 
des  Factum  keine  Ueberzeugung  gebildet  habe.  Diese  Schrift  wurde 
von  beiden  Seiten  angegriffen,  einerseits  von  den  Jesuiten  in  einer 
D6nonciation  d'une  lettre  de  formula  subscribenda  au  grand-vicaire 
de  Li6ge  und  von  F^n^lon  in  einer  Lettre  k  un  Theologien  sur  une 
lettre  anonyme  de  Liege,  1706  (13,  449),  anderseits  von  de  Witte 
(s.  u.)  und  in  den  von  Quesnel  herausgegebenen  Divers  ecrits  tou- 
chant  la  signature  du  formulaire  par  rapport  a  la  derniöre  Consti- 
tution de  N.  S.  le  P.  Clement  XI.,  1708*,  8.  (Die  Sammlung  ent- 
hielt den  Brief  von  Denys,  14  S.,  und  Repliken  von  Quesnel  und 
de  Ligny  und  zwei  Schriften  von  Nicole.)  Denys  vertheidigte  sich 
in  der  Defensio  auctoritatis  Ecclesiae,  in  qua  asseritur  gravissimum 
poudus  constitutionum,  refellitur  novellum  quorundam  principium 
ipsi  injuriosum  ac  Epistola  Leod.  de  formulari  Alex,  vindicatur, 
1706.  Der  Streit  wurde  noch  einige  Zeit  fortgesetzt.  Denys  appel* 
lirte  schliesslich  nach  Rom,  retractirte  und  unterschrieb  1713  auch 
die  Bulle  Unigenitus,  f  1717.  Die  bis  jetzt  genannten  Schriften 
über  diesen  Streit  sind  nicht  in  den  Index  gekommen,  wohl  aber 
wurden  1701 — 8  von  der  Inq.  verb. :  Memoire  touchant  le  dessein 
qu'on  a  d'introduire  le  formulaire  du  P.  Alexandre  dans  Vigl.  des 
Pays-Bas,  1707,  von  der  Inq.  verb.  1707,  —  Justification  du 
silence  respectueux,  ou  reponse  aux  Instructions  pastorales  et  autre« 
toits  de  l'arch.  de  Cambray,  1707,  3  vol.  12.,  von  J.  Fouillou  (nach 


aber  die  Verordnung,  und  die  Facultät  beschloss  dann  bald  mit  4  gegen 
3  Stimmen  die  Wiedereinführung  des  Alexandrinischen  Formulars;  v.  äpen, 
Opp.  5,  323. 

1)  Ueber  Denys  s.  Biogr.  nat.  4,  603.  L.  de  Meyer  1,  86;  2,  876, 
388.  721.  V.  Espen  5,  H41.  Das  Lütticher  Seminar  wurde  damals  den 
Jesuiten  übergeben,  die  dasselbe  zu  einer  Universität  und  damit  Löwen 
Concurenz  machen  wollten.  Auch  von  den  Streitschriften  über  diese  Mass- 
regel,  mit  der  die  Angriffe  auf  Denys  zusammenhangen,  steht  keine  im  Index. 
L'6tat  present  (S.  bH3)  p.  202.  Vie  de  v.  Espen  p.  124.  Morery,  Suppl. 
8.  v.  Naveus.  Backer  s.  v.  L.  Sabran.  —  Ueber  den  Streit  im  J.  1706  «. 
F^nelon,  Oeuvres  10,  LXXV.  Idee  de  M.  de  Witte  p.  146. 


H.  Denyg.  Aeg.  de  Witte.  706 

Dict.  Jans.  2,  369  sind  eh.  40  und  41  von  Petitpied) ;  Fenelon  schrieb 
gegen  das  Buch  eine  eigene  Instruction  pastorale  vom  1.  Juli  1708 
(14,  1 — 339);  —  De  quaestione  facti  Jansenii  variae  quaestiones 
juris  et  responsa,  1708,  nach  Dict.  Jans.  3,  337  von  dem  Löwener 
Rector  Parmentier  3.  Apr.  1708  bei  Strafe  der  Excomm.  verb.; 
gegen  die  Schrift  erschienen  Defensio  veritatis  cath.  und  Dialogi 
pacifici,  für  dieselbe  Assertio  opusculi  De  quaestione  etc.,  1708,  152 
S.  12  (Dict.  Jans.  1,  114).  —  Responsio  pro  eruditissimo  viro 
Epistolae  Leodiensis  confutatore  ad  periliustrem  ejusdem  epist.  au- 
thorem,  defensorem  ac  vindicem,  1710,  wurde  erst  1714  von  der 
Inq.  verb.,  und  erst  1722:  Obedientiae  credulae  vana  religio,  sive 
Silentium  religiosum  in  causa  Jansenii  explicatum  .  .  .  adv.  Theo- 
logum  Leodiensem  aliosque  obedientiae  credulae  defensores,  in  duas 
partes  divisus,  s.  1.  1708*,  2  vol.  12,  von  Nie.  Petitpied.  —  Viel- 
leicht gehört  zu  dieser  Gruppe  von  Schriften  auch  Considera- 
tiones  circa  exactionem  formulae  Alexandrinae  variasque  de  hoc 
argumento  difficultates  ac  pugnantes  inter  se  opiniones,  Delphis 
1711,  von  der  Inq.  verb.   1712. 

Eine  ganz  andere  Stellung  als  Denys  nahm  Gilles  (Aegidius) 
de  Witte  ein.  Er  vertheidigte  Jansenius  unbedingt,  erkannte  keine 
der  gegen  ihn  erlassenen  Bullen  an,  polemisirte  gegen  die  Paix  de 
Clement  IX.  und  erklärte  die  Unterzeichnung  des  Formulars  für 
unbedingt  unzulässig.  Er  stand  mit  dieser  Ansicht  so  gut  wie  allein. 
Ganz  entschieden  vertheidigt  sie  der  Verfasser  der  Id^e  de  la  vie 
et  des  ecrits  de  M.  Gilles  de  Witte,  Rom  (Utrecht)  1756*  Pierre 
Le  Clerc^),  der  vorher  schon  die  Schrift  ßenversement  de  la  reli- 
gion  et  deSi  loix  div.  et  hum.  par  toutes  les  bulles  et  brefs  donnes 
.  .  .  contre  Baius,  Jans.  .  .,  1755,  herausgegeben  (beide  Schriften 
nicht  im  Index). 

Witte,  geb.  1648  zu  Gent,  wurde  1684  Pfarrer  und  Decan  in 
Mecheln,  gerieth,  als  Precipiano  1690  Erzbischof  geworden,  mit 
diesem  bald  in  Conflicte,  —  u.  a.  weigerte  er  sich,  dessen  Ordon- 
nanz gegen  das  Bibellesen  zu  publiciren,  —  legte  im  März  1691 
seine  Stelle  nieder,  lebte  IY2  Jahre  in  Gent,  dann  in  Holland,  meist 
in  Utrecht,  wo  er  1721  starb.  Er  hat  etwa  140  Schriften  verfasst 
und,  da  er  reich  war,  auf  seine  Kosten  drucken  lassen.  Sie  sind 
freilich  meist  geringen  Umfangs,  zum  Theil  nur  einige  Quartblätter 
stark.  Sie  sind  theils  holländisch,  theils  französisch,  theils  latei- 
nisch geschrieben,  fast  alle  polemischen  Inhalts,  nur  wenige  unter 
dem  Namen  de  Witte,  einige  unter  dem  latinisirten  Namen  Aegidius 
Candidus  oder  Albanus,  manche  unter  allerlei  angenommenen  Namen.  — 
Schon  als  Student  schrieb  er  eine  Vertheidigung  des  für  ihn  ver- 
fassten '  Schriftchens  von  van  Buscum.  1685  gab  er  durch  einige 
bittere  Aeusserungen  über  Rom  bei  einer  Leichenmahlzeit  Anlass 
zu  einer    ganzen   Reihe    von  Streitschriften   und   zu    Verhandlungen 


1)  Le  Clerc  wurde    von    der  Synode    von  Utrecht    1763   ceusurirt. 
Walch,  N.  Kel.-Gesch.  6,  487.  —  üeber  de  Witte  s.  auch  Biogr.  nat.  6,  4. 
ßeuscb,  Iudex.  45 


706  Gas  de  conscience  von  1702. 

bei  der  Löwener  theol.  Facultät  und  bei  dem  Mecbelner  Officialat; 
auch  Amauld  griff  mit  einigen  Schriften  in  diese  Controverse  ein; 
es  ist  aber  nichts  davon  in  den  Index  gekommen^).  —  Im  J.  1686 
gab  der  Carmeliter  Marcus  a  S.  Francisco  ein  flämisches  Schrift- 
chen heraus  unter  dem  Titel  Goude  mijne  (von  einem  andern  Car- 
meliter ins  Französische  übersetzt:  La  mine  d*or  de  ia  fr^quente 
communion),  worin  er  empfahl,  öfter,  ein-  bis  dreimal  wöchentlich 
zu  communiciren,  und  meinte,  auch  Rückfällige  seien  von  der  Com* 
munion  nicht  auszuschliessen,  da  der  Rückfall  in  die  Sünde  nicht 
beweise,  dass  man  keine  Reue  habe,  und  der  Lossprechung  nicht 
unwürdig  mache  (Am.  3,  56).  Auf  Ersuchen  der  Mecbelner  Pfarrer 
schrieb  W.  anonym  eine  Wideriegung  des  „seelenverderblichen  Bu- 
ches" unter  dem  Titel  „Die  Goldgrube  untergraben  und  in  die  Lufk 
gesprengt",  —  Goude  mijne  ondergraven  ende  in  de  locht  ge- 
sprongen,  oft  wederlegghinge  der  ziel-verderfelycken  boeck  van  P. 
Marcus  van  den  H.  Franciscus,  Religieus  Carmeliet  Discalz.,  Löwen 
1688,  —  da  der  Carmeliter  sich  vertheidigte,  einen  2.  Theil:  Goude 
mijne  .  .  .  tweede  deel,  behelsende  de  wederlegghinge  van  de  voor- 
der  argumenten  van  P.  Marcus,  Loewen  1688,  und  da  der  Carme- 
liter der  Universität  Löwen  eine  Klage  gegen  den  Drucker  der 
Schriften  von  W.  einreichte,  Refutatio  libelli  supplicis  R.  P.  Marci 
a  S.  Francisco,  Carm.  discalc.  indigni  [so  hatte  sich  P.  Marcus  selbst 
bezeichnet],  auctore  Aegidio  Albano,  Pastore  et  Decano  .  .  .  Mech- 
lin.,  Lov.  1688,  6  S.  4.  Arnauld  meinte,  das  Buch  des  Carmeliters 
müsse  von  der  Inq.  verdammt  werden;  aber  nicht  dieses,  sondern 
die  drei  Schriften  von  W.  wurden  1689  von  der  Inq.  verb.  (die  zwei 
ersten  sind  die  einzigen  der  vielen  holländischen  Schriften  von  W., 
die  in  dem  Index  stehen).  Eine  vierte  Schrift,  worin  W.  unter 
Berufung  auf  die  kirchliche  Immunität  seine  Weigerung  begründete, 
vor  dem  Grand  Conseil  de  Malines  zu  erscheinen,  vor  das  der  Car- 
meliter die  Sache  gebracht  hatte,  kam  doch  nicht  in  den  Index. 

Nachdem  die  Unterzeichnung  des  Formulars  Alexanders  VII. 
in  Löwen  eingeführt  worden,  veröffentlichte  W.:  Panegyris  Janse- 
niana,  seu  testimonia  eruditorum  virorum  celebrantia  librum,  cui 
titulus:  Com.  Jansenii  Ep.  Ipr.  Augustinus,  addito  prologo  galeato 
hodiemis  controversiis  non  parum  illustrandis  accommodo,  per  Pau- 
lum  Aurelium  Theologum  Timaleten.  Tempus  loquendi.  Eccl.  3, 7. 
Gratianopoli  (Delft)  1698,  210  S.  4.,  eine  seiner  wenigen  umfang- 
reicheren Schriften.  Sie  wurde  sofort  8.  Apr.  1698  von  der  Inq. 
verb.  Es  folgten:  Apologia  Panegyreos  Jans,  ad  Theologum  Lovan., 
ubi  Janseniani  facti  assertionem  formulario  ineluctabiliter  contineri 
ostenditur,  ejusdem  formularii  exactores  subscriptoresque  non  unius 
criminis  peraguntur  rei  ac  lugubres  has  controversias  tandem  ali- 
quando   finiendi  necessitas  denuo   et  via  panditur,    Gratianop.  1699, 


1)  Idee  p.  9.  Dict.  Jans.  1,  346.  Arnauld  10,  LXI;  11,  307.  Valery 
1,  199.  C.  Qu.  p.  23.  90.  In  dem  Index  von  Precipiano  von  1695  stehen 
ö  hierauf  bezügliche  Schriften  von  iE.  D.  W. 


Aeg.  de  Witte.  707 

36  S.  4.  (aDonym),  —  Apologia  Becnnda  Panegyreos  Jans,  configens 
Jansenismi  historiam  brevem  corrasam  a  L.  C.  Deckero,  S.  T.  L., 
Eccl.  metrop.  Mechlin.  Ganonico,  Gratianop,  1700,  31  S.  4.,  —  Apo- 
logia tertia  Panegyreos  Jans,  enervans  Defensionem  brevis  bist. 
Jans,  conflatam  a  L.  C.  Deokero  .  .  .,  Gratianop.  1701,  40  S.  4, 
die  beiden  letzten  gegen  die  Schriften  von  Leodegar  (Leger)  Carl 
de  Decker:  Jansenismi  bist,  brevis  cum  adjecta  solutione  plarinm 
difficultatum  in  nova  Panegyri  Jans,  aliisque  bnjasmodi  scriptis, 
1700,  158  S.  12.,  undDefensio  brevis  historiae  Jans.',  1700,  64  S.  12. 
(Paquot  2,  600).  Sonderbarer  Weise  wurde  die  2.  Apologia  von 
der  Inq.  1701,  die  1.  und  3.  erst  1707  verb.,  und  noch  sonderbarer 
ist,  dass,  während  früher,  noch  1819,  im  Index  alle  drei  ganz  rich- 
tig unter  Apologia  standen,  jetzt  die  2.  und  3.  unter  Deckero  stehen. 

Im  J.  1706  schrieb  W.  gegen  die  Bulle  Vineara:  Aviti  Aca- 
demici  Paraenesis  ad  alumnos  almae  Universitatis  Lovan.,  e  qua 
liquet,  quid  deferendum  sit  Constitution!  Clementinae  nuperae,  quae 
Yineam  Domini  Sabaoth  de  exordio  dicitur.  Timebo  hominem  ut 
taceam  veritatem?  20  S.  4.  Er  vertheidigte  diese  Schrift  gegen 
H.  Denys:  Paraenesis  vindicata,  56  S.  4.  (Auszug  aus  beiden  Idee 
p.  142).  Nur  die  erstere,  kleinere  Schrift  wurde  1707  von  der 
Inq.  verb.  Im  J.  1709  folgte  eine  kleine,  aber,  wie  schon  der  Titel 
zeigt,  sehr  scharfe  anonyme  Schrift:  Denuntiatio  solemnis  bullae 
Clementinae  quae  incipit  Yineam  Domini  Sabaoth,  facta  universae 
ecclesiae  ac  praesertim  omnibus  hierarchis  ejus  tanquam  evertentis 
doctrinam  gratiae,  qua  Christian!  sumus,  tanquam  resuscitantis  Pe- 
lagium  cum  suis  asseclis,  tanquam  objicientis  Ecclesiam  extraneorum 
scandalo  ....  2.  Junii  1709,  11  S.  4.  Das  Schriftchen  wurde  1712 
von  der  Inq.  verb.  Von  einigen  anderen  Schriften  von  W.  wird 
§  68  die  Hede  sein.  Es  ist  auffallend,  dass  nicht  wenigstens  noch 
zwei  der  umfangreicheren  verboten  wurden:  Nouvelle  apolögie  de 
la  sainte  doctrine  de  Jans6nius,  1707,  52  8.  4.  (abgedr.  hinter  der 
Idee),  und  namentlich  Augustinus  Iprensis  vindioatus  atque  a  dam- 
natione  R.  P.  Urbani  VIII.,  Inn.  X.,  Alex.  VII.  et  Clementis  XI. 
ereptus  et  erutus  .  .  .  per  Aeg.  Albanum,  nuper  in  civ.  Mechlin. 
Decanum,  1711,  478  S.  4.  Es  wäre  weniger  auffallend,  wenn  man 
von  Witte  omnia  opera  verboten  hätte. 

Eine  französische  üebersetzung  der  Denuntiatio  mit  Bemerkungen 
hat  Fenelon  den  Lettres  de  Mgr.  Tarchev.  de  Cambray  au  P. 
Quesnel,  1711  (Oeuvres  13,  265),  beigefügt,  von  denen  die  erste 
speciell  über  die  Denuntiatio  handelt.  Quesnel  sagt  in  seiner  Re- 
ponse  aux  deux  lettres  de  Mgr.  Tarch.  .  .  .,  1711*:  er  habe  gar 
keinen  Antheil  an  der  Abfassung  und  Verbreitung  der  Denuntiatio; 
dieses  6crit  temeraire  et  insupportable  werde  von  allen  Theologen, 
mit  denen  er  in  Verbindung  stehe,  missbilligt.  Witte  antwortete 
in  Augustini  Iprensis  vindicati  vindiciae  uberiores  s.  Epistolae  D. 
Fenelonii  ...  ad  P.  Quesnellium  et  Responsionis  ab  hoc  ad  D.  Fe- 
nelonium  datae,  qua  parte  Denuntiationem  Bullae  Clementinae  in- 
vadunt,  excussio  et  depulsio,  per  Aeg.  Albanum  Presb.,  1711. 
Quesnel  wiederholt  in  der  Reponse  ä  M.  de  Witte  sur   son  dernier 


70ß  Gas  de  conscience  von  1702. 

6crit,  oÜL  il  pretend  justifier  sa  Denonc.  de  la  balle  de  Clement  XL, 
.  .  .  1711:  die  Denuntiatio  werde  von  allen  verständigen  Geistlichen 
als  scandalös  angesehen,  der  selige  Erzhischof  von  Sebaste  sei  dar- 
über sehr  indignirt  gewesen.  Du  Vaucel  schrieb  schon  1701  an 
Quesnel:  die  Löwener  müssten  Witte  und  Gerberon  desavouiren,  und 
zwar  nicht  bloss  ihr  Auftreten,  sondern  auch  ihre  Ansichten;  man 
müsse  sie  extra  synagogam  facere;  sie  richteten  mit  ihren  Masslosig- 
keiten  un  mal  infini  an  (L.  de  Meyer  p.  XVI).  Wittens  Nouvelle 
Apologie  wurde  auch  von  seinem  Freunde,  dem  holländischen  Priester 
Andreas  van  der  Schuer  (Schurius,  f  1719)  bekämpft:  Irenicon  s. 
Epistola  pacifica  Philireni  presbyteri,  1708,  worauf  de  Witte  mit 
Polemicum  s.  bellica  expostuiatio  catholici  Philalethis  adv.  Irenicum 
.  .  16  S.  4.,  antwortete  (beide  der  Idee  beigebunden).  Von  diesem 
wurden  Andreae  Schurii  Gorcomiensis  Presbyteri  S.  T.  P.  Episto- 
larum  1.  I.,  II.  et  III.,  Utrecht  1694—97*,  3  vol.  8.,  1702  verb. 
Die  allermeisten  dieser  Briefe,  —  Schurius  und  Witte  galten  als 
elegante  Lateiner,  —  sind  ganz  harmlosen  Inhalts.  Eine  andere 
Briefsammlung  von  ihm:  A.  S.  Philireni  Epistolarum  Centuria  L, 
cum  farragine  epistolarum  Andreae  Alciati  aliorumque  ad  Viglium 
Zuichenum,  Delphis  1702*,  und  A.  Schurii  Anthologia,  P.  1.  et  2., 
Utrecht  1700*  (Briefe  und  Excerpte  aus  Kirchenvätern),  stehen  nicht 
im  Index. 

Ein  Enfant  terrible  der  antiJansen  istischen  Partei  war  Adrian 
van  Wijck,  geb.  zu  Roterdam  1641,  wie  er  selbst  hervorhebt  im 
Jahre  der  Verdammung  des  Jansenius,  nach  Vollendung  seiner 
Studien  1665  von  Neercassel  zum  Priester  geweiht  und  zum  Pfarrer 
zu  Ketel  bei  Delft  ernannt.  Nach  Neercassels  Tode  1686  wurde  er 
(von  den  Jesuiten)  Innocenz  XI.  als  dessen  Nachfolger  in  Vorschlag 
gebracht;  er  klagt,  der  spätere  Erzbischof  Codde  habe  ihn  damals 
als  Faex  missionis,  als  Zänker,  unruhigen  Kopf  u.  s.  w.  bezeichnet 
—  1689  schrieb  er  Den  catholycken  Theologand  ofte  een  theologische 
verhandelinghe  aengaende  de  goddelycke  gratie  volgens  de  wys  op 
welcke  van  dien  Stoffe  .  .  .  Rot.  1689.  Schurius,  welcher  darin 
besonders  angegriffen  wurde,  denuncirte  das  Buch  in  Rom  (Epist. 
2, 182).  Auch  Arnauld  (3,  228)  schickte  Thesen  daraus  an  du  Vau- 
cel, —  er  bezeichnet  den  Verfasser  als  Semipelagianer,  —  und  sprach 
die  Hoffnung  aus,  die  Cabale  der  Jesuiten  werde  die  Verdammung 
des  Buches  nicht  hindern.  Es  wurde  wirklich  1690  von  der  Inq.  verb., 
einige  Monate  später  auch  Den  toet-steen  [Prüfstein]  van  het  boekjen: 
Rechtmaetigh  onderscheyd  .  .  .  Rot.  1690  (über  die  Distinction  ab- 
regne, S.  472).  1692  veröffentlichte  er  Vriendelycken  zentbrief  aen  alle 
de  soogenaemde  Jansenisten,  worin  auch  die  Lehren  der  Thomisten 
von  der  gratuita  praedestinatio  und  gratia  per  se  efficax  als  schreck- 
liche Lehren  bekämpft  werden  (Arn.  3,  737).  Der  Commissarius  8. 
Off.,  Thomas  Maria  Bosius,  und  der  Qualificator  Phil.  a.  S.  Nicoiao 
(Carmeliter)  erklärten:  das  Sendschreiben  sei  eine  offenbare  üeber- 
tretung  der  päpstlichen  Decrete,  weil  darin  die  Sententia  communis 
der  Väter  und  Theologie  von  der  gratuita  praed.  etc.  verketzert 
werde;    es  sei  darum  und  wegen  seines  verwegenen   und  injuriösen 


Adrian  van  Wijck.  709 

Tones  geeignet,  die  Eintracht  und  den  Frieden  anter  den  in  ketze- 
rischen Gregenden  lebenden  katholischen  Missionaren  zu  stören,  und 
es  sei  als  Epistola  seditiosa  et  scandalosa  zu  verbieten  (Serry  p.  82). 
Die  Inq.  verbot  dasselbe  1.  Juli  1693,  gleichzeitig:  Den  oprechten 
Catholyck  thoonende  [beweisend],  dat  Godt  aen  alle  menschen,  niemant 
uytgenomnien,  een  genoeghsame  genade  geeft,  om  te  kunnen  saligh 
werden,  Rot.  1668  (mit  dem  Zusätze  tractans  etiam  in  particulari 
de  infidelibus  paganis  et  parvulis  non  baptizatis),  und  Kort  en  ge- 
trouw  verhael  van  't  gene  onlangs  is  voorgefallen  tusschen  den  H. 
Lambertns  van  Rhijn,  Pastor  tot  Punachker,  en  my  ondersohrieven 
Adriaan  van  Wijck  (als  Folium  bezeichnet).  Der  Internuncius  zu 
Brüssel  wurde  von  der  Inq.  beauftragt,  Wijck  das  Decret  mitzu- 
theilen  und  ihn  zur  Unterwerfung  aufzufordern.  Wijck  aber,  — 
Arn.  3,  737  sagt,  er  habe  gewusst,  dass  der  Internuncius  und  die 
Jesuiten  für  ihn  seien,  —  weigerte  sich  und  veröffentlichte:  Adr. 
van  Wijck,  saecularis  presbyteri  et  in  HoUandia  missionarii,  suppli- 
catio  ad  Emin.  et  Rev.  S.  R.  E.  Cardinales  et  Inquisitores  supremos, 
ut  non  cogatur  subscribere  judicio  Patris  Commissarii  et  alterius 
Qualificatoris.  Diese  Schrift  wurde  natürlich  sofort  19.  Mai  1694 
verb.  und  Wijck  nochmals  zur  Unterwerfung  aufgefordert.  Er  ver- 
öffentlichte nun  Eenvoudigh  verhael  van  'tgene  voorgevallen  is  wegens 
seker  geschrift:  Vriendelycken  zentbrief  .  .  .,  und  anonym :  Naeder 
dekreet  van  de  Roomse  vierschaer  [Decretum  nuperum  tribunalis 
Rom.]  genaemd  Inquisicie  by  het  welke  onder  anderen  verdoemt 
's  Word  het  smeekschrift  [Bittschrift]  van  Heer  Adriaen  van  Wijck, 
Pastoor  in  de  Kethel,  door  den  voorz.  beer  an  de  Cardinalen  van 
Rom,  dat  zijne  ses  voorige  geschriften  veroordeelt  en  verbannen 
waeren,  beide  1694,  verb.  7.  Sept.  1695.  —  Andere  Schriften  von 
ihm  sind  nicht  verboten  worden.  In  der  erst  in  neuester  Zeit  ver- 
öffentlichten Responsio  bipartita  sagt  er:  sieben  Schriften  von  ihm 
seien  in  Rom  lediglich  [!]  darum  verboten  worden,  weil  er  darin  ohne 
Erlaubniss  des  h.  Stuhles,  und  zwar  in  der  Yolksprache,  de  auxiliis 
gratiae  geschrieben;  seine  Libelli  seien  aber  encomiastico  censorum 
ordinariorum  calculo  muniti  erschienen;  er  spricht  dann  ausführlich 
über  einzelne  angebliche  Irrthümer  in  denselben^). 

3.    Pierre- Jean- Franyois  Persin  de  Montgaillard ,    geb.  1633, 
seit  1664  Bischof   von   St.  Pens  2),    von    dem  d'Aguesseau  13,  291 


1)  Responsio  bipartita  Adriani  Wyckii  ad  ea,  quae  in  recenti  Apo- 
logia  quorundam  (es  ist  die  1702  erschienene  Apologia  von  Jo.  Palaeopi- 
stus,  d.  i.  G.  de  Witte  p^emcint)  de  clero  nostro  tum  de  persona  illius  tum 
de  doctrina  continentur,  im  Archief  voor  de  gesch.  van  het  AB.  Utrecht, 
9  (1881),  321-3Ü8.  Vgl.  van  der  Aa  s.  v.  Paquot  8,  644.  Bellegarde 
p.  200.  231.  250.  Hist.  Zts.  1675,  259.  262.  —  De  Witte  schrieb  Duyts 
antwoord  op  sektTen  latynsen  brief  van  Adriaan  van  Wyck,  Pastor  in  Ketel, 
1705  (Idee  de  Witte  p.  126),  der  Dominicaner  Norbert  d'Elbecque  Dis- 
solutio  schematis  Wyckiani  bipartiti  de  praedestinatione,  1708  (Qu6tif  2, 
788.  Serry  p.  660.  L.  de  Meyer  p.  XV.  XXVI). 

2)  Sein  Vater  war  wegen  Ucbergabe  einer  Festung  im  Mail&ndischen 


710  Gas  de  conscience  von  1702. 

sagt,  er  sei  einer  der  heiligsten  Bischöfe  der  letzten  Zeit  gewesen 
und  werde  mit  Unrecht  als  Jansenist  bezeichnet,  wurde  in  Rom  zu- 
erst denuncirt  wegen  einer  Instruction  contre  le  schisme  des  pr^ten- 
dus  r^formez,  dann  wegen  des  1681  von  ihm  in  seiner  Diöcese  ein- 
geführten Breviers,  darauf  wegen  eines  Streites  mit  den  RecoUecten 
in  seiner  Diöcese.  —  In  einem  ausführlichen  Briefe,  den  er  an  Cle- 
mens XI.  richtete,  als  durch  ein  Decret  der  Inquisition  vom  27.  Apr. 
1701  8  Schriften  von  ihm  verboten  worden  (U.  N.  1705,  96),  sagt 
er,  Innocenz  XI.  habe  seine  Gegner  mit  den  beiden  ersten  Denun- 
ciationen  abgewiesen.  Der  Instruction  war  zum  Vorwurf  gemacht 
worden,  dass  er,  um  die  Protestanten  zu  gewinnen,  einige  Unter- 
scheidungslehren abgeschwächt  und  u.  a.  das  Lesen  von  französischen 
Bibelübersetzungen  für  erlaubt  erklärt  habe.  Der  Bischof  versichert, 
Card.  Grimaldi  und  mehrere  französische  Bischöfe  hätten  das  Buch 
gelobt  und  es  habe  die  Bekehrung  mancher  Protestanten  bewirkt. 
Es  wurde  1701  nur  mit  d.  c.  verboten.  —  Was  das  Brevier  betrifft, 
so  war  in  der  Diöcese  St.  Pons  früher  das  Brevier  von  Narbonne 
(in  der  Kathedrale  das  Benedictiner-Brevier)  gebraucht,  1657  von 
Persins  Vorgänger  das  Römische  empfohlen  worden.  Persin  führte 
dieses  mit  einigen  Modificationen  ein:  er  fügte  eine  Anzahl  von 
Diöcesan-Officien  bei  und  Hess  eine  Anzahl  von  Römischen  weg, 
u.  a.  S.  Mariae  ad  Nives,  Nominis  Mariae,  auch  einige  Ordensheilige, 
Antonius  von  Padua,  Ignatius  Loyola,  Raimundus  Nonnatus,  auch 
Stigmata  S.  Francisci.  Der  Archidiakon  F.-G.  de  The  s an  du  Puyol 
reichte  im  Namen  des  Domcapitels  und  einiger  anderen  Geistlichen 
eine  Beschwerde  darüber  bei  Innocenz  XI.  ein.  Der  Bischof  ver 
theidigte  sich  in  einer  Schrift  Du  droit  et  du  pouvoir  des  eveques 
de  regier  les  offices  divins  dans  leurs  dioc^ses,  suivant  la  tradition 
de  tous  les  siecles  depuis  J.-Chr.  jusqu^ä  präsent,  1686,  dem  ein 
Recueil  des  factums  et  autres  pi^ces  qui  ont  servi  k  la  defense  da 
calendrier  du  dioc.  de  St.  Pons  beigefügt  ist  (die  drei  Factums  waren 
im  Parlament  von  Toulouse  vertheilt  worden,  bei  welchem  der  Archi- 
diakon einen  Appel  comme  d^abus  eingelegt  hatte).  Diese  zwei 
Schriften,  aber  auch  die  Klageschrift  von  Thesan  wurden  1701 
sammt  dem  von  dem  Bischof  eingeführten  Proprium  Sanctorum  und 
den  Directoria  et  Calendaria  für  1681  verb.  *).  —  Der  Streit  mit 
den  Recollecten  begann  schon  1671  mit  einer  Schrift  La  veritable 
devotion  k  la  M^re   de   Dieu  e tabue    sur   les   principes   du  christia- 


1640  enthauptet  worden.     Später  wurde  sein  Andenken  retablirt  und  zam 
Tröste  der  Familie  1664  der  zweite  Sohn  zum  Bischof  ernannt. 

1)  Von  der  Instruction  wird  in  dem  Briefe  in  den  ü.  N.  1705  aus- 
führlich gehandelt,  von  dem  Brevier  in  einer  Schrift  ohne  Titelblatt  40  S.  4., 
welche  den  (lateinischen)  Texte  de  la  lettre  de  TArchidiacre  de  St.  Pons 
ä  Innocent  XL  und  (französische)  Notes  de  V  eveque  de  St.  Pons  enthält 
Es  ergibt  sich  daraus,  dass  der  Bischof  auch  die  2.  Nocturn  etwas  ex- 
purgirt,  u.  a.  die  Legenden  von  den  Päpsten  Marcellious  und  Silvester 
in  ganz  ähnlicher  Weise  geändert  hatte,  wie  neuestens  Leo  XIII.  (A.  J. 
P.  23,  882.  494).  Vgl.  (Freschot),  L'etat  du  siege  de  Rome  2,  176. 


Persin  de  Montgaillard,    Bischof  von  St.  Pens.  711 

nisme,  par  le  P.  Cherubin  de  S.  Maria  Kuppe  Recollet.  Es  scheint 
sich  anfangs  um  eine  Polemik  über  Marienverehrung  (S.  240)  und 
andere  doctrinelle  Punkte,  auch  um  das  Bibellesen  gehandelt  zu 
haben ;  später,  1694,  trat  der  Streit  über  die  Stellung  der  Orden 
zum  Bischof  in  den  Vordergrund,  da  die  Recollecten  unter  Berufung 
auf  ihre  Exemtion  gegen  eine  bischöfliche  Visitation  protestirten. 
Beide  Theile  wandten  sich  an  den  Papst  und  der  Bischof  schickte 
seinen  Nefl'en  als  seinen  Vertreter  nach  Rom.  Innocenz  XII.  beauf- 
tragte 1698  einige  Theologen  mit  der  Prüfung  der  Sache  ^).  Diese 
wurde  aber  bald  der  Inquisition  übergeben  und  am  27.  April  1701 
erliess  diese  ein  Beeret,  worin  8  Schriften  des  Bischofs,  ausser  den 
schon  erwähnten  4  auf  den  Streit  mit  den  Mönchen  bezügliche,  ferner 
die  Schriften  von  Thesan  und  von  Rupp^  (mit  d.  c.)  und  noch  8 
andere  verb.  wurden,  die  im  Index  unter  Examen,  Lettre  (3),  Picot, 
Reflexions  (2),  Requete  stehen,  also  zusammen  18  Schriften,  zu  deren 
Leetüre  sich  wohl  jetzt  kaum  noch  jemand  versucht  fühlen  wird. 
In  dem  Decrete  werden  schliesslich  auch  noch  alle  änderen  Libelli, 
epistolae,  folia  et  alia  quaecunque  hioc  inde  edita  occasione  contro- 
versiae  inter  praedictum  Episcopum  et  Patres  Recollectos  verboten, 
woraus  doch  Ben.  kein  Decretum  generale  gemacht  hat. 

Auf  den  Rath  Renaudots  wendete  sich  der  Bischof  nochmals  an 
den  Papst  mit  dem  schon  erwähnten  Briefe  vom  J.  1705.  Er  erinnert 
darin  daran,  dass  ihm  Innocenz  XII.  versprochen,  er  wolle  die  Sache 
durch  eine  ausserordentliche  Congregation  untersuchen  lassen  und 
dann  selbst  entscheiden,  und  dass  auch  Clemens  XI.  seinem  Vertreter 
eine  Entscheidung  des  h.  Stuhles  in  Aussicht  gestellt  habe ;  und  nun 
sei  ein  Inquisitionsdecret  gekommen,  welches  er  nach  dem  Vorgange 
der  Sorbonne,  der  Parlamente  und  vieler  Bischöfe  einfach  ignoriren 
könnte,  welches  eine  Beleidigung  des  Episkopates  sei,  da  es  mit 
demselben  Stocke  den  Hirten  und  die  Schafe  schlage  u.  s.  w.;  der 
Papst  möge  die  Sache  nochmals  untersuchen  lassen,  das  Beeret  cas- 
siren  und  selbst  entscheiden,  damit  man  ihm  nicht  höhnend  vorhalte, 
er  hätte  voraus  wissen  können,  cunct«  Romae  teuere  monachos  contra 
invisos  ibi  episcopos,  maxime  gallicos;  arripi  occasiones  eos  in  or- 
dinem  redigendi  altosque  eorum  spiritus  frangendi;  si  quid  scrip- 
serint  ab  italicis  moribus  nonnihil  remotum,  a  nudius  tertius  in- 
ductis  consuetudinibus  dissonum,  a  recentioribus  quorundam  religio- 
sorum  opinionibus  alienum,  id  mille  quaesitis  coloribus,  imo  nuUo 
quaesito  colore  damnari.     Nachdem  das  S.  701  erwähnte  Breve  von 

1710  erschienen  war,    schrieb   der  alte  Bischof  einen   vom  2.  März 

1711  datirten  Brief  an  den  Papst,  den  er  offen  dem  Vicelegaten  von 


1)  In  dem  Briefwechsel  Bossuets  mit  seinem  Neffen  werden  die  Ver- 
handlungen in  Rom  wiederholt  erwähnt;  Oeuvres  41,  74.  180.  268.  289. 
Im  J.  1700  schreibt  Bossuet  (38,  103)  an  den  Bischof  de  la  Broue  von 
Mirepoix,  der  den  Streit  mit  den  Recollecten  beizulegen  versucht  hatte 
(40,  262.  392):  der  Bischof  von  St.  Pons  werde  der  Kirche  einen  grossen 
Dienst  leisten,  wenn  es  ihm  gelinge,  de  rendre  Rome  traitable  bezüglich 
der  Bibelübersetzungen  und  des  Bibel lesens. 


712  Die  ütrechter  Kirche. 

0 

Avignon  zusandte  und  den  dieser  an  den  Cardinal-Staatssecretär 
Paolucci  schickte.  Er  sagt  darin:  der  Papst  sei  über  sein  Mande- 
ment  nicht  gut  unterrichtet;  er  möge  dasselbe  prüfen  lassen,  dann 
werde  er  wohl  die  Censur  zurücknehmen  (Corr.  de  F6n.  3,  401). 
Vierzehn  Tage  vor  seinem  Tode  (13.  März  1713)  soll  er  nochmals 
an  Clemens  XL  geschrieben  und  sich  unterworfen  haben. 


68.     Die  ütrechter  Kirche. 

Der  Gegensatz  zwischen  den  zwei  Richtungen,  die  man 
kurz  al8  die  Jansenistische  und  die  jesuitische  bezeichnen  kann, 
bestand  auch  in  Holland.  Hier  kam  aber  noch,  wie  auch  anderswo, 
der  Gegensatz  zwischen  Weltgeistlichen  und  Ordensgeistlichen 
hinzu  und  ausserdem,  wie  in  England,  der  Streit  über  die  Frage, 
ob  die  Katholiken  in  protestantischen  Ländern  Bischöfen  oder 
apostolischen  Vicaren  zu  unterstellen  seien.  Diese  Frage  ge- 
staltete sieh  in  Holland  anders  als  in  England:  während  hier 
thatsächlich  Jahrhunderte  lang  apostolische  Vieare  fungirten 
und  von  einem  grossen  Theile  der  Katholiken  die  Errichtung 
von  Bisthtimern  nur  angestrebt  wurde,  war  in  Holland  die  Hie- 
rarchie nicht  ganz  zerstört  worden.  Es  blieben  Capitel  bestehen, 
welche  Erzbischöfe  von  Utrecht  wählten,  die  zugleich  als  Ober- 
hirten der  Katholiken  in  den  fünf,  seit  der  Reformation  nicht 
mehr  besetzten  Suffraganbisthümem  fungirten.  Von  der  einen 
Seite  wurde  nun  behauptet,  jene  Erzbischöfe  seien  wirkliche 
Ordinarien,  wenn  sie  auch  nicht  den  Titel  Erzbischöfe  von 
Utrecht  führten,  sondern  nach  einem  Erzbisthum  oder  Bisthum 
in  partibus  benannt  würden,  auf  der  andern,  Holland  sei  seit 
der  Reformation  ein  blosses  Missionsland  und  der  Erzbischof 
ein  blosser  apostolischer  Vicar.  —  Diese  Gegensätze  führten 
zu  einem  förmlichen  Bruche,  als  Clemens  XI.  im  J.  1702  den 
Erzbischof  Peter  Codde  absetzte  und  Theodor  de  Cock  zum 
apostolischen  Vicar  ernannte  und,  da  diesem  von  der  Regierung 
der  Aufenthalt  in  Holland  nicht  gestattet  wurde,  dem  Nnncins 
in  Köln  die  Leitung  der  holländischen  Mission  übertrug.  Die 
Capitel  protestirten  gegen  diese  Massregel  und  wählten  von  1724 
an  in  ununterbrochener  Reihenfolge  Erzbischöfe  von  Utrecht, 
welche   von  1742   bezw.  1758    an  auch  die  Bisthümer  ilaarlem 


H.  Fr.  van  Heussen.  713 

und  Deventer  wieder  besetzten.  Der  Bruch  wurde  noch  dadurch 
vergrössert,  dass  die  Capitel  von  Utrecht  und  Haarlera  und  die 
ihnen  anhangenden  Geistlichen  nicht  nur  bezüglich  der  erwähnten 
päpstlichen  Massregel,  sondern  auch  bezüglich  der  Bulle  Uni- 
genitus  an  ein  allgemeines  Concil  appellirtenM* 

Im  J.  1707  wurde  durch  ein  Breve  Clemens'  XL  31  auf 
die  Codde'sche  Angelegenheit  bezügliche  Schriften  verboten, 
später  noch  eine  grosse  Zahl  von  Schriften  zu  Gunsten  der 
Utrechter  Kirche.  Von  dem  gelehrtesten  Berather  derselben, 
dem  berühmten  Löwener  Juristen  Z.  B.  van  Espen,  wurde  1704 
sein  Hauptwerk,  Jus  ecclesiasticum,  1734  sämmtliche  Werke  ver- 
boten. 

1.  Im  J.  1682  wurde  Hugo  Franz  van  Heussen  von  den  Ca- 
piteln  von  Utrecht  und  Haarlem  zum  Coadjutor  des  Bischofs  Neer- 
cassel  gewählt.  In  Rom  stiess  die  Bestätigung  auf  Schwierigkeiten, 
da  zuerst  seine  1677  in  Löwen  vertheidigten  Thesen,  dann  seine 
16S1  zu  Löwen  gedruckte  holländische  Schrift  über  den  Ablass 
denuncirt  wurde.  Card.  Azzolini  und  Schelstrate  vertheidigten  diese 
Schrift.  Während  der  Verhandlungen  starb  Neercassel  6.  Juni  1686, 
und  18.  Juli  wurde  Heussen  zu  seinem  Nachfolger  gewählt.  Inno- 
cenz  XI.  wollte  ihn  bestätigen;  aber  der  Augustiner  van  Heck  u.  a. 
denuncirten  nochmals  die  Schrift  über  den  Ablass  der  Inquisition 
(Arn.  2,  763),  und  durch  ein  Decret  von  Eer.  V.  15.  Mai  1687 
wurde  (G.  Ziegler  De  episcopis  und)  Libellus  flandrico  idiomate 
impressus  Lovanii  1682,  cujus  titulus  latine  sonat:  Tractatus  de 
indulgentia  et  jubileo.  auct.  Vgo  Francisco  van  Heussen  ohne  weitere 
Motivirung  verb.  ^)  und  darauf  die  Bestätigung  verweigert.  —  Im 
Index  steht  die  Schrift  ohne  Heussens  Namen  als  Bre vis  Tractatus 
interrogationibus  et  responsionibus  digestus  in  usum  fidelium,  qui 
indulgentias  et  jubilaeum  cum  fructu  lucrari  meditantur,  Lov.  1681. 


1)  G.  Dnpac  de  Bellegarde  (f  1789),  Hist.  abregee  de  Tegl.  m^tro- 
politaine  d'ütrecht,  3.  Ed.,  ütr.  1852,  p.  196.  500.  (Freschot),  L'etat  pres 
(S.  139),  3,  21.  (J.  G.  Herbst),  Die  kath.  Kirche  zu  Utrecht,  Tüb.  Q.-S. 
1826.  Nippold,  Die  altkath.  Kirche  des  Erzbisthuma  Utrecht,  1872.  Wenzel- 
burger, Erzbischof  Codde  von  Utrecht,  Hist.  Zts.  1875,  241.  Rheinischer 
Merkur  1872,  5.  Vgl,  ut  audiatur  et  altera  pars,  Fleur.  67,  1.  Til.  Wilh. 
Backhusiufl,  Acta  Z.  B.  van  Espen,  P.  Quesnelli  et  Chr.  Erkelii  circa mis- 
sionem  Hollandicam  1701  —  31.  Ed.  nova,  Mechl.  1827  (1787  auch  italienisch 
gedruckt;  G.  eccl    3,  42). 

2)  Das  Decret  steht  auf  der  letzten  Seite  der  Constit  Was  Belle- 
garde p.  198  gegen  dasselbe  vorbringt,  reducirt  sich  darauf,  dass  Fehler 
darin  vorkommen,  wie  sie  sich  in  vielen  Decretcn  finden:  ungenaue  Wieder- 
gabe des  Titels,  Ugo  statt  Hugone  und  1682  statt  1681.  Wenn  Beileg. 
sagt,  der  Papst  habe  das  Decret  reformiren  lassen,  so  bezieht  sich  das 
nur  auf  einen  von  den  iSchnitzern  gesäuberten  neuen  Druck. 


P.  Codde.  716 

lischen  Kammer  (als  Manuscript)  gedruckt.  In  einer  Congregation 
von  10  Cardinälen,  die  mit  der  Prüfung  beauftragt,  wurde  (Inqui- 
sition?), sprachen  sich  18.  Dec.  1701  fünf,  darunter  Noris  und 
d^Estr^es»  für,  fünf  gegen  Codde  aus.  Durch  ein  Breve  vom  13.  Mai 
1702  wurde  aber  Peter  de  Cock,  da  Codde  suspendirt  sei,  zum  Pro- 
vicar  ernannt  (er  wurde  von  den  Capiteln  und  den  Ständen  nicht 
anerkannt,  von  diesen  8.  Aug.  1703  yerbannt  und  lebte  dann  einige 
Zeit  in  Emmerich,  darauf  in  Rom).  Codde  wurde  noch  11  Monate 
in  Rom  zurückgehalten,  —  es  scheint,  dass  man  ihn  bis  zu  seinem 
Tode  dort  zurückhalten  wollte,  —  und  kehrte  erst  1703  in  Folge 
einer  Aufforderung  der  Stände  nach  Holland  zurück.  In  einem 
Breve  an  die  holländischen  Katholiken  vom  7.  April  1703  (Rosko- 
vany  3,  2)  erklärte  Clemens  XI.,  er  habe  aus  gerechten  und  ge- 
wichtigen Gründen  den  Erzbischof  von  Sebaste  von  dem  Amte  eines 
apostolischen  Yicars  suspendirt  und  einstweilen  einen  Provicar  er- 
nannt, und  forderte  sie  auf,  sich  von  den  wenigen  ecclesiae  et  rei- 
publicae  turbatores  nicht  irreleiten  zu  lassen,  die  sich  als  Vertreter 
einer  exactior  disciplina  et  rigidior  theologia  gerirten  und  Schmäh- 
libelle gegen  den  h.  Stuhl  verbreiteten. 

Am  7.  Mai  1704  publicirte  die  Inquisition  ein  von  Fer.  V. 
3.  April  datirtes  Decret  (L.  de  Meyer  2,  723),  worin  die  beiden 
Yertheidigungsschriften  Codde's  auf  Grund  der  Gutachten  mehrerer 
Theologen  und  der  Vota  der  Cardinäle  verdammt  wurden,  weil  sie 
Lehren  und  Behauptungen  enthielten,  die  mindestens  verdächtig, 
singulär  und  den  kirchlichen  Constitutionen  zuwiderlaufend  seien 
und  wodurch  die  Gläubigen  in  schon  verdammte  Irrthümer  geführt 
und  mit  verkehrten  Meinungen  angesteckt  werden  könnten.  (Sie 
stehen  seit  Ben.  unter  Coddaeus.)  Codde  selbst,  wird  beigefügt, 
sei,  da  er  nach  einer  langen  und  sorgfältigen  Untersuchung  der 
ganzen  Sache  bezüglich  dessen,  worüber  er  denuncirt  worden,  den 
apostolischen  Stuhl  nicht  zufrieden  gestellt,  von  der  Leitung  der 
holländischen  Mission,  von  der  er  früher  suspendirt  worden,  gänz- 
lich entfernt  und  ein  anderer  apostolischer  Vicar  zu  ernennen,  wo- 
rüber in  der  Congregation  der  Propaganda  zu  verhandeln  sei.  Codde 
hatte  mittlerweile  in  einem  Hirtenbriefe  vom  19.  März  1704  über 
das  Verfahren  gegen  ihn  berichtet  und  erklärt,  er  werde  sein  Amt 
fortführen:  Epistola  ad  cath.  incolas  foederati  Belgii  de  suo  ad  Ur- 
bem  itinere  ac  de  muneris  sui  administrandi  interdictione.  Unter 
dem  20.  Aug.  veröffentlichte  er  eine  Epistola  secunda  etc.  In  dem- 
selben Jahre  erschien  auch  Defensio  P.  Coddaei  Archiep.  Seb.  adv. 
decretum  Inquisitionis  Romae  emanatum  Fer.  V.  3.  Apr.  1704. 
Diese  wurde  23.  Juli  von  der  Inq.  verb.  —  Ende  1706  veröffent- 
lichte Codde  eine  Declaratio  apologetica  P.  Coddaei  Archiep.  Seb. 
sinceris  solidisque  documentis  firmata,  quam  circa  praecipua  causae 
Buae  capita  evulgandam  duxit,  die  1707  auch  französisch  erschien 
(213  S.  12.  Beileg.  p.  501).     Darauf  zog  er  sich  zurück. 

In  einem  Breve  vom  4.  Oct.  1707  (Bull.  cont.  2,  60)  erklärte 
Clemens  XI.:  er  habe  von  den  zahlreichen  Schriften,  welche  zur 
Vertheidigung  des  3.  Apr.  1704  abgesetzen  Codde  und  seiner  gleich- 


716  Die  ütrechter  Kirche. 

zeitig  verdammten  Schriftstücke  in  lateinischer,  französischer  und 
belgischer  Sprache  erschienen  und  welche  geeignet  seien,  die  Zwi- 
stigkeiten  unter  den  holländischen  Katholiken  zu  fördern  und  den 
Samen  falscher  Lehre  zum  Schaden  des  orthodoxen  Glaubens  aus- 
zustreuen, vorläufig  einige  durch  die  Inquisition  prüfen  lassen.  Auf 
Grund  ihres  Gutachtens  und  auch  motu  proprio  verdamme  er  diese 
als  viel  Falsches,  Verleumderisches,  für  den  apost.  Stuhl  und  seine 
Diener  Beleidigendes  .  .  .  und  zum  offenen  Schisma  Führendes  ent- 
haltend, desgleichen  alle  Werke,  Bücher,  Briefe  und  anderen  Schriften, 
in  welchen  jenes  Decret  angegriffen  werde,  in  welcher  Sprache  sie 
auch  herausgegeben  seien  oder  herausgegeben  werden  würden.  — 
Die  31  in  diesem  Breve  verdammten  Schriften  sind  folgende:  die 
zwei  Hirtenbriefe  und  die  Declaratio  (im  Index  steht  Denunciatio) 
von  Codde  und  ein  1704  veranstalteter  Abdruck  der  bereits  1704 
verdammten  beiden  Schriftstücke:  Declaratio  et  responsiones,  cum 
in  Urbe  esset,  Em.  DD.  Cardinalibus  tradita  et  jam  orbi  pandita 
Christiane,  —  zwei  Schriften  über  das  Breve  vom  7.  Apr.  1703: 
Notae  breves  in  epist.  ad  catholicos  Hollandiae,  quae  sub  nomine 
Pontilicis  Clementis  XL  circumfertur,  per  jurisconsultum  Batavum, 
und  Vreedzamige  waarschouwing  over  zekere  brief  de  naem 
voerende  van  Clemens  XL,  —  Litterae  ad  Archiep.  Sebastenum 
nomine  S.  Congr.  de  Propaganda  fide  25.  Aug.  1703,  ut  fertur, 
scriptae,  notis  vero  brevibus  illustratae  per  Janum  Parrhasium, 
Amst.  1704,  —  drei  Schriften  über  das  Inquisitionsdecret  vom 
3.  Apr.  1704:  Notae  in  decretum,  quod  Inquisitionis  nomine  cir- 
cumfertur contra  Archiep.  Seb.,  per  Janum  Parrhasium;  Zedelyke 
overweginge  van  het  dekreet  der  Roomische  Inquisitie  des  jaers 
1704,  3.  April,  tegens  de  verklaringe  en  verantwoordinge  de  Aartsb. 
van  Sebasten,  Roterdani  1704,  seit  Ben.  unter  Timotheus  van  Vre  de; 
Avis  sinc^res  aux  catholiques  des  provinces-unies  sur  le  d6cret  de 
rinq.  de  Home  contre  TArch^v.  de  Seb.,  avec  plusieurs  pi^es  qui 
ont  rapport  ä  son  affaire,  1704,  340  S.  12.,  von  Quesnel;  —  zwei 
Schriften  des  Phil,  et  Med.  Dr.  Henr.  Spoor:  Responsio  ad  episto- 
lam  sibi  scriptam  a  D.  Internuncio  Bruxellensi,  datirt  Utrecht  im 
Mai  1703,  lateinisch  und  holländisch  gedruckt;  Klagende  Merknar 
opgedragen  van  de  Heer  Franc.  Fairlemont  Theol.  Dr.,  Utr.  1703; 
—  Lettre  d'un  homme  de  qualit^,  pour  servir  de  r^ponse  ä  une 
autre  k  lui  address6e  par  Mgr.  Tlnternonce  apostolique  avec  la 
bulle  .  .  datee  k  Rome  le  7.  d'Avril  1703;  —  zwei  pseudonyme 
Schriften  von  de  Witte  (S.  705):  Apologia  pro  clero  ecclesiae  Batavorum 
romano-catholicae,  seu  rationes  ob  quas  clerus  oensuit  in  locum 
Rev.  Archiep.  Seb.  non  esse  illico  recipiendum  D.  Theodorum  Cok- 
kium,  per  Jo.  Palaeopistum ,  Delft  1702,  79  S.  4.;  Imago  pon- 
tificiae  dignitatis  penicillo  sacrarum  scripturarum  et  traditionis  nati- 
vae  delineata,  ubi,  quid  Rom.  Pontifici  competat  vel  non  competat, 
collectis  ex  ecclesiastica  suppellectili  documentis  luculente  ac  com- 
pendio  demonstratur,  auct.  Desiderio  Palaeophilo,  Constantiae 
1704,  70  S.  4.;  —  mehrere  andere  Schriften  gegen  Cook:  Colly 
rium  Theodoro  de  Cook  dono    missum    per  M.  M.  A.  P.  C.  cordis 


Streitschriften.  717 

amicitia,  1704;  Adeodatus  presbyter  compresbyteris  de  clero  per 
Foederatum  Belgium  D.  Theod.  CokkiuiD  ut  provicarium  non  recipien- 
tibus  S.  P.,  Delft  1703;  Diotrephes,  sive  spiritus  et  opera  Theod. 
Cockii  accurate  descripta  et  justificando  clero  eura  in  vicarium  apost. 
non  recipienti  in  lucem  data  ab  Eu^enio  Clario  Theologo,  Lugd. 
1704  (an  dieser  Schrift  hat  de  Witte  mitgearbeitet);  —  mehrere 
Vertheidigungen  Codde's:  Evenredige  samenspraek  op  het  ver- 
wyzen  yan  onsen  saligmaker  Jesus  Christus  en  op  de  zaek  van  den 
Arschb.  van  Sebasten;  Xenicum  chronographicum,  sive  selecta  in- 
nocentiae  per  invidiam  calumniamque  oppressae  exempla,  111.  ac  Rev. 
D.  Petro  Coddaeo,  Archiep.  Seb.,  pro  strena  oblata  cordis  et  animi 
sinceritate,  1705;  Disquisitio  theologica  de  potestate  ac  jurisdic- 
tione,  quibns  in  Foederati  Belgii  provinciis  etiamnum  fruitur  Ar- 
chiep. Seb.,  ablato  lioct  vicariatu  apostolico,  nunquam  antehac  ty- 
pis  edita;  Lameuta  et  querelae  sponsae  Sebastenae  per  demen- 
tem XI.  viduatae  ad  eundem  pro  sponsa  sua;  —  eine  Vertheidigung 
des  Rechtes  der  Utrechter  Kirche,  noch  als  Erzbisthum,  nicht  als 
Missionskirche  angesehen  zu  werden:  Assertio  juris  ecclesiae  me- 
tropolitanae  Ultrajectinae  romano-cath.  adv.  quosdam,  qui  eam  ad 
instar  ecclesiarum  per  infidelium  persecutiones  destructarum  jure 
pristino  penitus  excidisse  existimant,  per  J.  C.  E[rkel],  J.  U.  Lic, 
ejosdem  eccl.  canonicum,  Delft  1703:  —  zwei  Denkschriften  für 
das  Recht  des  Haarlemer  Capitels:  Motivum  juris  pro  capitulo  cathe- 
drali  Harlemensi,  und  Refutatio  responsi  ad  libellum  cui  titnlus: 
Motivum  .  .  .  sive  elucidatio  ulterior  jurium  ejusdem  capituli,  beide 
Haarlem  1703,  im  Breve  als  anonyme  Schriften,  seit  Ben.  unter 
dem  Namen  des  Decans  des  Capitels,  Martin  de  Swaen,  der  die 
beiden  Schriften  veröffentlichte;  verfasst  sind  sie  von  van  Espen 
(abgedr.  Opera  5,  343);  —  Cato  Uticensis  redivivus  ad  amplissi- 
mos  archidioeceseos  Ultraject.  et  dioec.  Harlem.  capitulares  viros. 
Pro  aris  et  focis;  —  Cleri  catholici  per  Foederatum  Belgium  et 
Archiepiscopi  Seb.  religio  vindicata  contra  libellum  memorialem  de 
statu  et  progressu  Jansenismi  in  HoUandia  (von  Doucin);  Jo.  Clerici 
in  S.  Augustinum  censura  [S.  685]  refellitur;  scripta  varia  ad 
rem  pertinentia  ad  calcem  appenduntur.  Auth.  Christiano  Philire no 
Presbytero,  S.  Th.  Prof.,  ütr.  1703,  8.,  von  Quesnel;  —  Refle- 
xions succinctes  sur  la  lettre  d'un  catholique  romain  a  un  de  ses 
amis  d'Italie  touchant  Tetat  present  des  catholiques  rom.  en  Hol- 
lande, 7.  Nov.  1704;  —  endlich  einige  Schriften  gegen  die  Je- 
suiten: Lettre  de  M.  N.  a  un  seigneur  d'Angleterre  sur  la  de- 
mande,  sMl  est  hon  d'employer  les  Peres  J^suites  dans  une  mission, 
qu'on  a  trouve  ä  propos  de  donner  derechef  au  public  en  tant  qu'elle 
foumit  de  la  lumiere  dans  l'affaire  de  M.  de  Sebaste,  1686,  3  Fevr., 
von  Gerberon;  Gisberti  Amstelii  expostulatio  altera  adv.  Lojoli- 
tas,  foedos  societatis  Jesu  desertores,  Col.  1704  (von  der  Expostu- 
latio prima  adv.  eos,  qui  dicunt  se  de  consortio  Jesu  esse  et  non 
sunt,  et  sunt  synagoga  satanae,  wurde  erst  die  Ed.  2.  von  der  Inq. 
26.  October  1707  verb.);  Jesuitarum  aliorumque  Rom.  Curiae 
adulantium  de  Summi  Pontificis    authoritate   commenta    regnis  regi- 


718  Die  ütrechter  Kirche. 

basqne  infesta  ac  specialiter  snpremis  praepotentibusque  Foederati 
Belgii  Ordinibas  pericnlosa,  üdeliter  proposita  per  Jnrisconsnltam 
Batavura,  eccleaiae  et  patriae  amantem,  Amst.  1704,  von  Erkel.  — 
Die  Inq.  verbot  dann  noch  17.  Juli  1709:  Responsum  juris  .  .  . 
D.  Wernheri  Thummermuth  JCti  Germani  .  .  quo  .  .  .  evincitur, 
rescripta  pontificia  .  .  .  jure  non  subsistere  •  .  .  ,  1708.  Eine  unter 
dem  Titel  Causa  Coddaeana  1705  erschienene  Sammlung  der  haupt- 
sächlichsten Actenstücke  (Beileg.  p.  500)  steht  nicht  im  Index ^). 

Im  J.  1709  wurde  eine  Protestation  gegen  den  Nuncius  Bussi 
in  Köln  veröffentlicht,  dem  der  Papst  die  holländischen  Katholiken 
unterstellt  hatte:  Cleri  Romano-catholici  praecipuarum  in  Hollandia 
australi  civitatum  protestatio  adv.  editores  et  divulgatores  quarundam 
epistolarum,  quae  sub  nomine  III.  ac  Rev.  D.  J.  B.  Bussii  .  .  . 
sparguntur,  23  S.  4.  Dann  erschien:  Protest  van  de  Rooms-catho- 
lyke  Clergie  .  .  .  tegen  het  vuyl  en  ondeugend  boek,  bedriegelyk 
genaemd  Troost-Schrift  voor  de  Rooms-Catholyken  .  .  .  [von  De- 
sirant]  door  J.  C.  van  Erkel  .  . ,  Delft  1710.  Erkel,  Canonicus 
in  Utrecht,  wurde  darauf  von  dem  Nuncius  nach  Köln  citirt,  um 
sich  wegen  dieser  Schrift  zu  verantworten ;  er  protestirte  gegen  die 
Citation  und  wurde  16.  Jan.  1711  excommunicirt  (Vie  de  v.  Espen 
p.  142)  und  die  zweite  Schrift  15.  Apr.  1711  von  der  Inq.  verb. 
Der  Protest  selbst,  zwei  weitere  umfangreichere  Yertheidigungen 
desselben,  eine  Schrift  über  seine  Excommunication,  die  Defensio 
Archiepiscopi  Sebasteni  und  andere  Schriften  von  Erkel,  f  1^34 
(Belleg.  p.  500),  stehen  nicht  im  Index. 

Am  18.  Dec.  1710  starb  der  Erzbischof  Codde,  nachdem  er 
kurz  zuvor  das  Ansinnen  des  Auditors  des  Nuncius  Bussi,  A.  Borgia, 
sich  zu  unterwerfen,  abgelehnt  hatte.  Durch  zwei  Decrete  der  Inq.  vom 
30.  Dec.  1710  und  14.  Jan.  1711  (Bull.  cont.  2,  410)  wurde  er  als  no- 
torisch ungehorsam  und  widersetzlich  gegen  die  apostolischen  Constitu- 
tionen und  Decrete  der  Fürbitte  der  Gläubigen  und  des  kirchlichen  Be- 
gräbnisses unwürdig  erklärt  und  der  Nuncius  beauftragt,  dieses  den 
holländischen  Katholiken  bekannt  zu  machen,  tam  ad  damnandam 
defuncti  memoriam  quam  ad  aliorum  refractoriorum  exemplum  et 
admonitionem.  Zwei  hierauf  bezügliche  Schriften  wurden  1712 
von  der  Inq.  verb.:  Justification  de  la  memoire  de  M.  P.  Codde, 
Aychev.  de  Seb.,  Vicaire  apost.  dans  les  Provinces  nnies,  contre  nn 
dÄcret  de  l'Inq.  du  14.  Janv.  1711,  en  deux  parties,  1711,  von 
Petitpied;  Defensio  piae  memoriae  TU.  ac  Rev.  D.  Petri  Coddaei 
.  ...  ad  clarissimum  Dominum,  1711,  —  in  demselben  Jahre  eine 
ausführliche  und  scharfe  Kritik  des  Breves  vom  4.  Oot.  1707  von 
Quesnel:  Divers  abus  et  nuUit^s  du  d^cret  de  Rome  du  4.  Oct. 
1707  au  sujet  des  affaires  de  TEgl.  cath.  des  Provinces  unies,  1708, 
234  S.  12. 


l)  lieber  manche  der  im  Iudex  stehenden  Schriften  hat  mir  auch 
der  beste  Kenner  der  auf  die  Utrechter  Kirche  bezüglichen  Literatur, 
Präsident  Carl  Carsten  zu  Amersfort  (f  1884)  keine  nähere  Auskunft  geben 
können. 


J.  C.  van  Erkel  u.  a.    Utrechtep  Synode.  719 

In  dem  folgenden  Decennium  wurden  verb. :  Batavia  sacra 
sive  res  gestae  apostolicorum  virorum,  qui  fidem  Bataviae  primi 
intulerunt  .  .  .  studio  T.  S.  F.  H.  L.  H.  S.  T.  L.  P.  U.  T.,  Brüssel 
1714,  Fol.,  verb.  von  der  Inq.  1722,  von  van  Heussen  (Clement 
2,  491),  —  Storia  e  sentimento  dell'  abate  Tosini  sopra  il  Grian- 
senismo  nelle  presenti  circostanze,  Concordia  1717,  3  vol.  12.,  erst 
1728  verb.  Tosini,  Prof.  in  Bologna,  hatte  den  spätem  Cardinal 
Passionei  zu  dem  ütrechter  Congress  begleitet  und  bei  dieser  Ge- 
legenheit mit  Vertretern  der  Kirche  von  Utrecht  verhandelt;  sein 
Buch  ist  Clemens  XI.  gewidmet  (Belleg.  p.  276.  U.  N.  1741,  294). 
Heussens  Hist.  episcopatuum  Foederati  Belgii,  1719,  2  Fol.  und  viele 
andere  zur  Vertheidigung  der  ütrechter  geschriebene  Schriften 
(Walch,  N.  Rel.-Gesch.  6,  95.  165)  stehen  nicht  im  Index. 

Im  J.  1723  wurde  Cornelius  Steenoven  zum  ersten  Erzbischof 
von  Utrecht  seit  der  Entstehung  des  Schismas  gewählt  und  1724 
von  Dominions  Maria  Varlet,  Erzbischof  von  Babylon  i.  p.,  conse- 
crirt.  Benedict  XIII.  erklärte  in  einem  Breve  vom  21.  Febr.  1725 
die  Wahl  für  null  und  nichtig,  die  Consecration  für  durchaus  un- 
erlaubt und  verdammlich  (execranda).  Aehnliche  Breven  erschienen 
fortan  fast  nach  jeder  Bischofswohl  in  der  Utrechter  Kirche.  — 
Von  den  zahlreichen  und  zum  Theil  umfangreichen  Schriften,  in 
denen  bei  Gelegenheit  der  ersten  Erzbischofswahl  und  danach 
das  Recht  der  Utrechter  Kirche  vertheidigt  wurde,  stehen  im  In- 
dex nur:  Acta  quaedam  ecclesiae  Ultrajectinae  exhibita  in  defen- 
sionem  jurium  Archiepiscopi  et  capituli  ejusdem  eccl.  adv.  scriptum 
Cardinalis  Archiepiscopi  Mechliniensis,  Haag  1737,  verb.  1739  (Bei- 
leg, p.  355.  Nippold  S.  139);  —  Instrumentum  appellationis 
111.  ac  Rev.  Archiepiscopi  ültrajectensis  et  Episcopi  Harlem.  ad 
Concilium  generale  futurum  a  duobus  brevibus,  quae  praeferunt 
nomen  S.  D.  N.  Benedicti  XIV.,  scriptis  ad  universos  catholicos  in 
Foederato  Belgio,  s.  1.  1744,  verb.  durch  ein  Breve  Benedicts  XIV. 
vom  26.  Juni  1745,  in  welchem  es  heisst:  schon  der  Titel  zeige 
zwar,  dass  diese  Schrift  der  Proscription  würdig  sei;  gleichwohl 
werde  sie  nach  Anhörung  mehrerer  Theologen  und  vieler  Cardinäle 
ausdrücklich  verdammt  als  falsche  .  .  .  zum  Schisma  und  zur  Zer- 
störung der  kirchlichen  Hierarchie  verlockende  (nicht  auch:  ketze- 
rische) Sätze  enthaltend,  und  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent. 
verb.  Zugleich  werden  bei  derselben  Strafe  alle  geschriebenen  oder 
gedruckten  Schriften  verdammt,  in  welchen  dergleichen  Irrthtimer 
irgendwie  erneuert  oder  vertheidigt  werden.  Auffallender  Weise 
steht  kein  Verbot  in  den  Decr.  gen. 

Im  J.  1763  wurde  in  Utrecht  eine  Provincialsynode  gehalten. 
Eine  Abschrift  der  Acten  wurde  nach  Rom  gesandt  mit  einem  vom 
21.  Sept  1763  datirten  Briefe  der  Synode  an  Clemens  XIIL,  worin 
sie  unter  besonderer  Hinweisung  auf  die  Decrete  über  den  Primat  und 
über  Hardouin  und  Berruyer  (ausser  diesen  war  auch  Phil.  Le  Clerc, 
S.  705,  censurirt  worden)  um  Approbation  bat.  Der  Commissar 
der  Inq.,  so  berichtet  Belleg.  p.  415,  erklärte  den  Cardinälen,  die 
Holländer  hätten  Recht,  und  Clemens  XIII.  äusserte  einem  Prälaten 


720  Die  ütreehter  Kirche. 

gegenüber,  man  müsse  die  holländische  Angelegenheit  beizulegen 
suchen,  da  Acten  einer  Synode  angekommen,  die  sehr  gut  seien. 
Die  Acten  wurden  1764  gedruckt:  Acta  et  decreta  secundae  Synodi 
provinciae  ültrajectensis  .  .  .,  Utr.  1764,  219  S.  4.,  und  vielen 
Bischöfen  übersandt.  Peinige  französische  Bischöfe  beantragten  ihre 
Verdammung.  Card.  Castelli  erklärte  sich  sehr  heftig  gegen  die- 
selben in  einem  Consistorium  am  3.  Apr.  1765;  Card.  Albani,  ob- 
wohl sonst  kein  Freund  der  ütreehter,  widersprach  ihm.  Es  wurde 
nun  eine  besondere  Congregatiou  von  6  Cardinälen  mit  der  Prüfung 
der  Acten  beauftragt.  Sie  sprach  sich  mit  vier  Stimmen  (Rezzo- 
nico, Negroni,  Fabroni,  Castelli)  gegen  zwei  (Albani,  Torregiani) 
für  die  Verdammung  aus;  demgemäss  wurde  30.  Apr.  1765  eine 
Declaratio  nullitatis  pseudosynodi  ültraj.  et  condemnatio  libri :  Acta 
etc.  publicirt  (Bull.  cont.  3,  67.  Tüb.  Ü.-S.  1726,  223).  Der  Papst 
bezeichnet  darin  die  drei  Bischöfe  als  perditi  homines  et  pervicaces 
iniquitatis  filii,  welche  wiederholt  apostolico  majoris  excommunica- 
tionis  mucrone  confixi  und  als  schismatici  vitandi  erklärt  seien. 
Diese  hätten,  sagt  er  weiter,  tumentes  in  peccato  suo,  die  Acten 
ihres  illegitimus  et  nefarius  conventus  nicht  nur  veröffentlicht, 
sondern  auch  mehreren  Bischöfen  übersandt.  Nach  Anhörung  einiger 
Cardinäle  und  anderer  frommer  und  gelehrter  Männer  cassire  er  die 
Acten  der  Pseudo-Synode,  verdamme  das  Buch  Acta  et  decreta  etc, 
und  verbiete  es  in  jeder  Sprache,  desgleichen  alle  anderen  geschrie- 
benen und  gedruckten  oder  zu  druckenden  Schriften  zur  Verthei- 
digung  dieses  verderblichen  Schisma's.  Die  ütreehter  veröffent- 
lichten darauf  eine  Epistola  episcoporum  et  cleri  ecclesiastioae  pro- 
vinciae ültraj.  .  .  .  ad  S.  D.  N.  dementem  P.  XIII.  .  .  occasione 
Declarationis  .  .  .  ,  1767,  46  S.  4.  —  Die  so  kräftig  verdammten 
Acta  stehen  merkwürdiger  Weise,  —  es  wird  pure  Vergesslichkeit 
sein,  —  in  keinem  Index,  auch  nicht  ein  Buch,  welches  der  Curie 
viel  unangenehmer  sein  musste:  Recueil  de  divers  t^moignages  de 
plusieurs  cardinaux,  archev^ues,  eveques,  universites  ....  juris- 
consultes  et  autres  personnes  cel^bres  en  faveur  de  la  catholicite  «t 
de  la  legitimite  ...  de  Tegl.  cath.  des  Provinces-Ünies  contre  le 
schisme  introduit  .  .  .  par  les  manoeuvres  des  Jesuites  et  de  lenrs 
adherents,  Utr.  1763,  450  S.  4.  (Belleg.  p.  398).  Auch  die  Histoire 
abreg6e  von  Dupac  de  Bellegarde  ist,  obschon  dreimal  gedruckt, 
1765,  1770  und  1852,  nie  verb.  worden.  —  Nach  langer  Unter- 
brechung verbot  die  Index-Congr.  1844  quocunque  idiomate  Instruc- 
tion pastorale  sur  le  schisme  qui  divise  les  catholiques  de  Tegl.  de 
Hollande  vom  5.  Febr.  1844,  von  dem  1843  consecrirten  und  durch 
Gregor  XVI.  excommunicirten  Bischof  von  Haarlem,  H.  J.  van 
Buul  (Nippold  S.  83). 

2.  In  den  ersten  Streitigkeiten  der  ütreehter  Kirche  mit  Rom 
spielte  eine  hervorragende  Rolle  Zeger  Bernard  van  Espeli,  geb. 
1646,  seit  1673  Priester,  seit  1674  Prof.  des  Kirchenrechts  zn 
Löwen.  Sein  Hauptwerk,  eine  der  bedeutendsten  Bearbeitungen  de« 
Kirchenrechts  im  anticurialistischen  Sinne  (Schulte  S.  706),  Joß 
ecclesiasticum    Universum   hodiernae    disciplinae,    praesertim    Belgü; 


Z.  B.  van  Espen.   Fonrberie  de  Louvain.  721 

Galliaram  et  yicinamm  proyinciamm  accommodatum  .  .  . ,  Lov. 
1700,  wurde  1702  von  dem  Greneralvicar  des  Erzbischofs  Preci- 
piano,  van  Susteren,  in  Kom  denancirt  und  1704,  als  der  Frocess 
gegen  Godde,  als  dessen  Eathgeber  man  v.  Espen  kannte,  im  Gange 
war,  durch  ein  besonderes  Deoret  der  Inq.,  aber  ohne  specielle  Mo- 
tivirung  verb.  (Vie  p.  22.  Suppl.  App.  p.  31).  Die  Inq.  verbot 
femer  noch  bei  v.  Espens  Lebzeiten  (Fer.  IV.)  1707  das  Motivum 
juris  für  van  de  Nesse  (S.  657)  und  1714  Tractatus  de  promulga- 
tione  legum  eccl.  ac  speciatim  bullarum  et  rescriptorum  Curiae  Eom., 
ubi  et  de  placito  regio,  Lov.  1712  (Vie  p.  47). 

Schon  V.  Espens  erste  Schrift,  Dissertatio  canonica  de  pecu- 
liaritate  in  religione  et  de  simonia  circa  ingressionem  religionis, 
Lov.  1684,  400  S.  12.,  —  worin  er  zwei  in  manchen  Klöstern  ein- 
gerissene Missbräuche  bekämpft,  dass  den  Mönchen  der  Grenuss 
eines  Frivateigenthums  (peculium)  gestattet  und  dass  von  den  Ein- 
tretenden eine  Mitgift  gefordert  wurde,  —  wurde  von  den  Augusti- 
nern Desirant  und  Peter  Glenaerts  (f  1696)  und  einigen  anderen 
Mönchen  heftig  angegriffen  und  in  Kom  denuncirt.  Arnauld  (3, 100; 
2,  645)  sagte:  es  wäre  scandalös,  wenn  die  Dissertatio  verboten 
würde;  die  Gregenschrift  von  Desirant  werde  man  jedenfalls  nicht 
verdammen;  denn  er  greife  zwar  Fagnani  heftig  an  und  behaupte, 
päpstliche  Bullen  verpflichteten  nicht  mehr,  wenn  sie  40  Jahre  nicht 
beobachtet  worden;  aber  er  declamire  gegen  die  Jansenisten  und 
sage,  der  Papst  habe  Gewalt  ad  alligandos  reges  in  compedibus 
eto.  Die  Dissertatio  wurde  damals  nicht  verb.,  aber  1689  die 
Thesen,  die  Glenaerts  1688*  hatte  vertheidigen  und  unter  dem 
Titel  Synopsis  quadripartita  etc.  drucken  lassen  und  worin  v.  Espen 
angegriffen  wurde  ^). 

Desirant  war  auch  später  ein  Hauptgegner  v.  Espens  und 
spielte  1707  eine  Banptrolle  bei  der  sog.  Fourberie  de  Louvain. 
Er  sandte  nämlich  dem  Erzbischof  und  dem  Internuncius  eine  An- 
zahl von  Schriftstücken,  welche,  wenn  sie  echt  gewesen  wären, 
T.  Espen  und  seine  Freunde  hätten  ruiniren  müssen.  Das  schlimmste 
war  ein  vom  10.  Jan.  1707  datirter,  Z.  B.  V.  E.  unterzeichneter 
Brief  an  van  de  Nesse,  worin  derselbe  ersucht  wurde,  die  Freunde 
zur  Unterzeichnung  einer  beigelegten  Erklärung  zu  veranlassen, 
deren  Unterzeichner  den  holländischen  Generalstaaten  für  immer 
Gehorsam  versprechen,  geloben,  keine  Delegaten  des  h.  Stuhles  an- 
zuerkennen und  kein  Decret  desselben  zu  beobachten,  immer  ihren 
Glaußen  und  die  vortrefflichen  Sätze  des  Jansenius  zu  vertheidigen, 
und  sich  damit  einverstanden  erklären,  als  Bürger  von  Amsterdam 
eingezeichnet  zu  werden,  um  den  Schutz  der  holländischen  Kegierung 
geniessen  zu  können.  Der  Brief  war  von  der  Hand  eines  jungen  Mannes 
Nie.  Tourteau  geschrieben,  welcher  eidlich  erklärte,  van  Espen  habe 
ihm  denselben  dictirt.     Femer  wurde  ein  Liber  congregationum  pro- 


1)  lieber  andere  Thesen  von  Glenaerts  s.  Am.  2,  620.    Vgl.  Vie  de 
Y.  Espen  p.  8. 

ReoBob,  Index  II,  46 


722  Die  Utrechter  Kirche. 

dncirt,  ein  Protocollbnch  über  Conventikel  der  Jansenisten,    welche 
ein  Jahr  lang  unter  van   Espen s  Vorsitz    gehalten   sein  sollten,  — 
auch  darin  ist  wiederholt  von  dem  Anschloss  an  Holland  die  Redei 
—  und  drei  Briefe  eines  Theologie-Studirenden  Grasper  aus  Amster- 
dam an   zwei    dortige  Freunde.    Diese  drei  (harmlosen)  Briefe  waren 
echt  und  von  Tourteau  auf  der  Post  gestohlen ;  alle  anderen  Schrift- 
stücke waren  fabricirt.     Tourteau   gestand  dieses   26.  März  ein  und 
gab   an,    Desirant,    dessen    Amanuensis  er  war,    habe    ihn    zu    der 
Fälschung  verleitet.     Des.  leugnete  dieses  und  behauptete,    er  habe 
die  ihm    von  Tourteau  vorgelegten  Schriftstücke    für  echt  gehalten 
und  bona  fide  gehandelt,    als  er  sie   heimlich    an   die  Behörden  ge- 
sandt.    Am  18.  Mai  1708  fällte  der  von  dem  Staatsrath  eingesefjEte 
Grerichtshof   das  XJrtheil:    die  Fälschungen    seien    von  Henkershand 
zu  verbrennen,    Desirant,   als    verdächtig,    die    Sache   mit  Tourteau 
ausgeheckt    und  denselben    zum  Stehlen    von    Briefen    verleitet   zu 
haben,  und  als  überwiesen,  authentische  Abschriften  von  den  Schrift- 
stücken gemacht   und    diese  mala  fide    den  Behörden    übersandt  zu 
haben,  abzusetzen  und  für  immer  zu  verbannen.     Nach  Beendigung 
des  Processes  wurde  die  (von  van  Espen  verfasste)   Conclusio  fina- 
lis  des  Fiscals  der  Universität,    Heinrich  Malcorps,    veröffentlicht^). 
Des.  veröffentlichte  mehrere  Vertheidigungsschriften,  u.  a.  Apologia 
contra  impressam  conclusionem  finalem  D.  Henr.  Malcorps;  Conoor- 
dantia  litterarum  Z.  B.  Y.  £.   Lovanii  in  Jan.  1707    et    litteramm 
Henrici  Grrasper  ibidem  in  seq.  Febr.  deteotarum;     De   nuUitatibus 
aliisque    defectibus    schedulae,  quam  D.  H.  Malcorps  cum  suis  cor- 
ruperunt  publicisque    typis  donarunt    sub    nomine    sententiae    latae 
contra    P.    Bern.    Desirant,     1710,    endlich    P.    Nicolai    Tourteau 
poenitentia  christiana  .  .  .    contra  Henr.   Malcorps  tanquam  evulga- 
torem    famosae    conclusionis    finalis  .  .  . ,    Col.    1713*.     In    dieser 
letzten  Schrift  gibt    er  einen   Auszug  aus  den  drei  vorhergehenden 
und,  —  was  das  Beste  ist,  das  er  zu  seiner  Yertheidigung  beibringen 
konnte,  —  eine  Erklärung,    die  Tourteau    17.  Oct  1713  zu  Löwen 
vor  seinem  Tode   abgegeben:    er   habe    die    Schriftstücke    fabricirt, 
aber  nicht  auf  Anstiften   Desirants    (es  erschien    dann    freilich  eine 
Epist.  ad  JCtum  Aquisgranensem  de  praetensa  N.  Tourteau  revoca- 
tione).  —  Von  diesen  Schriften  verbot  die  Inq.  1714  De  nullitatibus 
etc.,  gleichzeitig:  Justitia  et  veritas  vindicata  contra  calumnias  et 
falsitates,  quibus  scatet  Apologia  Patris    Desirant  in  iis,    quae  con- 
cernunt  quosdam  Superiores  Carmelitarum  Discalo.  circa  Patres  Leo- 
poldum  et  Sylvanum,    ejusdem  ordinis  religiöses,    Leodii  171(?.     In 
seiner   Apologia    hatte  Des.    auch    von    diesen    beiden    gesprochen; 
P.  Leopold  hatte  in  dem  Prooess  eine    sehr    verdäcbiige  Rolle   ge- 
spielt (van  Espen  5,  526.  578);  die  Justitia  enthält  nach  Desirants 
Versicherung  Invectiven  gegen  die  beiden  Patres,   um  ihr  Zeugniss 
in  dem  Process  zu  verdächtigen. 


1)  Die  Actenstücke  bei  v.  Espen,  Opp.  5,  509  vgl.  289.  Danach  ist 
bearbeitet  LeP.  Desirant  ou  l'hist.  de  la  Fourberie  de  Louvain,  1710,  nach 
Des.  von  Quesuel,  nach  Vie  de  v.  Espen  p.  168  von  Petitpied. 


Z.  B.  van  Espen.     B.  Desirant  728 

Nach  seiner  Yerartheilnng  begab  sich  Des.  zunächst  nach 
Aachen.  Joseph  I.  ernannte  ihn  zum  kaiserlichen  Theologen  and 
stellte  ihm  Wiedereinsetzung  in  Aussicht.  In  einer  Bittschrift  vom 
J.  1717  beantragte  er  bei  Carl  VI.  Cassirung  des  ürtheils,  Wieder- 
einsetzung in  sein  Amt  und  Nachzahlung  des  Gehaltes;  das  Conseil 
de  Brabant,  dem  die  Bittschrift  zur  Begutachtung  übersandt  wurde, 
erklärte,  sie  sei  remplie  d'impostures  d*an  bout  k  Tautre  (v.  Espen 
5,  591).  Er  wurde  dann  in  Rom  Professor  an  der  Sapienza,  schrieb 
noch  eine  Anzahl  Bücher  (Hurter  2,  982),  u.  a.  ein  Clemens  XI. 
gewidmetes  Consilium  pietatis  ...  ad  appellantes,  Kom  1720,  und 
starb    1728. 

Von  1703  an  verfasste  van  Espen  eine  Eeihe  von  Gutachten 
für  die  Utrechter  (Opp.  5,  345—508.  Vie  p.  131).  Eines  derselben, 
De  numero  episcoporum  ad  validam  ordinationem  episopi  requisito 
responsio  epistolaris,  1725,  wurde  auf  Befehl  des  Grand  Conseil  de 
Malines  als  injuriös  gegen  das  Breve  Benedicts  XIII.  und  andere 
Decrete  des  h.  Stuhles  öffentlich  zerrissen.  Wegen  dieser  Schrift 
wurden  bei  dem  Staatsrath  und  bei  der  Universität  und  wegen 
seiner  Weigerung,  das  Formular  Alexanders  VII.  und  die  Bulle 
Unigenitus  zu  unterschreiben,  bei  dem  Erzbischof  von  Mecheln  Pro- 
cesse  gegen  van  Espen  eingeleitet,  die  ihn  1728  veranlassten,  Lö- 
wen zu  verlassen.  Er  starb  2.  Oct.  1728,  82  Jahre  alt,  zu  Amers- 
foort^).  —  Sechs  Jahre  nach  seinem  Tode,  1734,  verbot  die  Index- 
Congr.  einige  längst  gedruckte  Schriften,  Traotatus  hist.-canonicus 
de  censuris  eccl.,  1709  (Vie  p.  42);  Diss.  de  asylo  1721;  Concordia 
immnnitatis,  1700  (S.  654.657);  ferner  Tract.  de  recursu  ad  prin- 
cipem  .  .  .  1725  (Opp.  5, 287.  Vie  p.  56),  necnon  opera  omnia  ejus- 
dem  van  Espen.  Im  span.  Index  stehen  nur  einige  Werke  von  ihm. 
—  Die  Werke  sind  trotz  des  Verbotes  öfter,  auch  zu  Neapel,  Ve- 
nedig und  Köln*),  gedruckt  (Vie  p.  61)  und  viel  benutzt  worden, 
auch  in  Bom:  Benedict  XIV.  citirt  sie  oft,  und  in  einem  1780  von 
dem  Secretär  der  Propaganda,  Mgr.  Borgia,  verfassten  und  in  deren 
Druckerei  gedruckten  Gutachten  wird  er  fast  auf  jeder  Seite  citirt 
(Walch,  N.  Rel.-Gesch.  8,  540).  Ferd.  Walter  nannte  in  der  1.  Auf- 
lage seines  Eirchenrechts  1822  das  Jus  eccl.  „ganz  ausgezeichnet^' 
und  erklärte  noch  1839  (Hüninghaus.  Kirohenzeitung  1839,  716): 
yydass  unter  den  von  mir  über  das  Kirchen-  und  Eirchenstaatsrecht 
aufgestellten  Grundsätzen  auch  nicht  ein  einziger  ist,  den  ich  nicht 


1)  Vie  p.  153.  166.  Mem.  bist,  sur  Taffaire  de  la  B.  Unigenitus  2, 
442.  Die  Actenstücke  der  Processe,  Causa  Espeniana,  Opp.  5,  606. 

2)  Ich  citire  nach  der  Ausgabe  Col.  1777.  —  1768  erschien  zu  Brüssel 
und  Paris  ein  starker  Folioband:  Supplementum  ad  varias  collectiones 
operum  dar.  viri  Z.  B.  van  Espen.  Er  enthält  ausser  Schriften  und  Briefen 
von  y.  E.  und  der  Causa  Espeniana  (828  S.)  mit  besonderer  Paginirung 
eine  Appendix  I.  und  II.  (44  S.)  und  Vie  de  M.  van  Espen  .  .  .  parM*** 
Licencie  ^s  Droits,  Louvain  1767  (218  S.;  von  Dupac  de  Bellegarde). 
Dasselbe  enthält  der  als  Supplementum  bezeichnete  5.  Band  der  Ausgabe 
der  Opera,  Col.  1777;  nur  sind  hier  die  Appendices  weggelassen  und 
ist  die  Biographie  ins  Lateinische  übersetzt. 


724  Die  Bulle  ünigenitoB. 

durch  eine  der  anerkanntesten  Autoritäten  der  französischen  und 
deutschen  Schule,  eines  Bossuet,  Thomassin,  de  Marca,  van  Espen, 
Zallwein,  Sauter  ...  zu  rechtfertigen  im  Stande  wäre." 

Von  van  Espens  Freund  und  CoUegen  Armand  Bauwens  (1674 
— 1724),  der  1722  mit  ihm  ein  Gutachten  für  die  Utrechter  unter- 
zeichnete (Opp.  5,  407;  er  war  Hontheims  Lehrer),  steht  im  Index 
nur  Dissertatio  de  concordia  sacerdotii  et  imperii,  hahita  Lovanii 
1723*,  verb.  1725,  ein  Heft  von  24  S.  4. 


69.     Die  Bulle  ünigenitas. 

Qaesnels  AümerkuDgeD  znm  Nenen  Testament,  deren  erster 
Theil  zuerst  1671  erschienen  war,  wurden  1708  durch  ein  Breve 
Clemens'  XL  verboten.  Auf  den  Wunsch  Ludwigs  XIV.  ver- 
öffentlichte dann  der  Papst  die  Bulle  Unigenitus  vom  8.  Sept 
1713,  wodurch  nicht  nur  das  Verbot  des  Buches  bestätigt,  son- 
dern 101  Sätze  aus  demselben  verdammt  wurden,  darunter  viele, 
die  jedenfalls  an  sich  unverfänglich,  zum  Theil  unbestreitbar 
richtig  sind,  ohne  dass  irgendwie  in  der  Bulle  angedeutet  wurde, 
in  welchem  Sinne  dieselben  als  falsch  anzusehen  seien.  Die 
Bulle  wurde  von  dem  Pariser  Parlament  und  der  Sorbonne  mit 
Stimmenmehrheit  angenommen  und  von  den  meisten  französischen 
Bischöfen  publicirt,  von  einigen  aber,  namentlich  dem  Card,  de 
Noailles,  Erzbischof  von  Paris,  mit  Mandements,  die  im  J.  1714 
als  für  den  apostolischen  Stuhl  beleidigend  und  zum  Schisma 
führend  von  der  Inquisition  verdammt  wurden.  Nach  dem  Tode 
Ludwigs  XIV.  (1.  Sept.  1715)  sprachen  sich  sofort  die  Pariser 
und  andere  theologische  Facultäten  offen  gegen  die  Bulle  aus 
und  mehr  als  80  Bischöfe  erklärten,  sie  hätten  die  Bulle  nnr 
unter  Beifügung  von  Erläuterungen  angenommen,  und  baten  den 
Regenten,  er  möge  eine  Interpretation  durch  den  Papst  erwirken. 
Im  J.  1717  appellirten  zunächst  vier  Bischöfe  feierlich  an  ein 
allgemeines  Concil,  und  ihnen  schlössen  sich  mehrere  andere 
Bischöfe,  auch  Card.  Noailles,  viele  Geistliche  und  Laien  an. 
Sie  wurden  Appellanten  genannt,  ihre  Gegner  Acceptanten  oder 
Constitutionnaires.  Die  Frage,  ob  die  101  Sätze  irrig  seien  oder 
nicht,  trat  mehr  und  mehr  gegenttber  der  andern  Frage  in  den 
Hintergrund,  ob  eine  dogmatische  Bulle  als  eine  endgültige  Ent- 


Die  Bulle  Unigenitas.  726 

scheidang  von  Glaubensfragen,  also  als  unfehlbar  anzasehen  sei. 
Damm  wnrde  der  Gegensatz  nicht  gemildert,  sondern  verschärft 
durch  eine  zweite  Bulle  vom  J.  1718,  in  welcher  Clemens  XL 
zwar  der  Behauptung  entgegen  trat,  dass  durch  die  erste  Bulle 
Sätze  verdammt  würden,  die  bisher  unbehindert  vorgetragen 
worden,  aber  zugleich  jede  Erklärung  der  Bulle  für  unnöthig 
erklärte  und  unbedingten  Gehorsam  forderte.  Im  J.  1720  kam 
ein  Ausgleich  zu  Staude,  in  Folge  dessen  manche  Appellanten 
ihre  Appellation  zurücknahmen,  während  andere  dieselbe  wieder- 
holten (Reappellanten). 

Den  Nachfolger  Clemens'  XL.  Innocenz  XIIL  (1721—24) 
baten  sieben  französische  Bischöfe,  die  Bulle  zu  cassiren  und 
ein  allgemeines  Concil  zu  berufen.  Ihr  Schreiben  wurde  von 
der  Inquisition  verdammt.  Benedict  XIIL  (1724—30)  erklärte  1724 
in  einer  Bulle,  die  Lehren  des  h.  Augustinus  und  des  h.  Thomas 
würden  durch  die  Bulle  Unigenitus  nicht  berührt;  er  war  persön- 
lich auch  zu  weiteren  entgegenkommenden  Erklärungen  geneigt ; 
aber  in  den  Acten  des  1725  zu  Rom  gehaltenen  Provincial- 
concils  wird  die  Bulle  als  Regula  fidei  bezeichnet,  und  1727  be- 
stätigte er  das  Provincialconcil  von  Embrun,  welches  einen  der 
standhaftesten  Appellanten,  den  Bischof  Soanen  von  S^nez  suspen- 
dirt  hatte.  Ausser  diesem  verharrten  nur  wenige  französische 
Bischöfe  in  offener  Opposition  gegen  die  Bulle;  die  meisten 
unterwarfen  sich,  1780  auch  die  Sorbonne.  In  den  nächsten 
Jahren  trat  in  Frankreich  die  durch  die  angeblich  auf  die  Für- 
sprache des  Diakons  Fran^ois  Paris  und  anderer  Appellanten 
gewirkten  Wunder  hervorgerufene  Bewegung  in  den  Vorder- 
grund. —  Unter  Clemens  XII.  (1730—40)  erschien  eine  be- 
merkenswerthe,  von  dem  Dominicaner  H.  Serry  anonym  unter 
dem  Titel  Theologia  supplex  veröffentlichte  Kritik  des  Inhalts 
der  Bulle,  bezw.  der  Verdammung  vieler  der  101  Sätze,  die  eine 
ganz  orthodoxe  Deutung  zuliessen.  Sie  wurde  ebensowohl 
verboten  wie  sein  etwas  früheres  Buch  über  die  päpstliche  Un- 
fehlbarkeit. 

Vom  Jahre  1731  an  nahm  das  Pariser  Parlament  eine  gegen 
die  curialistischen  Bischöfe  feindselige  Haltung  ein,  namentlich 
mit  Rücksicht  auf  ihre  Anordnung,  den  Appellanten  die  Sacra- 
mente  und  die  kirchliche  Beerdigung  zu  verweigern.  Diese  An- 


726  Die  Bulle  ünigenitos. 

gelegenheit  wurde,  da  auch  die  BiscbOfe  ttber  die  Frage,  wie 
weit  diese  Verweigerung  auszudehnen  sei,  nicht  einig  waren, 
nach  Rom  gebracht,  und  Benedict  XIV.  erklärte  in  einem  Breve 
vom  16.  Oct.  1756:  nur  notorischen  Gegnern  der  Bulle  seien 
die  Sacramente  zu  verweigern,  eine  Entscheidung,  welche  nament- 
lich darum  bei  den  heftigeren  Gegnern  der  Appellanten  Missfallen 
erregte,  weil  der  Papst  die  Bulle  nicht  als  irreformabele  Definition 
der  Kirche,  sondern  nur  als  eine  Bulle  bezeichnete,  der  man 
Gehorsam  schulde. 

Im  Index  stehen  über  100  Schriften,  welche  mit  der  Bulle 
Unigenitns  zusammenhangen,  darunter  22  amtliche  Actenstttcke 
von  französischen  Bischöfen,  von  denen  einige  durch  Breven, 
die  meisten  von  der  Inquisition  verboten  wurden,  —  drei  von 
dem  Cardinal  de  Noaiiles  wurden  von  Benedict  XIV.  ans  dem 
Index  entfernt,  —  und  vier  ArrSts  des  Pariser  Parlaments.  Von 
den  Bischöfen  Colbert  von  Montpellier  und  Caylus  von  Anxerre 
wurden  sämmtliche  Schriften  verboten.  Diese  100  Schriften 
sind  nur  ein  kleiner  Theil  der  betreffenden  Literatur^);  aber 
am  17.  Febr.  1717  verbot  die  Inquisition  überhaupt  alle  Schriften 
in  denen  die  Bulle  in  hinterlistiger  Weise  umgangen  oder  in 
verwegener  Weise  angegriffen  werde.  Dieses  allgemeine  Ver- 
bot nahm  Benedict  XIV.  in  die  Decreta  generalia  U,  6  auf  und 
fügte  bei:  alle  Vertheidignngen  des  Buches  von  Quesnel;  alle 
Appellationen  von  der  Bulle  an  ein  allgemeines  Concil;  Urtheile 
von  Theologen  oder  theologischen  Facultäten  oder  Akademieen, 
Berathungen,  Consultationen,  Acten  und  Decrete  von  solchen, 
irgendwelcher  anderen  Personen  Mandata,  Ordinationes,  Arresta, 
Epistolae,  auch  Interpretationen  und  Declarationen  und  alle 
Schriften,  in  welchen  unter  dem  Verwände  der  Erläuterung  oder 
irgendwelchem  andern  Verwände  irgend  etwas  gesagt  wird,  wo- 
durch die  Geltung,  Autorität  und  Verbindlichkeit  der  Bulle  be- 
einträchtigt oder  bestritten  vnrd. 


1)  F.  Rocquain,  L'esprit  revolutionnaire  avant  la  revolution  1715 
—1789,  Paris  1878,  p.  485  führt  eine  AeasseruDg  von  Grimm  aus  dem 
J.  1788  an:  wenn  man  die  Schriften  über  die  E^t«  genöraux  sammele, 
werde  man  bald  mehr  über  die  Constitution  de  la  monarchie  zählen,  als 
es  über  die  Constitution  Unigenitns  gebe;  oar,  sur  cette  grande  et  beJIe 
question,  il  n'y  en  a,  dit-on,  guöre  au  de\k  de  diz  mille. 


QoesnePs  Nouvcau  Testament.   Probleme  ecclesiastique.  727 

In  dem  spanischen  Index  von  1747  ist  die  Bulle  Unigenitns 
abgedruckt  und  werden  von  Qnesnel  sämmtliche  Werke  verboten; 
dagegen  stehen  viele  in  Rom  verbotene  Schriften  nicht  im 
spanischen  Index,  dafür  aber  einige,  die  im  Römischen  Index 
fehlen. 

1.  Von  Quesnels  Werk  erschien  zuerst  Abregö  de  la  morale 
de  l'6vangile  ou  pensies  chröt.  sur  le  texte  des  4  ev.  pour  en 
rendre  la  lecture  et  la  m^ditation  plus  facile  k  ceux  qui  commencent 
k  s'y  appliquer,  Par.  1671,  12.,  von  dem  Bischof  Vialart  von  Ch&- 
lons  approbirt,  dann  ein  neuer  Abdruck  und  zwei  Bändchen  über  die 
anderen  neutestamentl.  Bücher,  Par.  1679,  von  4  Doctoren  appro- 
birt. Eine  2.  erweiterte  Auflage  erschien  1687,  eine  3.  1693,  4 
vol.  8.,  unter  dem  Titel:  Le  Nouveau  Testament  en  frangois,  avec 
des  r^flexions  morales  sur  chaque  verset.  Es  mag  hier  gleich  be- 
merkt werden,  dass  schon  die  1.  Ausgabe  mehrere,  die  von  1687 
53  der  später  verdammten  Sätze  enthielt^). 

Louis-Antoine  de  Noailles,  geb.  1651,  seit  1680  Bischof  von 
Ch&lons-sur-Marne,  empfahl  das  Werk  (die  Ausgabe  von  1693)  in 
einem  Hirtenbriefe  vom  23.  Juni  1695.  Er  wurde  in  demselben 
Jahre  Erzbischof  von  Paris  und  als  solcher  censurirte  er  die  Expo- 
sition von  M.  Barcos  (S.  479)  in  einer  Pastoral-Instruction  vom  20. 
Aug.  1696,  die  von  Abb6  Boileau  redigirt,  deren  dogmatischer  Theil 
aber  von  Bossuet  verfasst  war  2).  Darauf  erschien  1698  zu  Brüssel 
Probleme  ecclesiastique  propose  k  M.  l'abb^  Boileau  de  Tarchä- 
vdohe  de  Paris:  k  qui  Ton  doit  croire  de  M.  L.-A.  de  Noailles, 
Evßque  de  Chälons  en  1695,  ou  de  M.  L.-A.  de  Noailles,  Archiv. 
de  Paris  en  1696,   worin   auf   den  Widerspruch    zwischen   der  Em- 


1)  Tabaraud,  Suppl.  aux  bist,  de  Bossuet  et  de  Fenelon  p.  481. 

2)  Sie  steht  in  seinen  Oeuvres  7,  559.  Er  schickte  Exemplare  der 
Ordonnance  vraiment  adrairable  für  die  Cardinäle  Noris  and  Casanate  an 
seinen  Neffen  nach  Rom.  Er  bemerkt  dabei:  Noailles  sei  von  gewisser  Seite 
gedrängt  worden,  das  Buch  von  Barcos  zu  verdammen ;  er  habe  es  gethan, 
aber  „d&s  schönste  Zengniss  für  die  Gnade  und  die  Autorität  des  n.  Au- 
gustinus beigefügt.'^  Der  Nuncius  war  von  der  Ordonnanz  nicht  sehr  er- 
baut und  meinte,  dogmatische  Explicationen  ständen  nur  dem  Papste  zu. 
Auch  Card.  Noris  war  nicht  ganz  einverstanden  und  man  erzählte  sich  in 
Rom,  der  Papst  lasse  die  Ordonnanz  heimlich  prüfen;  Bossuet  hoffte  aber 
im  Mai  1697,  er  werde  sie  durch  ein  Breve  bestätigen  (Bossuet  40,  221. 
280.  236.  243.  818).  —  S.-Beuve  sagt  5,  152,  die  Publication  der  Expo- 
sition sei  in  zu  grossem  Vertrauen  auf  die  Protection  des  neuen  Erzbischofs 
geschehen,  und  charaktcrisirt  5,  287  die  Pastoral-Instruction  so:  Elle  frap- 
pait  le  livre  tout  en  etablissant  une  doctrine  Augustinienne  tr^s-analogue: 
ordonnance  bizarre,  qui  semblait  contradictoire,  de  laquelle  on  [Corr.  de 
F^n.  1,  82]  dit,  qu'il  y  soufflait  le  froid  et  le  chaud,  et  qui  inaugura 
facheusement  l'ambiguite  perpetuelle  de  son  role.  —  Aus  Anlass  des  Streites 
über  die  Exposition  schrieben  J.  Louail  und  Mademoiselle  de  Joncoux  die 
Hist.  abr^gee  du  Jans^nisme  et  remarques  sur  Pordonnance  de  M.  l'Archev. 
de  Paris  du  20.  Aoüt  1696,  Gol.  1698. 


728  Die  Balle  ünigenitns. 

pfehlnng  des  Buches  von  Quesnel  und  der  Yerdammnng  des  Buches 
von  Barcos,  die  doch  heide  dieselhe  Lehre  vortrügen,  hingewiesen 
wurde.  Das  Schriftchen  wurde  10.  Jan.  1699  in  Paris  von  Henkers- 
hand verbrannt  (Bossuet  42,  239)  und  von  der  Inq.  2.  Juni  1700 
verb.  Wer  es  verfasst  hat  ist  nicht  ausgemacht:  die  Jesuiten 
schrieben  es  einem  Jansenisten  (speciell  Viaixnes  j  zu,  die  Jansenisten 
einem  Jesuiten  (speciell  Daniel,  der  es  eidlich  desavouirte,  und 
Doucin);  wahrscheinlich  ist  Doucin  der  Verfasser  (Backer  3,  275). 
—  Bossuet  schrieb  darauf  eine  Abhandlung,  um  zu  zeigen ,  dass 
zwischen  den  Ansichten  von  Barcos  und  Quesnel  ein  Unterschied 
sei  und  dass  die  des  letztern  passiren  könnten.  Diese  Abhandlung 
war  nicht  zur  Veröffentlichung  bestimmt;  Bossuet  gab  sie  Noailles, 
damit  seine  Theologen  Boileau  und  Beaufort  sie  zu  seiner  Verthei- 
digung  benutzen  könnten ,  und  diese  veröffentlichten  denn  auch  mit 
Benutzung  derselben  4  Lettres,  Antw.  1700.  —  1699  wurde  Noailles 
um  die  Approbation  einer  neuen  Ausgabe  von  Q.'s  Buch  gebeten; 
er  Hess  dasselbe  durch  Bossuet  und  einige  Theologen  revidiren,  und 
Bossuet  schrieb  (mit  Benutzung  seiner  Abhandlung)  ein  Avertisse- 
ment,  —  eine  Art  Vertheidigung  des  Buches  und  des  Erlasses  von 
1696,  —  welches  vorgedruckt  werden  sollte  (Oeuvres  4,  193).  Die 
neue  Ausgabe  erschien  aber  1699,  angeblich  weil  Q.  sich  mit  den 
Revisoren  über  die  vorzunehmenden  Aenderungen  nicht  einigen 
konnte,  ohne  neue  Approbation  und  ohne  dieses  Avertissement.  Q. 
erhielt,  wahrscheinlich  von  Boileau,  eine  Abschrift  desselben  (Taba- 
raud  p.  437.  525)  und  liess  es  nach  dem  Tode  Bossuets  (1704) 
drucken  (s.  u.). 

Ein  Doctor  der  Sorbonne,  Frommageau,  soll  schon  1694  199 
Sätze  in  dem  Buche  von  Q.  als  verwerflich  bezeichnet  haben  ^).  Das 
erste  Verbot  desselben  erliess  1703  der  Bischof  von  Apt.  Nach 
Q.'s  Verurtheilung  durch  den  Erzbischof  Precipiano  1704  folgten 
mehrere  bischöfliche  Verbote;  erst  unter  13.  Juli  1708  veröffent- 
lichte Clemens  XI.  ein  Breve  (Bull.  cont.  2,67)  folgenden  Inhalts: 
Das  Buch  Le  Nouveau  Testament  en  fran^ais  .  .  .  Far.  1699,  oder 
Abr6g6  de  la  morale  .  .  .  Paris  1693  und  1694  und  sonst,  sei  von 
einigen  Cardinälen  geprüft  worden  und  nach  deren  Ansicht  zu  vei^ 
bieten,  weil  die  darin  enthaltene  Uebersetzung  des  N.  T.  fehlerhaft 
(textus  damnabiliter  vitiatus),  der  1668  verdammten  Uebersetzung 
(von  Mons)  vielfach  gleich,    von   der  Vulgata  aber  vielfach  abwei* 


1)  A.  J.  P.  22,  781  wird  die  vom  24.  März  1700  datirte  Antwort 
des  Conseil  (welches  ?)  auf  die  Frage  mitgetheilt,  ob  man  die  Ausgabe  yoo 
1699  lesen  dürfe.  Sie  wird  verneint,  weil  das  Buch  die  Jansenistiscbe 
Ketzerei  erneuere,  wie  in  der  Ordonnanz  von  Noailles  erklärt  werde;  es 
ständen  zwar  in  der  Ausgabe  Approbationen  von  2  Bischöfen  und  4  Doc- 
toren;  aber  die  Approbation  des  ersten  Bischofs  sei  von  1671,  die  von 
Noailles  von  1695  sei  erschlichen ;  Noailles  habe  befohlen,  aus  der  Ausgabe 
von  1699  die  Irrthümer  zu  beseitigen,  aber  die  damit  Beauftragten  hätten 
das  nicht  gethan;  es  seien  nur  wenige  Stellen  durch  Cartons  verbessert 
worden. 


Breven  von  1708  und  1710.  729 

obend  sei,  die  Noten  aber  anter  dem  Scheine  der  Frömmigkeit  anf 
die  Untergrabung  derselben  berechnet  seien  (habentes  quidem  speciem 
pietatis,  sed  ad  virtutem  ejus  abnegandam  subdole  deducentes)  und 
darin  Lehren  und  Sätze  vorkämen,  welche  resp.  aufrührerisch,  teme- 
rar,  verderblich  und  nach  früher  verdammten  Irrthümern  und  der 
Jansenistischen  Ketzerei  schmeckend  seien.  Nach  dem  Eathe  der 
Cardinäle  und  kraft  apostolischer  Autorität  verbiete  er  das  Buch 
unter  jedem  Titel  und  in  jeder  Sprache,  .  .  .  verordne,  es  zu  ver- 
brennen ;  .  .  die  Publication  in  Rom  solle  genügen.  —  Q.  veröffent- 
lichte darauf  Entretiens  sur  le  d^cret  de  Kome  contre  le  N.T.  de 
Chälons  accompagn6  de  reflexions  morales,  oü  l'on  d6couvre  le  vrai 
motif  de  ce  dicret,  on  soutient  les  droits  des  iv^ques  et  Ton  justifie  l'ap- 
probation  de  Mgr.  le  Card,  de  Noailles,  1 709.  Diese  Schrift  wurde 
durch  ein  neues  Breve  vom  6.  Juni  1710  (Bull.  12,486)  verb.,  weil 
sie  Sätze  enthalte,  die  resp.  ärgernissgebend,  in  praxi  verderblich,  für 
den  apost.  Stuhl  injuriös,  irrig,  schismatisch,  der  Ketzerei  nahe  kom- 
mend und  ketzerisch  seien.  —  1710  gab  Q.  —  nicht,  wie  einige 
meinten,  Noailles^)  —  Bossuets  Avertissement  heraus  unter  dem  Titel: 
Justification  des  E^flexions  mor.  sur  le  N.  T.,  composee  en  1699 
Gontre  le  Probleme  .  .  .  par  M.  Bossuet  (nochmals,  verbessert,  1711). 
Clemens  XI.  soll  sich  anfangs  selbst  an  dem  Buche  von  Q. 
erbaut  haben;  jedenfalls  haben  sich  viele  Katholiken  daran  erbaut, 
und  dass  es  kein  augenscheinlich  gefährliches  Buch  war,  zeigen  die 
Thatsachen,  dass  Bossuet  es  vorbehaltlich  einiger  Verbesserungen 
für  empfehlenswerth  hielt ^)  und  dass  eine  Keihe  von  Jahren  nur 
ganz    vereinzelte  Angriffe    dagegen    erfolgten    und    diese    sich    erst 


1)  Die  Bischöfe  von  LuQon  und  La  Rochelle  schrieben  24.  Oct.  171 1 
an  den  Dauphin:  Noailles  habe  die  Justification  neu  drucken  lassen,  und 
erhielten  von  dem  Könige  die  Krlaubniss,  eine  Ordonnanz  zu  veröffent- 
lichen pour  justifier  la  memoire  de  feu  M.  Bossuet  au  sujet  de  Pimprime 
qui  parait  sous  son  nom  (Corr.  de  Fen.  3,  449.  486.  489;  die  Ordonnanz 
bei  Fleur.  68,  324).  Auch  Daubenton  (ib.  3,  491)  spricht  von  dem  pre- 
tendu  auteur  des  Buches;  4,  257  sagt  er:  es  gebe  zwei  Ausgaben,  eine 
mit  dem  Namen  des  Verfassers  und  einer  Vorrede,  worin  die  Freunde 
Quesnels  die  Geschichte  der  Kntstehung  der  Schrift  in  ihrer  Weise  erzähl- 
ten; diese  werde  Noailles  zugeschrieben  (p.  269).  —  Schriften  darüber 
verzeichnet  Bist,  des  Refl.  1,  37.  Vgl.  Guettee,  Essai  bibliogr.  sur  Pouvr. 
de  Bossuet  intit.  Avertissement  .  .  .  Par.  1854. 

2)  Bossuet  bezeichnete  24  Stellen,  die  zu  corrigiren  seien;  einige 
davon  sind  in  der  Ausgabe  von  1699  corrigirt;  u.  a.  ist,  was  Bossuet  als 
die  wichtigste  Aenderung  bezeichnet,  in  dem  Satze:  la  grace  de  J.  C, 
principe  efficace  de  toute  sorte  de  bien  etc.  das  Wort  efQcace  in  der  Aus- 
gabe von  1699  und  in  allen  folgenden  gestrichen.  In  der  Bulle  steht  gleich- 
wohl unter  No.  2  der  Satz  nach  den  älteren  Ausgaben.  Von  11  Stellen, 
die  ein  Gegner  Quesnels  beanstandet  hatte  und  die  alle  11  in  der  Bulle 
stehen,  hatte  Bossuet  10  vertheidi^.  Guettee  L  c.  p.  18 — 20.  —  Der 
Jesuit  J.-Ph.  Lallemant,  f  1748,  gab  als  Ersatz  für  Quesnels  Werk  1713 
— 25  Reflexions  morales  avec  des  notes  sur  le  N.  T.,  12  vol.  12.,  heraus, 
die  von  Fenelon  und  anderen  Bischöfen  approbirt  wurden,  zu  denen  er  aber 
Cartons  drucken  lassen  musste  (Corr.  de  Fen.  4,  181.  191.  224). 


730  Die  Bulle  Unigeniius. 

mehrten,  nachdem  Q.  durch  den  Process  des  Erzhiflchofs  von  Hecheln 
eine  anrüchige  Persönlichkeit  geworden  war.  Schill^)  sucht  die 
späte  Verdammung  des  Buches  mit  der  Bemerkung  zu  erklären,  es 
sei  von  den  G-elehrten  wenig  beachtet  und  als  ein  ascetisches  Buch 
nicht  so  strenge  beurtheilt  worden.  Aber  andere  ascetisohe  Bücher 
der  Jansenisten  wurden  wohl  beachtet  und  strenge  beurtheilt  (§57), 
und  hier  handelte  es  sich  vollends  um  ein  französisches  N.  T.  — 
Faure,  Comm.  p.  117  gibt  an,  das  Buch  sei  alsbald  bei  der  Inqui- 
sition denuncirt,  von  dieser  aber  erklärt  worden,  den  Denuncianten 
sei  nicht  zu  glauben  und  die  Denunciation  Q.  mitzutheilen  und  er 
darüber  zu  hören;  1702  habe  der  Erzbischof  von  Mecheln  das  Buch 
nochmals  denuncirt;  die  Jansenisten  hätten  aber  damals  die  Domi- 
nicaner in  ihrem  Streite  mit  den  Jesuiten  über  die  chinesischen 
Gebräuche  unterstützt;  darum  hätten  die  Dominicaner  U.  in  Schutz 
genommen,  und  so  sei  1704  ein  Decret  gegen  die  Jesuiten  zu  Stande 
gekommen,  aber  erst  1708,  37  Jahre  nach  seinem  ersten  Erscheinen, 
das  Buch  von  Q.  verboten  worden.  —  D'Aguesseau  (13,267)  be- 
richtet: während  der  Verhandlungen  des  Abb6  de  Polignac  mit  Card. 
Fabroni  über  das  Verhalten  von  Noailles  bezüglich  der  Bulle  Vi- 
neam  habe  ein  obscurer  Mönch  das  Buch  von  Q.  denuncirt,  Polignac 
aber  von  einer  Verdammung  abgerathen,  so  lange  jene  Verhandlungen 
nicht  beendigt  seien.  Der  obscure  Mönch  ist  ohne  Zweifel  der  Ca- 
puciner  P.  Timothee  de  la  Flöohe^).  Dieser  selbst  berichtet:  er  habe 
schon  1703  mit  dem  Papste  von  dem  Buche  gesprochen  und  in 
dessen  Auftrage  die  schlimmsten  Stellen  daraus  zusammengestellt, 
und  dieser  habe  den  Assessor  S.  Off.  Casoni  beauftragt,  dasselbe 
prüfen  zu  lassen.  Casoni  habe  die  Sache  drei  Jahre  liegen  lassen 
und  dafür  die  Angelegenheit  der  Bulle  Vineam  zum  Vorwande  ge- 
nommen. Erst  als  er  Cardinal  geworden,  habe  sich  sein  Nachfolger 
der  Sache  angenommen.  Da  der  Papst  erklärt  habe,  man  solle  nicht 
Dominicaner  und  Jesuiten  mit  der  Prüfung  beauftragen,  sei  das  Buch 
dem  französischen  Theatiner  Dubuc,  Professor  an  der  Propaganda, 
gegeben  worden.  Dessen  Gutachten  habe  der  Papst  zu  scharf  ge- 
funden und  die  Inquisition  andere  Examinatoren  ernannt.  Der  Papst 
sei  durch  andere  wichtige  Angelegenheiten  sehr  in  Anspruch  ge- 
nommen worden,  habe  aber  das  Buch  stets  im  Auge  behalten. 

2.  Die  Acceptation  des  Breves  von  1708  wurde  wegen  der 
gewöhnlichen  Gründe  vom  Pariser  Parlamente  beanstandet  und  1711 
definitiv  abgelehnt. 


1)  Die  Constitution  Unigenitus,  ihre  Veranlassung  und  ihre  Folgen, 
1876,  8.  50. 

2)  Memoire»  du  P.  Timothee  de  la  Fläche,  Capucin,  depnis  eveqae 
de  Bcrite ;  contenant  plusieurs  anecdotes  bist,  du  Pontificat  de  Clement  XI. 
et  de  la  fin  du  rögne  de  Louis  XIV.,  s.l.  et  a.  (1774),  327  S.  16.,  p.21.- 
P.  Timothee  hiess  in  saeculo  Jacques  Pechard,  geb.  zu  La  Fl4che,  seit 
1715  Titularbischof  von  Berytus,  f  1744.  Die  unsäglich  geschwätzigen  und 
selbstgefälligen  Memoires  hat  Abbe  Bertrand  de  la  Tour  herausgegeben. 
Corr.  de  Feu.  11,  367.  Haureau,  Bist.  litt,  du  Maine  4,  311. 


Verhandlangen  in  Rom.  731 

Auf  Betreiben  des  P.  Le  Tellier  erliessen  die  Bischöfe  von  La 
Rochelle  und  Lu^on  unter  dem  5.  Juli  1710  ein  gemeinschaftliches 
tfandement  gegen  das  Buch  von  Q.  (Fleur.  68,  223) ;  ein  Buch- 
ländler  Hess  die  Ankündigung  desselben  an  dem  erz bischöflichen 
Palais  in  Paris  anschlagen.  Darauf  erliess  Noailles  28.  April  1711 
dine  Ordonnanz  gegen  die  beiden  Bischöfe  und  den  von  Gap,  der 
hnen  4.  März  1711  beigetreten  war.  Der  damals  allmächtige  Le 
Tellier  (S.494)  bestimmte  nun  auch  andere  Bischöfe,  sich  in  Schreiben 
in  den  König  gegen  Q.  auszusprechen.  Die  Bischöfe  von  La  Ko- 
)helle  und  LuQon  brachten  den  Streit  nach  Rom;  auch  Noailles 
nrandte  sich  an  den  Papst,  obschon  er  wegen  der  Denunciation 
^fondrato^s  und  seines  Verhaltens  bezüglich  der  Bulle  Yineam  in 
Rom  übel  angeschrieben  war.  Ludwig  XIV.  liess,  nachdem  er  11. 
Nfov.  1711  das  Buch  von  Q.  verboten,  im  December  durch  seinen 
jresandten,  Card,  de  Tremoille,  den  Papst  bitten,  durch  eine  Bulle 
iie  gefährlichsten  Sätze  von  Q.  zu  verdammen  ^),  dabei  aber,  um  die 
Reception  der  Bulle  in  Frankreich  zu  erleichtern,  alle  den  gallica- 
üsohen  Grundsätzen  widersprechenden  Ausdrücke  zu  vermeiden  und 
len  Entwurf  vorher  der  französischen  Regierung  vorzulegen.  Der 
Papst  wollte  anfangs,  verdriesslich  über  das  Schicksal  der  Bulle 
7ineam,  keine  neue  Bulle  erlassen  (P.  Timothee  p.  96)^  ging  dann 
tber  darauf  ein. 

Die  Prüfung  des  Buches  wurde  in  ähnlicher  Weise  vorgenom- 
nen  wie  die  des  Fen^lon^schen.  Zunächst  wurden  10  Theologen 
nit  der  Qualification  der  aus  demselben  excerpirten  Sätze  beauftragt. 
Sie  hielten  17  Sitzungen  unter  dem  Vorsitz  der  Cardinäle  Fabroni 
md  Ferrari.  Dann  wurden  23  Sitzungen  der  9  Cardinäle  und  der 
I!on8ultoren  der  Inquisition  unter  dem  Vorsitze  des  Papstes  gehalten 
'Corr.  de  Fen.  4,  325).  Den  Consultoren  wurden  zuerst  30  in  dem 
üandement  der  beiden  französischen  Bischöfe  censurirte  Sätze  über- 
snesen,  dann  noch  103  und  nochmals  19,  zusammen  152  (Tabaraud 
>.  459;  nach  Hist.  des  Refl.  1,49  wurden  155  Sätze  geprüft;  die 
)4  nicht  verdammten  sind  dort  mit  den  Vota  abgedruckt).  Q.  schrieb 
22.  Juli  und  22.  Sept.  1712  an  den  Papst  und  bat  um  Mittheilung 
ier  beanstandeten  Sätze;  er  erhielt  keine  Antwort;  den  zweiten 
Brief  gab  Card.  Ferrari  gar  nicht  ab  (Tabaraud  p.  458.  Fleur.  68, 
428).  —  Die  Bulle  wurde  von  dem  Card.  Fabroni  entworfen;  Ein- 
leitung und  Dispositiv  wurden  dem  Card,  de  Tremoille  vorgelegt 
md  seinen  Monita  entsprechend  geändert. 


1)  Rocquain  p.  3  führt  aus  den  Briefen  der  Herzogin  von  Orleans 
[Elisabeth  Charlotte  von  der  Pfalz)  aus  den  letzten  Jabren  Ludwigs  XIV. 
Iie  Stelle  an:  On  avait  fait  au  Roi  une  teile  peur  de  Penfer,  qu*il  croyait 
^ue  tous  ceux  qui  n'avaient  pas  ete  instruits  par  les  Jesuites,  etaient  dam- 
als, et  qu'il  craignait  d'etre  damue  aussi  s'il  les  frequentait.  Quand  on 
roulait  perdre  quelqu'un,  on  n'avait  qn'ä  dire:  II  est  huguenot  ou  janse- 
liste;  alors  l'affaire  etait  faite.  Der  Marschall  d*Harcourt  sagte,  qu'un 
ians^niste  n'etait  souvent  autre  chose  qu'un  homme  qu'on  voulait  perdre 
i  la  cour.  D'Aguesseau  18,  123. 


732  Die  Bulle  ünigenitas. 

Am  8.  Sept.  1713  unterzeichnete  der  Papst  die  mit  den  Worten 
Unigenitus  Dei  Filius  beginnende  Bulle.  Er  sagt  darin:  er  habe 
erfahren,  dass  das  1699  bezw.  1693  und  1694  zu  Paris  erschienene 
Buch,  —  Q.  wird  nicht  genannt;  das  Buch  steht  noch  heute  im 
Index  nicht  unter  seinem  Namen,  sondern  unter  Abr6g^  und  Testa- 
ment, —  wiewohl  es  von  ihm  verdammt  worden,  und  wiewohl  es 
zwar  beim  ersten  Anblicke  die  Leser  durch  den  Schein  der  Fröm- 
migkeit verlocke,  in  Wirklichkeit  aber  mit  katholischen  Wahrheiten 
die  Lügen  schlechter  Lehren  vielfach  vermische,  von  vielen  noch 
immer  als  von  jedem  Irrthum  frei  angesehen  und  verbreitet  werde, 
auch  ins  Lateinische  übersetzt  worden  sei ;  von  vielen  für  den  ortho- 
doxen Glauben  Eifernden,  namentlich  von  französischen  Bischöfen 
sei  darüber  geklagt  worden.  Er  wolle  darum  die  früher  nur  im 
allgemeinen  angedeutete  trügerische  Lehre  des  Buches  durch  mehrere 
aus  demselben  ausgezogene  Sätze  bestimmter  darlegen.  Dass  dieses 
für  die  katholische  Sache  von  Nutzen  und  namentlich  zur  Beseitigung 
von  Streitigkeiten  in  Frankreich  dienlich  und  zur  Beruhigung  der 
Gewissen  sehr  nützlich,  ja  nothwendig  sei,  hätten  nicht  nur  franzö- 
sische Bischöfe,  sondern  auch  der  König  Ludwig  bezeugt.  Es  seien 
demgemäss  viele  aus  den  beiden  angeführten  Ausgaben  des  Buches 
ausgezogene  Sätze  französisch  und  lateinisch  zuerst  mehreren  Theo- 
logen zugestellt  und  von  ihnen  vor  zwei  Cardinälen  discutirt,  dann 
in  seiner  Gegenwart  und  unter  Zuziehung  mehrerer  anderer  Cardi- 
näle  wiederholt  geprüft  worden.  Es  folgen  101  Sätze,  lateinisch 
und  französisch,  mit  Angabe  der  betreffenden  Stellen  der  beiden 
Ausgaben  am  Bande.  Diese  Sätze  werden  dann  als  resp.  falsch, 
verfänglich,  übelklingend,  für  fromme  Ohren  verletzend,  ärgemiss- 
gebend,  verderblich,  temerär,  für  die  Kirche  und  ihre  Praxis  inju- 
riös,  nicht  nur  die  Kirche,  sondern  auch  die  weltlichen  Gewalten 
schmähend,  aufrührerisch,  gottlos,  blasphemisch,  der  Ketzerei  vei^ 
dächtig  und  nach  Ketzerei  schmeckend,  die  Ketzer,  Ketzereien  und 
auch  das  Schisma  begünstigend,  der  Ketzerei  nahekommend,  wieder- 
holt verdammt,  endlich  auch  ketzerisch  und  verschiedene  Ketzereien, 
namentlich  die  Jansenistische  offenbar  erneuernd  verdammt.  Durch 
die  ausdrückliche  Verdammung  dieser  Sätze,  heisst  es  weiter,  solle 
nicht  der  sonstige  Inhalt  des  Buches  approbirt  werden,  zumcil  sich 
im  Yerlaufe  der  Prüfung  noch  andere,  den  verdammten  ähnliche 
gefunden.  Auch  der  Text  des  N.  T.  sei  in  verdammlicher  Weise 
corrumpirt  u.  s.  w.  (wie  in  dem  Breve  von  1708).  Das  Buch  selbst 
werde,  unter  welchem  Titel,  wo  und  in  welcher  Sprache  es  auch 
gedruckt  sein  oder  werden  möge,  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm. 
1.  sent.  verboten,  desgleichen  alle  zur  Vertheidigung  desselben  ver- 
fassten  Schriften. 

Die  Lobredner  der  Bulle  citiren  gewöhnlich  eine  Stelle  aus 
einem  Briefe  des  damals  in  Rom  lebenden  Jesuiten  Daubenton  an 
F6n^lon  (Corr.  4,325):  „Vielleicht  ist  niemals  ein  Buch  länger  und 
vorsichtiger  geprüft  worden.  Man  hat  bei  dieser  Prüfung  während 
einer  Zeit  von  fast  drei  Jahren  die  tüchtigsten  Theologen  in  Born 
verwendet,    die  man   von  allen  berühmten  Schulen  her  genommen: 


Die  Balle  ünigenitus.  788 

Le  Dron  aus  der  Schale  der  Augnstinianer,  den  Magister  S.  Pal.  und 
den  Secretär  der  Index-Congregation  aus  der  Schale  der  Thomisten, 
die  Patres  Palermo  und  Santelia  aus  der  Schule  der  Scotisten,  P. 
Alfaro,  den  Theologen  des  Papstes,  aus  der  Schule  der  Jesuiten, 
Msgr.  Tedeschi,  Bischof  von  Lipari  (s.  u.),  einen  Benedictiner,  aus 
der  Schule  des  h.  Anselm,  den  Missionspriester  Castelli  und  den 
Bamahiten  Tevoni.  .  .  In  den  Sitzungen  untersuchte  man  zuerst,  ob 
der  lateinische  Satz  richtig  aus  dem  Französischen  übersetzt  sei, 
dann  den  Satz  und  die  Qualität  desselben.  Es  ist  kein  Satz  dar- 
unter, der  nicht  dem  Papste  3 — 4  Stunden  besondern  Studiums  ge- 
kostet hätte."  (Im  April  1713,  4,  219,  schreibt  er:  „Der  Papst  hat 
mir  gezeigt,  was  er  über  jeden  der  bisher  geprüften  84  Sätze  eigen- 
händig geschrieben;  es  würde  einen  starken  Band  geben.")  Es  ist 
aber  nicht  zu  übersehen,  dass  der  nämliche  Daubenton  Ende  1711 
u.  a.  an  F^n^lon  schrieb:  „Ausser  dem  Card.  Fabroni  ist  niemand 
in  Kom,  der  ein  selbständiges  Urtheil  über  das  Buch  von  Q.  ab- 
geben könnte.  .  .  .  üeber  die  chinesische  Streitfrage  ist  noch  nichts 
entschieden;  man  denkt  in  Rom  jetzt  nur  an  Comacchio  .  .  .  Bei 
der  Inquisition  liegen  jetzt  so  viele  Sachen  vor  und  gibt  es  so  we- 
nige Leute,  die  sich  ernstlich  damit  beschäftigen  oder  die  fähig  sind, 
sich  damit  zu  beschäftigen,  dass  man  Jahre  lang  zu  thuen  hat,  um 
die  Verdammung  eines  Buches  zu  erwirken,  wenn  es  etwas  dick 
ist.  Nur  Card.  Fabroni,  der  Assessor  des  h.  Officiums  und  der 
P.  Damascenus  widmen  diesen  Geschäften  alle  ihre  Zeit"  (Corr.  3, 
447.  478). 

Nach  der  Publication  der  Bulle  schreibt  Daubenton :  man  habe 
sich  mit  unendlicher  Sorgfalt  bemüht,  in  der  Bulle  alle  Formeln  zu 
vermeiden,  die  nur  im  mindesten  dem  französischen  Klerus  oder  dem 
Parlament  anstössig  sein  könnten;  wenn  es  trotzdem  mit  dieser 
Bulle  gehe  wie  mit  der  Bulle  Vineam,  so  könne  der  Papst  den  Tod 
davon  haben.  „Die  ganze  Erde  hat  sich  in  Bewegung  gesetzt,  um 
ihn  von  der  Publication  der  Bulle  abzuhalten;  mehrere  Cardinäle 
haben  ihm  vorgestellt,  er  setze  sich  der  Gefahr  eines  zweiten  Af- 
front aus;  er  ist  fest  geblieben,  pour  faire  plaisir  au  roi,  der  die 
Bulle  dringend  verlangt  hat"  (Corr.  de  F^n.  4,  325.  370).  „Nicht 
ohne  furchtbare  Opposition  ist  die  Bulle  durchgesetzt  worden.  Man 
hat  den  Papst  so  eingeschüchtert,  dass  ich  hundertmal  geglaubt  habe, 
die  Sache  sei  gescheitert"  (4,  327).  Nach  Racine  14,  113  wurde 
die  Bulle  vor  der  Publication  ausser  Tr^moille  nur  5  Cardinälen  vor- 
gelegt, Fabroni,  Ferrari,  Albani,  Ottoboni  und  Tolomei.  Der  Domi- 
nicaner-Cardinal  Ferrari  hatte  alles  aufgeboten,  den  Papst  von  der 
Publication  der  Bulle  abzuhalten.  Concina  hatte  in  seiner  Biogra- 
phie des  Cardinais,  die  1755  in  Rom  erschien,  dieses  ausführlich 
nachgewiesen,  musste  aber  die  Stelle  streichen  (Sandelli,  Vita  Con- 
cinae  p.  203).  —  P.  Timoth^e  (p.  173)  erzählt:  Card.  Rohan  habe 
ihm  bemerkt,  der  Papst  hätte  besser  gethan,  sich  auf  die  Verdam- 
mung von  15 — 20  der  schlechtesten  Sätze  zu  beschränken,  die  nie- 
mand zu  vertheidigen  wagen  würde ;  er  habe  geantwortet :  er  habe 
das  dem  Papste  auch  gerathen  und  den  Eindruck  bekommen,  als  ob 


784  Die  Bulle  Unigenitus. 

das  seine  Absiebt  sei ;  er  wisse  nicbt,  warum  er  seinen  Sinn  geän- 
dert babe,  und  sei  sebr  überrascbt  gewesen,  als  er  geseben,  dass  man 
so  viele  Sätze  verdammt  babe. 

Es  ist  nicbt  zu  viel  gesagt^  wenn  Gieseler  (Kircbengescb.  4,  49) 
bemerkt,  unter  den  101  Sätzen  seien  viele,  welcbe  tbeils  in  der  b. 
Scbrift  sebr  deutlicb  entbalten,  tbeils  wörtlicb  dem  Augustinus  und 
anderen  Eircbenvätern  abgeborgt  waren,  obne  dass  die  Bulle  Erklä- 
rungen binzugefügt  bätte,  in  welcbem  Sinne  dieselben  unricbtig  und 
daber  bei  Q.  zu  verdammen  seien.  Selbst  F^n^lon,  der  über  die  Bulle 
sebr  entzückt  war  (Corr.  3,  350),  gibt  z.  B.  in  seinem  ersten  Mande- 
ment  darüber  (Oeuvres  14,  460)  von  No.  91:  „Die  Furebt  vor  einer 
ungereebten  Excommunication  darf  uns  niemals  bindern,  unsere  Pflicbt 
zu  tbuen",  folgende  Umdeutung:  „Wenn  die  Ungerecbtigkeit  der 
Exeomm.  feststebt  und  die  Pflicbt  eine  wirkliebe  ist,  enthält  der 
Satz  eine  Wabrbeit^  die  man  niobt  bestreiten  kann;  aber  wenn  die 
Excomra.  nur  in  der  Vorstellung  des  davon  Betroffenen  ungerecht 
und  die  Pflicbt  nur  eine  vermeintliche  ist,  oder  auch,  wenn  darüber 
ein  Zweifel  besteht,  ist  der  Satz  falsch  und  um  so  gefahrlicher,  als 
er  unter  dem  Scheine  der  Wahrheit  auftritt*'  ^). 

Ludwig  XIV.  legte  die  Bulle  zunächst  im  October  1713  den 
in  Paris  anwesenden  Bischöfen  vor,  die  sich  unter  dem  Vorsitze  von 
Noailles  versammelten  und  ihrerseits  zunächst  die  Bulle  einer  Com- 
mission  von  sechs  Bischöfen  überwiesen.  Diese  Commission  erstattete 
erst  vom  15.  Jan.  1714  an  ihren  Bericht,  der  mit  dem  Antrage 
scbloss,  die  Bulle  mit  einer  erläuternden  Instruction  pastorale  zu 
publiciren.  Es  wurde  bei  ihren  Berathungen  bemerkt:  wenn  nicht 
eine  solche  Erläuterung  beigefügt  werde,  werde  jeder  die  Bulle  nach 
seinem  Geschmack  deuten;  man  könne  sie  auch  so  deuten,  dass  da- 
durch eine  ganz  andere  Art  der  Frömmigkeit  und  für  die  Theologen, 
Prediger,  Katecheten  und  Verfasser  von  Erbauungsbüchern  das  Er* 
lernen  einer  neuen  Sprache  nöthig  werde ;  die  Convertiten  und  auch 
die  geborenen  Katholiken  könnten  murren  über  die  vage  Censur  über 
das  Lesen  der  Bibel,  die  doch  in  Frankreich  in  jedermanns  Hand 
sei;  man  könnte  aus  der  Bulle  folgern,  dass  jeder  ein  Recht  habe, 
von  dem  Beichtvater  sofort  die  Lossprechung  auch  von  den  grössten 
Sünden  zu  verlangen,  er  möge  gut  oder  schlecht  disponirt  sein  (Corr. 
de  F6n.  4,413).  —  Der  Antrag  der  Commission  wurde  1.  Febr. 
1704  von  40  Bischöfen  angenommen  (Fleur.  68,  586);  Card.  No- 
ailles, —  der  übrigens  in  einem  Mandement  vom  28.  Sept.  1713 
seine  Approbation  des  Buobes  zurückgenommen  und  dasselbe  ver- 
boten hatte,  —  und  8  andere  Prälaten  stimmten  nicht  zu  und  erklärten, 
sie  würden  den  Papst  um  Erläuterungen  zu  der  Bulle  bitten.    Lud- 


1)  Der  Jesuit  Yves  Andre,  f  1764,  sagt  in  einem  Briefe  (N.  E.  1781. 
163):  „Ich  sehe  hier  Sätze,  die  einen  schlechten  Sinn  haben,  vermengt  mit 
Sätzen,  die  nur  handgreifliche  Wahrheiten  aussprechen,  und  beide  Arten 
von  Sätzen  einander  gleich  gestellt  und  in  derselben  Weise  qualificirt  and 
mit  etwa  20  Schimpfworten  (injures)  bedacht,  von  denen  man  ans  so 
ratben  überlässt,  welches  derselben  auf  sie  passen  soll.'* 


Mandements  französischer  Bischöfe.  786 

wig  XIV.  untersagte  dieser  Minorität,  von  der  einer  bald  zur  Ma- 
jorität übertrat,  die  Absendung  eines  gemeinsamen  Schreibens  an  den 
Papst  (Fleur.  68,  617),  verbot  Noailles  den  Hof  und  verwies  die 
anderen  acht  in  ihre  Diöcesen.  Unter  dem  14.  Febr.  erliess  er  Lettres 
patentes  für  die  Publication  der  Bulle,  und  das  Parlament  beschloss 
mit  Stimmenmehrheit  die  Einregistrirung  derselben.  Auch  die  Sor- 
bonne nahm  5.  März  nach  stürmischen  Verhandlungen  mit  Stimmen- 
mehrheit die  Bulle  an.  Ueber  100  französische  Bischöfe  publicirten 
die  Bulle ;  einige  andere  erliessen  Hirtenbriefe,  worin  sie  das  Buch 
von  Q.  verboten,  die  Bulle  aber  nicht  erwähnten  oder  diese  mehr 
oder  weniger  umdeuteten.  —  In  Rom  war  man  sehr  ungehalten  über 
die  Verzögerung  der  Annahme  der  Bulle,  über  die  gallicani sehen 
Wendungen  in  dem  Berichte  der  Gommission,  in  dem  Beschlüsse  der 
Majorität  und  in  den  Lettres  patentes  und  vollends  über  das  Ver- 
halten der  Minorität  und  über  die  erwähnten  Hirtenbriefe  (Corr.  de 
F^n.  4,  431.  450).  Mit  Mühe  wurde  der  Papst  bestimmt,  ein  aner- 
kennendes Breve  an  jie  Majorität  zu  richten.  „Die  Commission 
von  Cardinälen,  schreibt  Daubenton  (p.  453),  welcher  der  Papst  gleich 
anfangs  die  Sache  überwiesen  hat  (Spada,  Paolucci,  Albani,  Ferrari, 
Tolomei,  Casini,  mit  Msgr.  Alamanni  als  Secretärj,  hat  sich  für  ein 
anerkennendes  Breve  ausgesprochen.  An  diesem  ist  acht  Tage  lang 
hin  und  her  corrigirt  worden.  Gott  gebe,  dass  die  41  damit  zu- 
frieden sindl*' 

Noch  im  J.  1714  wurden  von  der  Inquisition,  „nachdem  über 
die  Censuren  mehrerer  speciell  beauftragter  Theologen  und  die  Vota 
der  Cardinäle  der  Inq.  dem  Papste  berichtet  worden,  auf  dessen  Be- 
fehr*  verdammt:  zuerst  Lettre  pastorale  et  Mandement  de  S.  £. 
Mgr.  le  Card,  de  Noailles,  Archiv,  de  Paris,  au  sujet  de  la  Con- 
stitution de  N.  S.  P.  le  Pape  du  8.  de  Sept.  1713,  Paris  1714,  „als 
mindestens  verfänglich,  ärgernissgebend,  temerär,  für  den  apost. 
Stuhl  injuriös  und  nach  dem  Schisma  riechend  und  dazu  verleitend^', 
und  Mandement  de  Mgr.  TArchev.  de  Tours  [lsor6  d'Hervaut],  15. 
Fevr.  1714,  als  „verfänglich,  ärgernissgebend,  temerär  und  für  den 
apost.  Stuhl  injuriös**  (Hanot,  App.  p.  10), —  dann  mit  derselben  Ein- 
leitung die  Hirtenbriefe  der  Bischöfe  von  Boulogne  (Pierre  de 
Langle),  Chälons  (Gaston  J.-B.  de  Noailles)  und  Bayonne  (A. 
Dreuillet),  die  beiden  ersten  mit  derselbea  Motivirung  wie  der  Pa- 
riser, der  dritte  wie  der  von  Tours,  —  endlich  die  der  Bischöfe  von 
Metz  (Henri- Charles  de  Camboust,  Duc  de  Coislin)  undMirepoix 
(Pierre  de  la  Broue).  Diese  7  Mandements  wurden  dann  auch  in 
Frankreich  durch  Arrets  du  Conseil  unterdrückt. 

Ende  1714  schickte  Ludwig  XIV.  Amelot  nach  Rom  mit  dem 
Vorschlage,  es  solle  ein  französisches  Nationalconcil  gehalten  werden. 
Der  Papst  übertrug  dem  Card.  Fabroni  die  Verhandlung  mit  Amelot, 
lehnte  aber  den  Vorschlag  des  Königs  anfangs  ab.  Er  schickte  dem 
König  zuerst  ein  mahnendes  Breve  für  Noailles,  dann  ein  zweites 
mit  drei  Monitorien  mit  Fristen  von  je  fünf  Tagen;  dieses  Breve 
weigerte  sich  aber  der  König  abzugeben.  Später  war  der  Papst 
geneigt,    nach    einem  Monitorium    an  Noailles    die  Abhaltung  eines 


786  Die  Bulle  Unigenitus. 

Nationalconcils  zuzulassen  und  Card.  Casini  als  Legaten  dahin  zu 
schicken.  Der  Tod  des  Königs  1.  Sept.  1715  machte  aber  den  Un- 
terhandlungen ein  Ende. 

3.  Der  Herzog  von  Orleans,  welcher  für  den  unmündigen 
Ludwig  XV.  die  Regentschaft  führte,  nahm  anfangs  eine  andere 
Haltung  an.  Die  Assembl^e  du  Clerg^,  welche  noch  bei  Lebzeiten 
Ludwigs  XIV.  zusammengetreten  war,  censurirte  im  Oct.  1714  zwei 
umfangreiche  Werke  gegen  die  Bulle  (sie  stehen  im  span.,  aber  nicht 
im  Rom.  Index) :  Les  Hexaples  ou  les  six  colonnes  sur  la  Constitu- 
tion ünigenitus,  1714,  von  Jacques  du  Fouillou^),  und  Du  t^moignage 
de  la  v6rit6  dansTEglise;  Dissertation  th^ol.,  oh.  l'on  examine,  quel 
est  ce  temoignage  tant  en  g^n^ral  qu'en  particulier  au  regard  de 
la  demi^re  Constitution,  1714,  333  S.  12.,  von  dem  Oratorianer 
Vivien  de  la  Borde  (auch  1754*,  2  vol.  8).  Der  Regent  verbot 
aber  den  Druck  der  Censur  (Picot  1,  118).  —  Die  Sorbonne  sprach 
sich  5.  Dec.  1715  offen  gegen  die  Bulle  aus  (ähnlich  darauf  andere 
theologische  Facultäten),  und  mehr  als  30  Bischöfe  erklärten  dem 
Regenten,  sie  hätten  dieselbe  nur  unter  Beifügung  von  Erläuterungen 
angenommen,  und  baten  ihn,  er  möge  eine  Interpretation  durch  den 
Papst  erwirken.  Clemens  XL  forderte  1716  Noailles  und  die  op- 
ponirenden  Bischöfe  unter  Androhung  der  Absetzung  zur  Unterwer- 
fung auf,  wies  die  Datarie  an,  für  sie  nichts  zu  expediren,  verwei- 
gerte allen  von  dem  Regenten  ernannten  Bischöfen  die  Bestätigung, 
falls  sie  sich  nicht  zur  Publication  und  Durchführung  der  Bulle 
bereit  erklärten,  und  suspendirte  durch  ein  Breve  vom  18.  Nov. 
1716  (Bull.  cont.  2,  180)  die  der  Sorbonne  von  dem  h.  Stuhle  er- 
theilten  Privilegien.  Die  Breven  wurden  von  dem  französischen  Hofe 
und  dem  Parlament  zurückgewiesen. 

Fer.  IV.  17.  Febr.  1717  verdammte  die  Inq.  im  Auftrage  des 
Papstes  (das  Decret  füllt  bei  Arg.  III  b  606  vier  Foliospalten)  9 
Erklärungen  von  französischen  Geistlichen  aus  dem  J.  1716,  worin 
sie  ihre  Unterwerfung  unter  die  Bulle  zurücknehmen,  und  verord- 
nete, diese  Schriften,  Briefe  und  Blätter,  die  zwar  geringen  Um- 
fangs,  aber  abundantia  malitiae  teterrima  seien,  am  3.  März  vor 
Santa  Maria  sopra  Minerva  öflFentlich  zu  verbrennen  (was  mit  vieler 
Feierlichkeit  geschah).     Zum  Schlüsse  heisst  es:  Es  sind  noch  viele 


1)  Diese  erste  Ausgabe  ist  nur  ein  Band,  die  zweite,  Amst.  172 1^ 
4  Toraes  in  7  vol.  4.  Ausser  Fouillou  haben  Gabr.-Nic.  Nivelle,  d'Et^mare 
u.  a.  daran  gearbeitet.  Die  1.  Colonne  enthält  die  verdammten  Sätze  nach 
Materien  geordnet,  die  2.  den  Text  aus  Quesnel  im  Zusammenhange,  die 
3.  Stellen  aus  der  Bibel  und  Kirchenvätern,  die  4.  theologische  Erörte- 
rungen, die  5.  Stellen  aus  Quesnel  zur  Erläuterung  der  Sätze,  die  6.  die 
entgegenstehenden  Lehren  der  Jesaiten.  Die  4.  Colonne  (von  Etemare) 
erschien  auch  besonders:  Remarques  en  forme  de  dissertations  sur  lei 
propositions  condamnecs  par  la  B.  Unig.,  s.  1.  1723,  2  vol.  4.,  und  die 
historische  Einleitung  als  Histoire  du  livre  des  R^flexions  etc.,  s.  u.  — 
Der  Capuciner  Paul  de  Lyon  schrieb  Antihexaples,  dagegen  der  Maariner 
Fr.  Louvart  Lettre  d'uu  Theologien  contre  les  Antihexaples. 


Appellationen.  787 

andere  ähnliche  Briefe  gedruckt  worden  und  es  werden  fortwährend 
solche  sowie  andere  Schriften  gedruckt,  in  welchen  die  Bulle  suh- 
dole  eluditur,  temerarie  carpitur  aut  etiam  abjecto  omni  pudore  con- 
temnitur  et  impugnatur.  Es  werden  also  alle  in  irgend  welcher 
Sprache  gedruckte  oder  geschriebene,  veröffentlichte  und  zu  ver- 
öffentlichende derartige  Schriften  verdammt.  In  einem  Breve  vom 
17.  Juni  (Epist.  sei.  p.  2245)  theilte  Clemens  XI.  dieses  Decret 
einer  Anzahl  von  französischen  Bischöfen  mit  und  forderte  sie  auf, 
die  Verfasser  und  Verbreiter  solcher  Schriften  und  ihre  Hanptgönner 
aufzuspüren  (investigare)  und  zu  bestrafen,  zunächst  die  ihrer  Juris- 
diction unterstehenden  zu  suspendiren.  —  Die  in  dem  Decrete  na- 
mentlich aufgeführten  Schriften,  Erklärungen  theils  von  einzelnen 
Geistlichen,  theils  von  mehreren,  stehen  in  den  älteren  Indices  unter 
Lettre  zusammen,  seit  Ben.  drei  unter  Lettre,  je  eine  unter  Retrac- 
tations,  Barbaut,  Bellaunay,  Bizanlt,  Cambronne  und  Moulin. 

Man  sollte  in  Rom  bald  wichtigere  Documente  zu  verdammen 
bekommen.  Zwei  Tage  nach  dem  Autodefe  vor  der  Minerva,  5. 
März  1717,  erschienen  die  vier  Bischöfe  Pierre  de  la  Broue  von 
Mirepoix,  Jean  Soanen  von  S6nez,  Charles-Joachim  Colbert  von 
Montpellier  und  Pierre  de  Langle  von  Boulogne  in  der  Sorbonne 
und  Hessen  dort  ein  vom  1.  März  datirtes  Actenstück  verlesen, 
worin  sie  förmlich  an  ein  allgemeines  Concil  appellirten.  Die  Sor- 
bonne trat  dieser  Appellation  bei,  in  der  nächsten  Zeit  auch  noch 
mehrere  Bischöfe,  die  theologischen  Facultäten  zu  Rheims  und  Nantes, 
die  Generaloberen  der  Mauriner  und  der  Orato rianer,  2 — 3000  Geist- 
liche, auch  eine  Anzahl  von  Nonnen  und  Laien  ^).  —  Am  1 6.  Febr. 
1718  verdammte  die  Inq.  die  lateinische  und  französische  Ausgabe 
der  Appellation  der  4  Bischöfe  2)  und  die  Appellation  des  Card.  No- 
ailles,  die  vom  3.  April  1717  datirt  ist,  im  Dec.  ohne  sein  Zuthun 
gedruckt,  von  ihm  selbst  aber  erst  24.  Sept.  1718,  also  nach  dem 
Verbote  publicirt  wurde:  Instrnmentum  appellationis  interjectae 
die  1.  Martii  1717  ab  111.  et  Rev.  Episc.  Mirapicensi,  Senecensi, 
Montis-Pessulani  et  Boloniensi  ad  futurum  Concilium  generale  a 
Constitutione  S.  D.  N.  Clementis  P.  XL  .  .  .  necnon  ab  omnibus 
inde  secutis  aut  secuturis  et  a  gravaminibus  occasione  ejusdem  Constit. 
a  S.  D.  N.  .  .  .  illatis  vel  inferendis  seu  adv.  dictos  Episcopos  seu 
adv.  ipsis  adhaerentes,  subjunctis  conclusionibns,  quibus  dictae  appella- 
tioni  adhaeserunt  S.  Facultas  Theol.  Paris.  .  .  die  5.,  .  .  .  Remensis 


1)  Die  Appellationen  sind  gesammelt  in  La  Constitution  Unigenitus 
dSföree  k  I'^glise  universelle,  ou  recueil  des  actes  d'appel  .  .  .  Col.  1757, 
4  Fol.,  von  Gabriel-Nicolas  Nivelle,  Prieur  de  St.  66reon  in  der  Diöcese 
Nantes,  f  1761,  der  an  den  Hexaples  mitarbeitete  und  ausserdem  eine 
Relation  de  ce  qui  s'est  passe  dans  la  Faculte  de  Paris  au  sujet  de  la 
Bulle  Unig.,  7  vol.  12.,  und  unter  dem  Titel  Le  cri  de  la  foi,  1719,  3  vol.  12., 
eine  Sammlung  von  Erklärungen  gegen  die  Bulle  herausgab  (N.  E.  1761, 
58).     Es  steht  nichts  von  ihm  im  Index. 

2)  Ein  Huissier  au  Chatelet  soll  ein  Exemplar  in  Rom  an  der  Peters- 
kirche angeheftet  haben.  F.  Rocquain,  L'esprit  revolutionnaire  avant  la 
revolution,  1878,  p.  9. 

BeuBob,  Index  II,  47 


738  Die  Bulle  ünigenitus. 

die  8.  et  .  .  .  Nannetensis  die  10.  ejusdem  mensis, — Acte  d*appel 
interjeti  le  1.  Mars  1717  par  les  6veque8  de  Mirepoix. ...  —  Acte 
d^appel  de  S.  E.  Mgr.  le  Card,  de  Noailles,  Archiv,  de  Paris,  du  3. 
Avril  1717  au  Pape  mieux  conseill6  et  au  futur  Concile  g6n^ra]  de 
la  Constitution.  .  .  .  Von  beiden  Appellationen  wird  gesagt:  sie  ent- 
hielten falsche,  temeräre,  ärgemissgebende,  für  den  Papst  injnriöse, 
irrige  und  schismatische  Sätze;  in  der  ersten  hatte  die  Inquisition 
ausserdem  aufrührerische  und  ketzerische,  in  der  zweiten  der  Ketzerei 
sich  annähernde  Sätze  gefunden.  —  Der  Regent  gebot  6.  Oct.  1717 
allgemeines  Stillschweigen  über  die  kirchliche  Streitfrage,  und  das 
Parlament  unterdrückte  einige  Schriften,  u.  a.  die  Appellation  von 
Noailles,  aber  auch  das  Decret  der  Jnq. 

„Die  Appellationen  machten  in  Eom  tiefen  Eindruck.  .  .  .  Der 
Papst  änderte  sein  Verfahren  vollständig:  statt  mit  Excommuni- 
oationen  vorzugehen,  schrieb  er  25.  März  1717  einen  eigenhändigen 
väterlichen  Brief  an  Noailles".  So  Schill  S.  148.  Aber  16.  Febr. 
1718  wurden,  wie  gesagt,  die  Appellationen  verdammt  und  am  8. 
Sept.  1718,  dem  Jahrestage  der  Publication  der  Bulle  TTnigenitus, 
wurde  die  vom  28.  Aug.  datirte  Bulle  Pastoralis  officii  publicirt,  die 
Schill  S.  167  eine  Ehrenrettung  der  Bulle  Unig.  nennt.  Der  Papst 
tadelt  darin  nicht  nur  die  Gegner  dieser  Bulle,  sondern  auch  die- 
jenigen, welche  „Erklärungen  über  die  für  alle  anderen  ganz  deut- 
lichen Dinge  verlangen,  um  die  Kirche  in  nutz-  und  endlose  Fragen 
zu  verwickeln,  und  welche  durch  dieses  Verlangen  zeigen,  dass  sie 
der  Bulle  noch  nicht  den  gebührenden  Gehorsam  beweisen,  da  sie 
meinen,  es  würden  durch  dieselbe  kath.  Dogmen  oder  die  kirchliche 
Disciplin  verletzt,  was  dasselbe  ist,  als  wenn  man  fürchten  wollte, 
der  Glaube  des  h.  Petrus  habe  abgenommen  und  die  ganze  Kirche, 
durch  das  Lehramt  der  apostolischen  Stimme  unterrichtet,  sei  von 
dem  Wege  der  Wahrheit  und  des  Heiles  abgewichen."  Es  sei  nicht 
wahr,  dass  durch  die  Bulle  Sätze  und  Lehren  verdammt  würden,  die 
bisher  in  kath.  Schulen  ohne  Censur  vorgetragen  worden ;  alle  hervor- 
ragenden Schriftsteller  der  Kirche  hätten  es  immer  für  ihre  Pflicht 
gehalten,  von  dem  apostolischen  Stuhle  zu  lernen,  was  sie  zu 
glauben  und  zu  lehren  hätten;  jene  Sätze  und  Lehren  aber,  die  man 
mit  den  in  der  Bulle  verdammten  verwechsele,  würden  auch  jetzt 
noch  in  Rom  selbst  frei  vorgetragen  und  seien  also  keineswegs  ver- 
dammt^). Schliesslich  werden  diejenigen,  welche  der  Bulle  Unig. 
den  gebührenden  Gehorsam  versagen,  von  der  kirchlichen  Gemein- 
schaft mit  dem  Papste  ausgeschlossen  erklärt,  bis  sie  sich  bekehren. 
—  Diese  Bulle  wurde  von  dem  Pariser  Parlamente  zurückgewiesen. 

Am  19.  Dec.  1718  wurde  in  Rom  ein  italienisches  Edict  der 
Liq.  (Bull.  cont.  2,  404)  angeheftet,  worin  kraft  des  h.  Gehorsams 
und  unter  Androhung  der  Excomm.  1.  sent.  jedermann  aufgefordert 
wurde,  binnen  30  Tagen  bei  dem  h.  Officium  oder  dem  Ort«bischof 


1)  Wie  Card.  Querini,  Corom.  2,  1,  144  erzählt,  legte  der  Papst  auf 
diese  Erklärung  besonderen  Werth. 


Balle  Pastoralis  officii.    Corps  de  doctrine.    Acoommodement.       789 

alle  diejenijren  anzuzeigen,  von  denen  er  wisse,  dass  sie  die  Sätze 
der  Bulle  Unig.  lehren  oder  verbreiten,  die  Urheber  oder  Verthei- 
diger  derselben  loben,  vertheidigen  oder  begünstigen,  die  Verdam- 
mung derselben  tadeln  oder  ohne  gebührenden  Respect  davon  reden, 
Bücher,  Briefe  u.  s.  w.,  gedruckte  oder  geschriebene,  lesen,  welche 
direct  oder  indirect  gegen  die  Bulle  sprechen  oder  die  verboten  sind 
oder  noch  werden  verboten  werden.  Gegen  die  Delinquenten  werde 
nach  dem  Stile  des  h.  Officiums  vorgegangen  werden;  wer  nicht 
dennncire,  könne  nur  von  der  Inq.  absolvirt  werden ;  anonyme  Briefe 
seien  nicht  genügend  und  würden  von  dem  h.  Off.  nicht  berücksichtigt. 

Die  vier  Bischöfe,  die  zuerst  appellirt  hatten,  appellirten 
im  April  1719  auch  von  der  Bulle  Pastoralis  und  von  dem  Inqui- 
sitionsdecrete  vom  16.  Febr.  1718;  der  kurzen  Appellation  wurde 
eine  ausführliche  Denkschrift  beigefügt:  Memoire,  dans  lequel  on 
fait  voir  la  n^cessit^  d'un  Goncile  gen^ral  pour  rem^dier  aux  maux 
de  TEglise  et  oü  Von  d^duit  les  motifs  de  Tappel  interjet^  au  future 
Concile  .  .  (in  den  Oeuvres  de  Colbert  1,  19 — 260).  Diese  Appel- 
lation und  die  anderer  Bischöfe  wurde  nicht  ausdrücklich  verdammt, 
auch  nicht  die  Noailles  vom  3.  Oct.  1718,  wohl  aber  eine  von  ihm 
bei  der  Veröffentlichung  seiner  Appellation  in  Aussicht  gestellte  und 
1719  gedruckte  Premiere  Instruction  pastorale  de  S.  E.  Mgr.  le  Card, 
de  Noailles,  Archiv,  de  Paris,  au  clerg^  seculier  et  regulier  de  son 
dioc^se  sur  la  Const.  Unig.,  und  zwar  durch  ein  besonderes  Decret 
von  Fer.  V.  3.  Aug.  1719  (Bull.  cont.  2,  404),  als  Sätze  enthaltend, 
die  resp.  falsch,  .  .  .  für  alle  katholischen  Bischöfe,  namentlich  die 
französischen,  und  den  apost.  Stuhl  injuriös  .  .  .  sohismatisch  und 
ketzerisch  seien. 

4.  Im  J.  1719  fing  der  Regent  unter  dem  Einflüsse  des  be- 
rüchtigten Abb^  (seit  1723  Cardinal)  Dubois  an,  seine  Politik  zu 
ändern.  Am  5.  Juni  gebot  er  wieder  für  ein  Jahr  Schweigen. 
Dann  wurde  unter  dem  Einflüsse  des  Hofes  ein  Corps  de  doctrine, 
eine  Art  von  Interpretation  der  Bulle,  ausgearbeitet  und  vor  und 
nach  von  den  meisten  Bischöfen  unterschrieben ,  auch  von  Noailles 
(13.  März  1720)  und  einigen  anderen  Appellanten.  Durch  eine 
königliche  Declaration  vom  4.  Aug.  1720  wurde  dann  verordnet, 
nichts  gegen  die  Bulle  und  das  Corps  de  doctrine  zu  lehren  oder 
zu  veröffentlichen  und  die  Appellation  an  das  Concil  als  nichtig  an- 
zusehen. Das  Parlament  nahm  diese  Declaration  widerstrebend  an 
(Rocquain  p.  22).  Noailles  veröffentlichte  18.  Nov.  1720  ein  Man- 
dement,  worin  er  die  Bulle  mit  Erklärungen  acceptirte.  Auch  viele 
andere  Appellanten  nahmen  jetzt  ihre  Appellation  zurück.  —  In 
Kom  wurde  dieser  Ausgleich  nicht  gerne  gesehen;  aber  Card.  Fa- 
broni  drängte  vergebens  den  Papst  zu  schärferm  Vorgehen. 

Von  den  vielen  Schriften,  die  um  diese  Zeit  über  das  Acoom- 
modement erschienen,  kamen  —  erst  1727  —  folgende  in  den  In- 
dex: Memoire  pour nosseigneurs  duParlement  sur  l'enregistrement 
de  la  declaration,  qui  autorise  Taccommodement  conclü  entre  plu- 
sieurs  eveques  touchant  la  Constit.  Unig.  —  Pensäes  d'un  ma- 
gistrat  ftur  la  declaration    qui  doit  etre  portie   au  Parlement,    1720 


740  Die  Balle  Unigenitus. 

(von  Duguet).  —  Memoire  sur  le  droit  de  la  Faculti  de  TWol. 
de  Paris,  d'etre  entendne  sur  les  d^cisions  de  doctrine  propos^es  pour 
servir  de  loi  dans  le  royaume  (von  Ducomet),  —  Relation  de  ce 
qui  s^est  passe  dans  Tassemblöe  de  Sorbonne  du  4.  Juin  1721,  — 
Les  tr^s-humbles  remonstrances  de  la  Facult6  de  Th^ol.  de  Paris 
au  Roy  (Aug.  1721),  —  Relation  de  ce  qui  s'est  passd  au  Parle- 
ment  de  Ronen  au  sujet  de  la  d^claration  du  4.  Aoüt  1720  touchaDt 
la  conciliation  des  ^veques,  —  Memoire  pour  justifier  l'usage  des 
requ^tes  de  la  part  des  parties  interessees  toucbant  renregistrement 
des  edits  et  d^clarations  du  Roy^). 

Der  Ausgleich  veranlasste  die  vier  Bischöfe,  die  zuerst  appel- 
lirt  hatten,  im  Nov.  1720  ein  vom  10.  Sept.  datirtes  Actenstück  zu 
publiciren,  worin  sie  ihre  Appellation  wiederholten  (Oeuvres  de  Col- 
bert  1,  264).  Mehrere  Bischöfe  und  etwa  1500  Welt-  und  Ordens- 
geistliche schlössen  sich  ihnen  an.  Es  wurden  mehrere  Listen  von 
Reappellanten  veröffentlicht.  Zwei  von  diesen  und  einige  auf  die 
Reappellation  bezügliche  Schriften  kamen  —  gleichfalls  1727  —  in 
den  Index:  Liste  des  chanoines,  curez,  docteurs  et  ecclesiastiques 
seculiers  et  reguliers  de  la  ville  et  du  dioc^se  de  Paris,  qui  ont 
d^clar^  qu^ils  persistent  dans  leur  appel,  —  Liste  premiere  des 
chanoines  .  .  .  des  diff^rents  dioceses  de  France,  qui  ont  declar^ 
.  .  .  Avertissement  sur  la  d^claration  .  .  .  de  plusieurs  religieux 
Ben^diotins  .  .  .,  —  Avertissemens  sur  les  lettres  suivantes: 
.  .  .  .  Lettre  au  R.  F.  D.  Thierry  de  Viaixnes  k  Toccasion  de  son 
renouvellement  d'appel,  —  Lettre  d'un  thc^ologien  aux  RR.  PP. 
B^nedictins  des  congr^gations  de  St.  Maur  et  de  St.  Vanne  pour  les 
exhorter  ä  continuer  de  defendre  le  christianisme  renvers^  par  la 
Constit.  Unig.  (21.  Juli  1721),  14  S.  4.,  —  Lettre  ä  un  magistrat, 
oü  Ton  examine,  si  ceux  qui  ont  d^clare  qu'ils  persistent  dans  leur 
appel,  peuvent  etre  accus^s  d'imprudence,  1721,  14  S.  4.  — Gleich- 
zeitig wurde  verb.  La  tour  de  Bable,  ou  la  division  des  ^v^ues 
de  France  qui  ont  eu  part  a  la  Constit.  Unig.  depuis  Ta.  1714,  ein 
Tableau,  worin  die  französischen  Bischöfe  je  nach  ihrer  Stellung  zu 
der  Bulle  in  nicht  weniger  als  27  Gruppen  geordnet  waren  ^). 

5.  Clemens  XL  starb  19.  März  1721.  Von  seinem  Naclifolger 
Innocenz  XIII.  (1721 — 24)  soll  Card,  de  Gesvres  gesagt  haben: 
Conti  n'est  pas  favorable  k  la  Constitution,  mais  Innocent  XIII.  y 
est  attache  et  il  est  entrainä  par  la  cour  de  Rome^).  An  ihn 
richteten  sieben  Bischöfe,  —  der  frühere  Bischof  von  Toumay,  die 
Bischöfe  von  Pamiers,  Sinez,  Montpellier,  Boulogne,  Auxerre  und 
Macon;  der  von  Mirepoix  und  drei  andere  Appellanten  waren  ge- 
storben, —  unter  dem  9.  Juni  1721  ein  Schreiben,  worin  sie  um 
die  Cassirung  der  Bulle  Unig.  und  um  Berufung  eines  allgemeinen 
Concils  bitten.     Es  wurde  im  Nov.  1721  lateinisch   und  französisch 


1)  Eist,  des  Refl.  II,  444.  457.  UI,  1,  80.  67. 

2)  Eist,  des  Refl.  II,  610.   III,  1,  37.  50.  71. 

3)  Eist,  des  Kefl.  III,  5,  61.  S.  o.  S.  481. 


Reappellationen.    B.  Colbert  von  Montpellier.  741 

gedruckt:  Epistola  111.  ac  Eev.  Ecclesiae  Principum  ....  ad  S. 
D.  Innocentium  P.  XIII.  occasione  Constitutionis  Unig.  (90  S.  4., 
abgedr.  Oeuvres  de  Colbert  1,  303,  angeblich  von  dem  Abb6  Bour- 
sier  verfasst),  und  8.  Jan.  1722  von  der  Inq.  verdammt  als  viele 
für  die  katb.  Bischöfe,  namentlich  die  französischen,  und  für  Clemens 
XI.,  den  jetzigen  Papst  und  den  apost.  Stuhl  injuriöse  Sätze  enthal- 
tend und  als  im  Ganzen  schismatisch  und  voll  ketzerischen  Geistes. 
In  Breven  an  den  König  und  den  Eegenten  vom  24.  März  1722 
(Arg.  III  b  476)  klagte  Innocenz  XIII.  über  schismatische  Briefe 
einiger  Bischöfe,  ermahnte  den  König,  für  die  Wahrheit  einzutreten, 
und  erklärte  sich  auch  gegen  den  Ausgleich,  ohne  ihn  ausdrücklich 
zu  nennen. 

Der  Staatsrath  unterdrückt«  19.  Apr.  1722  das  Schreiben  der 
7  Bischöfe.  Darauf  veröflTentlichten  sie  im  Juli  eine  Lettre...  au 
Roy,  au  sujet  de  Tarret  du  conseil  d^etat  contre  la  lettre  des  sus- 
dits  prelats  k  N.  S.  P.  le  Pape  Innocent  XIII.  (abgedr.  Colbert 
1,  355),  von  der  Inq.  verb.  23.  Sept.  1723.  Gegen  eine  umfang- 
reiche Instruction  pastorale  des  Card,  de  Bissj,  Bischofs  von  Meaux, 
eines  der  eifrigsten  Acceptanten  ^),  veröffentlichten  sechs  der  genann- 
ten Bischöfe  (der  von  Tournay  betheiligte  sich  nicht)  eine  Entgeg- 
nung (228  S.  4.,  bei  Colbert  1,  387),  die  mit  einem  kurzen  Schreiben 
dem  Könige  übersandt  wurde:  Lettre  .  .  .  au  Boy,  par  laquelle 
ils  supplient  Sa  Maj.  de  se  faire  rendre  compte  de  leur  riponse  k 
l'Instr.  past.  de  M.  le  Card,  de  Bissy,  von  der  Inq.  verb.  13.  Febr. 
1 725.  —  Der  Bischof  Languet  von  Soissons  (später  Erzbischof  von 
Sens)  schrieb  eine  ganze  Reihe  von  Instructions  past.,  Lettres,  Aver- 
tissements  u.  s.  w.  zu  Gunsten  der  Bulle.  In  einem  Schreiben  an 
den  Bischof  von  Boulogne  vom  J.  1720  griff  er  die  vier  ersten  Ap- 
pellanten an;  dagegen  erschien  Lettre  de  Mgr.  TEv.  d'Auxerre 
(Charles  de  Caylus)  k  TEv.  de  Soissons  k  Toccasion  de  ce  que  ce 
prälat  dit  de  lui  dans  sa  premiere  lettre  k  TEv.  de  Bonlogue  (vom 
Nov.  1721,  38  S.  4.),  von  der  Inq.  verb.  Per.  IV.  14.  Juli  1723 
als  voll  schismatischen  und  haeretischen  Geistes  (Arg.  III  b  608). 
Andere  Streitschriften  gegen  Languet  von  den  Bischöfen  von  Au- 
xerre  und  Boulogne   und  anderen^)   stehen  nicht  im  Index. 

Unter  den  appellirenden  Prälaten  trat  besonders  hervor  Char- 
les-Joachim de  Colbert  de  Croissy,  geb.  1667,  seit  1697  Bischof 
von  Montpellier,  t  1738.  Als  im  J.  1722  die  Unterzeichnung  des 
Formulars  Alexanders  VII.  wieder  verlangt  wurde,  ordnete  er  die- 
selbe mit  einer  Erklärung  an,  worin  unter  Bezugnahme  auf  die  Paix 
de  Clement  IX.  die  Unterscheidung  von  Droit  und  Fait  aufrecht  er- 
halten wurde.  Diese  Erklärung  wurde  von  dem  Staatsrathe  cassirt. 
Dagegen  veröffentlichte  Colbert  Tr^s-humbles  remonstranoes  au  Roy 
au  sujet  de  Tarret  du  conseil  d'^tat  de  Sa  Maj.  du   11.  Mars  1723 


1)  Fenelon  sagte  1710  (Corr.  1,  872)  von  ihm:  Bissy  est  un  bon 
homme,  mais  une  fort  mödiocre  tete.  II  erneut  tont  et  ne  rSsout  rien, 
oomme  le  soleil  de  mars. 

2)  Eist,  des  Refl.  II,  560.  ÜI,  1,  145.  149;  2,  174.  178  u.  s.  w. 


742  Die  Bulle  Unigenitas. 

(vom  2.  Mai  1724)  und  etwas  später,  4.  Juni  1724  Lettre  pa- 
storale  au  sujet  des  troubles  excites  dans  son  diooSse  et  de  quel- 
ques libelles  repandus  dans  le  public  ä  Toccasion  de  la  signature  du 
formulaire  (beide  in  den  Oeuvres  1,  639 — 722).  Die  Remonstranz 
wurde  von  dem  Staatsrath  21.  Sept.  1724  unterdrückt,  beide  Acten- 
stüoke  13.  Febr.  1725  von  der  Inq.  verb.,  gleichzeitig  Lettre  de  M. 
Duguet  k  TEv.  de  Montpellier  au  sujet  de  ses  remonstrances  au 
Roy,  25.  Juillet  1724,  —  Duguet  schliesst  sich  darin  Colbert  offen 
an  und  erklärt,  da  die  anderen  Bischöfe  schwiegen,  so  sei  er  mit 
dem  Episoopat  solidaire  bekleidet  (Dict.  Jans.  2,  431),  —  alle  drei 
als  temeräre  und  für  den  apost.  Stuhl  injuriöse  Sätze  enthaltend  und 
im  Ganzen  voll  schismatischen  und  ketzerischen  Geistes.  Schon 
1722  wurde  verb.  Du  refus  de  signer  le  formulaire,  ponr  servir 
de  riponse  k  un  ecrit  qui  a  pour  titre:  Second  preservatif. 

In  dem  oben  erwähnten  Inquisitionsdecrete  vom  14.  Juli  1723 
werden  ausser  dem  Briefe  von  Caylus  noch  verdammt:  Ordonnance 
et  instr.  past.  de  Mgr.  l'Ev.  et  Comte  de  Rhodez  (Rodez,  de  la 
Vove  de  Tourouvre)  pour  la  condamnation  du  Traite  des  aotes  hu- 
maines,  dicte  au  College  de  Rhodez  par  le  P.  Cabrespine  Jesuite, 
1722,  und  Mandement  de  Son  Altesse  Mgr.  Frangois- Armand  de 
Lorraine,  Ev.  de  Bayeux,  contenant  le  jugement  qu^il  a  porte  sur 
differentes  propositions  qui  lui  ont  et6  denonc6es,  Par.  1722  (30 
S.  4.,  angeblich  von  Petitpied  verfasst),  beide  als  einige  verdach- 
tige, für  den  apost.  Stuhl  injuriöse  und  verdammten  Irrthömem 
günstige  Sätze  und  Meinungen  enthaltend,  und  mit  der  Erklärung, 
durch  ihre  Verdammung  solle  über  die  darin  censurirten  Sätze  kein 
Urtheil  abgegeben  werden^).  Die  drei  Bischöfe  beschwerten  sich 
1724  in  einem  gemeinsamen  Schreiben  an  Benedict  XIII.  über  dieses 
Decret  (N.  E.  1735,  119).  Aber  13.  Febr.  1725  verdammte  die 
Inq.  von  dem  Bischof  Franz  von  Lothringen  von  Bayeux  nochmals 
eine  Ordonnance  et  instr.  past.,  portant  condamnation  de  deux  libelles 
intitulez.  Tun :  Instruction  en  forme  de  catechisme  au  sujet  de  la 
Constit.  Unig.,  Tautre:  Instr.  th^ol.  pour  servir  de  reponse  ^  un 
libelle:  Entretien  familier  au  sujet  de  la  Constit.  Unig.,  1724  (Hist. 
des  Refl.  lY,  68),  als  mehrere  für  katholische,  namentlich  franzö- 
sische Bischöfe,  für  Se.  Heiligkeit  und  den  apost^  Stuhl  injuriöse, 
schismatische  und  die  Ketzerei  begünstigende  Sätze  enthaltend. 

Von  den  Bücherverboten  aus  der  Zeit  Innocenz'  XIII.  sind 
noch  folgende  1722  von  der  Inq.  erlassene  zu  erwähnen:  Memoire 
dans  le  quel  on  examine,  si  Tappel  interjet^  au  future  Goncile  gen. 
.  .  .  est  legitime  et  canonique,  s.  1.  1717;  Nouveau  memoire  sur 
les  appels  des  jugemens  eccl.,  s.  1.  1717;  Dänonciation  k  M.  le 
Prooureur-gäneral    du  Parlement  de  Dijon    d'un  libelle:     Lettre  de 


1)  Der  Erlass  des  Bischofs  von  Rhodez  ist  durch  Sätze  aus  der  Dog- 
matik  und  Moral  veranlasst,  die  Cabrespine  vorgetragen  und  die  eine  Reihe 
von  Streitschriften  hervorriefen;  der  des  Bischofs  von  Bayeux  ist  gegen 
den  Jesuiten  de  Genne  gerichtet.  Hist.  des  R^fl.  III,  8,  52;  III,  5,  106. 
Fleur.  71,  310. 


Opposition  in  den  Niederlanden.  743 

l'eveque  de  Chalons  ...  an  snjet  de  son  mandement  sar  le  livre 
des  Hexaples  (S.  736),  s.  1.  et  a.;  Observationes  in  quinque 
epistolaa,  quae  circamferuntur  nomine  Universitatis  Salmanticensis 
.  .  .  8.  1.  1716,  Bemerkungen  zu  den  Briefen,  welche  die  Univer- 
sität Salamanca  veröffentlichte,  als  das  Gerücht  ging,  sie  habe  gegen 
die  Bulle  protestirt  (Fleur.  69,  171). 

6.  Auch  in  den  Niederlanden  fand  die  Bulle  Unigenitus  unter 
den  Geistlichen  vielfache  Opposition.  Die  Utrechter  Kirche  schloss 
sich  1719  der  Appellation  an.  Der  Nachfolger-  des  Erzbischofs 
Precipiano  von  Mecheln,  d'Alsace  de  Bossu,  und  die  übrigen  belgi- 
schen Bischöfe  bemühten  sich  für  die  Durchführung  der  Bulle,  und 
die  Löwener  Universität  nahm  sie  1715  an.  Im  J.  1720  ging  Ser- 
vals Hoffreumont,  geb.  1665  zu  Verviers,  seit  1705  Pfarrer  zu 
Graoe  bei  Lüttich,  mit  einer  Vollmacht  von  75  Geistlichen,  worunter 
auch  van  Espen,  nach  Wien,  um  Carl  VI.  um  Schutz  für  die 
Gegner  der  Bulle  zu  bitten.  1723  wurde  aber  zu  ihren  Ungunsten 
entschieden,  Hoffreumont  wurde  abgesetzt  und  ging  wie  van  Espen 
nach  Amersfort,  f  1737 1).  —  Im  Index  stehen  von  belgischen 
Schriften:  Memoire  sur  la  publication  de  la  Bulle  Unig.  dans  les 
Fajs-Bas,  1714,  von  der  Inq.  verb.  12.  Sept.  1714;  das  Schriftchen 
empfiehlt  der  Regierung,  das  Placet  zu  verweigern  (Hist.  des  li6fl. 
I,  98);  —  La  faillibilitä  des  Papes  dans  les  döcisions  dogmati- 
ques  demonstree  par  toute  la  tradition,  d'oü  il  resulte,  qu'on  n^est 
point  Obligo  de  recevoir  aveuglement  la  Constit.  Unig.  ni  aucune 
autre  däcision  des  Souverains  Pontifes.  Avec  des  remarques  sur 
une  lettre  au  Pape  de  M.  PArchev.  de  Malines  et  des  autres  ävS- 
ques  du  Pajs-Bas,  2  vol.,  s.  1.  1704  und  1720,  von  der  Inq.  verb. 
29.  Juli  1722  (von  Hoffreumont  verfasst);  —  Antiquae  Faoultatis 
Lovaniensis  qui  adhuc  superstites  sunt  discipuli  ad  eos,  qui 
hodie  Lovanii  sunt,  theologos  de  declaratione  S.  Fac.  Th.  Lov.  recen- 
tioris  circa  Constit.  Unig.,  1716,  374  S.  12.,  erst  1734  verb.,  von 
Opstraet 

In  Italien  wurde  der  Bischof  von  Orvieto  1719  als  Gegner 
der  Bull.  Unig.  denuncirt,  verhaftet  und  in  die  Engelsburg  gesetzt. 
Er  musste  27.  Juli  feierlich  abschwören  und  wurde  für  Lebenszeit 
in  ein  Kloster  verwiesen  (Fleur.  70,  269 ;  um  dieselbe  Zeit  wurden 
5  Personen  wegen  Atheismus  processirt;  sie  schworen  ab  und  wurden 
theils  zu  lebenslänglichem,  theils  zu  jahrelangem  Gefängniss  ver- 
urtheilt;  ein  Abate  Yolpini  wurde,  es  wird  nicht  angegeben  wes- 
halb, zum  Tode  verurtheilt,  aber  zu  lebenslänglichem  Gefängniss 
begnadigt). 

7.  Auf  Innocenz  XIII.,  f  7.  März  1724,  folgte  der  75  jährige 
Card.  Orsini  als  Benedict  XIII.  (1724 — 30).     Er   war  Dominicaner 


1)  V.  Espen  Opp.  5,  842.  Vie  de  van  Espen  p.  130.  Fleur.  71,  180. 
Paquot  8,  288.  Memoires  hist.  sur  Taffaire  de  la  B.  Unigenitus  dans  les 
Pays-Bas  Autrichiens,  principalement  depuis  son  arrivee  en  1713  jusqu'en 
1730.  Brux.  1755*,  4  vol.  8.  (von  Dupac  de  Bellegarde).  Das  Buch  steht 
nicht  im  Index. 


744  Die  Bulle  Unigenitns. 

und  Thomist  nnd  nicht  abgeneigt,  Erklärungen  über  die  Bnlle  Unig. 
zu  geben,  welche  die  Unzufriedenen  beschwichtigen  könnten.  Aber 
die  meisten  Cardinäle  und  Curialisten  waren  dagegen,  weil  sie  darin 
eine  Abschwächung  der  päpstlichen  Autorität  erblickten,  und  die 
constitutionellen  französischen  Bischöfe,  weil  sie  einmal  eifrig  für 
die  Bulle  Partei  ergriffen  hatten.  Schon  6.  Nov.  1724  erliess  er, 
da  der  Dominicaner-General  Pipia  ihm  vorstellte,  dass  die  Bulle 
vielfach  gegen  die  Gnadenlehre  seines  Ordens  ausgebeutet  werde, 
ein  Breve  (Bull.  cont.  2,  478),  worin  er  es  als  selbstverständlich 
bezeichnet,  dass  die  Lehren  des  h.  Augustinus  und  Thomas  von 
keinen  Censuren  der  Bulle  getroffen  würden.  In  demselben  Sinne 
sprach  er  sich  später  in  einer  Bulle  vom  26.  Mai  1727  aus.  P.  Gra- 
veson  und  andere  meinten,  wenn  der  Papst  erkläre,  die  Lehre  von 
der  Gratia  per  se^effioax  sei  festzuhalten  und  bei  der  Verwaltung 
der  Sacramente  habe  man  sich  an  die  Grundsätze  des  h.  Carl  Bor- 
romaeus  zu  halten,  so  werde  ein  grosser  Theil  der  Appellanten  die 
Bulle  annehmen.  Auf  einer  solchen  Grundlage  wurde  denn  aucli 
mit  dem  Card.  Noailles  unterhandelt.  £s  handelte  sich  bei  diesen 
Unterhandlungen,  so  weit  sie  von  den  einem  Ausgleich  günstig 
Gesinnten  geführt  wurden,  hauptsächlich  darum,  ob  der  Papst  zu- 
erst Erklärungen  geben  oder  zuerst  die  Appellation  zurückgezogen 
werden  solle.  Die  Gegner  des  Ausgleichs,  in  Frankreich  nament- 
lich die  Cardinäle  Bissy  und  fiohan,  wirkten  darauf  hin,  dass  über- 
haupt keine  Erklärung  gegeben  und  eine  unbedingte  Unterwerfung 
gefordert  werde.  —  Als  Basis  der  Unterhandlungen  dienten  12  Ar- 
tikel, die  Noailles  dem  Papste  vorlegte  als  eine  kurze  Darlegung 
dessen,  was  er  und  die  anderen  opponirenden  Bischöfe  als  Lehre 
der  Kirche  über  die  in  der  Bulle  berührten  dogmatischen  Punkte 
ansähen^).  Der  Papst  persönlich  war  geneigt,  diese  Artikel,  etwa 
in  Form  eines  Breves  gutzuheissen.  Aber  die  Cardinäle  und  Theo- 
logen, denen  er  die  Sache  vorlegte,  erklärten,  Noailles  müsse  ein- 
fach die  Bulle  an-  und  seine  Appellation  zurücknehmen.  In  Frank- 
reich wurden  die  12  Artikel,  als  sie  1725  als  Explications  de  N. 
S.  P.  Benott  XIII.  envoyies  en  France  au  mois  de  Mars  1725  sur 
la  Bulle  Unig.  gedruckt  erschienen,  von  mehreren  Bischöfen  offen 
bekämpft,  von  dem  Bischof  von  Montpellier  u.  a.  vertheidigt.  Der 
Minister  Fleury,  Bischof  von  Fr^jus  (später  Cardinal)  soll  sie  als 
zu  Jansenistisch  bezeichnet  haben;  sie  wurden  von  dem  Staatsrath 
unterdrückt  (Rocquain  p.  42).  —  Einen  Druck  suchte  man  auf 
Noailles  und  die  anderen  opponirenden  Bischöfe  auch  dadurch  aus- 
zuüben, dass  ihren  Diöcesen  1726  der  Jubiläums- Ablass  vorent- 
halten wurde. 

Anfangs  1727  ging  das  Gerücht,  Noailles  werde  sich  unter- 
werfen. 30  Pariser  Pfarrer  baten  ihn  in  einem  (im  Febr.  gedruckten) 
Briefe,  standhaft  zu  bleiben;  viele  andere  stimmten  ihnen  zu.  Im 
April  wurden   die  Unterhandlungen    abgebrochen,    und    es  erschien 


1)  Hist.  des  Refl.  lY,  341.  Fleur.  70,  488.  Laemmer,  Melet.  p.  403. 


Yerhandlangen  mit  Card.  Noaiiles.  Römisches  Concil  von  1725.     745 

nun  eine  im  Auftrage  von  Noaiiles  verfasste  (aber  nicht  in  seinem 
Auftrage  gedruckte)  Relation  de  ce  qui  s'est  passe,  tant  ä  Rome, 
que  de  la  part  de  M.  le  Card,  de  Noaiiles,  sur  Taffaire  de  la  Con- 
stitution, depuis  l'exaltAtion  de  N.  S.  P.  le  Pape  Benoit  XIII.  Sie 
wurde  17.  Sept.  1727  verb.  (sie  steht  erst  seit  Ben.  im  Index)  und 
im  Auftrage  des  Papstes  ein  anderer  Bericht  von  dem  Assessor 
8.  Ojff.  (später  Card.)  Ansidei  italienisch  und  französisch  veröffent- 
licht^). —  Während  der  Unterhandlungen  mit  Noaiiles  erschien  ein 
Decret  der  Inq,  vom  13.  Febr.  1725,  worin  mehrere  Actenstücke 
von  französischen  Bischöfen  verdammt  wurden,  2.  Sept.  1727  ein 
Decret  der  Index-Congr.,  worin  ausser  vielen  bereits  erwähnten 
Schriften  verb.  wurden:  Discours  de  Mr.  Joalin  Sindic  (bei  Ben. 
richtig  Jo Ilain,  jetzt  Joallain),  ein  von  dem  Syndicus  der  Sor- 
bonne nach  dem  Tode  Clemens'  XI.  1721  gehaltener  Vortrag  (Hist 
des  R6fl.  III,  1,  6),  —  Maxim  es  chr^tiennes  sur  le  devoir  de 
parier  en  faveur  de  la  v^rite,  —  und  Supplement  au  memoire  de 
parier  en  faveur  de  la  v^rite  (ein  Mem.  oüi  Ton  etablit  le  devoir 
.  .  .  verit^  par  rapport  a  ceux  qui  ne  regoivent  ni  la  Constit.  ünig. 
ni  l'accommodement,  48  S*.  4.,  wurde  1721  vom  Parlament  verb.; 
Bist,  des  Refl.  II,  555). 

8.  Das  im  J.  1725  von  Benedict  XIII.  gehaltene  Römische 
Provincial-Concil  ist  für  die  Geschichte  der  Bulle  Unig.  nur  inso- 
Tem  von  Bedeutung,  als  in  dem  gedruckten  Texte  desselben  (Coli. 
Lac.  1,  346)  den  Bischöfen  befohlen  wird,  dafür  zu  sorgen,  dass 
liese  Bulle,  quam  nos  tanquam  fidei  regulam  agnoscimus,  omnimoda 
ic  debita  obedientia  et  executione  observetur,  und  behauptet  wird, 
der  Zwischensatz  quam  .  .  .  agnoscimus  sei  von  dem  Secretär  des 
[!oncils,  Antonio  Fini,  später  Cardinal,  nachträglich  beigefugt  worden^). 
—  Warum  das  Diario  del  Concilio  Romano  celebrato  in  S.Giovanni 


1)  Hist.  des  Refl.  IV,  82.  175.  Nur  im  span.,  nicht  im  Rom.  Index 
rieben :  Anecdotes  ou  memoires  secrets  sur  la  Constit.  Unig.,  1730 — 83, 
J  vol.  12.,  von  J.  Fr.  Bourgoin  de  Villefore  nach  den  ihm  von  Noaiiles 
felieferten  Materialien  verfasst  (N.  E.  1731,  140.  Reuchlin  2,  33);  —  Journal 
ie  M.  l'abbc  d'Orsanne  (General vicar  Noaiiles',  f  1728)  contenant  Phist. 
$t  les  anecdotes  de  ce  qui  s'est  passe  k  Rome  et  en  France  dans  Pafifaire 
ie  la  Constit.  ünig.,  2  vol.  4.  (6  vol.  12.,  2.  Ed.  1756).  —  Villefore  hat 
1.  a.  die  Briefe  benutzt,  die  Noaiiles  von  dem  Lazaristen  Philopald  de  la 
3aye  (1674 — 1762)  erhielt,  der  Generalprocurator  seiner  Congregation  in 
[tom  und  ein  Agent  von  Noaiiles  war.  Er  schrieb  1714  gegen  die  Bulle 
Lettera  d'un  vescovo  di  Francia  al  Card.  Fabroni,  72  S.  12.,  wurde  1716 
ius  Rom  ausgewiesen,  1724  ans  seiner  Congregation  ausgeschlossen,  von 
lern  Bischof  Caylus  angestellt  und  starb  als  Appellant  (Corr.  de  Fen.  11, 
)50). 

2)  Hist.  des  Refl.  IV.  353.  Fleur.  72,  8.  In  den  N.  E.  1781,  113  ist 
nne  Erklärung  des  Card.  Marefoschi,  in  der  dieses  behauptet  wird,  abge- 
Iruokt;  vgl.  1782,  200.  Eine  ähnliche  notarielle  Erklärung  von  Msgr. 
3ottari  vom  2.  Jan.  1761  ist  abgedruckt  im  Journal  de  correspondances 
)t  de  voya^es  d Italic  et  d'Espagne  pour  la  paix  de  P^glise  en  1758,  1768 
)t  1769.  Par  M.  Clement,  alors  tesorier  de  l'egl.  d'Auxerre  et  depuis 
iveque  de  Versailles  (Paris  an  X.  1802,*  3  vol.  8.)  1,  275. 


746  Die  Bulle  Unigenitus. 

Laterano  Tanno  del  giubileo  1725,  sotto  il  pontificato  di  P.  Bene- 
detto  XIII.,  Rom  (Venedig)  1728,  sofort  verb.  und  der  Heraus- 
geber, Primicerio  der  Kathedrale  zu  Bologna,  mit  grossem  Eclat 
von  der  Inq.  verhaftet  wurde  (N.  E.  1728,  182),  ist  nicht  klar. 
Erklärlicher  ist,  dass  Jo.  Georgii  Walchii  Commentatio  de  con- 
cilio  Lateranensi  a  Benedicto  XIII.  celebrato,  Lpz.  1727,  1729 
verb.  wurde. 

Wichtiger  ist  für  uns  das  vom  16.  Aug.  bis  26.  Sept.  1727 
unter  dem  Vorsitze  des  Erzbischofs  Pierre  de  Guerin  de  Tencin 
gehaltene  und  von  Benedict  XIII.  durch  ein  Breve  vom  17.  Dec. 
1727  plenissime  bestätigte  Provincialconcil  von  Embrun  (Coli.  Lac. 
1,  635.  727),  auf  welchem  einer  der  standhaftesten  Gegner  der 
Bulle,  der  achtzigjährige  Jean  Soanen,  seit  1695  Bischof  von 
Senez,  suspendirt  wurde  (er  wurde  darauf  in  der  Abtei  Chaise-Dlen 
internirt,  wo  er  erst  25.  Dec.   1740  starb). 

Im  J.  1726  hatte  sich  das  Gerücht  verbreitet,  er  sei  gestorben. 
Darauf  erschien  im  Jan.  1727  eine  vom  28.  Aug.  1726  datirte  In- 
struction past.  de  M.  TEv.  de  S6nez,  dans  laquelle  k  l'occasion  des 
bruits  qui  se  sont  repandues  de  sa  mort,  il  rend  son  clerge  et  son 
peuple  d^positaires  de  ses  derniers  sentiments  sur  les  contestations 
qui  agitent  l'Eglise^).  Dieser  Hirtenbrief  wurde  von  dem  Concil 
von  Embrun  ganz  im  Stile  der  Eömischen  Inquisision  als  temerär, 
für  die  Kirche,  die  Bischöfe  und  die  königliche  Autorität  injuriös, 
schismatisch,  voll  des  ketzerischen  Geistes  u.  s.  w.  unter  Androhung 
der  dem  Bischof  reservirten  Exoomm.  1.  sent.  verboten  und  der  Bi- 
schof, weil  er  trotz  der  canonischen  Warnungen  ihn  nicht  habe  zu- 
rücknehmen wollen,  für  suspendirt  erklärt. 

Der  Hirtenbrief  steht  merkwürdiger  Weise  nicht  im  Index, — 
Testament  spirituel  en  date  du  28.  Mars  1735,  verb.  1742,  ist  ein 
anderes  Schriftchen    von   wenigen  Blättern*),  —    aber  ein   30.  Oct. 


1)  Picot  4,  178  sagt,  dieser  Hirtenbrief  sei  von  dem  Abb6  Cadry 
(Darcy,  f  1756)  vcrfasst,  auch  die  meisten  anderen  unter  Soaneos  Namen 
erschienenen  Schriften  seien  von  anderen  verfasst,  vielleicht  alle,  sogar 
seine  Sermons.  Dass  aber  Soanen  wenigstens  ein  guter  Prediger  war, 
bezeugt  Bossuet,  der  im  J.  1700  (38,  78)  schreibt:  Nous  avons  ici  Peveque 
de  Senez  qui  enchante  toute  la  ville  de  Toulouse  par  ses  sermons.  Bocquain 
p.  48  sagt  von  dem  Urtheil  des  Concils:  On  frappait  un  pr^lat  univer- 
sellement  estime,  qui  avait  preche  toute  sa  vie  avec  eolat,  se  oonduisait 
en  apotre  dans  son  dioc^se  et  donnait  tout  aux  pauvres.  D  n'dtait  pas 
jusqu'  aux  noms  des  juges  qui  ne  deshonorat  cette  sentence.  „F16au  des 
honnetes  gens,  simoniaque,  incestueux,  mauvais  citoyen,  honni  et  meprise 
partout",  ainsi  etait  qualifie,  quelques  annees  aprds,  par  le  marquis  d'Ar- 
genson,  Pabbe  de  Tencin,  archöv.  d'Embrun  (vgl.  p.  63.  99).  Er  wurde 
1789  Cardinal,  1740  Erzbischof  von  Lyon,  f  1768.  —  Die  Hist.  de  la 
condamnation  de  M.  de  Senez  par  les  prelats  assembles  k  Embrun,  1728, 
164  S.  4.,  steht  nicht  im  Iudex.  —  Der  Plan,  gegen  den  viel  streitbarem 
Bischof  Colbert  von  Montpellier  ein  Provincialconcil  zu  Narbonne  zu  halten, 
kam  nicht  zur  Ausführung. 

2)  La  vie  et  les  lettres  de  M.  Jean  Soanen  .  .  .  (Col.  1760*,  2  vol. 
4.)  1,  176- 17b. 


Goncil  von  Embran.  Die  Wunder  des  Fr.  Paris.  747 

1727  von  50  Advocaten  nnterzeichnetes  (von  Aubry  yerfasstes) 
Rechtegatachten,  ConBultation  des  avocats du  parlement  de  Paris, 
au  snjet  du  jngement  rendu  a  Aiubrun  contre  Tey.  de  S6nez,  wurde 
durch  ein  Breve  vom  9.  Juni  1728  (Bull.  13,  346)  in  jeder  Sprache 
verboten,  als  ärgernissgebende,  .  .  .  schismatische  und  ketzerische 
Sätze  enthaltend;  der  Papst  klagt  zugleich  darüber,  dass  Laien  es 
wagten  über  kirchliche  Urtheile  abzusprechen.  Die  Consultation 
wurde  auch  von  einer  Anzahl  von  Bischöfen  censurirt  (Dict.  Jans. 
1,  321). 

Noailles  und  7  andere  Bischöfe  übersandten  7.  Mai  1728  dem 
Parlament  eine  Protestation  gegen  die  Einregistrirung  der  Bestäti- 
gung des  Concils  und  des  päpstlichen  Breves  und  richteten  an 
den  König  ein  in  demselben  Sinne  gehaltenes  Schreiben.  Noailles 
zog  aber  seine  Unterschrift  bald  darauf  zurück  und  nahm  noch  in 
demselben  Jahre  die  Bulle  an^),  erhielt  darauf  die  Jubiläumsbulle 
und  Glückwunschschreiben  von  dem  Papst  und  den  Cardinälen.  Er 
starb  1729,  78  Jahre  alt.  Sein  Nachfolger  de  Vintimille  war  ein 
eifriger  Constitutionnaire.  Die  Regierung  setzte  1730  auch  die  An- 
nahme der  Bulle  durch  die  Sorbonne  durch  (Laemmer,  Melet.  p.  405), 
indem  sie  48  Gegnern  derselben  das  Stimmrecht  entzogt),  und  ver- 
pflichtete dann  alle  Geistlichen  zur  Annahme  (Eocquain  p.  52). 
Von  den  Bischöfen  verharrten  in  offener  Opposition  ausser  Soanen 
nur  noch  Colbert  von  Montpellier  (f  1738),  Bossuet  von  Troyes 
(t  1743)  und  Caylus  von  Auxerre  (f  1754). 

9.  Im  J.  1731  beschäftigte  sich  die  Inquisition  zum  ersten 
Male  mit  den  Berichten  über  die  Wunder,  welche  auf  die  Fürsprache 
des  Diakons  Frangois  Paris,  f  1727,  und  anderer  Appellanten  ge- 
wirkt sein  sollten.  Zunächst  erschien  über  die  Yie  de  M.  Paris 
diacre,  1731,  232  S.  12.,  ein  Decret  vom  22.  Aug.  1731  (N.  E. 
1731,  179):  das  Buch  sei  geringen  Umfangs,  aber  abundantia  ma- 
litiae  teterrimus,  nur  geschrieben,  um  Einfältige  von  der  kath.  Re- 
ligion und  dem  Gehorsam  gegen  den  h.  Stuhl  abwendig  zu  machen; 
einem  Menschen,  der  gegen  diesen  rebellisch,  ein  Schismatiker  und 
Haeretiker,  ein  erklärter  Gegner  der  Bulle  Unig.  und  der  Secte  der 
Jansenisten  hartnäckig  zugethan  gewesen,  würden  darin  nicht  nur 
Lobsprüche  gespendet,  sondern  auch  falsche  Wunder  zugeschrieben; 


1)  Das  betreffende  Mandement  ist  vom  11.  Oot.  1728  datirt.  Nach 
Yie  et  Lettres  de  M.  Soanen  p.  331  hat  er  noch  im  Dec.  1728  und  Febr. 
1729  erklärt,  er  habe  sich  nicht  unterworfen ;  aber  Card.  Querini,  Comm.  2, 
1,  42  theilt  einen  Brief  vom  21.  März  1729  mit,  worin  er  sich  als  Unter- 
worfener ausspricht.  Er  scheint  bis  zu  seinem  Lebensende  geschwankt  zu 
haben. 

2)  Die  Universität  wurde  erst  1739  dazu  gebracht,  ihre  Appellation 
zurückzunehmen.  82  Mitglieder  protestirten  öffentlich,  der  fast  80jährige 
Gh.  Kollin  und  34  andere  Professoren  wurden  ubgesetzt.  Es  wurde  damals 
ein  Avis  vertheilt:  Vous  etes  pries  d'assister  au  convoi  et  enterrcment  de 
tres-haute  et  tr^s-puissante  dame,  madame  l'Universite  de  Paris,  fille  ainee 
du  Roi,  dec6dee  en  son  hotel  des  sciences  le  20.  mars  1739.  Son  corps 
mort  sera  dSpoee  dans  l'eglise  des  BR.  PP.  J^suites,  pour  y  attendre  la 
rSsnrrection  du  bon  sens  en  France.  Rooquain  p.  96. 


748  Die  Bulle  ünigenitus. 

im  ausdrücklichen  Auftrage  de»  Papstes  werde  das  Buch  als  falsche 
.  .  .  schismatische  und  ketzeriflche  Sätze  enthaltend  in  jeder  Sprache 
bei  Strafe  der  Excomnj.  1.  sent.  verb.  und  verordnet,  es  am  29. 
öffentlich  zu  verbrennen.  —  Der  Erzbischof  von  Paris  verbot  in 
einem  Mandement  vom  30.  Jan.  1732  drei  verschiedene  Yies  de 
M.  Paris,  und  es  erschienen  vor  und  nach  10  Recueils  des  miracles 
op^res  au  tombeau  de  M.  Paris  und  zahllose  andere  Schriften  über 
ihn  (Migne  2,  728),  die  nicht  im  Index  stehen.  —  Durch  ein  Breve 
vom  3.  Oct.  1733  verbot  Clemens  XII.  Bischof  Colberts  Instruc- 
tion past.  ...  au  sujet  des  miracles  que  Dleu  fait  en  faveur  des 
appelans  de  la  Bulle  Unig.  (vom  1.  Febr.  1633),  als  falsche  blas- 
phemische,  irrige  und  offenbar  ketzerische  Sätze  enthaltend,  befahl, 
die  Exemplare  dem  Bischof  oder  Inquisitor,  in  der  Diöcese  Mont- 
pellier dem  Metropoliten  oder  nächsten  Bischof  zum  Yerbrennen 
abzuliefern,  und  behielt  sich  zugleich  vor,  alle  anderen  Acten  und 
Schriften  Colberts  gegen  die  Bulle  oder  andere  päpstliche  Decret« 
zu  censuriren.  Dieser  erliess  darauf  Lettre  past.  . . .  pour  notifier  nn 
miracle  opere  dans  son  diocese  par  l'intercession  de  M.  Paris  et  les 
premunir  contre  un  bref  de  N.  S.  P.  le  Pape  en  date  du  3.  Oct 
1733 1),  die  dann  in  einem  Breve  vom  11.  Oct.  1734  (Bull.  15,  4) 
verdammt  wurde,  als  resp.  falsche,  .  .  .  die  Auctorität  des  h.  Stuhles 
und  der  ganzen  Kirche  beeinträchtigende  ketzerische  Sätze  enthal- 
tend; zugleich  wurden  alle  ähnlichen  von  dem  Bischof  veröffent- 
lichten und  zu  veröffentlichenden  Schriften  verb.  —  In  einem  Breve 
vom  19.  Juli  1734  wurde  des  Bischofs  Caylus  Mandement  k  Toc- 
casion  du  miracle  opere  dans  la  ville  de  Seignelay  le  6.  Janv.  1733 
verb.;  dagegen  blieb  die  Instruction  past.  vom  8.  Aug.  1735,  die 
er  zur  Vertheidigung  jenes  Mandement  gegen  das  Breve  und  verschie- 
dene Broschüren  veröffentlichte  (84  S.  4.,  N.  E.  1736,  33),  verschont 
Femer  wurden  unter  Clemens  XII.  noch  verb.:  Traite  sur 
les  miracles,  dans  lequel  on  prouve  que  le  diable  n^en  saurait  faire 
pour  confirmer  Terreur,  par  Jacques  Sero  es,  Amst.  1729,  verb. 
1734.  —  Requeste  pr^sent^e  au  parlement  par  23  cur^s  ...  de 
Paris  contre  1  Instruction  past.  de  Mgr.  Languet,  arch^v.  de  Sens, 
au  sujet  des  miracles  oper6s  par  Tintercession  de  M.  Paris,  verb. 
1736  (N.  E.  1738,  34);  —  ViedeM.  de  la  Noe-Menard,  prßtre  du 
dioc.  de  Nantes  [f  1717],  .  .  avec  Thist.  de  son  culte  et  les  rela- 
tions  des  miracles  oper^s  a  son  tombeau,  Brux.  1734,  238  S.  12., 
verb.  1736  (N.  E.  1734,  225);  —  La  v6rit6  des  miracles  operis  i^ 
l'intercession  de  M.  de  Paris  et  autres  appelans  demontree  contre 
M.  r Archiv,  de  Sens.  Tome  1.,  s.  i.  1737*,  4.,  13.  Febr.  1739, 
von  der  Inq.  in  denselben  Formeln  verb.  wie  die  Vie  de  M.  Paris 
im  J.  1731  (N.  E.  1740,  19),  verfasst  von  dem  Parlamentsrathe 
Louis  Basile  Carr^  de  Montgeron,  der  29.  Juli  1737  dem  Könige, 
dann  auch  dem  Herzog  von  Orleans,  dem  ersten  Präsidenten  und 
dem  Generaladvocaten  Exemplare  überreichte,    nachdem  die  Polizei 


1)  Beide  Schriften  und  andere  ähnliche  in  Colberts  Oeuvres  2,  18. 


B.  Soanen  von  Senez.    B.  Bossuet  von  Troyes.  749 

bereits  5000  Exemplare  confisoirt  hatte,  worauf  er  verhaftet  und 
nach  der  Citadelle  von  Valejice  abgeführt  wurde,  wo  er  1754  starb. 
Das  Buch  enthält  eine  Dedication  an  den  König,  einen  Bericht  über 
das  Wunder  der  Bekehrung  Montgerons  selbst  und  9  wunderbare  Hei- 
lungen u.  s.  w.,  auch  20  Bilder.  Es  war  zu  Utrecht  unter  der  Leitung  des 
Abb^  Nie.  Le  Gros  gedruckt.  1741*  folgte  eine  Continnation  des  demon- 
strations  de  miracles  op^res  etc.,  die  auch  über  die  Convulsionen  han- 
delt, 1747  ein  3.  Band;  beide  wurden  von  Le  Gros  und  seinen  Freunden 
missbilligt.  Es  erschien  eine  ganze  Reihe  von  Schriften  über  das  Buch, 
von  denen  nur  Critique  g6n6rale  du  livre  de  M.  de  Montgeron  sur 
les  miracles  de  M.  TabbÄ  de  Paris,  par  M.  de  Voeux  (Pasteur  de 
r^glise  frangaise  k  Dublin),  Amst.  1740,  1745  verb.  wurde.  Bene- 
dict XIY.  sagt  von  diesem  Buche  (De  beatif.  1.  4,  p.  1.  c.  7.  n.  22): 
Yoeux  zeige  in  seinen  Briefen  über  das  Buch  von  Montgeron,  dass 
die  betreffenden  Wunder  entweder  erlogen  oder  keine  Wunder, 
sondern  natürliche  Vorgänge  seien ;  aber  in  der  Vorrede  und  in  den 
Briefen  kämen  mehrere  ketzerische  Dogmen  vor^). 

Unter  Benedict  XIV.  wurden  1742  verb.:  Id6e  de  la  vie  de 
M.  Jean  Soanen  et  son  t«stament  spirituel,  und  Relation  du  mi- 
racle  arrive  en  la  personne  de  Marie  Anne  PoUet  .  .  .  par  Tinter- 
cession  de  Jean  Soanen  de  sainte  memoire,  6v.  de  Senez,  appelant 
au  futur  concile  g^n.  de  la  B.  Unig.  et  de  Tinfraction  de  la  Paix 
de  Clement  IX.,  condamn^  au  conciliabule  d^Embrun  .  .  . ,  1741 
(N.  E.  1741,  98.  173),  —  schon  1741:  Tableau  historique  des 
principaux  traits  de  la  vie  du  bienh.  J.  Soanen,  ein  Heftchen  in  12., 
enthaltend  18  Bilder  mit  Ueberschriften,  einem  kurzen  Gebete  und 
einem  der  101  Sätze  aus  der  Bulle  (N.  E.  1741,  72);  —  ferner: 
Ouvrages  posthumes  de  Mgi*.  TEv^que  de  Babylöne[Varlet,  S.  719], 
od  il  est  principalement  traits  des  miracles  contre  M.  TArchöv.  de 
Sens,  verb.  1752;  —  Defense  de  Pautorite  et  des  decisions  des 
merveilles  que  Dieu  ne  cesse  point  de  faire  en  France  depuis  un 
grand  nombre  d'annees,  1.  Partie,  1732,  verb.  1754. 

An  die  Convulsionen  und  die  Controversen,  die  darüber  unter 
den  Appellanten  entstanden  (Figuristes  und  Antiüguristes,  Secouristes 
und  Antisecouristes,  Discernants  und  Melangistes;  Picot  2,  99.  115. 
137;  4,  304),  erinnert  im  Index  nur  eine  1746  verbotene  Schrift  von 
dem  Bischof  Soanen:  Lettre  au  sujet  d'un  ecrit:  Vains  efforts  des 
Melangistes  (ou  Discernants  dans  Toeuvre  des  convulsions  pour  de- 
fendre  le  Systeme  du  m61ange,  K  E.  1738,  126,  nach  Picot  4,  304 
von  J6r6me  Besoigne  und  d'Asfeld). 

10.  Von  dem  Bischof  Bossuet  von  Troyes  steht  nur  ein 
nach  seinem  Tode  erschienenes  Projet  de  reponse  de  Mr.  TEv.  de 
Troyes  ä  Mgr.  T Archiv.  d'Embrun  1743,  42  S.  4.,  verb.  1746,  im 
Index.  Bischof  Colbert  hatte  sich  in  der  oben  erwähnten  Instruc- 
tion von  1733  bezüglich  des  allgemeinen  Abfalls  von  der. Wahrheit 


1)  Suppl.  de  Mor6ry   s.  v.  Montgeron.   Migne  2,  674.    ü.  N.    1734, 
486;  1737,  B  201;   1740,  B  261. 


760  Die  Balle  UDigenitus. 

auf  eine  Stelle  von  Bossuet  von  Meaux  berufen,  und  darauf  der 
Erzbischof  Ten  ein  von  Embrun  in  einem  Hirtenbriefe  von  1733  be- 
hauptet, Colbert  habe  willkürlich  Bossuet  seine  eigene  Ansicht  zu- 
geschrieben. Der  Bischof  von  Troyes  beklagte  sich  darüber  in 
einem  Schreiben  vom  26.  Apr.  1737;  Tencin  veröflPentliohte  eine 
Antwort  vom  27.  Oct.  1737,  40  S.  4.,  und  gegen  diese  ist  jenes 
Projet  gerichtet  (Dict.  Jans.  1,  317). 

Von  Colbert  verdammte  Clemens  XII.  durch  ein  Breve  vom 
27.  Aug.  1731  (Bull.  13,  197)  eine  nur  einige  Seiten  füllende  Or- 
donnance au  sujet  d^une  deliberation  de  son  chapitre  (Oeuvres  1, 
637 — 639),  die  veranlasst  war  durch  eine  von  dem  Dompropst  be- 
rufene Sitzung  seines  Capitels,  in  welcher  von  24  Domherren  16  er- 
schienen und  mit  12  gegen  4  Stimmen  die  Annahme  der  Bulle  Unig. 
beschlossen.  Am  Schlüsse  des  Breve's  sagt  der  Papst:  auch 
andere  Schriften  des  Bischofs  verdienten  verdammt  zu  werden;  er 
behalte  sich  dieses  vor  und  verdamme  für  jetzt  nur  jenes  Scriptum 
als  falsch,  ...  zu  Schisma  und  Ketzerei  führend,  ja  offen  schis- 
matisch.  —  Nachdem  dann  1733  zwei  andere  Hirtenbriefe  Colberts 
verdammt  worden  (S.  748),  verdammte  Clemens  XII.  in  einem  Breve 
vom  23.  1735  einen  in  den  Oeuvres  (2,  865)  auch  nur  zwei  Seiten 
füllenden  Erlass  vom  28.  März  1735  (er  wird  in  dem  Breve  als 
quoddam  folium  bezeichnet):  Mandement  portant  condamnation  d'un 
ecrit  intituli:  Testament  de  M.  Jean  Soanen,  Ev.  de  S^nez,  dress^ 
a  la  Chaise  Dieu  par  M.  Antibule.  Das  Mandement  verdammt  die 
fragliche  Satire  auf  den  Bischof  Soanen,  weil  sie  injuriös  gegen 
Gott  und  seine  Heiligen  sei,  das  Andenken  des  glorreichen  Be- 
kenners  des  Glaubens,  des  h.  Diakonus  Paris,  besudele,  die  Wahr- 
heit der  an  seinem  Grabe  geschehenen  Wunder  bestreite,  der  Lehre 
des  h.  Augustinus  von  der  Praedestination,  von  der  Unmöglichkeit 
in  gewissen  Fällen  das  Gesetz  Gottes  zu  erfüllen,  und  von  der 
geringen  Zahl  derjenigen,  die  an  den  Verdiensten  des  Blutes  des 
Erlösers  Antheil  haben,  widerspreche  und  die  Leute  zur  Anerken- 
nung der  Entscheidungen  Koms  anleite.  Der  Papst  verdammte  seiner- 
seits auf  Grund  einer  Prüfung  durch  einige  Cardinale  und  Theologen 
das  Mandement  als  gottlos,  blasphemisch,  Spaltungen  verursachend 
und  haeretisch  klingende  (haereticales)  Sätze  enthaltend  und  Hess  es 
vor  der  Minerva  feierlich  verbrennen.  Darauf  richtete  Colbert 
unter  dem  4.  Nov.  1735  ein  Schreiben  an  den  Papst  (sammt  dem 
Breve  in  den  Oeuvres  2,  866),  worin  er  erklärt:  das  Mandement 
sei  gar  nicht  von  ihm;  er  habe  es  noch  nicht  einmal  gesehen;  es 
sei  ihm  von  einem  Böswilligen  unterschoben  und  stamme  wohl  aus 
derselben  Werkstätte  wie  das  schlechte  Libell,  gegen  welches  es 
gerichtet  sei.  (In  einem  Privatbriefe  2,  747  sagt  er:  beide  Stücke 
seien  von  Jesuiten  und,  wie  er  höre,  zu  Avignon  gedruckt,  wo  man 
den  Verfasser  kenne;  das  Breve  nennt  er  hier  une  b^vue  grossidre). 
Er  beklagt  sich,  dass  der  Papst  ad  perpetuam  rei  memoriam  eine 
so  schwere  Anklage  gegen  ihn  erhoben,  und  weist  darauf  hin,  dass 
er  schon  einmal  1724  ein  ihm  zugeschriebenes  lateinisches  Mande- 
ment öffentlich  für  unterschoben  erklärt  habe  (Oeuvres  2,  215.  864) 


6.  Colbert  von  Montpellier.  761 

nnd  dass  man  die  ünechtheit  des  Machwerkes  doch  wohl  hätte  er- 
kennen können.  Dieser  Brief  wurde  1736  gedruckt.  Ob  Colbert 
eine  Antwort  erhalten,  erhellt  nicht;  aber  das  falsche  Mandement 
steht  unter  Verweisung  auf  das  Breve  in  der  1739  gedruckten  Ap- 
pendix zum  Index  und  in  allen  folgenden  Index- Ausgaben  bis  auf 
diesen  Tag. 

Am  8.  April  1738  starb  Colbert;  er  wurde  mit  allen  kirch- 
lichen Ehren  begraben  und  sein  Domcapitel  ordnete  Gebete  für  ihn 
an.  Les  oeuvres  de  Messire  Charles- Joachim  Colbert,  6v6que  de 
Montpellier,  Col.  1740*,  3  vol.  4.,   wurden  1742  verb.i). 

Sein  Nachfolger  als  Bischof  von  Montpellier,  Georges- 
Lazare  Berger  de  Charancy  erliess  1739  ein  Mandement  pour  le 
r^tablissement  de  la  signature  du  formulaire;  dagegen  erschien  R  6* 
ponse  au  Mandement  de  Mgr.  Berger  de  Charancy  .  .  .  Diese  ver- 
dammte Benedict  XIV.  in  einem  Breve  vom  29.  Nov.  1740.  — 
Zwei  Pfarrer,  welche  gegen  das  Mandement  opponirten  und  die 
Appellation  aufrecht  erhielten,  wurden  excommunicirt;  sie  veröflPent- 
lichten  Plainte  et  protestation  de  Jean  Gras  .  .  .  et  de  Theodorit 
Meroier  excommuniez  .  .  .  a  TEglise  universelle,  a  N.  S.  P.  le 
Pape,  k  tous  les  evesques  cath.  et  notamment  aux  ^vesques  de 
France,  dont  ils  implorent  la  protection  et  la  justice,  et  k  tous  les 
fidMes  k  qui  ils  demandent  le  secours  de  leurs  priores  et  la  conso- 
lation  de  leur  chariti,  en  France  1741,  33  S.  4.,  verb.  17422). 

Unter  dem  24.  Sept.  1740  veröffentlichte  Charancy  eine  Lettre 
past.  au  sujet  d'un  icrit  trouv^  dans  son  dioc^se.  In  dem  Nach- 
lasse des  Pfarrers  Bonnery,  der  1736  als  Appellant  gestorben,  hatte 
sich  ein  Manuscript  gefunden  mit  der  Ueberschrift:  Constitutions 
ou  secret  du  Jans^nisme,  Lettre  circulaire  des  prStres  de  Port-Royal 
k  messieurs  les  disciples  de  S.  Augustin.  Charancy  sagt  in  seinem 
Hirtenbriefe,  und  einige  andere  Bischöfe  sprachen  es  ihm  nach:  das 
fleien  confidentielle  Mittheilungen  Quesnels  an  die  zuverlässigsten 
Männer  seiner  Partei,  aus  denen  man  die  schrecklichen  Ansichten 
und  Eänke  der  Jansenisten  kennen  lernen  könne.  Sofort  wurde  in 
den  N.  E.  1740,  189  gezeigt,  dass  jenes  Manuscript  nur  eine  Ab- 
schrift eines  Stückes  aus  einem  1654  gedruckten  Buche  von  Ma- 
rand6,  Inconvinients  d'etat  procedants  du  Jansenisme,  war,  welches 
Amauld  schon  1694  in  der  Morale  pratique  des  J^suites  (35,  118. 
121)  als  eine  plumpe  Fälschung  nachgewiesen,  dass  der  Jesuit  Dal- 
baret,  Professor  der  Philosophie  im  Colleg  zu  Montpellier,  1708 
dieses  Stück  seinen  Schülern,  unter  denen  auch  Bonnery  war,  vor- 
gelesen und  zum   Abschreiben  gegeben,    um    sie   vor  dem  Jansenis- 


1)  Die  Oeuvres  sind  za  Utrecht  gedruckt  und  von  Abbd  Le  Gros 
herausgegeben.  Es  erschienen  auch  Les  lettres  de  Mgr.  de  Montpellier, 
4  vol.  12. 

2)  N.  E.  1741,  143.  Beide  flohen  nach  Paris  und  lebten  dort  unter 
anfi^enommenen  Namen ,  Gras  bis  1774,  Mercier  bis  1782.  Letzterer  ernährte 
sich  durch  Anfertigung  von  Blechwaren  und  wurde  81  Jahre  alt.  N.  E. 
1784,  146. 


762  Die  Bulle  Unigenitus. 

mu8  zu  bewahren,  and  dass  Bonnery's  Manuscript  eben  daher 
stammte.  Von  den,  zum  Theil  sehr  heftigen  Streitschriften,  die  der 
unglückliche  Hirtenbrief  Charancy's  hervorrieft),  wurde  eine  der 
müdesten,  La  foi  des  appelants  justifiee  contre  ies  calomnies  con- 
tenues  dans  une  Lettre  past.  de  M.  de  Charancy,  Ev.  de  Montpel- 
lier, 22  S.  4.,  1742  verb. 

Durch  ein  Mandement  vom  1.  Juli  1742  berief  Charancy  eine 
Diöcesansynode  zur  Publication  der  Bulle  Unig.  Die  Lettres  de 
plusieurs  cur^s  ...  du  dioc^se  de  Montpellier  k  leur  evSque  au  sa- 
jet  de  Ron  mandement  ...  et  memoire  apolog^tique  pour  la  de- 
fense des  eccl^siastiques  de  ce  m^me  dioc^se  accus^s  dans  leur  foi 
par  Mgr.  Teveque  dans  ce  meme  mandement,  100  S.  4.  (N.  £. 
1744,  45;  das  Memoire  ist  von  J.  B.  Gaultier),  steht  nicht  im  Index, 
obschon  es  viel  umfangreicher  und  wohl  auch  bedeutender  ist  als 
die  oben  erwähnte  Plainte  der  beiden  Pfarrer.  Aber  des  Bischofs 
Caylus  von  Auxerre  Lettre  k  TEv.  de  Montpellier  &  Toccasion  de 
ce  que  ce  prelat  dit  de  lui  dans  son  mand.  en  date  du  1.  Juillet 
1742  und  Seconde  lettre  k  l'Ev.  de  Montp.  k  Toccasion  de  la  ri- 
ponse  de  ce  prelat  en  date  du  1.  Avril  1744  wurden,  freilich  erst 
1750,  verb.  und  in  demselben  Jahre  auch  noch  Lettres  d*un  theo- 
logien  k  Mgr.  de  Charancy  k  Toccasion  de  sa  reponse  k  Mgr.  TEv. 
d'Auxerre,  vom  Nov.  und  Dec.  1744,  55  S.,  von  J.  B.  Graultier. 
—  1754  wurden  Les  oeuvres  de  Messire  Charles-Gabriel  de  Thn- 
bi^res  de  Caylus,  Eveque  d*Auxerre,  Col.  1751,  4  vol.,  verb. 

Das  Mandement,  in  welchem  Jean-Charles  de  Segur,  Bischof 
von  Saint-Papoul,  1735  seine  Anerkennung  der  Bulle  zurücknahm 
und  sich  den  Appellanten  anschloss,  8  S.  4.,  —  er  verzichtete 
gleichzeitig  auf  sein  Bisthum  und  lebte  zurückgezogen  bis  1748,— 
wurde  von  dem  Erzbischof  Tencin  und  einigen  anderen  Bischöfen 
angegriffen  und  von  dem  Staatsrathe  unterdrückt  (Dict.  Jans.  1,  9. 
Kocquain  p.  89),  steht  auch  im  span.  Index,  aber  nicht  im  Rom.» 
auch  nicht  Abregt  de  la  vie  de  M.  J.  Ch.  de  S6gur,  ancien  ev.  de 
Saint-Papoul,  mort  en  odeur  d^une  Eminente  pi^t^,  avec  son  man- 
dement d'abdication,  un  recueil  de  lettre  et  autres  pi^ces,  Utrecht 
1749*,  12. 

11.  Auch  Clemens  XII.  (1730 — 40)  erklärte  in  einem  Breve 
vom  2.  Oct.  1733  (Bull.  14,  297),  durch  die  Bulle  werde  die  Lehre 
der  Augustiner  und  Thomisten  de  divinae  gratiae  efficaoitate  nicht 
betroffen,  bestätigte  die  Belobung  der  Thomisten  durch  seinen  Vor 
ganger,  erklärte  aber,  dadurch  würden  andere  theologische  Schulen 
nicht  beeinträchtigt,  und  verbot  allen  theologischen  Schulen  bei  der 
Erörterung  der  Lehre  von  der  Efficacia  gratiae  einander  zu  ver- 
ketzern oder  zu  schmähen.  Das  unter  seiner  Regierung  1737  ver- 
botene Buch  von  Jac.  Hyacinthus  Serry  heisst:  Theologia  supplex 
coram  Clemente  XII.    P.  M.  Clementinae  Constitution is    Unigenitus 


1)  Eine  Lettre  ä  Mgr.  de  Charancy  von  J.  B.  Gaultier,  1740,  24  S. 
4.,  nannte  man  damals  Les  verges  d'Ueliodore. 


B.  Caylas  von  Auxerre.    H.  Serry.  768 

i  Filins  explicationem  atque  intelligentiam  rogans,  Col.  1736^). 
.Ty  sagt  darin:  die  Bulle  werde  selbst  von  den  Bischöfen  ver- 
deden  erklärt;  die  101  Sätze  seien  zum  grossen  Tb  eile  einer 
hrfacben  Dentung  fäbig;  bei  einigen  könne  man  nach  dem  Seu- 
auctoris  nicht  fragen,  weil  sie  von  den  Denuncianten  ver- 
mmelt  den  Censoren  zur  Beurtheilung  vorgelegt  worden  seien, 
3  No.  29  und  59 ;  bei  vielen  sei  der  Sensus  obvius  gesund  und  ortho- 
c,  wie  bei  No.  27,  66,  69,  76,  82,  84,  85,  98,  101.  Schliess- 
1  wird  der  Papst  gebeten,  die  Doppelfrage  zu  beantworten :  ob 
xh  die  Verdammung  der  Sätze  79—81,  83 — 85  auch  die  vielen 
rohen  Väter  verdammt  werden  sollten,  welche  den  Gläubigen  aller 
Inde  das  Lesen  der  h.  Schrift  empfohlen,  oder  ob  die  Sätze  nur 
Tun  verdammt  worden  seien,  weil  sie  das  Bibellesen  für  alle  ohne 
end^elche  Ausnahme  zur  Pflicht  zu  machen  schienen,  und  zwar 
ge  der  Papst  den  ersten  Theil  der  Frage  verneinen,  den  letzten 
ahen. 

Unter  seinem  Namen  hatte  Serry  veröffentlicht:  De  Romano 
Qtifice  in  ferendo  de  fide  moribusque  judicio  falli  et  fallere  ne- 
3  eodemque  conciliis  oecumenicis  auctoritate,  potestate,  jurisdiotione 
)eriori  dissertatio  duplex.  Accedit  appendix  de  mente  Ecclesiae 
licanae  et  Academiae  Parisiensis  circa  duo  illa  Sedis  apost.  privi- 
ia,  Padua  1732,  295  S.  8.  Gleich  darauf  Hess  er  eine  anonyme 
rtheidigung  von  einigen  Blättern  folgen:  Preservativo  contro 
critica  d^alcuni  falsi  zelanti,  s.  1.  et  a.  (beide  in  den  Opera 
a.  5).  Beide  wurden  14.  Jan.  1733  von  der  Inq.  verb.,  und  der 
mmissar  des  h.  Officiums,  also  ein  Ordensgenosse  Serry's,  Aloy- 
8  Maria  Lucini,  veröffentlichte  dagegen  anonym:  Romani  Ponti- 
8  privilegia  adv.  novissimos  osores  vindicata,  duplex  dissertatio 
n  duplici  appendice,  Ven.  1734.  Serry  antwortete  gleichfalls  anonym 
t:  Infallibilitatis  pontificiae  justis  terminis  circum scriptae  expli- 
io  atque  defensio  necnon  dissert.  apolog.  adv.  novissimum  privi- 
iorum  pontifioiorum  vindicem,  Col.  (Ven.)  1734,  63  S.  8.  Darauf 
)  Lucini  1735  sein  Buch  nochmals  mit  einer  Appendix  unter 
nem  Namen  heraus,  und  nun  erschien  noch  Fr.  Hyac.  Serry, 
marii  Theol.  Patavini,  ab  AI.  M.  Lucinio  .  .  .  aperta  jam  fronte 
»vocati  iterata  defensio  seu  infallibilitatis  pontificiae  justis  terminis 
cumscriptae  fusior  explicatio  firmiorque  defensio,  dissert.  apol. 
undis  curis  adornata,  Par.  (Ven.)  1735.  Es  ist  anzuerkennen, 
\B  diese  späteren  Schriften  nicht  im  Index  stehen*).  Man  machte 
Ty  zum  Vorwurf,  dass  er  einerseits  die  Unfehlbarkeit  des  Papstes 
süglich  der  Facta  dogmatica  bestreite,  —  in  dem  Preservativo 
ft  er,    nicht  er  bestreite  sie,    aber  Bellarmin,    Baronius  u.  a.,  — 


1)  Ad  exemplar  Coloniense  de  a.  1736*,  c.  160  S.  8.;  auch  in  den 
Bra  omnia,  Lugd.  1770,  V,  189;  vgl.  P.  I  j.  XLU. 

2)  Faure,  Comm.  p.  226  constatirt  mit  besonderer  Befriedigung, 
18  Serry  in  einem  Dictionarium  Lucinianum  in  der  kleinen  Sohrin  des 
nmissarius  S.  Off.  90  Solöcismen  und  Barbarismen  nachgewiesen  habe. 

ReuBoh,  Index  IL  48 


764  Die  Bulle  ünigenitos. 

und  dass  er  anderseits  die  Unfehlbarkeit,  —  er  will  lieber  iog>alela 
sagen,  —  der  Cathedral-Entscheidungen  davon  abhängig  mache, 
dasR  der  Papst  mit  Zuziehung  Yon  Theologen  die  Sache  reiflich  gepröjft 
und  sich  des  Consensns  der  Komischen  Kirche,  wenigstens  der  Car- 
dinäle  versichert  habe;  wenn  Päpste  geirrt  hätten,  so  habe  es  sich 
entweder  nicht  um  Glaubenssachen  gehandelt  oder  sie  hätten  nicht 
als  Päpste  geirrt  oder  die  Eömische  Kirche  habe  nicht  zugestimmt 

Durch  ein  Breve  vom    26.   Jan.  1740   (Bull.  15,  344)  verbot 
Clemens  XII.    Histoire    du   livre    des    Reflexions    morales    sur   le 
N.  T.  et  de  la  Constit.  Unig.  (Amst.  1723—38,*  4  vol.  4.,  der  1.  Theil 
von  J.  Lonail,  die  folgenden   von   J.  B.  Darcy,  s.  S.  736),  weil  das 
Buch  falsche    .  .  .    nicht   nur    die  Kirche,    sondern    auch  die  welt- 
lichen Gewalten  schmähende,  .  .  ketzerische  und  verschiedene  Ketze- 
reien, namentlich  die  Jansenistische  und  Quesnelistische,    erneuernde 
Sätze  enthalte.  —  Von  der  Index-Congr.  wurden  verb. :  Cat^ch  isme 
historique  et  dogmatique    sur  les  contestations   qui  divisent  mainte- 
nant    TEglise,  Haag  1729—30,*  2  vol.  12.,  verb.  1732,  von  J.  B. 
Raymond    Pavie    de    Fourquevaux,    früher    Militär,    dann  Akolyth, 
f  1767;    beginnt  mit  der    Controverse  de  auxiliis;    vermehrte  Aus- 
gabe von  L.  Paris- Vasquier,  Nancy    (Utrecht)  1736,  2  vol.;  es  er- 
schienen   8  Auflagen   in    20  Jahren;    —    Suite  du  Catechisme  bist 
et  dogm.  Utrecht  1751,   2.  vol.,    verb.  1754,     von   L.  Troya  d'As- 
signy,  Priester  zu  Grenoble,  tl772;  —  Parallele  de  la  doctrine 
des  payens  avec  celle  des  J^suites  et  de  la  Constitution  du  P.  CW- 
ment  XI.    qui  commence    par    ces    mots:    Unig.    Dei    Filius,  Amst. 
1726,*  237  S.  12.,  u.  s.,    verb.   1732,    auf  Befehl    des    Parlaments 
verbrannt  1726,  vielfach  dem  Oratorianer  P.  Boyer,  f  1755,    zuge- 
schrieben, wahrscheinlich  von  einem  Laien  Namens  P^an ;  —  J  ^  s  n  s- 
Christ  sous  Tanathöme  et  l'excommunication,  Amst.  1731,*  63  S.  8., 
verb.  1734,  von  Gudver,  früher  Pfarrer  zu  Laon,  f  1734:  Christus  per 
sönlich  von  dem  jüdischen  Synedrium  verdammt,  aufs  neue  dans  m 
yhM  in    der  Bulle    Unigenitus    (U.  N.  1732,  825;     1734,  1136); 
Nach   der  Ausgabe  Utrecht    1739    wurde   die  Schrift    von  Bracassi 
übersetzt:  Gesü  Cristo  sotto  l'anatema  e  sotto  la  scomunica,  ovvero 
riflessioni  sul  mistero  di  G.  Cr.  rigettato,  condannato  e  scomunicato 
dal  gran  sacerdote    e   dal  corpo  dei   pastori  del  popolo  di  Dio,  per 
Tistruzione  e  consolazione  di  quelli,    che   nel  seno  della  chiesa  pro- 
vano  un    simile  trattamento,    Pistoja   1786,    verb.  1787    (nicht  erst 
1797,    wie  in  den  neueren  Indices  steht);    —    La    verit^    rendue 
sensible  k  tout    le  monde    contre  les  difenseurs  de  la  Constit.  Uni- 
genitus par  demandes  et  par  reponses,    ouvrage  dans  lequel  on  de- 
truit  clairement  toutes  les  difficultes  qu'on  oppose  k  ceux  qui  rejet- 
tent  cette  Bulle,  4.  Ed.  Brux.  1733,    verb.  1735,   von  du  Saussois, 
Pfarrer  in    der  DiÖcese  Ronen,    t  1727;    die    1.    Ausgabe    erschien 
schon  1719,  die  4.   1721    (die  von  1733  ist  also  nicht  die  4.,   son- 
dern   eine    der    vielen    späteren;    Hist.    des   R6fl.    III,  148.    N.  £. 
1744,  25). 

Unter  Benedict   XTV.   wurden    verb.:    Reflexion«  sur    l'In- 
struction  past.  de  Mgr.  VEv.    de  Rhodez  au    sujet    des    erreurs   de 


Hist.  du  livre  des  RSflexions  u.  a.  756 

Jans^nius,  verb.  1742  von  Nie.  Petitpied;  er  meint,  wie  der  Ver- 
fasser der  Fol  des  appelants,  der  Papst  solle,  ohne  die  Bulle  üni- 
genitus  zu  erwähnen,  eine  dogmatische  Erklärung  geben,  die  auch 
die  Appellanten  annehmen  könnten  (N.  E.  1741,  129;  1742,  169);  — 
Testament  spirituel  de  Messire  Jean-Fran^ois  Pen  et,  Prötre,  Dr. 
en  Theol.  .  .  .  1740,  14  S.  4.,  verb.  1744;  Penet  hatte  sich  früher 
unterworfen,  nahm  aber  seine  Unterwerfung  1738  zurück;  das 
Schriftchen  erschien  nach  seinem  Tode  1740  (N.  E.  1741,  10);  — 
Reflexions  nouvelles  sur  la  virit^  du  serment  par  rapport  aux 
jugements  de  l'Eglise,  1744,  verb.  1746;  --  Lettre  k  M.  Berquet 
[recte  Becquet],  Prof.  en  Th6ol.  au  seminaire  de  Verdun,  au  sujet 
de  la  these  qu  il  a  fait  soutenir  au  mois  d'Avril  1741,  und  Seconde 
lettre  ...  de  la  seconde  th^se  qu*il  .  . ,  beide  Col.  1741,  verb. 
1746;  der  Bischof  verbot  die  antijesuitischen  Briefe,  die  ein  Pfarrer 
Joly  geschrieben  haben  soll,  und  der  Gerichtshof  liess  sie  verbrennen; 
die  Sache  soll  in  Lothringen  Aufsehen  erregt  haben,  und  diesen 
Sturm  im  Glase  Wasser  hat  dann  die  Index-Congr.  verewigt  (N.  E. 
1746,  33.  117.  Dict.  Jans.  2.  372);  —  Parallele  abregt  de  Thi- 
stoire  du  peuple  d^Israel  et  de  Thist.  de  TEglise,  Liege  1724,  verb. 
1750,  von  FranQois  Joubert,  der  eine  Reihe  von  Bänden  über  die 
Apokalypse  und  die  alttest.  Propheten  geschrieben  hat,  die  mit 
Klagen  über  den  Abfall  von  der  Wahrheit,  die  Tyrannei  und  Pflicht- 
vergessenheit der  Bischöfe  u.  dgl.  stark  gewürzt  sind  (Picot  4,  307); 

—  Lettres  k  un  ami  sur  la  Const.  Unig.,  1752,  verb.  1753,  von 
Mesenguy,  unter  dessen  Schriften  N.  E.  1768,  141  fünf  Lettres  etc. 
erwähnt  werden,  oder  von  Fourquevaux,  der  zuerst  Eclaircissement 
des  difficult^s  qu^on  oppose  aux  appelants,  171  S.  12.,  (N.  E.  1752, 
199,  nicht  im  Index),  dann  als  Fortsetzung  zwei  Lettres  ä  un  ami, 
99  S.  12.,  schrieb  (N.  E.  1755,  88;  1768,  157);  —  Le  combat  de 
Terreur  contre  la  verite:  suite  du  Parallele  de  la  doctrine  condam- 
nie  par  la  B.  Unig.  avec  celle  des  ecrivains  sacres,  des  peres  et 
des  docteurs  de  TEglise,  »Utrecht  1749,  verb.  1754. 

12.  Am  18.  Febr.  1735  beschloss  das  Parlament,  hauptsächlich 
auf  Betreiben  des  Abbe  Pucelle,  einen  Hirtenbrief  des  Frzbischofs 
de  Saint- Albin  von  Cambray  vom  14.  Aug.  1734  und  eine  von  dem 
Abb^  Vinot  in  der  Sorbonne  vertheidigte  These  zu  unterdrücken, 
erstem,  weil  darin  ein  Decret  der  Inquisition  und  in  Frankreich 
nicht  recipirte  Bullen  (gegen  Bajus  und  Unigenitus)  als  Glaubens- 
regel citirt  seien,  die  These  aus  einem  ähnlichen  Grunde  (Fleur. 
75,  22;  der  König  cassirte  übrigens  das  Arret;  Picot  2,  148).  Cle- 
mens XII.  verdammte  durch  ein  Breve  vom  18.  Mai  dieses  Arret 
de  la  cour  de  parlement    portant  suppression  ...   18.  Fevr.  1735. 

—  Am  4.  Jan.  1738  verbot  das  Parlament  die  Bulle  Clemens'  XII. 
vom  16.  Juni  1737,  durch  welche  Vincenz  von  Paul  (f  1660)  cano- 
nisirt  wurde  (Bull.  15,  120),  auf  den  Antrag  einiger  Pariser  Pfarrer, 
welche  an  den  Ausdrücken  Anstoss  nahmen,  in  welchen  von  dem 
Eifer  des  neuen  Heiligen  gegen  den  Jansenismus  und  von  den  Be- 
mühungen der  Neuerer  gesprochen  wurde,  durch  falsche  und  er- 
dichtete Wunder   ihre  Irrthümer    zu  unterstützen,    den   Frieden  der 


766  Die  Bulle  UnigenituB. 

Kirche  zu  stören  u.  8.  w.  (Dict.  Jans.  1,  330).  Clemens  XIL  ver- 
dammte durch  ein  Breve  vom  15.  Febr.  1738  dieses  Arr^t  de  la 
cour  de  pari,  qui  supprime  un  imprim^  intitul6:  Canonizatio  Vin- 
centii  a  Paulo,  ParisiiB  1737. 

Vom  J.  1731  an  entstand  eine  Reihe  von  Conflicten  dadurch, 
dass  viele  Bischöfe  verboten,  Appellanten,  die  sich  nicht  unterworfen 
und  darüber  durch  ein  Billet  de  confession  von  einem  approbirt«n 
Priester  ausgewiesen,  mit  den  Sterbesacramenten  zu  versehen  und 
kirchlich  zu  beerdigen,  und  dass  das  Parlament  solche  Verordnungen 
der  Bischöfe  cassirte  und  gegen  die  Geistlichen,  die  danach  handelten, 
einschritt^).  Diese  Conflicte  haben  auch  im  Index  viele  Spuren 
hinterlassen.  Noch  Clemens  XII.  verdammte  kurz  vor  seinem  Tode 
(6.  Febr.  1740)  durch  ein  Breve  vom  26.  Jan.  (Bull.  15,  345)  quod- 
dam  folium:  Arret  de  la  cour  du  parlement  portant  suppression 
d'un  imprim^  intitule:  „Lettres  de  plusieurs  6v§ques  sur  Tobligation 
de  priver  de  Toblation  du  sacrifice  de  la  messe  et  des  suffrages  de 
l'Eglise  ceux  qui  meürent  appelants  de  la  Constit.  Unig.,  k  Ypres 
ohez  P.  J.  Rave,  imprimeur  de  Mgr.  l'Eveque  1739,  avec  appro- 
bation."  Paris,  chez  P.  Simon,  imprimeur  du  parlement  1739.  Die 
Briefe  sind  von  8  Bischöfen,  das  Arret  ist  vom  22.  April  1739. — 
Unter  Benedict  XIV.  wurden  zunächst  von  der  Index-Congr.  verb.: 
Recueil  des  consultations  de  mess.  les  avocats  du  parlement  de 
Paris  au  sujet  de  la  procedure  extraordinaire  de  Tofficial  de  Cam- 
bray  contre  le  sieur  Bardon,  chanoine  de  Lenze,  sur  son  refus  de 
souscrire  aux  bullös  contre  Baius  et  Jans^nius  et  k  la  B.  Unig., 
1740,  verb.  1740^);  —  Arrßt  de  la  cour,  rendu  sur  les  remon- 
strances  .  .  .  de  M.  le  Procureur  g^n.  du  Roy,  qui  le  rcQoit  appe- 
laut  comme  d'abus  d'un  Mandement  du  S.  £v^ue  de  Vannes,  5.  Join 
1744.  .  .  .,  verb.  1745;  —  dann  aber  durch  ein  Breve  vom  20. 
Nov.  1752  (Bull.  4,  25):  Apologie  de  tous  les  jugements  rendas 
par  les  tribunanx  s^culiers  en  France  contre  le  schisme,  dans  laquelle 
on  6tablit:  1.  Tinjustice  et  l'irregularite  des  refus  de  sacremens,  de 
s^pulture  et  des  autres  peines  qu'on  prononce  contre  ceux  qui  ne 
sont  pas  soumis  a  la  Constit.  Unig.,  2.  la  competence  des  juges 
laics  pour  s^opposer  k  tous  ces  actes  de  schismes,  Paris  1752,  2  vol. 
12.  Das  Breve  sagt,  das  Buch  enthalte  Behauptungen,  die  resp. 
falsch,  temerär,  ärgernissgebend,  für  fromme  Ohren  verletzend,  für 
den  Papst,  den  h.  Stuhl  und  die  Bischöfe  injnriös,  die  kirchliche 
Jurisdiction  beeinträchtigend,  den  der  Bulle  von  allen  gebührenden 
aufrichtigen  Gehorsam  zerstörend,  das  Schisma  begünstigend,  schis* 
matisch,  zum  Irrthum  verleitend  und  irrig  seien.  Die  Apologie  war 
von  zwei  Parlamentsadvocaten  gemeinsam  herausgegeben,  die  uns 
noch  öfter  begegnen  werden,  Abbe  Claude  Mey    (er  war  Tonsuriet, 


1)  Abrege  du  Recueil  des  actes  du  Clerge   p.  1638.    Picot  2,  97  ff. 
Rocquain  p.  130  ff.  Kev.  bist.  5,  241. 

2)  Die  zahlreichen   ähnlichen  Consultationen    sind  zusammengestellt 
bei  Migne  2,  282. 


Refus  des  sacrements.  Billets  de  confession.  757 

t  1797)  und  Gabriel-Nicolas  Maultrot  (f  1803).  Sie  erschien  noch 
1752  in  2.  Anfinge,  3  vol.,  und  als  Fortsetzung:  Kecueil  des  arrets 
rendus  dans  tous  les  parlemens  et  conseils  souverains  du  royaume 
au  sujet  de  la  Bulle  Unig.  et  de  ses  suites  depuis  1714  jusqu'& 
racoommodement  de  1720,  pour  servir  de  suite  ä  T Apologie  .  .  . 
8.  1.  1753,  4  vol.  12^).  Diese  steht  nicht  im  Index,  aber  Me- 
moire snr  les  refus  des  sacremens  k  la  mort  qu^on  fait  k  ceux  qui 
n'acceptent  pas  la  Constitution,  et  une  addition  concernant  les  billets 
de  confession,  1750,  69  S.  12.,  verb.  1753.  Der  Verfasser,  Louis- 
Gabriel  Gueret,  f  1759,  80  Jahre  alt,  der,  freilich  nur  äusserlich, 
Acceptant  war,  klagt,  dass  man  gegen  notorisch  ungläubige  und  un- 
sittliche Menschen  weniger  strenge  sei  als  gegen  die  Appellanten, 
die  man  mit  Unrecht  als  Haeretiker  oder  Schismatiker  bezeichne, 
und  hebt  hervor,  dass  kein  kirchliches  Gesetz  unbedingt  die  Beichte 
vor  der  Communion  vorschreibe,  von  einem  Kranken,  der  commu- 
niciren  wolle,  also  kein  Billet  de  confession  gefordert  werden  dürfe ^). 

Grosses  Aufsehen  erregte  es  namentlich,  als  der  Pariser  Pfarrer 
Bouettin  mit  Yorwissen  des  Erzbischofs  de  Beaumont  dem  frühem 
Rector  der  Universität,  Charles  Coffin,  einem  frommen  Manne  (er 
ist  der  Verfasser  der  neuen  Hymnen  im  Pariser  Brevier),  die  Sterbe- 
sacramente  verweigerte,  weil  er  kein  Billet  de  confession  hatte,  ob- 
schon  die  Verwandten  bezeugten,  er  habe  bei  einem  approbirten 
Priester  gebeichtet  und  noch  8  Tage  vorher  communicirt;  er  starb 
21.  Juni  1749.  Aehnlich  wäre  es  beinahe  seinem  minder  frommen 
Neflfen,  Charles  Coffin,  Conseiller  au  Chatelet,  f  10.  Jan.  1751,  er- 
gangen, obschon  sich  dieser  erbot,  bei  Bouettin  selbst  zu  beichten, 
was  dieser  ablehnte  mit  Eücksicht  auf  Aeusserungen,  die  er  ihm 
gegenüber  (über  die  Bulle)  gethan  ;  ein  anderer  Pariser  Pfarrer  hörte 
aber  seine  Beichte  und  gab  ihm  ein  Billet^).  Eine  Lettre  de  M. 
L.  .  .  .  ä  M.  B.  .  .  .,  ou  relation  circonstanci^e  de  ce  quis^est  passe 
au  sujet  du  refus  des  sacremens  fait  a  M.  Coffin,  Conseiller  au  Cha- 
telet, par  le  sieur  Bouettin,  Cur6  de  St.  Etienne-du-Mont,  La  Haye 
1751,  94  S.  12.,  wurde  1753  verb. 

Die  Assembl^e  du  Clerg6  vom  J.  1755  berieth  über  die  Frage, 
wie  die  Gegner  der  Bulle  zu  behandeln,  namentlich  wann  ihnen  die 
Sacramente  zu  verweigern  seien  (Picot  2,  295).  Man  wurde  nicht 
einig:  17  Bischöfe  und  22  Priester  formulirten  10  mildere,  16  Bi- 
schöfe und  10  Priester  8  schärfere  Artikel  (Roskovany  3, 196).  Beide 
Erklärungen  wurden  von  dem  Könige  trotz  des  Widerspruchs  des 
Parlaments  19.  Dec.  1755  nach  Rom  gesandt.  Der  Entwurf  einer 
Encyclica  soll  darauf  wiederholt  nach  Versailles  und  zurück  gesandt 
worden  sein  (N.  E.  1757,  60).  Endlich  erschien  dieselbe  mit  dem 
Datum  16.  Oct.  1756    (Roskovany  3,  199).      Die  Verhaltungsmass- 


1)  Picot  4,  572.  604.  N.  E.  1752,  142.  161;  1763,  164. 

2)  Dict.  Jans.  8,  85.  N.  E.  1751,  21.  Auch  Traite  des  refus  publica 
et  secrets  de  la  communion,  2  vol.  12.,  ist  von  einem  Acceptanten:  N.  E. 
1755,  15. 

3)  Migne  2,  398.  N.  E.  1749,  109.  149;  1751,  53.  60. 


758  Die  Bulle  Unigeniias. 

regeln,  die  Benedict  XIV.  darin  gibt,  sind  so  milde,  als  man  nnr  er- 
warten konnte:  die  Sterbesacramente  seien  nur  solchen  zu  verwei- 
gern, welche  als  Gegner  der  Bulle  gerichtlich  überführt  seien  oder 
sich  offen  erklärt  oder  durch  notorisches  Handeln  sich  gezeigt  hätten. 
Es  ist  auch  bemerkenswerth,  dass  die  Minorität  der  Assembl^e  die 
Bulle  Unig.  als  irreformabilis  definitio  totius  Ecclesiae  in  rebus  fidei, 
die  Minorität  als  perpetuum  et  irretractabile  Judicium  totius  Ecclesiae 
et  doctrina  in  rebus  fidei  bezeichnet  hatten,  der  Papst  aber  sich 
darauf  beschränkte,  zu  sagen:  Tanta  est  in  Ecclesia  Dei  auctoritas 
Constitutionis  Unig.  eademque  sibi  tarn  sinceram  venerationem,  obse- 
quium  et  obedientiam  ubiqne  vindicat,  ut  nemo  fidelium  possit  abs- 
que  salutis  aeternae  discrimine  a  debita  erga  ipsam  subjectione  sese 
snbdncere  aut  eidem  ullo  modo  refragari. 

Im  J.  1757  erhielten  die  in  Rom  anwesenden  Cardinäle  Ab- 
schriften einer  bitterbösen  Satire  auf  die  Encyclica  zugesandt: 
Epistola  amplissimis  S.  K.  E.  Cardinalibus  et  clarissimis  theologis 
in  urbe  Praeneste  congregatis  post  pacem  Ecclesiae  gallicanae  resti- 
tutam  et  methodum  propediem  edituris  pro  studiis  peragendis  ab 
alumnis  collegii  ürbani  de  Propaganda  Fide  ad  haereticos  profli- 
gandos,  ad  gentiles  et  atheos  in  sinum  Ecclesiae  reducendos.  Der 
Verfasser  legt  der  Commission,  welcher  der  Papst  die  Ausarbeitung 
eines  neuen  Stndienplanes  aufgetragen,  vier  Dubia  vor:  1.  Ist  den  Zög- 
lingen zu  gestatten,  über  das  Schweigen  zu  beobachten,  was  die  Rö- 
mische Kirche  als  Glaubensartikel  erklärt  hat,  unter  dem  Vorwande, 
den  Frieden  nicht  stören  und  die  Ketzer  nicht  scandalisiren  zu 
wollen  ?  Viele  sind  geneigt,  zu  glauben,  ein  solches  Schweigen  werde 
durch  das  Breve  gestattet,  in  welchem  die  Bulle,  die  der  h.  Stuhl 
fßr  eine  Regula  fidei  erklärt  hat  [S.  745],  nur  als  ein  Gesetz  be- 
zeichnet wird.  2.  Ist  es  den  Predigern  erlaubt,  in  ähnlicher  Weise 
diplomatisch  zu  reden,  wie  das  Breve  die  Appellanten  höflich  be- 
handelt? 3.  Dürfen  solchen,  die  der  Ketzerei  dringend  verdächtig 
sind,  und  4.  solchen,  die  für  notorische  Sünder  gehalten  werden,  die 
Sacramente  gespendet  werden  ?  ^)  —  Wie  aufgebracht  der  Papst  über 
diese  Impertinenz  war,  zeigt  das  offenbar  von  ihm  selbst  geschriebene 
Breve  vom  5.  Sept.  1757  (Bull.  4,333):  Der  Brief  sei  mehreren 
Cardinälen,  auch  dem  Staatssecretär  Archinto,  ohne  Zweifel  zu  dem 
Zwecke  zugesandt  worden,  dass  er  selbst  davon  Kenntniss  erhalte, 
id  quod  factum  est.  Er  habe  ihn  einigen  ganz  unparteiischen  Theo- 
logen zur  Begutachtung  gegeben,  und  diese  hätten  alle  erklärt,  er 
müsse  verdammt  werden  als  voll  von  resp.  falschen,  .  .  .  nnver 
schämten  [impudentibus,  sonst  keine  übliche  Qualification],  aufrüh- 
rerischen und  das  Schisma  begünstigenden  Behauptungen.  Eben  so 
hätten  einige  gelehrte  Cardinäle  geurtheilt.  Er  habe  diese  CensureD 
mit  der  Epistel  selbst  verglichen  und  die  Sache  der  Inquisition 
übergeben.  Auf  deren  Rath  und  auch  motu  proprio  und  aus  sicherer 
Wissenschaft  verdamme  er  kraft  apostolischer  Autorität  die  Epistel 


1)  ü.  N.  1758,  405.  Walch,  Neueste  ReL-Gesch.  1771,  S.  126.  495. 


Encyclica  Benedicts  XIV.  Nouvelles  ecclesiastiques.  759 

als  enthaltend  etc.  (wie  oben).  Wer  Exemplare  besitze,  habe  sie 
dem  Inquisitor  oder  Bischof  abzuliefern,  bei  Strafe  der  reservirten 
Excomm.  1.  sent.  für  Laieu  und  der  gleichen  Suspension  für  Welt- 
und  Ordensgeistliche.  Der  Verfasser  tadele  und  schmähe  das  durch- 
aus richtige  Verhalten  der  Cardinäle,  die  er  vor  dem  Erlass  der 
Encyclica  vom  16.  Oct.  1756  zu  Käthe  gezogen,  und  greife  auch 
ihn  selbst  an.  Darum  habe  er  das  h.  Officium  beauftragt,  den  Ver- 
fasser ausfindig  zu  machen  und,  sobald  Indicia  semiplenam  proba- 
tionem  constituentia  da  seien,  ihn  zu  verhaften  und  gegen  ihn  vor- 
zugehen. 

Die  Epistola  ist  ohne  Zweifel  von  einem  Jesuiten  verfasst. 
Faure,  auf  den  der  Verdacht  zunächst  fiel,  versicherte  freilich  eid- 
lich, sie  sei  nicht  von  ihm.  Die  Jesuiten  vergassen  dem  Papste  die 
Aeusserungen  nicht,  welche  er,  wie  Cordara  bei  Döllinger,  Beitr.  3,  9 
berichtet,  wiederholt  als  Cardinal  gethan:  die  Seote  der  Jansenisten 
sei  eine  blosse  Erfindung  der  Jesuiten  und  diese  seien  es  gewesen,  die 
Clemens  XL  zu  der  Bulle  gegen  Quesnel  verleitet,  welche  in  Frank- 
reich so  viele  Unruhen  veranlasst  habe^). 

Die  späteren  Streitigkeiten  über  die  Bulle  Unig.  haben  im  In- 
dex keine  Spuren  zurückgelassen^). 

13.  Die  Appellanten  hatten  von  1728  an  ein  eigenes  wöchent- 
lich erscheinendes  Organ,  die  Nouvelles  ecclesiastiques,  worin  über 
die  für  sie  interessanten  Vorfälle  und  Schriften  ausführlich  berichtet 
wurde  und  welches  bei  all  seinen  Mängeln  eine  der  wichtigsten 
Quellen  für  die  Kirchen-  und  kirchliche  Literatur- Geschichte  des  1 8. 
Jahrh.  ist.  Den  Plan  dazu  entwarf  Jacques- Joseph  Duguet  (1649 
— 1733;  S.-Beuve  6,  78);  der  erste  Herausgeber  war  Jacques  Fon- 
taine, der  sich  seitdem  de  la  Roche  nannte  (f  1761).  Das  Blatt 
wurde  heimlich  in  Paris  gedruckt,  die  meisten  Jahrgänge  in  Hol- 
land nachgedruckt,  die  älteren  später  neu  gedruckt^).  1767  erschien 


1)  Patuzzi  schrieb,  wahrscheinlich  im  Auftrage  des  Papstes:  Lettera 
enciclica  del  S.  P.  Bencdetto  XIV.  diretta  alla  Assemblea  generale  del 
clero  gallicano,  illustrata  e  difesa  da  Eusebio  Eraniste  contro  l'autore 
dei  dubbj  o  quesiti  propositi  ai  cardinali  e  teologi  della  S.  Congr.  di  Pro- 
paganda, Lucca  1759 ;  danach  Lettres  d'un  thiologien  ä  un  ami  pour 
Gonfondre  Fauteur  des  quatre  doates,  Utr.  1760*. 

2)  Joseph  II.  verordnete  1781 :  in  seinen  Erblanden  solle  die  Bulle 
als  nicht  existirend  angesehen  und  nichts  pro  et  contra  gelehrt  und  ge- 
schrieben werden.  Archiv  f.  österr.  Gesch.  50,  323.  Brunner,  Theol.  Diener- 
schaft S.  122.  Der  Freimüthige  1,  64.  558;  2,  484.  569. 

3)  Dict.  Jans  3,  155.  Picot  2,  105;  4,  293.  Die  ersten  Nummern, 
vom  1.  Jan.  bis  16.  Febr.  1728,  wurden  in  Abschriften  verbreitet  (in  dem 
Neudruck  sind  sie  mit  abgedruckt),  vom  23.  Febr.  an  wurde  das  Blatt  in 
Paris  heimlich,  angeblich  anfangs  auf  einem  auf  der  Seine  liegenden  Boote, 
gedruckt.  Der  Polizei-Lieutenant  Heraul t  hielt  einmal  in  einem  Hause, 
wo  angeblich  das  Blatt  gedruckt  wurde,  Haussuchung;  er  fand  nichts, 
aber  als  er  wieder  in  seinen  Wagen  stieg,  lag  ein  Pack  von  noch  feuchten 
Exemplaren  der  neuesten  Nummer  darin  (S.-Beuve  3,  58).  —  In  dem 
holländischen  Nachdruck  wurden  eine  Zeit  lang  polemische  Noten  gegen 
die  Pariser  Ausgabe  beigefügt.    Ueberhaupt  spiegelt  sich  in  den  späteren 


760  Die  Bulle  Ünigeniius. 

ein  ausführliches  alphabetisches  Register  zu  den  Jahrgängen  1728 
—60,  2  vol.  4.,  1791  ein  Register  zu  den  Jahrgängen  1761 — 90. 
Louis  Patouillet  und  andere  Jesuiten  gaben  1734 — 48  ein  Supple- 
ment aux  N.  E.  heraus.  —  1731  Hess  das  Parlament  5  Nummern  der 
N.  E.  verbrennen  (von  No.  1  wurden  in  diesem  Jahre  900  Exem- 
plare confiscirt,  N.  E.  1731,  37.  106).  1732  erliess  der  Erzbischof 
von  Paris  ein  Mandement  dagegen  (N.  E.  1732,  85).  Im  J.  1740 
nahm  auch  die  Inquisition  Notiz  von  dem  Blatte.  In  d^r  Nummer 
vom  20.  Febr.  1740  meldeten  die  N.  E.  den  Tod  des  Cardinais  Giov. 
Ant.  Davia  und  theilten  einige  Briefe  desselben  an  den  Bischof  Col- 
bert  mit,  die  auch  in  dem  3.  Bande  der  in  demselben  Jahre  erschie- 
nenen Oeuvres  desselben  stehen.  Der  Cardinal  zeigt  sich  darin  als 
Freund  des  alten  Appellanten,  fordert  ihn  auf,  gegen  den  Probabi- 
Iismus  zu  schreiben,  und  bezeichnet  noch  einen  andern  Cardinal  als 
Gesinnungsgenossen.  Die  Briefe  wurden,  wie  es  scheint,  mit  Recht, 
für  unecht  erklärt^)  und  von  der  Inq.  19.  April  1740  verordnet,  jene 
Nummer  der  N.  E.,  als  falsche,  verleumderische,  die  Gläubigen  zu 
verführen  geeignete  und  die  Reputation  eines  hochgestellten  Mannes 
schädigende  Berichte  enthaltend,  vor  der  Minerva  zu  verbrennen. 
Das  geschah  25.  April  (N.  E.  1740,  141).  Seitdem  steht  jene 
Nummer  (zwei  Quartblätter)  auch  im  Index:  Suite  des  Nouvelles 
eccl.  (so  lautet  der  Titel  jeder  Nummer,  nur  die  erste  eines  Jahr- 
gangs heisst  Nouvelles  eccl.),  desgleichen  die  Nummern  vom  20. 
Juni  1740  und  20.  März  1741,  in  denen  ich  nichts  besonders 
Schlimmes  finde.  Das  Verbot  dieser  drei  Nummern  mit  fortzuführen, 
war  um  so  überflüssiger,  als  1742  und  nochmals  10.  Mai  1757  die 
Nouvelles  Eccl.  überhaupt  verb.  wurden. 

14.  Mit  dem  Streite  über  die  Bulle  Unigenitus  hängt  auch 
zusammen  das  Memoire  sur  les  droits  du  second  ordre  du  clerge, 
avec  la  tradition  qui  prouve  les  droits  du  second  ordre.  En  France 
1733,  82  und  56  S.  4.,  durch  Arröt  du  Conseil  vom  29.  Juli  und 
von  der  Inq.  26.  Aug.  1733  verb.  Der  Verfasser,  Nie.  Le  Gros 
(1675 — 1751)  zeigt,  dass  die  Bischöfe  nicht  allein,  sondern  nur  in 
üeberein Stimmung  mit  ihrer  Geistlichkeit  Entscheidungen  (über  die 
Acceptation  der  Bulle  u.  s.  w.)  zu  treffen  hätten  (Dict.  Jans.  3, 96). 
Die  Schrift  schliesst  sich  also  an  die  von  Fontejus  (S.  369)  an. 
Eine  ganze  Reihe  von  anderen  Schriften,  die  seit  1734  in  Frank- 
reich über  die  erste  und  zweite  Stufe  der  Hierarchie  erschienen, 
war  veranlasst  durch  die  Suspension  appellirender  Priester  durch 
ihre   Bischöfe    und    die    dadurch   für    die    Appellanten   entstehende 


Jahrgängen  auch  die  unter  den  Appellanten  eingerissene  Veruneinigong 
ab.  Sie  erschienen  in  Holland  noch  bis  1803,  seit  1794  alle  14  Tage, 
daneben  in  Paris  ein  Organ  der  constitutionellen  Geistlichen. 

1)  Reponse  ä  un  ami  touohant  les  lettres  qu'on  attribue  au  Card. 
Davia  dans  la  Saite  des  N.  £.  No.  29,  24  S.  4.  In  den  N.  E.  1742,  20 
wird  die  Unechtheit  der  Briefe  zugegeben,  aber  die  Echtheit  der  Briefe 
Colberts  an  Davia  festgehalten.  Dass  der  Herausgeber  der  N.  £.  die  Briefe 
fabricirt  habe  (Dict.  Jans.  2,  520),  ist  ganz  unwahrscheinlich. 


Sohriften  von  Gegnern  der  Balle  Ünigenitos.  761 

Schwierigkeit,  Beichtväter  zu  finden,  und  vertheidigte  die  Ansicht, 
dasB  der  Priester  durch  die  Ordination  die  Gewalt,  die  Lossprechung 
zu  ertheilen,  erhalte  und  nach  dem  alten  kirchlichen  Eechte  dazu 
keiner  speciellen  Autorisation  durch  den  Bischof  bedürfe.  So  die 
Consultation  sur  la  Jurisdiction  et  sur  Tapprobation  näcessaire  pour 
confesser,  1734,  von  Nie.  Travers  (1686 — 1750),  die  1735  von  der 
Sorbonne  ausführlich  censurirt  wurde  (Arg.  III  a  208),  und  Les 
pouvoirs  legitimes  du  premier  et  second  ordre  dans  Tadministration 
des  sacremens  et  le  gouvernement  de  TEglise,  1 740,  800  S.  4.,  von 
demselben.  In  der  letztern  Schrift  wird  behauptet,  es  bestehe 
zwischen  Bischof  und  Priester  kein  wesentlicher  Unterschied.  Sie 
wurde  von  der  Assemblee  du  Clerge  1745  censurirt  (Dict.  Jans. 
1,  340;  2,  273)  und  von  den  N.  E.  1745,  185  desavouirt,  wie  auch 
mehrere  ähnliche  spätere  Schriften  (1755,  91.  92).  Andere  behaup- 
teten nur,  im  Nothfalle  dürfe  auch  ein  ungerecht  suspendirter  Priester 
absolviren  (Dissertations  theol.  et  can.  sur  Tapprobation  n^cessaire 
pour  administrer  le  sacrement  de  penitence,  466  S.  12.  N.  E.  1755, 
92),  oder  der  Bischof  könne  nicht  willkürlich  die  Jurisdiction  be- 
schränken, z.  B.  nicht  verbieten,  den  Appellanten  die  Lossprechung 
zu  ertheilen  (Reflexions  sur  le  despotisme  des  eveques  et  les  inter- 
dits  arbitraires,  N.  E.  1769,  109).  Von  den  vielen  über  diese  Ma- 
terie erschienenen  Schriften  steht  merkwürdiger  Weise  keine  im 
Index. 


70.     Sehriften  von   Gegnern  der  Balle  Unigenitns. 

Zu  den  hundert  in  §  69  besprochenen  Schriften  kommen 
noch  einige,  welche  zwar  nicht  direct  mit  der  dort  beschriebe- 
nen Controverse  zusammenhangen,  aber  von  Appellanten  verfasst 
sind  and  dogmatische  oder  ethische  Anschaunngen  vertreten,  die 
mit  der  Bulle  Unigenitus  nicht  tibereinstimmen.  Dazu  gehören 
namentlich  zwei  Lehrbücher  der  Religion:  eins  von  dem  Orato- 
rianer  Pouget,  welches  der  Bischof  Colbert  von  Montpellier  1702 
drncken  Hess  and  welches  gewöhnlich  Gat^chisme  de  Montpel- 
lier genannt  wird,  and  eins  von  Mesenguy.  Von  dem  ersten 
warde  1721  die  französische  Ausgabe,  dann  auch  drei  Ueber- 
setzangen  anbedingt  verboten ;  in  einer  corrigirten  französischen 
and  lateinischen  Ausgabe  hat  aber  das  Buch  eine  grosse  Ver- 
breitung gefunden.  Von  dem  zweiten  wurde  die  französische 
Ausgabe  1757  durch  die  Index-Congregation  verboten,  eine  ita- 
lienische Uebersetzung  durch  ein  Breve  Clemens'  XIII.  vom  J. 
1761.  —  Unter  den  anderen  Appellanten,  von  denen  (anonyme) 
Schriften  verboten  wurden,  sind  Duguet,  Treavä  und  der  Kir- 


762  Sobriften  vou  Gegnern  der  Bulle  Unigenitus. 

cheDgeschichtschreiber  Racine  die  bedeutendsten.  —  Neben  den 
vielen  auf  die  Geschichte  des  Jansenisraus  bezüglichen  Schriften 
von  Jansenisten  findet  sich  im  Index  auch  eine  von  dem  Jesuiten 
du  Chesne.  —  Viele  Schriften,  welche  von  den  Jesuiten  in  dem 
Dictionnaire  Janseniste  als  Jansenistisch  denuncirt  wurden,  dar- 
unter auch  einige  bedeutende,  wie  von  Boursier,  wurden  nicht 
verboten. 

1.  Der  sog.  Catechisme  de  Montpellier  erschien  zuerst  zu 
Paris  1702:  Inßtractions  generales  en  forme  de  catechisme,  oü  ron 
explique  en  abreg6  par  T^critnrc  sainte  et  par  la  tradition  rhistoire 
et  les  dogmes  de  la  religion  .  .  . ,  iniprim^es  par  ordre  de  Messire 
Charles- Joachim  Colbert,  Eveque  de  Montpellier.  Es  sind  drei 
Catechismen,  ein  ausführlicher  für  alle  Gläubigen  und  ein  grösserer 
und  ein  kleinerer  Auszug  für  Kinder.  Verfasst  ist  er  von  dem 
Oratorianer  FranQois-Aime  Pouget,  damals  Superior  des  Seminars 
zu  Montpellier.  Der  Erzbischof  Noailles  von  Paris  hatte  das  Buch 
approbirt.  Colbert  sandte  es  im  März  1703  an  Clemens  XI.  Es 
fand  vielen  Beifall;  Mabillon  spricht  sich  in  seinem  und  Thierry 
Ruinarts  Namen  ohne  Vorbehalt  lobend  darüber  aus  und  nennt  es 
un  abrege  trfes-exact  de  toute  la  doctrine  chr^tienne  (Thuillier  1, 
541).  Selbst  Dict.  Jans.  2,  276  sagt,  es  sei  bon  ä  certains  egards, 
und  weiss  nur  wenige  Stellen  zu  tadeln.  Das  Buch  wurde  wieder- 
holt gedruckt  und  bald  in  andere  Sprachen  übersetzt:  Istruzioni 
generali  .  .  .  tradotte  dal  francese  nelF  italiano  da  Costanzo  Grasse- 
iini Fiorentino,  Ven.  1717,  —  Instrucciones  generales  .  .  .  tradu- 
cidas  en  castellan  por  D.  Manuel  de  Villegas  y  Pifiateli,  Madrid 
1713,  —  General  Instructions  .  .  .  translated  from  the  original 
french  and  carefully  compared  with  the  spanish  approved  translation. 
First  Part.  The  second  edition  corrected  and  amended  by  Silvester 
Lewis  Lloyd  [Minorit,  Bischof  von  Killaloe,  dann  von  Waterford, 
t  1747;  die  Uebersetzung  ist  von  Hall,  Dr.  Sorb.],  London  1723^). 
—  1721  wurden  die  französische  und  die  italienische  Ausgabe,  1725 
die  englische,  1727  die  spanische  von  der  Index-Congr.  verboten. 
Dass  Colbert  und  Pouget  Appellanten  waren,  wird  der  Hauptgrund 
des  unbedingten  Verbotes  gewesen  sein^).  Eine  Expurgation  im 
curialistischen    Sinne    war    nicht    einmal    schwierig:    es    erschienen 


1)  Später  wurde  der  (kleinere)  Catechismus  auf  Veranlassung  des 
Bischofs  von  Evora  ins  Portugiesische  übersetzt  (N.  E.  1766,  I04)i  DeLionne, 
apost.  Vicar  in  China,  wollte  ihn  ins  Chinesische  übersetzen  (Dupin  19, 
360).  —  Lettres  critiques  sur  les  differentcs  editions  du  Cat.  de  Mont- 
pcllicT,  Paris  1768,  205  S.  12.  (N.  E.  1769,  68). 

2)  In  Colberts  Oeuvres  2,  710  werden  Briefe  aus  Rom  aus  dem  J. 
1734  angeführt,  wonach  der  Catechismus  verb.  worden  wäre  wegen  der 
Sätze:  qu'une  courtisane,  qui  entend  la  messe  avec  la  disposition  de  oon- 
tinuer  dans  son  libertinage,  commet  un  pechS,  und  qu'on  n'adore  point 
le  sacrement,  mais  Jesus-Christ  dans  le  sacrement. 


Catechisme  de  Montpellier.  Fr.  Ph.  Mesenguy.  768 

mehrere  corrigirte  Ausgaben  oder  Bearbeitungen.  Colberts  Nach- 
folger in  Montpellier,  Charancy,  Hess  eine  solche  für  seine  Diöcese 
drucken;  eine  andere  wurde  in  Angers  eingeführt  (N.  E.  1753,  107). 
Die  italienische  Uebersetzung  war  von  dem  Erzbischof  La  Gherar- 
desca  von  Florenz  approbirt ;  unter  dessen  Nachfolger  Incontri  wurde 
eine  Uebersetzung  von  Burelli,  in  der  Colberts  Name  weggelassen 
und  ein  Passus  über  den  Primat  beigefugt  war,  von  der  Regierung 
trotz  vielfachen  Widerspruchs  in  ganz  Toscana  eingeführt  (Potter, 
Ricci  1,  32). 

1725  erschien  zu  Paris  eine  lateinische  Bearbeitung:  Institu- 
tiones  cath.  in  modum  catecheseos  ...  in  lat.  translatae,  adjectis 
singulis  e  scriptura  et  traditione  probationibus  et  testimoniis,  auctore 
eodem  et  interprete  Fr.  Amato  Pouget,  2  Fol.  Pouget  starb  während 
des  Druckes  des  1.  Bandes  (1723),  die  Arbeit  wurde  von  einem 
andern  Oratorianer,  P.  N.  Desmolets  (Ingold,  Essai  p.  40)  vollendet. 
Der  Siegelbewahrer  d'Armenoville  verbot  im  April  1723  die  Fort- 
setzung des  Druckes;  sie  wurde  aber  von  Card.  Dubois  gestattet; 
nur  durfte  Colberts  Namen  nicht  auf  das  Titelblatt  gesetzt  und  es 
mussten  einige  Cartons  gedruckt  werden  (Hist.  des  Refl.  4,  656). 
Diese  lateinische  Bearbeitung  ist  sehr  oft  gedruckt  und  in  Rom  nie 
beanstandet,  in  späteren  Ausgaben  aber  noch  mehr  durch  Aende- 
mngen  und  Zusätze  modificirt  worden.  (Die  neueste,  mir  bekannte 
Ausgabe  ist  die  von  Avignon  1837,  12  vol.  8.)  —  Colbert  erliess 
1726  eine  eigene  Ordonnance  portant  condamnation  du  livre  Insti- 
tutiones  .  .  .  (Oeuvres  2,  773;  vgl.  2,  p.  XXVI)  und  1732  eine 
zweite  gegen  eine  verstümmelte  französische  Ausgabe  (2,  801)  und 
erklärte,  nur  die  Ausgabe  von  1702  sei  die  von  ihm  approbirte.  — 
Die  spanische  Ausgabe  des  Catechismus  steht  auch  in  dem  span.  In- 
dex von  1747;  das  Verbot  wurde  aber  1782  von  der  Inquisition 
aufgehoben.  —  Im  Rom.  Index  stehen  noch:  Lettre  d'un  eccl^siasti- 
que  ou  th^ologal  d'nne  cath^drale  sur  le  cat.  de  Montpellier  et 
la  r6ponse,  Carpentras  1723,  verb.  1725,  und  Lettres  k  Mgr.  l'Ev. 
d^ Angers  au  sujet  d^un  pretendu  extrait  du  cat.  de  Montpellier  au- 
torise  par  ce  pr6lat,  Toulouse  1752,  192  S.  12.,  verb.  1754,  6  Briefe 
von  J.  B.  Gaultier  (N.  E.  1753,  107). 

2.  Fran^ois-Philippe  Mesenguy,  —  geb.  zu  Beauvais  1677, 
Lehrer  im  College  de  Beauvais,  1728  als  Appellant  aus  dieser  Stellung 
entfernt,  er  starb  erst  1763,  86  Jahre  alt,  —  ist  der  Verfasser  der 
anonymen  Exposition  de  la  doctrine  chretienne,  instructions  sur 
les  principales  verites  de  la  religion,  Utrecht  1744,  6  vol.  12.  (ver- 
besserte Ausgabe  Cologne  1754,*  4  vol.  8.).  Das  Buch  wurde  1752 
im  Dict.  Jans.  2,  136  scharf  kritisirt,  —  S.-Beuve  3,  634  bezeichnet 
Mes.  als  einen  verspäteten  Port-Roy alisten,  —  und  1757  von  der 
Index-Congr.  verboten.  Die  N.  E.  1758,  54  sagen:  Das  hätte  man 
von  Benedict  XIV.  nicht  erwarten  sollen ;  aber  Ricchini,  der  Secre- 
tär  der  Index-Congr.,  ist  jetzt  ganz  jesuitisch  (es  wird  angedeutet, 
er  wolle  General  werden  und  die  Jesuiten,  die  wegen  des  Verbotes 
der  Biblioth.  Jans,  gegen  ihn  erbittert  seien,  versöhnen);  er  hat 
das  Buch  einem  Jesuiten  zur  Prüfung  übergeben  und,  obschon  dieser 


764  Schriften  von  Gegnern  der  Bulle  Unigenitos. 

ein  güDRtigeB  Gutachten  abgab,  auf  dem  Verbote  bestanden  und  nicht 
erst,  wie  doch  der  Papst  verordnet,  den  Verfasser  gehört  (derselbe 
hatte  sich  freilich  nicht  genannt,  war  aber  im  Dict.  Jans,  angegeben). 
Das  Buch  wurde  trotz  des  V^erbotes  von  einer  Gesellschaft  von 
Geistlichen  in  Neapel  übersetzt,  und  die  Uebersetzung  von  zwei 
Dominicanern  1758  approbirt  und  mit  Genehmigung  der  Regierung 
in  5  Bänden  gedruckt:  Esposizione  del  Simbolo.  Esposizione  dell 
orazione  dominicale.  Esp.  del  decalogo.  Esp.  de^  sagramenti.  Esp. 
de*  comandamenti  della  chiesa,  con  Taggiunta  di  un  trattato  della 
giustificazione,  1758 — 60.  Diese  italienische  Ausgabe  wurde  bei 
der  Inquisition  denuncirt.  Die  Neapolitanische  Regierung  beklagte 
sich  über  die  Denunciation,  und  Mes.  selbst  schrieb  an  Card.  Pas- 
sionei,  um  das  Verbot  abzuwenden.  Sein  Buch  fand  auch  in  Rom 
Gönner.  Die  Monsignori  Bottari  und  Foggini  vertheilten  Exemplare 
gratis,  und  die  Cardinäle  Orsi  und  Passionei,  zwei  Mitglieder  der 
Inq.,  von  denen  der  Jesuit  Cordara  sagt,  sie  hätten  wegen  ihrer  Ge- 
lehrsamkeit in  besonderm  Ansehen  gestanden,  lobten  das  Buch;  Card. 
Tamburini  meinte,  man  könne  es  expurgiren,  und  Card.  Spinelli, 
man  solle  mit  dem  Verbote  der  Neapolitanischen  Ausgabe  warten, 
bis  eine  neue  verbesserte,  die  zu  Venedig  vorbereitet  werde,  erschie- 
nen sei.  Von  den  12  Theologen  aus  verschiedenen  Orden  (mit  Aus- 
schluss der  Jesuiten),  denen  Clemens  XIII.  die  Prüfung  des  Buches 
übertrug,  sprachen  sich  nach  Cordara  11  für  ein  unbedingtes  Ver- 
bot aus.  In  der  Sitzung  vom  25.  Aug.  1760  stimmten  mehrere 
Cardinäle,  nach  einer  Angabe  die  Majorität,  gegen. ein  Verbot  (das 
Votum  Passionei's  bei  Fleur.  84,  372);  der  Papst  behielt  sich  die 
Entscheidung  vor  und  entschloss  sich,  angeblich  hauptsächlich  auf 
Betreiben  Ricchini's  und  Mamachi's,  —  dieser  soll  früher  das  Buch 
sehr  gelobt  haben;  Cordara  nennt  ihn  eine  Windfahne,  —  das  Buch 
durch  ein  Breve  zu  verdammen.  Card.  Passionei,  der  Secretär  der 
Breven,  ging,  um  dasselbe  nicht  unterzeichnen  zu  müssen,  aufs 
Land.  Clemens  XIII.  schickte  ihm  aber  das  Breve  nach  mit  dem  Be- 
fehle, es  zu  unterzeichnen  oder  sein  Amt  niederzulegen.  Er  unter- 
schrieb, —  calamum  fremens  frendensque  arripuit,  sagt  Cordara, 
—  und  eine  Stunde  darauf  rührte  ihn  der  Schlag;  er  starb  am  fol- 
genden Tage,  5.  Juli  1761,  79  Jahre  alt^). 


1)  Vgl.  den  Bericht  von  Cordära  bei  DöUinger,  Beitr.  3,  32.  N.  £. 
1761,  65.  118;  1763,  87;  1765,  204.  Nach  Mesenguy's  Tode  erschien: 
Memoire  justificatif  du  livre  Exposition  .  .  .  Ouvrage  posthume  de  Pabbe 
Mesenguy,  1768,  350  S.  12.,  mit  einem  Avertissement  von  dem  Abbe  Le- 
queux.  —  Cordara  unterlässt  nicht  zu  bemerken,  dass  einige  Tage  vor 
Passionei  Orsi,  bald  nach  ihm  Tamburini  und  Spinelli  gestorben  seien. 
Von  Passionei  sagt  er:  Inimicitiam  contra  Jesuitas  exercebat  apcrte  etat 
ita  dicam  honeste,  non  ut  quidam  alii  ex  occulto  et  simulate.  In  Rom 
machte  man  damals  folgende  Verse  (Mcrkw.  Lebensgesch.  aller  Cardinäle, 
Regensb.  1768,111,862):  E  morto  Passionei,  E  morto  d'accidente,  Amazzato 
da  demente  Per  quel  breve  benedetto,  Che  soscrisse  a  suo  dispetto.  Piange 
Speranza  (sein  Secretär),  Baldriotti  (sein  Beichtvater)  fa  instanza,  Bottui 
(sein  Freund)  fa  tempesta,  E  al  Gesü  si  fa  festa.    Bei  Fleur.  84,  405  steht 


Fr.  Ph.  Mesengy.    J.  J.  Duguet.  766 

Das  Breve,  vom  14.  Juni  1761  datirt  (Bull.  cont.  2,  132), 
angeblich  von  dem  Assessor  S.  Oif.  Veteran!  verfasst,  verdammt  das 
Buch,  als  falsche,  temeräre,  den  apostolischen  Decreten  und  der 
kirchlichen  Praxis  widersprechende,  mit  bereits  von  der  Kirche  ver- 
dammten Sätzen  übereinstimmende  Sätze  enthaltend,  in  allen  Aus- 
gaben und  üebersetzungen,  auch  eine  etwa  privato  cuiusvis  ingenio 
facta  aut  facienda  correctio.  Gleichwohl  wird  im  Index  das  Breve 
nicht  bei  der  französischen,  sondern  nur  bei  der  italienischen  Aus- 
gabe citirt,  die  sonderbarer  Weise  unter  Italica  interpretatio  operis 
inscr.  Exposition  etc.  steht.  Noch  in  demselben  Jahre  erschien  zu 
Venedig  eine  von  dem  Dominicaner  Patuzzi  corrigirte  Ausgabe, 
Esposizioni  sulle  dottrine  cristiane,  die  gar  nicht  beanstandet  wurde. 
—  In  Neapel  wurde  den  Bischöfen  im  Dec.  1761  verboten,  das 
Breve  zu  publiciren,  bevor  es  das  Exequatur  erhalten.  Der  spanische 
General-Inquisitor  Quintano  Bonifaz  publicirte  das  ihm  von  dem 
Nuncius  zugestellte  Breve  9.  Aug.  1761.  Carl  III.,  der  sich  durch 
das  Verbot  des  Buches  persönlich  verletzt  fühlte,  weil  dasselbe  bei 
dem  Unterrichte  seines  Sohnes  gebraucht  werden  sollte,  forderte 
Bonifaz  auf,  seinen  Erlass  zurück  zu  nehmen.  Dieser  weigerte  sich, 
weil  das  der  Ehre  des  h.  Officiums  und  dem  Gehorsam,  den  er  dem 
Oberhaupte  der  Kirche  schulde,  zuwider  sei,  und  wurde  darauf  in 
ein  Kloster  verwiesen.  Nun  that  er  Abbitte,  —  auch  der  Nuncius 
zeigte  sich  feige,  indem  er  die  Schuld  auf  Bonifaz  schob,  —  und 
wurde  dann  wieder  eingesetzt.  Dieser  Vorfall  veranlasste  Carl  III., 
durch  eine  Cedula  vom  18.  Jan.  1762  zu  verordnen:  jedes  päpstliche 
Schreiben  sei  ihm  vor  der  Publication  vorzulegen,  und  die  Inquisi- 
tion habe,  wenn  sie  in  Rom  verbotene  Bücher  auch  ihrerseits  ver- 
bieten wolle,  dieses  auf  Grund  eigener  Prüfung  und  Entscheidung, 
nicht  auf  Grund  des  Römischen  Verbotes  zu  thuen^).  —  Mesen- 
guy's  Buch  steht  aber  im  Index  von  1790  als  1761  verb. 

3.  Jacques-Joseph  Duguet  (Du  Guet,  1649—1733),  bis  1686 
Oratorianer,  war  ein  sehr  frommer  und  gelehrter  Mann,  ein  stand- 
hafter Appellant,  aber  mit  manchen  Extravaganzen  der  Partei  nicht 
einverstanden,  le  Nicole  de  ces  temps  opiniätres  et  querelleurs,  de 
ces  temps  insens^s  et  convulsifs  (S.-Beuve  6,  71).  Von  seinen  zahl- 
reichen anonymen  Schriften  stehen  ausser  den  S.  740.  742  erwähnten 
im  Index:  Traitez  sur  la  pri^re  publique  et  sur  les  dispositiofis  pour 
ofFrir  les  ss.  mysteres  et  y  participer  avec  fruit,  Brux.  1708,* 
304  S.  8.,  oft  gedruckt,  mit  d.  c.  verb.  1714,  für  einen  Canonicus 
geschrieben,  der  ihn  gefragt,  was  er  zu  thuen  habe,    um  andächtig 


das  Epitaphium:  Yirtuti,  non  Romae  satisfecit.  Bellarmini  et  Palafoxii 
cansas  pro  beatificatione  S.  Sedis  honore,  veritatis  decore  solo  servando 
invicte  egit.  In  Petri  faciem  pro  Romana  gloria  saepius  resistens,  tandem 
resistente  Petro,  ne  ultro  violentiae  cederet,  ardua  purpuratis  relinquens 
monumenta  imitanda,  in  eremo  sibi  viventi  inter  Camaldulenses  constructo 
cessit  fato. 

1)  Le  Bret,  Magazin  8,  496.  Sempere,  Betrachtungen  2, 90.  Pelayo  3, 
182. 


766  Schriften  von  Gegnern  der  Bulle  Unigenitus. 

sein  zu  können  bei  dem  amas  de  prieres  qne  Tabus  des  fondations 
pieuses  avait  attachies  k  de  certaines  charges,  mit  anderen  Worten, 
comment  on  pouvait  etre  chanoine  et  non  pas  en  faire  le  mutier, 
maifl  en  remplir  le  minist^re  en  conscience,  avec  presence  d'esprit 
et  de  coeur  pendant  de  si  longues  offices  et  saus  laisser  k  des 
chantres  gag^s  le  soin  de  le  louer  Dieu  (S.-Beuve  6,  66).  Üuguet 
gibt  darüber  ganz  vortreffliche  Anweisungen,  spricht  aber  neben- 
bei massvoll  und  freimüthig,  und  das  hat  sein  Buch  in  den  Index 
gebracht,'  über  das  Missliche  der  vielen  und  langen  Officien,  des 
täglichen  Messelesens  u.  dgl.  —  Institution  d*un  prince,  ou  traite 
des  qualit^s,  des  vertus  et  des  devoirs  d'un  sou verain,  Leyde  1739, 
4  vol.  12.,  verb.  1745,  für  den  Herzog  von  Savoyen,  den  spätem 
König  von  Sardinien  geschrieben,  nicht  im  Dict.  Jans.  (Nouv.  Ed. 
avec  la  vie  de  Tauteur,  Londres  1750*).  —  Explication  des  qua- 
litez  ou  des  caract^res  que  S.  Paul  donne  a  la  charite.  Nouv.  Ed. 
revue,  corr.,  angm.  1728  (zuerst  1727),  mit  d.  c.  verb.  1746,  über 
1  Cor.  13,  oft  gedruckt  (mit  Duguets  Namen  Brux.  1759*),  in 
einigen  Ausgaben  expurgirt  (Dict.  Jans.  2,  124).  S.-Beuve  6,  50 
sagt,  Gonthier  habe  cet  inappreciable  livre,  ohne  den  Verfasser  zu 
kennen  (touchante  ignorance!),  1824  zu  Genf  neu  drucken  lassen, 
et  ce  livre  reimprime  sans  nom  faisait  son  chemin  dans  les  coeurs 
et  operait,  Dieu  aidant,  plus  de  bons  mouvements  secrets  et  dura- 
bles  qu'une  tragedie  dans  un  thialre  ne  fait  verser  de  pleurs^). 

Von  einer  schon  1684  erschienenen  Schrift  (von  Simon-Michel 
Treuvi,  1668—1730)  Le  directeur  spirituel  pour  ceux  qui  n'en  ont 
point,  wurde  sonderbarer  Weise  nur  eine  1 703  erschienene  englische 
Uebersetzung,  The  spiritual  director  for  those  who  have  none,  und 
diese  erst  1729  verb.  (im  span.  Index  steht  das  Original).  Im  Dict. 
Jans.  1,  442  wird  dem  Verfasser  zum  Vorwurf  gemacht,  dass  er 
mehrere  schlechte  Bücher,  u.  a.  seine  eigenen  Instructions  empfehle, 
davon  abrathe,  während  der  Messe  den  Eosenkrauz  oder  Psalmen 
zu  beten  u.  dgl.,  und  „tausend  andere  Thorheiten  vortrage"^).  Die 
für  Mad.  de  Longueville  geschriebene  Instruction  sur  les  dispositions 
qu'on  doit  apporter  aux  sacrements  de  penitence  et  d'eucharistie, 
1676,  von  der  viele  Auflagen  erschienen  (u.  a.  Paris  1710*)  und 
die  im  Dict.  Jans.  2,  332  viel  schärfer  kritisirt  wird,  ist  nicht  verb. 

Ausserdem  stehen  noch  folgende  französische  Schriften  im  In- 
dex: Dissertation  sur  les  vertus  thiologales,  1744,  verb.  1746 
(Dict.  Jans.  1,  502).  —  Memoire  servant  de  clef  de  David,  on  le 
molinisme  et  le  materialisme  demasques,  von  der  Inq.  verb.  1759. 
—  Instructions  sur  les  verites  de  la  grace  et  de  la  Prädesti- 
nation en  faveur  des  simples  fid^les,  Nouv.  Ed.  Avignon  1748* 
(Dict.  Jans.  2,  538,  von  Nie.  Hugot),    erst  1768  verb.,  gleichzeitig 


1)  S.-Beuve  6,  3  handelt  ausführlich  über  Duguet.  Vgl.  L'esprit  de 
M.  Duguet  ou  precis  de  la  moralo  ehret,  tird  de  ses  ouvrages,  Par.  1764*, 
490  S.  12. 

2)  Wittola  gab  1771  eine  deutsche  Uebersetzung  heraus  (N.  E.  1772, 
183).  Ueber  Trcuve  s.  Morery,  Suppl. 


S.  M.  Treuve.  L.  Fr.  Boursier  u.  a.  767 

eine  italienische  Uebersetzung :  Le  veritä  della  grazia.  —  E^ponse 
anx  difficult^s  propos^es  aux  sujet  d'nn  ecrit:  Dernier  ^claircisse- 
ment  sur  leg  vertus  theol.,  verb.  1750. 

4.  Unter  den  Schriften,  die  von  den  Jeßuiten  im  Dict.  Jans, 
und  sonst  als  Jansenistisch  dennncirt,  aber  nicht  verb.  wurden,  ist 
die  bedeutendste:  De  Taction  de  Dieu  sur  les  cr^atures,  trait^  dans 
lequel  on  prouve  la  pr^motion  physique  par  le  raisonnement  et  oü 
l'on  examine  plusieurs  questions  qui  on  rapport  k  la  nature  des 
csprits  et  k  la  gräce,  Paris  1713*,  2  vol.  4.  (6  vol.  12.),  1714  vom 
Conseil  d^etat  verb.,  im  Dict.  Jans.  1 ,  38  als  insinuant  d'un  bout  k 
l'autre  le  Jansenisme,  le  Calvinisme  et  le  Spinoeisme  ( !  der  Verfasser 
war  Thomißt  und  Cartesianer;  Bouillier  2,311)  bezeichnet.  Der 
Verfasser  ist  L.-Fr.  Boursier  (1679-1748),  nach  S.-Beuve  6,79  le 
grand  personnage  «influent  k  Paris  et  le  directenr  du  Jans6nisme 
central,  der  Concipient  der  Appellation  der  vier  Bischöfe  und  vieler 
bischöflichen  Actenstücke.  Es  erschienen  mehrere  Gegenschriften 
(u.  a.  von  Malebranche  R^flexions  sur  la  pr^motion  physique,  1715) 
und  als  Vertheidigung  gegen  diese  Hist.  et  analyse  du  livre  de 
l'Action  de  Dieu  avec  des  opuscules  de  M.  Boursier  r^Iatifs  k  cet 
ouvrage,  1753,  3  vol.  12.,  von  Chr.  Coudrette  (Werner,  Suarez 
1,529.  Migne  2,  346).  —  Die  12  Lettres  k  un  eccl^siastique  sur  la 
justice  chretienne  et  les  moyens  de  la  conserver  ou  de  la  reparer, 
1733,  1734  von  der  Sorbonne  ausführlich  censurirt  (nicht,  wie  im 
Dict.  Jans.  2,  393  angegeben  wird,  von  dem  Oratorianer  Gaspard 
Terrasson ;  Migne  2,  869),  sind  von  Boursier  revidirt. 

Louis- Jacques  Chapt  de  Rastignac,  1724 — 50  Erzbischof  von 
Tours,  zog  sich  die  Ungnade  der  Jesuiten  zu  durch  die  Verdammung 
des  Buches  von  Pichon  und  durch  drei  gegen  dessen  Grundsätze 
gerichtete  ausführliche  Instructions  pastorales  sur  la  penitence,  sur 
la  communion  und  sur  la  justice  chretienne  par  rapport  aux  sacre- 
ments  de  penitence  et  d'eucharistie.  Die  letzte  (1749*,  200  S.  4.), 
die  der  Appellant  P.-E.  Gourlin  verfasst  haben  soll,  wird  im  Dict. 
Jans.  2,  297 — 320  als  von  Anfang  bis  zu  Ende  'voll  Bajanismus, 
Jansenismus  und  Quesnelismus  bezeichnet;  der  König  liess  ihm  durch 
den  Card,  de  Rohan  Vorstellungen  darüber  machen ;  es  erschien  da- 
gegen eine  Lettre  de  M.  ***  k  un  de  ses  amis,  angeblich  von  einem 
Abb6  Cussac,  vielfach  Patouillet  zugeschrieben.  Der  alte  Erzbischof 
verdammte  diese  in  einem  Mandement,  erklärte,  er  acceptire  die 
Bulle,  nehme  aber  seine  Instruction  nicht  zurück.  Im  Index  steht 
sie  nicht,  auch  nicht  die  Uebersetzung :  Trattato  dommatico  e  morale 
della  giustizia  cristiana,  Ven.  1751,  4.  Ed.  Flor.  1791,  obschon  im 
Giorn.  eccl.  6,  172  „der  Quesnelist  Gourlin"  als  Verfasser  bezeichnet 
wurde.  —  Als  halber  Jansenist  wurde  auch  Bossuet  angesehen  (Corr. 
de  Fen.  8,  573).  Seine  E16vations  sur  les  mystferes,  1727,  2  vol., 
und  Meditations  sur  TEvangile  1731,  4  vol.  (Oeuvres  vol.  8 — 10), 
von  seinem  Neifen,  dem  Bischof  von  Troyes  herausgegeben,  von  Du- 
guet  in  der  Einleitung  zu  den  N.  E.  1,  4  als  der  Bulle  ünig.  durch- 
aus widersprechend  bezeichnet,  stehen  im  Dict.  Jans.,  aber  doch 
nicht  im  Index.  Die  Mem.  de  Trevoux  bestritten  sogar  die  Echtheit; 


768  Schriften  von  Gegnern  der  Bulle  Unigenitns. 

der  Bischof  von  Troyes  konnte  aber  die  Original-Handschrift  vor- 
legen. —  Eine  von  dem  Erzbischof  Vintimille  1735  eingeführte 
neue  Ausgabe  des  Pariser  Breviers  wurde  als  Jansenistisch  ange- 
griffen, —  eine  dagegen  gerichtete  sehr  heftige  Lettre  liess  das 
Parlament  verbrennen,  —  auch  Clemens  XII.  schrieb  darüber  unzu- 
frieden an  den  Nuncius;  Card.  Fleury  bewirkte  aber,  dass  man  die 
Sache  in  Rom  nicht  weiter  verfolgte^). 

5.  Das  1757  verbotene  Werk  des  Ahhi  Bonaventure  Racine 
(1708 — 55)  heisst:  Abrege  de  l'histoire  eccl^siastique  contenant 
les  ^venements  considerables  de  chaque  si^cle  avec  des  reflexions, 
Col.  1752*,  15  vol.  8.;  als  16.  Band  wird  das  oben  S.  590  erwähnte 
Buch  von  Clemencet  bezeichnet.  Im  span.  Index  stehen  alle  16 
Bände  als  1787  strenge  verb.  —  Die  mit  Racine's  Namen  gedruck- 
ten Reflexions  sur  chaque  si^cle  de  Thist.  eccl.,  Nouv.  ed.  Col.  1759*, 
2  vol.  8.,  und  die  von  Clemencet  herausgegebenen  Oeuvres  post- 
humes  (N.  E.  1759,  160)  sind  nicht  verb.,  auch  nicht  die  italie- 
nische Ausgabe:  Storia  ecclesiastica  divisa  per  secoli  con  rifiessioni, 
Fir.  1778—84,  21  vol.  4.,  nachgedruckt  in  Neapel,  die  im  G.  eccl. 
2,  98  und  in  Le  Raciniane,  ovvero  lettere  di  un  cattolico  ad  un 
partigiano  della  Storia  eccl.  di  B.  Racine,  s.  1.  et  a.  (G-.  eccl.  3, 49) 
ausführlich  kritisirt  wurde.  —  Das  1752  verbotene  Abrege  chro- 
nologique  de  Thist.  eccl.,  Paris  1751,  2  vol.,  ist  von  dem  Paria- 
mentsadvocaten  Phil.  Macquer.  1757  erschien  eine  2.  Ausgabe,  1768 
eine  3.  Feller  sagt,  die  späteren  Ausgaben  seien  von  den  Janse- 
nisten  entstellt  und  der  der  3.  von  Abbe  Dinouart  beigefügte  3.  Band 
sei  ganz  fanatisch.  Verb,  ist  aber  nicht,  wie  die  Biogr.  univ.  an- 
gibt, die  3.,  sondern  schon  die  1.  Ausgabe.  —  Von  den  vielen  uud 
theilweise  umfangreichen  geschichtlichen  und  biographischen  Schriften 
über  Port-Roy al,  die  Appellanten  u.  s.  w.  (Reuchlin,  Port-Royal 
2,  637)  stehen  nur  ganz  wenige  im  Index:  Vies  interessantes  et 
ädiflantes  des  amis  de  Port-Royal,  Utrecht  1751,  verb.  1754;  —  La 
vÄritable  v  i  e  d*Anne  Genevi^ve  de  Bourbon,  duchesse  de  Longae* 
ville,  par  Tauteur  des  Anecdotes  de  la  Constitution  Unig.,  Amst. 
1739,  verb.  1742,  von  Villefore  (S.  745;  über  die  Rolle,  welche  die 
Herzogin,  f  1679  bei  den  Karmeliterinnen  zu  Paris,  in  den  kirch- 
lichen Angelegenheiten  spielte,  s.  S.-Beuve  4,  366;  5, 124). 

In  einem  Briefe  an  Finalen  vom  J.  1713  (Corr.  4,221)  klagt 
der  Jesuit  Lallemant,  die  1712  erschienene  neue  Ausgabe  des  Dic- 
tionnaire  von  Louis  Morery,  an  der  Dupin  mitgearbeitet,  sei  voll 
von  choses  favorables  au  parti  [Jans^niste] ;  es  scheine,  dass  manche 
Aenderungen,  die  vorgeschrieben  worden,  in  den  in  die  Provinz  ge- 
sandten Exemplaren  nicht  gemacht  seien.  An  der  Ausgabe  von 
1732  arbeitete  der  in  literargeschichtlichen  Dingen  sehr  bewanderte 
Appellant  Claude-Pierre  Goujet  (1697—1767)  mit  (er  hat  auch  Ni- 
c6ron  werth volle  Beiträge  geliefert).  1735  gab  er  ein  Supplement 
zu  Morery  in  2  Fol.    heraus.      Dasselbe   wurde   in  Paris   gedruckt, 


1)  Rocquain  p.  88.  Fleur.  75,  267.  Quirini  Comm.  3,  293.  204. 


B.  Racine.    J.  B.  da  Ghesne.   N.  Burlamacohi  u.  a.  769 

aber  der  Verkauf  verboten,  bis  74  Cartons  dazu  gedruckt  worden 
waren,  welche  im  Auftrage  des  Card.  Fleury  Abbe  Thierry  machte. 
Goujet  liess  die  Bände  ohne  Cartons  nochmals  drucken.  1749  er- 
schien ein  zweites  SuppUment  in  2  Fol.,  in  welchem  aber  auch  in 
den  meisten  Exemplaren  einige  Artikel,  u.  a.  über  Quesnel  und  Pe- 
titpied,  beseitigt  sind  (Ingold  p.  51).  G-oujets  erstes  Supplement 
wurde  im  Dict.  Jans.  4, 20  als  den  Jansenisten  und  Appellanten 
günstig  angegriffen  (Picot  4,  320),  steht  aber  nicht  im  Index.  — 
Dictionnaire  historique,  litt^raire  et  crit.,  contenant  une  id6e 
abr^gee  de  la  vie  et  des  ouvrages  des  hommes  illustres  en  tout  temps 
et  en  toutpays,  1758,  6  vol.  8.,  verb.  1762,  ist  von  dem  Appellanten 
Abbe  Pierre  Barral  (Picot  4,353;  N.  E.  1759,  124). 

Histoire  du  Baianisme  ou  de  l'her^sic  de  Michael  Baius,  avec 
des  notes  bist.,  chronol.,  et  crit.,  suivie  d'eclaircissements  theol.  et 
d'un  recueil  de  piöces  justificatives,  par  le  P.  J.  B.  [Philipoteau] 
du  Chesne  Douay  (Paris)  1731,  4.,  verb.  1734.  Der  Verf., 
ein  Jesuit,  f  1755,  handelt  über  Bajus,  den  Streit  der  Löwener  mit 
Lessius  und  über  Jansenius,  Saint  Cyran,  Barcos  und  Gibieuf.  Es 
erschienen  Gegenschriften,  nicht  nur  von  Le  Gros  und  Coudrette, 
sondern  auch  von  Orsi  (eine  Vertheidigung  des  P.  Soto,  Rom  1734, 
Hurter  2,  1378)  und  von  Billuart  (Apologie  du  P.  Pierre  Soto  et 
des  anciennes  censures  de  Louvain  .  .  .  par  Louis  de  Lomanise, 
1738).  Die  N.  E.  1739,  50  sagen:  Du  Chesne  findet  bei  P.  Soto 
das  Ei  des  Bajanismus  und  Jansenismus;  der  Dominicaner  Orsi  hat 
eine  400  S.  4.  starke  Apologie  des  P.  Soto  geschrieben,  die  dem 
Papste  gewidmet  ist.  und  in  welcher  er  dem  Jesuiten  auch  andere 
Verleumdungen  nachweist^). 

In  der  Merkwürdigen  Lebensgesch.  aller  Cardinäle  des  18. 
Jahrb.,  Regensb.  1768,  1,  303,  und  danach  bei  Lor.  Cardella,  Me- 
morie  stör,  de'  Cardinali,  Rom  1793,  8,  197  und  Fleur.  73,  409 
wird  berichtet :  in  Holland  sei  eine  Schrift  contra  regalia  Sedis  ap. 
unter  dem  Namen  des  1723  gestorbenen  Card.  Dubois  erschienen, 
worin  dieser  als  Gönner  der  Jansenisten  und  Appellanten  dargestellt 
werde ;  Clemens  XII.  habe  eine  Congregation  von  7  Cardinälen 
mit  Lanfredi  als  Secretär  mit  der  Prüfung  des  Buches  beauftragt  und 
auf  deren  Gutachten  hin  dasselbe  23.  Dec.  1730  verboten  und  die 
Gelehrten  aufgefordert,  es  zu  widerlegen.  Ich  finde  sonst  nichts 
darüber;  ein  derartiges  Buch  steht  auch  nicht  im  Index. 

6.  Von  einem  Abate  Nie.  Burlamacchi  aus  Lucca  berichten 
N.  E.  1732,  73,  er  sei  in  Paris  mit  den  Herren  von  Port-Royal 
befreundet  gewesen,  nach  seiner  Rückkehr  nach  Italien  Canonicus 
geworden,  wegen  einer  Uebersetzung  des  Lebens  Ranc^'s  und  der 
R^flexions  von  Quesnel  der  Inquisition  denuncirt  worden,  1720  nach 
Frankreich  geflohen,  habe  sich  erst  bei  den  Carmelitern,  dann  bei 
den    Carthäusern    in    der  Nühe    von  Marseille   aufgehalten    und    sei 


1)  Du  Chesne  wird,   obschon  er   im  Index  steht,    von  Scheebcn    im 
Katholik  18G8,  1,  282  sehr  gelobt. 

BeuBcb,  Index  II.  49 


770  Schriften  von  Gegnern  der  Bulle  Unigenitiu. 

1732  in  sehr  hohem  Alter  gestorben.  Im  Index  stehen  von  ihm: 
La  Bcienza  della  salute  ristretta  in  quelle  due  parole:  Pochi  sono 
gli  eletti.  Trattato  dogmatico  portato  dal  frances  dall'  ab.  üTic.  Bar- 
lamacchi,  Lucca  1707,  verb.  1709,  und  Vita  di  D.  Armando  Giov. 
le  Bouthilier  di  Ranse,  ....  raccolta  da  quella,  che  a  scritta  in 
lingua  francese  Tabate  di  MarsolUer,  pubblicata  nell'  idioma  italiano 
dair  abate  Nie.  Barlamacchi,  Nobile  Lurchese,  Lucca  1706,  mit 
d.  c.  verb.  1718.  —  1725  wurde  verb.  Dissertatio  de  gratia  se- 
ipsa  efficaci  et  de  praedestinatione,  Col.  (Ven.)  1717,  8.,  von  dem 
Mailänder  Celso  Migliavacca  (f  1 755  als  Generalabt  der  Lateranen- 
sischen  Chorherren;  Hurter  2,  1365).  Von  p.  117  an  stehen  darin 
Observationes  über  Serry  und  de  Meyer  (S.  308),  die  im  Index  als 
besondere  Schrift  stehen.  Migliavacca  gerieth  später  in  eine  Contro- 
verse  mit  dem  Marchese  Soipio  Maffei.  Dieser  Hess  sich  von  den 
Jesuiten  und  dem  Card.  Bissy  bereden,  ein  italienisches  Werk  gegen 
die  Jansenisten  zu  schreiben,  und  P.  Tournemine  rieth  ihm,  dasselbe 
in  Rom  erscheinen  zu  lassen,  damit  es  um  so  mehr  Autorität  hätte. 
Er  übergab  dem  Cardinal  Riviera  das  Manuscript  und  Faure,  Comm. 
p.  256  sagt,  er  habe  auch  die  Approbation  erhalten,  die  Dominicaner 
hätten  aber  den  Druck  in  Rom  (unter  Clemens  XII.  und  Benedict 
XIV.)  hintertrieben.  Card.  Passionei  sagt,  Benedict  XIV.  sei  von 
verschiedenen  Seiten  aufgefordert  worden,  den  Druck  nicht  zu  ge- 
statten. Der  Papst  war  Maffei  sehr  gewogen,  wird  aber  über  seine 
theologische  Dilettanten- Arbeit  nicht  sehr  erbaut  gewesen  sein.  Pas- 
sionei erzählt  von  Maffei,  er  habe  ihm,  als  er  an  dem  Werke  arbei- 
tete, versichert,  bis  jetzt  habe  noch  niemand  den  Augustinus  recht 
verstanden,  gleichzeitig  aber  gestanden,  er  habe  den  Angustinus 
selbst  noch  nicht  durchgelesen^).  Das  Buch  erschien  1742* zu  Trient 
(Roveredo):  Istoria  teologica  delle  dottrine  e  delle  opinioni  corse  ne' 
cinque  primi  secoli  della  chiesa  in  proposito  della  divina  grazia,  del 
libero  arbitrio  e  della  predestinazione  (lateinisch  von  dem  Jesuiten 
Friedr.  Reiffenberg,  Frkf.  1756*,  Fol.,  dem  Weihbischof  Hontheim 
gewidmet).  Es  erschienen  dagegen  scharfe  Animadversiones  in  Hi- 
storiam  theol.  .  .  .,  Frcf.  1750,  und  gegen  Maffei's  Risposta  all' 
anonimo  impugnatore  deir  Istoria  teoL,  Verona  1750,  eine  Difesa 
deir  animadversioni.  Maffei  schrieb  noch  weitere  Repliken,  zuletzt 
Giansenismö  nuovo  dimostrato  nelle  conseguenze  il  medesimo  e 
anche  peggiore  del  vecchio,  Ven.  1752.  (Seine  Streitschriften  sind 
der  lateinischen  Uebersetzung  der  Istoria  beigefügt.)  Maffei  Hess  sich 
einreden,  Concina  sei  der  Verfasser  der  Streitschriften,  und  beklagte 
sich  über  ihn  bei  dem  Papste  und  mehreren  Cardinälen,  nahm  aber 
die  Klage  zurück,  als  ihm  Concina  in  einem  Briefe  versicherte,  er 
sei  nicht  der  Verfasser.  Die  Schriften  sind  von  Celso  Migliavacca. 
In  den  Index  kam  keine  dieser  Schriften;  Maffei  erwirkte  aber,  dasfl 
Migliavacca    verboten  wurde,    die  Controverse  fortzusetzen,    und  so 


1)  Die  Bemerkungen  von  Passionei  in  seinem  Votum  über  Bellarmin, 
Fleur.  82,  200;  vgl.  Fabr.  9,  117.  Vita  del  P.  Concina  p.  168. 


Die  chinesischen  und  malabar.  Gebräuche.  771 

blieb  dessen  Widerlegung  des  GianseniRmo  ungedruckt  (Giornale  de ' 
letterati  per  Ta.  1745  [Rom],  p.  47). 


71.     Der  Streit  über  die  chinesischen  und 
malabarischen  Gebräuche. 

Unter  Clemens  XL  wnrde  zunächst  durch  ein  Decret  der 
Inquisition  vom  J.  1710,  dann  durch  eine  Bulle  vom  J.  1715 
der  langjährige  Streit  der  Missionare  aus  dem  Jesuitenorden  und 
der  ans  den  anderen  Orden  ttber  die  Frage  ^  ob  den  bekehrten 
Chinesen  die  Beibehaltung  gewisser  Gebräuche  gestattet  werden 
könne  oder  nicht,  zu  Ungunsten  der  Jesuiten  entschieden.  Die 
Inquisition  verbot  zugleich  alle  ohne  ihre  oder  des  Papstes  aus- 
drückliche Erlaubniss  veröflFentlichten  Schriften,  in  denen  von 
den  chinesischen  Gebräuchen  oder  den  darüber  entstandenen 
Controversen  gehandelt  werde,  ein  Verbot,  welches  von  Benedict 
XIV.  in  die  DecretageneraliaIV,  6  aufgenommen  und  u.  a.  1722 
auf  den  über  diesen  Gegenstand  handelnden  Theil  der  grossen 
Geschichte  des  Jesuitenordens  (von  Juvencius)  angewendet  wurde. 
Der  Streit  dauerte  fort  und  Benedict  XIV.  erliess  darüber  2.  Juli 
1742  eine  neue  Bulle.  Er  entschied  durch  eine  zweite  Bulle  vom 
12.  Sept.  1744  auch  den  analogen  Streit  in  Ostindien  (über  die 
malabarischen  Gebräuche)  und  Hess  1745  durch  die  Inquisition 
das  umfangreiche  Werk  des  Capuciners  Norbert  verbieten.  Sonst 
sind  von  den  zahlreichen  über  die  beiden  Controversen  erschie- 
nenen Schriften  nur  wenige  speciell  verboten^). 

1.  In  der  Bulle  Benedicts  XIV.  vom  2.  Juli  1742  wird  über  die 
früheren  Römischen  Entscheidungen  über  die  chinesischen  Gebräuche 
folgendes  berichtet:  Im  J.  1645  wurden  einige  von  dem  Domini- 
caner Jo.  B.  Morales  vorgelegte  Fragen  von  der  Propaganda  dahin 
beantwortet,  die  darin  erwähnten  Gebräuche  seien  als  abergläubisch 
anzusehen,  und  Innocenz  X.  gebot  den  Missionaren  unter  Androhung 
der  Excomm.  1.  sent.,  diese  Entscheidung  bis  auf  weiteres  zu  beob- 
achten. Unter  Alexander  VII.  wurden  weitere  Fragen,  welche  der 
Jesuit  Martin  vorlegte,  von  der  Inq.  Fer.  V.  23.  März  1656  (Arg. 
III  b    592)    in    einem    den  Jesuiten    günstigen  Sinne    entschieden. 


1)  Racine  12,  234.  Gieseler,  K.-G.  3,  2,  659.   Picot  1,  9;  4,  62.  Cerri, 
Etat  präsent  p.  202.  Deutscher  Merkur  1882,  845. 


772  Die  chinesischen  und  malabar.  Gebräuche. 

Unter  Clemens  IX.  erklärte  dann  die  Inq.  1669  wieder,  durch  die 
Entscheidung  von  1656  sei  die  von  1645  nicht  aufgehoben.  Da  die 
Streitigkeiten  fortdauerten,  beauftragte  Innocenz  XII.  die  Inq.,  die 
Sache  gründlich  zu  untersuchen;  die  Untersuchung  wurde  unter 
Clemens  XI.  fortgesetzt,  und  nachdem  beide  Parteien  gehört  worden, 
gab  die  Inq.  Fer.  V.  20.  Nov.  1704  (Bull.  cont.  2,  389)  eine  den 
Dominicanern  günstige  Entscheidung.  Diese  wurde  dem  1702  als 
Visitator  nach  China  gesandten  Patriarchen  von  Antiochia,  Carl  Thomas 
Maillard  deTournon  übersandt  und  von  diesem  25.  Jan.  1707  promul- 
girt^).  Da  die  Jesuiten  dieselbe,  wie  Ben.  sagt,  eludere  inanibusque 
rationibus  effugere  versuchten,  so  verordnete  die  Inq.  Fer.  V.  25.  Sept. 
1710:  die  Entscheidung  von  1704  und  das  Decret  Toumons  seien 
zu  beobachten,  letzteres  im  Sinne  der  erstem  zu  interpretiren.  Da 
der  Streit  fortdauerte,  bestätigte  Clemens  XL  die  Entscheidung  der 
Inq.  durch  eine  Bulle  vom  19.  März  1715,  in  welcher  zugleich  ver- 
ordnet wurde,  dass  alle  Missionare  eidlich  Gehorsam  zu  geloben 
hätten.  —  Das  Decret  der  Inq.  von  1710  verbietet  zugleich  unter 
Androhung  der  Excomm.  1.  sent.,  irgendwelche  Schriften,  Berichte, 
Thesen  oder  Blätter,  in  denen  ex  professo  oder  incidenter  von  den 
chinesischen  Grebräuchen  oder  den  darüber  entstandenen  Controversen 
gehandelt  werde,  ohne  ausdrückliche  Erlaubniss  des  Papstes  oder 
der  Inq.  zu  veröffentlichen ;  die  ohne  solche  Erlaubniss  erscheinenden 
Schriften  seien  ohne  weitere  Declaration  als  verboten  anzusehen; 
über  die  bereits  erschienenen  bleibe  die  Entscheidung  vorbehalten. 
Wegen  dieser  Bestimmung  ist  das  Decret  in  mehreren  seit  171U 
erschienenen  Index-Ausgaben  abgedruckt;  seit  Ben.  steht  sie  in  den 
Decr.  gen.  IV,  6.  —  Die  Propaganda  hatte  schon  in  einem  Decrete 
vom  19.  Dec.  1672,  welches  Clemens  X.  1.  März  1673  und  6.  Apr. 
1674  bestätigt  hatte,  eine  ähnliche  Verordnung  erlassen  (S.  15 J. 

Im  J.  1710  erschien  von  der  von  Oriandini  begonnenen  Historia 
Societatis  Jesu  der  von  Jos.  Juveu eins  (de  Jouvancy)  bearbeitete, 
die  Jahre  1591  — 1616  behandelnde  Tomus  posterior  des  5.  Theiles. 
In  Bezug  auf  diesen  Band  erklärte  die  Inq.  29.  Juli  1722:  Prohi- 
bentur  ea,  quae  concernunt  ritus  Sinenses,  quibus  deletis  liber  per 
mittitur.  Der  Band  war  von  dem  Mag.  S.  Pal.  approbirt;  aber  von 
den  beiden  Theologen,  denen  dieser  die  Censur  übertragen  hatte,  er- 
klärte der  eine,  der  Dominicaner  Minorelli,  der  über  China  handelnde 


1)  Tournon,  ein  Piemontese,  wurde  durch  ein  Breve  vom  2.  Juli 
1702  zum  Visitator  mit  den  Rechten  eines  Legatus  a  latere  ernannt.  Er 
kam  im  Nov.  1703  in  Pondichery  an,  publicirte  23.  Juli  1704  ein  Decret 
über  die  malabarischen  Gebräuche,  ernannte  den  Jesuiten  Visdelou,  der 
die  Ansichten  der  anderen  Jesuiten  missbilligte,  zum  Bischof  von  Glandio- 
polis  und  beauftragte  ihn,  die  Ausführung  des  Decrets  zu  überwachen. 
1705  kam  Tournon  nach  China,  erliess  zu  Nanking  25.  Jan.  1707  ein  Decret 
über  die  chinesischen  Gebrauche,  wurde  darauf  nach  Macao  gebracht  und 
starb  dort  im  Gefängniss  8.  Juni  1710,  wahrscheinlich  an  Gift.  Am  1.  Aug. 
1707  war  er  zum  Cardinal  ernannt  worden.  Huber,  Jesuitenorden  S.  198. 
Friedrich,  Zur  Vertheidigung  meines  Tagebuchs,  1872,  S.  11. 


J.  Javencius.    A.  Rubino.  775 

Abschnitt  sei  ihm  gar  nicht  vorgelegt  worden,  der  andere,  Fontanini, 
es  seien  viele  Stellen  gedruckt  worden,  die  er  im  Mannscript  ge- 
strichen habe  (Harenberg,  Gesch.  der  Jes.  T,  Yorr.j.  Andere  Bücher 
wurden  nicht  ansdrücklich  verb.,  z.  B.  Examen  des  fausset^s  sur 
les  cultes  chinois  avancees  par  le  P.  J.  Jouvancy  .  .  .,  trad.  d^un 
Äcrit  latin  compos^  par  le  P.  Minorelli,  1714,  184  S.  12.,  nach 
Backer  1 ,  418  verfasst  von  dem  Lazaristen  Charles  Maigrot,  Bischof 
von  Conon,  apost.  Vicar  in  China,  übers,  von  Nie.  Petitpied,  — 
Idololatria  Jesuitarum  in  regno  Chinae  (Qu6tif  2,  779),  —  auch 
nicht  die  schon  1709  erschienene  Difesa  del  giudizio  formato  dalla 
S.  Sede  apost.  20.  Nov.  1704  e  pubblicato  dal  Card.  diTournon.  .. 
contro  un  libro  sedizioso :  Alcune  riflessioni  intorno  alle  cose  presenti 
della  Cina  (von  Serry).  Das  Buch  von  Javencius  wurde  1713  auch 
von  dem  Pariser  Parlament  verboten.  Der  Provincial  Dauchez  und 
drei  andere  Pariser  Jesuiten  unterzeichneten  damals  eine  Erklärung, 
aus  welcher  sich  die  Gründe  des  Verbotes  ergeben:  Wir  erkennen 
an,  dass  er  bei  der  Besprechung  der  französischen  Wirren  gegen 
Ende  des  16.  Jahrb.  Ausdrücke  gebraucht,  die  für  eine  Partei  günstig 
klingen,  von  der  man  nur  mit  Abscheu  reden  kann;  dass  er  bei  der 
Besprechung  gewisser  Werke,  die  durch  die  Parlamentsbeschlüsse 
von  1610  ff.  verdammt  worden  sind  (§  44),  und  einiger  anderer 
Bücher,  die  dieselbe  Lehre  enthalten,  die  Verfasser  entschuldigt, 
und  dass  manche  seiner  Ausdrücke  wie  eine  Billigung  der  vom  Parla- 
mente verdammten  Lehre  klingen  ...  Wir  sind  weit  entfernt,  solche 
Ansichten  zu  theilen ;  wir  halten  fest  an  den  französischen  Gesetzen, 
Maximen  und  Gewohnheiten  bezüglich  der  königlichen  Gewalt,  die 
in  weltlichen  Dingen  weder  direct  noch  indirect  von  einer  andern 
Gewalt  auf  Erden  abhängig  ist  und  nur  Gott  über  sich  hat;  wir 
verdammen  die  Lehre  der  Bücher,  die  das  Parlament  verdammt  hat, 
und  aller  ähnlichen  Bücher ....  Wir  bedauern  die  Fehler,  die  einem 
Schriftsteller  entschlüpft  sind,  der  nicht  in  Frankreich  und  unter 
unseren  Augen  gearbeitet  hat.  Wir  werden  dafür  sorgen,  dass  sich 
in  die  Fortsetzung  nichts  unserer  Erklärung  Widersprechendes  ein- 
schleicht und  dass  der  Verfasser  in  der  kürzern  Geschichte  des 
Ordens,  an  der  er  eben  arbeitet,  sich  dieser  Erklärung  entsprechend 
ausdrückt^).  —  Diese  kürzere  Gescliichte  ist  nicht  erschienen. 

Vor  1710  war,  abgesehen  von  dem  Teatro  jesuitico,  der  Morale 
pratique,  dem  Buche  von  Le  Tellier  u.  dgl.,  nur  verb.  Metodo  della 
dottrina  che  i  Padri  della  Compagnia  di  Giesü  insegnano  ai  neofiti 
nelle  missioni  della  Cina,  con  la  risposta  all'  objettioni  di  alcuni 
moderni  che  la  impugnano;  opera  del  P.  Antonio  Rubino  della  C. 
di  G.,  Visitatore  della  Provincia  di  Giappone  e  Cina,  trad.  dal  por- 
tughese  in  ital.  dal  P.  Giov.  Fil.  de  Marini  della  medesima  Comp.,  aggi- 
untovi  al  fine  un  breve  trattato  della  forma  del  battesimo  pronuntiata 


1)  Recueil  de  pi^ces  touchant  THist.  de  la  Comp,  de  J.  par  J.  Juv. 
supprimee  par  arret  du  Pari,  de  Paris  24.  Mars  1713,  Liege  (Amst.)  1713, 
512  S.  12.,  von  Nie.  Petitpied.  Avr.  4,  322.  Harenberg,  Gesch.  der  Jes.  2, 
1288. 


774  Die  chinesischen  und  malabar.  Gebräuche. 

in  lingua  Tamkinese  e  propoRti  alcuni  casi  di  matrimonii  colä  occoni, 
verb.  1680.  —  1720  verbot  die  Inq.  Informatio  pro  veritate  contra 
iniquiorem  famam  sparsam  per  Sinas  cum  calumnia  Fatrnm  Soc.  J. 
et  detrimento  missionis  communicata  missionariis  in  imperio  Sinensi 
a.  1717. 

Fanre,  Comm.  p.  106.  115  bemerkt:  auch  in  diesem  Streite 
seien  die  Dominicaner  mit  den  Jansenisten  verbündet  gewesen;  in 
einer  1700  von  den  Jesuiten  der  Inquisition  überreichten  Denkschrift 
werde  darüber  geklagt,  dass  die  bei  der  Inq.  angestellten  Domini- 
caner den  holländischen  Jansenisten  (Amauld  für  seine  Morale 
pratique)  Actenstücke  zur  Verfügung  gestellt  hätten.  —  Abb^  Bossnet 
(Oeuvres  41,  122)  spricht  1698  von  einer  Denkschrift  von  700  Seiten, 
welche  die  Jesuiten  namentlich  gegen  Maigrot  hätten  drucken  lassen 
und  deren  Verfasser  P.  Dez  sei.  —  1702  bemühte  sich  P.  de  La 
Chaise  französische  Bischöfe  zu  Aeusserungen  zu  Gunsten  der  Jesuiten 
zu  veranlassen  (Bossuet  88,   341). 

Die  Sorbonne  censurirte  1700  drei  Bücher  von  Jesuiten:  Neu- 
veaux  m^moires  sur  T^tat  present  de  la  Chine,  Par.  1669 — 97  (von 
Louis  Le  Comte) ;  Hist.  de  Tidit  de  TEmpereur  de  la  Chine,  1698  (von 
Ch.  Le  Gobien,  3.  Band  der  Nouv.  m6m.);  Lettre  sur  les  ceremonies 
de  la  Chine,  Li^ge  1700,  worin  u.  a.  der  Satz  vorkommt:  Die  christ- 
liche Religion  ist  in  ihren  Prinoipien  und  Fundamentalpnnkten  identisch 
mit  der  alten  Religion,  zu  welcher  sich  die  Weisen  nnd  die  ersten 
Kaiser  von  China  bekannten  ^). 

2.  Die  zweite  Bulle  Benedicts  XIV.  berichtet  über  die  Strei- 
tigkeiten in  Ostindien:  Ein  von  dem  Legaten  Toumon  23.  Juni 
1704  erlassenes  Edict  wurde  unter  Clemens  XI.  von  der  Inquisition 
Fer.  V.  7.  Jan.  1706  bis  auf  weiteres  bestätigt  (und  nur  bezüglich 
einiger  Punkte  eine  weitere  Untersuchung  vorbehalten).  Dieses 
Decret  wurde  mit  einem  Breve  vom  17.  Sept.  1712  nochmals,  von 
der  Propaganda  1714  zum  dritten  Male  nach  Ostindien  gesandt  Da 
Missionare,  die  nach  Rom  kamen,  um  eine  Milderung  desselben  baten, 
ordnete  Clemens XI.  eine  nochmalige  Untersuchung  an.  Benedict  XIII. 
bestätigte  in  einem  Breve  vom  12.  Dec.  1727  Tournons  Anordnungen 
in  ihrem  ganzen  Umfange.  Unter  Clemens  XII.  fand  eine  noch- 
malige Untersuchung  statt,  bei  der  beide  Parteien  von  der  Inq.  ge- 
hört wurden.  Darauf  wurden  die  meisten  Entscheidungen  Tournons 
durch  Breven  vom  24.  Aug.  1734  und  13.  Mai  1739  bestätigt  und 
die  Missionare  verpflichtet,  eidlich  Grehorsam  zu  geloben.  Durch  die 
Bulle  Benedicts  XIV.  wurden  dann  einzelne  Punkte   gemildert.    — 


1)  Arg.  III  a  156.  Avr.  4,  165.  Bossuet  88,  265.  Aehnliche  Sätze  aus 
JuvenciuR  bei  Gicseler  2,  2,  6G1.  —  Le  Gobien,  f  1708,  gab  auch  die  ersten 
Bände  der  Lettres  edifiantes  et  curieuses  (1703 — 76,  34  vol.)  heraus,  vol. 
9—26  J.  B.  du  Halde,  f  1743.  Von  des  letztern  Description  de  la  Chine 
handelt  der  8.  Band  über  die  Controverse.  Der  Jesuiten-General  veröffent- 
lichte einen  Brief  an  Clemens  XIL  vom  12.  Apr.  1789,  worin  er  alles  des- 
avouirte,  was  Du  Halde  mit  Verletzung^  des  Docretcs  von  1710  geschrieben. 
A.  J.  P.  -2,  2648. 


P.  Norberto.  776 

Zwei  Hirtenbriefe,  in  denen  Mezzobarba  1721  einige  Punkte  in  einem 
mildem  Sinne  entscbieden,  wurden  durch  ein  Breve  Clemens*  XII. 
vom  26.  Nov.  1739  und  dann  in  der  Bulle  Benedicts  XIV.  cassirt. 
Ein  Hauptwerk  über  die  Controverse  in  Ostindien,  —  es  ent- 
hält namentlich  die  betreffenden  Actenstücke  ziemlich  vollständig, 
—  sind  die  Memorie  istoriche  presentate  al  P.  Benedetto  XIY.  in- 
torno  alle  missioni  deir  Indie  orientali,  in  cui  dassi  a  divedere,  che 
i  PP.  Cappuccini  Missionarj  hanno  avuto  motivo  di  separarsi  di 
comunione  da  i  ER.  PP.  Missionarj  Gesuiti,  per  aver  essi  ricusato 
di  sottomettersi  al  Decreto  deir  Em.  Card,  di  Toumon  .  .  opera 
del  R.  P.  Norberto  Cappuccino  Lorenese,  Missionario  Apost.  e  Pro- 
cnratore  delle  prefate  missioni  nella  corte  di  Roma  .  .  .  tradotta 
dal  Francese.  Lucca  1744,*  3  vol.  4.  Norbert,  —  er  hiess  in  saeculo 
Pierre  Curel  Parisot  und  war  geb.  zu  Bar-le-Duc  1697,  —  hatte 
das  Werk  französisch  geschrieben  und  Benedict  mit  einem  Briefe 
vom  11.  Mai  1742  übersandt.  Der  Papst  antwortete  9.  Juni:  „Ich 
habe  bereits  angefangen  das  Buch  zu  lesen;  du  darfst  überzeugt 
sein,  dass  ich  es  ganz  lesen  und  dann  Hand  anlegen  werde,  die 
üebelstände  zu  beseitigen*  ^).  Norbert  hatte  dann  das  Buch  durch 
seinen  Ordensgenossen  Agostino  da  Parma  ins  Italienische  über- 
setzen lassen,  und  zwei  Römische  Theologen,  ein  Piarist  und  ein 
Observant,  der  Qualificator  der  Inquisition  und  Consultor  des  Index 
war,  hatten  es  gutgeheissen.  Es  scheint  aber,  dass  in  Rom  die 
Druckerlaubniss  nicht  ertheilt  wurde.  Der  Erzbischof  von  Lucca 
ertheilte  die  Approbation,  nachdem  er  das  Buch  durch  den  Domini- 
caner Stephan  Maria  Mansi  hatte  prüfen  lassen.  Der  Werth  des 
Buches  wird  auch  durch  die  eigenthümliche  Motivirung  des  Verbotes 
anerkannt.  Diese  erfolgte  durch  ein  langes  (wohl  Von  Benedict  XIV. 
selbst  verfasstes)  Decret  der  Inq.  von  Fer.  V.  1.  Apr.  1745  (A.  J. 
P.  1,  1257),  worin  es  heisst:  Das  Buch  sei  ohne  Erlaubniss  des 
Cardinal- Vicars  und  des  Mag.  S.  Pal.  ausserhalb  Roms  veröffentlicht 
worden  im  Widerspruche  mit  dem  Decrete  der  Inq.  von  1625  (I 
S.  341);  es  handele  von  Missionen  und  sei  ohne  Erlaubniss  der  Pro- 
paganda veröffentlicht  worden  im  Widerspruch  mit  dem  Decrete  von 
1672(8.772);  es  verdiene  also  schon  aus  diesen  Gründen  verboten  zu 
werden;  der  Papst  habe  es  aber  auch  durch  Theologen  prüfen  und 
deren  Gutachten  den  Cardinälen  der  Inq.  mittheilen  lassen  und  ver- 
biete es  auch  darum,  weil  es  Aegerniss  erregen  müsse.  P.  Norbert 
sage  in  seinem  Buche  wiederholt:  wenn  der  Jesuit  Job.  de  Brito 
selig  gesprochen  werden  würde,  würden  die  Malabaren  darin  eine  Aner- 
kennung der  Zulässigkeit  ihrer  Gebräuche  finden,  während  doch  in 
dem  die  Seligsprechung  betreffenden^  Decrete  vom  2.  Juli  1741 
ausdrücklich  gesagt  sei:    falls  wirklich  Brito   nach  dem  päpstlichen 


1)  Der  Brief  ist  abgedruckt  in  Requete  et  apologie  pour  l'abbe  Curel 
Parisot,  dit  Platel,  ci-devant  P.  Norbert  Capucin,  au  chapitre  gen.  de  tont 
l'ordre  des  Capucins  assemble  ä  Eome  au  mois  de  Mai  1761,  dress^e  par 
loi,  envoyee  de  Lisbonne  au  mois  d'Avril  de  la  meme  annee  (88  S.  8.)| 
beigeb.  dem  Manuel  des  Inquisiteurs  (von  Morellet),  Lisb.  1762*. 


776  Die  chinesischen  und  malabar.  Gebräache. 

Verbote  die  malabarischen  Gebräuche  geduldet  habe,  würde  das 
darum  seiner  Seligsprechung  nicht  im  Wege  stehen,  weil  dieses 
Vergehen  durch  das  Martyrium  gesühnt  sein  würde ;  Norbert  habe 
denn  auch  in  einer  dem  Papste  und  der  Inq.  eingereichten  Apologie 
gestanden,  dass  er  jenes  Decret  nicht  gekannt  habe.  Der  Papst  erkläre 
übrigens  ausdrücklich,  dass  das  Verbot  des  Buches  von  Norbert 
seiner  Bulle  vom  J.  1744  keinen  Eintrag  thuen  solle.  Schliesslich 
schärfe  er  die  oben  erwähnten  Decrete  von  1625  und  1672  ein, 
unter  Androhung  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  Diese  Einschär- 
fung wurde  durch  ein  besonderes  Decret  von  Per.  V.  17.  Oct.  1744 
publicirt.  — -  Faure,  Comm.  p.  226  behauptet,  der  Commissar  der 
inq.  habe  nach  dem  Verbote  der  Memorie  noch  ein  ganzes  Jahr  den 
Verkauf  derselben  in  Rom  geduldet;  erst  Klagen,  die  aus  Frankreich 
und  Portugal  eingelaufen,  hätten  dem  ein  Ende  gemacht.  —  Die 
französische  Ausgabe,  M^moires  bist.,  apologetiquea  .  .  .  präsentes 
en  1751  au  S.  P.  Benott  XIV.,  London  1751,  3  vol.,  wurde  durch 
ein  Decret  der  Inq.  Fer.  IV.  24.  Nov.  1751  (A.  J.  P.  1,  1261) 
unter  Bezugnahme  auf  das  Decret  von  1745  verb.  —  1759  wurde 
Norbert  von  Clemens  XIII.  säcularisirt^);  er  nannte  sich  nun  Abbe 
P.  C.  Platel  und  gab  unter  diesem  Nanren  eine  vermehrte  Ausgabe 
seines  Werkes  heraus;  Memoires  bist,  sur  les  affaires  des  J^suites 
avec  le  Saint  Si6ge  .  .  .  Lissabon  1766,  7  vol.  4.,  dem  Könige  von 
Portugal  dedicirt,  mit  Approbation  des  Patriarchen  und  der  Inqui- 
sition. 

Ausserdem  wurden  unter  Benedict  XIV.  noch  von  der  Inq. 
1746  verb.:  Lettres  idifiantes  et  curieuses  sur  la  visite  apostolique 
de  M.  de  la  Baume,  EvSque  d'Halicarnasse,  ä  la  Cochinchine  en  Ta. 
1740,  oü  Ton  voit  .  .  .  la  conduite  des  missionnaires  Jes.  .  .  . 
pour  servir  de  continuation  aux  M£m.  bist,  du  R.  P.  Norbert,  par 
M.  Favre,  Prötre  suisse,  .  .  Provisitateur  de  la  mdme  visite,  Ven. 
1746^;,  —  und  Lettre  au  sujet   de  la  Bulle  de  N.  S.  P.  le  Pape 


1)  Das  Breve  vom  24.  Apr.  1759,  Dilecto  filio  Norberto  a  Loiha* 
ringia,  in  der  Requete  p.  51.  Die  Entlassung  aus  dem  Orden  absque 
ullo  poenaruDi  eccl.  incursu  aut  irregularitatis  nota  wird  darin  so  motivirt: 
cum  ob  graves  quas  passus  fuisti  persecutiones  propter  patefactas  Nereo 
Card.  Corsini  (dem  Secretär  der  Inquisition)  ac  Nobis  plane  notas  rationes 
molestia  affectus  et  insectatus  longe  vagari  cogaris.  Auch  von  seinem 
Ordensobem  in  Toul  wurde  Norbert  in  anerkennenden  Ausdrücken  ent- 
lassen, und  mit  dessen  Vorwisseii  hielt  er  sich  in  Lissabon  auf.  —  Die 
zwei  Lettres  a  M.  PEveque  de*  sur  le  livre  du  P.Norbert  1745,  sind  von 
dem  Jesuiten  Patouillet.  N.  E.  1745,  137. 

2)  Favre  hatte  den  Bischof  de  la  Baume  als  Secretär  begleitet  und 
war  von  diesem  vor  seinem  Tode  1741  zum  Provisitator  ernannt  worden,  blieb 
dieses  aber  nur  kurze  Zeit.  Später  lebte  er  in  Freiburg  in  der  Schweiz. 
Der  Bischof  von  Lausanne  verbot  sein  Buch,  suspendirte  ihn  und  verur- 
theilte  ihn  zu  Einsperrung.  p}r  schrieb  darauf  zwei  Memoires  apolog. 
pour  M.  P.  Fr.  Favre  .  .  .  appelant  des  sentences  de  M.  l'Ev.  de  Lausanne, 

pour  servir  de  suite  aux  Lettres  edif zusammen   224  S.   12.  (N.  E. 

1747,  181;  1748,  26;  1756,  15). 


Kirchlich-politische  Streitigkeiten.  777 

du  12.  Sept.  1744  concemant  les  rites  malabares,  1745,  43  S.  12., 
von  J.-B.  Gnnltier;  dessen  Schrift  Les  Jes.  convaincus  d'obstination 
k  permettre  Tidolatrie  en  China,  1744,  135  S.  12.  (N.  E.  1744, 
108),  ist  nicht  verb.,  auch  nicht  Anecdotes  sur  Tetat  de  la  religion 
dans  la  Chine,  Par.  1734 — 38,  7  vol.,  im  Auftrage  des  Seminaire 
des  missions  etrangeres  herausg.  von  dem  Sulpicianer  Michel  Viller- 
maules  (de  Villers,  Picot  4,  275),  die  von  dem  Card.  Passionei  her- 
ansgegebenen  Memorie  storiche  del  Em.  Mgr.  Card,  di  Tournon,  Yen. 
1761 -—62,  8vol.  12.,  und  viele  andere  Bücher*). 


72.     Kirchlich-politisch  e  Streitigkeiten  1700 — 1750. 

Clemens  XI.  (Albani,  1700 — 21)  nimmt  in  der  Geschichte 
des  Index  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Er  ist  der  Urheber 
der  Balle  über  die  chinesischen  Gebräuche,  der  Bullen  Vineam 
Domiui  Sabaoth  und  Unigenitns  und  des  Utrechter  Schisma's.  Er 
hat  eine  Reihe  von  Breven  erlassen,  in  welchen  Bücher  verboten 
werden,  und  unter  den  unter  seiner  Regierung  veröffentlichten  De- 
creten  der  Index-Congregation  sind  einige,  denen  an  Umfang  sehr 
wenige  gleich  kommen,  vom  22.  Dec.  1700,  11.  März  1704  und 
4.  März  1709  2).  Auch  die  zahlreichen  Streitigkeiten,  in  welche 
Clemens  XI.  mit  fast  allen  europäischen  Regierungen  verwickelt 
war,  haben  eine  Bereicherung  des  Index  zur  Folge  gehabt,  und 
zwar  sind  nicht  nur  Schriften  verboten  worden,  welche  gegen 
die  Ansprüche  des  Papstes  gerichtet  sind  oder  den  Standpunkt 
der  Regierungen,  zum  Theil  in  deren  Auftrage,  vertheidigen, 
sondern  auch  staatliche  Gesetze  und  Verordnungen  und  Ent- 
scheidungen von  Gerichtshöfen.  Die  bedeutendsten  unter  den 
Schriften  der  erwähnten  Kategorie,  welche  unter  Clemens  XI. 
verboten  wurden,  sind  einige  von  Neapolitanischen  Beamten  ver- 
fasste.    Das  für  die  Curie  anstössigste  Werk,  welches  von  dort 


1)  Von  den  Memoires  de  la  Coiigregation  de  la  mission,  welche  die 
Lazaristcn  in  Paris  zwischen  1850  und  60  herauszugeben  anfingen,  ver- 
ordnete 1872  ihr  Superior  Etienne  auf  eine  Weisung  von  Rom,  die  Bände 
4—8  zu  vernichten.  Friedrich,  Beitr.  zur  K.-Gesch.  S.  95. 

2)  Die  beiden  ersten  stehen  Nam.  p.  177—186,  188—191,  das  dritte 
bei  Hanot  p.  261 — 276.  Wenn  der  Bischof  Bailles  von  LuQon  (Instr.  past. 
p.  228)  richtig  gezählt,  sind  unter  Clemens  XI.,  der  allerdings  21  Jahre 
regierte,  805  lat.  und  188  franz.  Schriften  verb.  worden  (anter  Innocenz  XL, 
1676—89,  182  lat.  und  45  franz.). 


778  Kirohlich-politisohe  Streitigkeiten. 

aasging,  die  Istoria  civile  del  Regno  dl  Napoli  von  dem  Advo- 
caten  Pietro  Giannone  (1676 — 1748),  erschien  erst  unter  Inno- 
cenz  XIII.  1723  und  wurde  sofort  von  der  Inquisition  verboten. 
—  Unter  Benedict  XIV.  wurden  die  meisten  Zwistigkeiten  der 
Curie  mit  den  katholischen  Regierungen  ausgeglichen;  aber  auch 
er  verbot  in  einem  Breve  vom  9.  Juni  1746  ein  Buch  des  spa- 
nischen Benedictiners  Garrido,  welches  aber  auch  in  Spanien 
verboten  wurde. 

1.  Am  19.  Aug.  1694,  also  noch  unter  Innocenz  XII.  wurde 
ein  Decret  der  Inq.  publicirt,  des  Inhaltes:  Der  Herzog  Victor 
Amadeus  II.  von  Savoyen  habe  trotz  wiederholter  Abmahnungen 
von  Seiten  des  h.  Stuhles  durch  ein  Edict  vom  23.  Mai  nicht  nur 
die  gegen  die  Ketzer  in  den  Thälern  von  Lucerna,  Perugia  u.  s.  w. 
gerichteten  Gesetze  aufgehoben,  sondern  auch,  was  man  nicht  ohne 
Thränen  erwähnen  könne,  ausdrücklich  erlaubt,  dass  die  Kinder  der 
Ketzer,  die  mit  der  Milch  des  wahren  Glaubens  genährt  seien,  den 
Eltern  zurückgegeben  würden  und  dass  diejenigen,  welche  die  Ketze- 
rei abgeschworen  und  dann  wieder  abgefallen  seien,  zurückkehren 
könnten,  ohne  belästigt  zu  werden ;  der  Herzog  habe  auch  allen  dort 
wohnenden  Ketzern  freie  Uebung  ihrer  verdammten  Religion  zuge- 
sichert. Innocenz  XII.  habe  nach  wiederholter  Anhörung  der  Car- 
dinäle  der  Inq.  dieses  Edict  als  den  h.  Canones  und  apostolischen 
Constitutionen  widersprechend  annullirt  und  verordnet,  es  als  nicht 
vorhanden  anzusehen,  und  allen  Bischöfen  und  Inquisitoren  geboten, 
ohne  Rücksicht  auf  dasselbe  wie  zuvor  gegen  alle  Ketzer  und 
der  Ketzerei  Verdächtigen  einzuschreiten  (A.  J.  P.  22,  625).  — 
Noch  unter  Innocenz  XII.,  1699  bezw.  1700  wurden  von  der  Inq. 
verb. :  Factum  pour  les  directeurs  des  villages  du  pays  du  franc 
de  Bruges  au  sujet  des  dixmes  contre  les  eccl^siastiques  .  .  .  (von 
Lootyns),  Vindiciae  jurisdiotionis  saecularis  et  imperii  adv.  usur- 
pativam  exemptionis  et  immunitatis  ecclesiasticae  extensionem  in 
materia  reali  collectarum  et  talliarum,  s.  1.  1699,*  33  S.  8.  (handelt 
von  einem  Streite  in  der  Diöcese  Lüttich).  Dazu  kam  1703  eine 
1698  erschienene  Apologetica  responsio  gegen  einen  Canonicas 
reg.  Unterstorfiensis  über  Amortisation. 

Das  1694  verdammte  savoyische  Edict  steht  nicht  im  Indei. 
Auch  von  den  zahlreichen  ähnlichen  Breven  und  Decreten  der  Rö- 
mischen Congregationen,  welche  unter  Clemens  XL  erschienen,  — 
sie  stehen  theils  im  Bullarium  XII.  und  im  Bull,  continuatum  ILi 
theils  in  Clementis  XL    Epistolae  et  Brevia  selecta*),  vgl.  A.  J.  P. 


1)  Epp.  p.  2142  steht  u.  a.  ein  Breve  an  den  Herzog  von  Orleans 
vom  1.  Mai  1716,  wodurch  in  einer  Ordinatio  pro  norma  Consilii  cod- 
scientiae  alles,  was  der  Kirche  oder  dem  h.  Stuhle  za  nahe  trete,  kraft 
apostolischer  Autorität  cum  omnibns  inde  seontis  et  secuturis  für  null  und 
nichtig  erklärt  wird. 


Lothringer  Edicte.  779 

22,  504,  —  haben  nur  einige  im  Index  Sparen  hinterlassen. 
Der  Herzog  Leopold  I.  von  Lotbringen  publicirte  1701  eine  Samm- 
lung von  Verordnungen  über  allerlei  Dinge.  Da  darunter  auch 
solche  waren,  in  denen  Clemens  XL  Eingriffe  in  die  kirchliche  Juris- 
diction   erblickte,    so  annullirte    er  durch  ein  Breve  vom  22.  Sept. 

1703  Ordonnance  de  Leopold  I.  Duc  de  Lorraine  et  de  Bar  donn^e 
a  Nancy  au  mois  de  Juillet  1701,  Nancy  1701.  Dieses  Breve  steht 
nicht  im  Bull,  und  in  den  Epistolae  sei.,  wohl  aber  in  diesen  u.  a. 
p.  177  ein  an  den  Herzog  gerichtetes  Breve  vom  26.  Sept.,  worin 
er  demselben  mittheilt,  dass  er  die  Verordnungen  habe  verdammen 
müssen,  und  ihn  auffordert,  dieselben,  soweit  sie  den  Eechten  der 
Kirche  widersprächen,  zurückzunehmen,  und  ein  von  demselben  Tage 
datirtes  Breve  an  die  lothringischen  Bischöfe,  mit  der  Aufforderung, 
für  die  Bechte  der  Kirche  einzutreten.  Ein  Acte  d'appel  interjete 
par  le  procureur  gen^ral  de  Lorraine  et  Barrois  [Boursier]  de  Texe- 
cution  du  bref  du  22.  Sept.  demier  rendu  contre  ^ordonnance  de 
Son  Altesee  Koyale  du  mois  de  juillet  1701,  de  N.  S.  P.  le  P. 
Clement  mal  informe  k  notre-dit  S.  P.  le  Pape,  lors-qa'il  sera  mi- 
eux  informe,  avec  l'arret  d'enregistrement  dMcelul,  27  S.  4.,  gab 
Anlass  zu  einem  neuen  Breve  vom  11.  Febr.  1704  (Bull.  12,  391, 
und  Bull.  cont.  2,  26).  £s  heisst  darin:  nachdem  einige  Cardinäle 
und  Theologen  und  Canonisten  diese  quaedam  folia  geprüft  und  con- 
statirt,  dass  dieselben  falsche  .  .  für  die  Kirche  injuriöse  und  die 
kirchliche  Jurisdiction  und  Freiheit  verletzende  Sätze  enthielten, 
verdamme  sie  der  Papst  kraft  apostolischer  Gewalt,  gebiete  bei 
Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent.,  alle  Exemplare  abzuliefern, 
und  erkläre,  dass  die  Appellation  und  das  Arret  von  niemand  gegen 
das  Breve  vom  J.  1703  geltend  gemacht  werden  könnten.  Den  Bi- 
schöfen wurde  durch  ein  Breve  vom  10.  Mai  1705  eingeschärft, 
dass  Beamten,  welche  die  Verordnungen  beobachteten,  die  Losspre- 
chung zu  verweigern  sei.  Ueber  eine  Ordonnance  ampliative  de 
S.  A.  R.  pour  Supplement  de  celles  des  mois  Juillet  et  Aoüt  1701, 
donnee  a  Luneville    le    19  Fevr.    1704,    richtete    Clemens  29.  Juli 

1704  ein  Breve  an  den  Herzog  (Epp.  p.  239),  worin  er  klagt,  dass 
dadurch  die  verdammten  Verordnungen  eher  bestätigt  als  beseitigt 
würden.  Sie  wurde  dann  26.  Oct.  1707  von  der  Inq.  verdammt. 
—  Im  J.  1710  kam  ein  Ausgleich  zu  Stande:  der  Herzog  liess  eine 
neue  Ausgabe  der  Sammlung  drucken,  in  welcher  die  Stücke,  an 
denen  der  Papst  Anstoss  genommen,  weggelassen  waren,  erklärte 
aber  dabei,  für  die  in  dieser  Sammlung  nicht  behandelten  Gegen- 
stände gälten  die  älteren  (also  eben  die  weggelassenen)  Verord- 
nungen, und  mit  dieser  scheinbaren  Concession  gab  man  sich  in 
Rom  zufrieden  ^).  Au  moyen  de  ces  menagements  pueriles  qui  äqui- 
valent ä  des  fourberies  diploinatiques,  l'affaire  fut  termin^e,  sagt 
Gr^goire,  Essai  bist.  p.  264.  Die  drei  Stücke  stehen  noch  heute 
im    Index.     Am    2.    Febr.     1715    schrieb    der    Papst    nochmals    an 


1)  Epp.  p.  727.  Uuth,  Kirchengesch.  1,  323.  Fleur.  67.  165. 


780  Kirchlich-politisohe  Streitigkeiten. 

den  Herzog  über  eine  neue  Verordnung,  von  der  er  in  der  in 
Holland  erschienenen  Clef  du  cabinet  des  princes  gelesen  (Epp. 
p.  2049). 

2.  Clemens  XI.  hatte  dazu  mitgewirkt,  dass  Carl  IT.  von  Spa- 
nien den  Herzog  von  Anjou  zu  seinem  Thronerben  eingesetzt,  und 
hatte  auch  diesen  als  Philipp  Y.  anerkannt.  Durch  den  Einmarsch 
eines  österreichischen  Heeres  in  den  Kirchenstaat  war  er  genöthigt 
worden,  sich  zu  Gunsten  des  andern  Prätendenten,  des  Erzherzogs 
Carl,  zu  erklären^).  Philipp  V.  Hess  dagegen  durch  seinen  Gesandten 
protestiren,  und  erliess  im  Juni  1709  ein  Manifest,  worin  er  über 
das  Verhalten  des  Papstes  Klage  führte  und  es  rechtfertigte,  dass 
er  den  Nuncius  auswies  und  den  Verkehr  mit  Eom,  namentlich  die 
Geldsendungen  dahin  verbot:  Relacion  de  lo  snoedido  en  Roma 
sobre  el  reconocimiento  del  archiduque,  concordados  entre  el  Papa 
y  Rey  de  Romanos,  protesta  hecha  por  el  Dnque  de  Uzeda  a  Sa 
Santidad,  y  oficio  que  mando  el  Rey  se  pasase  con  el  nuncio  insi- 
nuandole  ru  salida  de  Espaüa.  Der  Papst  erliess  2.  OcU  1700 
ein  Breve  an  den  spanischen  Clerus,  worin  er  das  Manifest  ver- 
dammte und  zum  Widerstand  und  zur  Verweigerung  der  Steuern 
und  Gaben  aufforderte.  Als  der  Streit  einige  Jahre  gedauert,  ver- 
lautete in  Madrid,  der  Papst  wolle  die  Waffen  Gregors  VII.  und  Bo- 
nifacius^  VIII.  anwenden.  Der  Rath  von  Castilien  wurde  beauf- 
tragt, ein  Gutachten  darüber  abzugeben,  was  in  diesem  Falle  za 
thuen  sei,  und  der  Generalfiscal  Melchor  Rafael  de  Macan&z,  früher 
Professor  in  Salamanca,  überreichte  19.  Dec.  1713  eine  Denkschrift 
in  55  Paragraphen  (gedruckt  in  der  Coleccion  von  Llorente  p.  27) 
und  2.  Jan.  1714  einen  Nachtrag  dazu  von  35  Paragraphen  (erst 
1841  gedruckt  als  Pedimento  sobre  los  abusos  de  la  corte  di  Roma). 
Abschriften  davon  kamen  nach  Rom;  Clemens  XI.  verdammte  aber 
die  Denkschrift  nicht  selbst,  —  die  Verdammung  eines  Manuscriptes 
wäre  nicht  ohne  Praecedens  gewesen  (S.  377),  —  sondern  befahl 
dem  spanischen  General-Inquisitor  Card,  del  Giudice,  dagegen  ein- 
zuschreiten (Epp.  p.  1651).  Dieser  war  damals  als  Gesandter  in 
Paris  und  Hess  an  der  Thüre  seines  Palais  ein  Ediot  vom  30.  Jali 
1714  anheften,  worin  er  (neben  einigen  in  Frankreich  erschienenen 
Büchern,  u.  a.  einem  von  Denys  Talon)  die  Denkschrift  als  ver- 
wegen, anstössig.  für  den  Papst  beleidigend,  der  wahren  Lehre  der 
Kirche  widersprechend  verbot.  Das  Edict  wurde  15.  Aug.  auch  an 
allen  Kirchenthüren  in  Madrid  angeschlagen.  Ludwig  XIV.  wies 
Giudioe  aus  Frankreich  aus,  Philipp  V.  setzte  ihn  als  General-In- 
quisitor ab  und  verbannte  ibnim  December  in  seine  Diöcese  in  Sid- 
lien.  Vom  Papste  wurde  er  für  das  Edict  belobt  (Epp.  p.  2051). 
Die  Zurücknahme  der  Verdammung  der  Schrift  von  Macandz  ve^ 
weigerte    die  Inquisition;    der    von    Philipp    V.    ernannte    General- 


1)  Vgl.  zum  folgenden  Baumprarten,  Gesch.  Spaniens.  1861,  S.  31. 
Sempere,  Betrachtungen  2,  56.  Garns,  Kircbengescb.  v.  Spanien  III,  2,  318. 
Pelayo  3,  45.  Vering,  Archiv  10,   185. 


Streitigkeiten  mit  Spanien  und  Neapel.  761 

Inquisitor  nahm  nicht  an  und  Clemens  XI.  erklärte,  er  werde  keinen 
andern  als  Giudiee  anerkennen.  Später  verständigte  sich  Philipp  V. 
mit  dem  Papste  und  der  Inquisition;  in  einem |Breve  vom  24.  Dec. 
1716  nahm  Clemens  XI.  Giudice's  Abdankung  an,  und  Jo.  Molines, 
Decan  der  Hota,  wurde  sein  Nachfolger.  Die  Schrift  von  Macandz 
kam  in  den  span.  Index  von  1747  und .  steht  auch  noch  in  dem  von 
1790  unter  El  Fiscal  Greneral :  „handschriftlicher  Aufsatz  (papel), 
welcher  so  anfängt,  gewöhnlich  Papel  de  Macandz  genannt";  unter 
seinem  Namen  stehen  dann  noch  zwei  Briefe,  die  er  1716  von  Pau 
an  die  Cardinäle  Altieri  und  Grualterio  geschrieben.  Im  Eöm.  Index 
steht  Macandz  nicht.  Auch  die  Historia  civil  de  Espafia  .  .  .  1700 
— 1733,  von  dem  Franciscaner  Nicolas  de  Jesus  Belando  wurde 
trotz  ihrer  starken  Angriffe  auf  Eom,  die  Jesuiten  u.  s.  w.  in  Pom 
nicht  verb.,  wohl  aber,  obschon  sie  nicht  nur  mit  Approbation,  son- 
dern auch  mit  einer  Widmung  an  Philipp  V.  erschienen  war,  1744 
von  der  span.  Inquisition,  und  da  Belando  in  einer  von  dem  Advo- 
caten  Joseph  Quiros  unterzeichneten  Schrift  dagegen  remonstrirte, 
wurde  auch  diese  verboten  und  gegen  beide  ein  Process  eingeleitet 
und  Belando  befohlen,  überhaupt  nichts  mehr,  Quiros,  nichts  mehr 
über  die  Inquisition  zu  schreiben  (Llorente  2,  428.  465.  Pelayo 
3,  50). 

3.  Der  zweite  Sohn  des  Kaisers  Leopold,  der  1707  als  Carllll. 
König  von  Neapel  (1711  als  Carl  VI.  Kaiser)  wurde,  oder  seine 
Neapolitanische  Eegierung  erliess  u.  a.  ein  Edict,  wodurch  die  Ein- 
künfte der  Beneficien,  die  im  Besitze  von  Ausländern  waren,  seque- 
strirt  wurden.  Drei  Juristen  schrieben  1708  anonym  Vertheidi- 
guugen  des  Edictes,  der  Duca  Gaetano  Argento  (f  1730,  Mazzuch. 
1,  1043)  De  re  beneficiaria  dissertationes  tres,  ubi  Caroli  III. 
.  .  .  edictum  tum  summo  tum  optimo  jure,  recte  atque  ordine  fac- 
tum demonstratur.  £ex  qui  sedet  in  solio  judicii,  dissipat  omne 
mal  um  intuitu  suo.  Prov.  20,  —  Alessandro  Riccardi  Ragioni  del 
Regno  di  Napoli  nella  causa  de^  suoi  benefizii  eccles.  etc.  (Vie  de 
V.  Espen  p.  44),  —  Costantino  Grimaldi  Considerazioni  teolo- 
gico-politiche  fatte  a  pro  degl'  editti  di  S.  M.  Cattolica  intomo 
alle  rendite  eccl.  del  Regno  di  Napoli.  Unter  dem  17.  Febr.  1710 
erliess  Clemens  XI.  ein  Breve,  worin  diese  drei  Schriften  in  den 
üblichen  Foiinen  verdammt  wurden,  mit  der  Motivirung:  die  Car- 
dinäle der  Inq.  hätten  darin  Sätze  gefunden,  die  resp.  falsch,  .  .  . 
die  Einheit  und  den  Primat  der  h.  Römischen  Kirche  untergrabend, 
die  kirchliche  Freiheit  und  Immunität  gänzlich  vernichtend,  der 
Ketzerei  verdächtig,  dem  Schisma  und  der  Ketzerei  nahekommend, 
ja  auch  ketzerisch  seien.  Von  den  Considerazioni  wird  nur  der 
1.  Theil  erwähnt.  In  einem  zweiten  Breve,  vom  24.  März  1710, 
wird  aber  erklärt,  das  Verbot  beziehe  sich  auch  auf  den  1709  er- 
schienenen 2.  Theil  und  auf  alle  Ausgaben  und  üebersetzungen 
(Bull.  12,  482.  Giannone,  Opere  12,  396).  —  In  einem  Breve  vom 
17.  Febr.  1710  wird  in  denselben  Formeln  verb.:  Ragioni  a  pro 
della  fedelissima  cittd  di  Napoli  contro  il  procedimento  straordinario 
nelle  cause  del  S.  Offizio,    divisate  in  tre  capi,    Neapel  1709   (von 


782  Kirchlich-politische  Streitigkeiten. 

Nie.  Caravita,  Professor  der  Rechte,  1647—1717;  Tipaldo  7,  274). 
Nur  hat  die  Inq.  in  diesem  Buche  keine  ketzerische,  dafür  aber 
zum  Schisma  anreizende  und  für  das  Tribunal  der  h.  Inquisition 
injuriöse  Sätze  gefunden.  —  In  den  folgenden  Jahren  wurden  noch 
verboten:  Considerazioni  per  le  quali  si  dimostra  la  giustizia 
delle  lettere  della  Maesta  4^1  Ke  catt.  Carlo  III.  che  stabiliscono, 
doversi  nelle  cause  appertenenti  alla  religione  procedere  nelle  cittä 
e  regno  di  Napoli  dagli  ordinarii  e  per  la  via  ordinaria  usata  in 
tutti  gli  altri  delitti  e  cause  criminali  ecclesiastiche,  1710,  von  der 
Inq.  verb.  1711,  —  Nullum  jus  Pontiticis  maximi  in  regno  Nea- 
politano.  Dissertatio  historico-juridica.  Alithopoli  (Neapel),  verb. 
1714,  verfasst  von  Caravita^),  —  Ragioni  a  pro  del  commune  della 
fedelissima  cittä  di  Napoli  e  de^  suoi  casali  intorno  al  sepelire  i 
morti,  verb.  1718,  —  Ragioni  per  la  fed.  ed  eccellentissima  citti 
di  Napoli  circa  Timpedire  la  fabbrica  delle  nuove  chiese  e  Tacquisto 
che  gli  ecclesiastici  fanno  de'  beni  de'  secolari,  verb.  1721  (von 
Franc.  Peccerillo). 

4.  Durch  ein  Decret  der  Inq.  vom  7.  Sept.  1712  wurden  zwei 
auf  die  Monarchia  Sicula  bezügliche  Schriften  verb.  Zum  Verstand- 
niss  der  Titel  sind  folgende  Notizen  nöthig :  Der  Bischof  Tedeschi 
von  Lipari  liess  1711  einen  Sack  Erbsen  verkaufen.  Die  Beamten 
erhoben  davon  die  übliche  Steuer,  gaben  dieselbe  aber  zurück  und 
entschuldigten  sich,  als  sie  erfuhren,  dass  der  Bischof  der  Verkäufer 
gewesen.  Sie  wurden  aber  gleichwohl  von  diesem  wegen  Verletzung 
der  kirchlichen  Immunität  excommunicirt.  Sie  wandten  sich  an  das 
Tribunal  der  Monarchie,  welches  sie  ad  cautelam  provisorisch  (ad 
reincidentiam)  absolvirte  und  den  Bischof  zur  Einsendung  der  Acten 
aufforderte,  die  dieser  verweigerte,  weil  die  Insel  Lipari  nicht  unter 
dem  Tribunal  der  Monarchie  stehe.  Er  erwirkte  auch  Erlasse  der  Rö- 
mischen Congregation  der  Immunitäten  vom  5.  Aug.  1711  und  16. 
Febr.  1712,  worin  erklärt  wurde,  Excommunicationen,  die  ein  Bi- 
schof verhängt,  könnten  überhaupt  nur  vom  Papste,  nicht  von  einem 
LegatuR  a  latere,  also  auch  nicht  von  dem  Judex  monarchiae  auf- 
gehoben werden.  Der  Erzbischof  von  Palermo  und  zwei  andere 
Bischöfe  übersandten  die  Decrete  an  die  Regierung,  um  das  Exe- 
quatur zu  erbitten;  drei  andere  Bischöfe  machten  in  Rom  Vorstel- 
lungen, die  Bischöfe  von  Catania,  Girgenti  und  Mazzara  aber  publi- 
cirten  die  Decrete  unter  dem  Vorgeben,  es  seien  dogmatische  Decrete, 
für  die  das  Exequatur  nicht  nÖthig  sei.  Der  Vicekönig  verlangte 
die  Zurücknahme  der  Publication,  der  Papst  aber  excommunicirte 
in  einem  Breve  vom  12.  Juni  den  Judex  Monarchiae  und  gebot 
allen  Bischöfen  die  Publication  der  beiden  Decrete.  Diese  erfolgte 
nun  überall;  ein  Deoret  des  Vicekönigs  aber  erklärte  alle  Römischen 
Erlasse  für  wirkungslos.  Der  Bischof  von  Catania  griff  dieses  De- 
cret in  einem  Erlasse  an,    wurde    ausgewiesen   und  verhängte  über 


1)  GrSgoire,  Essai  bist.  p.  385  erwähnt  eine  italienische  Uebersetzang 
von  Eleonora  Fonseca  Firnen tel:  Niun  diritto  .  .  .  Aletopoli  1790. 


Monarohia  Sicula.  J.  P.  v.  Ludewig.  783 

seine  DiÖcese  das  Interdict.  Der  Bischof  von  G-irgenti  excommuni- 
cirte,  durch  ein  Breve  vom  17.  Juni  1713  angewiesen,  die  Beamten, 
welche  die  Güter  des  Bischofs  von  Catania  seqnestrirt  hatten,  wurde 
gleichfalls  ausgewiesen  und  sprach  gleichfalls  das  Interdict  aus. 
Der  weitere  Verlauf  der  Sache  hraucht  hier  nicht  erzählt  zu  werden, . 
—  durch  eine  Bulle  vom  20.  Febr.  1715  hob  schliesslich  der  Papst 
die  Monarchia  Sicula  ganz  auf,  womit  der  Streit  darüber  aber  auch 
nicht  zu' Ende  ging^),  —  die  beiden  1713  verbotenen  Bücher  oder 
Schriftstücke  aber  stehen  noch  heute  im  Index  unter  A lieg azioni 
und  Propugnaculo  de  la  real  jurisdiccion,  —  dieses  nach  Sentis 
S.  4  von  Franc.  Amigier  (seit  Ben.  sind  die  Titel  stark  abgekürzt; 
der  zweite  füllt  in  den  älteren  Indices  12  klein  gedruckte  Zeilen). 
Die  im  Auftrage  von  Vittorio  Amedeo  II.  geschriebene  Defense  de 
la  monarchie  de  Sicile  contre  les  entreprises  de  la  Cour  de  Rome 
von  L.  E.  Dupin,  Arast.  1716  (Cantii  3,  422),  steht  dagegen  nicht 
im  Index. 

5.  Clemens  XI.  protestirte  auch  wiederholt  und  kräftig  gegen 
die  Usurpation  des  Königstitels  durch  den  akatholischen  Markgrafen 
von  Brandenburg.  Das  veranlasste  die  Schrift  des  Hallischen  Pro- 
fessors J.  P.  von  Ludewig,  ,, Päpstlicher  Unfug  wider  die  Krone 
Preussen/'  Colin  am  Rhein(?)  1703,  von  dem  Verfasser  übersetzt: 
Neniae  pontiücis  Bomani  Clementis  XL  de  jure  reges  adpellandi 
auctore  Job.  Franc.  AI bani.  Bomae  novae  typis  Aldinis  1706,*  8.; 
beigefügt  ist:  Periliustris  cujusdam  viri  eidem  diplomati  Clementino 
oppositus  libellus  (beide  sind  abgedr.  in  Ludewigs  Opusc.  miscella 
1,  130,  letzteres  mit  dem  Namen  L.  B.  de  Limbach).  Als  1708 
mit  der  kaiserlichen  Armee  auch  fünf  preussische  Bataillone  in  den 
Kirchenstaat  eingerückt  waren,  Hess  Friedrich  I.  dort  200  Exem- 
plare der  Naeniae  verbreiten^);  aber  erst  21,  Jan.  1721  wurde 
verb.  Libellus  nomine  auctoris,  loci  impressionis  ac  typographi  Omen- 
titis: Neniae  Pontiücis  .  .  .  cum  alio  opusculo  ad  hujus  calcem  ex- 
cuso:  Periliustris  .  .  . 

Der  Streit  über  Parma  und  Piacenza,  —  in  welchem  Clemens  XI. 
1708  in  einem  Breve  dem  Kaiser  Joseph  I.  drohte,  er  werde  gegen 
ihn  als  einen  rebellischen  Sohn  mit  der  Excommunication  und  nöthigen- 
falls  mit  den  Waffen  vorgehen,  und  Joseph  I.  das  Breve  als  seinen 
und  des  Reiches  Rechten  widersprechend  und  die  Androhung  der 
Excommunication  für  null  und  nichtig  erklärte  (v.  Espen,  Opp.  4, 
373);  der  Streit  dauerte  unter  Innocenz  XIII.  und  Clemens  XII. 
fort,  —  hat  im  Index  keine  Spuren  hinterlassen;  auch  nicht  der 
Streit  über  Gomachio.    Auch  Muratori's  Schriften  über  diesen  Streit 


1)  Sentis,  Die  Monarchia  Sicula,  1869.  S.  142.  Avr.  4,  350.  Brosch. 
Gesch.  des  Kirchenstaats  2,  51:  Auch  unter  Victor  Amadeus  11.,  der  durch 
den  Utrechter  Frieden  1713  König  von  Sicilien  wurde,  „nahm  der  wegen 
des  bischöflichen  Erbsensacks  entbrannte  Streit  seinen  Fortgang.'*  Die 
zahlreichen  päpstlichen  Actenstücke  im  Bull.  cont.  2,  104 — 356. 

2)  M.  Lehmann,  Preussen  und  die  katb.  Kirche  1,  880. 


784  Kirchlich-politische  Streitigkeiten. 

wurden  nicht  verboten,  auch  nicht  die  anonyme  französische  Ueber- 
setzung  derselben:  Les  droits  de  TEmpire  sur  Testat  ecclesiastique 
.  .  .  a  Toccasion  de  Comachio.  Le  tout  traduit  de  l'italien,  Utrecht 
1713*,  4.  Card.  Querini  (Comment.  2,  123)  berichtet  aber,  er  habe 
1718  nicht  die  Erlaubniss  zum  Druck  seines  Herum  monasticarum 
Italiae  Tomus  I.  Coenobium  Farfense,  erhalten,  weil  die  Urkunden, 
die  er  darin  veröffentlichen  wollte,  den  Römischen  Ansprüchen  nicht 
günstig  lauteten. 

In  einem  Breve  an  das  Domcapitel  in  Köln  vom  17.  Juni  1713 
spricht  Clemens  XT.  von  einer  Schrift  eines  Hieronymus  Bück  gegen 
den  Verwalter  der  Nunciatur,  Alessandro  Borgia,  die  der  Erzbischof 
von  Trier  verboten  habe,  und  tadelt  es,  dass  Bück  nicht  seiner 
Capitelsämter  entsetzt  worden  sei.  Merkwürdiger  Weise  ist  Bück 
nicht  durch  den  Index  verewigt  worden. 

Durch  ein  Breve  vom  19.  Dec.  1707  (Bull.  cont.  2,  63)  ver- 
bot Clemens  XI.  zwei  Schriften  von  Lourenzo  Pires  de  Carvalho, 
Quaestiones  selectae  12  de  Bulla  S.  Cruciatae,  Liss.  1678,  und  Epi- 
tome  das  indulgencias  e  privilegios  da  Bulla  de  S.  Cruzada,  Liss. 
1696.  In  dem  Breve  wird  gesagt,  die  Inq.  habe  die  Bücher  ver- 
dammenswerth  gefunden,  aber  nichts  näheres  angegeben.  Der  Ver- 
fasser bezeichnet  sich  in  der  zweiten  Schrift  als  Mitglied  des  Con- 
selho  de  S.  M.  und  des  Tribunal  da  consciencia  und  als  General- 
Commissar  für  die  Bulla  da  S.  Cruzada. 

1704 — 18  wurden  5  Schriften  von  dem  Conte  Giov.  Batt.  Co- 
mazzi^)  verb.  (einige  sind  zu  Trient  gedruckt),  darunter  La  morale 
de'  principi,  Ven.  1690,  Züge  aus  dem  Leben  der  Komischen  Kaiser 
von  Caesar  bis  Constantinus  Chlorus  mit  moralischen  Reflexionen, 
auch  ins  Französische  und  (von  W.  Hatchett  1729)  ins  Englische 
übersetzt,  und  Politica  e  religione  . . .,  Col.  1709  (auch  Trient  1712*); 
zu  dem  Verbote  des  letztern  Buches  mag  eine  Stelle  in  c.  78  Anläse 
gegeben  haben,  an  welcher  von  dem  Verhältniss  der  geistlichen  und 
weltlichen  Gewalt  in  gallicanischer  Weise  gesprochen  wird.  —  Ausser- 
dem kamen  unter  Clemens  XL  noch  in  den  Index :  Tractatus  de  po- 
testate  jurisdictionis  seu  de  regimine  animarum,  auct.  Carolo  Ant. 
de  Manentibus,  Rom  1707,  verb.  1709.  —  Ludovici  Mariae  Sini- 
strari  de  Ameno  de  delictis  et  poenis  tractatus  absolntissimus,  Ven. 
1700,  mit  d.  c.  verb.  1709.  Eine  expurgirte  Ausgabe,  Rom  1753, 
wurde  freigegeben.  Der  Verfasser  war  ein  Minorit;  über  seine 
Schriften  über  Ordens-Strafrecht  s.  Pragm.  Gesch.  der  Mönchsorden 
5,  219. 

6.  Giannone^s  Werk  erschien  1723  zu  Neapel  in  4  Quart- 
bänden mit  einer  Widmung  an  Carl  VI.  und  der  Druckerlau bniss 
des    Vicekönigs    Card.    Althan 2),     Der   Erzbischof   Card.    Pignatelli 


1)  Er  war  Historiograph  der  Kaiser  Leopold  I.  und  Joseph  I.,  t  ^^ 
Wien  1711.  Morery,  Suppl. 

2)  Fabroni  18,  118.  Tipaldo  7,  313.  Cantü  3,  426.  448.  Mit  Ist.  wird 
im  Folgenden  die   zu  Mailand  1823   in  11  Octavbänden    erschienene  Aus- 


P.  Giannone.  785 

citirte  ihn,  and  da  er  nicht  erschien,  erklärte  er  ihn  im  April  in 
contumaciam  anf  Grrund  des  Decretes  des  5.  Lateranconcils  und 
der  Diöcesangesetze  für  excommunicirt,  weil  er  sein  Buch  ohne  Er- 
lauhniss  des  Diöcesanbischofs  habe  drucken  lassen.  Gleichzeitig 
wurde  das  Volk  gegen  ihn  verhetzt,  weil  er  über  die  Heiligen  und 
die  Ablässe  gespottet,  das  Wunder  des  h.  Januarius  geleugnet  u.  dgl. 
G.  verliess  Neapel  und  ging  nach  Wien.  Von  dort  schickte  er 
2.  Oct.  1723  dem  £rzbischof  eine  Erklärung,  worin  er  um  Los- 
sprechung von  der  Excommunication  bat  und  sagte:  er  unterwerfe 
sein  Buch  dem  Urtheil  der  Kirche  ;  er  habe  gemeint,  die  Nachsuchung 
der  Approbation  sei  Sache  des  Druckers.  Der  Erzbischof  hob  auf 
Grund  dieser  Erklärung  und  wahrscheinlich  aus  Furcht  vor  einem 
Conflict  mit  der  Regierung,  22.  Oct.  1723  die  Excommunication  auf. 
Mittlerweile  hatte  aber  die  Inquisition  durch  ein  besonderes  Decret 
von  Fer.  V.  1.  Juli  das  Buch  verdammt,  mit  der  Motivirung:  es 
enthalte  sehr  viele  Lehren  und  Sätze,  die  falsch,  temerär,  ärgemiss- 
gebeud,  aufrührerisch,  für  alle  kirchlichen  Stände,  namentlich  den 
apostolischen  Stuhl  in  höchst  verleumderischer  Weise  injuriös,  irrig, 
schismatisch,  gottlos  und  mindestens  nach  Ketzerei  schmeckend  seien 
(Op.  post.  1,  392).  —  Carl  VI.  wies  G.  1724  wegen  der  wichtigen 
Dienste,  die  er  der  königlichen  Krone  durch  die  Vertheidigung  ihrer 
Eechte  in  seinen  Werken  geleistet,  eine  Pension  von  1000  Gulden 
auf  den  sicilischen  Staatsschatz  an  und  beauftragte  ihn,  gegen  die 
Curie  über  die  Monarchia  Sicula  zu  schreiben  (das  Buch  wurde  nicht 
gedruckt).  Die  von  dem  Neapolitanischen  Jesuiten  Gius.  Sanfelice 
verfassten  liiflessioni  morali  e  teologiche  sopra  Tlstoria  civile  .  .  . 
da  Eusebio  Filopatro,  Col.  (Rom)  1728,  2  vol.,  wurden  von  dem 
Vicekönig  Graf  Harrach  1729  verboten^).  G.  schickte  einen  von 
Nie.  Capasso  verfassten  Artikel  dagegen  an  Mencken,  den  Herans- 
geher der  Acta  Eruditorum  (A.  E.  1729,  423),  für  welche  er  auch 
sonst  Beiträge  lieferte,  und  verfasste  eine  satirische  Professione  di 
fide  e  dubbii  intorno  alla  morale  del  P.  Sanfelice,  die  erst  1753 
gedruckt,  aber  gleich  in  Abschriften  verbreitet  wurde.  In  Wien 
schrieb  er  auch  eine  Schrift,  die  von  einem  andern  ins  Lateinische 
übersetzt,  aber  von  ihm  selbst  veröffentlicht  wurde:  Jani  Perontini 
JC.  de  consiliis  ac  dicasteriis,  quae  in  urbe  Vindobona  haben tur, 
liber  singularis,  Halae  1732.  Der  Nuncius  und  der  Erzbischof  von 
Wien  beklagten  sich  darüber,  dass  er  darin  ihre  Jurisdiction  ange- 
griffen.    Die  Schrift  kam   1785  in  den  Index. 

Nachdem  1734  Neapel  spanisch  geworden,  verlor  G.  seine 
Pension.  Er  bat  vergebens  um  die  Erlaubniss,  nach  Neapel  zu- 
rückzukehren.    Er  wurde  auch  in  Venedig  und  Mailand  ausgewiesen 


gäbe  der  Istoria  civile,  bezw.  die  im  1.  Bande  abgedruckte  Vita  von  dem 
Keapolitaiiischen  Priester  Leonardo  Panzini  (zuerst  Ven.  1768)  citirt,  mit 
Op.  post.  die  gleichfalls  zu  Mailand  1823  erschienenen  Opere  postume,  3  vol. 
1)  Das  Decret  steht  Ist.  1,  101.  Es  ist  in  ganz  ähnlicher  Form  ab- 
gefasst  wie  die  Decrete  der  Rom.  Inq. 

BcuBcb,  Index  II.  «  50 


786  Kirchlich-politische  Streitigkeiten. 

und  ging  nach  Genf,  wo  er  das  1 2  Jahre  zuvor  begonnene  Triregno 
(del  regno  terreno,  Celeste  e  papale)  vollendete,  mit  heftigen  An- 
griffen auf  das  Papstthum  und  kirchliche  Lehren  und  G-ebräuche. 
Das  Buch  wurde  nicht  gedruckt,  aber  in  Abschriften  verbreitet 
Eine  von  dem  Abate  Bentivoglio  in  Genf  gekaufte  Abschrift  kam 
in  das  Archiv  der  Inquisition  (Ist.  1,  154.   187.  Cantu  3,  429.  450). 

1736  wurde  G.  von  einem  falschen  Freunde  auf  piemonte- 
sisches  Gebiet  gelockt,  dort  verhaftet  und  nun  nicht,  wie  Card.  Albani 
wünschte,  nach  Rom  ausgeliefert,  aber  zuerst  6  Monate  in  dem  Castell 
Miolans,  dann  13  Jahre,  bis  zu  seinem  Tode  in  Turin  gefangen  ge- 
halten, obschon  er  sich  im  März  1738  von  dem  Oratorianer  G.  B. 
Prever  bestimmen  Hess,  vor  der  Inquisition  zu  Turin  eine  ausfuhr- 
liehe,  freilich  schwerlich  aufrichtig  gemeinte  und  in  einzelnen  Punkten 
unwahre  Retractation  (Op.  post.  3,  5)  zu  unterschreiben:  was  er  in 
der  Istoria  über  kirchliche  Missbräuche  zu  viel  gesagt,  nehme  er 
zurück;  er  wünsche,  dass  das  Buch  vernichtet  werden  könnte;  mit 
der  Entgegnung  gegen  Sanfelice  habe  er  nicht  die  Römische  Kirche 
beleidigen,  sondern  nur  sich  vertheidigen  wollen;  die  Schrift  sei 
nicht  für  den  Druck  bestimmt  gewesen  und  er  bedauere,  dass  sie 
in  Abschriften  Verbreitung  gefunden;  das  Buch  de  consiliis  erkenne 
er  nicht  als  von  ihm  verfasst  an,  da  der  Uebersetzer  daran  vieles 
geändert  habe;  andere  Schriften,  wie  die  über  ungültige  Excommuni- 
cationen,  über  das  Bücherverbot,  über  den  Concubinat,  —  das  Triregno 
wird  nicht  erwähnt,  —  seien  nicht  für  den  Druck  bestimmt  gewesen; 
manche  Manuscripte,  die  man  bei  ihm  gefunden,  seien  nur  Auszüge 
aus  Schriften  anderer,  die  er  freilich  nicht  hätte  lesen  und  excer- 
piren  dürfen ;  er  nehme  aber  alles  zurück,  was  er  in  seinen  Schriften 
der  Lehre  der  Kirche  Widersprechendes  oder  AnstÖssiges  gesagt, 
und  werde  sich  freuen,  wenn  die  h.  Kirche  seine  Retractation  ver- 
öffentlichen wolle ;  nach  Genf  sei  er  aus  Noth  gegangen,  habe  aber 
dort  als  Katholik  gelebt  und  er  sei  in  einem  sardinischen  Dorfe 
verhaftet  worden,  als  er  dorthin  gekommen,  um  die  österliche  Com- 
munion  zu  empfangen. 

GiannolTe  s  Istoria  ist  noch  im  18.  Jahrb.  wiederholt  gedruckt, 
auch  ins  Lateinische,  Französische,  Englische  und  Deutsche  übersetzt 
worden.  1768  erschienen  auch  nachgelassene  Schriften  von  ihm 
(Fabr.  p.  194).  Sie  wurden  nicht  verb.,  auch  nicht  Anecdotes  eccU- 
siastiques,  contenant  la  police  et  la  discipline  de  TEglise  .  .  .,  les 
intrigaes  des  6veques  de  Rome  et  leurs  usurpations  sur  le  temporel 
des  souverains,  tirees  de  THist.  ...  de  Giannone,  brülle  a  Rome 
en  1726,  Amst.  1738  (wahrscheinlich  von  Isaac  Vernet  zu  C^nf; 
Ist.  1,  179).  Im  span.  Index  steht  nur  eine  zu  La  Haye  1742  er- 
schienene französische  Uebersetzung  der  Istoria  von  G.  —  Brosch, 
Gesch.  des  K.-St.  2,  4  sagt:  Giannone  ist  für  Neapel  und  andere 
monarchische  Staaten  der  Halbinsel,  sofern  sie  im  18.  Jahrb.  von 
antipäpstlichen  Strebungen  erfasst  wurden ,  annähernd  dasselbe , 
was  Sarpi  im  17.  Jahrb.  für  die  Venetianische  Republik  war.  Der 
Genius  des  Neapolitanischen  Juristen  und  Geschichtsforschers  war 
dem  des  grossen  Servitenmönches   nahe  verwandt,  wenngleich  unter- 


F.  M.  Ottieri.    G.  Gorini.    J.  B.  Garrido  u.  a.  787 

geordnet  an  Klarheit  und  Macht,  an  Kunst  der  Rede  und  Tiefe  des 
Wissens.  Vor  dem  Dogma  standen  beide  achtungsvoll  still  [?]  .  ., 
aber  die  Geldmanipulationen  und  Herrscherkünste  Roms  .  .  decken 
sie  beide  gleich  schonungslos  auf,  mit  unermüdlichem  Eifer  und  un- 
stillbarem Hasse  ^). 

7.  Durch  ein  besonderes  Beeret  der  Index-Congr.  vom  17.  Jan. 
1729  (Bull  13,  380)  wurde  verb.:  Istoria  delle  guerre  avvenute  in 
Europa  e  particolarmente  in  Italia  per  la  successione  alla  mon^archia 
della  Spagna  1696 — 1725,  scritta  dal  Conte  eMarchese  Franc.  Maria 
Ottieri,  Accademico  della  Crusca,  Rom  1728,  mit  der  Motivirung, 
das  Buch  enthalte  Ausdrücke,  die  für  Fürsten  und  einige  Nationen 
und  durch  Geburt,  Rang  und  Amt  hervorragende  Männer  verletzend 
und  injuriös  seien,  und  narrationes  rerum  minime  subsistentium.  Am 
Schlüsse  des  Decretes  heisst  es,  der  Secretär  habe  dasselbe  BenedictXIII. 
vorgelegt  und  dieser  es  genehmigt  und  auszuführen  befohlen.  Das 
Buch  steht  seit  Ben.  nicht  mehr  im  Index.  —  1737  wurden  zwei 
Schriften  von  Ascanio  Centomani  in  Neapel  verb.,  in  welchen  die 
Verweigerung  des  Exequatur  für  einzelne  Römische  Erlasse  gerecht- 
fertigt wird,  1742  eine  Supplica  a  S.  M.  delle  due  Sicilie  per 
qualche  opportuno  rimedio  sopra  li  gravami,  che  dalla  corte  di  Roma 
in  materia  di  beneficii  e  rendite  eccles.  soffre  questo  suo  regno  di 
Napoli.  —  Von  dem  Mailänder  Giuseppe  Coric  Marchese  di  Gorini 
(t  1762;  er  ist  sonst  als  Tragödiendichter  bekannt)  wurde  1742 
verb. :  Politica,  diritto  e  religione  per  ben  pensare  e  scegliere  il  vero 
dal  falso  in  queste  importantissime  materie,  Milano  1 742  con  licenza 
de'  superiori.  19.  Juli  1759  verbot  die  Inquisition:  L'uomo.  Trattato 
fisico-morale  diviso  in  due  tomi  e  tre  libri  (L'esser,  le  passioni,  i 
doveri  deiruomo),  Lucca  1756  con  lic.  dei  sup.,  auch  eine  gleich- 
zeitig anonym  erschienene  Ausgabe  und  A  v  v  i  s  o  tradotto  dal  francese : 
La  traduzione  e  impressione  francese  del  trattato  metafisico  dell'ucmo, 
opera  stampata  in  Italia  dal  Sig.  March.  Gorini,  si  darä  da  noi  An- 
gelet-Vemo  .  .  .,  Vercelli  1758.  Die  französische  TJebersetzung 
Anthropologie,  erschien  zu  Lausanne  1761  und  wurde  nicht  aus- 
drücklich verb.;  das  Verbot  des  buchhändlerischen  Prospectus  steht 
aber  noch  heute  im  Index. 

8.  Das  1746  von  Benedict  XIV.  und  im  span.  Index  ver- 
botene Buch  heisst:  Goncordia  praelatorum.  Tractatus  duplex  de  unione 
ecclesiarum  et  beneficiorum,  de  exemptione  personarum  et  ecclesiarum 
tum  pontificia  tum  regia  vel  de  immediata  regis  protectione,  auct. 
P.  Jo.  Bapt.  Garrido  Benedictinae  Congregationis  Hispanae  Gene- 
rali Magistro,  Madrid  1745.  Das  Breve  steht  nicht  im  Bull.  — 
Von  Franc.  Ant.  Chionio,  Prof.  in  Turin,  der  1 754  6  Sätze  in  einem 


1)  Tanucci  gab  1769  dem  Sohne  Giannone's  eine  Pension  und  be- 
zeichnete diesen  in  dem  Decrete  als  den  grössten,  um  den  Staat  verdien- 
testen und  am  ungerechtesten  verfolgten  Mann,  den  Neapel  im  18.  Jahrh. 
erzeugt.  Die  umfangreichste  unter  den  Schriften,  welche  gegen  Giannone 
erschienen,  ist  die  des  Minoriten  Giov.  Ant.  Bianchi,  Della  potestä  e  po- 
lizia  della  Chiesa,  Rom  1745—51,  7  vol.  4.  (Hurter  2,  1455). 


788  Gallicaner  1729—63. 

von  ihm  dictirten  Tractate  de  regimiDe  ecelesiae,  worin  er  dem 
Staate  weitgehende  Rechte  in  kirchlichen  Dingen  vindicirte ,  wider- 
rufen musßte^),  —  er  wurde  abgesetzt  und  6  Monate  in  einem 
Kloster  eingesperrt,  —  ist  nichts  gedruckt. 


73.     Gallicaner  1729—63. 

Benedict  XIII.  schrieb  1729  die  Feier  des  Festes  Gregors  VII. 
für  die  ganze  Kirche  vor  und  Hess  für  das  Brevier  eine  Lection 
publiciren,  in  welcher  gerühmt  wird,  dass  Gregor  VII.  den  Kaiser 
Heinrich  IV.  abgesetzt  habe.  Mehrere  französische  Parlamente 
und  Bischöfe  protestirten  gegen  diese  Anordnung.  Durch  vier 
Breven  cassirte  Benedict  XIII.  die  Verordnungen  von  drei  Bischöfen, 
—  diese  stehen  noch  heute  im  Index,  —  und  alle  Beschlüsse 
weltlicher  Behörden  (das  neue  Officium  wurde  auch  in  den  öster- 
reichischen Staaten  verboten).  —  Unter  Benedict  XIV.  wurden 
mehrere  Schriften  verboten,  welche  den  1749  von  der  franzö- 
sischen Regierung  gemachten  Versuch,  eine  Besteuerung  der 
Geistlichen  einzuführen,  vertheidigen,  eine  1752  mit  dem  Zusätze, 
welcher  in  die  Decreta  generalia  II,  9  übergegangen  ist:  ^Alle 
Bücher  welche  die  Immunität  der  kirchlichen  Güter  bestreiten." 
Ein  Buch  des  Oratorianers  de  La  Borde  wurde  1753  von  der 
Inquisition,  1755  durch  ein  Breve  an  die  polnischen  Bischöfe 
verboten,  weil  es  in  Polen  Verbreitung  gefunden.  —  Nicht  weniger 
als  sechs  Schriften  sind,  freilich  erst  bald  nach  dem  Tode  Be- 
nedicts XIV.,  in  den  Index  gekommen»  in  denen  es  sich  um 
die  Frage  handelt,  ob  ein  getaufter  Jude,  Borach  Levi,  noch 
bei  Lebzeiten  seiner  jüdisch  gebliebenen  Frau  eine  andere  hei- 
rathen  könne,  eine  Frage,  die  in  Frankreich  in  Widersprach 
mit   einer  Bulle  Benedicts  XIV.  verneinend  entschieden  wurde. 

1.  Gregor  VII.  wurde  von  Gregor  XIII.  1584,  als  man  in 
Rom  an  die  Ausschliessung  Heinrichs  IV.  von  der  französischen 
Thronfolge  dachte,  in  das  Martyrologium  aufgenommen  als  ecclesia- 
sticae  lihertatis  propugnator  ac  defensor  acerrimus.  Paul  V.  cano- 
nisirte  ihn  1606,  während  des  Streites  mit  Venedig;  er  indulgirte 
1609  die  Feier  seines  Festes  für  Salemo»  Florenz  und  Siena,  Ale- 
xander VII.  nach  der  Declaration  von  1682  für  Rom,  Clemens  XI. 


1)  Thcotimus  Eapistinas  p.  58. 


Officium  S.  Gregorii  VII.  789 

1705  für  die  Cistercienser,  1710  für  die  Benedictiner.  Benedict  XIII. 
machte  1729  das  Fest  zu  einem  allgemeinen^).  Durch  ein  Beeret 
der  Congr.  ritnum  vom  25.  Sept.  wurde  das  Officium  bekannt  ge- 
macht Dieses  war  von  dem  Secretär  der  Congr.,  dem  aus  Sicilien 
vertriebenen  Benedictiner  Tedeschi  (S.  782)  verfasst  und  enthält  in 
der  5.  Lection  den  Satz,  der  bis  dahin  wohl  in  dem  Officium  der 
Benedictiner,  aber  nicht  in  dem  zu  Rom  gebrauchten  Officium  ge- 
standen hatte :  Contra  Henrici  Imperatoris  impios  conatus  fortis  per 
omnia  athleta  impavidus  permansit  .  . .  ac  eundem  Henricum  in  pro- 
fundum  malorum  prolapsum  fidelium  communione  regnoque  privavit 
atque  subditos  populos  fide  ei  data  liberavit  (von  Schill  S.  252  als 
„harmlose'^  Worte  bezeichnet).  —  Im  J.  1723  waren  in  Paris  Thesen 
über  die  4  Artikel  mit  polemischen  Bemerkungen  gegen  Gregor  YII. 
unter  dem  Vorsitze  des  Bischofs  Bastignac  von  Tülle  vertheidigt 
worden.  Als  dieser  1724  zum  Erzbischof  von  Tours  ernannt  wurde, 
erhielt  er  die  Bullen  erst  nachdem  er  die  Thesen  desavouirt  hatte. 
Gegen  die  Verordnung  Benedicts  XIII.  erklärte  sich  zuerst, 
22.  Juli  1729,  das  Pariser  Parlament,  dem  mehrere  andere  Parla- 
mente folgten.  Der  erste  Bischof,  welcher  ein  Mandement  dagegen 
erliess,  war  Caylus  von  Auxerre,  24.  Juli  1729.  Ihm  folgten  Colbert 
von  Montpellier,  H.  Ch.  du  Cambout,  Duc  de  Coislin  von  Metz, 
Bossnet  von  Troyes,  Ch.  Fr.  d^Hallencourt  von  Verdun  (der  einzige 
der  nicht  zu  den  Appellanten  gehörte)  und  Honor^  de  Quinquereau 
de  Beaujeu  von  Castres.  Die  Mandements  sind  alle  Actenstücke  von 
wenigen  (4 — 8)  Quartseiten.  Das  von  Caylus  wurde  durch  ein. 
Breve  vom  17.  Sept.  1729  (Bull.  cont.  4,  408)  für  null  und  nichtig 
erklärt  und  cassirt,  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  verboten,  es 
zu  lesen,  zu  behalten,  zu  drucken  und  abzuschreiben,  und  verordnet, 
es  abzuliefern  und  zu  verbrennen.  Aehnliche  Breven  ergingen  8. 
Oct.  und  6.  Dec.  1729  gegen  die  Mandements  von  Colbert  und 
dem  Bischof  von  Metz  (Bull.  13,  422.  423).  Die  anderen  wurden 
nicht  verb.,  aber  in  einem  Breve  vom  19.  Dec.  1729  (Bull.  13,  424) 
wurden  alle  Edicta,  decreta,  senatus  consulta,  praecepta,  mandata  et 
quaevis  aliae  ordinationes  per  magistratus,  etiam  supremos  ....  et 
a  quacunque  laicali  potestate  ejusque  nomine  adversus  deoretum  ex- 
tensionis  Officii  S.  Gregorii  VII.  promulgata  für  null  und  nichtig 
erklärt.  —  Der  Bischof  von  Auxerre  schrieb  über  das  Breve  im 
Febr.  1730  an  Ludwig  XV.  und  übersandte  dem  Pariser  Parlamente 
eine  Requete  gegen  dasselbe  mit  einer  Consultation  von  50  Advo- 
caten.  Der  König  öffnete  den  Brief  aber  nicht.  Das  Parlament  be- 
schloss  23.  Febr.  1730,  das  päpstliche  Decret  und  die  vier  Breven 
zu  cassiren.  Das  Arr^t  wurde  gedruckt,  durfte  aber  auf  Befehl  des 
Card.  Fleury  nicht  öffentlich  verkauft  werden.  —  Am  12.  Mai  1780 
erklärte  sich  auch  der  Erzbischof  Steenhoven  von  Utrecht  gegen  das 
neue  Of^cium   und    29.  Sept.  1730    verboten    es   die    holländischen 


I)  Fleur.  73,  103.    Gregoire,  Essai  bist,    sur   les  libertes  de  TEgl. 
gall.,  1818,  p.  91.  Biblioth.  italique  6,  205. 


790  Gallicaner  1729—68. 

Generalstaaten  bei  Strafe    von  1000  Gulden   in  das   Brevier  aufzu- 
nehmen. 

In  Oesterreich  hat  nicht  erst  Joseph  II.  1782  verordnet,  die 
betreffende  Stelle  in  den  Brevieren  mit  weissem  Papier  zu  verpicken 
(die  Verordnung  bei  Brunner,  Mysterien  der  Aufklärung  S.  166). 
Als  im  J.  1825  über  ein  bei  den  Mechitaristen  in  Wien  gedrucktes 
Brevier  verhandelt  wurde,  constatirte  die  Hofkanzlei,  dass  die  Ver- 
ordnung zuerst  von  Carl  VI.  erlassen  und  von  Maria  Theresia  1774 
erneuert  worden  sei.  Der  Polizei-  und  Censurchef  Sedlnitzki  ver- 
fügte darauf,  das  Blatt  in  dem  neuen  Brevier  sei  umzudrucken,  in 
den  bereits  verkauften  Exemplaren  herauszuschneiden  oder  zu  ver- 
picken. Das  Consistorium  machte  damals  geltend:  das  neue  Brevier 
sei  für  das  Ausland  bestimmt;  jene  Verordnung  gelte  nur  für  die 
kaiserlichen  Erblande,  und  auch  hier  sei  der  Abdruck  des  Officiums 
nicht  gefährlich,  da  in  den  Directorien  angeordnet  werde,  am  Feste 
Gregors  VII.  (nicht  die  betreffenden,  sondern)  die  Lectiones  de  com- 
muni  zu  lesen  ^}.  Für  Belgien  hatte  schon  1 730  Carl  VI.  das  Offi- 
cium verboten  und  Maria  Theresia  das  Verbot  1750  einschärfen 
lassen  2).  —  In  einer  Depesche  des  Vicekönigs  von  Neapel,  Graf 
Harrach  an  Carl  VI.  vom  5.  März  1729  (L'avocat  2, 124)  wird  aus- 
führlich über  das  Officium  berichtet  und  angegeben,  das  Tribunale 
del  CoUaterale  meine,  man  solle  die  Sache  ignoriren,  weil  ein  Ver- 
bot des  Eecitirens  doch  nichts  helfen  werde,  aber  den  Drucker,  der 
das  Officium  in  Neapel  ohne  Erlaubniss  des  Vicekönigs  nachgedruckt, 
auf  diesen  Grund  hin  verhaften  und  die  Exemplare  confisciren. 

Die  Controverse  wird  ausführlich,  hauptsächlich  nach  den  N. 
£.,  dargestellt  in  der  Schrift:  L'Avocat  du  diable  ou  Memoires 
bist,  et  crit.  sur  la  vie  et  sur  la  legende  du  P.  Gr^goire  VIL  Aveo 
des  memoires  du  mdme  goüt  sur  la  Bule  de  canonization  de  Vincent 
de  Paul  .  . .  A  Saint  Pourjain  chez  Tansin  Pas  Saint  1743  *,  3  vol. 
8.,  verb.  1752  (in  mehreren  Indices  verdruckt  1725).  Als  Verfasser 
wird  gewöhnlich  ein  Pariser  Pfarrer  Adam,  von  Barbier  der  Capu- 
ciner  Osmont  du  Sellier  bezeichnet. 

2.  Im  August  1749  erschien  in  Frankreich  ein  Edict,  welches  die 
Erwerbung  von  Gütern  durch  die  todte  Hand  beschränkte.  Gleich- 
zeitig wurde  versucht,  die  Dons  gratuits,  welche  die  Geistlichkeit 
der  Regierung  zu  bewilligen  pflegte,  in  eine  Steuer  (von  einem 
höhern  Betrage)  umzuwandeln,  wogegen  die  Assembl^e  du  Clerg6 
unter  Berufung  auf  die  durch  Kirchen-  und  Staatsgesetze  garantirte 
Immunität  der  Geistlichkeit  remonstrirte.  Es  erschien  damals  u.  a. 
eine  Schrift  unter  dem  Titel  Lettres  mit  dem  Motto  Ne  repugnate 
vestro  bono  .  .  .,    Sen.  de  const.  sap.  c.  19,  London  (?)  1750*,    in 


1)  Archiv  f.  österr.  Gesch.  50,  464.  Die  Lectiones  de  commuai  wareu 
noch  in  dem  Wiener  Directorium  für  1849  vorgeschrieben;  Brunner  S.  166. 
Picot  2,  54  missbilligt  das  Auftreten  der  französischen  Prälaten  auch  darum, 
weil  sich  niemand  in  Frankreich  für  die  Annahme  des  Offlciums  ausge- 
sprochen und  kein  Bischof  dieselbe  autorisirt  habe. 

2)  Suppl.  ad  Opp.  V.  Espen,  App.  p.  37. 


y.  de  La  Borde  u.  a.  791 

welcher  nioht  nur  gegen  die  Immunität  der  Geistlichen,  sondern  auch 
gegen  die  Kirchengüter,  den  Cölibat  u.  a.  polemisirt  wird,  angeblich 
von  dem  Abb^  Henri-Phil,  de  Chauvelin  (1715 — 70),  nach  anderen 
von  dem  Advocaten  Bargeton  (f  1749)  verfasst^).  Sie  wurde  I.Juli 
1750  von  dem  Staatsrathe  verb.,  14.  Sept.  von  der  Assembl^e  cen- 
surirt  als  falsche,  temeräre,  für  die  Kirche  injuriöse,  . . .  irrige  und 
gottlose  Sätze  enthaltend.  Voltaire  schrieb  aus  Anlass  dieses  Streites 
über  die  Immunität  die  anonyme  Broschüre  La  voix  du  sage  et  du 
peuple,  Amst.  1750.  Beide  Schriften  wurden  von  Benedict  XIV.  in 
einem  Breve  vom  25.  Jan.  1751  (Bull.  3,  179)  verdammt  als  eine 
Lehre  und  Sätze  enthaltend,  die  resp.  falsch,  .  .  .  des  Schismas  und 
der  Ketzerei  verdächtig  und  früher  von  dem  apost.  Stuhle  verdammt 
seien.  —  1752  wurde  verb.  Examen  impartial  des  immunit^s  ec- 
clesiastiques,  contenant  les  maximes  du  droit  public  et  les  faits  hi- 
storiques  qui  y  ont  rapport,  London  1751,  12.,  von  Chauvelin.  In 
diesem  Decrete  findet  sich  der  Zusatz:  aliique  ejusdem  notae  libri 
ac  libelli  ad  versus  eoclesiasticorum  bonorum  immunitatem.  —  1754 
wurden  verb.:  Trait6  des  deux  puissances,  ou  maximes  sur  Tabus 
avec  les  preuves  tir^es  du  droit  canonique,  des  principes  du  droit 
publique  et  de  Thistoire,  Paris  1752,  —  Trait^  des  droits  du  Roy 
sur  les  b^nefices  de  ses  ^tats,  1752,  von  Dom.  Simonel,  —  Tra- 
dition des  faits  qui  manifestent  le  Systeme  d'ind^pendance  que  les 
6v6ques  ont  oppos6  dans  les  diff^rents  si^cles  aux  principes  inva- 
riables de  la  justice  souveraine  des  rois  sur  tous  les  sujets  indi- 
stinctement,  et  la  n^cessite  de  laisser  agir  les  juges  seculiers  contre 
leurs  entreprises  pour  maintenir  ^Observation  des  lois  et  la  tranquil- 
hti  publique,  1753,  363  S.  12.,  von  Chauvelin  2). 

Zuerst  von  der  Inquisition  5.  Aug.  1 753,  dann  durch  ein  Breve 
vom  4.  März  1755  wurde  verb.  Principes  sur  Tessence,  la  distinc- 
tion  et  les  limites  des  deux  puissances,  spirituelle  et  temporelle. 
Ouvrage  posthume  du  P.  de  La  Borde  de  TOratoire,  s.  1.  1753,4. 
(gleichzeitig  auch  lateinisch).  Vivien  de  La  Borde  wurde  1716  mit 
dem  Abb6  Chevalier  von  Noailles  nach  Rom  geschickt,  ist  der  Ver- 
fasser des  T^moiguage  de  la  v^rite  dans  TEglise,  1714,  und  anderer 
Schriften  gegen  die  Bulle  Unigenitus  und  mehrerer  bischöflicher 
Mandements  und  starb  1748  als  Superior  des  Seminars  Saint-Ma- 
gloire  zu  Paris  (Migne  2,313).  Das  Breve  Benedicts  XIV.  (Bull. 
4,  163)  hat  das  Eigen thümliche,  dass  es  an  die  Bischöfe  in  Polen 
gerichtet  ist^).     £r  sagt  darin:     das  Buch  sei  schon  1753  von  der 


1)  Die  erste  Lettre  40  S.,  die  2.  289,  die  3.  36  S.,  Lettre  demiöre 
62  S.  8.  Beigebunden  Remontrances  du  Clerge  present^es  au  Roi  le  24 
Aoüt  1749,  31  S.  —  Vgl.  Picot  2,  229;  4,  335.  Ranke,  Franz.  Gesch.  4 
(WW.  11),  390.  Rocquain  p.  132.  139. 

2)  Picot  4,  336.  N.  E.  1753,  112.  127.  Das  Buch  wurde  mit  einer 
Einleitung  von  A.  G.  1825  neu  gedruckt;  Ami  de  la  rel.  45,  215. 

3)  Von  einer  andern  Lettera  circolare  vom  J.  1748  sagt  Benedict  XIV. 
in  den  Briefen  an  den  CanonicuB  Peggi,  hrsg.  von  F.  X.  Kraus,  1884,  S.  51 : 
sie  sei  scritta  ai  vescovi  di  Polonia,  che  bevono  molto  ed  intendono  poco. 


792  Gallicaner  1729—63. 

Inq.  verdammt,  aber  nochmals  französisch  und  polnisch  gedruckt 
worden  und  werde  in  Polen  verbreitet.  Die  Bischöfe  müssten  also 
die  Verdammung  oder  die  schlechte  Tendenz  des  Buches  nicht 
kennen,  da  sie  sonst  eingeschritten  sein  würden.  Der  Verfasser  be- 
streite die  von  Christus  der  Kirche  gegebene  Gewalt,  nicht  allein 
durch  Belehren  und  Mahnen  zu  leiten,  sondern  auch  durch  Gesetze 
zu  gebieten  und  die  Ungehorsamen  durch  Eichtersprüche  und  heil- 
same Strafen  zu  zwingen,  indem  er  das  Ministerium  der  Kirche  in 
der  Weise  der  weltlichen  Gewalt  unterordne,  dass  er  dieser  die  Auf- 
gabe zuweise,  de  externa  omni  ac  sensibili  gubematione  cognoscere 
et  judicare,  ein  System,  welches  schon  von  Johannes  XXII.  als 
ketzerisch  verdammt  worden  sei.  Es  fänden  sich  in  dem  Buche 
Sätze,  die  verfänglich  und  falsch,  gottlos  und  irrig,  früher  verdammt 
und  ketzerisch,  für  die  Kirche  sehr  injuriös  und  ihre  Gewalt,  Rechte 
und  Freiheit  beeinträchtigend  (ejusque  potestatis  .  .  .  prorsus  eva- 
sivae)  seien  u.  s.  w.  Von  den  sonst  in  solchen  Breven  üblichen 
Formeln  fehlt  die  Bestimmung,  dass  die  Pnblication  in  Rom  genü- 
gen solle. 

Examen  de  deux  questions  importantes  sur  le  mariage:  com- 
ment  la  puissance  civile  peut-elle  d^clarer  des  mariages  nuls?  quelle 
est  r^tendue  du  pouvoir  des  souverains  sur  les  empechements  diri- 
mants  le  mariage?,  1753,  4.,  verb.  1755,  ist  von  dem  Parlaments- 
advocaten  Pierre  Le  Eidant,  f  1768,  im  Sinne  von  Launoy  geschrie- 
ben. —  nfy7  wurde  verb.:  Exposition  de  la  doctrine  de  l'Eglise 
gallicane  par  rapport  aux  pretentions  de  la  cour  de  Rome  par  M. 
du  Marsais.  Libertes  de  TEgl.  gall.  par  P.  Pithou  avec  un  dis- 
cours  pr^liminaire,  Paris  1778*,  8.  Cesar  Chesneau  du  Marsais 
war  ein  irreligiöser  Advocat,  Mitarbeiter  an  der  Encyclop6die,  der 
aber  vor  seinem  Tode  1757  die  Sacramente  empfing.  Sein  Buch, 
das  er  auf  Veranlassung  des  Präsidenten  de  Maison  begonnen,  wurde 
ins  Italienische  und  Deutsche  übersetzt^)  und  aus  Anlass  des  fran- 
zösischen Concordates  von  1817  von  dem  Philologen  R.  Ciavier 
nochmals  herausgegeben,  Paris  18 1 7  (Mejer,  Zur  Gesch.  der  römisch- 
deutschen  Frage  II,  1,  153).  Diese  Ausgabe  wurde  1819  verb. — 
Ausserdem  wurden  1757  noch  vier  anonyme  Schriften  von  dem  Ap- 
pellanten Etienne  Mignot,  Dr.  Sorb.,  1698—1771  (Picot  4,  344),  verb., 
alle  zu  Amsterdam  (Paris)  erschienen:  Memoire  sur  les  liberte« 
de  l'E'^lise  gallicane,  1755  (mit  dem  Zusätze:  sive  alibi),  376  S.  8., 
—  Trait6  des  droits  de  Tetat  et  du  prince  sur  les  biens  possed^s 
par  le  clerg6,  1755,  2  vol.  8.,  —  Histoire  du  d^mel6  de  Henri  II. 
avec  Th.  Becket,  pr^cedee  d'un  discours  sur  la  Jurisdiction  des 
princes  et  des  magistrats  s6culiers  sur  les  personnes  eccl6s.,    1756, 


1)  La  dottrina  della  chiesa  gallicana  esposita  ed  illustrata,  Ven.  1766. 
Darstellung  der  Lehre  der  gallicanischen  Kirche  in  Hinsicht  auf  die  Forde- 
rungen der  Römischen  Kurie,  aus  dem  Französ.  des  Herrn  du  Marsais. 
Eine  alte  Vorarbeit  zu  einem  neuen  Konkordate  bei  irgend  einer  neuen 
Einrichtung  der  kath.  Kirche,  Stuttg.  1816  (von  Werkmeister?);  Mastiaux, 
Lit.-Ztg.  1818,  No.  99. 


P.  Le  Kidant.    Et.  Mignot  a.  a.    Borach  Levi.  793 

—  Hist.  de  la  reception  du  Concile  de  Trente  dans  les  diff^rents 
etats  cath.f  avec  les  pi^ces  justificatives  servant  ä  preuves  que  les 
decrets  et  reglements  eccl^s.  ne  peuvent  et  ne  doivent  etre  execut^s 
saus  Tautorite  des  souverains,  175H,  2  vol.  8. 

Im  span.  Index  steht  keine  dieser  Schriften,  dagegen  eine  von 
dem  Dr.  Sorb.  Jean-Pierre  Gibert,  Corpus  juris  canonici  per  regulas 
naturali  ordine  digestas  usuque  temperatas  .  .  .  expositi,  1735,  3 
Fol.  Im  Köm.  Index  steht  weder  diese  noch  eine  andere  der  (gal- 
licanischen)  Schriften  von  Gibert  (Mich.  a.  S.  Jos.  3,511.  Schulte 
S.  637),  auch  nicht  die  Histoire  du  droit  public  eccl^s.  fran^ais, 
1737  und  1751  (von  du  Boulay),  aus  der  die  Sorbonne  1751  19 
Sätze  censurirte  (Picot  2,  243.  Schulte  S.  644). 

3.  In  einer  Bulle  vom  16.  Sept.  1747  (Bull.  2,  199)  hatte 
Benedict  XIV.  erklärt:  nach  1  Cor.  7,13  könne  ein  getaufter  Jude 
nicht  der  Jüdin  gebliebenen  Frau  den  Scheidebrief  geben;  er  habe 
sie  zu  fragen,  ob  sie  sich  bekehren  wolle  und  cohabitare  sine  con- 
tumelia  creatoris;  wenn  sie  sich  weigere,  könne  er  eine  andere  hei- 
rathen.  In  einem  Breve  an  den  Cardinal  von  York  vom  9.  Febr. 
1749  (Bull.  8,2)  hatte  er  bezüglich  eines  Juden,  der  getauft  werden 
sollte  und  mit  einer  Protestantin  verheirathet  war,  die  katholisch 
werden  wollte  verordnet,  das  Paar  sei  nach  der  Conversion  zu 
trauen,  da  seine  Ehe  propter  cultus  disparitatem  nichtig  sei.  —  Der 
elsässische  Jude  Borach  Levi  wurde  1752  getauft;  er  erhielt  die 
Vornamen  Joseph  Jean  Frangois  Elie.  Seine  Frau,  Mendel  Cerf, 
weigerte  sich,  ihm  nach  seinem  neuen  Wohnort  zu  folgen,  und  das 
Strassburger  Officialat  erklärte  1754,  er  könne  eine  andere  heirathen. 
Der  Pfarrer  Daage  zu  Villeneuve  weigerte  sich,  die  neue  Ehe  ein- 
zusegnen, und  das  Ofßcialat  des  Bischofs  Fitzjames  von  Soissons  gab 
ihm  Recht.  Levi  appellirte  an  das  Pariser  Parlament,  wurde  aber 
von  diesem  2.  Jan.  1758  abgewiesen.  Durch  ein  Decret  vom  6. 
Sept.  1759  verbot  die  Inq.  zunächst  vier  Processschriften :  Memoire 
k  consulter  et  consultation  de  MM.  Pothouin  d'Huillot  et  Travers, 
avocats  au  Parlement,  sur  Tappel  comme  d^abus  interjeto  par  Levi 
de  deux  sentences  de  l'officialite  de  Soissons  .  .  .,  1757,    51  S.  4., 

—  Memoire  pour  le  S.  Daage  .  .  .  1757,  64  S.  4.,  von  dem  Ad- 
vocaten  Serieux,  —  Consultation  sur  le  mariage  du  juif  Borach 
Levi,  Par.  1758,  87  S.  4.  (von  P.  Le  Kidant),  —  Plaidoyer  pour 
Mgr.  TEv.  de  Soissons  .  .  .  Par.  1758,  94  S.  4.,  von  dem  Adv. 
Moreau,  —  ausserdem  Dissertation  oü  Ton  prouve  que  S.  Paul  dans 
le  7.  chap.  de  la  1.  aux  Cor.  n^enseigne  pas,  que  le  mariage  puisse 
etre  rompu,  lorsqu'  une  des  parties  embrasse  la  religion  chr^t.,  Brux. 
1758,  15  S.  4.,  von  dem  Appellanten  Alexis  Desessarts  (Picot.  4,  363). 

—  Recueil  important  sur  la  question  de  savoir  si  un  juif  mari6  dans 
sa  religion  peut  se  remarier  ....  Amst.  1759,  2  vol.  12.,  worin 
ausser  den  4  genannten  Schriften  auch  4  der  Gegenpartei  abgedruckt 
sind,  steht  nicht  im  Index.  —  1765  wurde  dann  noch  verb.  Opus 
inscriptum:  Les  deux  livres  de  S.  Aug.  .  .  .  ä  PoUentius  sur  les 
mariages  adult^res,  trad.  en  fran^ais,  avec  .  .  .  une  dissertation,  d6- 
dies  k  Mgr.   TEv.   de  Soissons  .  .  .,  1763,    von    dem    Appellanten 


Sc.  Maffüi.  795 

rief  mehrere  Entgegnungen  hervor;  eine  derselben  wurde  1718, 
5  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  2.  Auflage,  verb.:  Riflessioni 
sopra  il  libro  intit.  Della  sc.  eh.  cav.  ed  insieme  la  conciliazione 
fra  le  massime  dell'  antore  del  suddetto  libro  e  quelle  degli  altri 
professori  di  detta  scienza,  del  Marchese  6iac.  Natta  d'Alfiano..., 
nuovamente  ristampata  con  molte  giunte  dair  autore,  Casale  1713 
(zuerst  1711;  Giorn.  de'  lett.  [Rom]  1745,  29).  —  Schon  früher 
als  Natta  kam  Maffei  selbst  in  den  Index,  freilich  nicht  mit  der 
Scienza  cavallerescha,  aber  mit  einer  damit  zusammenhangenden 
b'chrift.  Er  hatte  in  der  Scienza  bemerkt,  dass  die  ersten  Ritter- 
orden in  der  Zeit  der  Ereuzziigo  entstanden  seien.  Nun  hatte  aber 
eben  damals  ein  griechischer  Schwindler  sich  für  einen  Comnenen 
und  Nachkommen  Constantins  und  für  den  Grossmeister  eines  von 
diesem  gestifteten  Ritterordens  ausgegeben,  —  die  ersten  40  Ritter 
sollten  von  Constantin  mit  der  Bewachung  des  Labarum  beauftragt 
worden  sein,  —  und  seine  Grossmeisterwürde,  natürlich  gegen  baar, 
an  den  Herzog  Francesco  Farnese  von  Parma  und  seine  Nachfolger 
abgetreten,  —  Maffei  behauptet,  die  Jesuiten  hätten  diesen  zu  dem 
Geschäfte  verleitet,  —  und  Innocenz  XII.  hatte  1699  in  einer  an- 
geblich von  dem  Card.  Albani  (Clemens  XI.)  verfassten  Bulle  diese 
Uebertragung  von  Seiten  des  Jo.  Andreas  Angelus  Flavius  Comne- 
nus,  princeps  Macedoniae  et  Magnus  Magister  Militiae  auratae  Con- 
stautinianae  sub  titulo  S.  Georgii  et  regula  S.  Basilii  Magni,  an  den 
Herzog  genehmigt  und  Clemens  XI.  dieselbe  durch  eine  zweite 
Bulle  vom  J.  1701  bestätigt  (Bull.  cont.  2, 195;  vgl.  Helyot  1,  249). 
Dieser  Schwindel  wurde  nun  aufgedeckt  in  De  fabula  equestris 
ordinis  Constantiniani  Scipionis  Maffeii  Marchionis  epistola,  Tiguri 
1712.  Bei  der  Veröffentlichung  der  Schrift  war  eine  ganze  Reihe 
von  angesehenen  Männern  betheiligt.  Giusto  Fontanini  galt  vielfach 
als  derjenige,  welcher  den  Entwurf  derselben  gemacht;  er  schickte 
jedenfalls  das  Manuscript  an  Querini  und  dieser  an  Montfaucon,  der 
die  Schrift  in  Paris  mit  dem  Druckort  Zürich  auf  Maffei's  Kosten 
drucken  liess.  Sie  wurde  begreiflicher  Weise  nicht  nur  in  Parma, 
sondern  auch  in  Rom  übel  genommen.  Den  Herzog  beschwichtigte 
Maffei  einigermassen  durch  Ablieferung  der  noch  nicht  abgesetzten 
Exemplare^).  Bei  der  Index-Congr.  wurde  die  Schrift,  wie  MafTei 
selbst  angibt,  durch  Msgr.  Battelli  noch  im  J.  1712  denuncirt.  Der 
erste  von  ihr  bestellte  Censor,  Lambertini,  sprach  sich  gegen  ein 
Verbot  derselben  aus;  es  wurde  aber  in  der  Person  des  Msgr.Dan- 


1)  Er  schreibt  dem  Abate  Conti,  er  wolle  dieses  thuen,  weil  ein 
Verwandter  von  ihm  wegen  eines  Processes  der  Protection  des  Herzogs 
bedürfe.  Er  beauftragte  aber  Conti,  der  die  Ablieferung  besorgen  sollte, 
,  etwa  no  Exemplare  heimlich  nach  verschiedenen  Seiten  zu  versenden,  auch 
für  eine  Besprechung  des  Buches  in  holländischen,  französischen  und 
deutschen  Zeitschriften  zu  sorgen,  wegen  einer  Besprechung  in  den  Mem. 
de  Trevoux  an  P.  Tournemine  zu  schreiben,  da  der  Jesuiten-General  sage, 
er  habe  keine  Autorität  über  diese  Zeitschrift ;  Lettere  scelte  dell'  Ab.  Ant. 
Conti,  Ven.  1812,  p.  58-71. 


796  Italienische  Streitschriften. 

dini  ein  zweiter  Censor  bestellt,  der  sich  anders  aussprach.  Im 
Dec.  1713  gab  Maffei  dem  Card.  Piazzi  ein  Exemplar  nnd  einen 
Brief  für  den  Papst  mit ;  aber  als  der  Cardinal  in  Rom  ankam,  war 
das  Verbot  bereits  erfolgt,  15.  Jan.  1714.  Maffei  liess  in  Rom  er- 
klären: er  werde  nicht  widermfen  und  sich  auch  nicht  verpflichten, 
keine  neue  Auflage  zu  veranstalten.  Er  bemühte  sich  in  Rom  ver- 
gebens, die  Gutachten  der  beiden  Censoren  zu  erhalten;  das  von 
Dandini  erhielt  er  durch  Muratori.  An  diesen  schrieb  er:  Das  Ver- 
bot meiner  Schrift  böte  die  beste  Gelegenheit,  Italien  über  die  Ty- 
rannei aufzuklären,  welche  Rom  über  Werke  ausüben  möchte,  die 
von  Dingen  handeln,  welche  ganz  ausserhalb  seiner  Jurisdiction 
liegen.  Weil  jene  Narren  sich  Bullen  nnd  Breven  verschafft  haben, 
soll  man  den  Betrug  nicht  aufdecken  dürfen.  Ich  mnss  freilich  aus 
Rücksicht  gegen  den  Herzog  schweigen  (mordere  il  freno).  Ich 
möchte  aber,  um  mich  Rom  gegenüber  aussprechen  zu  können,  eine 
Salvaguardia  haben,  che  mi  renda  persona  non  cosi  di  leggieri  vio- 
labile.  Das  wäre,  meint  er,  ein  kaiserlicher  Eammerherrnschlüssell^) 
Einen  Erfolg  hatte  Maffei's  Schrift  freilich  nicht.  Clemens  XI.  be- 
stimmte durch  ein  Breve  vom  J.  1718  eine  Kirche  in  Parma  zur 
Ordenskirche  für  den  fabulosen  Orden  und  verlieh  1720  Ablässe 
für  dieselbe  (Bull.  cont.  2,  196.  211),  und  der  Advocat  Michele 
Lazzari  schrieb  gegen  Maffei :  Exetasis  in  epistolam  Sc.  Maffei  ad 
Gisbertum  Cuperum  de  fabula  .  .  . ,  Ven.  1725.  —  Seit  Ben.  steht 
die  Schrift  ohne  Maffei's  Namen  im  Index. 

Gegen  Maffei's  theologische  Schriftstellerei  wurde  unter  Bene- 
dict XIV.  eine  grosse  Nachsicht  geübt  (S.  770).  Auch  seine  Schriften 
über  die  Magie  kamen  nicht  in  den  Index.  Sie  wurden  veranlasst 
durch  das  Buch  von  Girolamo  Tartarotti  zu  Roveredo  (1702 — 61) 
Del  congresso  nottumo  delle  lamie,  460  S.  4.,  welches  1749  zu  Ve- 
nedig erschien,  nachdem  es  zwei  Jahre  auf  die  Approbation  der  dor- 
tigen Inquisition  hatte  warten  müssen.  Tartarotti  bekämpft  den 
Hexenwahn  und  polemisirt  scharf  gegen  Delrio,  bestreitet  aber  die 
Möglichkeit  der  Magie  nicht.  In  der  Schrift  Arte  magica  dileguata, 
Lettera  del  S.  March.  Maffei-  al  P.  Innocente  Ansaldi  delP  Ord.  de' 
Pred.,  Verona  1749,*  51  S.  4.  wird  dagegen  gezeigt,  dass  Tarte 
magica  oggigiomo  e  un  bei  nulla.  P]r  verth eidigte  diese  Ansicht 
in  der  unter  dem  Namen  Ant.  Fiorio  herausgegebenen  Arte  magica 
distrutta,  1750,  und  in  der  gegen  Tartarotti's  Apologia  del  Con- 
gresso .  .  .,  1751,  gerichteten  Arte  magica  annichilita,  Verona  1754. 
Gegen  Tartarotti's  und  Maffei's  Schriften  erschien  eine  ganze  Reihe 
von  Gegenschriften ;  aber  in  den  Index  kamen  sie  nicht,  auch  nicht 
die  ähnlichen  (deutschen)  Schriften  des  Theatiners  Ferd.  Sterzinger 
(1766),  die  von  dem  Augustiner  Agnellus  März  und  dem  Benedic* 
tiner  Angelus  März  angegriffen  wurden^). 


1)  Rivista  Eur.  1880,   26,  229.     Card.  Quirinus,   Comment.   1,   238. 
273.  Valery  3,  208. 

2)  Harter  2,  1399;   3.  362.  L.  Rapp,    Die  Hexenprocesse   und   ihre 
Gegner  in  Tirol,  1874,  S.  78.  90.  110.  175. 


Q.  Seotanus  (Sergardi).  797 

2.  Im  J.  1700  wurde  verb.  Quinti  Sectani  Satyrae  in  Phi- 
lodemiim  cum  uotis  variorum,  Col.  1681  idiomate  vulgari  et  latino 
editae,  and  Satire  di  Salvator  Rosa  dedicate  a  Settano,  Amst.  s.a. 
(auch  1719  u.  s.).  Der  Satiren  des  berühmten  Malers  sind  sechs; 
die  letzte  ist  gegen  diejenigen  gerichtet,  welche  behaupteten,  die 
Satiren  seien  nicht  von  ihm,  sondern  von  einem  Dominicaner^). 
Quintus  Sectanus  ist  der  angenommene  Namen  des  Msgr.  Lodovico 
Sergardi  (f  1726),  der  nach  dem  Tode  Innocenz'  XI.  1689  auf  Ver- 
anlassung des  Card.  Petrucci  beauftragt  wurde,  die  Rede  an  die 
Cardinäle  über  die  Papstwahl  zu  halten,  bei  Alexander  YIII.  (1689 
— 91)  sehr  beliebt  und  Secretär  des  Cardinais  Nepoten  Ottoboni 
war,  auch  die  literarische  Correspondenz  des  Papstes  besorgte  und 
nach  dessen  Tode  auf  Card.  Ottoboni^s  Veranlassung  die  Leichen- 
rede hielt.  Philodemus  ist  der  Jurist  Gianvincenzo  Gravina,  seit 
1698  Professor  an  der  Sapienza,  einer  der  Gründer  der  Accademia 
degli  Arcadi.  Gegen  ihn  sind  die  16  Satiren  vorzugsweise  ge- 
richtet, im  übrigen  gegen  Laster  und  Lächerlichkeiten  der  Römischen 
Gesellschaft.  14  derselben  waren  schon  1696  apud  Triphonem  bib- 
liopolam  (in  Rom)  gedruckt,  alle  16  (die  16.  ist  gegen  Trifo  ge- 
richtet, der  die  Satiren  ohne  sein  Vor  wissen  und  sehr  fehlerhaft 
gedruckt  habe)  erschienen  cum  notis  variorum  Coloniae  (Lucca)  1698 
(nicht  1681).  £s  erschien  noch  eine  Ausgabe  mit  einem  Commen- 
tar:  Q.  Sectani  satyrae  in  Phil,  numero  auctae,  mendis  purgatae  . . . 
ed.  novissima  curante  P.  Antoniano,  Amst.  1700,  2  vol.,  in  Wirk- 
lichkeit zu  Rom  gedruckt,  von  Paolo  Maffei  unter  den  Auspicien 
des  Card.  Ottoboni  besorgt,  aber  unvollendet  (nur  8  Satiren  ent- 
haltend), nach  Fabroni,  weil  sich  Sergardi  mit  dem  Cardinal  über- 
warf und  das  Buch  verboten  wurde.  Die  Uebersetzung :  Satire  di 
Settano  tradotte  in  terza  rima  dallo  stesso  autore,  Zurigo  (Florenz) 
1700,  ist  nach  Melzi  3,  61  nicht  von  Sergardi,  sondern  von  dem 
Pfarrer  Girolamo  Pallini  aus  Siena.  1707  erschien  zu  Palermo  eine 
zweite  Uebersetzung  2). 

1737  wählte  der  mehrfach  erwähnte  Jesuit  Giulio  Cesare  Cor- 
dara  dei  Conti  di  Calamandrana  (1704 — 85)  den  Namen  Sectanus 
für  4    in  Hexametern   geschriebene  Satiren    gegen    Giov.  Lami  und 


1)  Maffei  3,  106.  Ciampi,  Innocenzo  X.  p.  272.  292. 

2)  Fabroni,  Vitae  It.  2,  370.  Melzi  3,44.  61.  Valery  I,  LIÜ.  Im  Auf- 
trage Alexanders  VIII.  correspondirte  Sergardi  u.  a.  mit  Mabillon.  Bei 
Yal.  2,  210  fragt  er  diesen,  wie  man  in  Rom  französische,  holländische 
und  englische  Bücher  bekommen  könne.  Er  war  ein  Gegner  der  Jesuiten 
und  Bewunderer  der  Lettres  provinciales.  Ein  Heiliger  war  er  ebenso 
wenig  wie  sein  Gegner  Gravina;  Fabr.  2,  370  beschreibt  eine  Prügelei 
zwischen  beiden  bei  einem  Diner.  —  Die  Uebersetzung  erschien  nochmals 
mit  einer  kurzen  Biographie  Amst.  (?)  1788  (Novelle  lett.  1788,  177),  das 
Original  Lucca  1783  in  3  vol.;  in  4  vol.  4.  die  anderen  Schriften  von 
Sergardi  mit  einem  Commentar  von  Leonardo  Giannelli,  Chierico  reg. 
della  Madre  di  Div.  —  Seit  Ben.  steht  im  Index:  Sectanus  Q.  Satyrae,  — 
eaedem  cum  notis  variorum,  —  eaedem  italice.  Ben.  hat  also  alle  Ausgaben 
verbieten  wollen. 


798  Italienische  Streitschriften. 

andere  Florentiner  Gelehrte:  Lucii  Sectani  Q.  filii  de  tota  graeeu- 
lorum  hujus  aetatis  literatura  ad  Gajum  Salomorinm  sermones  qua- 
tuor.  Accessere  quaedam  Philocardii  enarrationes.  Genevae  (Lucca) 
1737.  PhilocardiaR  und  Salomorius  ist  wahrscheinlich  der  Jesuit 
Girolamo  Langomarsini.  Lami  hielt  die  Jesuiten  Pompeo  Ventura 
und  Langoroarsini  für  die  Verfasser  und  antwortete  in  italienischen 
Versen:  I  pifferi  di  montagna  che  andarono  per  sonare  e  furono 
sonati.  Baggionamento  I.  di  Gesellio  Filomastige,  Leida  (Florenz?) 

1737.  Von  Cordara  erschien  dann  L.  Sectani  Q.  F.  ad  Gajum 
Salomorium  sermo   V.    cum  M.   Philocardii   enarrationibus,    Corythi 

1738,  und  von  Lami,  jetzt  auch  in  Hexametern,  M.  Thymoleontis 
adversus  improhos  bonarumque  artium  osores  Menippea.  Accesse- 
ruut  Sex.  Philomedis  enarrationes,  Londra  (Florenz)  1738  (Phi- 
lomedes  ist  der  Florentiner  Pfarrer  Bini).  Schärfer  noch  als  in  der 
ersten  Antwort  greift  Lami  in  dieser  die  Jesuiten  überhaupt  an. 
In  einer  Appendix  steht  ein  chronologisches  Register  von  Sünden 
der  Jesuiten  von  1540 — 1738,  darin  z.  B.:  1630  Galilei  a  Jesuitis 
persecutionem  passus;  1731  die  Geschichte  des  P.  Girard  und  der 
Cadiere;  1737  Jesuitae  sub  Sectani  nomine  satyras  edunt  et  vires 
doctos  ac  probos  Florentinos  ex  mera  invidia  maledictis  pro- 
sequumtur.  Am  13.  Apr.  1739  wurden  die  erste  Schrift  von  Cor- 
dara und  beide  von  Lami  verboten.  Es  erschienen  noch  einige 
Schriften,  von  denen  aber  die  Index-Congregation  keine  Notiz  nahm. 
Auf  Verlangen  Clemens'  XII I.  untersagte  schliesslich  der  General 
Hetz  den  Jesuiten  die  Fortsetzung  der  Polemik.  Lami  gab  später 
sämmtliche  Schriften,  auch  die  verbotenen  heraus:  Raccolta  di  com* 
posizioni  diverse  sopra  alcune  controversie  letterarie  insorte  nella 
Toscana  nel  corrente  secolo,  s.  1.  (Lucca)  1761,*  2  vol.  4.  Die  Ser- 
mones  von  Cordara  wurden  von  dem  Jesuiten  Guido  Ferrari  mit 
VVeglassung  der  Fnarrationes  Philocardii,  die  er  als  die  Ursache  des 
Verbotes  ansah,  Hague  1 752  neu  herausgegeben  und  stehen  auch  in 
den  Opere  del  Cordara,  Ven.  1804^). 

Ein  ausführlicher  Bericht  Lami^s  über  den  Streit  ist  abge- 
druckt in  dem  Elogio  del  D.  Giov.  Lami  .  .  .  dall'  Ab.  Franc.  Fon- 
tani,  Firenze  1789,  p.  111.  In  diesem  Buche  wird  auch  über  die 
Angriffe  berichtet,  die  Lami  von  anderen  Seiten  erfuhr.  Unter 
anderm  wurde  er  wegen  der  Bestreitung  von  Legenden,  z.  B.  dass 
die  Apostel  von  Toscana,  Romulus,  Paulinus  und  Frontinus,  von  dem 
h.  Petrus  gesandt  worden  seien,  als  Ketzer  und  von  Leone  Pascoli 
als  l'empio  autore  del  libro  De  eruditione  apostolorum  bezeichnet 
In  einem  S.  107  abgedruckten  Billet  vom  J.  1721  bittet  ihn  der 
Inquisitor  von  Florenz,  die  Veröffentlichung  des  9.  Bandes  seiner 
Deliciae  ernditorum  zu  suspendiren,  da  die  darin  ausgesprochenen 
Zweifel  an  der  allgemeinen  Ansicht,  dass  das  Gesicht  der  Madonna 
in  Santa  Nunziata  von  einem  Engel  gemalt  sei,  Anstoss  erregen 
werde,  zumal  die  Riten -Congregation    für    die   Serviten  ein  Officum 


1)  Melzi  3,  45.  U.  N.  1739  B,  147 ;  1740  B,  93.  Döllinger,  Beitr.  3.  VIII. 


Lucius  Sectanus  (Cordara).    6.  Lami.    6.  Gigli.  799 

des  fiel.  Alexius  Faloonieri  approbirt  Labe,  in  dem  es  heisse:  Orante 
cum  aliis  sociis  B.  Alexio  vnltum  coelitus  perfectum  fuisse  tradnnt. 
Da  der  Band  doch  ausgegeben  wurde,  fielen  die  Servilen  über  Lami 
her.  —  Lami  blieb  freilich  seinen  Gegnern  nichts  schuldig  (Hurter 
3,  114),  und  in  seinen  Schriften  und  in  dem  Elogio  kommen  so 
starke  Stellen  über  die  L^nwissenheit  der  italienischen  Geistlichen, 
die  Legenden  des  Breviers  u.  a.  vor,  —  auch  die  Bemerkung,  dass 
manche  Bticlierverbote  Born  bei  den  Ketzern  lächerlich  machten,  — 
dass  man  der  Index-Congr.  eine  Anerkennung  dafür  nicht  versagen 
kann,  dass  sie  dieses  hingehen  Hess. 

3.  Girolamo  Gigli,  geb.  ICGO  zu  Siena,  seit  1698  Professor 
der  italienischen  Sprache  daselbst,  war  Verfasser  mehrerer  Theater- 
stücke. Eins  derselben,  II  Bon  Pilone,  ovvero  il  bacchettone  falso, 
Commedia  tratta  nuovamente  dal  francese,  Lucca  1711,  eine  Nach- 
ahmung des  TartuflPe,  wurde  1718,  nachdem  er  vorher  durch  eine 
andere  Schrift  in  Ungclegenheiten  gekommen  war,  verb.  1707  ver- 
öffentlichte er  den  Prospectus  zu  einer  Sammlung  der  Scrittori 
Sanesi,  die  32  Quartbünde  füllen  sollte  (Clar.  Yen.  ad  Magliab. 
Epp.  266).  Es  erschien  davon  aber  nur  eine  Gesammtausgabe  der 
Werke  der  h.  Caterina  von  Siena,  1707 — 13,  4  vol.  mit  Anmer- 
kungen des  Jesuiten  Fed.  Bnrlamacchi  (Clement  6,  424).  1708 
wurde  Gigli  als  Erzieher  eines  Fürsten  Buspoli,  der  später  Cardinal 
wurde,  nach  Rom  berufen ;  er  wurde  von  Clemens  XI.  und  vielen 
Cardinälen  gern  gesehen.  Hier  begann  er  die  Ausarbeitung  und  den 
Druck  eines  Vocabolario  Cateriniano;  die  einzelnen  Bogen  wurden, 
so  wie  sie  gedruckt  waren,  an  die  Subscribenten  vertheilt.  Die  Ar- 
beit wird  wissenschaftlichen  Werth  haben,  enthält  aber  vieles,  was 
niclit  in  ein  Vocabolario  gehört;  namentlich  liess  Gigli  seiner  Nei- 
gung zu  spöttischen  und  satirischen  Bemerkungen  freien  Lauf,  vor 
allem  gegen  die  Florentiner  im  allgemeinen,  gegen  die  Accademia 
della  Crusca  (sie  hatte  eigenthümliche  Ausdrücke  der  h.  Caterina 
und  des  Dialektes  von  Siena  nicht  als  classisch  anerkennen  wollen) 
und  gegen  einzelne  Personen  in  Florenz,  u.  a.  einen  P.  Zanobi 
Campana.  Nachdem  der  Artikel  Pronunzia  p.  141— 232  erschienen 
war,  liess  der  Grossherzog  Cosimo  die  gedruckten  Bogen  durch  den 
Henker  verbrennen,  Gigli  aus  der  Crusca  ausstossen  und  ihm  die 
Rückkehr  nach  Toscana  verbieten  und  führte  nun  auch  bei  dem 
Papste  Klage,  dass  man  ein  solches  Buch  in  Rom  passiren  lasse. 
In  Folge  davon  erschien  dann  ein  Edict  des  Mag.  S.  Pal.  Selleri 
vom  21.  Aug.  1717  (A.  J.  P.  2,  2645)  des  Inhalts:  Es  werden 
viele  Blätter  verbreitet,  die  von  der  h.  Caterina  von  Siena  handeln, 
beginnend:  Girolamo  Gigli  a  chi  legge,  die  ohne  Approbation  des 
Mag.  S.  Pal.,  man  weiss  nicht,  wo,  gedruckt  sind,  mit  Uebertretung 
der  Decrefe  vom  13.  Sept.  1625  und  20.  Nov.  1659,  und  welche 
Spöttereien  enthalten,  die  der  Reputation  anderer  Eintrag  thuen, 
was  der  Instruction  Clemens'  VIII.  zuwiderläuft.  Darum  verbiete 
ich  kraft  meines  Amtes  und  in  speciellem  Auftrage  Clemens'  XL 
diese  bis  p.  312  gehenden  Blätter  u.  s.  w.  —  Muratori  schreibt 
über  das  Buch:    Die  Unannehmlichkeiten,    die   sich  der  arme   Gigli 


800  Italienische  Streitschriften. 

zugezogen,  werden  den  Werth  seines  Buches  nicht  vermindern,  sondern 
vermehren,  da  man  nun  noch  mehr  neugierig  darauf  sein  wird.  Ich 
habe  es  mit  vielem  Vergnügen  gelesen  .  .  Wenn  es  einmal  voll- 
ständig erscheint,  wie  ich  hoffe,  wird  es  die  Verfolgung  in  Florenz 
so  berühmt  gemacht  haben,  dass  es  grossen  Absatz  finden  wird. 
Gigli  bat  übrigens  später  den  Grossherzog  und  die  Florentiner  in 
einer  ausführlichen  Ketractatiou  um  Verzeihung.  —  Gigli  war  bis 
zu  dem  Worte  Ragguardare  gekommen.  Nach  seinem  Tode  (1721) 
besorgte  Giac.  Angelo  Nelli,  wahrscheinlich  zu  Lucca,  einen  Neu- 
druck mit  einer  Fortsetzung  von  anderer  Hand  und  einigen  Zu- 
thaten:  Vocabolario  Cateriniano  di  Girolamo  Gigli,  da  lui  lasciato 
imperfetto  alla  lettera  R,  e  che  in  questa  seconda  impressione  si 
d^  compito,  ove  si  spiegano  e  si  difendono  alcune  voci  e  frasi  di 
S.  Caterina  da  Siena,  usate  da  essa  nelle  sue  opere  secondo  il  dia- 
letto  Sanese  o  sue  proprio,  con  Taggiunta  .  .  .  delle  lettere  di  quasi 
tutte  le  accademie  d  Italia  in  approvazione  della  locuzione  della 
Santa.  A  Manilla  nell'  Isole  Filippine,  con  licenza  de'  superiori, 
s.  a.*,  XLIV  u.  483  S.  4.i). 

1721  wurden  verb.  Satire  di  Beuedctto  Menzini,  Cittadino 
Fiorentino,  Amst.  1718.  Menzini  (1646—1708)  lebte  seit  1685  in 
Rom  als  Professor  an  der  Sapienza  und  Arcade,  wurde  von  der 
Königin  Christine  und  mehreren  Cardinälen  protegirt,  von  Inno- 
cenz  XII.  zum  Canonicus  ernannt  (Fabroni  7,  264)  und  war  nach 
Tiraboschi  8,  471  einer  der  ersten  Satiriker.  Von  seinen  12  Satiren 
(u.  a.  gegen  Gio.  Andrea  Moniglia,  Leibarzt  Cosimo^s  III.,  und  gegen 
die  Jesuiten)  gab  er  Freunden  Abschriften,  wollte  sie  aber  nicht 
drucken  lassen.  Nach  seinem  Tode  wurden  sie  wiederholt  gedruckt; 
die  im  Index  stehende  Ausgabe  ist  (mit  Anmerkuugen  von  A.  M. 
Salvini)  zu  Neapel  gedruckt.  In  den  älteren  Indices  steht  auch 
Storia  di  Ben.  Menzini,  von  Ben.  gestrichen;  Storia  wird  aus  Satire 
entstanden  sein;  eine  Storia  wird  von  Menzini  nirgend  erwähnt. 

Madame  de  Graffigny  gab  1747  Lettres  d'une  Peruvienne  her- 
aus, von  denen  sie  sagte,  sie  seien  aus  dem  Peruanischen  übersetzt, 
im  Originale  aber  grösstentheils  nicht  geschrieben,  sondern  mit  Qai- 
pos  hergestellt,  d.  h.  mit  WoUtäden  von  verschiedenen  Farben  und 
Formen  (mit  verschiedenen  Knoten  u.  dgl.).  Raimondo  di  Sangro, 
Principe  di  San  Severo  Hess  nun  einen  Brief  dmcken,  der  einer 
ungenannten  Herzogin  die  Zweifel  an  der  Möglichkeit  einer  solchen 
peruanischen  Schrift  benehmen  sollte:  Lettera  apologetica  dell' 
Esercitato  Accademico  della  Crusca,  continente  la  difesa  del  libro 
intitolato  Lettere  d^una  Peruana,    per  rispetto  alla  supposizione  de* 


1)  Jo.  Lami,  Memorabilia  Italorum,  Flor.  1742.  p.  149  (Hicron. 
Lilius).  Lettere  inedite  di  L.  A.  Muratori,  1854,  p.  290.  342.  S88.  469. 
Götze,  Merkwürd.  2,  82.  Götze  hat  Gigli  persönlich  gekannt  (er  erwähnt 
u.  a.,  dass  er  ein  Jesuitenfeind  gewesen)  und  beschreibt  ein  pjxeniplar  des 
Vocabolario  von  320  Seiten  (es  waren  also  mehr  als  312  gedruckt),  dem 
die  Retractation  bei  gebunden  ist.  Diese  steht  auch  in  der  Ausgabe  von 
Nelli  p.  204. 


Die  Freimaurer.  SOl 

Quipn,  scritta  alla  Duchessa  di '*"*"*'  e  dalla  medesima  fatta  pubblicare, 
Neapel  1750,  320  S.  4.  Auf  sein  Thema  kommt  der  Autor  erst 
p.  183,  vorher  und  auch  nachher  in  Noten  und  Digressionen  schwätzt 
er  über  allerlei,  auch  über  philosophische  und  theologische  Dinge, 
auch  über  das  Kainszeichen,  über  das  Wunder  des  h.  Januarius, 
das  er  gegen  d'Argens  vertheidigt,  u.  s.  w.  Das  Buch  wurde 
1752  verb.  Er  erschienen  auch  zwei  anonyme  Gegenschriften; 
Lettera  nella  quäle  si  censura  la  Lettera  dell'  Esercitato  .  .  . ,  Flo- 
renz (Neapel)  1751,  von  dem  Jesuiten  Sertori  de  Mattel,  und 
Parere  intorno  alla  vera  idea  contenuta  nella  Lettera  apolog.  .  . , 
Neapel  (Rom)  1752,  von  dem  Abate  Innoc.  Molinari.  Letztere 
liess  der  König  von  Neapel  als  ein  Pasquill  gegen  den  Ver- 
fasser der  ersten  Lettera  verbrennen;  es  hiess  auch,  er  werde 
den  Papst  auffordern,  alle  Exemplare  in  Rom  confisciren  zu  lassen^). 
Ob  dieses  geschehen,  weiss  ich  nicht;  jedenfalls  steht  das  Parere 
nicht  im  Index.  15  Jahre  später,  1765,  wurden  aber  die  Lettres 
d'une  Peruvienne  verb. 


75.     Die  Freimanrer. 

Clemens  XII.  und  Benedict  XIV.  verdammten  durch  Bullen 
vom  28.  April  1738  bezw.  28.  März  1751  die  Gesellschaften  der 
Liberi  Muratori  oder  Francs-MaQons,  verhängten  über  die  Mit- 
glieder derselben  die  reservirte  Excommunicatio  latae  sententiae 
und  geboten  den  Bischöfen  und  Inquisitoren,  gegen  sie  als  der 
Ketzerei  verdächtig  einzuschreiten.  Eine  ähnliche  Bulle  erliess 
Pius  VII.  13.  Sept.  1821  gegen  die  Carbonari  (Bull.  15,  446). 
In  einer  Bulle  Leo's  XII.  vom  13.  März  1825  werden  diese 
drei  Bullen  inserirt  und  bestätigt  (Acta  S.  S.  1,  301).  In  der 
Bulle  Pius'  VIL  wird  auch  das  Behalten  und  Lesen  „aller  Cate- 
chismen  der  Carbonari,  der  Bücher,  in  welchen  beschrieben  wird, 
was  bei  ihren  Zusammenkünften  geschieht,  ihrer  Statuten  und 
aller  zu  ihrer  Vertheidigung  geschriebenen  Schriften,  gedruckter 
und  handschriftlicher,"  bei  Strafe  der  reservirten  Excomm.  1.  sent. 
verboten.  Merkwürdiger  Weise  ist  dieses  Verbot  nicht  in  den 
Index  aufgenommen.  Auch  von  den  Freimaurer-Schriften  stehen 
in  diesem  aus  dem  18.  Jahrhundert  nur  eine  (und  ein  bei  Caglio- 


1)  Zaccaria,    Storia    lett.    1752,  III,  525.  Novelle    lett.    1751,    776; 
1753,  103. 

Reneoh,  Index  ü.  51 


802  Die  Freimaurer. 

stro  confiscirtes  Manuscript !),  ans  dem  19.  nur  wenige ;  die  von 
Reghellini  de  Schio  werden  in  den  gewöhnliehen  Lieenzen  zum 
Lesen  verbotener  Bücher  ausgenommen. 

Nach  Leo  XII.  haben  sich  noch  gegen  die  Freimaurer  und  die 
geheimen  Gesellschaften  ausgesprochen  Pius  VIII.  in  der  Encyclica 
vom  24.  Mai  1829,  Pius  IX.  in  der  Encyclica  vom  9.  Nov.  1846 
und  in  der  Allocution  vom  25.  Sept.  1865  (Acta  S.  S.  1,  318.291. 
193)  und  Leo  XIII.  in  der  Encyclica  de  secta  Massonum  vom  20. 
-Apr.  1884  (mit  der  dazu  gehörenden  Instructio  der  Inquisition  ab- 
gedr.  Katholik  1884,  1,534.653).  Die  Inquisition  hat  Fer.  IV.  12. 
Jan.  1870  (Acta  S.  S.  1,  290;  5,369)  erklärt,  dass  auch  die  irischen 
und  americanischen  Fenier  unter  das  Verbot  fallen. 

Nach  der  Veröffentlichung  der  Bulle  Clemens'  XII.  verbot  die 
Inq.  1739    Relation    apologetique  et  historique  de    la  sociit^  des 
Francs-Mayons    par  J.  Gr.  D.  F.  M.  D.,    Dublin    1738.      Das  Buch 
wurde  (mit  einer  Schrift  über  die  Wunder  des  Diakonus  Paris)  vor 
der  Minerva  feierlich   verbrannt  (Fleur.  76,  489).      Im  span.  Index 
stehen  ausser  der  Relation    auch  Bist,  des  obligations  et  Statuts  de 
la  tr^s-vÄn.  confraternit^  des  Francs-Ma^ons,  Frcf.  1742,  und  L' ordre 
des  Fr.-M.  trahi  et    le  secret  des  Mopses  r6vel6,    Amst.   1745.     In 
demselben   Jahre  1739  wurde    zu  Florenz  Tommaso    Crudeli    von 
der  Inquisition  verhaftet  und  angeklagt,  dass  er  Freimaurer  sei,  über 
die  Madonna  dell'    Imprnneta    und   San  Creaci    (S.  430)    gewitzelt 
verbotene  Bücher  (Marchetti,  Sarpi,  Leti's  Vita  di  Sisto  V.)  gelesen  habe 
und  dgl.  1740  wurde  er  zu  Hausarrest  verurtheilt  und  ihm  aufgegeben, 
ein  Jahr  lang  alle  Monate  die  7  Bnsspsalmen  zu  beten.     Cantü  be- 
zeichnet Crudeli  (1703  —  45)  als  discreto  poeta  lepido,    erzählt  aber 
von  ihm,  er  habe  in  einem  Gedichte  von  dem  Senator  Fil.  Buonarroti 
gerühmt,  dass  er  frenar  solea  il  tempestoso  procellar  del  olero,  und 
sich    dadurch  Anfeindungen    von  Seiten    der  Geistlichen   zugezogen. 
Die  nach    seinem  Tode   gedruckte  Raccolta  di  poesie  del  Dottor  T. 
Crudeli,  Napoli  (Florenz)  1746,  wurde  sofort  verb.^). 

Cagliostro  wurde  28.  Dec.  1789  verhaftet  und  auf  die  Engels- 
burg gebracht.  Am  7.  April  1791  erklärte  die  Inquisition  unter 
dem  Vorsitze  des  Papstes,  er  sei  allen  von  den  h.  Canones  und  den 
bürgerlichen  und  municipalen  Gesetzen  den  formellen  Haeretikem, 
Haeresiarohen,  Astrologen,  Magikern  und  Freimaurern  angedrohten 
Strafen  verfallen  und  also  dem  weltlichen  Arme  zu  übergeben;  der 
Papst  habe  aber  aus  besonderer  Gnade  diese  Strafe  in  lebensläng- 
liche strenge  Haft  ohne  Hoffnung  auf  Begnadigung  umgewandelt, 
unter  der  Voraussetzung,    dass  er  abschwöre  (er  starb   1795  in  der 


1)  Cantü  8,  483.  453.  Dieser  citirt  für  den  Process  Fatti  attinenti  alls 
Inquisizione  e  sua  storia  generale  c  particolare  in  Toscana,  Florenz  1782. 
Le  Bret,  Mag.  8,  572.  579.  Tipaldo  6,  40.  Ferd.  Sbigoli,  Tomm.  Crudeli 
e  i  primi  framassoni  in  Firenze,  Mil.  1884;  vgl.  F.  T.  Perrens,  ün  poete 
francmagon  devant  Ic  S.  Office  au  18.  siecle,  in  Rev.  des  d.  m.  1885, 
67,  142. 


T.  Crudeli.    Cagliostro.    Keghellini  u.  a.  80S 

Festung  S.  Leo).  Die  bei  ihm  gefundenen  Bücher  und  Instrumente 
wurden  vor  der  Minerva  verbrannt,  darunter  ein  Manuscript,  worin 
die  Inquisition  die  christliche  Religion  untergrabende,  abergläubische, 
gottlose  ...  und  ketzerische  Sätze  gelimden.  Das  ist  Ma^'onnerie 
egyptienne  rass.,  welches  als  7.  April  1791  verb.  im  Index  steht  ^). 
In  Spanien  wurden  1789  strenge  verb.  Memoires  authentiques  pour 
servir  a  Thist.  du  Comte  de  Cagliostro,  par  Mr.  Beam***,  Hamb. 
1786. 

Von  Reghellini  de  Schio  (er  stammte  aus  einer  Venetiani- 
schen  Familie,  war  zu  Schio  geboren,  lebte  aber  zu  Brüssel  und 
Paris,  t  1853)  verbot  die  Index-Congr.  1836:  La  ma^onnerie  con- 
sideree  comme  le  resultat  des  religions  egyptienne,  juive  et  chr^t., 
Paris  1833,  3  vol.,  und  Examen  du  mosaisme  et  du  christianisme, 
Paris  1834.  3  vol."),  dann  1839  die  Inq.  eine  ältere  und  kleinere 
Schrift:  Esprit  du  dogme  de  la  franche  ma^onncrie;  recherches  sur 
son  origine  et  celle  de  ses  differents  rites,  compris  celui  du  carbo- 
narisme,  Brux.  1826.  —  Ausserdem  stehen  noch  im  Index:  Examen 
critico  de  las  causas  de  la  persecucion  que  han  experimentado  los 
francmac^ones,  y  explicacion  de  las  bulas  de  los  Sumos  Pontifices 
demente  XII.  y  Benedicto  XIV.,  verb.  1820;  —  La  sociedad  de 
los  Francos  Ma^ones  sostenida  contra  las  falsas  preocupaciones  por 
F.  .  .  .  R.,  verb.  1822^);  —  Historia  da  Franc-Magonaria  ou  dos 
pedreiros  livres  pelo  author  da  Bibliotheca  magonica,  von  der  Inq. 
verb.  1846;  —  Zeffirino  Falcioni.  Coup  d'oeil  sur  le  christianisme, 
par  un  Franc-magon,  disciple  de  la  philosophie  positive,  ancien  se- 
cr6taire  de  la  chapelle  pontificale,  Paris   1879,  verb.  1880. 


1)  Compendio  della  vita  e  dellc  gesta  di  G.  Balsame  denominato  il 
Conte  Cagliostro,  che  si  e  estratto  dal  processo  contro  di  lui  formato  in 
Roma  Pa.  1790,  e  che  puo  servire  di  scorta  per  conoscere  l'indole  della 
setta  de'  Liberi  Muratori,  Rom  1791.  Cantü  3,  399.  N.  Antol.  1881,  26, 
622.  Allg.  Ztg.  1833,  131  B.  Herzan  (bei  Brunner,  Theo!.  Dienerschaft 
S.  183)  meldet  im  April  1789:  Cagl.  habe  um  sicheres  Geleit  angesucht; 
es  sei  ihm  geantwortet  worden,  da  er  im  Kirchenstaate  kein  Verbrechen 
begangen,  habe  er  dessen  nicht  nöthig;  im  Mai:  er  sei  angekommen,  mit 
einer  Empfehlung  des  Fürstbischofs  von  Trient  an  Card.  Albani;  30.  Dec. 
1789:  er  sei  verhaftet  worden,  gleichzeitig  der  Capuciner  Florentin  de 
St.  Maurice;  2.  Sept.  1795:  Cagl.  sei  im  Kerker  unter  Gotteslästerungen 
gestorben.  —  Der  Capuciner  wurde  für  schuldig  erklärt,  zu  Rom  Frei- 
maurer geworden  zu  sein,  die  abergläubische,  gottlose  und  ketzerische 
ägyptische  Secte  durch  Wort  und  Schrift  begünstigt  und  Zauberei  und 
Astrologie  getrieben  zu  hal)en,  mit  Rücksicht  auf  einige  Umstände  und 
sein  freiwilliges  Bekeiintniss  aber  nur  zu  zehnjähriger  Haft  in  einem  Kloster 
verurtheilt. 

2)  Carove,  Neorama  2,  215. 

3)  Viele  andere  span.  Schriften  verzeichnet  Pelayo  3,  640.  782. 


d04  Jesuiiica  1740-60. 


76.     Jesnitica  1740—60. 

Von  den  an  den  sonderthtimlichsten  Ansichten  reichen  Werken 
des  gelehrten  Jesuiten  Jean  Hardouin  (1646— 1729)  wurden  1739 
Opera  selecta  und  Opera  varia,  1742  der  Commentar  zum  N.  T. 
verboten.  Die  Opera  selecta  waren  schon  1709  erschienen  und 
sogleich  von  den  Oberen  der  französischen  Jesuiten  desavouirt, 
auch  der  Verfasser  zu  einer  Retractation  genöthigt  worden.  Auch 
die  nach  Hardouins  Tode  1733  erschienenen  Opera  varia  wurden 
sofort  von  den  Jesuiten  desavouirt.  Im  spanischen  Index  stehen 
diese  Werke  nicht.  Wenn  mau  es  schon  auffallend  finden  konnte, 
dass  die  Oberen  des  Jesuitenordens  das  Erscheinen  der  Werke 
Hardouins,  die  sie  nachträglich  desavouirten,  nicht  verhindert 
hatten,  so  erscheint  noch  auffallender  ihr  Verhalten  gegenüber 
einem  Schüler  Hardouins,  Joseph  Isaac  Berruyer  (1681 — 1758). 
Er  veröffentlichte  eine  Geschichte  des  Volkes  Gottes  in  drei 
Theilen,  von  denen  jeder  folgende  anstössiger  ist  als  der  vor- 
hergehende. Der  erste  erschien  1728  mit  Approbation  der  fran- 
zösischen Oberen,  musste  aber  auf  Befehl  des  Generals  umge- 
arbeitet werden.  Von  dem  zweiten,  der  1753  erschien,  erklärten 
die  Oberen,  er  sei  ohne  ihr  Vorwissen  veröffentlicht  worden, 
und  Berruyer  selbst  erklärte  seine  Unterwerfung  unter  die  ver- 
dammenden Urtheile  des  Erzbischofs  von  Paris  1754  und  des 
Parlaments  1756,  Hess  aber  sofort  1757  den  3.  Theil  erscheinen. 
Die  beiden  ersten  Theile  wurden  von  der  Index-Congregation 
1734  und  1755,  eine  italienische  Uebersetzung  des  zweiten  1758 
durch  ein  Breve  Benedicts  XIV.  und  der  3.  durch  ein  Breve 
Clemens'  XIII.  verboten.  Unter  Clemens  XUI.,  dem  Gönner 
der  Jesuiten,  wurden  dann  noch  mehrere  Vertheidignngen  Ber- 
ruyers  verboten.  In  Spanien  wurden  erst  1759  alle  drei  Theile 
verboten.  —  Unter  Benedict  XIV.  und  in  den  ersten  Jahren  Cle- 
mens' XIII.  wurden  auch  einige  der  Schriften  gegen  die  Jesuiten 
verboten,  die  um  diese  Zeit  in  grosser  Zahl  erschienen. 

1.  Von  Hardouin  soll  Daniel  Hnet  gesagt  haben:  er  habe 
40  Jahre  daran  gearbeitet,  seine  Keputation  als  Gelehrter  zu  rui- 
niren,  ohne  dass  ihm  dieses  ganz  gelungen  sei.  Von  ihm  selbst 
citirt  Cret.-Joly  4,210  die  Aeusserung:  er  stehe  nicht  jeden  Morgen 


J.  Hardouin.  605 

um  4  Uhr  auf,  pour  etre  de  l'avis  de  tout  le  monde.  Zu  den  Punk- 
ten, in  denen  er  anderer  Meinung  war  als  die  ganze  Welt,  gehörte 
namentlich  die  Ansicht:  der  Theologe  habe  nur  drei  zuverlässige 
Quellen,  die  Vulgata  (den  lateinischen  Text  des  N.  T.  hielt  er  für 
den  Originaltext),  die  Acten  des  Trienter  Concils  und  die  mündliche 
Ueberlieferung ;  der  griechische  Bibeltext,  die  Schriften  der  Kirchen- 
väter, die  Acten  der  älteren  Concilien  u.  s.  w.,  sowie  die  meisten 
Schriften  der  Classiker  seien  von  einer  Bande  von  Nebulones  im  13. 
und  14.  Jahrh.  fabricirt  worden.  H.  hatte  auch  eigenthümliche 
dogmatische  Ansichten,  z.  B.  der  Logos  habe  erst  mit  der  Mensch- 
werdung angefangen,  Sohn  Gottes  zu  sein.  Im  allgemeinen  aber 
hielt  er  an  der  streng  römisch-katholischen  Anschauung  fest,  und 
eben  die  üeberzeugung,  dass  diese  auch  der  Glaube  der  ersten 
Jahrhunderte  gewesen  sein  müsse,  und  die  Thatsache,  dass  sich  in 
der  altem  Literatur  vieles  findet,  was  zu  diesar  üeberzeugung  nicht 
passte,  brachte  ihn  auf  den  Gedanken  einer  grossartigen  Fälschung^). 
H.  begann  seine  Thätigkeit  als  theologischer  Schriftsteller  1687 
mit  De  baptismo  quaestio  triplex.  Die  Schrift  de  nummis  Herodia- 
dum,  1693,  wurde  gleich  nach  ihrem  Erscheinen  von  seinen  Oberen 
unterdrückt.  1696  erschien  Numismata  saeculi  Constantiniani  und 
1697  mit  Approbation  des  Provinciais  Chronologia  Veteris  Test., 
beide  zu  Paris.  Letztere  wurde  vom  Parlament  verboten,  aber  so- 
gleich, angeblich  auf  Veranlassung  eines  Freundes,  in  Strassburg 
und  1699  in  Lyon  neu  gedruckt  (Back er  s.  v.).  1709  erschienen 
bei  J.  L.  de  Lorme  in  Amsterdam  in  Folio:  Fr.  Harduini  e  S.  J. 
Presb.  Opera  selecta,  tum  quae  jampridem  Parisiis  edita  nunc  emen- 
datiora  et  auctiora  prodeunt,  tum  quae  nunc  primum  edita,  Amstelod. 
1709,  Fol.  Das  Werk  wurde  schon  1708  angekündigt  Das  Auf- 
sehen, welches  die  Ankündigung  erregte,  veranlasste  die  Jesuiten, 
H.  aufzugeben,  die  bedenklichsten  Sachen  wegzulassen  oder  zu  cor- 
rigiren.  Der  Drucker  wollte  sich  aber  auf  diese  nachträglichen 
Aenderungen  nicht  einlassen.  Darauf  erschien  eine  Protestation  du 
P.  Hardouin  contre  T^dition  de  ses  ouvrages  que  Ton  fait  k  Amster- 
dam (dem  Augustheft  der  Mem.  de  Trev.  von  1708  beigefugt), 
worin  er  sagt:  an  der  Ankündigung  des  Werkes  habe  er  keinen 
Theil;  er  habe  dem  Drucker  Aenderungen  gesandt,  die  derselbe  nicht 
berücksichtigen  wolle;  er  desavouire  also  in  voraus  die  Ausgabe, 
die  vieles  enthalte,  was  sie  nicht  enthalten  würde,  wenn  de  Lorme 
gegen  ihn  handelte,  wie  ein  Verleger  gegen  den  Autor  handeln  sollte. 
Ein  unbekannter  Protestant  schreibe  ihm  die  Meinung  zu,  die  Schriften 
der  Kirchenväter  seien  unterschoben;  er  habe  aber  über  diese  keine 
andere  Ansicht  als  die  der  Römischen  Kirche  und  der  gelehrtesten 
Kritiker  und  kath.  Theologen,  und  wolle  alle  Stellen  streichen,  die 


1)  Mem.  de  Trev.  1761,  3012.  Biblioth.  rais.  11,  237.  Ein  witziges 
Epithaphium  auf  H.  von  I.  Vernet  bei  Hurter  2,  1100.  Ein  Analogon  zu 
H.  aus  der  neuesten  Zeit  ist  der  Kömische  Professor  Aloysius  Vincenzi, 
der  Verfasser  des  Buches  De  Hebraeorum  et  Christianorum  sacra  mo- 
narchia  et  de  infallibili  in  utraque  magisterio.  Deutscher  Merkur  1882,  225. 


806  Jesuitica  1740—60. 

jenen  Protestanten  auf  jene  Meinung  hätten  bringen  können.  Dass 
jener  Protestant  mit  Unrecht  für  seine  Ansichten  seinen  Orden  ver- 
antwortlich mache,  habe  er  schon  im  11.  Bande  von  Le  Clercs  ßi- 
bliotheque  choisie  erklärt.  In  dieser  Zeitschrift  steht  14,  332  ein, 
also  von  H.  herrührender  Artikel :  Sentiments  d'an  Doctenr  de  Sor- 
bonne sur  un  libelle  intitule  Dissertations  bist,  sur  divers  snjets, 
Rotterd.  1707,  in  welchem  gesagt  wird:  Si  le  P.  Hardouin  a  quel- 
ques sentiments  particuliers,  il  faut  les  mettre  sur  son  eompte  et  ne 
les  pas  imputer  ä  sa  societe,  qui  n'y  entre  pas  plus  que  les  cen- 
seurs  ou  approbateurs  de  debors,  dont  il  faut  avoir  Tattache  pour 
avoir  la  permission  d'imprimer.  Als  Verfasser  der  Dissertations  be- 
zeichnet H.  dabei  La  Croze,  der  dann  1708  unter  seinem  Namen 
Vindiciae  veterum  scriptorum  contra  J.  Harduinum  herausgab.  — 
Bald  darauf  erschien  eine  Protestation  de  J.  L.  de  Lorme  des  In- 
halts: er  habe  die  Werke  genau  nach  dem  von  H.  gelieferten  Ma- 
nuscripte  gedruckt,  sich  aber  auf  die  von  den  Oberen  gewünschten 
Retranchements  nicht  eingelassen,  weil  dieses  dem  Buche  zum  Scha- 
den gereicht  haben  würde  (Bibl.  choisie  17,  373).  —  Noch  vor  dem 
Erscheinen  des  Bandes  veröffentlichten  der  Provincial  Michel  Le 
Tellier  und  die  drei  Superioren  des  Jesuiten collegs  zu  Paris  eine 
Erklärung  folgenden  Inhalts  (Mem.  de  Trev.  1709,  367.  Bibl.  choisie 
18,252):  In  dieser  Ausgabe  stehen  Werke,  von  denen  wir  gewünscht 
hätten,  dass  sie  nie  erschienen  wären.  Das  Buch  de  nummis  Hero- 
diadum  (1093),  welches  die  Grundlage  der  anderen  bildet,  wurde 
von  den  Superioren  unterdrückt.  Die  Chronologie  des  A.  T.  und  die 
Schrift  über  die  Münzen  des  Constantinischen  Jahrhunderts  sind  nicht 
verkauft  und  wären  nie  gedruckt  worden,  wenn  die  Revisoren  ge- 
merkt und  den  Superioren  mitgetheilt  hätten,  dass  darin  Stellen  vor- 
kommen, welche  den  Zweck  haben,  das  System  zu  begründen,  wegen 
dessen  jenes  Buch  verboten  wurde.  Andere  Bücher  derselben  Ten- 
denz sind  im  Auslande  gedruckt  worden,  ohne  von  dem  Orden  re- 
vidirt  worden  zu  sein ;  auch  einige  Bücher,  von  denen  de  Lorme  sagt, 
sie  würden  in  seiner  Ausgabe  zuerst  erscheinen,  sind  nicht  revidirt 
worden.  Wir  haben  ihn  vergebens  gebeten,  diese  Schriften  wegzu- 
lassen. Man  erhebt  mit  Recht  gegen  diese  Bücher  folgende  Ankla- 
gen: 1.  nach  H.'s  Grundsätzen  kann  man  schliessen,  fast  alle  alten 
kirchlichen  Denkmäler  und  viele  profane  seien  unterschoben;  2.  H. 
bezweifelt  thatsächlich  die  Echtheit  mehrerer;  3.  die  Echtheit  meh- 
rerer bestreitet  er  entschieden;  4.  er  scheint  den  griechischen  Bibel- 
text nicht  für  alt  zu  halten ;  5.  er  trägt  andere  Neuerungen  vor. 
Wir  erklären:  1.  wir  verwerfen  als  verderblich  das  Paradoxon  von 
der  Unterschiebung  des  griechischen  Bibeltextes,  der  patristischen 
Schriften  und  der  kirchlichen  Monumente,  die  allgemein  in  der  Kirche 
anerkannt  werden;  2.  wir  betrachten  als  eine  Chimäre  die  Bestrei- 
tung der  profanen  Schriften,  die  von  den  Kritikern  als  echt  ange- 
sehen werden,  3.  namentlich  derjenigen,  die  von  den  Kirchenvätern 
citirt  werden;  4.  wir  bezeichnen  als  falsch  alle  Thatsachen  und 
Grundsätze  in  den  Schriften  H.'s,  aus  denen  jene  Paradoxen  erschlos- 
sen werden  können;    5.  wir  desavouiren    alle  anderen    von   der  ge- 


J.  Hardouin.  807 

wohnlichen  Ansicht  der  kath.  Theologen  abweichenden  Ansichten 
H.'s.;  6.  wir  erklären  hiemit  nichts,  wozu  wir  nicht  von  dem  Pater 
General  autorisirt  worden  wären.  Das  System  des  P.  H.  ist  übrigens 
in  den  Mem.  de  Trev.  schon  bekämpft  worden,  ehe  ein  holländischer 
Protestant  (La  Croze  ist  gemeint)  es  als  ein  Dessein  concert^  entre 
les  Boperienrs  de  la  Compagnie  angegriffen  hat.  —  Unter  dieser 
Erklärung  steht  folgende  von  H.  selbst  vom  27.  Dec.  1708:  Ich 
unterschreibe  aufrichtig  die  vorstehende  Erklärung.  Ich  verdamme 
in  meinen  Werken,  was  sie  verdammt,  namentlich  was  ich  von  einer 
gottlosen  Partei  sage,  welche  vor  einigen  Jahrhunderten  die  meisten 
der  bisher  als  alt  angesehenen  kirchlichen  oder  profanen  Werke 
fabricirt  habe.  Ich  verspreche,  nie  etwas  zu  sagen  oder  zu  schreiben, 
was  dieser  Ketractation  widerspräche. 

Nach  den  im  Orden  geltenden  Verordnungen  durfte  kein  Jesuit 
irgend  etwas  ohne  Erlaubniss  der  Oberen  veröffentlichen^).  Wenn 
also  wirklich  H.  Schriften  ohne  eine  solche  Erlaubniss  veröffentlicht 
und  einem  Amsterdamer  Buchhändler  ohne  Erlaubniss  das  Manuscript 
zu  den  Opera  selecta  übersandt  hatte,  so  darf  man  sich  billiger 
Weise  wundem,  dass  er  nicht  aus  dem  Orden  entlassen  und  dass 
nicht  wenigstens  seine  Schriftstellerei  unter  die  strengste  Aufsicht 
gestellt  und  dafür  gesorgt  wurde,  dass  seine  Manuscripte  nicht  in 
Hände  solcher  geriethen,  die  sie  nach  seinem  Tode  (1729)  veröffent- 
lichten. 1733  erschienen,  wieder  zu  Amsterdam,  in  Folio  Jo.  Har- 
duini  S.  J.  Opera  varia,  darin  p.  1  —  258  Athei  detecti,  worin  u.  a. 
Jansenius,  Quesnel,  Pascal,  Arnanld,  Nicole,  Cartesius  und  Male- 
branche als  Atheisten  figuriren  (Biblioth.  rais.  21,  237).  Vor  dem 
Erscheinen  des  Bandes  brachten  die  Mem.  de  Trev.  1733,  1677  fol- 
gende von  dem  Provincial  Pierre  Frogerais  und  drei  Superioren 
unterschriebene  Erklärung:  Man  druckt  in  Holland  ein  nachgelas- 
senes Werk  von  H.  Es  ist  zu  fürchten,  dass  darin  Sachen  stehen, 
die  zu  seiner  Ketractation  nicht  stimmen.  Der  Provincial  und  die 
Superioren  erklären :  1 .  sie  wissen  nicht,  wer  die  Werke  herausgibt 
und  wie  er  die  Manuscripte  erhalten;  2.  wenn  es  ihnen  möglich 
wäre,  würden  sie  den  Druck  ohne  vorherige  Prüfung  nicht  dulden ; 
3.  sie  werden  nicht  dulden,  dass  einer  ihrer  Untergebenen  die  in  der 
Betractation  verworfenen  Meinungen  lehre.  —  1741  erschien  dann 
noch  zu  Amsterdam,  von  dem  Verleger  dem  Card,  de  Tencin  gewid- 
met, Commentarius  in  N.  T. ;  accedit  lucubratio,  in  cujus  1.  parte 
ostenditur,  Cepham  a  Paulo  reprehensum  (Gal.  2,  11)  Petrum  non 
fuisse,  in  altera  p.  Joannis  Ap.  de  S.  Trinitate  locus  (1  Job.  5,  7) 
explanatur  et  eidem  suo  auctori  vindicatur.  Dass  die  französischen 
Jesuiten  nicht  auch  über  dieses  Buch,  obschon  es  ebenso  viel  Be- 
denkliches enthielt  wie  die  früheren  (Biblioth.  rais.  27, 162;  28, 166), 
eine  Erklärung  abgaben,  wird  Mem.  de  Trev.  1761,  3035  damit  ent- 
schuldigt: es  habe  wenig  Aufsehen  erregt  und  es  seien  nur  wenige 


1)  K.  Th.  Hei  gel,    Zur  Gesch.  des  Censurwesens  in  der  Gesellschaft 
Jesu,  Archiv  des  D.  Buchh.  6,  162.  Deutscher  Merkur  1663,  163. 


808  Jesuitica  1740—60. 

Exemplare  nach  Frankreich  gekommen.  Aber  1761  waren  doch 
schon  die  Verkehrtheiten  dieses  Werkes  von  Hardouin  dnrch  seinen 
Schüler  Berruyer  popularisirt  worden.  —  Im  span.  Index  steht  nur 
Ad  censnram  scriptorum  veterum  Prolegomena  juxta  autographum, 
Lond.   1766,  strenge  verb.  1777  (vgl.  Back  er  s.  v.  n.  99). 

Die  von  H.  herausgegebene  Conciliensammlnng  steht  nicht  im 
Index,  wurde  vielmehr  in  Rom  sehr  gut  aufgenommen,  fand  aber  in 
Frankreich  als  antigallicanisch  Widerspruch.  Er  begann  schon  1695 
daran  zu  arbeiten.  Die  Assembl6e  du  Clerge  von  1700  gestattete, 
dass  das  Werk  unter  ihren  Auspicien  erscheine,  unter  der  Bedingung, 
dass  es  den  Doctoren  Pirot  und  Witasse  und  dem  Parlamentsadvo- 
caten  Le  Merre  zur  Revision  vorgelegt  werde.  Um  diese  Censur  zu 
vermeiden,  erwirkten  die  Jesuiten  die  Erlaubniss,  dass  das  Werk  in 
der  königlichen  Druckerei  gedruckt  werde.  1715  war  die  Collectio 
regia  maxima  conciliorum  in  12  Folianten  vollendet.  Nach  dem  Tode 
Ludwigs  XIV.  verbot  das  Parlament  20.  Dec.  1715  vorläufig  den 
Verkauf  des  Werkes  und  beauftragte  die  Doctoren  Anquetil,  Dupin, 
Witasse  und  Leger  und  die  Advocaten  Le  Merre  und  Bertin  mit 
einer  genauen  Prüfung  desselben.  Die  drei  ersten  starben  vor  der 
Beendigung  derselben,  die  drei  anderen  überreichten  13.  Aug.  17*22 
ein  ausfuhrliches  Avis.  Das  Parlament  verordnete  darauf  7.  Sept.: 
die  Conciliensammlnng  dürfe  nur  verkauft  werden,  nachdem  die  De- 
dication  an  Ludwig  XIV.,  —  in  welcher  u.  a.  die  Hoffnung  ausge- 
sprochen war,  brevi  fore,  ut  renitentes  qui  supersunt  (Card.  Noailles 
und  die  anderen  Bischöfe,  welche  die  Bulle  TJnigenitus  nicht  ange- 
nommen) ad  unitatem  fidei  revocentur,  —  entfernt,  dem  ersten  Bande 
das  Avis  des  censeurs  und  die  Arrets  des  Parlaments  und  jedem 
Bande  die  betreffenden  Stücke  des  Avis  beigedruckt  wären.  Das 
Avis  u.  s.  w.  war  bereits  gedruckt;  aber  auf  Betreiben  der  Jesuiten 
ernannte  das  Conseil  du  Roi  andere  Censoren  und  cassirte  auf  deren 
Gutachten  hin  21.  Apr.  1725  den  Parlamentsbeschluss  und  verord- 
nete :  das  Werk  dürfe  ohne  Weglassungen  und  Zuthaten  verkauft 
werden;  nur  sei  an  der  Spitze  des  1.  Bandes  auf  einen  Supplement- 
band zu  verweisen,  der  die  nöthigen  Ergänzungen  und  Berichtigungen 
bringen  werde,  —  aber  nie  erschienen  ist.  Das  Parlament  machte 
vergebens  Vorstellungen  dagegen;  es  wurde  nicht  einmal  die  Ver- 
öffentlichung des  Avis  in  Frankreich  gestattet.  Es  erschien  im  Aus- 
land: Avis  des  censeurs  nommes  par  la  cour  du  Parlement  de  Paris 
pour  Texamen  de  la  nouvelle  Collection  des  conciles  faite  par  les 
soins  de  J.  Hardouin  J^suite  avec  les  Arrets  du  Parlem.  qui  auto- 
risent  ledit  Avis,  et  TArret  du  Conseil  qui  en  a  empSch^  la  publi- 
cation,  Utrecht  1731,  XVI  und  100  S.  4.1). 

2.    Der  1.  Theil    des  Werkes    von    Berruyer   erschien  1728 
unter  dem  Titel:     Histoire  du  peuple   de    Dieu   depuis   son   origine 


1)  Der  Bericht  der  von  dem  Conseil  beauftragten  Censoren  A.  J. 
P.  22,  1.  169.  Vgl.  Biblioth.  rais.  7,  409.  Pfaff,  Introd.  in  hist.  theol.  lit. 
3,  213.  Fleur.  70,  302. 


J.  I.  Bermyer.  809 


jusqu  ä  la  naissance  du  Messie,  tiree  des  seuls  livres  saints,  ou  le 
texte  sacrd  des  livres  de  l'A.  T.  reduit  en  un  corps  d^histoire,  7 
vol.  4.  Picot  2,  276  nennt  es  ouvrage  assez  profane,  oüi  il  sem- 
blait  avoir  pris  a  tache  de  faire  de  1a  Bible  une  esp^ce  de  roman. 
In  den  N.  E.  1758,  100  wird  folgende  Aeusserung  von  Rousseau 
angeführt:  L'indignation  ne  m'a  pas  permis  d*en  achesrer  seulement 
le  1.  volume.  Je  ne  con^ois  pas  qu'on  ait  pu  permettre  Timpres- 
sion  d'un  ouvrage  aussi  scandaleusement  6crit  que  celui-lä.  Je  suis 
bien  aise  de  n*avoir  pas  6t6  le  seul  qui  lui  ait  donn6  le  nom  de 
roman,  mais  je  suis  surpris  .  .  .  qu'il  ait  pu  trouver  des  approba- 
tcurs  dans  un  pays,  oü  la  traduction  meme  la  plus  severe  des  livres 
sacr6s  est  ä  peine  permise.  Je  crois  Tauteur  fort  honnete  homme, 
puisque  vous  me  le  dites;  mail  s'il  n'a  eu  dessein  de  toumer  ce 
qu'il  y  a  de  plus  ven^rable  dans  la  religion  en  ridicule,  il  a  tra- 
vaille  bien  peu  consequemment.  Das  Buch  war  mit  Approbation 
der  Oberen  gedruckt,  fand  aber  doch  gleich  auch  im  Orden  Wider- 
spruch, namentlich  bei  P.  Tournemine,  der  namentlich  die  schlüpfrige 
Darstellung,  les  amours  des  patriarches  und  dgl.  tadelte.  Der  Ge- 
neral Hess  sich  durch  vier  Patres  im  Römischen  Colleg,  de  Vitri, 
Ghezzi,  de  la  Reguera  und  Tschiderer,  ein  Gutachten  geben  und 
übersandte  dieses  2.  Juni  1729  dem  französischen  Provincial  Bre- 
tonneau  mit  der  Weisung,  nach  demselben  eine  neue  Ausgabe  ver- 
anstalten zu  lassen.  In  dem  Gutachten  wird  ausser  der  Darstellung 
auch  die  eigenthümliche  Chronologie  (es  war  die  Hardouin'sche)  und 
namentlich  die  Behandlung  der  messianischen  Weissagungen  getadelt^). 
Die  neue  Ausgabe  erschien  1733  mit  einer  vom  22.  Mai  1732  da- 
tirten  Approbation  des  Provincials.  1734  wurde  das  Werk  verb., 
allerdings  zunächst  nur  die  erste  Ausgabe,  aber  ohne  dass  die  von 
1733  ausdrücklich  freigegeben  wurde. 

Dieser  1.  Theil  ist  aber,  wie  Picot  sagt,  der  am  wenigsten 
verdammenswerthe.  1753  erschien  angeblich  im  Haag,  in  Wirklich- 
keit in  Paris,  der  2.  Theil :  Hist  du  peuple  de  Dieu  depuis  la  nais- 
sance du  Messie  jusqu'ä  la  fin  de  la  Sinagogue,  tiree  des  seuls  livres 
saints,  ou  le  texte  sacr6  du  N.  T.  reduit  en  un  corps  d'histoire, 
4  vol.  4.  Der  4.  Band  enthielt  5  lateinische  Dissertationen  De  Jesu 
Christo  scripturarum  objecto,  s.  de  composito  theandrico  etc.  Nach 
Berathung  mit  22  Bischöfen  erliess  der  Erzbischof  de  Reaumont  von 
Paris  13.  Dec.  1753  ein  scharfes  Mandement  dagegen.  Es  erschien 
auch  eine  von  dem  Provincial  und  drei  Superioren  unterzeichnete, 
vom  22.  Sept.  datirte  Erklärung:  das  Buch  sei  ohne  ihr  Vorwissen 
gedruckt  worden;  sie  würden  es  nicht  ohne  starke  Aenderungen 
approbirt  haben,  und  26.  Dec.  1753  erklärte  B.,  er  unterwerfe  sich 
der  Censur  des  Erzbischofs.  1755  wurde  dieser  2.  Theil  von  der 
Index-Congr.  verb.      1756  decretirte  das  Pariser  Parlament,    der  2. 


1)  Parerga  Gotting.  1736,  T,  1,  81.  Irailh  3,  19  (nach  handschrift- 
lichen Observations  sur  TKist.  du  peuple  de  Dieu  von  Tournemine).  Fleur, 
83,  569. 


810  Jesuitica  1740—60. 

Theil  von  B.,  die  Analyse  de  Bayle  des  Ex-Jesuiten  de  Marsy  und 
La  Christiade  ou  le  paradis  reconquis  des  Abbe  de  la  Baume  (une 
bistoire  de  J.  C.  babill^e  k  la  mani^re  des  romans)  seien  von  Hen- 
kersband zu  verbrennen,  —  das  Buch  von  B.  wegen  antigallicani- 
scber  Sätze,  —  und  B.  zu  einer  Erklärung  aufzufordern,  die  er  12. 
April  abgab  (Picot  2,  303). 

Picot  2,  278  sagt^  die  Jesuiten  hätten,  wie  man  sage,  verspro- 
chen, der  3.  Theil  von  B.  solle  nicht  erscheinen.  B.  gab  ihn  aber 
„trotz  der  vielseitigen  Censuren  gegen  die  ersten  Theile  unter  dem 
Widerspruch  seiner  Mitbrüder",  wie  es  im  K.-L.  2, 466  sehr  naiv 
beisst,  schon  1757  heraus:  Hist.  du  peuple  de  Dieu,  3.  Partie,  ou 
paraphrase  des  epitres  des  apotres  d'apr^  le  commentaire  latin  du 
P.  Hardouin,  La  Haye  (Lyon)  1757,  2  vol.  4.,  und  Picot  sagt, 
dieses  sei  der  tadelnswertheste  Theil  des  ganzen  Werkes,  ganz  nach 
dem  (verbotenen)  Commentar  Hardouins  gearbeitet  und  voll  von 
Irrthümern  und  sonderthümlichen  und  paradoxen  Ansichten. 

Mittlerweile  war  von  dem  1.  Theile  eine  italienische  lieber- 
Setzung  erschienen :  Storia  del  popolo  di  Dio  .  .  .  trad.  da  Canziano 
Franceschini,  Ven.  1741  und  1755,  —  sie  wurde  1757  von  der  Index- 
Congr.  verb.,  —  und  1756  erschien  eine  Uebersetzung  des  2.  Theiles 
(Zaccaria  erklärte,  sie  sei  nicht  von  ihm,  sondern  von  zwei  anderen 
Jesuiten  und  einem  Weltgeistlichen).  Cordara  (DöUinger,  Beitr. 
3,  12)  berichtet,  Benedict  XIV.  habe  dem  P.  Trigona,  dem  Assistenten 
des  Jesuitengenerals  für  Italien,  empfohlen,  den  2.  Theil  italienisch 
herauszugeben;  der  Druck  sei  schon  weit  fortgeschritten  gewesen, 
als  das  Buch  (das  Original  1755)  verb.  worden  sei;  der  Druck  sei 
aber  fortgesetzt  und  dem  Papste  ein  Exemplar  überreicht  worden. 
Wenn  diese  Angabe  richtig  ist,  muss  Benedict  XIV.  seine  Ansicht 
über  das  Buch  bald  darauf  sehr  geändert  haben.  Denn  unter  dem 
17.  Febr.  1758  erliess  er  ein  Breve  (Bull.  4,  App.  2,25)  folgenden 
Inhalts:  der  2.  Theil  von  B.  sei  schon  1755  mit  seiner  Genehmigung 
von  der  Index-Congr.  verboten  worden ;  gleichwohl  habe  jemand 
nimia  audacia  das  Buch  italienisch  herausgegeben:  Storia  ...  2. 
Parte,  trad.  da  un  Religiöse  della  med.  Comp.,  Ven.  1756,  4  vol.  4., 
und  am  Schlüsse  nicht  nur  eine  ^fantissa  dissertationum  ab  auctore 
latine  conscriptarum,  sondern  auch  eine  Apologie  des  Werkes  unter 
dem  Titel:  Difesa  della  2.  P.  dell'  Ist.  .  .  ,  contro  le  calunnie  d'un 
libello  intitolato:  Progetto  d'istruzione  pastorale,  beigefügt.  Es  sei 
kaum  zu  sagen,  wie  viel  Anstoss  und  Aergerniss  das  bei  den  Gut- 
gesinnten und  Gottesfürchtigen  aller  Stände  erregt  habe.  Er  habe 
durch  die  Inq.  das  Original  und  die  uebersetzung  nochmals  prüfen 
lassen,  obschon  unzweifelhaft  ein  in  einer  Sprache  verbotenes  Buch 
als  in  allen  Sprachen  verboten  anzusehen  sei;  auch  die  Dissertationen 
und  die  Apologie  seien  geprüft  worden.  Dem  Gutachten  der  Theo- 
logen und  den  in  der  Sitzung  der  Inq.  vom  29.  Dec.  1757  abgege- 
benen Vota  der  Cardinäle  entsprechend,  verdamme  er  das  Werk 
sammt  den  Anhängen  quocunque  idiomate  und  verbiete  es  bei  Strafe 
der  reservirten  Excomm.  1.  sent.  für  Laien,  der  Suspension  für  Geist- 
liche, weil  es  resp.  falsche,  ...  die  Ketzerei  begünstigende  und  der 


J.  I.  Bemiyer.  811 

Ketzerei  eich  annähernde  und  dem  einmUthigen  Consensus  der  h. 
Väter  und  der  Kirche  in  der  Auslegung  der  h.  Schrift  widerspre- 
chende Sätze  enthalte.  —  Noch  in  demselben  Jahre  verdammte  Be- 
nedicts Nachfolger  Clemens  XIII.  durch  ein  Breve  vom  2.  Dec.1758 
(Bull.  cont.  1,  61)  ganz  in  derselben  Weise  den  3.  Theil.  Im  Ein- 
gange recapitulirt  er  die  früheren  Verbote  und  sagt  dann  von  dem 
3.  Theile:  Quod  quidem  ob  doctrinae  fallaciam  et  contortas  s.  lite- 
rarum  interpretationes,  oifusis  etiam  tenebris  super  eos  articulos, 
quos  christiani  populi  fides  ac  pietas  praecipue  profitetur  et  colit, 
scandali  mensuram  implevit.  —  Im  J.  1760  wurde  das  Werk  von 
B.  auch  in  Venedig,  ohne  Bezugnahme  auf  die  Römischen  Decrete, 
verb.  (Fleur.  83,  681.  I  S.  547). 

Als  der  Erzbischof  von  Paris  1753  gegen  den  2.  Theil  von 
B.  einschritt,  überreichten  ihm  die  Jesuiten  eine  von  P.  Berthier 
verfasste  Eingabe  (N.  E.  1757,  138),  worin  sie  sagen:  der  1.  Theil 
sei  bereits  ins  Deutsche^),  Polnische,  Italienische  uud  Spanische  über- 
setzt worden.  Der  König  von  Spanien  habe  die  Uebersetzung  (von 
dem  Jesuiten  Antonio  Espinosa)  gelesen  und  sich  für  die  Fortsetzung 
interessirt.  Man  habe  ihm  den  2.  Theil,  aber  auch  das  Mandement 
des  Erzbischofs  übersandt;  er  habe  eine  Prüfung  des  Werkes  ange- 
ordnet und  dann  den  P.  Espinosa  beauftragt,  auch  den  2.  Theil  zu 
übersetzen.  Diese  Uebersetzung  werde  natürlich  vor  dem  Druck 
durch  die  Ordensoberen  und  die  spanische  Ccnsurbehörde  geprüft 
werden.  Die  Einleitung  werde  wohl  weggelassen  werden,  da  eine 
solche  Polemik  gegen  die  Ungläubigen  in  Spanien  nicht  angebracht 
sei;  auch  die  lateinischen  Dissertationen,  die  nur  für  Theologen  be- 
stimmt seien,  werde  man  in  die  für  das  Volk  bestimmte  span.  Aus- 
gabe nicht  aufnehmen.  Die  Einleitung  und  die  Dissertationen  seien 
es  ja  aber,  die  bei  den  französischen  Bischöfen  vorzüglich  Anstoss 
erregt  hätten.  —  Die  span.  Ausgabe  erschien  denn  auch  1755  mit 
einer  Vorrede,  worin  gleichfalls  behauptet  wurde,  nur  die  Einleitung 
und  die  Dissertationen  hätten  grossen  Anstoss  erregt;  aber  1759 
wurden  beide  Theile  derselben  mit  dem  ganzen  französischen  Werke 
und  der  italienischen  Uebersetzung  (und  Helvetius'  De  Tesprit)  verb., 
nachdem  der  Nuncius  dem  General-Inquisitor  die  Breven  Clemens' 
XIII.  mitgetheilt  hatte.  Der  General -Inquisitor  meldete  dieses  2. 
Mai  dem  Papste  und  wurde  am  7.  Juli  dafür  belobt  (Bull,  cont 
1,  209). 

In  Frankreich  erschienen  unmittelbar  nach  dem  Mandement  des 
Erzhißchofs  von  Paris  und  der  Unterwerfung  B.'s  (drei)  Lettres  en 
reponse  a  un  ecclcsiastique  de  province  au  sujet  de  THist.  .  .  ., 
Paris  1754,  648.12.,  zur  Vertheidigung  B.'s,  nach  Sommervogel  von 
B.  selbst.  Es  folgte  eine  Menge  von  Schriften  für  und  gegen  ihn, 
die  hei  de  Backer  verzeichnet  sind.  Zu  erwähnen  sind  davon  fol- 
gende :  Projet  d'instruction  pastorale  sur  les  erreurs  de  B.,  81  S.  4., 


1)  Die  deutsche  Uebersetzung  (nur  des  l.Theiles)  ist  von  P.Weimer 
und  1763  mit  einer  Approbation  von  Hontheira  zu  Luxemburg  gedruckt. 


812  Jesuitica  1740—60. 

von  J.  B.  A.  Duhamel  im  Auftrage  des  Bischofs  Gay  Ins  von  Au- 
xerre  ausgearbeitet,  aber,  da  dieser  1754  starb,  als  anonyme  Schrift 
veröffentlicht.  Dagegen  schrieb  B.  anonym  Defense  de  la  2.  partie 
de  THist.  .  .  .  contre  les  calomnies  d^un  libelle  intit  Projet  .  .  ., 
Avignou  1755,  300  S.,  das  Buch,  dessen  italienische  üebersetzung 
1758  verb,  wurde;  —  Le  P.  Berruyer  Jesnite  convaincu  d'Arianisme, 
de  Pelagianisme,  de  Nestorianisme  .  .  .  1755,  400  S.  12.  (vol.  2. 
1756),  von  dem  Oratorianer  J.-A.  Maille.  Derselbe  schrieb  —  gegen 
die  von  B.  veröffentlichten  Lettres  d'un  th6ologien  k  nn  de  ses  amis 
au  sujet  des  diff^rents  Berits  qui  ont  paru  pour  la  defense  du  P. 
Berr.,  Avignon  1756,  —  Le  P.  Berr.  convaincu  d*obstination  dans 
rArianisme  .  .  .,  1756.  Dagegen  erschien,  nachdem  B.  gestorben 
war,  Le  P.  Berruyer  justifi^  contre  l'auteur  d'un  libelle  intituU: 
Le  P.  Berr.  .  .  .,  Nancy  1759,  2  vol.  12.  (von  Forestier).  In  dem- 
selben Jahre  erschien  noch  mit  Rücksicht  auf  die  in  der  Sorbonne 
begonnenen  Verhandlungen  über  B.  Lettre  k  un  Docteur  de  Sor- 
bonne sur  la  d^nonciation  et  Texamen  des  ouvrages  du  P.  Berr., 
22  S.  12.  Die  beiden  zuletzt  genannten  Yertheidigungen  wurden 
von  der  Inq.  30.  Aug.  1759  mit  derselben  Motivirung  wie  der  2. 
und  3.  Theil  des  Werkes  von  B.  verboten.  In  dem  Decrete  wird 
das  Verbot  dieser  beiden  Theile  noch  einmal  in  Erinnerung  gebracht 
und  beigefügt:  der  Papst  habe,  um  dem  Scandale,  welches  er  zu 
seinem  grossen  Schmerze  noch  immer  fortdauern  sehe,  für  immer 
ein  Ende  zu  machen,  zugleich  alle  Schriften,  die  zur  Vertheidigung 
des  mit  so  vielem  Hechte  verdammten  Werkes  von  B.  in  irgend 
welcher  Form  oder  Sprache  erschienen  seien  oder  etwa  noch  erschei- 
nen würden,  für  verboten  erklärt  (N.  E.  1751,  173).  Dieses  all- 
gemeine Verbot  ist  auffallender  Weise  nicht  in  den  Index  aufgenom- 
men worden. 

Die  Assemblie  du  Clerge  vom  J.  1760  erklärte  sich  mit  dem 
Mandement  des  Erzbischofs  Beaumont  einverstanden;  auch  der  Erz- 
bischof von  Wien  verbot  1760  das  Werk  von  B.  1762  wurde  end- 
lich auch  die  Sorbonne  mit  ihrem  Urtheil  fertig:  sie  censurirte  93 
Sätze  aus  den  lat.  Dissertationen,  231  aus  dem  2.  und  3.  Theile  und 
aus  Vertheidigungsschriften  von  B.  und  seinen  Anhängern.  Die 
Gensur  wurde  gedruckt  als  Determinatio  S.  Facultatis  .  .  ,  1762,4., 
und  Jugement  doctrinal  de  la  Facult6  .  .  .   1762,  3  vol.  12.^). 

Nach  dem  Tode  Berruyers  gaben  die  Jesuiten  von  ihm  noch 
heraus  Beflexions  sur  la  foy,  adressees  ä  Mgr.  l'Archiveque  de  Paris, 


1)  N.  E.  1763,  97;  1765,  13.  Das  umfangreichste  Buch,  welches 
gegen  (Hardouin  und)  Berruyer  erschien,  ist  Mandement  de  Mgr.  TEveque 
de  SoiBsons  (Fitzjames),  Paris  1760*,  7  vol.  8.,  von  P.-E.  Gourlin  verfasst 
(im  K.-L.  2,  466  wird  hervorgehoben,  Fitzjames  sei  als  Jansenist  ein  Gegner 
der  Gesellschaft  Jesu  gewesen).  Zu  Brescia  erschien  davon  eine  italienische 
Üebersetzung.  Von  Les  grandeurs  de  Jesus-Christ  et  la  defense  de  sa  di- 
vinite  contre  les  Peres  Hardouin  et  B.,  1756  (von  dem  Mauriner  Prud. 
Maran),  veranstalteten  die  Monsignori  Bottari  und  Foggini  eine  italienische 
Üebersetzung,  Rom  1757. 


J.  I.  Berroyer.  818 

Bern  (Trevoox)  1761.  In  dem  vorausgeBcliickten  Avertissement  wird 
er  als  grand  homme,  z61i  d^fenseur  de  la  foi,  confesseur  intr^pide 
and  dgl.  gefeiert  und  alles,  was  gegen  sein  Werk  geschehen,  auf 
eine  Cahale  zurückgeführt.  Gourlin  schrieb  darauf  Examen  d^un 
nouvel  ouvrage  du  P.  B.  intit.  Reflexion s  .  .  .  mit  einer  Parallele 
ou  confrontation  du  Symbole  resultant  de  la  doctrine  des  Peres 
Hardouin  et  B.  avec  le  symbole  des  Conciles  de  Nic6e  et  de  Const., 
1762.  Davon  erschien  eine  üebersetzung:  Gollazione  del  simbolo 
Niceno  e  Const.  col  simbolo  che  si  ricava  dalle  dottrine  de'  PP.  Ar- 
duino  e  B.  Gesuiti,  indicati  i  luoghi  delle  loro  opere  d'onde  son 
tratte.  1764  wurden  die  E^fiexions  von  der  Inq.,  die  CoUazione 
von  der  Index-Congr.  verb.  —  1788  Hess  Mathurin  Le  Forestier,  früher 
Provincial,  ein  Verwandter  von  B.,  zu  Fermo  eine  italienische  üe- 
bersetzung einer  Vertheidigung  der  päpstlichen  Unfehlbarkeit  von  B. 
drucken ! 

Cordara  S.  12  meint,  Berruyer  werde  wohl  mit  Eecht  verboten 
sein,  aber  dass  dieses  mit  einer  atrocitas  verborum  geschehen,  wie  sie 
weder  gegen  Luther  noch  gegen  Calvin  noch  gegen  einen  andern 
der  schlimmsten  Sectenstifter  angewendet  worden,  komme  wohl  da- 
her, dass  es  sich  um  das  Werk  eines  beiühmten  Jesuiten  gehandelt 
habe,  die  Jesuiten  aber  den  Dominicanern  und  einigen  einflussreichen 
Cardinälen  der  Inquisition  verhasst  gewesen  seien.  Der  Artikel  Ber- 
ruyer im  K.-L.  2, 466  schliesst  mit  der  Notiz :  „Zahlreiche  Schriften 
erschienen  für  und  gegen  B.,  der  sich  selbst  vertheidigte  und  seine 
Anhänglichkeit  an  die  kirchlichen  Lehren  betheuerte;  manche  seiner 
Yertheidigungsschriften  wurden  auf  den  Index  gesetzt.  Dass  aber 
nicht  alles,  was  B.  in  seiner  [von  zwei  Päpsten  in  so  scharfen  Aus- 
drücken verdammten]  Geschichte  des  Volkes  Gottes  geschrieben,  un- 
brauchbar war,  bezeugt  der  1811  zu  Paris  erschienene  Auszug  aus 
dem  1.  Theil,  den  der  Director  des  Seminars  von  Besannen  ver- 
bessert und  mit  Anmerkungen  versehen  1828  (und  1851)  herausgab, 
nachdem  derselbe  auf  den  Antrag  des  Card.  Bohan  in  Rom  geprüft 
worden  war."  Eine  solche  Rehabilitation  des  2.  und  3.  Theils  ist 
doch  nicht  versucht  worden,  und  auch  die  expurgirte  Ausgabe  des 
1.  hat  man  doch  nicht,  wie  das  mit  anderen  Büchern,  z.  B.  mit 
Fleury's  Catechisme  bist.,  geschehen  ist,  im  Index  freigegeben. 

J.-Fr.  Berthier  veröffentlichte  in  den  M6m.  de  Trev.  1761, 
3012  recht  gute  Observations  sur  les  syst^mes  des  PP.  Hardouin  et 
Berruyer.  Aber  die  oben  angeführten  und  die  bei  Backer  verzeich- 
neten Schriften  zeigen,  dass  andere  Jesuiten  für  B.  Partei  ergriffen, 
und  lassen  die  von  Picot  2,278;  4,278  angefochtene  Bemerkung, 
dass  le  parti  Hardouino-Berruyeriste  im  Orden  nach  dem  Tode 
Toumemine's   (1739)  das  Ueberge wicht  erlangt^)  und  das  Publicum 


l)  In  Degola's  Catechisme  de'  Gesuiti  p.  282  wird  berichtet:  Der 
Provinzial  der  Jesuiten«  Mathurin  Le  Forestier,  ein  Verwandter  Berruyers, 
habe  dem  Buchhändler  Bördelet  50,000  Fr.  für  den  Druck  des  2.  Theiles 
versprochen;  der  Schuldschein  habe  sich  im  Nachlass  des  Buchhändlers 
gefunden.    Bei  de  Backer  s.  v.  Berrruyer  werden  diese  und  ähnliche  An- 


814  Jesuitioa  1740—60. 

mit  Apologieen,  Satiren  und  Broschüren  überRchwemmt  habe,  als 
richtig  erscheinen.  Wenn  Picot  sagt,  es  sei  gewifis,  dass  das  Buch 
von  B.  zu  der  Vernichtung  seines  Ordens  beigetragen  oder  wenig- 
stens einen  Vorwand  geboten,  so  wird  man  richtiger  sagen:  dass 
Schriften  wie  die  von  Hardouin  und  Beriuyer,  die  doch  schlechter 
sind  als  die  von  Jansenius  und  Quesnel,  und  die  von  Picbon,  Benzi 
u.  a.,  nicht  nur  von  Jesuiten  veröffentlicht,  sondern  auch  von  Jesui- 
ten vertheidigt  wurden,  hat  in  Verbindung  mit  anderen  Thatsachen 
dazu  beigetragen,  dem  Orden  die  Sympathieen  vieler  ernsten  Katho- 
liken zu  entziehen  und  seine  Aufhebung  nicht  als  ein  Unglück  für 
die  Kirche  erscheinen  zu  lassen. 

Ein  Buch  des  italienischen  Jesuiten  Cesare  Calino,  Tratteni- 
mento  istorico  e  cronologico  sulla  serie  dell'  Antico  Test.,  Ven. 
1724,  2  vol.  4.,  wurde  von  dem  Abate  Franc.  Maria  Biacca  in  dem 
Tratt.  ist.  e  crou.  opposto  al  Tratt.  del  P.  C.  Calino,  1728,  2  vol.  4. 
angegriffen  (Hurter,  2,  1307).  Calino  denuncirte  Biacca's  Buch 
bei  der  Inquisition;  aber  diese  entschied  zu  dessen  Gunsten  und 
übergab  das  Buch  von  Calino  ihren  Eevisoren  (Parerga  1.  c.  p.  93). 
Es  wurde  aber  nicht  verb. 

3.  Im  J.  1750  wurde  verb.  Del  Rev.  P.  Egidio  Maria 
Giulii  della  Comp,  di  G.  .  .  .  Lettera  postuma  critico-apologetica 
degli  studii  di  sua  religione,  Lucca  1750,  82  S.  4.,  ein  vertraulicher 
Brief  an  einen  Freund,  worin  Ginlii  (f  1748)  die  Studienordnung 
im  Collegium  germanicum  kritisirt,  in  welchem  er  Prof.  des  cano- 
nischen  Hechtes  war;  am  Schlüsse  bittet  er  um  Rücksendung  des 
Briefes,  den  er  dem  General  und  vielleicht  auch  dem  Papste  vor- 
legen wolle.  Catalani,  De  Secr.  p.  50  sagt,  aus  dem  Inhalte  ergebe 
sich  kein  Grund  des  Verbotes;  der  Brief  müsse  aus  irgend  welchen 
Zweckmässigkeitsgründen  verboten  sein.  Man  wird  die  Veröffent- 
lichung eines  vertraulichen  Briefes  missbilligt  und  die  darin  geübte 
Kritik  nicht  gern  gesehen  haben.  Der  Jesuit  Lazeri  erklärte  in 
einem  Avviso  al  pubblico  sopra  una  lettera  che  va  sotto  il  norae 
del  P.  Giulii,  Rom  1750,  10  S.  4.,  der  Hrief  sei  nicht  von  Giulii ; 
aber  Zaccaria,  Storia  lett.  2,419  bestreitet  die  Echtheit  nicht  ^). 


gaben  für  unwahr  erklärt.  Degola  sagt  ferner  p.  278:  Berthier  habe  nicht 
die  Erlaubniss  erhalten,  eine  Refutation  du  roman  de  Berruyer,  und  Tour- 
nemine  nicht,  eine  Refutation  des  paradoxes  du  P.  Hardouin  (als  besondere 
Schriften)  drucken  zu  lassen. 

1)  Giulii  war  mit  Concina  befreundet  (Sandelli  p.  252)  und  bei 
Benedict  XIV.  sehr  beliebt.  Cordara  (bei  Döllinger,  Beitr.  8,  12 ;  vgl.  71) 
erzählt:  Hunc  adhibebat  ad  conficicndum  opus  de  synodo  dioecesana.  Ma- 
teriam  operis  rüdem  et  indigestam  Pontifex  suhministrabat,  Julius  in  certa 
capita  tribuebat,  ordinabat,  latinam  faciebat.  Cumque  ad  extremura  Pontifex 
praefationem  satis  longam  misisset  operi  praefigendam,  eam  ego  rogatu  Julii 
ex  italica  lingua  in  latinam  verti  (der  Jesuit  Forestier  erzählte  dann  später, 
das  Buch  sei  gar  nicht  von  Benedict  XIV.  Deutscher  Merkur  1880,  330. 
348).  Cordara  berichtet  weiter,  der  portugiesische  Jesuit  Emanuel  de  Aza- 
vedo,  der  sehr,  reich  gewesen,  habe  auf  seine  Kosten  Benedicts  Werke  neu 
drucken  lassen.   Er  sei  bei  dem  Papste  sehr  beliebt,  aber  bei  den  anderen 


E.  M.  Gialii.    Schriften  gegen  die  Jesuiten.  815 

Die  1750  —  61  verbotenen  Schriften  gegen  die  Jesuiten  sind 
ausser  den  schon  genannten  folgende:  Bistoire  des  religieux  de  la 
compagnie  de  J^sus,  contenaut  ce  qui  s'est  passä  dans  cet  ordre  depuis 
son  etablissement  jusqu'ä  präsent,  ütr.  1741,  2  vol.,  verb.  1750, 
auch  Paris  1740,  4  vol.,  von  Quesnel  (N.  E.  1741,  176),  auch  in 
Spanien  1756  verb.  —  Proc^s  contre  les  j^suites,  pour  servir  de 
suite  aux  causes  cel^bres,  Brest  1750,  211  S.  12.,  verb.  1754,  eine 
Fortsetzung  der  Causes  c6Iebres  von  Pitaval,  7  Processe  gegen  Je- 
suiten enthaltend,  von  dem  Bankier  Nie.  Jouin  zu  Paris,  f  1757, 
2.  Ed.  Paris  17r)9,  eine  3.  vermehrte  Ausgabe  zu  Douay  1760(?); 
N.  E.  1 750,  258 ;  1761,  29.  Kecueil  general  des  pi^ces  sur  le  pro- 
ces  contre  la  Demoiselle  Cadi^re  et  le  P.  Girard  J6suite,  1731,  steht 
nur  im  span.  Index.  —  Lette re  scritte  da  un  teologo  a  un  ves- 
covo  di  Francia  sopra  rimportante  questione,  se  sia  licito  di  appro- 
vare  i  gesuiti  per  prcdicare  e  confessare,  Trento  1757,  verb.  1758, 
eine  Uebersetzung  der  Trois  lettres  d'un  th^ologien  k  un  ^v^ue  sur 
cette  question  importante,  s'il  est  permis  d'approuver  les  J^suites 
pour  precher  et  pour  confesser,  Paris  1716,  12.,  die  dem  Mauriner 
Touttee  zugeschrieben  wurden,  aber  von  dem  Abb6  Bernard  Couet 
(geb.  1669,  ermordet  1736)  verfasst  sind,  der  1718  von  dem  Card. 
Noailles  zum  Canonicus  und  Generalvicar  ernannt  wurde  und  1720 
bei  den  Ausgleichsverhandlungen  eine  grosse  Rolle  spielte  (Corr.  de 
Fen^lon  1 1 ,  305).  Die  Briefe  erschienen  nochmals  als  Lettres  .  .  . 
par  Couet,  chanoine  de  Paris,  Amst.  1755*.  Hier  ist  als  4.  Brief 
beigefügt  Eeponse  d'un  thiologien  a  un  pr^lat  sur  le  r6fus  de  M.  de 
Noailles  de  continuer  ses  pouvoirs  aux  Jesuites  (N.  E.  1748,  24; 
1755,  181).  —Probleme  historique,  qui  des  Jesuites  ou  de  Luther 
et  Calvin  ont  le  plus  nui  k  l'Eglise  chr^tienne.  La  Solution  de  ce 
Probleme  d^couvrira  la  v^ritable  cause  des  maux  qui  affiigent  l'E- 
glise  et  le  Royaume  de  France,  et  le  seul  moyen  efficace  qu'on 
puisse  prendre  pour  les  faire  cesser,  Avignon  (Paris)  1757,  2  vol.  12., 
von  der  Inq.  verb.  1759,  von  Abbe  Mesnier,  f  ^761,  2  Ed.  aug- 
mentee,  Utr.  1758*,  auch  ütr.  1763*;  in  diesen  Ausgaben  ist  ein 
langer  Brief  des  Erzbischofs  Meindaerts  von  Utrecht  an  Benedict  XIV. 
vom  13.  Febr.  1758,  und  Benedicts  XIV.  Breve  an  den  Card.  Sal- 
danha  vom  1.  Apr.  1758  (über  Paraguay)  vorgedruckt.  Eine  Ver- 
theidigung  des  Verfassers  gegen  das  Decret  der  Inquisition  erschien 
unter  dem  Titel:  Addition  au  Probleme  .  .  .,  58  S.  12.  (N.  E.  1760, 
140).  —  Histoire  de  Tadmirable  Dom  Inigo  de  Guipuscoa,  Chevalier 
de  la  Vierge  et  fondateur  de  la  monarchie  des  Inighistes,  avec  une 
description  en  abr^gi  de  Tetablissement  et  du  gouvernement  de  cette 
formidable  monarchie,  par  le  Sieur  Hercule  Rasiel  de  Silva.  Nouv. 
^d.  augment^e  de  VAnticoton  et  de  Thistoire  critique  de  ce  fameux 
ouvrage,  Haye  1738*,  2  vol.  12.,  von  der  Inq.  verb.  1759.  Diese 
Ausgabe  ist  von  Prosper  Marchand  besorgt  (Marchand  1, 24.  U.  N. 


portugiesischen  Jesuiten,  er  wisse  nicht  warum,  verhasst  gewesen  und  durch 
deren  occulta  conspiratio  sei  es  gekommen,  dass  ihn  Benedict  auf  Verlangen 
des  Königs  von  Portugal  von  Rom  weggeschickt  habe. 


816  Streit  über  den  Probabilismas. 

1739,  504).  Die  1.  Ausgabe  ist  Haye  1736,  2  vol.  12.,  erscbienen. 
Das  Bnch  ist  nicbt  von  de  Salles  oder  von  Quesnel  de  Dieppe,  son- 
dern von  Ch.  Le  Vier  (Quirard  3,  323).  Im  span.  Index  steht  seit 
1747  die  1.  Ausgabe  als  strenge  verb.  und  Easiel  als  Autor  1.  cl. 
—  Preservativo  contro  certi  libri  e  sermoni  dei  Gesuiti,  verb. 
1761. 

In  dem  Journal  des  Bischofs  Clement  (S  745)  steht  1,  41  ein 
Brief  des  Mgr.  Bottari  zu  Born,  worin  es  heisst:  das  Probleme  sei 
mit  grosser  Gelehrsamkeit,  präcise  und  klar  geschrieben,  werde  aber 
gleich  verboten  werden  müssen.  Solche  Bücher  fürchteten  die  Je- 
suiten nicht,  da  sie  auch  bei  anderen  Widerspruch  fänden;  aber  die 
Lettres  von  Couet  seien  ihnen  sehr  unbequem,  weil  sie  mit  grosser 
Mässigung  geschrieben  seien  und  von  der  Bulle  und  der  Curie  nichts 
sagten.  Die  zu  Bom  gedruckte  italienische  Uebersetzung  von  einem 
Dominicaner  aus  Lucca  sei  in  aller  Händen ;  sie  sei  denuucirt  worden, 
aber  die  Censoren  sagten  bis  jetzt,  das  Buch  sei  unverfänglich. 
P.  215  heisst  es:  das  Buch  sei  28.  Aug.  1758  verb.,  aber  das  Decret 
nicht  publicirt  worden;  es  werde  eine  zweite  Ausgabe  gedruckt,  in 
welcher  die  Vorrede,  die  allein  Anstoss  erregt,  geändert  worden  sei. 
Thatsächlich  steht  aber  nicht  bloss  eine  Ausgabe  im  Index,  und  nach 
N.  E.  1763,  88  kam  der  Uebersetzer,  der  Dominicaner  Carrara,  in 
Hafti). 


77.     Der  Streit  fiber  den  Probabilismas,  1743—57. 

Unter  Beuedict  XIV.  entstand  eine  lebhafte  Controverse 
zwischen  den  Dominicanern,  namentlich  dem  Friauler  Daniel 
Concina  (1687 — 1756),  und  den  Jesuiten,  namentlich  Giambattista 
Faure  (aus  einer  französischen  Familie,  aber  geb.  zu  Rom  1702, 
f  1779),  zunächst  über  eine  schamlose  Moralthese  des  Jesuiten 
B.  Benzi,  der  die  spöttische  Bezeichnung  Mamillartheologie  ihren 
Ursprung  verdankt,  dann  über  den  Probabilismus.  Ausser  zwei 
Schriften  von  Benzi  und  einem  Pasquill  auf  Concina  und  einer 
andern  kleinen  Schrift  von  Faure  kam  unter  Benedict  XIV. 
keine  der  betreffenden  Schriften  in  den  Index.  Das  von  den 
Jesuiten  denuncirte  Hauptwerk  Concina's  wurde  nicht  verboten, 


1)  In  den  ältesten  Appendices  zu  dem  Index  von  1758  steht:  Lettere 
.  .  .  Trento  1757,  verb.  5.  März  1759,  in  der  ersten  amtlichen  Appendix 
und  den  folgenden  Indices:  Lettere...  (ohne  Trento  1757),  verb.  28.  Aug. 
1758.  Es  scheint  also,  dass  das  28.  Aug.  1758  beschlossene  Verbot  der  Aus- 
gabe Trento  1757  erst  5.  März  1759  publicirt,  dann  aber  auch  auf  die  2.  Aus- 
gabe (Lugano  1758)  ausgedehnt  worden  ist. 


B.  Benzi.  817 

al>er  dem  Verfasser  von  dem  Papste  aufgegeben,  eine  ausführ- 
liche Erklärung  zu  unterzeichnen  und  zu  veröffentlichen.  Auch 
ein  Buch  des  Jesuiten  Nie.  Ghezzi  wurde  unter  der  Bedingung 
nicht  verboten,  dass  er  demselben  eine  Erklärung  beidrucken 
Hess.  Einige  unbedeutende  probabilistische  Schriften  wurden 
unter  Clemens  XIII.  verboten,  u.  a.  eine  Predigt  des  deutschen 
Jesuiten  Neumayr,  daneben  auch  eine  Biographie  Concina's.  — 
Concina's  Kampf  gegen  den  Probabilismus  wurde  eifrig  fortge- 
setzt von  seinem  Ordensgenossen  Gianvincenzo  Patuzzi  (1700 — 69). 
Weder  von  seinen  Schriften  noch  von  den  Gegenschriften  ist 
eine  verboten.  Als  sein  Gegner  trat  u.  a.  17G4  Alfonso  Maria 
di  Liguori  auf  (geb.  1696,  Stifter  der  Congregation  der  Redem- 
toristen  1732,  1762—75  Bischof,  f  1787).  Durch  diesen  ist  der  von 
Concina  mit  Gutheissung  Benedicts  XIV.  bekämpfte  Probabilis- 
mus insofern  zum  Siege  gelangt,  als  seine  moraltheologischen 
Schriften  im  19.  Jahrhundert  wiederholt,  namentlich  bei  seiner 
Canonisation  im  J.  1839  und  bei  seiner  Erhebung  zum  Doctor 
Ecclesiae  im  J.  1871  von  den  Päpsten  in  den  stärksten  Aus- 
drücken gutgeheissen  worden  sind. 

1.  1743  erschien  zu  Venedig  von  dem  Jesuiten  Bemardino 
Benzi  (1688 — 1768)  Dissertatio  in  casus  reservatos  Venetae  dioe- 
ceseos^).  Zu  den  Casus  reservati,  —  den  Sünden,  deren  Losspre- 
ohung  der  Bischof  sich  vorbehalten,  —  gehörte  in  Venedig  u.  a. 
quaelihet  impudicitia  cum  monialibus  peracta  vel  quocunque  modo 
attentata.  Dazu  machte  nun  Benzi  folgende  Bemerkung:  Quaeritur 
an  reservatione  afficiatur,  qui  cum  moniali  peragat  vel  attentet  ac- 
tus subimpudicos  de  se  veniales,  v.  g.  genas  vellicare,  mamillas 
tingere,  et  solum  ex  pravo  affectu  vel  ex  prava  intentione  morta- 
les.  Kespondeo,  negative ;  nam  juxta  8.  nostram  regulam  nonnisi 
])pccata  per  externam  malitiam  mortalia  reservantur.  Es  wurden 
Benzi  zunächst  privatim  von  einem  Dominicaner  Vorhaltungen  über 
diese  Stelle  gemacht ;  er  suchte  sie  aber  zu  rechtfertigen  und  berief 
sich  darauf,  sein  Buch  sei  vor  dem  Druck  von  mehreren  Theologen 
geprüft  und  nach  dem  Erscheinen  von  vielen  (xeistlichen  gelesen, 
von  keinem  missbilligt  worden;  er  selbst  sei  seit  15  Jahren  Beiclit- 


l)  Dan  Folgende,  wo  nicht  andere  Quellen  citirt  worden,  nach  D. 
Sandellii  do  D.  CDncinae  vita  et(\  Brixiao  17G7,  p.  59  und  Vita  del  F. 
(k)ncina,  p.  51.  Die  Literatur  bei  Mazzuch.  2,  899.  Tipaldo  8,  301. 
Backer  8,  13G.  V^l.  U.  N.  (N.  Beitr.)  1753,  814;  1754,  400.  Friedrich, 
Beitr.  zur  Kirchengesch.  S.  132. 

Rensch,  Iudex  II.  52 


818  Streit  über  den  Probabilismus. 

vater  und  seit  8  Jahren  Lector  der  Moraltheologie  u,  8.  w.  Concina 
veröffentlichte  nun  Epistolae  theologico-morales  ad  111.  et  Kev.  N.  N. 
adversus  librum  inscr.  Dissertatio  .  .  . ,  Ven.  1744,  und  denuncirte 
Benzi  bei  dem  Secretär  der  Index-Congr.,  J.  A.  Orsi.  Benedict  XIV. 
überwies  aber  die  DiBsertation  der  Inquisition.    Die  Jesuiten  Hessen 
durch  den  P.  Tnrano  eine  Yertheidigungsschrift  verfassen  und  diese 
als  Manuscript  für  die  Mitglieder  der  Inq.  drucken.     Sie  bemühten 
sich  dann,    das  gleichzeitige  Verbot    der  beiden    Schriften  von  Con- 
cina und  Benzi    zu    erwirken;    aber   Fer.  V.    16.  April  1644    ver- 
dammte   die   Inq.  Benzi's    Buch   als   resp.   falsche,    übel  klingende, 
ärgemissgebende  und    fromme   Ohren   verletzende  Sätze    enthaltend, 
verbot  alle   zur  Vertheidigung    desselben    veröffentlichten    oder    zu 
veröffentlichenden  Schriften  und  gab  Benzi  auf  zu  revociren.   Benzi 
unterschrieb  denn   auch  die  Erklärung:    „Da  mir  in  meinem  Buche 
.  .  .  einiges  entfallen  ist  (exciderint),    wovon  ich  höre,    dass    viele 
daran  Anstoss  genommen,  und  wovon  ich  nach  besserer  Ueberlegung 
selbst  nicht  behaupte,    dass  es    zu  billigen  sei,   so   nehme    ich  mit 
aufrichtiger  Ueberzeugung    den    Satz:    vellicare    genas   et  mamillas 
tangere  monialium  esse  actus  subimpudicos,  de  se  veniales  et  soluni 
ex  pravo  affectu  vel    ex  prava  intentione   mortales,    als  falsch  .  .  . 
zurück.     Zugleich  erkläre  ich,  dass  ich,  indem  ich  diesen  Satz  spe- 
ciell  missbillige,  damit  nicht  andere  Sätze  des  Buches  billigen  will, 
die  einem  verständigen   Leser   als  weniger  vorsichtig  oder  weniger 
opportun  erscheinen  mögen;    ich    unterwerfe    sie  vielmehr  alle  dem 
Urtheil  der  Oberen  und  der  Entscheidung  der  h.  Kömischen  Kirche 
und  bin  bereit,  alles  zurückzunehmen,  was  von  ihr  verworfen  wird.** 
Nach  Concina,  Appar.  2,  351   hatte  die    Inq.   namentlich    auch  den 
Satz  missbilligt:    Si  blasphemia    sit   imperfecte    deliberata  ex  prava 
consuetudine  blasphemandi,  .  .  secundum  multos  doctores,  utpote  noii 
voluntaria  saltem  perfecte,    non    est    culpa    saltem   mortalis.     Nach 
N.  E.  1744,    167  hatte  die  Inq.  eine  erste  Retractation  Benzi's  für 
ungenügend    erklärt   und    nahm  sie    die    oben  mitgetheilte    nur  auf 
Befehl  des  Papstes  au.     Der  Patriarch    von  Venedig    entzog   Benzi 
die  Cura;  er  wurde  nach  Padua  versetzt,  wo  ihm  der  Card.  Rezzo- 
nico, der  spätere  Clemens  XIII.,  gleich  wieder  die  Cura  gab;    von 
da  wurde  er  nach  Belluno,  dann  aber  nach  Venedig  zurückversetzt, 
wo  ihm  der  Patriarch    auf  Ersuchen    des   Nuncius   wieder  die  Cura 
gab  (N.  E.   1752,  188),    obschon  mittlerweile,    22.  Mai  1745,  noch 
ein  zweites  über  den   Beichtstuhl  handelndes  Buch  von  ihm  in  den 
Index  gekommen  war:  Praxis  tribunalis  conscientiae    seu    tractatus 
theologicus  moralis  de  sacramento  poenitentiae,  auet.  B.  Benzi  S.  J. 
Presb.,  Bononiae  1742*,  c.  500  S.  4. 

Es  gereicht  den  Jesuiten  nicht  zur  Ehre,  dass  sie  sich  bei  der 
Censurirung  und  Revocation  Benzins  nicht  beruhigten,  sondern  durch 
Streitschriften,  in  welchen  sie  sich  an  Concina  zu  rächen  suchten, 
die  widerwärtige  Sache  immer  aufs  neue  wieder  aufrührten.  Kurz 
vor  der  Verdammung  der  Schrift  von  Benzi  erschien:  AU'  autore 
delle  due  epistole  contro  la  Dissertazione  dei  casi  riservati  in  Vene- 
zia  Avviso  salutevole,  accio  conosca  se  stesso,  Napoli  1744,  70  S.  4., 


Schriften  gegen  Concina.  819 

nnmittelbar  nach  der  Verdammung  ein  Secondo  avviso,  s.  1.  et  a. 
60  S.  4.  (Patuzzi  2,  4(K)).  Es  kam  heraus,  dass  beide  in  Rom  bei 
Mainardi  im  Auftrage  der  Jesuiten  Faure  und  Castellini  gedruckt 
waren;  bei  Faure  fand  sich  das  Manuscript,  von  dem  er  freilich  be- 
hauptete, es  sei  eine  von  ihm  gemachte  Abschrift  eines  Manuscriptes, 
das  ihm  von  einem  Unbekannten  zugesandt  worden  sei;  von  Backer 
und  Sommervogel  wird  er  als  Verfasser  anerkannt.  Der  Drucker  wurde 
zu  einer  Geldstrafe  verurtheilt;  die  Bestrafung  der  beiden  Jesuiten 
wurde  ihrem  General  überlassen:  sie  mussten  sich  im  Eefectorium 
die  Dißciplin  geben  und  Exercitien  machen  (N.  E.  1744,  167). 
Bald  darauf  erschien;  Ritrattazione  solenne  di  tutte  le  ingiurie, 
hugie,  falsificazioni,  calumnie,  contumelie,  imposture,  ribalderie  stam- 
pate  in  varii  iibri  da  Fra  Daniello  Concina,  Domenicano  Gavotto, 
contro  la  Venerabile  Compagnia  di  Gesü,  da  aggiugnersi  per  modo 
di  appendice  alle  due  infami  lettere  teologico-morali  contro  il  R.  P. 
Benzi  de  IIa  medesima  Compagnia.  In  Venzia  1744  .  .  .  con  licenza 
de'  superiori  e  privilegio,  eine  unsäglich  gemeine  Schmähschrift 
gegen  Concina  (ein  Auszug  bei  Sandelli  p.  77.  Patuzzi  2,  413),  die 
damals  verschiedenen  Jesuiten,  u.  a.  Cordara,  Tornielli,  Zaccaria  zu- 
geschrieben wurde,  —  von  Sandelli  dem  P.  Coccognati,  —  aber  allem 
Anscheine  nach  von  Faure  ist,  den  Caballero  als  Verfasser  angibt. 
—  Die  Inq.  verdammte  Fer.  IV.  17.  Juni  1744  de  mandato  Bene- 
dicti  XIV.  die  Schrift  (nonnulla  folia  impressa)  uti  librum  famosum 
(Sandelli  p.  82).  Sie  wurde  zu  Lucca  und  Venedig  nachgedruckt. 
Es  erschienen  auch  noch  andere  Schriften  von  Seiten  der  Jesuiten 
(Patuzzi  2,  418).  Auch  die  oben  erwähnte  Vertheidigungsschrift 
von  Turano  wurde  neu  gednickt:  Judicium  cujusdam  Theol.  Pro- 
fessoris  ad  amicum  confessarium,  Ven.  1745.  Turano  erklärte  in 
einem  Schreiben  an  den  Papst,  dieses  sei  ohne  sein  Vorwissen  ge- 
schehen, und  der  Papst  nahm  in  einem  Briefe  vom  22.  Febr.  diese 
Entschuldigung  an  (Storia  lett.  13,  301).  —  Man  erwartete,  Con- 
cina werde  antworten,  und  in  Rom  wurde  schon  als  Titel  seiner 
Antwort  ungegeben:  Ritrattazione  .  .  .  Operetta  curiosa  che  puo 
servire  di  supplemento  alla  Morale  prattica  de'  Gesuiti.  Der  Papst 
Hess  aber  Concina  durch  den  Nuncius  in  Venedig  befehlen,  nicht  zu 
antworten;  Concina  schrieb  darauf  dem  Papste,  er  habe  dieses  gar 
nicht  vorgehabt^). 


1)  Coucina  ist  der  Verfasser  von  Esplicazionc  di  quattro  paradossi 
che  son  in  voga  nel  nostro  secolo,  Lucca  1746  (dem  Card.  Querini  ge- 
widmet), wovon  der  Dominicaner  Fr.  Dufour  eine  Uebersotzuug  herausgab: 
Explication  de  quatre  paradoxes  qui  sont  eu  vogue  dans  notre  siecle, 
avec  uno  proface,  dans  laquelle  on  rend  compte  de  co  (jui  s'est  passe  en 
Italic  k  l'occasion  de  l'hist.  du  probabilisme  et  de  la  coudamuation  des 
nouveaux  Mamillaires,  par  le  R.  F.  1).  C,  k  Lucques  1746  sous  les  au- 
spices  du  Card.  Querini.  üuvrage  trad.  de  l'italien  et  augmente  d'une  re- 
lation  exacte  dos  disputes  sur  la  morale  qui  sc  sont  elevecs  par  delä  des 
monts  depuis  1739  .  .  .  Par  M.  le  Chevalier  Philaletbi  Venitien,  Avignon 
1752,  14Ü  S.  (Sand.  p.  109).  —  In  dieser  Schrift  wird  auch  der  bekannte 
Jo.  Dom.  Mansi,  als  Erzbischof  von  Lucca  f  1769,  als  Freund  der  Jesuiten 


d20  Streit  über  den  ProbabiliBmus. 

In  Reinem  Commentarium  p.  210  macht  Fanre  der  Inq.  zum 
Vorwurf,  dass  sie  Benzi  schärfer  verurtheilt  habe  als  Pascal  und 
Quesnel.  Auch  Cordara  (Döllinger,  Beitr.  3,  11)  ist  unwillig  dar- 
über, dass  Benzins  Buch  verboten,  Concina^s  freigegeben  sei,  und 
knüpft  daran  ähnliche  Bemerkungen  wie  Faure:  In  der  Inq.  sässen 
zwar  in  der  Eegel  die  angesehensten  Cardinäle,  aber  wenn  es  sich 
um  Bücher  handle,  so  liege  die  Entscheidung  so  gut  wie  ganz  in 
den  Händen  der  acht  Ordensgeistlichen,  die  neben  einigen  Prälaten 
Consultoren  seien.  Unter  diesen  8  seien  immer  4  Dominicaner, 
darunter  der  einflussreiche  Commissarius  S.  Officii,  nie  ein  Jesuit. 
Damals  seien  mehrere  den  Jesuiten  feindliche  Cardinäle  Mitglieder 
der  Inq.  gewesen,  Passionei,  Tamburini,  Spinelli  und  namentlich  der 
Dominicaner  Orsi.  So  sei  es  nicht  zu  verwundern,  dass  alle  bei 
der  Inq,  denuncirten  Bücher  von  Jesuiten  verboten  worden.  Als 
Beispiel  könne  Berruyer  dienen.  —  Die  neueren  Jesuiten  scheinen 
doch  Benzi  fallen  zu  lassen:  bei  Hurter  kommt  er  nur  3,  61  vor, 
wo  von  Faure  de  Kede  ist,  und  im  K.-L.  hat  er  keinen  Artikel 
erhalten  und  wird  er  auch  s.  v.  Concina  nicht  erwähnt 

2.  Concina  hat  sich  nicht  bloss  durch  seine  Polemik  gegen 
Benzi  den  Hass  der  Jesuiten  zugezogen,  sondern  auch  durch  seinen 
Kampf  gegen  den  Probabilismus.  Von  der  ersten  Kedaction  seiner 
Hauptschrift  schickte  er  das  Manuscript  mit  dem  Titel  La  m orale 
evangelica  contenente  i  punti  fondamentali,  an  den  Ordensgeneral 
zur  Approbation.  Dieser  bestellte  seinen  Assistenten  Th.  A.  Hic- 
chini,  der  später  Secretär  der  Index- Congr.  und  Mag.  S.  Pal.  wurde, 
und  den  P.  Pio  Tommaso  Schiara,  später  Secr.  der  Index-Congr., 
als  Censoren.  Diese  behielten  das  Manuscript  ein  Jahr  lang,  und 
da  Conc.  drohte,  er  werde  einen  Weltgeistlichen  bitten,  das  Buch 
unter  seinem  Namen  zu  veröffentlichen,  schickten  sie  das  Manu- 
script sehr  stark  castrirt  dem  Inquisitor  zu  Venedig  mit  dem  Auf- 
trage, es  in  dieser  Gestalt  drucken  zu  lassen,  ohne  es  Conc.  sehen 
zu  lassen.  Als  dieser  davon  hörte,  zog  er  das  Manuscript  zurück, 
arbeitete  es  um  und  veröffentlichte  sein  Buch  nun  mit  einer  Wid- 
mung an  den  Card.  Nerio  Corsini  unter  dem  Titel  Della  storia  del 
probabilismo  e  del  rigorismo  dissertazioni  teologiche,  morali  e  criti- 
che,  nelle  quali  si  spiegano  e  daile  sottigliezze  de*  modemi  proba- 
bilisti  si  difendono  i  principj  fondamentali  della  teologia  cristiana, 
Lucca  1743,*  2  vol.  4.  Benedict  XIV.  liess  durch  Card.  Passionei  Conc. 
für  sein  Buch  beloben  und  ihn  beauftragen,  eine  Zusammenstellung 
der  laxen  Moralsätze  aus  den  von  ihm  bekämpften  Autoren  anzu- 
fertigen (Sandelli  B.  p.  6.  12).  Conc.  stellte  216  Sätze  zusammen. 
—  Gegen  Conc.^s  Buch  erschienen  alsbald  mehrere  Streitschriften 
von  den  Jesuiten  Sanvitale,  Nie.  Ghezzi,  Zaccaria  u.  a.,  denen  Conc. 


angegriffen.  Dessen  Tractatus  de  excomraunicatione  et  casibus  reservatis, 
1724,  wurde  —  nicht  von  Concina  —  wegen  laxer  Moralsätze  in  Rom 
denuncirt.  Der  Mansi,  dessen  Bibliotheca  moralis  im  span.  Iudex  expur- 
girt  wird,  ist  ein  anderer,  der  Oratorianer  Jos.  Mansi  (Hurter  3,  101). 


D.   Concina.  821 

und  sein  Ordensgenosae  Vinc.  Maria  Dinelli  antworteten.  Am  22.  Febr. 
1746  schrieb  der  Dominicaner-General  Eipoll  an  Conc,  die  Inqui- 
sition habe  ihm  durch  ein  Viglietto  vom  19.  befohlen,  ihm  die  Ver- 
öffentlichung weiterer  Schriften  über  den  Probabilismus  gegen  Ghezzi 
und  andere  Jesuiten  zu  verbieten;  der  Protector  des  Ordens,  Card. 
Corsini  erklärte  aber,  er  sei  von  dem  Papste  mündlich  beauftragt, 
dieses  Verbot  dahin  zu  erläutern,  dass  nur  die  Fortsetzung  des 
Federkrieges  (privata  gara)  zwischen  Conc,  Ghezzi  u.  s.  w.  beiden 
Theilen  untersagt  sei,  nicht  aber  den  Dominicanern  die  Vertheidigung 
des  Probabiliorismus  (Sandelli  p.  57).  Der  Federkrieg  wurde  aber 
doch  fortgesetzt. 

Einen  neuen  Streit  veranlasste  Conc. 's  umfangreichstes  Werk: 
Theologia  christiana  dogmatico-moralis,  Romae  (Ven.)  1749 — 51, 
12  vol.  4.  (die  beiden  zuletzt  erschienenen  Bände  heissen  Ad  theolo- 
giam  ehr.  .  .  apparatus).  Die  General-Congregation  der  Jesuiten, 
die  im  J.  1751  gehalten  und  in  der  Ign.  Visconti  zum  General  ge- 
wählt wurde,  beschloss,  über  das  Werk,  von  dem  9  Bände  gedruckt 
waren,  bei  Benedict  XIV.  Klage  zu  führen,  und  der  neue  General 
überreichte,  von  seinen  Assistenten  begleitet,  dem  Papste  die  An- 
klageschrift, in  der  300  Sätze  censurirt  wurden  und  die  einen  dicken 
Band  füllte.  Der  Papst  schlug  ihnen  vor,  sie  möchten  den  Band 
drucken  lassen;  dann  wolle  er  beiden  Theilen  Schweigen  gebieten. 
Da  die  Jesuiten  darauf  nicht  eingingen,  wurde  ihnen  aufgegeben, 
eine  compendiösere  Anklageschrift  einzureichen  (abgedr.  Appar.  1, 
210 — 222.  Sand.  p.  148).  Diese  übergab  der  Papst  drei  Theologen, 
liess  sie  aber  durch  den  General  Bremond  auch  Conc.  einhändigen, 
um  sich  zu  vertheidigen  (die  Vertheidigung  abgedr.  Appar.  1,  222 
— 230.  Sand.  p.  161).  Der  Papst  verordnete  darauf,  Conc.  solle 
eine  Erklärung  unterschreiben,  in  der  er  die  in  seinem  Werke  wirk- 
lich vorkommenden  Unrichtigkeiten  berichtige.  Die  von  den  drei 
Theologen  entworfene  Erklärung  verwarf  Benedict  XIV.  mit  den 
Worten:  Non  vogliamo  che  quel  gaiantuomo  di  Concina  sia  aggra- 
vato;  er  dictirte  selbst  eine  Erklärung  und  Hess  sie  Conc.  zustellen 
mit  der  Weisung,  sie  in  lateinischer  Uebersetzung  in  einem  der 
folgenden  Bände  abzudrucken.  Sie  ist  im  1.  Bande  des  Apparatus 
abgedruckt  mit  der  Ueberschrift:  Declaratio  et  sincera  protestatio 
Fr.  D.  Concinae  super  aliquibus  oppositionibus  factis  contra  tomoß 
suae  Theologiae  ehr.  .  .  recens  typis  editos  (3  BL,  auch  separat 
Romae  1752;  U.  N.  1753,  247).  Der  Anfang  lautet:  Ich  erkläre, 
dass  ich  nie  die  Gesellschaft  Jesu  habe  beleidigen  wollen,  über  die 
ich,  wie  ich  auch  im  1.  Bande  p.  124  gesagt,  immer  mit  gebühren- 
der Achtung  gesprochen  habe.  Was  hiemit  nicht  in  Einklang  stehen 
sollte,  nehme  ich  zurück.  Ich  habe  als  einfacher  Theologe  Mei- 
nungen einzelner  Autoren  aus  der  Gesellschaft  wie  aus  anderen 
Orden  widerlegt;  aber  ich  habe  nur  diese  Meinungen  widerlegen, 
nicht  die  Autoren  beschimpfen  wollen.**  Dann  folgt  eine  Antwort 
auf  die  einzelnen  Anklagepunkte,  und  zuletzt:  Ceterum  si  quid 
peccavi,  si  quid  convicii,  imposturae,  contumeliae  aut  cujusvis  alte- 
rius    generis    injuriae   calamo    meo,    sane    praeter  animum,    excidit. 


822  Streit  über  den  Probabilismus. 

ingenue  retracto  omnia,  deleo,  improbo,  detestor.  —  Aehnlicli  ver- 
fuhr etwas  später  die  Index- Congr.  mit  dem  Jesuiten  Nie.  Ghezzi, 
dessen  Buch  De*  principj  dclla  morale  filosofia  riscontrati  co'  prin- 
cipj  della  cattolica  religione  11.  3,  Mailand  1752,  bei  ihr  denuncirt 
worden  war.  Sie  übersandte  ihm  eine  Dichiarazione  e  protestazione, 
die  er  unterschreiben  und  drucken  lassen  musste,  damit  sie  seinem 
Buche  beigeheftet  werde.  Sie  beginnt:  „Auf  Befehl  der  Index- 
Congr.  und  um  meine  katholische  Gesinnung  zu  beweisen,  erkläre 
ich,"  und  bezieht  sich  auf  12  Sätze,  zum  Theil  auf  solche,  in  denen 
er  Ansichten  seiner  Gegner  als  Jansenistisch,  die  Gegner  des  Pro- 
babilismus als  Eigoristen  und  Jansenisten  bezeichnet  hatte,  auch  die 
Sätze:  im  allgemeinen  hätten  in  Moralfragen  die  Theologen  des  18. 
Jahrh.  mehr  Autorität  als  die  der  früheren  Jahrhunderte  und  sei 
in  Sachen,  die  das  Gewissen  betreffen,  ein  guter  Summist  mehr 
werth  als  alle  Kirchenväter^).  —  Es  ist  den  Jesuiten  nicht  zu  ver- 
denken, dass  sie  die  Erklärung  von  Conc,  und  den  Dominicanern 
nicht,  dass  sie  die  von  Ghezzi  separat  drucken  Hessen  und  in  zahl- 
reichen Exemplaren  verbreiteten;  es  ist  auch  erklärlich,  dass  darüber 
gestritten  wurde,  welche  der  beiden  Erklärungen  mit  mehr  Recht 
als  Retractation  bezeichnet  werden  könne.  —  Auch  ein  Dominicaner 
Gonsalvo  Carattini,  mit  welchem  Conc.  eine  Controverse  hatte,  musste 
ifyjyrjnxij  quarundam  operis  Vita  claustralis  propositionum,  ab  auc- 
tore  ejusdem  ad  amicum  scripta  et  per  modum  appendicis  operi  ad- 
nexa,  Verona  1744,  drucken  lassen  (Sandelli  p.  47). 

Ghezzi  hat  auch  Saggio  di  supplementi  teologici  morali,  di 
cui  abbisogna  la  Storia  del  Probabilismo  e  Rigorismo,  Lucca  1744, 
geschrieben.  Das  Buch  sollte  in  Mailand  gedruckt  werden ;  der  In- 
quisitor hatte  schon  die  Druckerlaubniss  ertheilt,  da  erhielt  er  die 
Weisung,  das  Manuscript  nach  Rom  zu  schicken.  Ghezzi  zog  nun 
dieses  zurück  und  schickte  es  nach  Lucca  an  Mansi,  den  Sandelli 
p.  52  bei  dieser  Gelegenheit  als  Haupt- Probabilisten  seiner  Zeit  be- 
zeichnet. Damals  schrieb  aber  Giov.  Lami  an  den  Jesuiten-General: 
wenn  er  fortfahre  es  zu  dulden,  dass  seine  Patres  anständige  Leute 
mit  ihren  Pasquillen  verhöhnten,  werde  man  für  dieses  Treiben  den 
Orden  verantwortlich  machen.  Darauf  befahl  der  General,  den  schon 
begonnenen  Druck  des  Buches  von  Ghezzi  einzustellen,  und  gestattete 
später  die  Fortsetzung  desselben  nur  unter  der  Bedingung,  dass 
die  einzelnen  Bogen  zur  nochmaligen  Durchsicht  nach  Rom  gesandt 
würden. 

Von  Patuzzi's  Werken  sind  die  Lettere  teologico-morali  di 
Eusebio  Eraniste,  Trient  1751 — 54,*  6  voL  8.,  für  einige  Abschnitte 
der  Geschichte  des  Index  von  grossem  Werthe.  Ueher  seine  anderen 
Streitschriften  und  die  Gegenschriften  s.  Backer  s.  v.  Balla  und 
Gagna;  Werner,  Fr.  Suarez  1,  362.  Gegen  LiguoriV  Breve  disser- 
tazione  deir    uso  dell'   opinione    probabile,    1762,    schrieb  Patnzzi : 


1)  Storia  lett.  9,  68.  Suppl.  ai  tomi  4  e  5  della  Storia  lett.  2,  282. 
Sandelli  p.  183. 


G.  V.  Patuzzi.    Alf.  Liguori.    G.  B.  Faure.    D.  Stedlcr.  823 

La  causa  del  probabilismo  ricbiamato  all'  esame  da  Mons.  di  Li- 
gaori  e  novellamente  convinta  di  falsitä  da  Adelfo  Dositeo,  Ferrara 
(Ven.)  1764;  vgl.  Werner  S.  365.  —  Liguori's  Praxis  confessarii 
Ven.  1757  wird  im  span.  Index  von  1790  nach  einem  Edict  der 
span.  Inquisition  von  1762  expurgirt;  es  werden  6  Stellen  gestrichen. 
In  dem  Index  von  1805  wird  noch  eine  Stelle  in  einer  zu  Rom 
1767  erschienenen  Ausgabe   der  Theol.  moralis  gestrichen. 

Im  Vorstehenden  sind  zwei  Biographieen  benutzt  worden :  Dio- 
nysii  Sandellii  Patavini  de  DanieÜs  Concinae  vita  et  scriptis  com- 
mentarius,  Brixiae  1767,*  292  S.  4.  (mit  neuer  Paginirung  sind 
Epistolae  clarorum  virorum  ad  P.  D.  Concinam  angehängt,  99  S.), 
und  Vita  del  Padre  Daniello  Concina  dell'  Ordine  de'  Predicatori, 
che  serve  di  compimento  alle  celebri  Lettere  teologico-morali  di 
Eusebio  Eraniste,  Brescia  1768,*  XXIV  und  300  S.  8.  Diese  wird 
als  eine  italienische  Bearbeitung  der  von  einem  ungenannten  unter 
dem  Namen  D.  Sandelli  herausgegebenen  Vita  bezeichnet,  der  einige 
Notizen  und  ungedruckte  Briefe  beigefügt  seien.  Sie  wurde  1777 
verb.,  wahrscheinlich  weil  darin  gesagt  wird:  der  Streit  darüber, 
ob  die  5  Sätze  von  Jansenius  gelehrt  worden,  sei  kein  dogmatischer 
Streit,  also  der   sog.   Jansenismus  ein  Phantom  (N.  E.  1777,  56)^). 

Am  21.  Nov.  1757  wurde  noch  verb.  De  praxi  Quesnelliana 
in  dilatione  sacramentalis  absolutionis,  ad  propositiones  87.  et  93. 
ex  101  proscriptis  in  Bulla  Unigenitus,  dissertatio  dogmatica.  Nach 
den  N.  E.  1757,  93.  186  ist  diese  Dissertation  von  Faure,  der  Druck 
derselben  aber  sistirt  worden,  als  80  S.  4.  gedruckt  waren.  Es 
wird  dieselbe  Schrift  sein,  die  nach  der  Bibliografia  Romana,  1880, 
I,  113,  wo  Faure*s  Schriften  verzeichnet  werden,  1791  zu  Rom  er- 
schien in  dem  Buche:  In  Arnaldi  librum  de  freq.  communione  Me- 
diolani  nuper  recusum  et  in  alterum  ejusdem  de  traditione  Ecclesiae, 
in  quibus  Quesnelliana  ab  Ecclesia  damnata  praxis  de  absolutionis 
dilatione  adstruitur,  dissert.  postuma  et  imperfecta,  ab  altero  .  .  . 
ad  metam  perducta. 

3.  Ein  Buch  des  Jesuiten  Daniel  Stadler  (1705 — 64),  Tractatus 
de  duello  honoris  vindice  ad  theologiae  et  juris  principia  examinato, 
Ingoist.  1751,  4.,    worin    das    Duell    als   unter  Umständen    erlaubt 


1)  Von  der  Vita  von  Sandelli  gibt  es  auch  eine  Ed.  altera,  Venotiis 
1767*,  4.  Melzi  3,  252  erwähnt  noch  De  vita  et  studiis  P.  Daniclis  Con- 
cinae 0.  P.  commentarius  cura  et  studio  V{incentii)  F(as8ini)  R(aconien8is), 
Veu.  1762,  8.,  und  meint  irrthümlich,  diese  sei  verb.  worden  und  darauf 
habe  Fassini  die  Biographie  unter  dem  Namen  Sandelli  herausgegobcn. 
Die  italienische  Vita  erwähnt  er  1,  289  als  unter  dem  Namen  Niceforo 
Desmio  erschienen,  und  sagt,  die  Uebersetzung  sei  von  einigen  Priestern 
im  Seminar  zu  Brescia  angefertigt  und  von  Fassini  selbst  revidirt  worden, 
Sandelli  p.  228  sagt:  ein  dürftiger  Commentarius  de  vita  et  studiis  etc., 
den  Lami  dem  P.  Fassini  zuschreibe,  stehe  im  5.  Bande  des  nach  Con- 
cina's  Tode  erschienenen  Theologiae  ehr.  .  .  Compendiura,  Bologna  1762. 
Eine  andere  Biographie  von  Lu«ircntius  Rubeus  steht  in  Theologia  christ. 
.  .  in  duos  tomos  contracta,  Bologna  1769^^. 


824  Streit  über  den  Probabilismus. 

dargestellt  wird,  wurde  in  Rom  denuncirt  und  gab  Veranlassung 
zu  einer  Bulle  vom  10.  Nov.  1751  (Bull.  4,  22),  worin  Benedict  XIV. 
die  Decrete  früherer  Päpste  und  des  Trienter  Concils  gegen  das  Duell 
(I  S.  511)  recapitulirt,  bestätigt  und  verschärft  und  auf  Grund  des  Gut- 
achtens einer  speciellen  Congregation  von  Cardinälen  und  Theologen  5 
Sätze  über  die  Erlaubtheit  des  Duells  in  bestimmten  Fällen  unter  An- 
drohung der  Excomm.  1.  sent.  zu  lehren  verbietet.  Diese  Sätze,  sagt  er, 
seien  aus  Schriften  von  Neueren  entnommen.  Stadler  wird  nicht 
genannt.  Sein  Buch  steht  auch  nicht  im  (Römischen,  wohl  aber 
im  Wiener)  Index.  Er  musste  aber  retractiren,  und  es  wurde  ihm 
aufgegeben,  seine  Ansichten  in  einer  neuen  Auflage  zu  berichtigen. 
Eine  solche  ist  aber  nicht  erschienen.  Hurter  3,  179  lobt  sein  Buch 
als  gelehrt,  genau  und  gründlich,  ohne  die  Bulle  zu  erwähnen  ^).  — 
Als  ein  Beispiel  von  liberaler  Handhabung  der  Censur  unter  Bene- 
dict XIV.  kann  auch  angeführt  werden,  dass  1747  eine  Schrift 
(Dissertation)  des  baierischen  Prämonstratensers  Georg  Lienhardt 
(f  1783),  Ogdoas  erotematum  ex  octonis  theosophiae  scholasticae 
tractatibus  publicae  luci  et  concertationi  exposita,  Ulm  1746,  un- 
bedingt verb.,  dann  aber  1748  auf  die  Vorstellung  des  General- 
Procurators  der  Prämonstratenser  der  Index-Congr.  befohlen  wurde,  die 
beanstandeten  Sätze  dem  Verfasser  mitzutheilen ,  damit  er  von 
seiner  Schrift  eine  verbesserte  Ausgabe  veröffentlichen  könne,  die 
freilich  nicht  erschienen  ist^). 

Der  Jesuit  Franz  Neumayr  (1695 — 1765)  hat  eine  Menge 
von  Controverspredigten  drucken  lassen  (die  Titel  beginnen  durch- 
weg mit:  Frag:  ob;  Backer  s.  v.).  Frag:  ob  der  Probabilismus 
oder  die  gelindere  Sittenlehr  catholischer  Schulen  abscheulich  und 
zu  vermaledeyen  seye?  Beantwortet  von  P.  Fr.  Neumayr  S.  J., 
des  hohen  Dom-StifFts  der  Reichs-Stadt  Augspurg  Ordinari  Predigern, 
wider  die  protestantischen  Zeitungsschreiber^)  am  Oster- Dienstag  im 
Jahr  Christi  1759,  wurde  von  der  Inq.  Fer.  V.  29.  Mai  1760  quo- 
vis  idiomate  verdammt  als  resp.  ärgernissgebende,  verderbliche,  ver- 
wegene und  fromme  Ohren  beleidigende  Sätze  enthaltend.  Der  Je- 
suit macht  von  dem  Probabilismus  eine  eigenthümliche  Anwendung: 
wenn  einem  Haeretiker  nach  hinreichender  Discussion  der  Religion 
seine  eigene  noch  probabel  scheinen  würde,  so  könne  und  müsse 
er  in  derselben  bleiben,  obwohl  ihm  die  katholische  Religion  merk- 
lich probabeler    scheine    (ähnlich  schon  Thomas    Sanchez;     Patuzzi 


1)  Concina,  Theol.  ehr.  contr.  1,  194.  320.  —  Zu  einer  Stelle  in 
Barth.  Cassauaeus,  Catalogus  gloriae  mundi,  1586  und  1612,  verordnet 
Lies.  1624  am  Rande  beizufügen:  Duella  nunquam  privata  auctoritate, 
publica  nisi  in  raro  casu  licent,  Sot.  p.  92:  Duella  nonnisi  publ.  auct.  et 
raro  permittuntur. 

2)  Münchener  Allg.  Reichsarchiv.  Kl.  Fölling,  Fase.  17,  No.  127. 
lieber  Lienhardt  s.  Feller  s.  v.  Hirsching  4,  1,  267. 

3)  Heinr.  Gross  hatte  in  einer  Erlanger  Zeitschrift  über  den  Pro- 
babilismus geschrieben.  Die  Predigt  erschien  1759  in  zwei  Auflagen,  auch 
lateinisch:  Quaestio  an  prob,  etc.,  mit  Anmerkungen. 


G.  Lienhardt.     Fr.  Noiiniayr.     Thesen  von  Aviso.  825 

1,  275).  Eusebius  Amort  hatte  die  Predigt  bei  einem  Cardinal 
denuncirt.  Der  Bischof  von  Augsburg  veröffentlichte  das  Verbot 
und  nöthigte  Neumayr,  dasselbe  zu  unterschreiben.  Die  Jesuiten 
sprengten  dann  aber  aus,  der  Papst  sei  hintergangen  worden ;  die 
Predigt  wurde  als  pures  Wort  Gottes  gej)ne8en,  das  gleichsam  nur 
von  der  Synagoge  angefochten  worden,  und  Neumayr  als  unschuldig 
verdammter  Märtyrer  gefeiert^).  In  einer  1774  erschienenen  Schrift 
werden  die  „in  Rom  sehr  zahlreichen"  Jansenisten  für  die  Ver- 
dammung verantwortlich  gemacht.  —  Der  Erzbischof  Migazzi  von 
Wien  verbot  1760  die  Predigt  gleichzeitig  mit  dem  Werke  von 
Berruyer.  Die  deutsche  und  die  lateinische  Ausgabe  der  Predigt 
wurden  1762  auch  in  Spanien  verb.,  speciell  aber  das  Titelkupfer, 
welches  nach  der  Beschreibung  des  span.  Index  die  Stellen  Ps.  138, 
12;  71,4  (Dens  humiliabit  calumniatorem),  den  Namen  Jesus,  einen 
Mercurius,  Porträts  des  Papstes  und  Ferdinands  VI.  und  Henker, 
welche  Bücher  verbrennen,  enthält.  Unter  diesen  Büchern  war  eins 
als  Palafox'  Werke  bezeichnet,  und  das  hat  das  spanische  Verbot 
veranlasst  (Obras  de  Palafox,  T.  I,  e  3  v.). 

Fer.  V.  26.  Febr.  1761  verdammte  die  Inq.  (coram  Clemente 
XIII.)  Plagula  undecim  thesium,  cui  titulus:  Probabilismus  dis- 
putationi  ven.  clero  Avisiensi  exercitii  gratia  expositus  contra  proba- 
biliorismum  stricte  taleni,  utpote  negotium  perambulans  in  teuebris, 
pro  die  10.  Jun.  1760  in  aedibus  canonicalibus  Avisii.  Die  11 
Thesen  hatten  den  Geistlichen,  die  zu  Aviso  bei  Trient  darüber  dis- 
putirten,  nur  handschriftlich  vorgelegen;  der  Fürstbischof  Franz  Felix 
Alberti  von  Trient  verdammte  sie  3.  Jan.  1761  in  einem  Circular 
an  sämmtliche  Pfarrer,  als  sie  ausserhalb  seiner  Diöcese  gedruckt 
erschienen  waren ;  der  Canonicus  Ceschi  denuncirte  sie  in  Rom.  Das 
Decret  der  Inq.  wurde  dem  Fürstbischof  zugesandt,  der  es  den 
Pfarrern  mittheilte  und  im  Auftrage  der  Inq.  den  Pfarrer  von  Aviso 
zum  Widerruf  autforderte.  In  dem  Decrete  (bei  Concina,  Theol. 
Christ.,  1769,  2,  439;  Fleur.  84,327)  sind  die  11  Thesen  abgedruckt; 
das  Blatt  wird  verdammt,  weil  es  Sätze  enthalte,  von  denen  einige  resp. 
falsch,  temerär  und  für  fromme  Ohren  verletzend  seien,  einer  — 
der  Wahre  Probabilismus  oder  Benignismus  sei  Christo  Domino 
summe  familiaris  gewesen  —  irrig  und  haeresi  proxima.  Die 
Sätze  waren  grösstentheils  fast  wörtlich  entnommen  aus  Conclusio- 
nes,  welche  die  Jesuiten  1754  zu  Palermo  hatten  vertheidigen  und 
drucken  lassen,  die  aber,  weil  nicht  denuncirt,  auch  nicht  verdammt 
worden  waren.  Als  Patuzzi  gegen  Liguori  behauptete,  die  Inq. 
habe  den  Probabilismus  verdammt,  da  in  der  ersten  der  11  Thesen 
der  Satz  vorkomme :  Licet  sequi  sententiam  minus  probabilem  pro 
libertate  relicta  probabiliori  pro  lege,  fragte  Liguori  bei  dem  Card. 
Gotti  als  Poenitentiarius  major,  bei  dem  Secretär  der  Index -Congr. 
und  bei  dem  Mag.  S.  Pal.  an,  und  erhielt  den  Bescheid:  es  seien 
nicht  alle  einzelnen  Sätze  des  Blattes  verdammt  worden  ^). 


1)  Friedrich,  Beitr.  zur  Kirchengesch.  S.  87.  115.  Flour.  84,  306. 

2)  Acten  über  die  Erhebung  Liguuri's  zum  Doctor  Eccl.  col.  487. 


826  Streit  über  den  Probabilismus. 

4.  Gregor  XVI.  sagt  in  der  Bulle  vom  J.  1839,  durch  welche 
Liguori  heilig  gesprochen  wurde  (selig  gesprochen  war  er  1816  von 
Pius  VII.):  Ilhid  in  prirais  notatu  dignum  est,  quod  licet  copiosis- 
sime  scripserit,  ejusdem  tarnen  opera  inoffenso  prorsus  pede  percurri 
a  fidelibus  posse,  post  diligens  institutum  examen  perspectum  fue- 
rit,  und  Pius  IX.  in  dem  Breve  von  1871,  wodurch  ihm  der  Titel 
Doctor  Ecclesiae  zuerkannt  wurde  (Acta  S.  S.  6,  320):  Ipse  errorum 
tenebras  ab  incredulis  et  Jansenianis  late  diffusas  doctis  operibus, 
maxime  theologiae  moralis  tractationibus,  dispulit  atque  dimovit, 
obscura  insuper  dilucidavit  dubiaque  declaravit,  cum  inter  implexas 
theologorum  sive  laxiores  sive  rigid iures  sententias  tntam  straverit 
viam,  per  quam  christifideliuni  animarum  moderatores  inoffenso  pede 
incedere  possent.  —  Als  der  Erzbischof  von  Besan^on,  Card.  Rohan 
Chabot,  der  Poenitentiarie  die  Frage  vorlegte:  ob  ein  Beichtvater 
zu  beunruhigen  sei,  der  die  Werke  Liguori's  nur  gelesen,  um  dessen 
Ansichten  kennen  zu  lernen,  ohne  sich  um  die  Begründung  der- 
selben zu  kümmern,  und  der  in  praxi  sich  nach  diesen  Ansichten 
richte,  lediglich  darauf  gestützt,  dass  der  h.  Stuhl  in  seinen  Werken 
nichts  der  Censur  Würdiges  gefunden,  entschied  die  Poenitentiarie 
5.  Juli  1831  verneinend,  habita  ratione  mentis  S.  Sedis  circa  appro* 
bationem  scriptorum  servorum  Dei  ad  effectum  canonisationis  (Acta 
S.  S.  1,  497),  und  auf  eine  Anfrage  eines  Professors,  der  den  an 
seiner  Universität  vorgeschriebenen  Eid  geleistet,  er  wolle  nach 
Kräften  den  Probabiliorismus  vertheidigeu,  ob  er  gegen  diesen  Eid 
handle,  wenn  er  in  allem  der  Lehre  des  h.  Alphons  folge,  —  er 
fügte  die  Bitte  bei,  man  möge  ihn  eventuell  von  diesem  Eide  ent- 
binden, —  entschied  die  Poenitentiarie  19.  Dec.  1855,  die  Frage  sei 
zu  verneinen  und  also  eine  Entbindung  von  dem  Eide  nicht  nöthig 
(Hurter  3,  464). 

Cr6t.-Joly  6,  231  sagt:  „Die  Lehre  Liguori's  ist  identisch  mit 
der  der  Theologen  der  Gesellschaft.  Seine  Moraltheologie  ist  nur 
ein  Commentar  zu  der  Medulla  des  P.  Busembaum,  deren  Text  er 
vollständig  aufgenommen.  Seine  Canonisation  war  also  die  Recht- 
fertigung der  Casuisten  der  tiesellschaft  und  namentlich  Busembaums.'' 
Und  der  Jesuit  de  Montezon  (bei  S.-Beuve  I,  526)  sagt:  „Die* Lehre 
der  Jesuiten  ist  bei  einer  feierlichen  Gelegenheit  von  der  Kirche 
als  gegen  jeden  Tadel  geschützt  anerkannt  worden,  durch  das  Ur- 
theil,  welches  über  die  Moraltheologie  Liguori's  bei  seinem  Selig- 
sprechuugsprocess  gefällt  worden  ist.  Denn  wenn  dabei  auch  die 
Jesuiten  nicht  ausdrücklich  genannt  werden,  so  betriflFt  das  ürtheil 
doch  direct  ihre  Theologie,  die  der  ehrwürdige  Bischof  zu  der  sei- 
nigen gemacht.  Bei  der  Prüfung  der  Lehre,  welche  der  Selig- 
sprechung vorhergeht,  wurde  gegen  Liguori  geltend  gemacht^  dass 
er  seine  Moraltheologie  auf  den  Probabilismus  gestützt  ...  Er  hatte 
auch  Jesuiten,  namentlich  Busembaum  zu  Führern  genommen  und 
in  den  meisten  Fällen  die  Entscheidungen  dieser  Theologen  zu  den 
seinigen  gemacht,  selbst  diejenigen,  welche  Pascal  und  seine  Nach- 
ahmer mit  ihrer  schwärzesten  Kohle  angestrichen  ....  Nihil  cen- 
sura  dignum,    heisst    es    in  dem   Decrete,    und    später    erklärte  ein 


Bibliothdquo  Janseniste  und  spanischer  Index  ven  1747.  827 

anderes  EömisclieB  Tribunal,  jeder  Beichtvater  dürfe  ohne  weitere 
Prüfung  sich  nach  allen  Entscheidungen  Liguori^s  richten.  Das  ist 
eine  vollständige  und  feierliche  Apologie  der  Lehre  der  Jesuiten, 
durch  die  zugleich  ein  gewisser  Tadel  gegen  die  übertriebene  Strenge 
der  entgegengesetzten  Lehre  ausgesprochen  wird."  S.-Beuve  selbst 
sagt  3,  455  mit  Eücksicht  auf  die  Vorrede  der  Benedictiner  von 
Solesmes  zu  ihrer  Ausgabe  der  Werke  Liguori's  (1734):  „Die  be- 
queme Moral  der  Jesuiten,  welche  Pascal  denuncirte,  ist  nun  ganz 
gesund  und  heilsam  geworden;  sie  ist  mehr  als  amnestirt,  sie  ist 
präconisirt  worden.  Liguori  hat  nichts  anderes  gethan,  als  sie  zu 
Ehren  gebracht,  sie  praktisch  gemacht  und  sie  in  authentischer 
Weise  unter  den  Christen  in  Umlauf  gesetzt.  Das  ist  recht  eigent- 
lich sein  Beruf  gewesen;  für  eine  so  grosse  Wohlthat  verdient  er 
als  ein  Mittler  zwischen  Himmel  und  Erde  begrüsst  zu  werden**^). 
Nachdem  Liguori  zum  Doctor  ecclesiae  erhoben  und  so,  wie 
Hurter  3,  464  sagt,  „den  hh.  Athanasius,  Augustinus,  Bernardus,  Tho- 
mas, Bonaventura  und  anderen  Säulen  der  Kirche  und  der  theolo- 
gischen Wissenschaft  zugesellt"  worden,  haben  übrigens  die  Jesuiten, 
speciell  Ant.  Ballerini,  zu  zeigen  unternommen,  seine  Entscheidungen 
seien  zum  Theil  noch  zu  rigoristisch  und  sein  Aequiprobabilismus 
müsse,  um  haltbar  zu  sein,  im  Sinne  des  gewöhnlichen  Probabilis- 
raus  gedeutet  werden;  sie  haben  dadurch  eine  Controverse  mit  den 
Kedemtoristen  hervorgerufen,  welche  das  ilirem  Stifter  zuerkannte 
Nihil  censura  dignuni  auch  den  Jesuiten  gegenüber  zur  Geltung 
bringen  wollen.  Es  hiess  einmal,  Ballerini  werde  in  den  Index 
kommen ;  aber  seine  Bücher  sind  in  Koni  mit  Approbation  des  Mag. 
S.  Pal.  erschienen^). 


78.     Die  Bibliotheque  Janseniste  und  der  spanische 

Index  von  1747. 

Im  J.  1722  veröffentlichte  der  Jesuit  Dominique  de  Colonia 
unter  dem  Titel  Bibliotheque  Janseniste  ein  Verzeichniss  der 
von  den  Jesuiten  als  Jansenistisch  angesehenen  Schriften,  worunter 
natürlich  sehr  viele  sind,  die  in  Rom  nie  verboten,  einige,  die  ans- 


1)  Fr.  Meyrick,  Moral'  and  devotioual  Theology  of  the  Church 
of  Korne  aocordingr  to  the  authoritative  teaching  uf  S.  Alfonso  de'  Liguori, 
Lond.  1857  (handelt  auch  von  den  „Ilcrrlichkeiteu  Mariac**).  Auch  Leo  XIII. 
hat  1879  Liguori's  Theologie  gepriesen  und  dabei  hervorgehoben:  nervo- 
sissime  propugnavit  Rom.  Pontificis  primatum  et  infallibile  magisterium 
(Acta  JS.  S.  12,  273). 

2)  Vgl.  über  den  Streit  Katholik  1873,  2,  222;  1874,  1,  164.  Lit. 
Hdw.  1873,  228;  1875,  74.  Th.  Lit.Bl.  1874,  21. 


828  Bibliuihcquü  Janseniste  und  spanischer  Index  von  1747. 

drticklich  freigegeben  worden  waren  ^).  Aus  einer  spätem  Auf- 
lage dieses  Buches  stammt  das  Verzeichniss  der  Jansenistischen 
Bücher,  welches  dem  spanischen  Index  von  1747  augehängt  ist 
(S.  54).  In  jenem  jesuitischen  und  diesem  spanischen  Index 
steht  auch  das  Werk  des  Cardinais  Noris,  welches  in  Rom 
wiederholt  denuncirt,  geprüft  und  freigegeben  worden  war  (S.671). 
Das  veranlasste  Benedict  XIV.,  zunächst  1748  dem  spanischen 
General-Inquisitor  in  einem  sehr  interessanten  Privatbriefe  Vor- 
stellungen zu  machen,  dann,  da  dieses  erfolglos  blieb,  das  Ver- 
bot des  Werkes  von  Noris  zu  suspendiren  und  bei  dem  Könige 
von  Spanien  Beschwerde  darüber  zu  führen.  Erst  1758  wurde 
das  Verbot  aufgehoben.  —  Die  Bibliotheque  Janseniste  wurde 
1749  von  der  Index-Congregation  verboten.  Die  Jesuiten  rächten 
sich  dafür  durch  drei  Pasquille  gegen  den  Secretär  derselben, 
Kicchini,  —  auch  diese  wurden  natürlich  verboten,  —  und  1752 
veröffentlichte  P.  Patouillet  eine  bedeutend  vermehrte  Ausgabe 
der  Bibliotheque  unter  dem  Titel  Dictionnaire  des  livres  Janse- 
nistes,  in  welchem  Noris  weggelassen,  aber  u.  a.  Werke  der 
Augustiner  Bellelli  und  Berti  verzeichnet  wurden,  welche  eben 
damals  in  Rom  denuncirt,  untersucht  und  freigegeben  worden 
waren.    Das  Dictionnaire  wurde  1754  verboten. 

1.  Dass  Dominique  de  Colonia,  geb.  1660  zu  Aix,  f  1741  zu 
Lyon,  der  Herausgeber  der  Bibliotheque  ist,  ist  unbestritten,  obschon 
in  seinem  Eloge  in  den  Mem.  de  Trevoux  1741,  2101  das  Buch 
nicht  genannt  wird.  Die  erste  Ausgabe  ist  nur  ein  kleines  Bänd- 
chen:  Bibliotheque  Janseniste,  ou  catalogue  alphabetique  des 
principaux  livres  Jans,  ou  suspects  de  Jansenisme,  qui  ont  paru  de- 
puis  la  naissance  de  cette  heresie,  avec  des  notes  critiques  sur  les 
veritables  auteurs  de  oes  livres,  sur  les  erreurs  qui  y  sont  conte- 
nues  et  sur  les  condamnations,  qui  en  ont  ete  faites  par  le  Saint 
Siege  ou  par  TEglise  gallicane  ou  par  les  ^veques  diocesains,  s.  1. 
1722*,  24  Bl.  und  308  S.  4.  Eine  2.  Edition  corrig*e  et  augmen- 
tee  de  plus  de  la  moitie  erschien  zu  Lyon  1731*  (N.  E.  1731,302), 
auch  8.  1.  (in  Holland)  1735.  Die  3.  Ausgabe  erschien  zu  Brüssel 
1739  in  2  vol.,  die  4.  ebendaselbst  1744  (also  nach  dem   Tode  Co- 


1)  Schon  früher  war  erschienen:  Bihliotheca  siutijanseniana  8.  cata- 
loßus  piorum  eruditorumque  scriptorum,  qui  C.  Jansenii  ...  et  Janse- 
nianorum  haeresim,  errores  ineptiasque  oppugnarunt,  cum  praeludiis  hi- 
storiac  et  cribratione  farragiuis  Jansenisticae,  Paris  1654,  104  S.  4.,  von 
Phil.  Labbe  S.  J.  Die  Iniago  primi  saecuh  Jansenistarum  von  Alph.  Huyleu- 
broucq,  f  1722,  ist  nicht  gedruckt,  aber  wahrscheinlich  für  das  Dict.  be- 
nutzt worden.  Backer  2,  807. 


Bibliothdque  Janseniste.  829 

lonia's)  in  2  vol.  unter  dem  Titel:  Bibl.  Jans,  ou  cat.  alphab.  de 
livres  JanRenisteR,  Quesnelistes,  Baianistes  ou  suspects  de  ces  erreurs 
etc.  (N.  E.  1760,  82).  Das  Verbot  erfolgte  durch  ein  besonderes 
Beeret  vom  20.  Sept.  1749  (Catalaui,  Secr.  p.  58),  welches  von  dem 
Card.  Guadagni  als  Praefecten,  dem  Dominicaner  Riech ini  als  Secre- 
tär  der  Index-Congr.  unterschrieben  ist.  Verboten  werden  darin 
alle  Ausgaben,  —  dem  Titel  der  letzten  ist  beigefügt:  Bruxellis 
1744  et  alibi,  und:  quocunque  idiomate,  —  und  motivirt  wird  das 
Verbot  durch  die  Bemerkung,  das  Buch  enthalte  mehreres,  was  resp. 
falsch,  temerär,  für  katholische  Schulen  und  Schriftsteller,  auch 
kirchlich  hochgestellte  (etiam  ecclesiastica  dignitate  emineutibus), 
injuriös  sei  und  Decreten  des  apostolischen  Stuhles  widerspreche. 
Am  Schlüsse  wird  angegeben,  das  Decret  sei  Benedict  XIV.  durch 
den  Secretär  vorgelegt  worden  und  er  habe  es  bestätigt  und  zu  pu- 
bliciren  befohlen.  —  Mit  den  in  der  Bibl.  übertretenen  Decreten 
sind  das  Breve  von  1694  (S.  643)  und  ähnliche  gemeint,  mit  den 
hochgestellten  Schriftstellern  namentlich  Card.  Bona,  dessen  Epistola 
(S.  520),  und  Card.  Noris,  dessen  Hist.  Pelag.  in  der  Bibl.  steht, 
letztere  mit  der  Bemerkung,  sie  sei  dreimal  dem  h.  Stuhle  denuncirt, 
aber  nie  verdammt  worden.  Auch  viele  andere  Bücher  stehen  in 
der  Bibl.,  die  in  Rom  ausdrücklich  freigegeben  worden,  wie  Ar- 
naulds  Frcq.  Communion,  oder  doch  nicht  im  Rom.  Index  stehen, 
wie  Petri  Aurelii  opera,  Theologie  de  M.  Habert,  Theol.  morale  de 
6 renoble,  die  Meditations  von  Bossuet,  die  Essais  de  morale  von 
Nicole,  der  Tractatus  de  Sanctorum  .  .  .  cultu  von  Neercaesel  u.  s.  w. 
Bald  nach  dem  Verbote  erschien  s.  1,  Epistola  Doctoris 
Sorbonici  ad  amicum  Belgam,  Parisiis  XII.  Kai.  Dec.  1749,  auch 
französisch:  Lettre  et<;.,  von  dem  Jesuiten  Pietro  Lazeri  verfasst 
(U.  N.  1750,  119.  552),  eine  bittere  Satire  auf  das  Decret,  von 
welchem  behauptet  wird,  es  gehe  gar  nicht  von  der  Index-Congr. 
aus,  sondern  sei  von  Ricchini  fabricirt,  der  das  Interesse  des  Papstes 
für  Card.  Noris  benutzt  habe,  um  ihm  einzureden,  durch  das  Verbot 
der  Bibliotheque  könne  das  Verbot  der  Werke  von  Noris  im  span. 
Index  paralysirt  werden  (Catalani  p.  82).  Ricchini,  heisst  es  ferner, 
sei  pro  suo  arbitrio  Dominus  et  moderator  der  Index-Congr.;  mit 
dieser  könne  es  nicht  besser  werden,  wenn  nicht  die  Mönche  entfernt 
und  gelehrte  und  angesehene  Praelaten  an  ihre  Stelle  gesetzt  wür- 
den; die  Index  -  Decrete  seien  so  in  Missachtung  gekommen,  dass 
davon  Menage's  Wort  gelte:  Notabitur  Romae,  legetur  ergo.  —  Das 
Schriftchen  wurde  mehreren  Cardin älen  und  anderen  Personen  in 
Rom  zugeschickt.  Als  Entgegnung  darauf  erschien  Romani  Phila- 
lethis  ad  Theologum  Lovaniensem  Epistola  de  justa  Bibliothecae 
Jansenianae  proscriptione,  Ven.  1750,  4.,  pridie  Idus  Martii  1750 
datirt,  nicht  von  Ricchini,  wie  Melzi  1,  279  angibt,  sondern  von 
Concina  (in  dessen  Theol.  Christ,  contracta,  Bononiae  1769,  p.  347 
unter  seinen  Werken  verzeichnet,  in  dem  Apparatns,  1751,  1,53 — 64 
abgedruckt;  vgl.  Sandelli,  Vita  p.  187).  Concina  bezeichnet  die 
gegen  Ricohini  vorgebrachte  Beschuldigung  als  lächerlich,  und  sagt, 
am  schmählichsten  sei,    dass   in   der  Bibliotheque  Noris,    Bona  und 


880  BibliothSque  Janseniste  und  spanischer  Index  von  1747. 

Genet  nnter  den  Jansenisten  ständen;  warum  man  nicht  auch  den 
Card.  Thomasius  aufgenommen  habe,  den  Laderchi  auch  als  Janse- 
nisten verdächtigt;  der  Satz  in  dem  Tractatus  de  Sanctorum  .  .  . 
cuitu,  auct.  Jo.  Episcopo  Castoriensi,  von  dem  die  Bibl.  sage,  ihn 
könnten  auch  die  Calvinisten  unterschreiben:  Catholi<i  colunt  sanctos 
in  coelo  commorantes  eodem  modo,  quo  colunt  sanctos  hie  in  terra 
exulantes,  sei  von  Augustinus  u.  s.  w.  ^). 

In  einem  besondern  Decrete  der  Index-Congr.  vom  fi.  Mai 
1750  (Catalani  p.  59)  wurde  Lazeri's  Epistola  (und  Lettre;  sie  wird 
als  folia  nonnnlla  bezeichnet),  quocunque  idiomate  impressa  seu,  quod 
absit,  imprimenda  verb.  als  Libellus  famosus,  der  falsche,  temeräre, 
iirgernissgebende,  aufrührerische  und  für  den  apost.  Stuhl  injuriöse 
Sätze  enthalte.  Lazeri  blieb  die  Antwort  nicht  schuldig:  Sor- 
bonici  Doctoris  ad  Rev.  Ricchinium,  S.  Congr.  Indicis  Secretarium, 
gratiarum  actio,  quod  Epistolam  Sorbonicam  nomine  S.  Congregatio- 
nis  proscribendo  confirmaverit,  s.  1.  et  a.*,  2V2  S.  4.  Dass  Ricchini 
seine  Epistola  sofort  verboten  und  die  Erwähnung  des  Card.  Noris 
in  der  Bibliotheque  so  übel  genommen  habe,  während  er  die  Apo- 
logie des  Frater  Berti  approbirt  und  dabei  den  Erzbischof  von 
Vienne  heftig  angegriffen  habe,  die  Schriften  des  Bischofs  von  Au- 
xerre,  eines  notorischen  Appellanten,  in  denen  Benedict  XIV.  zu  den 
Jansenisten  gezählt  werde,  nicht  verbiete  und  ebensowenig  die  Vor- 
lesungen von  Serry,  in  denen  die  Auctorität  der  Kirche  bezüglich 
des  Factum  «lansenianum  offen  bestritten  werde  ^),  das  zeige  aufs 
neue  die  Parteilichkeit  der  Dominicaner  und  beweise,  dass  „mit 
vollem  Rechte  Deutschland,  Polen,  Ungarn,  Frankreich,  Spanien, 
Portugal,  ja  auch  fast  ganz  Italien  diese  neuen  Decrete,  mögt  ihr 
den  Namen  der  Inquisition  oder  des  Index  oder  des  Magister  S. 
Pal.  daran  hangen,  namentlich  wenn  es  sich  um  euere  Parteisachen 
handelt,  nicht  als  apostolische,  sondern  als  Dominicaner-Decrete  be- 
zeichnen und  ansehen."  Zugleich  wird  angedeutet,  das  letzte  Decret 
sei  gegen  den  Willen  des  Präfecten  der  Index-( Kongregation,  des 
Card.  Querini,  erlassen  worden.     Diese  Behauptung  stützte  sich  auf 


1)  Decret  de  la  Congregation  de  Tlndex  contre  la  Bibliotheque  Jans., 
avec  la  lettre  d'un  Docteur  de  Sorbonne  k  un  de  sea  amis  en  Flandre 
et  la  lettre  d'un  Theologien  Romain  ä  un  Docteur  de  Louvain,  Avignon 
1750,  126  8.  12.,  die  drei  Stücke  lateinisch  und  französisch,  mit  einem 
Avortissement  von  XII  S.,  welches  nach  N.  E.  I7ö0,  157  von  einem  „Bul- 
listen"  geschrieben  ist,  sich  aber  gegen  Colonia  wendet  und  anerkennt, 
dass  es  sich  bei  dem  Janseuistischen  Streite  gar  nicht  mehr  um  Glaubens- 
sachen, sondern  nur  um  nicht  geofifcnbarto  Thatsachen  handle. 

2)  In  einer  Anmerkung  wird  der  1742  erschienene  4.  Band  der  Prae- 
lectiones  von  Serry  citirt  und  beigefügt:  Audi  jam,  Ricchine  frater.  Ilaec 
Serrii  tui  doctrina  si  prava  est,  cur  ab  octo  jam  annis  per  Italiam  cum 
plausu  vulgatur,  Rev.  Ursio  anteu,  nunc  te  protegente?  (Orsi,  seit  1749 
Mag.  S.  Pal.,  war  vor  Ricchini  1738—49  Secretär).  Sin  autem  catholica 
est,  cur  a  centum  fere  annis  Belgium  et  Galliam  tot  turbis  permiscuit 
Apostolica  Sedes,  ut  ad  eam  doctrinam  ejurandam  formulario  Alexandrino 
adigeremur? 


Bictionnaire  des  livres  Jansdnistes.  881 

die  Tbatsache,  dass  das  Decret  nicht  von  Querini,  sondern  von  dem 
Card.  Spinelli  unterschrieben  war.  Querini  erklärte  aber,  er  habe 
wegen  Unwohlseins  der  betreffenden  Sitzung  nicht  beigewohnt  und 
darum  und  aus  einem  andern  Grunde,  den  er  durch  den  Secretär 
dem  betreffendien  Cardinal  mitgetheilt,  gewünscht,  dass  das  Decret 
statt  von  ihm,  von  dem  ältesten  der  anwesenden  Cardinäle  unter- 
schrieben werde  (Catalani  p.  60).  Diese  zweite  Epistel  wurde  24. 
Nov.  1751  verb.,  gleichzeitig  auch  eine  Erwiederung  auf  Concina's 
Epistel:  Ad  Philalethem  Romanum,  cujus  est  Epistola  de  justa  Bi- 
bliothecae  Jansenianae  proscriptione,  Hispani  Philalethae  respon- 
sio,  ubi  de  justa  proscriptione  Norisii  per  Hispanam  Inquisitionen!, 
Hispali  1751  superiorum  permissu,  24  S.  4.,  sicher  ebenso  wenig 
in  Sevilla  wie  mit  Erlaubniss  der  Oberen  gedruckt,  von  einem  Je- 
suiten, wahrscheinlich  von  Faurc,  nach  anderen  von  Langomarsini, 
verfasst 

Faure  gab  noch  in  demselben  Jahre,  1750,  eine  umfangreichen» 
Schrift  gegen  die  Dominicaner  heraus,  das  IS.  177  besprochene 
Commentarium,  erst  1757  verb.  Von  der  Biblioth5que  aber  er- 
schien eine  stark  vermehrte  Ausgabe  unter  dem  neuen  Titel:  Dic- 
tionnaire  des  livres  Jansenistes  ou  qui  favorisent  le  Jansenisme, 
Anvers  (Lyon)  1752*,  4  vol.  8.,  von  dem  Jesuiten  Louis  Patouillet 
(1699 — 1777),  worin  Concina's  Brief  als  une  miserable  declamation 
contre  le  P.  de  Coloiiia  et  contre  les  Jesuites,  qui  contient  les  plus 
grandes  faussetes  et  les  plus  pitoyables  raisonnements  (2,  56),  cha- 
rakterisirt  wird.  Es  wurde  1754  verb.;  1755  erschien,  angeblich 
wieder  zu  Antwerpen,  eine  neue  Ausgabe,  die  aber  nur  eine  Titel- 
ausgabe ist.  Es  erschienen  dagegen  Observations  sur  un  ouvrage  in- 
titule  Dictionnaire  ...  28  8.  12.,  Lettres  au  R.  P.  P(atouillet)  .Fe- 
suite  pour  servir  d'introduction,  de  commentaire  et  d'apologie  a  son 
Dictionnaire,  Anvers  1752,  156  S.  12.  (N.  E.  1755,  187.208),  letz- 
tere auch  italienisch,  Neapel  1756,  94  S.  8.  (Backer  7,  202).  — 
Das  Dictionnaire  ist  natürlich  durch  und  durch  parteiisch  (die  llr- 
theile  in  Hurters  Nomenol.  stammen  meist  daraus),  aber  wegen  der 
reichhaltigen  Notizen  über  viele  seltene  Schriften  für  die  Geschichte 
des  Index  unentbehrlich.  Eine  Art  von  neuer  Bearbeitung  desselben 
mit  Berücksichtigung  der  spätem  Literatur  ist  das  Dictionnaire 
des  Jansenistes,  contenant  un  apergu  historique  de  leur  vie  et  un 
examen  critique  de  leurs  livres,  in  Migne's  Dictionnaire  des  heresies, 
des  erreurs  et  des  schismes,  1847,  Tome  2.,  col.  247 — 906,  aus  dem 
Dictionnaire,  Picot,  Feller  u.  a.  compilirt,  aber  bequem  geordnet.  — 
Es  steht  doch  auch  eine  Streitschrift  gegen  den  Jesuiten-Index  im 
Index:  Reponse  ä  la  Bibliotheque  Jans^niste,  avec  des  remarques 
sur  la  refutation  des  critiques  de  M.  Bayle  et  des  eclaircissemens 
sur  les  lettres  de  Mgr.  Saleon,  Ev.  de  Rodez  a  Mgr.  Bossuet,  Ev. 
de  Troyes,  Nancy  (Paris)  1740,  408  S.  12.,  nach  Dict.  Jans.  3,  459 
von  Nie.  LeGros,  nach  Picot  4,341  von  dem  Capuciner  Osmond  du 
Sellier  (P.  Tranquille  de  Bayeux),  vielleicht  von  beiden  gemeinschaft- 
lich verfasst^). 


1)  Dagegen  Lettres   critiques  sur  differents    points  d^histoire  et  de 


832  Biblioth^que  Janseniste  und  spanischer  Index  von  1747. 

2.  Der  spanische  Index  von  1747  enthält  II,  1097  —  1112  ein 
„Verzeichniss  der  Jansenistischen  Bücher,  die  in  französischer  Sprache 
zu  unserer  Kenntniss  gekommen  und  nach  Spanien  eingeführt  worden 
sind,  welche  alle  in  jeder  Sprache  oder  Ausgabe  verboten  werden". 
Der  grösste  Theil  der  hier  verzeichneten  Bücher  ist  ganz  sicher 
weder  den  Inquisitoren  zu  Gesichte,  noch,  vielleicht  von  einzelnen 
Exemplaren  angesehen,  überhaupt  nach  Spanien  gekommen.  Das 
Verzeichniss  ist  einfach  aus  dem  Register  der  Bibliotheque  Jans., 
wahrscheinlich  der  Ausgabe  von  1744,  entnommen.  Am  Schlüsse 
p.  1112  steht  eine  „Liste  der  Jansenistischen  Schriftsteller,  deren 
Namen  in  diesem  Verzeichnisse  vorkommen",  mit  der  Bemerkung: 
„Alle  Schriften  mit  dem  wirklichen  oder  fingirten  Namen  dieser 
Schriftsteller  werden  von  der  Inq.  verboten,  bis  sie  geprüft  und 
expurgirt  worden  sind".  Es  sind  50  Namen,  zum  Theil  stark  cor- 
rumpirt,  darunter  Arnaut,  d'Asfeld,  Baillct,  Barcos,  Courrayer,  Dupin, 
de  Gnet  (Duguet),  Hennebel,  Huygens,  Hure,  Jurenin,  Nicole,  Sim- 
uich.  Nie.  Tourneus,  M,  Vassor,  (juilles  de  Wit.  —  Die  Jesuiten 
(-asani  und  Carrasco,  welche  die  Redaction  des  Index  besorgten, 
sollen  dieses  Verzeichniss  eigenmächtig  beigefügt  haben  (Llorente 
2,480.  489). 

In  diesem  Theilc  des  span.  Index  steht  nun  auch  Historia 
Pelagiana  et  Diss.  de  synodo  V.  oecum.  auct.  P.  M.  Henr.  Noris 
(nicht  die  Vindiciae  Augustinianae,  die  auch  in  der  ßibliotheque 
nicht  ausdrücklich  erwähnt,  aber  doch  durch  etc.  hinter  oecum.  an- 
gedeutet werden).  Das  veranlasste  Benedict  XIV.  unter  dem  31.  Juli 
1748  an  den  General-Inquisitor,  Francisco  Perez  y  Prado,  Bischof 
von  Teruel,  folgenden  Brief  (A.  J.  P.  17,28)  zu  schreiben:  Der 
General  der  Augustiner  hat  mich  darauf  aufmerksam  gemacht,  das» 
die  Hist.  Pelag.  und  die  Diss.  de  V.  syn.  in  dem  span.  Index 
stehen.  Wenn  diese  Bücher  wirklich,  wie  der  Verfasser  der  Biblio- 
theque Jans,  mit  Unrecht  behauptet,  etwas  nach  Bajanismus  und 
Jansenisnius  röchen,  so  hätte  doch  nach  Verlauf  so  vieler  Jahre, 
in  denen  sie  mit  dem  grössten  Beifall  aufgenommen  worden  sind, 
eine  prudens  ecclesiastica  oeconomia  verlangt,  von  einem  Verbote 
Abstand  zu  nehmen,  welches  doch  bei  den  Augustinern  und  anderen 
Gelehrten  Widerspruch  finden  musste.  Man  hat  in  dieser  Beziehung 
oft  gut  befunden  von  dem  strengen  Rechte  abzugehen.  Unter  Clemens 
XT.  wurden  Tillemonts  Werke  denuncirt  und  vieles  der  Censur 
Würdige  daraus  angeführt;  der  Papst  aber  hat  Schweigen  geboten. 
Aehnlich  wurde  verfahren,  als  die  BoUandisten  denuncirt  wurden, 
obschon  die  Ankläger  vieles  anführten,  was  eine  theologische  Censur 
verdiente.  Du  kennst  das  Werk,  welches  Bossuet  auf  Befehl  Lud- 
wigs XIV.  über  die  gallicanischen  Artikel  von  1682  geschrieben. 
Es  ist  schwer,  ein  anderes  Werk  zu  finden,  welches  der  ausserhalb 
Frankreichs  überall  recipirten  Lehre  von   der  Unfehlbarkeit  des  ex 


dognie,  adresseos  Ti  raiitonr  de  la  R«'ponse  .  .  .  par  M.  lo  Pripur  de  Saint 
Edrae  (Collect),  1744. 


Brief  Benedicts  XIV.  von  1748.  888 

cathedra  redenden  Papstes,  von  seiner  Superiorität  über  ein  allge- 
meines Concil  und  von  dem  indirecten  Rechte,  welches  er,  nament- 
lich wenn  es  der  Nutzen  der  Religion  und  der  Kirche  erheischt, 
über  die  weltlichen  Rechte  der  Fürsten  ausübt,  so  entgegenträte.  Zur 
Zeit  meines  unmittelbaren  Vorgängers  Clemens^  XII.  ist  ernstlich  von 
einem  Verbote  des  Werkes  die  Rede  gewesen,  aber  schliesslich  be- 
schlossen worden,  davon  Abstand  zu  nehmen,  nicht  nur  um  des  An- 
denkens eines  in  so  vielen  anderen  Beziehungen  um  die  Religion 
wohl  verdienten  Mannes  willen,  sondern  auch  aus  Furcht  vor  neuen 
Zwistigkeiten.  Wie  vieles  steht  in  Muratori's  Werken,  was  der 
Censur  würdig  ist;  wie  viel  der  Art  (hujus  furfuris)  haben  Wir  selbst 
beim  Lesen  derselben  darin  gefunden,  und  wie  vieles  ist  Uns  von 
Rivalen  und  Anklägern  vorgelegt  worden  !  Wir  haben  die  Werke 
nicht  verboten  und  werden  sie  nicht  verbieten,  weil  das  mehr 
Schlimmes  als  Grutes  zur  Folge  haben  würde.  —  Die  Werke  von 
Noris  sind  aber  nicht  einmal  Jansenistisch.  Sie  sind  von  der  In- 
quisition geprüft  worden.  Die  beiden  Schriften  sollten  ausserhalb 
Roms  gedruckt  werden,  wurden  aber,  nachdem  sie  von  den  auswär- 
tigen Revisoren  geprüft  worden,  vor  der  Veröffentlichung  nach  Rom 
geschickt  und  hier  nochmals  revidirt  und  approbirt.  Darauf  wurde 
Noris  angeklagt,  er  habe  einige  nicht  approbirte  Sätze  beigefügt; 
darüber  hat  er  sich  gerechtfertigt.  Innocenz  XII.  ernannte  Noris, 
der  damals  Professor  in  Pisa  war,  zum  ersten  Custos  der  Vatica- 
nischen  Bibliothek  und  wollte  ihn  zum  Cardinal  machen.  Da  er 
nochmals  denuncirt  wurde,  liess  Innocenz  XII.  durch  acht  Theologen 
seine  Werke  prüfen.  Ihr  Gutachten  wurde  der  Inq.  vorgelegt  und 
diese  fand  nichts  zu  tadeln.  Darauf  ernannte  Innocenz  Noris  zum 
Consultor  der  Inq.  Da  neue  Broschüren  gegen  ihn  erschienen,  schrieb 
er  auf  Befehl  des  Papstes  5  Dissertationen,  die  zu  Rom  1695  ge- 
druckt wurden.  Er  wurde  nun  Cardinal  und  Mitglied  der  Inq. 
Unter  diesen  Umständen  hätte  ihn  die  span.  Inquisition  nicht  in 
den  Index  setzen  dürfen,  und  Wir  werden,  nicht  nur  eingedenk  des 
Wohlwollens,  welches  Uns  Card.  Noris  in  Unseren  jüngeren  Jahren 
bewiesen,  sondern  auch  nach  dem  Beispiele  Unserer  Vorgänger,  zu 
dem  dem  Cardinal  in  dem  span.  Index  angethanen  Unrecht  nicht 
schweigen.  Wir  bitten  Dich  also,  Abhülfe  zu  schaffen  und  nicht 
zwischen  Dir  und  Uns,  der  Römischen  und  der  spanischen  Inquisition 
einen  Zwist  entstehen  zu  lassen.  Ueber  die  Gnadenlehre  gibt  es 
Schulmeinungen,  die  der  apostolische  Stuhl  duldet  und  die  auch  die 
Bischöfe  und  Inquisitoren  dulden  müssen  u.  s.  w. 

Was  der  General-Inquisitor  geantwortet,  ist  nicht  bekannt. 
Die  Angabe  N.  E.  1749,  104,  er  habe  geantwortet:  die  Bulle 
Unigenitus  sei  in  Rom  für  eine  Regula  fidei  erklärt  worden;  Noris 
lehre  Sätze,  die  darin  verdammt  seien ,  und  sei  darum  in  den 
Index  gesetzt  worden,  ist  augenscheinlich  nicht  wahr,  aber  nicht 
übel    erfunden^).      Jedenfalls  hatte    der  Brief  des  Papstes  zunächst 


1)  In  einem  Schriftchen  (von  J.  B.  Desessarts  Poncet)  Observations 
sur  le  Bref  de  N.  S.  P.  le  P.  Benoit  an  Grand  Inquisiteur  d'Espague,  1749, 
Rensoh,  Index  II.  53 


834  Bibliotbeque  Janseniste  und  spanischer  Index  von  1747. 

keinen  Erfolg,  und  Benedict  erliess  19.  Febr.  1749  folgendes  Decret 
(Fabroni,  Vitae  It.  6,119):  Wir  haben  zu  Unserm  Bedauern  von 
den  Streitigkeiten  gehört,  welche  in  Spanien  darüber  entstanden  sind, 
dass  Schriften  von  Noris  in  den  Index  von  1747  gesetzt  worden. 
Die  bis  jetzt  von  Uns  angewandten  Mittel,  diesen  Zwistigkeiten  ein 
Ende  zu  machen,  sind  erfolglos  geblieben.  Darum  suspendiren  Wir 
kraft  apostolischer  Autorität  das  Verbot  jener  Schriften  und  wollen, 
dass  die  Insertion  derselben  in  jenen  Index  als  nicht  geschehen  an- 
gesehen werde.  Alle  zur  Vertheidigung  oder  Bekämpfung  dieses 
Verbotes  herausgegebenen  Schriften  verbieten  Wir  und  befehlen  Wir 
an  die  Inquisition  abzuliefern.  Es  soll  fortan  niemand  mehr  etwa« 
darüber  schreiben;  was  etwa  noch  darüber  erscheint,  soll  als  ver- 
boten angesehen  werden.  Dieses  Decret  soll  alle  verpflichten,  Bi- 
schöfe und  Cardinäle  nicht  ausgenommen,  bei  Strafe  der  reservirten 
Excomm.  1.  sent.  für  Laien,  der  Suspension  für  Geistliche.  —  Bene- 
dict schrieb  fünfmal  über  die  Sache  an  Ferdinand  VI;  aber  erst 
nachdem  dessen  Beichtvater,  der  Jesuit  Kavago,  entlassen  war,  hatten 
seine  Bemühungen,  die  der  Justizminister  Manuel  de  Koda  unter- 
stützte, Erfolg  (Llorente  2,  489.  Fabroni  6,  90).  Der  Nachfolger 
Perez  y  Prado's,  Emmanuel  Quintano  Bonifaz,  Erzb.  von  Pharsalus, 
erliess  28.  Jan.  1758  folgendes  Edict:  Dass  ein  Werk  des  Card. 
Noris  in  den  Index  von  1747  gesetzt  worden,  hat  viele  Controversen 
und  eine  Reihe  von  anonymen  Streitschriften  veranlasst.  Um  nicht 
unsem  Vorgänger  offen  anzugreifen  und  den  dem  Inquisitionsratbe 
gebührenden  Respect  offen  zu  verletzen,  haben  einige  sich  nicht  ge- 
scheut, zu  behaupten,  das  Buch  sei  ohne  vorherige  Prüfung  von  Seiten 
der  Inq.  verboten  worden;  andere  sind  noch  weiter  gegangen  und 
haben  behauptet,  das  Verbot  sei  für  alle  Welt  ein  Geheimniss  ge- 
wesen, bis  man  es  im  Index  gefunden;  man  hat  es  auf  einen  Irr- 
thum  oder  auf  einen  Willküract  der  mit  der  Herausgabe  des  Index 
beauftragten  Personen  zurückgeführt,  welche  in  unerleuchtetem  Eifer 
auf  grundlose  Angaben  hin  und  unbekannt  mit  der  auf  Befehl  von 
zwei  Päpsten  wiederholt  vorgenommenen  Prüfung  des  Werkes  durch 
die  Römische  Inq.  dasselbe  in  den  Index  gesetzt  hätten.  Bei  der 
Hitze  des  Streites  und  während  der  heftigen  Partei-Agitationen  ge- 
bot die  Klugheit  zu  schweigen  und  einen  geeigneten  Zeitpunkt  für 
die  Entscheidung  der  Sache,  welche  der  Augustinerorden  an  den 
Inquisition  srath  gebracht,  abzuwarten.  Nach  reiflicher  Prüfung  und 
aus  besonderen  Gründen,  die  wir  verschweigen,  verordnen  wir  mit 
Zustimmung  des  Inquisitionsrathes,    aus    dem    Index    von  1747,  II, 


14  8.  4.,  wird  bemerkt:  wenn  der  Papst  Noris  als  katholisch  in  Schatz 
nehme,  so  desavouire  er  indirect  die  Bulle  Unigenitus  (dagegen  erschien 
Lettre  d'un  Dr.  de  Sorb.  ä  un  provincial  de  ses  amis  au  sujet  des  Obser- 
vations  ...  et  sur  les  imputations  calomnieuses  de  Henri,  Theologien  de 
Douay,  faites  ä  la  doctrine  du  Card.  Noris,  1749).  Diesen  Observations  ist 
ein  Brief  des  Jesuiten  Daubenton  an  P.  Croiset  beigedruckt,  der  schon 
1714  gedruckt,  aber  von  den  Jesuiten  in  den  Mem.  de  Trevoux  und  sonst 
für  eine  Fälschung  erklärt  worden  war.  Dict.  Jans.  3,  182.  N.  £.  1749,  91. 


Der  spanische  Index  von  1747.  835 

1101,  den  Satz  :  Historia  Pel.  etc.  zu  entfernen,  zu  den  noch  nicht 
verkauften  Exemplaren  einen  Carton  zu  drucken,  in  den  schon  ver- 
kauften den  Satz  unleserlich  zu  machen.  Schliesslich  werden  wie 
in  dem  Decrete  Benedicts  XIV.  alle  Streitschriften  verhüten^). 

Schon  1722  hatte  die  span.  Inquisition  verh.  De  virtutihus 
infidelium  ad  mentem  P.  Augustini  reflexio  vindex  pro  Em.  Card. 
Henrico  de  Noris,  von  dem  Augustiner  Petrus  Manso,  Salamanca 
1721,  worin  die  Gratia  pure  sufficiens  der  Jesuiten  als  pelagia- 
nisch  und  die  Praedeterminatio  der  Thomisten  als  der  Lehre  des 
Augustinus  und  Thomas  widersprechend  hezeichnet  wurde.  Manso 
gah  eine  expurgirte  Ausgahe  heraus  (Mich,  a  S.  Jos.  3,  460).  — 
i)ie  Theses  Norisianae,  in  quibus  damnatae  Jansenii  et  novatorum 
dogmata  magno  adscribuntur  Augustino,  1730,  von  den  Jesuiten 
unter  dem  Namen  eines  Theologen  Henricus  von  Douay  herausge- 
geben, stehen  in  keinem  Index,  auch  nicht  die  Entgegnung:  El  de- 
fensor  de  su  agravio  Noris,  worin  erzählt  wird,  wie  Noris  einem 
Pfarrer  Don  Antonio  erscheint  und  eine  Yertheidigung  dictirt  (N.  E. 
1749,  105.  177). 

Dem  2.  Bande  des  Stuttgarter  Exemplares  des  Index  von  1747 
sind  zwei  gedruckte  Folioblätter  beigebunden,  welche  die  Ueberschrift 
haben:  „Noten  zu  dem  Expurgatorio  von  1747,  dem  obersten  Eathe 
[der  Inquisition]  vorgelegt,  damit  er  die  für  geeignet  erachteten 
Massregeln  ergreife",  —  es  wird  die  von  Llorente  2,  489  erwähnte 
Denunciation  des  Dominicaners  Martin  Llobet  sein,  —  und  welche 
(in  spanischer  Sprache)  gegen  den  Index  folgende  Anklagen  erheben : 
1.  Es  sind  Schriften  ausgelassen,  welche  durch  Edicte  der  Inq.  ver- 
boten sind  ;  [es  werden  vier,  die  Theologia  supplex  (von  Serry)  und 
drei  Schriften  von  Jesuiten  namhaft  gemacht,  mit  genauer  Angabe 
des  Datums,  unter  welchem  sie  verb.  waren].  —  2.  Der  Redacteur 
hat  sich  mitunter  nicht  an  den  Wortlaut  der  Edicte  gehalten,  z.  B. 
bei  einem  Buche  den  im  Edicte  stehenden  Namen  des  Verfassers 
(des  Jesuiten  Nie.  Estrada),  bei  mehreren  Autoren  die  Bezeichnung 
S.  J.  oder  wenigstens  P.  weggelassen  [diese  Angabe  ist  insofern  un- 
richtig, als  bei  den  speciell  namhaft  gemachten  Jesuiten  auch  bei 
Sot.  kein  S.  J.  steht  und  bei  Poza  dieses  nicht  fehlt],  während  bei 
anderen  Ordensleuten  ein  analoger  Zusatz  nicht  fehlt;  bei  einem 
Buche  sind  zu  dem  Verbote  Zusätze  gemacht,  welche  gegen  den 
Ernst  und  den  Stil  des  h.  Tribunals  Verstössen  (das  Edict  verordnet 
die  Expurgation  einer  Ausgabe  eines  Catechismus  des  Jesuiten  Cas- 
par Astete;  der  Index  hat  dieses  in  folgender  Weise  umschrieben: 
„Von    diesem  Catechismus,    der    zu   so  grossem   Nutzen    der  Seelen 


1)  Das  Decret  wurde  gleich  spanisch  und  französisch  mit  einer  Ein- 
leitung gedruckt;  eine  italieniacho  Uebersetzung  steht  in  dem  Römischen 
Giornale  de'  letterati,  1756—57,  p.  373,  eine  französische  A.  J.  P.  2,  2656. 
—  In  dem  von  mir  benutzten  Exem  plare  des  Index  von  1747  sind  die 
Zeilen  durchgestrichen ;  ein  Exemplar  mit  einem  Carton  beschreibt  Mend- 
ham  p.  238.  —  In  dem  Index  von  1790  wird  unter  Noris  der  Inhalt  des 
Decrete«  angegeben. 


836  Biblioth^que  Janseniste  und  Bpanischer  Index  von  1747. 

mehr  als  ein  Jahrhundert  verbreitet  worden,  ist  zu  Yalladolid  eine 
fehlerhafte  Ausgabe  erschienen ;  in  dieser  ist  zu  corrigiren  .  .  .  Ver- 
boten werden  alle  Abdrücke  dieses  wichtigen  Büchleins,  die  nicht 
der  Originalausgabe  entsprechen,  welche  der  Pater  Astete  in  so 
lobenswerthem  und  katholischem  Geiste  zu  so  grosser  Ehre  Gottes 
und  Belehrung  der  Gläubigen  verfasst  hat*').  —  3.  Einige  Ausdrücke 
in  den  Expurgationen  sind  unrichtig ;  z.  B.  bei  Quetif •  soll  bei  Sa- 
vonarola  B.  M.  i.  e.  Beatus  Martyr  gestrichen  werden;  B.  M.  bedeutet 
aber  nur  beatae  memoriae  [ist  nicht  richtig];  bei  Jo.  Lorinus  soll 
in  dem  Satze:  Jacobus  an  in  Hispania  fuerit,  sub  dubio  est,  vor  est 
ein  non  beigefügt  werden;  das  ist  zu  viel  gesagt,  wenn  auch  die 
Spanier  gute  Gründe  haben,  es  zu  glauben ;  bei  Franc.  Victoria  soll 
die  Stelle  gestrichen  werden,  wo  er  die  Ansicht,  dass  das  bei  der 
letzten  Oelung  gebrauchte  Gel  nicht  von  dem  Bischof  geweiht 
^u  sein  brauche,  als  probabel  bezeichnet;  diese  Ansicht  ist  aber 
richtig  [diese  beiden  Expurgationen  stehen  schon  bei  Sot.].  —  4. 
Der  Catalog  der  Jansenistischen  Bücher  ist  aus  dem  Register  der 
Bibliotheque  Janseniste  abgeschrieben,  diese  ist  aber  als  ein  verbo- 
tenes Buch  anzusehen,  weil  sie  anonym  erschienen  ist  und  die  Inq. 
6.  Juni  1747  den  Orden  verboten  hat,  einander  zu  schmähen,  und 
Innonenz  XII.  1694  das  Verdächtigen  der  „Jansenisten"  verboten 
hat.  Die  in  diesem  Catalog  stehenden  Schriften  sind  grösstentheils 
durch  kein  Edict  der  Inq.  oder  nicht  als  Jansenistisch  verb.  worden; 
Noris  und  Genet  (der  Verfasser  der  Theologie  de  Grenoble)  sind 
wiederholt  denuncirt,  aber  freigesprochen;  die  Historia  de  auxiliis 
von  Serry  ist  in  Spanien  verb.,  aber  nicht  als  Jansenistisch,  und  die 
Ausgabe  von  1749  wird  in  Spanien  geduldet.  Auch  ein  Buch  von 
Pedro  Jos.  Benitez  de  Lugo,  Ascendencia  de  Santo  Domingo  de 
Guzman,  welches  in  dem  Index  als  verboten  aufgeführt  wird,  ist 
gar  nicht  verboten,  wie  die  Inq.  auf  Ersuchen  der  Dominicaner  18. 
Jan.  1748  erklärt  hat.  [In  dem  Stuttgarter  Exemplar  ist  an  der 
betreffenden  Stelle,  p.  936,  am  Rande  beigeschrieben:  nicht  jenes 
Buch  sei  verboten,  sondern  die  über  dasselbe  erschienenen  Streit- 
schriften.] —  5.  Viele  Namen  sind  falsch  gedruckt,  was  den  Spott 
der  Protestanten  zur  Folge  haben  wird.  —  „Die  Abweichungen  von 
den  Edicten,  welche  die  einzige  Grundlage  des  Index  bilden,  fügt 
der  Denunciant  bei,  und  die  Aufnahme  der  Ascendencia  und  eines 
Catalogs  von  Jansenistischen  Büchern,  die  nie  in  Spanien  verboten 
sind,  begründen  eine  starke  Präsumtion  gegen  die  Zuverlässigkeit 
des  Expurgatorio  und  gegen  die  ihm  gebührende  Verehrung  und 
Achtung  und  motiviren  die  Vergleichung  desselben  mit  den  Edicten." 
—  Auf  dieser  gedruckten  Denunciation  findet  sich  die  handschrift- 
liche Notiz,  sie  sei  von  der  Inq.  .28.  Jan.  1758  verboten  worden. 

Trotz  der  Ableugnung  in  dem  Edicte  des  General-Inquisitors 
von  1758  scheint  die  Angabe  richtig  zu  sein,  dass  die  Jesuiten 
Casani  und  Carrasco,  die  Redacteure  des  Index  von  1747,  das  Ver- 
zeichniss  der  Jansenisten  eigenmächtig,  ohne  Auftrag  des  General- 
Inquisitors  und  des  Inquisitionsrathes,  beigefügt.  In  einem  Schreiben 
vom   J.    1776    sagt    der  Justizniinister  Manuel    de  Roda,    Quintano 


F.  Bellelli  und  G.  L.  Berti.  837 

selbst  habe  in  einem  Briefe  an  den  König  vom  23.  Dec.  1757  dieses 
eingestanden  (Llorente  2,  490.  Yillanueva,  Vida  1,  112).  Trotzdem 
ging  der  Inhalt  dieses  Verzeichnisses  im  wesentlichen  in  den  fol- 
genden Index,  den  von  1790,  über.  Namentlich  steht  bei  fast  allen 
50  Schriftstellern,  deren  Werke  1747  bis  auf  weiteres  verboten 
wurden,  dieselbe  Bemerkung  im  Index  von  1790.  Nur  L.  Haberts 
Theologia  wurde  1781  unbedingt,  Lherminiers  Summa  vorbehalt- 
lich der  Weglassung  einer  Stelle  1761,  und  Juenins  Comm.  de  sacra- 
mentis  1787  unbedingt  und  von  den  Institutiones  eine  verbesserte 
Ausgabe  1769  freigegeben,  1799  auch  zwei  Schriften  von  Duguet. 
NicoIe*s  Werke  wurden  nach  Pelayo  3,  186  noch  1790  auf  Grund 
eines  Gutachtens  von  7  Theologen  freigegeben,  stehen  aber  im  Index 
von  1805  wieder  als  1804  verb.  Weder  Bibliotheque  noch  Diction- 
naire  Jans,  steht  im  span.  Index 

3.  Der  Augustiner  Fulgenzio  Bellelli,  seit  1727  General  seines 
Ordens,  f  1742,  veröffentlichte:  Mens  S.  Augustini  de  statu  naturae 
rationalis  ante  peccatum,  polemica  dissertatio  adv.  aliquot  Pelagianos, 
Baianos,  Jansenianos  errores  recentesque  quorundam  doctorum  opi- 
niones,  Antw.  1711,  8.,  und  Mens  S.  Augustini  de  modo  repara- 
tionis  hnmanae  naturae  post  lapsum  adv.  Baianam  et  Jansenianam 
haeresim  juxta  apost.  constitutiones  exposita,  Rom  1737,  2  vol.  4., 
sein  Ordensgenosse  Gian  Lorenzo  Berti,  1696 — 1766,  Professor  in 
Pisa,  im  Auftrage  des  Ordensgenerals  Schiaffinati  eine  Theologia 
historico  -  dogmatico  -  scholastica  s.  libri  de  theologicis  disciplinis, 
Rom  1739 — 45,  8  vol.,  die  wiederholt  gedruckt  wurde  ^).  Trotz 
der  Polemik  gegen  den  Bajanismus  und  Jansenismus  mussten  beide 
Augustiner  den  Vorwuuf  hören,  ihre  Lehre  sei  von  der  des  Bajus  und 
Jansenius  nicht  zu  unterscheiden.  Sehr  scharf  wurde  dieser  Vorwurf 
formulirt  in  den  anonymen  Schriften:  Baianismus  redivivus  in  scrip- 
tis  PP.  FF.  Bellelli  et  Berti  Ordinis  Eremitarum  S.  Aug.,  und  Jan- 
senismus redivivus  in  scriptis  .  .  .,  beide  1744,  293  und  271  S.  4., 
von  Jean  d'Yse  de  Saigon,  seit  1735  Bischof  von  Rhodez  (1746 
wurde  er  Erzbischof  von  Vienne,  t  1751).  Dieser  hatte  schon  1737 
durch  ein  Mandement  die  Hefte  des  Dominicaners  Viou  zu  Rhodez 
als  Jansenistisch  verdammt.  Viou  brachte  die  Sache  nach  Rom  (er 
wurde  1 743  von  dem  General  ausgestossen)  und  SaUon  schrieb  dar- 
über 1742  an  Benedict  XIV.,  der  ihn  in  seiner  Antwort,  ohne  auf 
die  speciellen  Streitfragen  einzugehen,  zur  Vorsicht  und  Mässigung 
ermahnte.  Er  schickte  auch  seine  Schriften  von  1744  an  den  Papst 
mit  einem  Schreiben,  worin  er  ihn  bat,  die  Lehre  der  beiden  Au- 
gustiner zu  verdammen,  und  denuncirte  diese  auch  1747  (ohne  Er- 
folg) bei  der  Assemblee  du  Clerg6  (Picot  4,  231).  —  Berti  ver- 
öffentlichte,   nachdem   er  mit  Mühe  die  Approbation    erlangt    hatte, 


1)  Mazzuch.  2,  665.  1044.  Fabroni,  Vitaelt.  11,43.  --  Aless.  Pompeo 
Berti,  Clerico  reg.  della  Madre  di  Dio,  1686—1752  (Mazzuch.  2.  1037), 
übersetzte  u.  a.  Saggi  di  moralo  von  Nicole,  Ven.  1729,  4  vol.  12.;  Mura- 
tori  besorgte  ihm  einen  Verleger  (Lettere  ined.  p.  394).  Zaccaria  tadelte 
ihn  darüber. 


888  Bibliotbdque  Jansenistc  und  spanischer  Index  von  1747. 

Augnstinianum  systema  de  gratia  ab  iniqna  Baiani  et  Janseniani 
erroris  insimulatione  vindicatum,  aive  refutatio  librorum,  quorum  tit. : 
Baianismus  et  Jans,  redivivi  in  scriptis  PP.  FF.  Bellellii  et  Bertii.  .  . . 
eodeni,  qui  secundo  loco  insimulatur,  auctore,  Rom  1747,  2  vol.  Saleon 
veröffentlichte  dagegen  1750  eine  Instruction  pastorale  und  gleich- 
zeitig Jean- Joseph  de  Languet  de  Gergy,  seit  1730  Erzbischof  von 
Sens  (1715 — 30  Bischof  von  Soissons,  f  1753),  Judicium  de  operibus 
theologicis  Fratrum  Bellelli  et  Berti.  Saleon  richtete  auch  1750 
und  1751  zwei  Briefe  an  Benedict  XIV.  (Fleur.  80,667),  worin  er 
ihn  dringend  bittet,  die  Lehre  der  beiden  Theologen  zu  verdammen, 
und  u.  a.  auch  darauf  hinweist,  dass  die  Appellanten  sich  auf  die- 
selbe beriefen,  wie  namentlich  der  Bischof  Caylus  von  Auxerre  und 
die  Herausgeber  der  Nouvelles  ecclesiastiques  in  einer  besondern 
Beilage  zu  dem  Jahrgang  1750  (solche  über  Bellelli  und  Berti  han- 
delnde Additions  aux  N.  E.  erschienen  auch  1753  und  1757;  sie 
wurden  1758  zusammen  gedruckt,  457  S.). 

Das  zweite  Buch  von  Bellelli  und  beide  Bücher  von  Berti 
waren  in  Rom  erschienen  und  dort  vorher  geprüft  worden.  Auf 
Grund  einer  speciellen  Denunciation  gegen  Berti  von  dem  Canonicus 
de  Gorgne  zu  Soissons  ordnete  aber  Benedict  XIV.  eine  nochmalige 
Untersuchung  seiner  Schriften  an  und  beauftragte  damit  den  Bene- 
dictincr  Fortunato  Tamburini  (er  war  ein  Neffe  des  Jesuiten-Generals, 
aber  nach  Cordara  bei  Döllinger,  Beitr.  3,  33  nichts  weniger  als 
ein  Freund  der  Jesuiten)  und  Gioacchino  Besozzi,  Abt  von  Santa 
Croce  in  Gerusalemme  und  Consultor  der  Inq.  (beide  wurden  später 
Cardinäle).  Beide  erklärten  sich  für  Freigebung  der  Werke;  letzterer 
betonte,  Berti's  Ansicht  stimme  mit  der  von  Noris  und  Massoulie 
überein  ^). 

1752  wurden  Bellelli  und  Berti  im  Dict.  Jans.  1,445;  3,107 
als  Janseuisten  aufgeführt  (Berti  soll  dazu  beigetragen  haben,  dass 
Benedict  XIV.  sich  des  Card.  Noris  gegen  die  Bibl.  Jans,  und  die 
Span.  Inquisition  annahm).  In  Italien  führte  hauptsächlich  Zaccaria 
in  seiner  Storia  letteraria  den  Kampf  gegen  Berti.  Dieser  und 
seine  Freunde  blieben  ihm  scharfe  Antworten  nicht  schuldig.  In 
den  Index  kamen  davon:  Lettera  di  Fra  Guidone  Zoccolante  a  Fr. 
Zaccaria  Gesuita,  nella  quäle  si  dimostra,  chi  sieno  quei  religiosi 
che  debbonsi  chianiare  frati,  Cosmopoli  all'  insegna  delle  stelle 
1751,  —  Lettera  seconda  ...  in  cui  si  ragiona  della  proibizione 
della  Bibliotcca  Giansenistica,  Filippopoli  all'  insegna  del  sole  1756, 
—  Lettera  terza  .  .  .  la  quäle  serve  di  apologia  al  Rev.  Secretario 
deir  Indice  e  altresi  alla  lettera  precedente,  Nicopoli  all'  insegna 
della  luua  1756,  die  erste  1754,  die  beiden   andern  1757  verb.    Sie 


1)  Die  Gutachten  sind  abgedruckt  in  Alcuni  apologetici  acritti  oontro 
Tautore  della  Storia  letteraria  d'Italia,  Napoli  1757*,  2  vol.  4.  Nach  1,  46 
erklärte  auch  Card.  Galli,  er  habe  den  3.  Band  von  Herti,  der  hauptsäch- 
lich angegriffen  wurde,  mit  der  Lehre  von  Noris  übereinstimmend  ge- 
funden, und  fand  auch  ein  anderer  Consultor  der  Inquisition,  der  Minorit 
Balestracci,  nichts  zu  erinnern. 


L.  A.  Muratori.  839 

werden  wohl  von  Berti  selbst  sein,  obschon  er  es  leugnete  (Fabr. 
p.  64.  Sein  satirisches  Gedicht  La  Zaccareide  ist  nicht  gedruckt). 
Gegen  Languet  vertheidigte  sich  Berti  in:  In  opusculum  inscriptum: 
ß.  J.  Langnet  Archiep.  Sen.  Judicium  .  .  .  aequissima  expostulatio, 
Livorno  1756.  —  Später  kamen  noch  in  den  Index:  Sonetti  contro 
le  opinioni  di  Michel  Baio,  di  Giansenio  Iprense,  del  Bellelli,  del 
P.  Berti  Agostiniano,  del  Viatore,  del  Rotigni  e  del  Migliavacca, 
Ven.  1760,  verb.  1762.  Die  72  Sonette  sind  von  dem  Observanten 
Giov.  de  Luca,  der  viele  anonyme  Sachen  für  die  Jesuiten  schrieb, 
wegen  dieser  Sonette  aber  auf  2  Jahre  aus  Rom  verbannt  wurde 
(Melzi  1,  458;  Fabr.  p.  80).  Berti  schrieb  dagegen  Risposta  di 
Fra  Paraclito  Livomese  con  le  annotazioni  di  Fra  Andrea  da  Fu- 
cecchio  ai  sonetti  di  Fra  Giovanni  Zoccolante  Yeneziano,  Lugano 
1763. 


79.     L.  A.  Mnratori. 

In  dem  Briefe  an  den  spanischen  General-Inquisitor  nennt 

Benedict  XIV.  mehrere  Schriftsteller,  von  denen  aus  besonderen 

Rücksichten  Werke  nicht   in  den  Index  gesetzt   worden   seien, 

obschon  sie  dieses  strenge  genommen  verdient  hätten,  darunter 

auch   seinen  Freund  Ludovico  Antonio  Muratori  (1672—1750). 

Als  jener  Brief  bekannt  wurde,  schrieb  dieser  darüber  an  den 

Papst,  und  dieser  erklärte  ihm,  er  habe  bei  jener  Aeusserung 

nur  an   seine  von  der  weltlichen  Jurisdiction   des  Papstes   in 

seinen  Staaten  handelnden,  nicht  an  seine  theologischen  Schriften 

gedacht.    Es   ist  eine    der  wenigen  erfreulichen  Thatsachen  in 

der  Geschichte  des  Index  und  eine  Thatsache,  die  Benedict  XIV. 

zur  Ehre  gereicht,  dass  von  Muratori  kein  Buch  verboten  worden 

ist,  obschon  mehrere  derselben  nicht  nur  in  Streitschriften  scharf 

angegriffen,    sondern   auch   in  Rom   denuncirt   und   untersucht 

wurden. 

1.  Durch  das  Bekanntwerden  seines  Briefes  an  den  General- 
Inquisitor  kam  Benedict  XIV.  auch  den  Boilandisten  gegenüber  in 
einige  Verlegenheit.  In  einem  Briefe  an  sie  vom  3.  Apr.  1751 
(U.  N.  1753,  100.  Fleur.  79,  703)  sagt  er:  man  habe  ausgestreut, 
er  sei  ihnen  nicht  mehr  so  gewogen  wie  früher,  und  sich  dafür 
auf  jenen  Brief  berufen;  dieser  sei  ein  Privathrief,  der  nur  durch 
die  Unklugheit  und  Indiscretion  eines  Mannes,  den  er  aus  christ- 
licher Liehe  nicht  nennen  wolle,  zumal  er  seinen  Fehler  bereut  und 
von  ihm  Verzeihung  erhalten,  in  die  Oeffentlichkeit  gekommen  sei; 
er  habe  darin  übrigens  die  Angriffe  auf  Papebrochius  nur  erwähnt, 
nicht  für  begründet  erklärt. 


840  L.  A.  Muratori. 

Der  Brief  Muratori's  ist  vom  16.  Sept.  1748  und  lantet:  Hei- 
ligster Vater !  Mit  aller  Ergebung  und  Demuth  höre  ich,  was  E.  H. 
in  dem  Briefe  an  den  span.  General-Inquisitor  über  niicli  ge- 
schrieben, und  aus  dem,  was  mir  berichtet  wird,  und  aus  den  Worten 
E.  H.  selbst  erkenne  ich,  dass  eine  Hand  Blitze  geschleudert  hat, 
gleichwohl  aber  von  der  andern  Strahlen  höchster  Gnade  ausge- 
gangen sind.  Bei  alle  dem  befinde  ich  mich  in  der  grössten  Be- 
stürzung, ja  Trostlosigkeit;  denn  der  für  mich  so  betrübende  Aus- 
spruch (oracolo)  E.H.  wird  in  Ewigkeit  fortbestehen;  man  wird  es 
weder  der  Mitwelt  noch  der  Nachwelt  ausreden  können,  dass  ich 
ohne  förmliches  Urtheil  verdammt  worden  bin;  man  wird  auch  meine 
Irrthümer  und  Vergehen  für  grösser  halten,  als  sie  wirklich  sind. 
In  diesem  meinem  grossen  Unglücke  finde  ich  nur  Trost  in  der 
Gewissheit,  dass  nichts  desto  weniger  die  väterlichen  Gesinnungen 
E.  H.  gegen  mich,  Ihren  unglücklichen  Sohn,  fortdauern.  Ermuthigt 
durch  dieses  Vertrauen,  wage  ich  mich  zu  den  Füssen  E.  H.  nieder- 
zuwerfen und  zu  bitten,  E.  H.  möge  befehlen,  mir  das,  was  in 
meinen  Schriften  der  Censur  würdig  ist,  anzugeben,  damit  ich  es 
widerrufen  und  durch  Reue  und  Gehorsam  Verzeihung  zu  finden 
hoffen  kann.  So  wird  von  denselben  Vaterhänden,  von  welchen 
der  Schlag  gekommen,  auch  ein  Heilmittel  kommen;  ich  werde  auch 
nicht  der  Gefahr  ausgesetzt  bleiben,  in  der  Folge  jemand  zu  finden, 
der  ein  weniger  liebevolles  Herz  gegen  mich  hätte  als  E.  H.  Möge 
E.  H.  durch  Ihre  grosse  Liebe,  und  ich  möchte  hinzusetzen,  auch 
durch  die  Gerechtigkeit  sich  bewegen  lassen,  meinem  armen  Namen 
einen  solchen  Trost  zu  gewähren.  Ich  zeichne,  indem  ich  E.  H. 
die  Füsse  küsse,  mit  tiefster  Verehrung.  —  Benedict  antwortete 
ihm  alsbald  25.  Sept. :  Benedict  XIV.  Papst.  Geliebter  Sohn !  Gmss 
und  apostolischer  Segen!  Die  Sache  verhält  sich  so  ...  .  Von 
Meinem  Briefe  wurde  dem  Generalprocurator  der  Augustiner  ver- 
traulich eine  Abschrift  gegeben,  damit  er  sähe,  dass  Wir  Uns  seines 
Ordens  annähmen.  Er  meinte,  derselbe  verdiene  den  Werken  des 
Card.  Noris  vorgedruckt  zu  werden;  ich  erklärte  ihm  aber,  der- 
selbe sei  nicht  zur  Veröifentlichung  bestimmt,  sonst  würde  ich  die 
Stelle  über  Muratori  weggelassen  haben  .  .  .  Zwei  Tage  darauf  war 
der  Brief  ohne  mein  Vorwissen  gedruckt.  Ich  habe  dem  Augustiner 
meine  Meinung  gesagt  und  ihm,  so  lange  ich  lebe,  den  Palast  ver- 
boten. Auch  dem  Card.  Querini  kam  eine  Abschrift  in  die  Hände. 
Er  schrieb  Uns,  er  würde  von  dem  Briefe,  auch  wenn  er  ihn  vor 
dem  Erscheinen  Ihrer  Schriften  über  die  Feiertage  in  Händen  ge- 
habt hätte,  keinen  Gebrauch  gemacht  haben.  Wir  antworteten  ihm, 
er  würde  sehr  wohl  gethan  haben  und  solle  auch  in  Zukunft  keinen 
Gebrauch  davon  machen,  da  die  Aeusserung  über  Ihre  Schriften 
sich  nicht  auf  den  Streit  über  die  Feiertage,  überhaupt  nicht  auf 
Sachen  des  Glaubens  und  der  Disciplin  beziehe.  Was  in  Ihren  Werken 
hier  nicht  gefallen  hat  und  wovon  Sie  auch  nie  erwarten  konnten, 
dass  es  hier  gefallen  werde,  das  betrifi't  die  weltliche  Jurisdiction 
des  Papstes  in  seinen  Staaten.  Man  geht  hier  von  anderen  Grund- 
sätzen aus  und  erkennt  gewisse  Ansichten   und   gewisse  That«achen 


Correspondeuz  mit  Benedict  XIV.  841 

nicht  als  wahr  an,  und  Sie  können  üherzeugt  sein,  wenn  jene  Dinge 
in  den  Schriften  eines  andern  vorkämen,  würde  die  Congregation 
nicht  unterlassen  haben,  sie  zu  verbieten.  Das  ist  nicht  geschehen, 
weil  Unsere  Zuneigung  zu  Ihnen  allgemein  bekannt,  und  die  Ach- 
tung, die  Wir  mit  der  übrigen  Welt  Ihren  Verdiensten  zollen,  noto- 
risch ist  und  weil  Wir  immer  geglaubt  haben,  es  sei  nicht  recht, 
Ihnen  wegen  Meinungsverschiedenheiten,  welche  nicht  den  Glauben 
und  die  Disciplin  betreffen,  Verdruss  zu  bereiten,  obschon  jede  Re- 
gierung das  Recht  hat,  Bücher  zu  verbieten,  in  denen  Dinge  stehen, 
welche  ihr  missfallen  und  mit  ihren  Ansichten  nicht  übereinstimmen. 
Das  ist  die  reine,  ungeschminkte  und  wahre  Geschichte  ohne  Re- 
flexionen und  Folgerungen.  Diese  können  Sie  mit  Ihrem  gesunden 
Urtheil  selbst  daraus  ziehen  und  erkennen,  ob  Wir  nicht  Ihnen  so- 
wohl wie  Ihren  Schriften  die  schuldige  Achtung  zollen.  Unter- 
dessen umarmen  Wir  Sie  mit  ganzem  Herzen  und  geben  Ihnen  den 
apostolischen  Segen. 

2.  Man  nahm  in  Rom  nicht  bloss  Anstoss  an  den  Schriften, 
in  welchen  Mur.  1708 — 20  die  Rechte  des  Hauses  Este  und  seines 
Fürsten,  des  Herzogs  von  Modena,  auf  Comachio  vertheidigte  (S.  738) 
und  auf  die  Giusto  Fontanini  scharfe  Entgegnungen  schrieb,  sondern 
auch  an  den  Antiquitates  Italiae  medii  aevi,  1738 — 42,  6  Fol.,  und 
den  Dissertazioni  sopra  le  antichitä  italiane,  1751,  3  vol.  4.,  die 
später,  1765,  Gaetano  Cenni  mit  curialistischen  Berichtigungen  heraus- 
gab, und  an  den  Annali  d'Italia,  1744 — 49,  12  vol.  4.,  die  auch 
von  Cenni  in  den  zu  Rom  erscheinenden  Novelle  letterarie  -scharf 
kritisirt  und  1762  mit  Genehmigung  des  Papstes^  dem  der  1.  Band 
gewidmet  ist,  zu  Rom  von  Gius.  Catalani  mit  kritischen  Einlei- 
tungen versehen  wurden.  Cenni  bezeichnet  in  den  Nov.  lett.  die 
Annali  als  uno  dei  libri  piüi  fatali  al  principato  Romano  und  tadelt 
namentlich,  dass  Mur.  oft  und  anscheinend  mit  Wohlgefallen  von 
der  Souveränetät  der  byzantinischen  Kaiser  über  Rom  und  von  der 
Unterthanen-Stellung  der  Päpste  und  von  den  Acten  der  Autorität 
und  Jurisdiction  spreche,  welche  die  deutschen  Kaiser  im  Kirchen- 
staate ausgeübt  hätten;  es  scheine  fast,  als  ob  er  deren  Nachfolger 
auffordern  wollte,  ihre  angeblichen  Rechte  auf  Rom  und  den  Kirchen- 
staat geltend  zu  machen^).  Mur.  fügte  dem  12.  Bande  der  Annali 
eine  massvolle  Entgegnung  bei.  —  In  der  Besprechung  der  1872 
erschienenen  Scritti  inediti,  in  denen  Mur.  sich  vielfach  noch  deut- 
licher ausspricht,  sagt  die  Civ.  8, 10,  453 :  er  habe,  wie  Dante,  dem 
Irrthum  gehuldigt,  dass  dem  Kaiser  die  Souveränetät  über  den 
Kirchenstaat  und  als  Advocatus  ecclesiae  auch  das  Recht,  die  äusseren 
Angelegenheiten  desselben  zu  ordnen,  zustehe,  und  in  den  A.  J.  P. 
9,  1081  wird  behauptet,  Mur.'s  Schriften  über  Comachio  verriethen 
eine  grosse  Feindseligkeit  gegen  alles,  was  die  weltliche  Souveräne- 
tät der  Päpste  betreffe,  und  Mur.  habe,  nachdem  er  in  diesem  Punkte 
unterlegen  sei,  —  Comachio  wurde  1724  dem  Papste  zurückgegeben, 


1)  Pacca,  Mem.  del  miuistero,  Pesaro  1830,  1,  162. 


842  L.  A.  Muratori. 

—  alle  seine  Bücher  mit  falschen  und  vorurtheilsvoUen  Behaup- 
tungen gegen  die  weltliche  Souveränetät  der  Päpste  angefüllt  und 
sie  zu  einem  Arsenal  von  geschichtlichen  Lügen  gemacht,  aus  welchem 
die  Feinde  des  Papstthums  Waffen  entlehnt  hätten. 

3.  Sein  Buch  De  ingeniorum  moderatione  in  religionis  nego- 
tio  veröffentlichte  Mar.  unter  dem  Namen  Lamindus  Pritanius  und 
nicht  in  Italien,  sondern  zu  Paris  1715^).  Schon  im  Juni  1709  schreibt 
er  (Lett.  p.  237):  Ich  hin  in  Verlegenheit,  einen  Drucker  zu  finden; 
das  Buch  enthält  nichts  Unkatholisches,  aher  Wahrheiten,  die  nicht 
jedem  gefallen  werden;  darum  will  ich  es  auch  nicht  unter  meinem 
Namen  herausgeben,  —  und  später  (p.  287):  Das  Buch  sollte  in  Ita- 
lien gedruckt  werden;  das  ist  nicht  geschehen,  weil  ich  mich  nicht 
mit  einer  Inquisition  verständigen  konnte,  welche  eine  nothwendige 
und  gerechte  Wahrheit  weggelassen  haben  wollte.  —  Wenn  man 
in  Italien  aber  daran  Anstoss  nahm,  dass  Mur.  dem  Papste  zu  wenig 
einräumte,  so  fand  man  in  Paris,  dass  er  ihm  zu  viel  eingeräumt, 
und  corrigirte  einige  Gallicanismen  hinein.  In  einer  Erklärung 
vom  20.  Febr.  1716,  die  Mur.  im  Giorn.  d'Italia  drucken  liess  (Soli 
p.  267)  sagt  er,  an  den  folgenden  Stellen  seien  die  in  Parenthese  ge- 
setzten Worte  eingeschoben:  L.  1,  c.  11:  Certi  quoque  judices  catho- 
licae  doctrinae  sunt  Eom.  Pontifices  (quibus  eadem  consentit  eccle- 
sia) ;  c.  18 :  Romano  Pontifici  aliquod  decernenti  dogma  (cui  assen- 
titur  ecclesia  universalis)  credendum  est.  Er  habe  nie  daran  gedacht, 
fügt  er  bei,  die  Unfehlbarkeit  der  ex  cathedra  redenden  Päpste  zu 
modificiren^).  —  Das  Buch  wurde  zuerst  nach  14  Jahren  von  den 
Jesuiten  in  Süditalien  angegriffen,  —  sie  müssten  von  Neapel  und 
Palermo  kommen,  meint  Mur.  Lett.  p.  486,  dove  hanno  spaccio  le 
superstizioni  ihere.  Mur.  hatte  2,  6  das  von  den  Jesuiten  in  Sici- 
lien  sehr  in  Schwang  gebrachte  Gelübde,  Blut  und  Leben  für  die 
Vertheidigung  der  frommen  Meinung  von  der  Immaculata  Conceptio 
hinzugeben,  für  unerlaubt  erklärt.  Der  Jesuit  Franc.  Burgi  schrieb 
dagegen  unter  dem  Namen  Candidus  Parthenotimus  Votum  pro  tuenda 
Deiparae  conceptione  ab  oppuguationibus  recentioris  L.  Pritanii  vin- 
dicatum,  Palermo  1729  (Fabr.  p.  302).  Mur.  hatte  Mühe  für  seine 
schon  1732  vollendete  Gegenschrift  die  Druckerlaubniss  und  einen 
Drucker  zu  finden;  Concina  besorgte  die  Yeröffentlichung:  Antonii 
Lampridii  de  superstitione  vitanda  s.  censura  voti  sanguinarii  in 
honorem  immac.  conceptionis  Deiparae  emissi  a  Lamindo  Pritanio 
ante  oppugnati  atque  a  Cand.  Parth.  Theologo  Siculo  incassum  vin- 
dicati,  Mailand  (Venedig)  1742,  216  S.  4.  Es  erschien  nun  noch 
eine  Iteihe  von  Streitschriften,    meist  von  Jesuiten,    u.  a.  von  Zac- 


1)  Soli  bezeichnet  im  Folgenden  die  Vita  Muratori's  von  seinem 
Neffen  G.  Fr.  Soli  Muratori  im  I.Bande  der  Opere,  Arezzo  1767,  —  Fabr. 
=  Fabroni,  Vitae  Italorum  10,  89,  —  Lett.  =  Lettere  inedite  di  L.  A. 
Muratori,  Firenze  1854. 

2)  Eine  nach  Muratori's  Angaben    corrigirte  Ausgabe   besorgte   A. 
Gandorgaeus  (Gallandi)  Yen.  1752. 


De  ingeniorum  moderatione.  843 

caria  (Harter  2,  1357),  —  von  Mur.  noch:  Ferd.  Valdesii  epistolae 
(17)  8.  Appendix  ad  librum  Ant.  Lampridii  .  .  .  ubi  votum  sangui- 
narium  recte    oppugnatum,    male   propugnatum    ostenditur,    Mailand 

1743,  231  S.  4.  —  In  Spanien  wurde  das  Buch  von  Ant.  Lampri- 
dius  1765  verb.^).  Im  Rom.  Index  steht  keine  dieser  Schriften, 
—  eine  Confutatio    sex    priorum   epistolarum  .  .   .    Mailand    (Ven.) 

1744,  von  dem  Observanten  Giov.  de  Luca,  verbot  der  Papst  in 
Rom  zu  verkaufen,  aber  lediglich  wegen  ihrer  Mordacit4  (Soli 
p.  112),  —  und  Benedict  XIV.  lässt  auch  in  seinem  Werke  De 
beatif.  3,  19  die  Frage  unentschieden  und  verweist  auf  Streitschriften 
beider  Parteien  2). 

Im  J.  1740  spielte  sich  eine  eigenthümliche  Controverse  über 
Mur.  in  Salzburg  ab^).  Die  Mitglieder  einer  von  J.  B.  von  Gas- 
paris gegründeten  literarischen  Gesellschaft,  die  vielfach  angefeindet 
und  als  freimaurerisch  bezeichnet  wurde,  lasen  und  lobten  das  Buch 
de  ing.  mod.  und  die  Vita  del  P.  Paolo  Segneri  ed  esercizi  spiri- 
tuali,  Modena  1720.  Der  Prokanzler  der  Universität,  der  Benedic- 
tiner  Placidus  Böckhn,  liess  eine  Predigt  über  die  Nothwendigkeit 
der  Heiligen  Verehrung  drucken  und  polemisirte  in  einer  Note  gegen 
die  Vita,  in  welcher  Mur.  die  Verehrung  der  Heiligen,  namentlich 
der  h.  Jungfrau,  als  nützlich  und  löblich,  aber  nicht  nothwendig 
bezeichnet  hatte.  Man  verbreitete  einen  Brief  des  Secretärs  des 
Capuciner-Generals,  worin  gesagt  war:  Lamindus  Pritanius  stehe 
noch  nicht  im  Index,  aber  seine  Ansichten  seien  bedenklich,  und 
wenn  man  in  Rom  erfahre,  dass  sie  vertheidigt  würden,  werde  man 
das  Buch  verbieten.  Endlich  wurde  noch  ein  Brief  des  Benedic- 
tiners  J.  B.  Steinhauser  an  seinen  Bruder  bekannt,    worin  über  das 


1)  Ausserdem  steht  im  span.  Index  nur  eine  span.  Uebersetzung  von 
Mur.'s  Kiflessioni  sopra  il  buon  gusto  (1708)  mit  einem  Discurso  sobre  el 
buen  gusto  actual  do  los  Espaöoles  per  J.  Sempere  y  Guarinos,  1782. 
Es  wird  aber  nur  verordnet,  in  dem  Satze:  nou  quaerentes  gloriam  ab 
hominibus  neque  a  vobis  neque  a  Deo,  statt  a  Deo  zu  schreiben :  ab  aliis. 

2)  Ben.  XIV.  erörtert  hier  die  Frage,  ob  derjenige,  der  für  den 
Glauben  an  die  Immac.  Conc.  den  Tod  erleide,  als  Märtyrer  angesehen 
werden  dürfe.  N.  15  erwähnt  er,  dass  nach  Carena  der  Satz,  ein  solcher 
sei  ein  Märtyrer,  weil  jener  Artikel,  wenn  nicht  de  fide,  doch  de  pertinen- 
tibus  ad  fidem  sei,  von  der  portugiesischen  Inquisition  annuente  Paulo  V. 
1619  verdammt  worden  sei,  und  dass  bei  Raynaud  (Apop.  p.  256)  die 
Indcx-Congr.  einen  ähnlichen  Satz  gestrichen  habe.  Wie  es  sich  aber  auch 
mit  dieser  Controverse  verhalten  möge,  quam  sapientiorum  judicio  relin- 
quimus,  für  alle  anderen  Fälle  gelte  die  Regel,  dass  derjenige,  welcher 
für  einen  noch  nicht  von  der  Kirche  definirten  Punkt  sterbe,  kein  Märtyrer 
sei.  In  den  späteren  Ausgaben  ist  beip^efügt:  Vgl.  die  seit  der  1.  Auflage 
dieses  Werkes  erschienenen  Schriften  für  und  gegen  das  Votum  .  .  .  von 
Ant.  Lampridius  .  .  .  Card.  Querini  legte  im  Auftrage  Benedicts  XIV. 
Mur.  die  Frage  vor,  wie  er  mit  seiiftr  Ansicht  die  Thatsache  reime,  dass 
Thomas  Beckct  als  Märtyrer  verehrt  werde.  Mur. 's  Antwort  vom  21.  März 
1743  l)efriedigte  den  Papst.  Soli  p.  280. 

3)  Soli  p.  287.  Fabr.  p.  326.  Fleur.  77,  137—224.  Hist-pol.  Bi.  72, 
517.  Ginzel,  Theol.  Studien  S.  26. 


844  L.  A.  Muratori. 

Eindringen  der  Ketzerei  der  Liberi  Murarii  geklagt  wurde,  die  von 
einem  italienischen  Priester  L.  A.  Muratori  ihren  Namen  hätten 
und  sich  Liberi  nannten,  weil  sie  nach  dessen  Lehre  und  Beispiel 
Gedankenfreiheit  bezüglich  der  Religion  vertheidigten.  Grasparis 
veröffentlichte  darauf  *Avsioi.Saifiovo<;  q^ikogot^alov  Vindiciae  adv.  sy- 
cophantas  Juvavienses,  Col.  (Ven.)  1741.  Der  Fürstbischof  Leopold 
Graf  Firmian  liess  diese  Schrift  und  Boeckhns  Predigt  confisciren 
und  Steinhauser  widerrufen.  Mur.  beklagte  sich  bei  dem  Rector 
der  Salzburger  Universität.  Dieser,  der  Benedictiner  Gregor  Hor- 
ner,  antwortete :  er  und  seine  Ordensgenossen  hätten  Mur.  nicht 
zum  Stifter  der  Freimaurer  gemacht  und  sein  Buch  zu  den  ver- 
boteneu gezählt;  dieses  stehe  aber  allerdings  bei  ihnen  in  übelem 
Rufe  (male  audit),  weil  darin  die  Immaculata  Conceptio  zu  den  leves 
causae  gezählt  werde  und  weil  man  unter  Berufung  auf  dasselbe 
ihre  Ansicht  angreife,  dass  die  Heiligen- Verehrung  nothwendig  sei, 
wenn  auch  nicht  necessitate  medii. 

Mur.  ist  noch  einmal  in  dem  Hermesischen  Streit  viel  be- 
sprochen worden.  J.  Braun  und  F.  Biunde  gaben  eine  Uebersetzung 
des  Baches  De  ing.  mod.  heraus:  L.  A.  Muratori  über  den  rechten 
Gebrauch  der  Vernunft  in  Sachen  der  Religion,  Coblenz  1837.  Das 
Buch  ist  von  7  bischöflichen  Ordinariaten  approbirt.  Der  Erzbischof 
Droste  von  Köln  aber  hatte  die  Approbation  verweigert,  nachdem 
sein  Censor,  Pf.  Kerp  in  Köln,  erklärt  hatte,  er  habe  in  dem  Buche 
„einen  so  bösen  Geist  und  einige  so  hämische  Angriffe  auf  die  Braut 
Christi,  die  h.  kath.  Kirche  gefunden,  dass  es  nach  seiner  festen 
Ueberzeugung  dem  Laien  nicht  in  die  Hand  gegeben  werden  dürfe, 
wenn  er  nicht  irre  werden  solle  an  seinem  Glauben."  In  zwei  katho- 
lischen Zeitschriften  aber  wurde  damals  behauptet,  das  Buch  von 
Mur.  stehe  im  Index,  —  in  der  einen  mit  der  Bemerkung,  nur  die 
von  Roncaglia  und  Mansi  besorgte  Ausgabe  sei  freigegeben,  wobei 
Mur.  also  mit  Natalis  Alexander  verwechselt  wurde.  Eine  Index- 
Ausgabe  haben  diese  Gelehrten  also  nicht  angesehen  ^). 

4.  Ebenso  viele  Angriffe  erfuhr  die  Schrift  Della  regolata 
divozione  de'  cristiani.  Trattato  di  Lamindo  Pritanio,  Ven.  1747 
u.  o.  (auch  ins  Lateinische  und  wiederholt  ins  Deutsche  übersetzt, 
Soli  p.  65).  Zunächst  bekämpfte  Card.  Querini  das,  was  Mur.  im 
21.  Cap.  zu  Gunsten  der  Verminderung  der  Feiertage  gesagt  hatte, 
in  einer  Lettera  a  Mons.  Bemardo  di  Franckenberg,  Abbate  del 
Monastero  di  Disentis,  1747.  Mur.  antwortete  in  der  Difesa  di 
quanto  ha  scritto  L.  Prit.  in  favore  della  diminuzione  delle  troppe 
feste  (in  der  Raccolta  di  scritture  concernenti  la  diminuzione  delle 
feste  di  precetto,  Lucca  1748).  Querini  veröffentlichte  nun  zwei 
Briefe  an  den  Erzbischof  Borgia  von  Fermo;  Mur.  hatte  die  Ant- 
wort darauf  bereits  fertig,  da  erschien  ein  Brave  vom  11.  Nov.  1748 


1)  J.  Braun,  Ehrenrettung  L.  A.  Muratori's  durch  Benedict  XIV., 
in  neue  Erinnerung  gebracht  .  .  . ,  Trier  1837.  Zts.  f.  Philos.  und  katb. 
Th.  22,  229;  27,  209;  31,  166. 


Della  regolata  divozione.  845 

(Bull.  2,  303),  worin  Benedict  XIV.  sagt:  die  Anordnungen,  die  er 
getroffen,  nachdem  sich  von  40  Bischöfen  und  Theologen,  die  er 
befragt,  33  zu  Gunsten  einer  Verminderung  der  gebotenen  Feier- 
tage ausgesprochen  ^),  —  er  hatte  sich  bereit  erklärt,  auf  den  An- 
trag der  Bischöfe  für  einzelne  Diöcesen  und  Provinzen  die  Zahl  der 
Feiertage  zu  vermindern,  —  hätten  einen  Streit  hervorgerufen,  bei 
welchem  die  Streitenden  nicht  innerhalb  der  Grenzen  einer  unbe- 
denklichen Controverse  geblieben  seien,  sondern  einander  mit  An- 
klagen und  Censuren  überhäuft  hätten.  Einige  Theologen,  die  er 
mit  der  Prüfung  der  betreffenden  Schriften  beauftragt,  hätten  er- 
klärt, es  sei  von  beiden  Seiten  kein  katholisches  Dogma  verletzt, 
der  Bulle  Urbans  VIII.  vom  J.  1642,  worin  die  Zahl  der  Feier- 
tage normirt  wurde,  nicht  zu  nahe  getreten  und  überhaupt  nichts 
Unkatholisches  vorgebracht  worden.  Einige  Cardinäle  aber,  die  er 
befragt,  hätten  gerathen,  den  Streitenden  Stillschweigen  zu  gebieten, 
zumal  von  beiden  Seiten  genug  Argumente  vorgebracht  seien,  dass 
sich  jeder  Bischof  ein  Urtheil  darüber  bilden  könne,  ob  er  eine 
Verminderung  der  Feiertage  zu  beantragen  habe  oder  nicht.  Darum 
verordne  er  kraft  apostolischer  Autorität:  1.  es  solle  fortan  keine 
Erklärung  dieses  Decretes  und  keine  Schrift,  worin  dasselbe  direct 
oder  indirect  angegriffen  werde,  mehr  veröffentlicht  werden,  2.  keine 
Bücher,  .  .  .  Thesen,  Folia,  Briefe,  in  denen  über  die  Verminderung 
der  Feiertage  ex  professo  vel  incidenter  gehandelt  werde,  auch  nicht 
anonym  oder  pseudonym;  3.  die  bisher  erschienenen  Schriften  seien 
nicht  neu  zu  drucken;  alles,  was  fortan  mit  Verletzung  oder  Um- 
gehung dieses  Decretes  veröffentlicht  werde,  solle  ohne  weitere  Prü- 
fung zur  Strafe  für  den  Ungehorsam  in  den  Index  gesetzt  werden. 
Dieses  Decret  sei  von  allen,  welchen  Standes  sie  auch  seien,  die 
Cardinäle  nicht  ausgenommen,  zu  beachten  bei  Strafe  der  reservirten 
Excomm.  für  Laien,  der  Suspensio  a  divinis  für  Geistliche  bis  zu  den 
Priestern  inclusive,  der  Suspensio  a  pontificalibus  et  a  perceptione 
fructuum  beneficiorum  für  höhere  Geistliche.  —  Auffallender  Weise 
ist  dieses  allgemeine  Verbot  nicht  in  die  Decr.  gen.  aufgenommen. 
Nach  dem  Tode  Mur.'s  wurde  sein  Buch  Della  regolata  divo- 
zione namentlich  von  Jesuiten  im  Interesse  der  Marien-  und  Hei- 
ligen-Verehrung angegriffen.  Franc.  Pepe  predigte  in  Neapel  gegen 
ihn  (S.  217);  einem  Drucker  in  Neapel  wurde  für  eine  Schrift  von 
ihm  erst  die  Erlaubniss  verweigert,  dann  unter  der  Bedingung  ge- 
geben, dass  er  Trient  als  Druckort  angebe.  —  Ben.  Piazza  (Piazza) 


1)  Vgl.  Bened.  XIV.  de  beatif.  1.  4,  p.  2,  c.  16.  —  Auch  Mur.  hatte 
1743  ein  Votum  darüber  abgegeben,  in  dem  merkwürdige  Stellen  vor- 
kommen (Soli  p.  298.  393).  Die  Sache  lag  Mur.  sehr  am  Herzen;  er  spricht 
in  den  Lettere  ined.  wiederholt  davon  und  sachte  Bischöfe  und  Regierungen 
zu  veranlassen,  namentlich  im  Interesse  der  Armen,  eine  Verminderung 
der  Feiertage  zu  beantragen;  Soli  p.  488.  489.  Die  Briefe  über  seine 
Aussöhnung  mit  Querini  p.  300.  Die  Risposta  di  Lamindo  Pritanio  alla 
nuova  scritta  dal  Card.  Querini,  welche  in  Folge  des  Breve's  damals  nicht 
erschien,    steht  in  den  Scritti  inediti  di  Muratori,    Bologna  1872,  II,  263. 


846  L.  A.  Muratori. 

gab  einen  Quartband  von  800  S.  heraus:  Christianomm  in  sanctos 
sanctorumque  reginam  .  .  .  devotio  a  praepostera  cnjnsdam  scriptoris 
reformatione  vindicata,  Palermo  1751^),  —  er  zählt  Mur.  zu  den 
Jansenisten;  in  dem  Trattato  della  confidenza  cristiana  von  Aletofilo 
(dem  Benedictiner  Constantino  Rotigni),  Ven.  1751,  wird  er  als 
Molinist  angegriffen;  —  in  einer  Besprechung  des  Buches  in  den 
Novelle  letterarie,  Ven.  1753,  wurde  Mur.  scharf  angegriffen,  der 
Herausgeber  aber  von  den  Riformatori  zu  einer  Retractation  ge- 
nöthigt.  Auch  Zaccaria  polemisirte  gegen  Mur/s  Buch  in  der  Storia 
letteraria  und  äusserte  den  frommen  Wunsch :  utinam  e  fidelium 
manibus  eripiatur.  Als  in  Mainz  eine  deutsche  Uebersetzung  gedruckt 
werden  sollte,  sagte  man  dem  Kurfürsten,  das  Buch  sei  in  Rom 
verboten  worden;  der  Nuncius  Archinto  belehrte  ihn  eines  Bessern. 
Auch  in  Prag  und  Augsburg  erschienen  deutsche  Ausgaben;  in 
Wien  Hess  der  Erzbischof  Migazzi  1757  das  Buch  drucken,  —  der 
Jesuit  Schez,  der  Mitglied  des  Censurcollegiums  war,  suchte  ver- 
gebens den  Druck  zu  hintertreiben,  —  und  tiberreichte  einer  Erz- 
herzogin ein  Exemplar.  Deren  Beichtvater,  der  Jesuit  Lehner, 
warnte  sie  vor  der  Leetüre.  Durch  Maria  Theresia  veranlasst, 
wandte  sich  darauf  Migazzi  an  den  Secretär  der  Index-Congr.,  Ric- 
chini,  und  liess  dann  23.  Sept.  1759  dessen  Antwort  drucken:  die 
Congr.  habe  das  von  Piazza  angefeindete  Buch  auf  Befehl  des 
Papstes  geprüft,  aber  18.  Dec.  1752  erklärt:  nullam  illi  posse  vel 
levissimam  censoriam  notam  inuri,  da  das,  was  der  Verfasser  be- 
kämpfe, nur  augenscheinliche  Missbräuche  oder  unverständige  Mei- 
nungen des  zum  Aberglauben  geneigten  gewöhnlichen  Volkes  seien, 
welche  die  kath.  Kirche  nie  gebilligt  habe  *). 

5.  Andere  literarische  Streitigkeiten  Muratori's  sind  von  ge- 
ringerer Bedeutung.  Der  Streit  mit  Fontanini  über  Castelvetro  ist 
bereits  l  S.  581  erwähnt  worden.  Fontanini  betrieb  1727  ver- 
gebens das  Verbot  von  Mur.'s  Vita  di  L.  Castelvetro.  Fr.  Valesio, 
der  Fontanini's  Eloquenza  italiana  im  Auftrage  des  Mag.  S.  Pal. 
revidirt  hatte,  erhielt  einen  Verweis  dafür,  dass  er  die  bitteren  Aus- 
fälle gegen  Mur.,  die  dieser  in  einem  Primo  esame  delP  El.  it. 
rügte,  hatte  passiren  lassen  (Soli  p.  84.*  381).  Mit  Fontanini 
hatte  Mur.  auch  Streit  über  die  eiserne  Krone  zu  Monza  und  den 
1695  zu  Pavia  gefundenen  angeblichen  Leib  des  h.  Augustinus.  — 
Als  der  Mag.  S.  Pal.  für  eine  kleine  Schrift  von  Mur.  Della  caritä  cri- 


1)  Piazza  (1677 — 1761),  Censor  und  Consultor  der  sicilianischeu  In- 
quisition (Backer  2,  500),  vertheidigte  u.  a.  die  Sätze:  1.  man  könne  nicht 
unbedingt  sagen,  dass  nur  Gott  von  Sünden  lossprechen  könne  und  dass 
man  nur  von  Gott  und  nicht  auch  von  den  Heiligen  Sündenvergebung 
erbitten  und  erhoffen  dürfe;  2.  nicht  nur  von  Gott,  sondern  in  einem  ge- 
wissen Sinne  auch  von  den  Heiligen  würden  Gnaden  und  Wunder  gewirkt. 
—  Auf  der  andern  Seite  musste  sich  Piazza  in  einer  besondem  Schrift 
gegen  den  Vorwurf  des  Franciscaners  Mezzadoro  vertheidigen,  dass  er  den 
Portiuncula-Ablass  gering  schätze. 

2)  Soli  p.  141.  403.  Fabr.  10,  359.  Fleur.  83,  840. 


Controverse  über  das  Zinsennehmen.  847 

stiana  die  Approbation  bereits  anngefertigt  hatte,  Hess  er  sich  von 
Fontanini  bestimmen,  sie  zn  zerreissen.  Mur.  legte  darauf  das 
Scliriftchen  einigen  Theologen  vor,  u.  a.  dem  Dominicaner  Vincenzo 
Gotti,  später  Cardinal,  nnd  da  sie  dasselbe  gut  hiessen,  liess  er  es 
mit  einer  Widmung  an  Carl  VI.  1723  zu  Modena  drucken  (Fabr. 
p.  337).  —  Als  Benedict  XIV.  1747  ein  Breve  an  den  Bischof  von 
Augsburg  über  die  angebliche  Heilige  Crescentia  von  Kaufbeuren 
erlassen  hatte,  schrieb  Mur.  gegen  eine  Streitschrift  von  E.  von 
Windheim  De  naevis  in  religionem  incurrentibus  s.  Apologia  Epi- 
stolae  a  S.  D.  N.  Benedicto  XIV.  P.  M.  ad  Episcopum  Augusta- 
num  scriptae,  Lucca  1749.  Auch  diese  Schrift  wurde  von  mehreren 
Seiten  getadelt,  weil  Mur.  gegen  die  Protestanten  zu  matt  polemi- 
sire  und  ihnen  bezüglich  der  Missbräuche  in  der  kath.  Kirche  zu 
viel  zugebe.  Der  Papst  aber  dankte  Mur.  für  seine  Schrift  (Fabr. 
p.  367). 

.  Gegen  Muratori's  Liturgia  romana  vetus,  tria  sacramentaria 
complectens,  Ven.  1748,  2  vol.  4.,  ist  gerichtet  Jo.  Aug.  Ernesti's 
Antimuratorius  s.  confutatio  Muratorianae  disputationis  de  rebus 
liturgicis  ad  Sal.  Deylingium,  Lips.  1755,  8.,  verb.   1759. 


80.     Die  Controverse  über  das  Zinsennehmen. 

Durch  eine  Reihe  von  Concilien  und  Päpsten  ist  bekannt- 
lich erklärt  worden,  dass  das  Zinsennehmen,  auch  wenn  es  sich 
nicht  um  eigentlichen  Wucher  handle,  unter  den  Begriff  der 
sündhaften  Usura  falle.  Diese  Anschauung  wurde  auch  im  17. 
und  18.  Jahrhundert  festgehalten  und  auch  mehrere  Formen  von 
Geschäften,  durch  welche  das  Verbot  des  Zinsennehmens  um- 
gangen wurde,  für  unerlaubt  erklärt.  Demgemäss  wurden  viele 
juristische  Schriften  auch  darum,  weil  darin  die  Erlaubtheit  des 
nicht  wucherischen  Zinsennehmens  vertheidigt  wurde,  verboten 
(S.  167).  Auch  einige  Schriften,  welche  ex  professo  Fragen  be- 
handeln, die  damit  zusammenhangen,  sind  im  17.  und  18.  Jahr- 
hundert in  den  Index  gekommen.  Unter  Benedict  XIV.  trat 
die  Controverse  in  den  Vordergrund  durch  eine  Schrift  des 
ütrechter  Geistlichen  Nie.  Broedersen  und  noch  mehr  durch  eine 
Schrift  des  Marchese  Scipio  Maflfei,  in  welchen  die  in  Rom 
herrschende  Anschauung  bekämpft  wurde.  Benedict  XIV.  er- 
liess  im  J.  1745  eine  Encycliea,  in  welcher  im  wesentlichen 
die   alte  Anschauung  bestätigt  wird;   aber    die  beiden  Bücher 


848  Controverse  über  das  Zinsennehmen. 

wurden  nicht  nur  nicht  verboten,  sondern  auch  das  von  Maffei 

1746  in  Rom  selbst  nochmals  gedruckt,  gleichzeitig  mit  Schriften 

des  Dominicaners  Daniel   Concina,    worin  Maffei's   Ansicht   als 

ketzerisch  bekämpft  wurde,   so  dass  man  sagen  kann,   die   alte 

Anschauung  sei  unter  Benedict  XIV.  theoretisch  bestätigt,  aber 

praktisch   aufgegeben   worden.    Auch   später  ist  ausser  einigen 

Schriftchen   von    Laborde,    der  Gegner    der   alten   Anschauung 

heftig  bekämpft,  kein  über  das  Zinsennehmen  handelndes  Buch 

in  den  Index  gekommen,  obschon  die  Controverse  auch  im  19. 

Jahrhundert  wieder  auftauchte,  und  mehrere  neuere  Päpste  haben 

ausdrücklich  erklärt,  die  Praxis  des  nicht  wucherischen  Zinseu- 

nehmens  sei  bis  zu  einer  definitiven  Entscheidung  des  h.  Stuhles 

zu  dulden.    Eine  solche  definitive  Entscheidung  ist  wohl  lediglich 

darum  nicht  gegeben  worden,  weil  darin  die  früheren  päpstlichen 

Entscheidungen  direct  oder  indirect  als  irrig   oder  wenigstens 

als  jetzt  nicht  mehr  gültig  bezeichnet  werden  mUssten^J. 

Die  von  den  kath.  Theologen  bei  der  Frage  über  Usura  am 
meisten  bekämpften  Schriftsteller  sind  Molinaeus  (Graspar  Caballinus,  I 
S.  442),  Salmasius  und  Noodt.  Wie  viele  Schriften  von  Theologen 
über  die  Frage  erschienen  sind,  sieht  man  aus  dem  Register  zu 
Hurter  s.  v.  Usura.  —  Mehrere  auf  Usura  bezügliche  Sätze  sind 
unter  den  Propositiones  damnatae  von  IGGG  (Alexander  VII.,  No.  42) 
und  1679  (Innocenz  XL,  No.  40 — 42).  In  den  Index  kamen  vor 
Ben.  noch  folgende  Schriften:  Discorso  e  parere  di  un  teologo 
intorno  al  cambio  della  ricorsa  a  se  stesso,  und  zwei  Schriften  von 
D.  Antonio  di  S.  Salvatore,  Trattato  della  ricorsa  e  continuazione 
de'  cambii  fatti  a  se  stesso  und  Decisione  d'  im  caso  e  con  esso  di 
alcuni  altri  dubbii  in  materia  de*  cambii,  verb.  1624;  —  De  usu 
licito  pecuniae  dissertatio  theol.  auct.  Emman.  Maignan,  Tolosae 
1673,  verb.  1674;  —  Factum  ou  propositions  succinctement  re- 
cueillies  des  questions  qui  se  forment  aujourd'huy  sur  la  matiere  de 
l'usure,  sur  lesquelles  il  est  k  proi>os  de  faire  une  consultation  .  .  . 
jouxte  la  copie  imprim^e  a  Ville  sur  Illon  en  1680  (von  Fr.  Guinet); 
Vindicatio  consuetudinis  Angliae  de  concedenda  ad  usum  pecunia, 
Lond.  1699;  Usury  explain'd  or  conscience  quieted  in  the  case  of 
putting  out  money  at  interest,  by  Philopenes,    Lond.  1695,    von 


1)  Vgl.  F.  X.  Funk,  Zins  und  Wucher,  1868;  Geschichte  des  kirch- 
lichen Zinsverbotes,  1876  (Tübinger  Programm);  Scipio  Maffei  und  das 
kirchliche  Zinsverbot,  in  der  Theol.  Quartalschrift  1879,  8;  vgl.  Deutscher 
Merkur  1879,  19.  —  Uebcr  die  verschiedenen  bei  der  Controverse  in  Be- 
tracht kommenden  Geschäfte,  Contractus  Mohatra,  Montes  pietatis,  Census 
realis,  personalis  et  vitalitius,  Cambium,  Contractus  trinus,  s.  Jo.  Devoti 
Institutiones  canonicae  1.  4,  tit.  16  (Gandae  1836,  II,  345). 


N.  Broedersen.    Sc.  Maffei.  84d 

der  Inq.  verb.  1704;  —  ausserdem  noch  Mich.  Wolfredi  Asser- 
tiones  theologicae,  quibus  rei  trapeziticae  in  Belgio  foederato  aucto- 
ritate  publica  constitutae  honestas  et  necessitas  exponitur  et  vindi- 
catur,  Hardervici  1660,  verb.  1714;  L'uomo  in  traffico  osia  la  ma- 
teria  de'  contratti  di  Giov.  Tuba,  Ven.  1712,  verb.  1737.  Der 
1713  erschienene  Trait6  de  Tusure  des  Parlamentspräsidenten  Rini 
de  la  Bigotiere,  der  im  Geiste  Dumoulins  geschrieben  ist  und  eine 
lebhafte  Controverse  hervorrief  (Funk,  Gesch.  S.  66),  steht  nicht 
im  Index. 

Das  Buch    von   Nie.  Broedersen,  —  er   war  Pfarrer  zu  Delft, 
später  Decan  des  Capitels  zu  Utrecht,  —  heisst  De  usuris  licitis  et 
illicitis,    vulgo   nunc   compensatoriis    et  lucratoriis  .   .  .  11.  12  .  .  ., 
Delphis   1743,    Fol.  (Hurter  2,  1464).      Es    fand  auch    in   der   Ut- 
rechter Kirche    und    bei  anderen  Jansenisten    heftigen  Widerspruch 
(Picot  4,  252.  371).     Das  Buch  von  Maffei  erschien  aus  Anlass  einer 
Controverse  über  eine  von  der  Stadt  Verona  aufgenommene  vierpro- 
centige   Anleihe    zuerst  unter  dem  Titel:    Dell'  impiego  del  danaro 
libri  tre.  Alla  Santitä.diN.  S.  Papa  Benedetto  XI V.,  Verona  1 744 *, 
XXII  und  332  S.  4.    (in  der  Dedication  nennt  sich  Maffei  als  Ver- 
fasser) ;  als  Anhang  sind  Auszüge  aus  Broedersen,  Maignan  und  dem 
Traite  des  prets  de  commerce,  1738  (von  dem  Abbe  Aubret)  beige- 
fügt (von  diesem  Buche  besorgte  Et.  Mignot  eine  vermehrte  Ausgabe, 
1759,  4  vol.  12).     Es  ging  das  Gerücht,  Maffei  sei  vor  die  Inqui- 
sition in  Verona  citirt  worden  und  habe  einen  Verweis  und  den  Be- 
fehl erhalten,    nichts   mehr   über  theologische  Dinge   zu   schreiben; 
auch  die  ßömische  Inquisition  habe  ihn  citiren  wollen  (N.  E.  1745, 
206).     Benedict  XIV.  beauftragte  4.  Juli  1745  eine  besondere  Con- 
gregation  von  4  Cardinälen    (Gentili,  Cavalchini,  Besozzi  und  Tam- 
burini)  und   11   Theologen    (darunter  der  Dominicaner  Concina,    der 
Observant  Bianchi  und  die  Jesuiten  Turani  und  Giulii)  mit  der  Prü- 
fung der  Sache.     In  zwei  18.  Juli  und  1.  Aug.  unter  dem  Vorsitze 
des  Papstes  gehaltenen  Sitzungen  gaben  diese  ihre  Vota  ab.    Diese 
wurden  in  fünf  Sätze  zusammengefasst  und  im  Anschluss  daran  pu- 
blicirte  Benedict  XIV.  die  Encyclica    an    die   italienischen  Bischöfe 
vom  1.  Nov.  1745    (Bull.  1,  353).      Den  Inhalt  der  5    Sätze  fasst 
Benedict  XIV.  De   syn.    dioec.   1.  10,    c.  4,    §  10  so  zusammen:    1. 
Omne  lucrum  ex  mutuo  ratione    mutui    usurarium    et    illicitum    est. 
2.  Man  darf  nicht  sagen,  es  sei  nur  verboten,  hohe  Zinsen  und  von 
Armen  solche  zu  nehmen.     3.  Es  ist  allerdings  erlaubt,   auf   einen 
andern  Titulus  hin    als   den  des  Leihens  von  dem  Leihenden  etwas 
zu  nehmen;  aber  es  ist  verwegen,  zu  behaupten,  ein  solcher  Titulus 
sei  immer  vorhanden.      Dass   die  Erklärung  gegen  Maffei  gerichtet 
ist,  deutet  Benedict  an  derselben  Stelle  mit  den  Worten  an:  die  En- 
cyclica   sei    dadurch    veranlasst    worden,    dass   nonnulli   praedictam 
exoticam  opinionem  (die  von  Broedersen  u.  a.)  iterum  refricare  non 
dubitarunt.     In  der  Encyclica  sagt  er:    er  wolle  über  den  Vertrag, 
der    zu    der  Controverse  Anlass  gegeben    (die  Anleihe  von  Verona) 
für  jetzt  keine  Entscheidung  geben,  auch  nicht  über  andere  Punkte, 
die  unter  den  Theologen  und  Canonisten  controvers  seien;  bei  diesen 

BenBch,  Index  II.  54 


850  Controverse  über  das  Zinsennelimen. 

Controversen  sollten  die  Gegner  einander  nicht  schmähen  oder  ver- 
ketzern u.  8.  w. 

Im  folgenden  Jahre  1746*  erschien  in  Rom  selbst  mit  dem 
Reimprimatur  des  Mag.  S.  Pal.  Ridolfi  von  Maffei's  Buch  Seconda 
edizione  accresciuta  d'una  lettera  enciclica  di  Sua  Santiti  e  d'altra 
lettera  dell'  autore  alla  medesima  Santitä  Sua  (XXXVI  und  300 
S.  4.,  die  3.  Ausg.  Bassano  1756),  und  in  diesem  Briefe,  datirt 
Verona  12.  Nov.  1745,  sagt  Maffei  ganz  unverfroren:  was  in  der 
Encyclica  verdammt  werde,  habe  er  nicht  gelehrt,  er  habe  viel- 
mehr die  Lehre  der  Encyclica  in  seinem  Buche  anticipirt,  während 
doch  „in  Wahrheit  von  einer  Uebereinstimmung  nicht  die  Rede  sein 
kann,  vielmehr  zwischen  dem  Buche  von  MaflPei  und  der  Encyclica 
der  grösste  Gegensatz  besteht"  (Q.-S.  S.  46).  In  demselben  Jahre 
1746  gab  Concina  drei  Schriften  heraus,  zu  Neapel  Esposizione  del 
dogma,  che  la  chiesa  propone  a  credersi  intorno  air  usura,  coUa 
confutazione  del  libro  intit.  Deir  impiego  del  danaro,  zu  Rom,  also 
mit  Approbation  des  Mag.  S.  Pal.,  In  Epist.  encjcl.  Benedicti  XIV. 
adv.  usuram  commentarius,  quo  illustrata  doctrina  cath.  Nicolai 
Broedersen  et  aliorum  errores  refelluntur  (diese  Schrift  erschien  sub 
pontificis  praesidio;  Sandelli  p.  120)  und  Usura  contractus  trini  .  . 
demonstrata  adv.  mollioris  ethices  casuistas  et  Nie.  Broedersen  .  .  . 
(dem  Card.  Querini  gewidmet).  Concina  behandelt  Maffei  als  italie- 
nischen Bearbeiter  des  Buches  von  Broedersen  und  dessen  Ansicht 
als  ketzerisch.  So  ist  es  erklärlich,  wenn  ein  hochgestellter  Mann, 
der  von  Rom  kam,  Muratori  sagte  (er  berichtet  es  in  einem  Briefe 
vom  10.  Febr.  1747  in  den  Lettere  ined.  p.  501):  „Eine  schöne  Ge- 
schichte I  Der  h.  Vater  nimmt  Widmungen  von  Concina  und  von 
Maffei  an,  und  doch  ist  entweder  jener  ein  Verleumder  oder  dieser 
ein  Ketzer."  —  Gegen  Concina  schrieb  der  Jesuit  F.  X.  Zech  zu 
Ingolstadt  (Hurter  3,150)  drei  Dissertationen :  Rigor  moderatus  doc- 
trinae  pontificiae  circa  usuras,  1747  —  52^),  worauf  Concina  antwor- 
tete (Sandelli  p.  122). 

üeber  das  Zinsennehmen  wurde  in  Frankreich  seit  1 820  wieder 
sehr  lebhaft  verhandelt.  Die  strengere  Ansicht  wurde  namentlich 
von  Abb6  Pages,  Dissertation  sur  le  pret  a  interet,  1821,  vertheidigt, 
die  mildere  in  den  Dissertations  sur  le  pret  de  commerce  par  feu 
M.  le  Card,  de  La  Luzerne,  6v6que  de  Langres,  1823,  5  vol.,  und 
von  Abbe  Baronnat,  Le  pretendu  mystere  de  Tusure  devoil6,  1822, 
2  vol.  Dieser  widmet  sein  Buch  den  französischen  Bischöfen,  de- 
nuncirt  (def^re)  ihnen  förmlich  die  Schrift  von  Pages  und  zwei 
ähnliche  und  gibt  ihnen  anheim,  sein  Buch  nach  Rom  zu  schicken, 
wie  1804  mit  dem  Traite  des  Abbe  Rossignol  geschehen  sei^). 
—  Die  mildere  Ansicht  wurde  auch  in  einem  1831  in  Rom  erschie- 


1)  Sie  sind  mit  einigen  anderen  Sachen  abgedruckt  bei  Migne,  Theo- 
logiae  Cursus  completus  16,  764. 

2)  Ami  de  la  rel.  34,  385;  vgl.  29,  33;  38,  385  u.  s.  Migne  p.  1065. 
Funk,  Gesch.  S.  69.    üeber  Mastrofini  (1763—1845)  s.  Tipaldo  10,  174. 


Lesen  der  Bibel  in  der  Volksprache.  851 

nenen  Buche  des  Abate  Marco  Mastrofini  vertheidigt  (Le  usure, 
Libri  tre.  Discussione,  —  Discussion  sur  l'usure,  trad.  de  ritalien 
sur  la  4.  edition,  Lyon  1834),  und  es  erschienen  dann  auch  in 
Italien  mehrere  Schriften  pro  et  contra. 

Die  Frage  wurde  auch  wiederholt  von  Frankreich  und  Nord- 
italien aus  der  Inquisition  vorgelegt.  Die  von  1780  bis  1872  er- 
gangenen Antworten  liess  die  Congregation  der  Propaganda  zusammen 
drucken :  Apostolicae  Sedis  reaponsa  authentica  et  instructiones  circa 
lucrum  ex  mutuo  in  unum  collectae  a.  1873(abgedr.  A.  J.  P.  13,  309). 
Sie  laufen  darauf  hinaus :  diejenigen,  welche  auf  Grund  der  bürger- 
lichen Gesetzgebung  massige  Zinsen  nehmen,  bis  zu  5  Procent,  selbst 
Geistliche,  die  dieses  thun,  sind,  so  lange  nicht  der  h.  Stuhl  eine 
definitive  Entscheidung  gegeben,  im  Beichtstuhle  nicht  (durch  Ver- 
weigerung der  Lossprechung)  zu  beunruhigen,  unter  der  Bedingung, 
dass  sie  bereit  sind,  sich  einer  eventuellen  andern  Entscheidung  des 
h.  Stuhles  zu  fügen  (dummodo  parati  sint  stare  mandatis  Sanctae 
Sedis). 


81.     Das  Lesen  der  Bibel  in  der  Yolksprache. 

Neben  einigen  protestantischen  Bibelübersetzungen  wurden 
einige  katholische  Uebersetzungen  des  Neuen  Testaments  ver- 
boten: das  sog.  N.T.  vonMons  1668  durch  ein  Breve  Clemens' IX. 
(S.  668),  im  Anfang  des  18.  Jahrh.  ausser  dem  Werke  von  Quesnel 
die  französischen  Uebersetzungen  von  R.  Simon  und  Hurö  (S.  425. 
671)  und  die  holländische  von  Schurius.  Andere  Uebersetzungen 
wurden  nicht  verboten  und  fanden  zum  Theil  eine  grosse  Ver- 
breitung; nur  in  Italien  i),  Spanien  und  Portugal  wurde  das 
Verbot  des  Lesens  der  Bibel  in  der  Volksprache  strenge  auf- 
recht erhalten.  In  Frankreich  und  den  Niederlanden  entstand 
darüber  in  den  letzten  Decennien  des  17.  Jahrhunderts  eine 
lebhafte  Controverse,  in  welcher  die  „  Jansenisten**  sich  für  die 
NichtVerbindlichkeit  der  4.  Regel  des  sog.  Trienter  Index  aus- 
sprachen. Von  ihren  Streitschriften  wurden  nur  einige  wenige 
verboten,  aber  in  der  Bulle  Unigenitus  mehrere  auf  diesen  Punkt 


1)  Eine  Provincialsynode  von  Neapel  1699  (Coli.  Lac.  1,  165)  er- 
klärte: Bibeln  in  der  Volksprache  dürfen  auch  nicht  mit  Erlaubniss  des 
Bischofs  behalten  werden;  denn  den  Bischöfen  ist  durch  apostolisches 
Mandat  die  Gewalt  genommen  worden,  eine  solche  Erlaubniss  zu  ertheilen 
(I  S.  333). 


852  Lesen  der  Bibel  in  der  Volksprache. 

bezügliche  Sätze  verdammt.  In  dem  Index  Benedicts  XIV.  wurde 
aber  der  4.  Regel  auf  Grund  eines  Decretes  der  Indcx-Congre- 
gation  vom  13.  Juni  1757  der  Zusatz  beigefügt:  „Wenn  der- 
gleichen Bibelübersetzungen  in  der  Volksprache  von  dem  aposto- 
lischen Stuhle  gutgeheissen  oder  mit  Anmerkungen  herausge- 
geben sind,  die  aus  den  h.  Kirchenvätern  oder  aus  gelehrten 
und  katholischen  Männern  entnommen  sind,  werden  sie  gestattet*" 
(couceduntur),  d.  h.  dürfen  sie  ohne  specielle  Erlaubniss  von 
jedermann  gelesen  werden,  während  eine  solche  Erlaubniss  für 
das  Lesen  anderer  Ausgaben  erforderlich  bleibt.  Diese  Milde- 
rung der  4.  Regel  ist  aber  unter  Gregor  XVI.  durch  ein  Moni- 
tum der  Index-Congregation  vom  7.  Jan.  1836  (seit  1841  in  den 
Index-Ausgaben  abgedruckt)  wieder  aufgehoben  worden:  „Es  ist 
der  Congregation  berichtet  worden,  dass  an  einigen  Orten  Bibeln 
in  der  Volksprache  ohne  Beobachtung  der  darüber  bestehenden 
Gesetze  gedruckt  werden.  Sie  bringt  darum  in  Erinnerung, 
dass  nach  dem  Decrete  von  1757  nur  solche  Bibelübersetzungen 
in  der  Volksprache  zu  gestatten  sind  (permittendas  esse),  welche 
vom  apostolischen  Stuhle  gutgeheissen  oder  mit  Anmerkungen 
.  .  .  versehen  sind,  und  dass  im  übrigen  das  festzuhalten  ist, 
was  durch  die  4.  Regel  des  Index  und  später  durch  Clemens  VIII. 
verordnet  worden.*'  Danach  gilt  also  die  4.  Regel  auch  jetzt 
noch,  und  zwar  mit  der  Verschärfung,  dass  Bibelübersetzungen, 
die  nicht  von  dem  Papste  gutgeheissen  oder  mit  Anmerkungen 
versehen  sind,  nicht  gedruckt  und  demgemäss  auch  nicht  ge- 
braucht werden  sollen,  so  dass  also  auch  jetzt  noch  jeder,  der 
die  Bibel  in  der  Volksprache  lesen  will,  die  Erlaubniss  dazu 
nachsuchen,  ihm  aber  nur  die  Erlaubniss,  eine  vom  Papste  gut- 
geheissene  oder  mit  Anmerkungen  versehene  Ausgabe  zu  be- 
nutzen, gegeben  werden  kann,  —  eine  Bestimmung,  die  freilich 
in  praxi  ebensowenig  allgemein  befolgt  wird  wie  früher  die 
4.  Regel  des  Index  i). 

1.  Die  verbreitetste  protestantische  italienische  Bibelübersetzung, 
die  von    Giov.  Diodati,    zuerst    (zu   Genf)    1607  erschienen,    wurde 


1)  Die  meisten  hier  in  Betracht  kommenden  Actenstiicke  sind  ab- 
gedruckt Acta  S.  S.  9,  480,  und  bei  J.  B.  Malou,  Das  Bibellesen  in  der 
Volksprache,  übersetzt  von  H.  Stoeveken,  1849,  2,  520.  Vgl.  K.-L.  2.  662. 


Protestantische  Uebersetzungen.  A.  Schurius.  853 

nicht,  wie  A.  J.  P.  3,  33  behauptet  wird,  ausdrücklich  verboten,  aber 
die  gleichfalls  von  Diodati  veröffentlichten  Sessanta  Salmi  di  David 
tradotti  in  rime  volgari  ilaliane  secondo  la  veritä,  del  teste  •ebreo, 
col  cantico  di  Siraeone  e  i  dieci  comandamenti  della  legge:  ogni  cosa 
insieme  col  canto,  verb.  1617  (Melzj  3,  60  bezeichnet  also  unrichtig 
eine  Ausgabe  von  1621  als  die  erste).  —  Im  18.  Jahrh.  wurden 
verb. :  II  N.  T.  di  G.  C.  Signore,  nuovamente  riveduto  .  .  .  ed  il- 
lustrato  di  .  .  .  annotazioni,  Coira  1709,  verb.  1712;  —  II  nuovo 
confederamento  di  Giesü  il  Messia  Salvatore  nostro,  divolgarizzato 
fedelmente  di  greco  e  reso  intelligibile  infino  al  volgo  ...  da  Matteo 
Berlando  della  Lega  e  Jac.  Fil.  Ravizza,  zwei  protestantisch  ge- 
wordenen Italienern,  gedruckt  zu  Erlangen  1711^),  verb.  1721.  — 
La  sainte  Bible  ou  le  V.  et  le  N.  T.,  avec  un  commentaire  litt^ral 
compose  de  notes  choisies  et  tirees  de  divers  auteurs  anglois,  verb. 
1745,  ist  das  von  Charles  Chais,  La  Haye  1743  ff.,  6  vol.  4.,  her- 
ausgegebene Bibel  werk.  —  Clemens  XI.  forderte  in  Breven  von 
1709  und  1710  (Epp.  sei.  p.  639.  689)  den  spanischen  General- 
Inquisitor  und  den  Card.  Portocarrero  auf,  die  Verbreitung  einer  in 
London  gedruckten  americanischen  Bibelübersetzung  nicht  zu  dulden 
(es  wird  eine  von  der  1701  gegründeten  Society  for  the  propagation 
of  the  gospel  in  foreign  parts  herausgegebene  [spanische?]  Bibel 
gemeint  sein).  —  In  neuester  Zeit  ist  noch  ein  grosses  französisches 
Bibelwerk  in  den  Index  gekommen:  La  Bible.  Traduction  nouvelle 
avec  introductions  et  commentaires  par  Edouard  Reuss,  Prof.  k 
rUniv.  de  Strasbourg,  1874—81,  18  vol.  8.,  verb.  1879,  mit  dem 
Zusätze :  opus  praedamnatum  ex  II.  Reg.  Ind.  ^). 

2.  1684  erschien  in  Antwerpen  eine  Bearbeitung  der  alten 
flämischen  Uebersetzung  des  N.  T.,  die  eine  grosse  Verbreitung 
fand,  obsclion  sie  in  sprachlicher  Hinsicht  sehr  mangelhaft  war  (der 
Bearbeiter  scheint  kein  Holländiseh  verstanden  zu  haben).  Von  dem 
Bischof  Neercassel  aufgefordert,  gab  Andreas  van  der  Schuer  (Schu- 
rius) eine  neue  Uebersetzung  zunächst  der  Evangelien,  dann  des 
ganzen  N.  T.  nach  der  Vulgata  heraus:  Het  Nieuwe  Testament 
van  onsen  beere  Jesus  Christ,  met  körte  verclaringhe  op  de  duy- 
stere  plaetsen  .  .  .,  1696.  Die  Uebersetzung  der  Evangelien  war 
schon  1691  in  Rom  denuncirt  worden;  das  ganze  Buch  wurde  1712 
von  der  Inq.  verb.  —  Für  Schurius'  Uebersetzung  von  50  Psalmen 
mit  Anmerkungen  wollte  der  Löwener  Censor  „wegen  der  Zeitum- 
stände und  anderer  Gründe"  die  Approbation  nicht  ertheilen ;  sie  er- 
schien erst  nach  5  Jahren,  1697^).  Schurius*  Uebersetzung  des 
A.  T.  wurde  nicht  verb.,  auch  nicht  de  Wittens  Uebersetzung  des 
N.  T,,  Emmerich  1696,  2  vol.  12.,    und  der  ganzen  Bibel,    obschon 


1)  G.  W.  Meyer,    Gesch.  der  Schrifterklärung  4,  401.    Nach  Mazzu- 
chelli  hiess  übrigens  der  erste  Borlando. 

2)  Im  Index  von  1881  steht:  Reuss,  P^dovard,  Prof.  .  .  .  Strasbourg. 
Paris  1876  etc.,  mit  Weglassung  des  Titels:  La  Bible  u.  s.  w. 

3)  Schurii  Epist.  I,  185.  203;  II,  296;  III,  223. 


854  Losen  der  Bibel  in  der  Volksprache. 

erstere  von  M.  Steyaert  und  Henr.  van  Bukentop  angegriffen,  von 
Witte  in  mehreren  lateinischen  Schriften  vertheidigt^)  und  von 
Doucin  in  seinem  Memorial  1698  speciell  denuncirt  wurde,  mit  dem 
Bemerken,  Witte  habe  (mündlich)  geäussert,  er  habe  sich  möglichst 
genau  an  das  N.  T.  von  Mons  gehalten. 

Ludwig  XTV.  Hess  von  Amelotte's  Uebersetzung  des  N.  T. 
100,000  Exemplare  unter  die  besiegten  Camisarden  vertheilen.  In- 
gold,  Essai  p.  8  verzeichnet  17  Ausgaben,  theils  mit,  theils  ohne 
Noten,  die  vor  1720  erschienen.  Auch  das  N.  T.  von  Mons  fand 
trotz  des  Verbotes  eine  grosse  Verbreitung,  auch  in  Belgien.  In 
einem  Berichte  über  Disordini  in  Fiandra,  der  1675  nach  Rom  ge- 
sandt wurde  (Laemmer,  Melet.  p.  398),  wird  geklagt,  dasselbe  sei 
in  Brüssel  nachgedruckt  worden  und  werde  ungehindert  verkauft,  da 
das  Conseil  de  Brabant  erklärt  habe,  das  Breve  gegen  dasselbe  sei 
nicht  placetirt.  —  Das  Bibelwerk  des  Oratorianers  Louis  de  Car- 
riires,  1701  — 16,  24  vol.  12.,  wurde  nicht  beanstandet,  aber  erst 
seit  1740  oft  gedruckt  (Ingold  p.  31).  Auch  La  Sainte  Bible  tra- 
duite  sur  les  textes  originaux  avec  les  diff^rences  de  la  Vulgate,  Col, 
1739  u.  s.,  —  von  dem  Appellanten  Nie.  le  Gros,  —  ist  nicht  verb. 
Das  Bibelwerk  des  Benedictiners  Augustin  Calmet  (1672 — 1757), 
La  S.  Bible  en  latin  et  en  fran^ais  avec  un  commentaire  litteral  et 
critique,  1707 — 16,  23  vol.  4.,  wurde  denuncirt,  aber  nicht  verb. 
1715  schrieb  Montfaucon  an  einen  Römischen  Prälaten:  „Das  exe- 
getische Werk  des  P.  Calmet,  welches  bis  jetzt  sine  querela  ge- 
wesen, ist  der  Inq.  denuncirt  worden.  Ich  bitte  Sie,  das  Verbot 
desselben  zu  hintertreiben.  Er  ist  ein  Benedictiner  von  unserer  Re- 
form, wenngleich  nicht  von  unserer  Congregation  [er  gehörte  zu  der 
Congregation  de  S.  Vannes  et  Hidulphe].  Sie  würden  seiner  Con- 
gregation einen  um  so  grössern  Dienst  leisten,  als  bis  jetzt  noch 
kein  Buch  derselben  von  der  Inq.  verdammt  worden  ist  und  man 
doch  nicht  mit  diesem  Buche  anfangen  sollte,  welches  eine  solche 
Behandlung  in  keiner  Weise  verdient"  (Valery  3,206).  Das  Werk 
wurde  auch  in  Frankreich  angegriffen  (Hurter  2, 1302).  Mansi  gab 
1730 — 38  eine  lateinische  Uebersetzung  heraus,  gegen  die  allerdings 
die  gegen  ein  solches  Bibelwerk  in  der  Volksprache  erhobenen  Be- 
denken nicht  geltend  gemacht  werden  konnten.  1731  war  sogar  die 
Rede  davon,  Calmet  solle  Cardinal  werden  2).  Im  spanischen  Index 
von  1747  wurde  Calmets  Histoire  de  TAncien  et  du  N.  Test.,  Par. 
1718,  2  vol.  4.,  unter  Bezugnahme  auf  das  allgemeine  Verbot  solcher 
Bücher  verboten;  sie  wurde  1787  freigegeben. 


1)  Capistrum  ab  Embricensi  interprete  dono  missum  N.  [Martine 
Steyaert]  declamatori  in  versionem  belgicam  novissimam  N.  T.  (Dict.  Jans. 
1,  217;  auch  im  span.  Index),  —  Epistola  apoloj^etica  ad  amicum  Lovaii. 
adv.  Examc^n  translationis  Flandricae  N.  T.  Embricae  auct.  H.  Bukentop 
(Idee  p.  69).  —  Die  Bibelübersetzung  veranlasste  eine  Controverse  mit 
dem  kath.  Pfarrer  Peter  Holleu  zu  Utrecht  über  Gen.  1,  2,  wo  Witte 
„ein  starker  Wind"  statt  „der  Geist  Gottes'*  übersetzt  hatte  (Idee  p.  127). 

2)  Memorie  per  servire  alla  storia  del  Card.  Passionei,  Rom  1762, 
p.  129. 


A.  Calmet.     Schriften  über  Bibellesen.  855 

3.  Schon  1661*  erschien  zu  Paris  Collectio  quorundam  gra- 
vium  authorum,  qui  .  .  .  s.  soripturae  aut  divinorum  officiorum  in 
valgarem  linguam  translationem  damnarunt,  .  .  .  jussu  ac  mandato 
Cleri  Gallicani  edita,  122,  271,  109  und  81  S.  4.,  von  Louis  Doni 
d'Attichi  aus  dem  Orden  der  Minimi,  später  Bischof  von  Eiez  und 
Autun,  t  1664  (Arn.  8,  I ;  ß.  Simon,  Nouv.  Observations  p.  571). 
Im  J.  1679  schrieb  Ch.  Mallet,  Dr.  Sorb.  und  Canonicus  zu  Ronen, 
J)e  la  lecture  de  TEcr.  sainte  en  langue  vulgaire,  worin  er  zeigt,  es 
sei  die  Intention  Gottes,  dass  die  Bibel  (in  der  Synagoge  wie  in  der 
Kirche)  nicht  von  dem  Volke,  sondern  nur  von  den  Priestern  und 
Doctoren  gelesen  würde,  die  dann  dem  Volke  das  Nöthige  mitzu- 
theilen  hätten^).  Dagegen  schrieb  Arnauld  De  la  lecture  de  l'Ecr. 
s.,  1G80  (Am.  8,  1),  wovon  S.-Beuve  5,  294  sagt:  Arnauld  abima 
le  pauvre  Mallet.  Veron  sagt,  die  4.  Regel  des  Index  sei  in  Frank- 
reich nicht  recipirt  (I,  S.  336),  und  Amelotte,  sie  sei  jetzt  nicht 
mehr  verbindlich.  —  Von  dem  Bischof  Neercassel  erschien  1677  zu 
Emmerich  Tractatus  de  lectione  scripturarum,  in  qua  protestantium 
eas  legendi  praxis  refellitur,  catholicorum  vero  stabilitur.  Accedit 
Dissertatio  de  interprete  scripturarum,  auctore  Jo.  Episcopo  Casto- 
riensi,  1680  auch  französisch^),  —  worin  die  4.  Eegel  des  Index 
für  nicht  mehr  verbindlich  erklärt  und  zum  fleissigen  Bibellesen 
ermahnt  wird.  Das  Buch  wurde  in  Eom  nicht  nur  nicht  verboten, 
sondern  in  dem  Giom.  dei  letterati  günstig  beurtheilt. 

Precipiano   erliess    schon    1685   als  Bischof   von  Brügge   eine 


1)  Bei  Avr.  8,  38  ist  zu  lesen:  „Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass 
die  meisten  Bücher  des  A.  T.  nicht  in  der  Volksprache  geschrieben  sind; 
sicher  ist  dieses  von  mehreren  Büchern  des  N.  T.  Matthäus  hat  sein  Evan- 
gelium hebräisch  geschrieben,  also  in  einer  Sprache,  welche  die  Juden 
nicht  mehr  redeten  seit  der  babylonischen  Gefangenschaft,  in  welcher  sie 
sich  eine  andere  Sprache,  die  jüdische  (judaique),  gebildet  hatten,  die  der 
syrischen  und  chaldäischeu  sehr  nahe  kam.  Marcus,  Jacobus  und  Paulus, 
selbst  in  seinem  Briefe  an  die  Römer,  bedienten  sich  der  griechischen 
Sprache,  obschon  diese  dem  grössten  Theile  der  Römer  unbekannt  und 
bei  den  Juden  verachtet  war.  Man  darf  daraus  schliessen,  dass  die  Ab- 
sicht der  h.  Schriftsteller  war,  dass  das  Volk  die  Religion  viel  mehr  durch 
den  mündlichen  Vortrag  der  Ijchrer  als  durch  eigenes  Lesen  ihrer  Schriften 
lernen  sollte.  Aus  diesem  Grunde  waren  die  Uebersetzungen  in  der  Volk- 
öprache  den  Vätern  unbekannt,  die  mit  Recht  den  Missbrauch  fürchteten, 
den  man  damit  treiben  konnte."  Avriguy  wusste  doch  gewiss,  dass  die 
alten  lateinischen  Uebersetzungen  Uebersetzungen  in  die  damalige  Volk- 
sprache waren. 

2)  Traite  de  la  lecture  de  l'Ecriture  sainte  .  .  .  par  TEvesque  de 
Castorie,  Vicaire  Apostolique.  De  la  traduction  de  M.  L.  R.  A.  D.  H.  F. 
(Lc  Roy  Abbe  de  Haute  Fontaine),  Col.  1680,*  80,  428  und  216  S.  8. 
13»}i  der  Uebersetzung  sind  die  Vorarbeiten  für  eine  (nicht  erschienene) 
neue  Auflage  des  Originals  benutzt.  Der  Artikel  des  Giornale  ist  darin 
abgedruckt.  Die  Dissertatio  de  interprete  polemisirt  auch  gegen  die 
Schrift  von  L.  Meyer  (S.  609).  —  Neercassels  Buch  wurde  auch  ins  Hol- 
ländische übersetzt  von  F.  v.  H.  (Franz  van  Heussen).  Ein  Auszug  dar- 
aus: Vom  Lesen  der  h.  Schrift,  nach  Job.  von  Neercassel,  Mainz  1846. 
Vgl.  zum  Folgenden  Arnauld  8,  I.  Racine  12,  275. 


856  Lesen  der  Bibel  in  der  Volkspraohe. 

Verordnung  gegen    das  Lesen  von  Bibelübersetzungen  in  der  Volk- 
Sprache,  die  er  1691  als  Erzbischof  von  Mecheln  wiederholte  (S.  644). 
Aehnliche  Verordnungen  erliess  1689  und  1691  der  Bischof  Albert 
de  Hornes  von  Gent  (Synodicon  Belg.  4,  347).     Zur  Vertheidigung 
des  Erlasses    von  1685  schrieb    der  Jesuit  Cornelius   Hazart  unter 
dem  Namen  Antonius  Suivius    eine    holländische  Schrift,    worin    er 
zeigen  wollte,  das  Bibellesen  sei  für  die  Laien  schädlich.     Arnauld 
forderte  Neercassel  auf,    diese  masslose  Schrift  als  Bischof  zu  ver- 
bieten und  in  Rom  das  Verbot  derselben  zu  beantragen;    er  selbst 
werde  darüber  an  du  Vaucel  schreiben  (Am.  42,  Suppl.  53).    Neer- 
cassel begnügte   sich  mit   der  Veröffentlichung  einer  anonymen  Wi- 
derlegung:    Gods   Woord  verdedigd.  —  Die   Haupt vertheidiger  der 
Bischöfe  waren  aber  M.  Steyaert,  der  Carmeliter  Alex,  a  S.  Theresia 
(Sanctuarium    reseratum,    1690,    2  vol. ;    vgl.  Schurii  Epp.  2,  206. 
214),  und  namentlich  der  Dominicaner  Martin  Harney,  Prof.  in  Lö- 
wen   (De  s.  scriptura   Unguis  vulg.    legenda    rationabile    obsequium 
Belgii  catholici,    Lov.  1693*,    302  S.  12.,    mit  einem  Schreiben  an 
die  Cardiuäle  der  Index-Congr.,  schon  1686  holländisch).  —  Ausser 
Arnauld,  der  die  Frage  namentlich  in  den  Difficult^s  gegen  Steyaert 
eingehend  behandelt,  betheiligten  sich  auch  Gerberon  und  de  Witte  ^) 
an  dem  Streite.     Von  Gerberon  wurde  in  Eom  1693  verb.  Körte  en 
noodighe  onderwysinghe  voor  alle  catholycken  van  Nederlandt,  rae- 
kende    het   lesen    der    heylighe    Schriftuer,    door  Cornelius    van   de 
Velden,    Col.  1690.     Zwei  andere  Schriften    von  ihm  verbot  Pre- 
cipiano  1695:     Decretum  Archiepiscopi  Mechlin.    contra    Scripturae 
lectionem  notis  illustratum,  1691,  und  Difficultes  addressees  k  Mgr. 
de  Hornes,  ev.  de  Gand,  par  les  catholiques  de  son  diocese  touchant 
la  lecture  de  l'ecr.  sainte  en  langue  vulgaire.  Er  schrieb  auch  noch 
Quaestio  juris,  an  Caroli  V.  edictis  lectio  scripturae  s.  prohibita  sit, 
an   virgines  Birchianae   poenas   incurrerint  a  Carolo  V.  statutas.  — 
E.  Simon  polemisirt   in   den  Nouv.  Observations  sur  le  texte  et  les 
versions  du  N.  T.,    1695,    p.  465  gegen  Arnauld,    vertheidigt  aber 
nicht  gerade  die  4.  Eegel  des  Index,    sondern    meint,   es  sei  Sache 
der    einzelnen   Bischöfe,   je  nach  den  Verhältnissen    ihrer  Diöcesen 
Verordnungen    über   das  Bibellesen   zu  erlassen.  —  Unter  Innocenz 
XII.  sollen    sich  Casoni  und  Favorit!  bemüht   haben,    eine  Abände- 
rung der  4.  Eegel  im  Sinne  Neercassels  und  Arnaulds  zu  erwirken. 
Das  war  aber  in  Eom  viel  zu  früh. 

Die  in  der  Bulle  Unigenitus  verdammten  Sätze  No.  79 — 85 
klingen  allerdings,  aus  dem  Zusammenhange  gerissen,  zum  Theil  et- 
was outrirt,  z.  B.  80.  Das  Lesen  der  h.  Schrift  ist  für  alle.  81. 
Die  Dunkelheit  des  Wortes  Gottes  ist    für  die    Laien    kein    Grund, 


1)  De  Witte  schrieb  drei  Briefe  an  den  Erzbischof,  um  sich  zu  recht- 
fertigen, dass  er  den  Hirtenbrief  von  1691  nicht  verlesen,  und  ausserdem 
unter  dem  Namen  Aletophilus  Onitrama  eine  Broschüre  gegen  Hamey 
und  unter  dem  Namen  Orbicus  Aletophilus  mehrere  gegen  den  Pfarrer 
Hieron.  Haerts  in  Ranst  (Pica  Ranstensis  u.  s.  w.).  Sie  stehen  in  dem  In- 
dex Precipiano's. 


Bulle  ünigonitus.     A    Martini.  857 

sich  von  dem  Lesen  desselben  zu  dispensiren^).  Aber  auch  der 
Satz  wurde  unter  No.  82  verdammt:  Der  Sonntag  muss  von  Christen 
durch  fromme  Leetüre,  vor  allem  der  h.  Schrift  geheiligt  werden; 
es  ist  verderblich,  einen  Christen  von  dieser  Leetüre  abhalten  zu 
wollen.  In  dem  8.  der  12  Artikel  des  Card.  Noailles  von  1725 
(Fleur.  70,  540)  ist  die  Sache  wesentlich  gemildert.  —  In  der  Bulle 
von  1794  gegen  die  Synode  von  Pistoja  wird  N.  67  nur  Doctrina 
perhibens  a  lectione  s.  scripturarum  nonnisi  veram  impotentiam 
excusare,  subjungens,  nitro  se  prodere  obscurationem,  quae  ex  hu- 
jusce  praecepti  neglectu  orta  est  super  primarias  veritates  religionis, 
als  falsa,  temeraria,  quietis  animarum  perturbativa,  alias  in  Ques- 
nellio  damnata  bezeichnet.  —  Die  Schrift  De  jure  circa  scripturas  sa- 
cras  communi  et  speciali  sacerdotis,  principis  et  plebis  bei  v.  Espen, 
Opp.  5,  250  (auch  bei  Fleur.  72,  277)  ist  nicht  von  v.  Espen, 
aber  unter  seiner  Anleitung  von  ihm  befreundeten  Theologen  ver- 
fasst  und  1726  von  ihm  ausdrücklich  gutgeheissen.  —  Ueber  Bil- 
luart  (1750)  s.  I,  S.  336. 

4.  Im  18.  Jahr,  wurde  nur  noch  verb.  —  durch  ein  Decret 
Clemens'  XIV.  von  1773,  —  eine  rationalistische  Nouvelle  traduc- 
tion  des  epitres  de  S.  Paul  von  Laugeois  de  Chantelliers,  einem 
Literaten,  der  auch  eine  Psalmenübersetzung  und  Entretiens  sur  S.Paul, 
Bouillon    1772,    500  S.  12.,    herausgegeben  (N.  E.  1773,  77.  112). 

Unter  Clemens  XIII.  wollten  die  Oratorianer  zunächst  eine 
italienische  üebersetzung  der  Evangelien  drucken  lassen,  erhielten 
aber  dazu  nicht  die  Erlaubniss.  Zu  Neapel  erschien  1766  eine 
Üebersetzung  des  Bibelwerkes  von  Saci.  Unter  Clemens  XIV. 
wurde  eine  1769  zu  Turin  erschienene  Üebersetzung  des  N.  T.  in 
Eom  ungehindert  verbreitet.  Der  Papst  nahm  1771  die  Widmung 
einer  Üebersetzung  der  Apostelgeschichte  von  dem  Canonicus  Cate- 
nacci  an.  1772  erschien  zu  Venedig  eine  Üebersetzung  von  Arnaulds 
Schrift  gegen  Mallet  mit  den  Thesen  v.  Espens,  und  von  1773  an 
eine  modernisirte  Ausgabe  der  zuerst  1471,  zuletzt  1567  erschie- 
nenen Üebersetzung  von  Malermi  mit  Anmerkungen  von  Alvise 
Guerra  (N.  E.  1777,  52;  1781,  205).  —  1769—71  veröffentlichte 
der  Abate  Antonio  Martini  (geb.  1721  zu  Prato;  Tipaldo  7,303)  zu 
Turin  eine  Üebersetzung  des  N.  T.  und  1776  den  ersten  Band  einer 
Üebersetzung  des    A.    T.  mit  beigedruckter  Vulgata    und    mit   An- 


1)  Der  80.  Satz  ist  aus  der  Anmerkung  zu  Apg.  8,  27.  28.  entnom- 
men und  lautet  im  Zusammenhange  (Ilexaples  1,  4)  ganz  anders:  C'est 
ainsi  (en  imitant  Peunuque)  qu'ou  sanctifie  las  voyages  par  des  lectures 
de  piete.  Celle  de  recriture  sainte  entre  les  mains  merae  d'an  horame 
d'affaires  et  de  finances  marque  qu'elle  est  pour  tout  le  monde. 
Cette  lecture  porte  une  benediction  particuliöre  et  attire  de  grandes  graces. 
Rien  n'est  plus  propre  ä  entretenir  les  sentiments  de  piete  que  Pon  rem- 
porte chez  801  en  reveuant  de  la  priere  publique.  Und  zu  dem  81.  Satze 
fügte  Quesnel  (zu  Apg.  8,  30.  31)  bei:  C'est  une  etrange  presomtiou  de 
pretendre  la  pouvoir  entendre  par  sou  propre  esprit  et  sans  le  secours 
des  docteurs  de  Peglise. 


858  Lesen  der  Bibel  in  der  Volksprache. 

merkungen;  in  der  Vorrede  Bagt  er,  er  sei  durch  das  Decret  von 
1757  dazu  veranlasst  worden.  In  einem  Briefe  an  Giov.  Lami  (bei 
Fontani,  Elogio  del  D.  G.  Lami,  1789,  p.  209)  schreibt  er:  die- 
jenigen, welche  den  Tractatus  de  actibus  humanis  (von  dem  Erz- 
bischof Incontri,  s.  u.)  angegriffen,  (die  Jesuiten)  hätten  Lust  gehabt, 
auch  das  Bibelwerk  anzugreifen.  Dasselbe  wurde  aber  ohne  Be- 
hinderung 1781  vollendet,  23  vol.  8.  Diese  Uebersetzung  ist  nicht, 
wie  vielfach  angegeben  wird,  von  dem  h.  Stuhle  gutgeheissen ; 
aber  Martini  erhielt  von  Pius  VI.  ein  Breve  vom  17.  März  1778 
(Acta  S.  S.  9,  544),  worin  anerkannt  wird,  sein  Werk  entspreche 
den  Eegeln  des  Index  und  der  Verordnung  von  1757,  und  worin 
ferner  gesagt  wird:  Optime  sentis,  si  Christi  fideles  ad  lectionem 
divinarum  literarum  magnopere  excitandos  existimas ;  illae  enim  sunt 
fontes  uberrimi,  qui  cuique  patere  debent  ad  hauriendam  et  morum 
et  doctrinae  sanctitatem  depulsis  erroribus,  qui  bis  corruptis  tempo- 
ribus  late  disseminantur.  (Damit  steht  die  oben  angeführte  Stelle 
der  Bulle  von  1794  nicht  gerade  im  Widerspruch.)  In  demselben 
Jahre  ernannte  Pius  VI.  Martini  zum  Bischof  von  Bobbio;  1781 
wurde  er  Erzbischof  von  Florenz,  f  1809.  —  In  einer  Apologia 
del  Breve  di  Pio  VI.  a  Mgr.  Martini,  Pavia  1784,  288  S.  8.  (von 
Jos.  Tavelli)  wird  berichtet,  einige  hätten  gesagt,  das  Breve  ent- 
halte falsche  und  irrige  Sätze  und  verdiene  der  Inquisition  denun- 
cirt  zu  werden,  und  Pius  müsse  retractiren  (N.  E.  1785,  157.  Villa- 
nueva,  Vida  1,  99). 

Martini' 8  Uebersetzung  wurde  oft  gedruckt.  1879  gab  Curci 
eine  neue  Uebersetzung  des  N.  T.  heraus.  In  der  Vorrede  bemerkt 
er:  es  sei  kein  Zeichen  von  grossem  Eifer  für  die  h.  Bücher,  dass 
Martini's  Uebersetzung  die  einzige  geblieben,  ohne  dass  man  daran 
gedacht,  sie  zu  verbessern  und  dem  geänderten  Geschmacke  anzu- 
passen; darin  liege  ohne  Zweifel,  — •  freilich  neben  anderen  trauri- 
geren Ursachen,  —  ein  Grund,  dass  seit  dreissig  Jahren  die  Neu- 
drucke viel  seltener,  also  die  Nachfrage  geringer  geworden.  Von 
seiner  eigenen  Arbeit  gesteht  Curci  (U  Vaticano  p.  318),  er  habe 
damit  Fiasco  gemacht. 

Unter  dem  20.  Dec.  1728  erliess  auch  der  spanische  General- 
Inquisitor  Felipe  Bertran,  Bischof  von  Salamanca,  auf  Verlangen  des 
Königs  und  der  Minister  Roda  und  Floridabianca  ein  Decret,  worin 
der  5.  Regel  des  spanischen  Index,  soweit  sie  über  die  4.  des  Rö- 
mißchen  und  die  von  Benedict  XIV.  genehmigte  und  von  Pius  VI. 
in  dem  Breve  von  1778  praktisch  autorisirte  Declaration  derlndex- 
Congregation  hinausgehe,  aufgehoben  wurde  und  also  die  Bibel- 
übersetzungen in  der  Volksprache,  die  vom  h.  Stuhle  approbirt 
oder  mit  Anmerkungen  .  .  .  versehen  seien,  die  die  Gefahr  einer 
schlechten  Deutung  ausschliessen,  freigegeben  wurden,  so  dass  nur 
diejenigen,  bei  welchen  diese  Bedingungen  fehlen,  als  verboten  an- 
zusehen seien  (Mendham  p.  254).  Darauf  erschien  dann  die  erste 
katholische  spanische  Bibelübersetzung  von  dem  Piaristen  Felipe 
Scio  de  San  Miguel  (später  Bischof  von  Segovia,  f  1796),  zuerst 
Valencia  1790—93,    10  vol.,    mit    der  Vulgata    und    Noten.     Eine 


Bibolgesüllschafton.  859 

zweite  gab  der  Bischof  von  Astorga,  Felix  Torres  Amat,  1824 — 25 
heraus  ^).  —  Die  erste  katholische  portugiesische  Uebersetzung,  von 
Antonio  Pereira  da  Figuereido,  erschien  etwas  früher,  1778  —  90, 
23  vol. 

5.  Die  Päpste  des  19.  Jahrh.  haben  in  einer  Reihe  von  Acten - 
stücken  sich  gegen  die  Bestrebungen  der  Bibelgesellschaften  erklärt, 
welche  allen  ohne  Unterschied  die  Bibel  in  der  Volksprache  in  die 
Hand  geben  wollten,  jedermann  zum  selbständigen  Deuten  derselben 
aufforderten,  Uebersetzungen  ohne  Anmerkungen,  ja  auch  unrichtige 
Uebersetzungen  (protestantische  und  ohne  „Apokryphen")  verbreiteten, 
woran  sich  vielfach  zugleich  die  Verbreitung  antikatholischer  und 
revolutionärer  Schriften  anschliesse.  Auf  einen  Bericht  des  Erzbischofs 
Raczynski  von  Gnesen  über  die  Thätigkeit  der  Bibelgesellschaften 
antwortete  Pius  VII.  29.  Juni  1816:  Horruimus  vaferrimum  inven- 
tum,  quo  vel  ipsa  religionis  fundamenta  labefactantur  u.  s.  w.;  er 
erinnert  an  die  Bestimmung  von  1757  und  fordert  den  Bischof  auf, 
die  neue  Ausgabe  der  polnischen  Bibelübersetzung  von  Wujec  (I 
8.  335),  in  der  die  Anmerkungen  weggelassen  seien,  mit  einem 
Gutachten  nach  Rom  zu  schicken^).  In  einem  Breve  Pius'  VI. 
vom  3.  September  1816  wurde  der  Erzbischof  Siestrzencewicz 
von  Mohilew  scharf  getadelt,  dass  er  die  von  der  (russischen) 
Bibelgesellschaft  herausgegebenen  Ausgaben  empfohlen.  In  einem 
Schreiben  an  die  apostolischen  Vicare  von  Persien  und  Armenien 
vom  3.  August  1816  missbilligte  es  die  Propaganda,  dass  der 
von  ihr  zum  Präfecten  der  Missionen  in  Persien  ernannte  Rö- 
mische Priester  Leopold  Sebastiani  den  ersten  Theil  des  N.  T.  aus 
dem  Griechischen  ins  Persische  übersetzt  habe,  und  dass  er  sich 
mit  der  ketzerischen  Universita  inglese  delle  Indie  in  Verbindung 
gesetzt,  welche  diese  Uebersetzung  habe  drucken  lassen  und  ver- 
breite 3).     Die  apost.  Vicare  werden  angewiesen,  vor  dem  Lesen  der 


1)  K.-L.  2,  743  (Nekrolog  Scio's  im  G.  eccl.  11,  145).  Auch  Sein 
erhielt,  als  er  Pius  VI.  den  1.  liand  der  2.  Ausgabe  übersandt  hatte,  ein 
Brevo  vom  25.  Febr.  1795;  es  ist  aber  nur  ein  einfaches  Dankschreiben. 
Die  englische  Bibelgesellschaft  veranstaltete  einen  Abdruck  der  Ueber- 
setzung mit  Weglassung  der  Noten  und  der  Apokryphen.  Eine  Corrcspon- 
denz  darüber  mit  dem  Erzbischof  von  Bogota  vom  J.  18H7  s.  A.  J.  P. 
3,  36.  —  J.  Villanueva  veröffentlichte  zu  Valencia  1791  in  Folio  Tratado 
de  la  leccion  de  la  sagrada  escritura  en  lenguas  vulgares,  mit  einem  An- 
liange,  welcher  Aeusserungen  von  span.  Schriftstellern  zu  Gunsten  dos 
Bibellesens,  Fragmente  von  Biblias  lemosinas  aus  dem  14.  und  15.  Jahrh. 
und  Documente  über  die  castilische  Uebersetzung  des  15.  Jahrh.  enthalt. 
Dagegen  schrieb  der  Ex-Jesuit  Miguel  Elizalde  Urdiroz  unter  dem  Namen 
Guillermo  Diaz  Lucesedi  (1793),  dem  Villanueva  in  den  Cartas  eclesiasti- 
cas  antwortete.     Villanueva,  Vida  1,  30.  99.  Hurter  3,  516). 

2)  Ueber  die  Verhandlungen  der  Wiener  Censurbehörde  über  eine 
Leipziger  Ausgabe  von  Wnjec's  Uebersetzung  im  J.  1889  s.  Archiv  f. 
österr.  Gesch.  50,  494. 

3)  Acta  S.  S.  9,  580.  An  Sebastiani's  Uebersetzung  wird  getadelt, 
dass  nicht  die  Vulgata  zu  Grunde  gelegt  und  Matth.  1,  angeblich  um  ein 
Aergerniss  zu  verhüten,    der  Name   Joachim    (als    der  des  Vaters   der  h. 


860  Lesen  der  Bibel  iu  der  Volkaprache. 

von  der  Bibelgesellschaft  veröffentlichten  üebersetzungen  überhaupt 
zu  warnen.  Als  am  23.  Juni  1817  verboten  steht  im  Index:  Istoria 
ßuccinta  delle  operazioni  della  compagnia  biblica  britannica  e  stra- 
niera  .  .  .  Napoli  1817,  mit  dem  Zusätze:  „und  alle  Bibelüberset- 
zungen in  der  Volksprache,  wenn  sie  nicht  von  dem  apost.  Stuhle 
approbirt  oder  mit  Anmerkungen  ....  versehen  sind,  gemäss  dem 
Decrete  von  1757."  —  1819  und  1820  wurden  dann  mehrere  von 
der  englischen  Bibelgesellschaft  besorgte  Ausgaben  des  Martini'schen 
N.  T.  ohne  Anmerkungen  verb. :  Nuovo  Testamente  secondo  la 
Volgata  tradotto  in  lingua  italiana  da  Mgr.  Ant.  Martini,  Arciv.  di 
Firenze,  Livomo  1818  und  Italia  1817;  II  N.  T.  del  K  S.  Gesn 
Crißto.  Ed.  stereotipa.  Shatklewell  dai  torchi  di  T.  Rutt  1813. 
In  dem  Decrete  (Mendh.  p.  275)  ist  beigefügt:  juxta  decreta  S. 
Congr.  Ind.  13.  Jun.  1757  et  23.  Jun.  1817,  in  den  neueren  Index- 
Ausgaben:  et  omnes  editiones,  in  quibus  ejusdem  interpretis  notae 
desunt.  Wegen  der  zu  Livorno  auf  Kosten  der  Bibelgesellschaft  von 
Capitain  Pakenham  veranstalteten  Ausgabe  wurde  gegen  diesen  und 
den  Drucker  von  der  Regierung  ein  Process  eingeleitet;  die  con- 
fiscirten  Exemplare  wurden  vernichtet. 

1821  wurde  die  zuerst  1807  erschienene,  1815 — 17  von  mehreren 
deutschen  Bischöfen  und  Ordinariaten  und  von  den  theologischen 
Facultäten  zu  Freiburg  und  Würzburg  approbirte  üebersetzung  des 
N.  T.  von  Leander  van  Ess*)  verboten  (die  üebersetzung  des 
A.T.,  1822 — 36,  steht  nicht  im  Index),  und  1840  (nicht,  wie  in  den 
neueren  Indices  steht,  1740)  '1  Neuv  Testament  de  Nossegnour 
Gesu-Christ,  tradout  in  lingua  piemonteisa,  mit  dem  Zusätze:  juxta 
reg.  IV.  Indicis. 

Leo  XII.  sprach  sich  in  der  Encyclica  vom  5.  Mai  1824  kurz 
gegen  die  Bibelgesellschaften  aus,  Pius  VIII.  in  der  vom  24.  Mai 
1829,  Gregor  XVI.  in  der  vom  15.  Aug.  1840,  letzterer  ausführlich 
in  der  Encyclica  vom  8.  Mai  1844.  In  dieser  wird  nach  Erwäh- 
nung der  4.  Regel  des  sog.  Trienter  Index  gesagt:  Huie  eidem 
regulae  nova  subinde  propter  perseverantes  haereticorum  fraudes 
cautione  constrictae  (damit  wird  der  Zusatz  Clemens'  VIIL,  I,  S.  333, 
gemeint  sein)  ea  demuin  auctoritate  Benedicti  XIV.  adjecta  declara- 
tio  est,  ut  permissa  porro  habeatur  lectio  vulgarium  versionum, 
quae  ab  Apost.  Sede  approbatae  aut  cum  annotationibus  .  .  .  editae 
fuerint.  Pius  IX.  spricht  von  den  Bibelgesellschaften  in  den  Ency- 
cliken  vom  9.    Nov.  1846  und  vom  8.  Dec.  1849;  in  dem  Syllabus 


Maria)  eingeschoben  sei.  Es  wird  eine  genauere  Prüfung  der  Üebersetzung 
durch  des  rersischen  Kundige  in  Aussicht  gestellt.  Weiteres  darüber  ist 
nicht  bekannt.  Joachim  soll  auch  in  einer  lat.  Üebersetzung  des  N.  T. 
von  Sebastiani,  London  1817,  stehen.     Er  starb  1843  zu  Rom. 

1)  A.  D,  B.  6,  378.  Die  theol.  Facultat  zu  Münster  lehnte  auf  den 
Antrag  von  Hermes  die  Approbation  ab  (Esser,  Hermes  S.  60).  Der  Erz- 
bischof Hohenwart  von  Wien  hatte  die  üebersetzung  approbirt,  votirte 
aber  1816  gegen  die  Zulassung  der  Ess'schen  Bibelgesellschaft,  Archiv  f. 
Ost.  G.  50, 417.  —  üeber  das  piemontes.  N.  T.  s.  Mendham,  Add.  Suppl.  p.  29. 


Monitum  Gregors  XVI.  von  1886.  861 

von  1864  werden  §  IV.  Socialismus,  Communismus,  Societates  clan- 
destinae,  Societates  biblicae,  Societates  clerico-liberales  zusammen- 
gestellt. 

6.    Die  Verordnung   Benedicts  XIV.    ist    früher    allgemein   so 
gedeutet  worden,    dass  das  Lesen    von  Bibeln  der  bezeichneten  Art 
freigegeben  werde.    Das  wird  auch  jetzt  noch  von  vielen  Theologen 
als  geltendes  Recht   angesehen.     Fessler    S.  177    sagt  z.  B. :    „Das 
Bibelverbot  für  die  Katholiken   existirt    in  Wahrheit    nicht,    indem 
die  Uebersetzungen  in  die  Volksprache,    welche    vom   apost.  Stuhle 
approbirt  oder  mit  Anmerkungen  aus    den    h.  Vätern  oder  anderen 
kath.  Gelehrten  versehen  sind,   keinem  Verbote  unterliegen  und  so- 
mit deren  Gebrauch  als  erlaubt  anzusehen  ist,"  und  der  Bischof  von 
Lugon  sagt  in  einer  1 856  ertheilten  Approbation  einer  französischen 
Bibel  mit  den  Allioli'schen  Noten:    „Nach    den  Decreten  von  1757 
und  1836  sind  Bibelübersetzungen    in    der  Volksprache    hinlänglich 
autorisirt,  wenn  sie  Anmerkungen   haben,    welche    etc.     Die  vorlie- 
gende Uebersetzung  darf  also  von    den   Gläubigen    gelesen  werden, 
ohne  dass  sie  den  vom  Index    festgesetzen  Strafen  verfallen.**     Da- 
gegen wird  in  den  A.  J.  P.  1,  793  die  Ansicht  vertreten,  das  Lesen 
der  Bibel  in  der  Volksprache    ohne    specielle    Erlaubniss    sei    auch 
jetzt  noch  verboten,  nach  den  Decreten  von  1757  und  1836  könne 
aber  demjenigen,    der    eine    solche  Erlaubniss   nachsuche,    von  dem 
Bischof  oder  Inquisitor  nicht  mehr  allgemein  das  Lesen  einer  belie- 
bigen (bischöflich  approbirten)    katholischen    Uebersetzung,    sondern 
nur    einer    den    Bestimmungen  Benedicts  XIV.    entsprechenden    ge- 
stattet werden,    also    z.  B.    in  Deutschland  der  Allioli'schen  Ueber- 
setzung mit  Anmerkungen,    aber    nicht  des  Kistemaker'schen  N.  T., 
welches  vielmehr  (abgesehen  etwa  von  einer    speciellen  päpstlichen 
Erlaubniss)    niemand    gestattet    sei  ^).      Man   sollte  sich   nicht    ver- 
hehlen, dass  die  Bestimmung  Benedicts  XIV.  und  die  Gregors  XVI. 
(S.  852)  verschieden  sind,  dass  jene  durch  diese  umgedeutet  worden 
ist.     Die  erstere  Ansicht  entpricht  dem  Decrete  von  1757,  die  letz- 
tere dem  Monitum  von  1836. 

Thalhofer,  der  die  strengere  Ansicht  vertheidigt,  erklärt  aber 
zugleich,  die  4.  Eegel  des  Index  habe  in  Deutschland  nie  förmliche 
Rechtskraft  erlangt,  und  dies  müsse  consequent  auch  von  den  späteren 
Zusätzen  zu  derselben  gesagt  werden,  und  darum  dürfe  auch  das  in 


1)  Die  erste  Ansicht  vertritt  auch  Malou  a.  a.  0.  1,  60,  die  zweite 
der  frühere  Bischof  von  LuQon,  Bailles,  La  Congr.  de  1 'Index  p.  580,  und 
V.  Thalhofer  in  F.  X.  Reithmayrs  Lehrb.  der  bibl.  Hermeneutik,  1874, 
S.  204.  Vgl.  Th.  Lit.-Bl.  1875,  6.  Einzelne  Bischöfe  haben  ausdrücklich 
die  4.  Regel  des  Index  eingeschärft;  so  der  Erzbischof  von  Mecheln  in 
der  Fastenverordnung  für  1845:  ,,Wir  erneuern  das  Verbot,  die  Bibel  in 
der  Volksprache  ohne  Erlaubniss  des  Bischofs  oder  Beichtvaters  zu  lesen** 
(Malou  1,  61).  Die  Utrechter  Provincialsynode  von  1865  (Coli.  Lac.  5,  804) 
verordnet  nur,  es  sei  den  Gläubigen  zu  rathen,  für  das  Behalten  und 
Lesen  solcher  Bibelübersetzungen  sich  die  Erlaubniss  des  Pfarrers  oder 
Beichtvaters  zu  erbitten. 


862  Irreligiöse  Schriften. 

nnzähligen  Exemplaren  unter  den  Katholiken  verbreitete  N.  T.  von 
Kistemaker  ohne  apecielle  Erlanbniss  gebraucht  werden.  —  Der  ge- 
sammte  irische  Episcopat  hat  1857  von  einer  englischen  Bibelaus- 
gabe mit  Anmerkungen  erklärt:  er  approbire  sie  kraft  seiner  Au- 
torität und  efkläre,  dass  sie  von  den  Gläubigen  mit  grossem  geist- 
lichen Nutzen  gebraucht  werden  könne,  wenn  sie  mit  gebührender 
Ehrfurcht  und  in  der  rechten  Absicht  gelesen  werde. 

Bei  den  nicht  ausschliesslich  für  wissenschaftliche  Zwecke 
bestimmten  Bibelübersetzungen  von  Katholiken  ist  durchgängig  die 
Vulgata  zu  Grunde  gelegt,  obschon  eine  ausdrückliche  Vorschrift 
der  Art  nicht  existirt.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  Curci  1883  für 
eine  üebersetzung  der  Psalmen  nach  dem  Hebräischen  (mit  Erklä- 
rungen) das  Imprimatur  des  Mag.  S.  Pal.  erhalten  hat  (Vaticano 
Regio  p.  334). 

Eine  von  dem  apostolischen  Stuhle  gutgeheissene  neuere  Bibel- 
übersetzung ohne  Anmerkungen  ist  mir  nicht  bekannt.  Die  Allioli'sche 
ist  im  Auftrage  des  Papstes  von  drei  deutschen  Bischöfen  geprüft 
und  darauf  von  dem  Papste  der  Druck  gestattet  worden,  aber  unter 
der  ausdrücklichen  Bedingung,  dass  Anmerkungen  etc.  beigefügt 
seien.  Von  der  Üebersetzung  des  N.  T.  von  J.  B.  Glaire  erklärte 
die  Index-Congr.  auf  Grund  des  Gutachtens  einiger  von  ihr  mit  der 
Prüfung  beauftragter  Consultoren,  dem  Drucke  stehe  nicht«  im 
Wege,  und  dieses  Decret  wurde  vom  Papste  25.  Jan.  1861  bestätigt. 


82.     Irreligiöse  Schriften. 

Die  Planlosigkeit  der  Römischen  Bücherverbote  tritt  be- 
sonders deutlich  hervor  bei  den  deistischen  und  anderen  die 
christliche  Religion  und  Sittlichkeit  angreifenden  Schriften,  deren 
im  18.  Jahrhundert  so  viele  erschienen.  Allerdings  stehen  viele 
derselben  im  Index,  —  von  P.  Bayle  seit  Benedict  XIV.  sämmt- 
liche  Werke,  —  und  man  wird  nicht  erwarten  können,  sie  alle 
darin  zu  finden.  Aber  dass  ist  doch  auffallend,  dass  z.  B.  von 
den  unfläthigen  Schriften  des  Holländers  Hadrian  ßeverland, 
die  von  1678  an  lateinisch  erschienen,  keine  im  Index  steht, 
wohl  aber  ein  gegen  ihn  gerichtetes  Scbriftchen  des  holländischen 
Theologen  Ryssenius,  dass  von  den  englischen  Deisten  Tindal 
und  andere  fehlen,  nicht  aber  mehrere  gegen  sie  gerichtete 
Schriften,  dass  von  John  Locke's  1690  erschienenem  Essay  con- 
cerning  human  understanding  die  1700  erschienene  französische 
üebersetzung  1734,  Montesquieu's  1721r  erschienene  Lettres 
pcrsannes    1761  verboten  wurden.     Englische  Schriften  wnrden 


J.  Locke  n.  a.  d6d 

fast  immer  erst  verboten,  nachdem  sie  in  französischer  Ueber- 
setzung  erschienen  waren,  auch  französische  zum  Theil  erst 
lange  nach  dem  Erscheinen.  —  Von  Voltaire  wurden  1751 — 57 
einige  Schriften  durch  die  Index-Congregation  verboten  (mehr 
nach  1757,  s.  §  87),  dagegen  durch  ein  besonderes  Breve  Bene- 
dicts XIV.  1752  eine  von  dem  Abb6  de  Prades  zu  Paris  ver- 
theidigte  These,  die  in  Frankreich  damals  viel  Aufsehen  machte. 
—  In  Spanien  wurden  die  hier  in  Betracht  kommenden  Schriften 
meist  noch  später  verboten  als  in  Rom,  dann  aber  strenge  (S. 
54),  z.  B.  die  Lettres  persannes  1797,  von  Locke's  Essay  eine 
1764  erschienene  französische  Ausgabe  1804.  Von  Bayle  steht 
nur  das  Dictionnaire  im  spanischen  Index,  und  dieses  erst  seit 
17471). 

1.  Von  Job.  Lysers  (Leysers)  Schrift  über  die  Polygamie, 
die  zuerst  1674  erschien  (Clement  1,  172),  wurde  die  Ausgabe  Po- 
lygamia  triumphatrix  s.  discursus  politicus  de  polyg.  auct.  Theophilo 
Alethaeo,  cum  notis  Athanasii  Vincentii,  Lond.  1682,  16S7  verb. 
Die  Schrift  gegen  Beverland  (Clement  3,  270)  von  Leonardus  Rys- 
senius,  Justa  detestatio  libelli  Adriani  Beverlandi  (in  den  neuesten 
Index- Ausgaben  Bevelardi)  de  peccato  originali;  accedit  descriptio 
poetica  creationis  et  lapsus,  1680,  wurde  1700  verb.  (Ueber  Etat 
de  Thomme  etc.  s.  S.  130). 

Von  John  Locke  wurde  durch  ein  Breve  Clemens'  XII.  vom 
19.  Jan.  1734  verb.  Essay  philosopbique,  concernant  Tentendement 
humain  .  .  .  traduit  .  .  .  par  Pierre  Coste  sur  la  4.  Edition,  Amst. 
1700,  und  Extrait  d'un  livre  anglois  qui  n'est  pas  encore  publik, 
intit.:  Essay  philos.  .  .  .  comraunique  par  M.  Locke  (der  in  Le 
Clercs  Biblioth.  univ.  1688  veröffentlichte  Auszug).  Le  christianisme 
raisonnable  tel  qu'il  nous  est  repr^sente  dans  l'ecriture  sainte,  Amst. 
1715  (Coste's  Uebersetzung  des  1695  erschienenen  Originals),  wurde 
1737  verb.  mit  dem  Zusätze:  1.  Cl.  (S.  88).  In  dieser  franzö- 
sischen Ausgabe  ist  ein  Traite  de  la  religion  des  dames  beigefügt, 
der  nicht  von  Locke  ist  (Nie.  1,  47);  ein  Abdruck  davon  wird  sein: 
La  religion  des  dames.  Discours,  ou  Von  montre  que  la  rel.  est  et 
doit  etre  ä  la  portee  des  plus  simples  des  femmes  et  des  gens  sans 
lettres,  trad.  de  l'anglois,  von  der  Inq.  verb.  1767.  —  Epistola  de 
tolerantia  ad  Cl.  V.  T.  A.  R,  P.  T.  0.  L.  A.  (Limborch)  scripta  a 
P.  A.  P.  0.  J.  L.  A.  (Jo.  Lockio  Anglo),  Gouda  1689,  dann  auch 
englisch  und  französisch,  steht  nicht  im  Index.  —  Es  klingt  doch 
eigenthümlich,  wenn  etwa  20  Jahre  nach  dem  Breve  über  Locke 
ein  Consultor  der  Inquisition,  L.  Ganganelli,  der  spätere  Clemens  XIV. 


1)  Die  im    span.    Index    stehenden  Bücher   sind  im  Folgenden  mit 
„in  Sp."  (wo  es  ein  Interesse  hat,  mit  Beifügung  des  Datums)  hezcichnet. 


864  Irreligiöse  Schriften. 

an  eine  Signora  B.  zu  Venedig  schreibt:  „Sie  erzeigen  mir  zu  viel 
Ehre,  indem  Sie  über  Ihre  treffliche  üebersetzung  des  Locke'schen 
Buches  mein  Urtheil  zu  wissen  wünschen.  .  .  .  Der  englische  Phi- 
losoph würde  sich  sehr  freuen,  könnte  er  das  geschmackvolle  ita- 
lienische Gewand  sehen,  welches  Ihre  Hand  ihm  gegeben.  Nur 
hätte  ich,  wäre  es  möglich  gewesen,  gewünscht,  dass  Sie  aus  dem 
Buche  die  Stelle  entfernt  hätten,  wo  der  Verfasser  durchblicken 
lässt,  dass  die  Materie  des  Denkens  fähig  sein  könnte  .  .  .  Lassen 
Sie  das  Werk  drucken"  .  .  .  (Reumont,  Ganganelli  S.  97). 

Von  den  in  Lechlers  Geschichte  des  englischen  Deismus,  1841, 
behandelten  Schriftstellern  stehen  ausser  Tindal  gar  nicht  im  Index : 
Arthur  Bury,  Earl  of  Shaftesbury,  William  Whiston,  Thomas  Chubb, 
Thomas  Morgan,  Viscount  Bolingbroke  u.  a.  —  Von  John  Tolands 
(1670 — 1722)  Schriften  steht  nur  eine  der  lateinischen  im  Index: 
Adeisidaemon  seu  Titus  Livius  a  superstitioae  vindicatus;  annexae 
sunt  origines  judaicae,  Hagae  1709,8.,  verb.  1725  (Lechler  S.  468), 
—  von  Anthony  Collins  (1676 — 1729)  nur  Discours  sur  la  liberte 
de  penser,  6crit  ä  Toccasion  d'une  nouvelle  secte  d'esprits  forts  ou 
de  gens  qui  pensent  librement,  trad.  de  Tanglois  et  augmente  d'une 
lettre  d'un  m^decin  arabe,  Londres  (Haag)  1714,  verb.  1718  (in 
Sp.  strenge),  eine  von  Collins  selbst  besorgte  üebersetzung  des 
englischen  Originals,  welches  1713  erschien,  in  kurzer  Zeit  5  Auf- 
lagen erlebte  und  in  England  34  Gegenschriften  hervorrief  (Lechler 
S.  230.  Baumg.  2,  183).  —  Von  Thomas  Woolston,  1669—1731, 
1705  von  der  King's  Bench  verurtheilt  und  bis  zu  seinem  Tode  im 
Gefängniss,  wurden  1767  von  der  Inq.  zwei  Schriften,  und  zwar 
englische,  verb.:  Discourses  on  the  miracles  of  our  Saviour  in  view 
of  the  present  controversy  between  infidels  and  apostates  [d.  i.  den 
Geistlichen,  die  von  der  alten  Auslegungsweise  abgewichen  seien], 
und  Defence  of  bis  discourses  ....  against  the  bishops  of  St.  Da- 
vids and  London  and  bis  other  adversaries.  Die  Discourses  waren 
zuerst  einzeln  1727,  also  genau  40  Jahre  vor  dem  Verbote,  er- 
schienen, der  erste  1729  schon  in  6.  Auflage,  die  Defence  in  zwei 
Theilen  1729  und  1730,  der  1.  Theil  1729  in  drei  Auflagen.  Von 
den  anderen  Schriften  Woolstons,  auch  von  den  lateinischen,  hat 
man  in  Rom  keine  Notiz  genommen.  In  England  erschienen  an  60 
Streitschriften  gegen  ihn  (Lechler  S.  289.  Baumg.  1,  479). 

Von  Conyers  Middleton,  dem  Verfasser  des  Lebens  Cicero's, 
erschien  1729  anonym  A  letter  from  Eome,  shewing  the  exact  con- 
formity  between  popery  and  paganism,  worin  viele  römisch-katho- 
lische Gebräuche,  Weihrauch,  Weihwasser,  Kerzen,  Votivtafeln  u.  s.  w., 
als  aus  dem  Heidenthum  stammend  dargestellt  waren.  Der  aposto- 
lische Vicar  Richard  Challoner  (1691 — 1781)  schrieb  dagegen  The 
Catholic  Christian  instructed  in  the  sacraments,  sacrifice  and  cere- 
monies  of  the  Church  (Räss,  Convertiten  9,  179);  auch  in  angli- 
canischen  Kreisen  meinte  man  vielfach,  die  Angriffe  auf  päpstliche 
Wunder  klängen  so,  als  ob  sie  gegen  Wunder  überhaupt  gerichtet 
seien.  Middleton  fügte  der  4.  Auflage  von  1741  eine  Vertheidigung 
bei.     Eine    französische  Üebersetzung   dieser    Auflage    wurde    1755 


Englische  DeiBten.  d65 

verb.:  Lettre  icrite  de  Rome,  oü  l'on  montre  l'exacte  conformiti 
qu'il  y  a  entre  le  papisme  et  la  religion  des  Romains.  Avec  un 
discours  preliminaire,  oü  en  repondant  k  toutes  les  objections  d'un 
livre  papiste:  Le  Chr^tien  cath.  instruit  .  .  .  on  a  .  .  .  et  un  post- 
script,  oü  Ton  examine  Topinion  de  M.  Warburton  .  .  .  Amst.  1744, 
308  S.  12^).  —  La  fable  des  abeilles,  ou  les  fripons  devenus  bon- 
netes  gens,  avec  le  commentaire  oi\  Ton  prouve,  que  les  vices  des 
particuliers  tendent  k  Tavantage  du  public,  trad.  de  Tanglois,  Lon- 
don 1740,  verb.  1745,  ist  üebersetzung  des  zuerst  1714  erschiene- 
nen Buches  von  Bernard  de  Mandeville  (1670—1733),  The  fable 
of  the  bees,  or  private  vices  publick  benefits,  von  dem  1732  die 
6.  Auflage  mit  einer  Vindication  of  the  book  erschienen  war*). 
Schon  1732  wurde  verb.  Pens 6 es  libres  sur  la  religion,  V^glise 
et  le  bonheur  de  la  nation,  traduites  de  l'anglois  du  docteur  B. 
M[andeville],  Haye  1723,  2  vol.  In  der  3.  Aufl.  1738  hat  sich  der 
Uebersetzer,  Juste  van  Effen,  genannt  (Baumg.  8,  50). 

Ausserdem  stehen  noch  im  Index:  Recherches  sur  la  natura 
du  feu  de  Tenfer  et  du  lieu  ofi  il  est  situe,  par  M.  Swinden,  trad. 
de  Tanglois  par  M.  Bion,  Amst.  1728,  verb.  1745,  englisch:  On 
the  nature  and  place  of  hell,  1717,  deutsch:  Schwindens  Betrach- 
tung, dass  die  HöUe  in  der  Sonne  zu  suchen,  übers,  von  J.  J.  Lieber, 
1728;  Patuzzi  schrieb  dagegen  De  sede  inferni  in  terris  quaerenda 
(Vita  di  Concina  p.  78);  —  Histoire  du  diable  [contenant  en  de- 
tail les  circonstances  oü  il  s'est  trouvi  depuis  son  bannissement  du 
ciel  ...  et  de  la  conduite  qu'il  a  tenue  jusqu'ä  präsent .  .  .],  trad. 
de  Tanglois,  Amst.  1729,  12.,  verb.  1744  (in  Sp.  1747),  von  Daniel 
de  Foe,  handelt  auch  über  das  Wirken  des  Teufels  im  Papstthum 
(U.  N.  1732,  400) ;  —  zwei  Schriften  von  Medicinern  über  die 
wunderbaren  Heilungen  Christi:  Evangelium  medici  seu  medicina 
mystica  de  suspensis  naturae  legibus  sive  de  miraculis  reliquisque 
61'  wlg  ßißXioig  memoratis,  quae  medicae  indagini  subjici  possunt, 
auct.  Bemardo  Connor  .  .  .  Ed.  3.,  Jena  1706,  verb.  1721,  zuerst 
London  1697  (Connor,  ein  Irland  er,  soll  auf  dem  Sterbebette  1698 
wieder  katholisch  geworden  sein;  Baumg.  3,  406);  —  Medica  sacra 
8.  de  morbis  insignioribus,  qui  in  bibliis  memorantur,  commentarius, 
auct.  Ricardo  Mead,  Lond.  1749,  verb.   1754  (in  Sp.  1756). 

Gegner  des  Deismus.  —  Radulphi  Cudworth  Systema  intel- 
lectuale  hujus  universi  s.  de  veris  naturae  rerum  originibus  com- 
mentarii,  Jena  1733,  2  Fol.,  verb.  1739  (in  Sp.  1796),  ist  J.  L. 
Mosheims  latein.  Üebersetzung  des  bereits  1678  erschienenen  Buches 


1)  Dr.  C.  Middletons  Free  enquiring  in  the  miraculous  powers  sup- 
posed  to  have  existed  in  the  Christian  church,  with  a  Letter  from  Rome 
.  .  .  London  1825. 

2)  Drei  dagegen  gerichtete  Hirtenbriefe  des  Bischofs  Edmund  Gibson 
von  London  wurden  von  Abr.  Le  Moyne  französisch  herausgegeben  als 
Preservatif  contre  Tincredulite  et  le  libertinage  en  trois  lettres  past.  de 
Mgr.  l'Ev.  de  Londres,  Haye  1732  (Baumg.  3,  318.  U.  N.  1746,  950. 
Picot  2,  190). 

Renscb,  Index  II.  55 


866  Irreligiöse  Schriften. 

The  true  intellectual  systein  of  the  universe,  von  Ralph.  Cudworth 
zu  Cambridge,  1617 — 1688,  welches  hauptsächlich  gegen  Hobbes 
gerichtet  ist  (Lechler  S.  131).  —  Robert  Boyle,  f  1691  (S.  119), 
bestimmte  in  seinem  Testamente  eine  Summe  von  jährlich  50  Pf. 
für  je  8  Vorträge,  in  denen  die  Wahrheiten  der  christlichen  Reli- 
gion, mit  Beiseitelassung  aller  confessionellen  Unterscheidungslehren, 
gegen  die  .Ungläubigen  zu  vertheidigen  seien.  Der  erste  Boyle- 
Lecturer  war  Richard  Bentley  1692.  Dieser  schrieb  später  gegen 
Collins  Remarka  upon  a  late  discourse  of  free-thinking  in  a  letter 
to  F[rancis]  H[are]  D.  D.  by  Phileleutherus  Lipsiensis,  1713.  Eine 
Uebersetzung  davon  von  Armand  de  la  Chapelle  ist  La  friponnerie 
lai'que  des  esprits  forts  d^Angleterre,  ou  remarques  de  Phileleuthere 
de  Leipsick  sur  le  discours  de  la  libert^  de  penser,  trad.  de  Tan- 
glois  sur  la  7.  edition,  Amst.  1738,  verb.  1742  (Lechler  S.  233. 
Baumg.  2,  148).  —  Defense  de  la  religion  tant  naturelle  que 
r^velee  contre  les  infid^les  et  les  incredules,  extraite  des  ecrits 
publica  pour  la  fondation  de  M.  Boyle  par  les  plus  habiles  gens 
d'Angleterre,  Haye  1738,  verb.  1746,  ist  eine  gleichfalls  von  A. 
de  la  Chapelle  herausgegebene  Uebersetzung  von  A  defence  of  na- 
tural and  revealed  religion,  being  an  abridgment  of  the  sermons 
preached  at  the  lecture  founded  by  the  Hon.  Roh.  Boyle  (von  Gil- 
bert Burnet),  London  1737,  4  vol.,  —  Alciphron,  ou  le  petit 
philosophe  en  7  dialogues,  contenant  une  apologie  de  la  religion 
ehret,  contre  ceux  qu'on  nomme  esprits  forts,  Haye  1734,  2  vol. 
12.,  verb.  1754,  P.  de  Joncourts  Uebersetzung  der  1732  erschienenen 
Schrift  von  Georges  Berkeley,  Bischof  von  Cloyne,  die  besonders 
gegen  den  Earl  of  Shaftesbury  gerichtet  ist  (U.  N.  1734,  1034), 
der  selbst  nicht  im  Index  steht.  —  Examen  des  fondemens  de  la 
religion  naturelle  et  revelee,  traduit  de  Tanglois  de  M.  [Arthur 
Ashley]  Sykes,  Amst.  1742,  verb.  1745,  ist  gegen  Collins  gerichtet. 

—  Von  diesen  apologetischen  Schriften  wurden  also  Uebersetzungen 
verboten,  die  in  Amsterdam  erschienen  waren,  einem  Druckorte, 
der  allerdings  in  Rom  verdächtig  war. 

2.  Von  Pierre  Bayle  (1647—1706)  sind  seit  Ben.  sämmtliche 
Werke  verb.  Vorher  standen  unter  seinem  Namen  nur:  Diction- 
naire  historique  et  critique,  zuerst  1695 — 1697,  —  der  1.  Band 
und  der  2.  Theil  des  2.  Bandes  wurden  1700,  der  1.  Theil  des 
2.  Bandes  1703  verb.,  —  und  Lettres  choisies  de  M.  Bayle  avec 
des  remarques,  Roterdam  1714,  verb.  1732.  Von  seinen  anonymen 
und  Pseudonymen  Schriften  stehen  noch  jetzt  im  Index:  die  beiden 
Schriften  gegen  Maimbourg  (S.  585),  Nouvelles  de  la  r^publique 
des  lettres  (vom  März  1684  an),  einzelne  Theile  verb.  1690  und 
1693,  seit  Ben.  mit  dem  Zusätze:  opus  Petri  Bayle,  —  H.  V.  P. 
ad  B***  de  nuperis  Angliae  motibus  epistola,  in  qua  de  diversum 
a  publica  religione  circa  divina  sentientium  disseritur  tolerantia, 
Rot.  1686,  ein  Brief  von  Hadrian  van  Paets  an  Bayle  vom  12.  Sept. 
1685,  von  diesem  veröffentlicht,  auch  in  französischer  Uebersetzung; 

—  Commentaire  philosophique  sur  ces  paroles  de  J.-C. :  Contrains- 
les  entrer,  ou  Ton  prouve  parplusieurs  raisons  demonstratives  qu*il 


P.  Bayle  u.  a.  867 

n'y  a  rien  de  plus  abominable  que  de  faire  des  conversions  par  la 
contrainte,  et  Ton  r6fute  tous  les  sophismes  des  convertisseiirs  ä 
contrainte  et  Tapologie  que  S.  Augustin  a  faite  des  persecutions, 
traduit  de  Tanglois  du  Sieur  Jean  Fox  de  Bmggs  par  M.  J.  F., 
Cantorbery  (Amst.)  1686,  von  der  Inq.  verb.  1714  (steht  seit  Ben. 
unter  Fox  mit  der  Parenthese  Pierre  Bayle).  Da  im  Decrete  der 
Titel,  wie  oben,  angegeben  ist,  waren  nur  die  1686  erschienenen 
beiden  Theile  verb.,  nicht  die  1687  erschienene  3.  Partie,  conte- 
nant  la  r^futation  etc.  (Der  Erzbischof  von  Paris  hatte  1685  die 
zwei  Briefe  des  h.  Augustinus  drucken  lassen  mit  einer  Vorrede: 
Conformite  de  l'Eglise  de  France  .  .  .  avec  oelle  d'Afrique). 
—  Erst  1777  (in  Sp.  1766)  wurde  verb.:  Analyse  raisonn^e  de 
Bayle,  ou  abrege  m^thodique  de  ses  ouvrages,  particulierement  de 
son  Dict.  .  .  .  Das  Pariser  Parlament  hatte  die  4  ersten  Bände, 
Lond.  1755,  schon  1756  verb.  und  den  Herausgeber,  den  Ex- Jesuiten 
Fr.-M.  de  Marsy,  einige  Zeit  in  die  Bastille  setzen  lassen;  1765 
hatte  auch  die  Assemblie  du  Clerg^  das  Buch  verb.  (Picot  2,  304. 
310);  die  zu  Amst.  1770  erschienene  Fortsetzung:  Analyse  de 
Bayle,  4  vol.,  ist  von  J.-B.-R.  Robinet 

Von  anderen  französischen  Schriften  wurden  noch  vor  1770 
verb.:  Hexameron  rustique  ou  les  six  joum^es  pass^es  ä  la  cam- 
pagne  entre  des  personnes  studieuses,  Paris  1670,  verb.  1677,  das 
letzte  Werk  von  Frangois  de  la  Mothe  Vayer,  dem  frühem  Lehrer 
Ludwigs  XIV.,  der  1672,  86  Jahre  alt,  starb,  stellenweise  skeptisch 
und  obscön  (Bayle  s.  v.);  Entretiens  sur  la  pluralit^  des  mon- 
des,  Amst.  1683,  verb.  1687,  von  Bernard  Le  Bovier  de  Fontenelle, 
1 1757,  fast  100  Jahre  alt;  La  republique  des  philosophes  ou  bist, 
des  Ajaoniens,  ouvr.  posth.  de  M.  de  Fontenelle,  Genf  1768, 
verb.  1777  (in  Sp.  1781).  —  In  den  ersten  Jahrzehnten  des  18. 
Jahrh.  kamen  hinzu:  Les  avantures  de  la  Madonna  et  de  Fran^ois 
d'Assise  par  M.  Renoult,  cy-devant  pr^dicateur  en  Tegl.  Rom.  et 
k  present  ministre  du  s.  evangile,  Amst.  1701,  von  der  Inq.  verb. 
1701  (in  Sp.  1704)^);  —  Religion  ou  theologie  des  Turcs  par 
Echialle  Mufti,  avec  la  profession  de  foi  de  Mahomet  fils  de  Pir 
Ali,  Brux.  1703,  2  vol.  12.,  verb.  1709  (in  Sp.  1750);  —  Dialo- 
gues  de  M.  le  Baron  de  La  Hontan  et  d^un  sauvage  d'Amerique, 
contenant  une  description  exacte  des  moeurs  et  des  coutumes  de  ces 
peuples  sauvages,  Amst.  1704,  von  der  Inq.  verb.  1712,  Satire  auf 
den  französischen  Hof  mit  Spöttereien  über  Religion  und  Sittlich- 
keit (U.  N.  1705,  38);  das  Buch  steht  unrichtig  unter  La  Hontan: 
es  ist  eine  von  dem  Ex-Benedictiner  Gueudeville  verfasste  Fortsetzung 
von  dessen  Voyages  dans  l'Amerique,  1702,  2  vol.;  in  Spanien 
wurden    auch    diese  1759  verb.;     —    La  Bagatelle    ou  discours 


1)  Eine  deutsche  Uebersetzuug :  Begebenheiten  der  Madonna  und 
des  h.  Franciscus  Assisi,  Köln  (?)  1736,  wurde  1737  mit  Veranlassung  zu 
Verhandlungen  zwischen  dem  Frankfurter  Magistrat  und  dem  Wiener  Hof- 
rathe.  Fleur.  75,  693. 


868  Irreligiöse  Schriften. 

ironiques  oü  Ton  prete  des  sophismes  ing^nieux  au  vice  et  k  l'extra- 
vagance,  pour  en  faire  mieux  sentir  le  ridicule,  Amst.  1718,  3  vol. 
8.,  verb.  1718,  von  Juste  van  Eifen  (Morery,  Snppl.  s.  v.);  — 
Moyens  surs  et  honnetes  ponr  la  conversion  de  tous  les  her^tiqaes  et 
avis  et  expedients  salutaires  pour  la  reformation  de  l'figlise,  Col. 
1681,*  2  vol.  12.,  erst  1737  verb.;  der  Titel  verräth  freilieb  nicbt, 
dass  das  Buch  scharfe  Angriffe  gegen  Papsttbum,  Mönche,  Jesuiten 
u.  s.w.  enthält;  der  Verfasser  ist  nicbt  bekannt  (Bayle,  Oeuvres  2, 
780);  —  C6remonies  et  coutumes  religieuses  de  tous  les  peuples  du 
monde,  repr6sentdes  par  des  figures  dessin^es  de  la  main  de  Ber- 
nard Picard,  aveo  une  explication  bistorique  et  quelques  disserta- 
tions  curieuses,  Amsterdam  1723—43,  9  vol.  Fol.,  einzelne  Theile 
verb.  1738  und  1739,  das  ganze  Werk  10.  Mai  1757  (in  Sp.  1789). 
Es  ist  eine  von  dem  gelehrten  Amsterdamer  Buchhändler  J.  Fred. 
Bemard  herausgegebene,  mit  schönen  Kupferstichen  verzierte,  kritik- 
lose Compilation  (im  8.  Bande  das  Buch  von  Mussard),  auch  über 
Inquisition,  Quietismus  u.  a.  Vgl.  Baumg.  8,  31.  —  Unter  Bene- 
dict XIV.  kamen  noch  hinzu:  Dissertations  melees  sur  divers 
Bujets  importants  et  curieux,  Tom.  1.,  Amst.  1740,  verb.  1742  (in 
Sp.  1756),  herausg.  von  demselben  Bernard  (Qu^rard  4,  1090);  der 
2.  Band  ist  nicht  verb.;  —  Eecueil  de  diverses  pi^ces  sur  la 
philos.,  la  religion  naturelle,  Thist.,  les  mathematiques,  par  M.  Leib- 
niz,  Clarke,  Newton  et  autres  auteurs,  verb.  1745,  von  P.  Desmai- 
seaux;  —  Philosophie  morale  ou  m61ange  raisonn6  de  principes, 
pensees  et  reflexions  par  M.  S.,  verb.  1755,  vielleicht  die  Schrift 
von  Diderot,  die  zuerst  1745  als  Principes  de  la  philos.  mor.  ou 
essai  de  M.  S[hafte8bury]  sur  le  m^rite  et  la  vertu,  avec  reflexi- 
ons, 1751  als  Phil.  mor.  k  ses  princ,  ou  essai  etc.  erschien. 

Von  den  anonymen  deistischen  Schriften  der  protestantischen 
Genferin  Marie  Huber  (1698—1753)  stehen  im  Index:  Le  Sy- 
steme des  anoiens  et  des  modernes  sur  T^tat  des  llmes  s^par^es 
des  Corps  en  14  lettres,  1739,  verb.  1739  (auch  in  Sp.),  und  noch- 
mals als  Le  Systeme  ..  .  modernes  concilii  par  Texposition  des 
sentiments  differents  de  quelques  th^ologiens  sur  l'6tat  .  .  .  Lond. 
1757,  verb.  1759  (gegen  die  Ewigkeit  der  Höllenstrafen),  —  Let- 
tres sur  la  religion  essentielle  k  Thomme  distinguee  de  ce  qai  n'est 
que  TaccessoirC;  Amst.  1738,  verb.  1742,  gleichzeitig  auch  die  Ge- 
genschrift des  Genfer  Predigers  Frantj.  de  Roches,  Defense  du 
ohristianisme,  ou  pr^servatif  contre  un  ouvrage  intitule  Lettres  .  .  ., 
Lausanne  1740,  2  voL,  und  1745  (in  Sp.  1789)  eine  zweite  Gegen- 
schrift: Lettres  sur  les  vrais  principes  de  la  religion,  oü  Ton 
examine  un  livre  intit.  Lettres  .  .  .,  1741,  2  vol.  12.,  von  David 
Eenaud  Bouillier,  Prediger  in  Amsterdam,  später  in  London. 

3.  Der  Name  Montesquieu  ( 1 689 — 1 755)  kommt  im  Index  nicht  vor, 
da  er  nur.  anonyme  Schriften  herausgegeben  ^).     Die  1761  verbotenen 


1)  Das  Folgende  nach  dem  Aufsatze  über  Montesquieu    im    Corre- 
spondant  1877,  vol.  106  und  107. 


Mouiesquieu  u.  a.  869 

Letires  persannes  waren  schon  1721  zu  Cologne  (in  Holland)  ge- 
druckt, und  wenigstens  4  Ausgaben  und  4  Nachdrucke  erschienen. 
Card.  Dubois  verbot  das  Buch  wegen  Angriffe  auf  die  Religion  und 
die  Sittlichkeit.  Als  Mont.  1727  Mitglied  der  Akademie  werden 
wollte,  überreichte  er  dem  Card.  Fleury  ein  durch  Cartons  expur- 
girtes  Exemplar;  der  Cardinal  merkte  die  Geschichte,  gab  sich  aber 
zufrieden.  Im  folgenden  Jahre  war  Mont.  in  Rom  und  wurde  von 
Benedict  XIII.  wiederholt  freundlich  empfangen^).  —  Ausser  den 
Lettres  pers.  steht  von  Mont.  im  Index  nur  noch  L'esprit  des 
loix,  ou  du  rapport  que  les  loix  doivent  avoir  avec  la  Constitution 
de  chaque  gouvemement,  les  moeurs,  le  climat,  la  religion,  le  com- 
merce, verb.  1752  (in  Sp.  1756),  gleichzeitig  mit  der  Uebersetzung: 
Lo  spirito  delle  leggi  .  .  .,  con  alcune  note  dei  traduttori,  Napoli 
1750,  con  licenza  dei  superiori  (vielleicht  von  Ant.  Genovesi  be- 
sorgt; wenigstens  erschien  1774  zu  Neapel:  Lo  Spirito  delle  leggi 
con  le  note  dell'  Abate  Ant.  Genovesi).  Das  Buch  wurde  in  Genf 
unter  der  Leitung  des  protestantischen  Predigers  Jacques  Vernet  ge- 
druckt. D'Argenson,  Directeur  de  la  librairie  fran^aise,  wurde  ge- 
beten, stillschweigend  den  Verkauf  des  Buches  in  Frankreich  zu  ge- 
statten; es  wurde  aber  zuvor  die  Abänderung  von  14  Stellen  ver- 
langt und  ausgeführt,  und  als  nun  das  Buch  im  Jan.  1749  (s.  1. 
1749,  2  vol.  4.)  erschien,  wurde  es  provisorisch  verboten  und  erst 
freigegeben,  nachdem  Lamoignon  de  Malesherbes  im  Dec.  1750  Di- 
recteur de  la  librairie  geworden.  —  Die  M6m.  de  Trev.  tadelten 
im  Apr.  1749,  dass  das  Buch  ne  menage  pas  assez  la  religion.  Viel 
schärfer  wurde  es  seit  dem  Oct.  in  den  N.  E.  (1749,  161;  1750, 
65;  1756,  36)  angegriffen,  wahrscheinlich  von  J.  B.  Gaultier,  der 
auch  Les  Lettres  persannes  convaincues  d'impiete  schrieb  (N.  E. 
1752,  47)  und  das  Buch  auch  in  Rom  denuncirt  haben  soll.  Mont. 
gab  eine  Defense  de  l'Esprit  des  loix,  Genf  (Paris)  1750,  heraus 
(die  Suite  de  la  Defense  .  .  .  1751,  ist  von  La  Beaumelle).  Als  der 
Erzbischof  Languet  von  Sens,  von  der  Assemblee  du  Clerg6  von 
1750  beauftragt  wurde,  über  ein  Buch  gegen  die  kirchliche  Im- 
munität zu  berichten,  beantragte  er,  auch  das  Buch  von  Mont.  zu 
prüfen;  die  Assemblee  ging  jedoch  darauf  nicht  ein.  Die  Sorbonne 
aber  ernannte  1.  Aug.  1750  12  Examinatoren,  welche  eine  Censur 
entwarfen.  Mont.  überreichte  einige  Memoires,  in  denen  er  einge- 
stand, er  habe  sich  vielleicht  ungenau  ausgedrückt,  und  sich  zu  Be- 
richtigungen erbot.  Die  Sorbonne  beauftragte  darauf  zwei  Theologen, 
mit  ihm  zu  correspondiren,  und  da  sich  auch  der  Erzbischof  Beau- 
mont  von  Paris  für  ihn  verwendete,  wurde  die  Censur  nicht  publicirt. 


1)  In  der  Abschiedsaudienz  gab  der  Papst  Mont.,  natürlich  ohne 
von  diesem  gebeten  zu  sein,  als  Zeichen  seines  besondern  Wohlwollens 
eine  Dispense  von  der  Abstinenz.  Als  am  andern  Tage  ein  Beamter  der 
Curie  Mont.  ein  Document  darüber  brachte  (und  die  Gebühren  dafür  ein- 
cassiren  wollte),  wies  es  Mont.  mit  der  Bemerkung  zurück,  er  habe  den 
Papst  als  einen  Ehrenmann  kennen  gelernt,  dessen  Wort  ihm  genüge. 
Corr.  106,  889. 


870  Irreligiöse  Schriften. 

Die  Index-Congr.  beauftragte  Msgr.  Bottari  mit  der  Prüfung 
des  Buches.  Der  französische  Gesandte  Duc  de  Nivemais  wandte 
sich  an  Card.  Passionei  und  verschaffte  sich,  von  diesem  empfohlen, 
von  Bottari  dessen  Bericht,  um  ihn  Mont.  zu  schicken.  Mont.  schrieb 
darauf  2.  Juni  1750  an  Card.  Passionei:  er  freue  sich,  dass  die 
gegen  ihn  gerichteten  Angriffe  ihm  die  Protection  Seiner  Eminenz 
verschafft;  der  Gesandte  habe  ihm  mitgetheilt,  wie  viel  er  dem  Car- 
dinal zu  verdanken  habe;  er  schicke  einige  Bemerkungen  zu  dem 
Berichte  Bottari's,  mit  dem  er  fast  überall  einverstanden  sei;  er 
wünsche  sehr,  dass  man  in  Eom  mit  ihm  zufrieden  sein  möge.  Die- 
sem Briefe  war  folgende  Note  beigelegt,  die  der  Cardinal  der  In- 
dex-Congr. vorlegen  sollte:  Der  Verfasser  des  Esprit  hat  ein  rein 
politisches  Buch  geschrieben  und  Beifall  damit  gefunden,  wie  die  22 
Auflagen  bezeugen.  Einige  haben  darin  religionsgefährliche  Grund- 
sätze gefunden ;  er  hat  aber  gar  nicht  von  Keligion  handeln  wollen. 
Er  hat  eine  Schrift  ausgearbeitet,  worin  er  sich  verth eidigt  und 
zeigt,  dass  man  ihn  missverstanden  oder  missdeutet  hat;  diese  ist 
eben  erschienen  und  wird  hoffentlich  alle  Bedenken  zerstreuen.  In 
einer  neuen  Ausgabe  wird  er  aber  die  beanstandeten  Stellen  unter- 
drücken oder  erläutern.  Er  ho£Pt,  die  Index-Congr.  werde  die  Ver- 
theidigung  berücksichtigen  und  die  neue  Auflage  abwarten  und  be- 
denken, dass  es  sich  nicht  um  ein  theologisches,  sondern  um  ein 
politisches  Werk  handelt.  Der  Verfasser  ist  um  seiner  Geburt  und 
amtlichen  Stellung  willen  der  Kücksichtnahme  werth;  er  hat  sich 
in  Italien  und  Eom  allgemeine  Achtung  erworben. 

Dieser  Brief  war  28.  Aug.  noch  nicht  in  Eom  angekommen, 
als  der  Secretär  der  Index-Congr.  erklärte,  die  Sache  lasse  sich  nicht 
mehr  aufschieben.  Passionei  schrieb  nun  an  Bottari:  Ich  hoffe,  Sie 
werden  morgen  die  Papiere  erhalten,  die  Sie  für  den  am  Montag  ab- 
zustattenden Bericht  bedürfen.  Sie  werden  sehen,  ob  sich  die  Con- 
gregation  zufrieden  geben  kann.  Der  Verfasser  ist,  wie  Sie  wissen, 
bereit,  alles  zu  corrigiren.  Es  scheint  mir  billig,  einen  Schriftsteller 
anzuhören,  ehe  man  über  einige  eigenthümliche  Ideen  ein  ürtheil 
fällt.  Auf  Bottari's  Antrag  beschloss  die  Congregation  Anfangs 
Sept.  mit  Stimmenmehrheit,  das  Urtheil  zu  verschieben,  ohne  Zweifel 
bis  zum  Erscheinen  einer  neuen  Ausgabe.  P.  Concina  las  bei  dieser 
Gelegenheit  eine  Stelle  aus  einem  seiner  Bücher  vor,  an  der  er  gegen 
eine  in  dem  Esprit  vorkommende  nicht  sehr  respectvoUe  Aeusserung 
über  die  Inquisition  polemisirt.  —  Im  Nov.  1750  schrieb  Mont.  an 
Nivernais:  wenn  die  früheren  Ausgaben  seines  Buches  Ketzereien 
enthielten,  könnten  die  in  einer  spätem  Ausgabe  gegebenen  Erklä- 
rungen die  Verdammung  jener  nicht  hindern;  da  es  sich  aber  nur 
um  einige  miss verständliche  Ausdrücke  handle,  so  müsse  eine  Mo- 
dification  oder  Erläuterung  in  einer  spätem  Ausgabe  und  in  einer 
Apologie  genügen,  um  das  Buch  überhaupt  vor  einem  Verbote  zu 
schützen.  Danach  scheint  Mont.  die  Mittheilung  erhalten  zu  haben, 
dass  man  das  Buch  verbieten,  aber  gleichzeitig  eine  corrigirte  Aus- 
gabe freigeben  wolle.  In  einer  Sitzung  im  Dec.  1750  sprach  sich 
denn  auch    die  Mehrheit  für    das  Verbot    der  älteren  Auflagen  and 


Voltaire.  Sil 

der  mittlerweile  erschienenen  Uebersetzung  aus;  die  Minderheit 
machte  dagegen  geltend,  dass  weder  die  Assemblöe  du  clerg^  noch 
die  Sorbonne  das  Buch  verboten  habe.  Auch  der  Präfect,  Card. 
Querini,  war  mit  den  von  Mont.  gegebenen  Erklärungen  zufrieden. 
Auf  die  Bitte  des  Gesandten  verbot  der  Papst  der  Congregation, 
einen  Beschluss  zu  fassen.  Im  April  1751  schrieb  Nivernais  an 
Mont.,  Msgr.  Bottari  sei  durch  Aimaldi,  Secretär  der  lateinischen 
Breven,  ersetzt  (letzterm  die  Abfassung  eines  zweiten  Gutachten 
aufgetragen?)  worden;  dieser  sei  sein  Freund  und  habe  sich  früher 
günstig  über  das  Buch  ausgesprochen,  werde  aber  nicht  gern  als 
tolerant  erscheinen  wollen ;  er  habe  nur  versprochen,  die  Sache  nicht 
zu  beeilen.  Er  verzögerte  denn  auch  seinen  Bericht;  da  aber  die 
neue  Ausgabe  des  Esprit  keine  wesentlichen  Aenderungen  enthielt, 
so  wurden  3.  März  1752  L'esprit  des  loix,  Genöve  1749,  und  die 
italienische  Uebersetzung  verboten. 

Im  Correspondant  107,  654  heisst  es:  ,» Das  Beeret  wurde  ge- 
wissermassen  geheim  gehalten ;  kein  Zeitgenosse  spricht  davon,  und 
derjenige,  der  das  18.  Jahrhundert  am  besten  kannte  [Yillemain], 
leugnete  noch  1857  seine  Existenz.**  Das  Verbot  steht  in  einer 
Appendix  ad  Indicem  1.  pr.  a  m.  Sept.  1750  usque  ad  totum  m. 
Martii  1752  und  in  allen  seit  Ben.  erschienenen  Indices,  freilich 
nicht  unter  Montesquieu,  sondern  unter  Esprit.  —  1789  erschien 
nach  dem  Corresp.  p.  819  eine  Edition  revue,  corrigee  (assez  chr6- 
tiennement)  et  considerablement  augmentee  par  Fauteur  (d'apres  les 
papiers  trouves  ä  sa  mort)^). 

4.  Erst  1752  wurden  Voltaire's  Lettres  philosophiques, 
1734,  in  Rom  verb.,  vorher  nur  1751  die  anonyme  Voix  du  sage 
(S.  791).  Unter  Benedict  XIV.  kamen  femer  noch  1753—57  in 
den  Index:  Oeuvres,  Dresde  1748;  Hist.  des  croisades,  1753;  Ab- 
rege de  Thist.  universelle  depuis  Charlemagne  jusqu'ä  Charles  V., 
1753,  und  Essai  sur  Thistoire  universelle,  1754,  von  den  zahlreichen 
anonymen  und  Pseudonymen  Schriften  nur  La  Pucelle  d'Orleans, 
verb.  1757. 

Voltaire  übersandte  Benedict  XIV.  1745  seinen  Mahomet, 
dessen  Aufführung  in  Paris  1742  verboten  worden,  mit  folgendem 
Briefe:  „Ew.  Heiligkeit  werden  die  Freiheit  verzeihen,  die  sich 
einer  der  geringsten,  aber  einer  der  grössten  Bewunderer  der  Tugend 
nimmt,  dem  Oberhaupte  der  wahren  Religion  eine  Schrift  gegen 
den  Stifter  einer  falschen  und  barbarischen  Religion  zu  widmen.  An 
wen  könnte  ich  passender  die  Satire  auf  die  Grausamkeit  und 
die  Irrthümer  eines  falschen  Propheten  richten  als  an  den  Stellver- 
treter und  Nachahmer  eines  Gottes  des  Friedens  und  der  Wahrheit? 


1)  Ueber  seine  Bekehrung  auf  dem  Sterbebette  durch  den  Jesuiten 
Routh  8.  Picot  4,  261.  Theotimus  Eupistinus  p.  63.  —  In  Spanien  wurden 
die  Lettres  persanneg  1797  verb.,  aber  schon  1781  die  Considerations  sur 
.  .  .  la  grandeur  des  RomaiiiB  und  eine  span.  Uebersetzung  von  1776.  In 
Wien  wurde  L'esprit  1750  verb.,  1753  freigegeben.  Sitzungaber.  der  W. 
Akad.  Ph.-hi8t.  Cl.  84,  412. 


672  Irreligiöse  Sohriften. 

Gestatten  E.  H.,  dass  ich  Ihnen  das  Buch  und  den  Verfasser  za 
Füssen  lege.  Ich  wage  es  um  Ihren  Schatz  für  jenes  nnd  um 
Ihren  Segen  für  diesen  zu  hitten.  Mit  den  Gefühlen  einer  tiefen 
Verehrung  falle  ich  nieder  und  küsse  Ihre  heiligen  Füsse."  Der  Papst 
antwortete  (italienisch)  19.  Sept.  1745:  „Dilecte  fili,  Salutem  et 
apostolicam  henedictionem.  Vor  Wochen  wurde  Uns  in  Ihrem  Auf- 
trag die  schöne  Tragödie  Mahomet  überreicht,  die  Wir  mit  dem 
grössten  Vergnügen  gelesen  haben.  Dann  überreichte  uns  in  Ihrem 
Namen  Card.  Passionei  Ihr  ausgezeichnetes  Gedicht  über  Fontenoy. 
Mgr.  Leprotti  gab  Uns  darauf  das  Distichon,  welches  Sie  zu  Unserm 
Porträt  gemacht^).  Gestern  morgen  gab  Uns  Card.  Valenti  Ihren 
Brief  vom  17.  August.  .  .  .  Wir  sprechen  Ihnen  den  schuldigen 
Dank  aus  für  Ihre  Güte  gegen  Uns  und  versichern  Ihnen,  dass  Wir 
alle  gebührende  Achtung  haben  vor  Ihrem  mit  so  vielem  Beifall 
belohnten  Verdienst."  Der  Papst  erzählt  dann,  jemand  habe  es  geta- 
delt, dass  in  dem  Distichon  hie  als  kurze  Silbe  gebraucht  sei;  er  habe 
ihm  aber,  obschon  er  seit  30  Jahren  den  Virgil  nicht  gelesen,  einen 
Vers  desselben  citirt,  in  dem  hie  kurz,  einen,  in  dem  es  lang  sei. 
Voltaire  antwortete:  „Die  Züge  Ew.  H.  sind  auf  den  Medaillen, 
mit  denen  Sie  mich  beschenkt,  nicht  besser  ausgedrückt,  als  die 
Züge  Ihres  Geistes  und  Charakters  in  dem  Briefe,  mit  dem  Sie 
mich  beehrt  haben.  Ich  lege  Ihnen  meinen  demüthigsten  Dank  zu 
Füssen.  Ich  muss  Ihre  Unfehlbarkeit  in  literarischen  Entscheidungen 
[in  der  über  die  Quantität  von  hie]  wie  in  den  anderen  ernsteren 
Dingen  (les  autres  choses  plus  respectables)  anerkennen"  u.  s.  w. 
(Oeuvres,  Par.  1830,  5,  10).  —  Das  päpstliche  Schreiben  an  einen 
Schriftsteller,  dessen  Lettres  philosophiques  schon  1734  auf  Befehl 
des  Parlamentes  verbrannt  worden  (Picot  2,  124),  erregte  doch  nicht 
bloss  bei  den  Herausgebern  der  N.  E.  (1746,  3.  61)  Aufsehen.  Vol- 
taire aber  pochte  darauf,  als  er  sich  1746  um  einen  Sitz  in  der 
Akademie  bewarb  (Desnoiresterres  3,47).  „Dass  der  Dichter,  sagt 
Strauss,  Voltaire  S.  53,  ein  solches  Stück,  dessen  Zielpunkte  (Hass 
gegen  Fanatismus  oder  die  positive  Religion)  keineswegs  bloss  in 
der  Türkei  lagen,  dem  Papste  widmete,  ist  ebenso  bezeichnend  für 
Voltaire,  wie  es  für  die  Zeit  bezeichnend  ist,  dass  es  damals  einen 
Papst  gab,  —  le  bonhomme  Lambertini,  wie  er  dafür  bei  Voltaire 
hiess,  —  der  für  die  Widmung  in  einem  heitern  Schreiben  sich  be- 
dankte". 

Dem  Card.  Querini  schickte  Voltaire  1745  mit  einem  devoten 
Briefe  sein  Gedicht  über  die  Schlacht  von  Fontenoy.  Querini,  der 
für  solche  Höflichkeiten  sehr  empfänglich  war,  antwortete  nicht  nur, 
sondern  Hess  auch    eine  Uebersetzung   des  Gedichts    in  lateinischen 


1)  Lambertinus  bic  est,  Romae  decus  et  pater  orbis, 
Qui  mundum  docuit  scriptis,  virtutibus  omat. 
In    einem    Briefe    vom    10.  Aug.    1745    schreibt    Voltaire:    Je   viens    de 
rccevoir  le  portrait  du  plus  joufflu    (pausbackig)    Saint    Pere    qua    nous 
ayons  eu  depuis  longtemps.    II  a  Pair  d*un  bon  diable  et  d'un  komme  qui 
sait  k  peu  pres  ce  que  tout  cela  vaut. 


Marquis  d'Argens.    Les  moeurs.  873 

Hexametern  dracken  and  widmete  diese  den  Jesniten,  welche  die 
Memoires  de  Treyonx  heransgaben,  zum  Danke  für  die  günstige  Be- 
sprechung seiner  Ausgabe  der  Briefe  des  Card.  Keginald  Polns;  inr 
dem  Briefe,  mit  welchem  er  sie  ihnen  tibersandte,  heisst  Voltaire 
eximins  vates,  praestantissimus,  ja  divinns  poeta.  Qnerini  nahm 
diese  Sachen  noch  1756  in  seine  Epistolae  anf  (p.  247.  276.  376). 
Der  Jesuit  F.  Sanvitali  berichtet  in  seiner  Fortsetzung  der  Commen- 
tarii  de  rebus  pertinentibus  ad  Card.  Quirinum,  Brescia  1761,  11^ 
120:  Voltaire  habe  1752  dem  Cardinal  ein  Gedicht  geschickt;  von 
den  Freunden,  denen  er  es  zu  lesen  gegeben,  hätten  einige  es  fär 
ironisch,  andere  sogar  für  gottlos  gehalten;  der  Cardinal  aber,  qui 
in  extemo  cortice  minime  haerebat,  sed  de  Voltairii  animo  ex  pri- 
vatis  ipsius  epistolis,  quas  non  paucas  acceperat,  judicabat,  sei 
anderer  Meinung  gewesen  und  habe  das  Gedicht  sammt  einigen 
Briefen,  quae  de  recta  ac  sincera  ejus  fide  et  de  ejusdem  sensibus 
catholico  homine  dignis  oertum  testimonium  omnibus  facerent,  zu 
Brescia  drucken  lassen,  desgleichen  eine  Elegie,  welche  auf  seine 
Veranlassung  der  Jesuit  Joseph  Mari  unter  dem  Namen  Brixianue 
Philopater  Voltaire  gewidmet.  —  Mahomet  und  sechs  andere  Tra- 
gödien gab  1752  der  Jesuit  A.  M.  Ambrogi  in  italienischer  Ueber- 
setzung  heraus. 

5.  Jean-Baptiste  de  Boyer,  Marquis  d'Argens,  1704 — 1771 
(A.  D.  B.  1,  521.  Picot  2,  182),  steht  im  Index  als  J.  B.  de  Boyer 
nur  mit  La  philosophie  du  hon  sens,  ou  rMexions  philos.  sur 
rincertitude  des  connaissances  humaines,  Haye  1746,  3  vol.,  verb, 
1753  (in  8p.  1756).  Schon  1742  (in  Sp.  1760)  wurden  von  ihm 
verb.:  Lettres  juives,  1736,  8  vol.  (nochmals  die  Ausgabe  von 
1738  verb.  1744),  Lettres  cabalistiques,  1737,  7  vol.,  und  Let- 
tres chinoises,  1739,  5  vol.,  —  dann  1757  (in  Sp.  1760)  noch 
M6moires  secrets  de  la  r^publique  des  lettres,  ou  le  th^atre  de 
lav^rit^,  parl'auteur  des  Lettres  juives,  1737,  4  vol.  (1744,  7  vol.). 
Die  Oeuvres  du  marquis  d'Argens  1768,  24  vol.,  stehen  nicht  im 
Index.  —  Noch  unter  Benedict  XIV.  wurde  1757  verb.:  Les 
moeurs.  Respicere  exemplar  vitae  morumque.  Hör.,  Amst.  (Paris) 
1748,  431  S.  8.  Der  Verfasser  ist  nicht  Diderot,  sondern  der 
mit  diesem  liirte  Advocat  Franyois- Vincent  Toussaint  (er  nennt 
sich  in  dem  Buche  Panage),  gest.  zu  Berlin  1772.  Das  Buch  wurde 
schon  1 748  auf  Befehl  des  Parlaments  verbrannt.  Toussaint  schrieb 
Eclaircissement  sur  les  moeurs,  1762,  worin  er  gegen  den  Vorwurf 
des  Deismus  protestirt,  seine  Anhänglichkeit  an  die  Religion  be- 
theuert, deren  Pflichten  er  erfülle  und  in  der  er  seine  Kinder 
erziehe,  und  einiges  widerruft^). 

Aus  dem  1.  und  dem  4.  Bande  von  Buffons  Histoire  naturelle 
wollte  die  Sorbonne    1750    14    Sätze  censuriren;    Buifon    kam    der 


1)  Picot  2,  215;  4,  857.  Rocquain  p.  124.  Baumg.  2,  545.  Lettre 
de  M.  Toussaint,  auteur  du  livre  des  Moeurs,  destinee  ä  faire  voir  qu'un 
autre  n'est  pas  lui,    Leyde  1750.  ü.  N.  1752,  567. 


874  Irreligiöse  Schriften. 

CeDsurirung  durch  eine  Erklärung. vom  12.  März  1751  zuvor,  welche 
die  Sorbonne  zufriedenstellte  und  an  der  Spitze  des  7.  Bandes  ab* 
gedruckt  wurde  (Picot  2,  236).  1779  wollte  die  Sorbonne  die  1775 
erschienenen  Epoques  de  la  nature  censuriren;  Buffon  beschwichtigte 
sie  aber  nochmals  durch  eine  Erklärung  vom  18.  Mai  1780  (Picot 
3,  4;  Buffon  sagt:  Ich  habe  der  Sorbonne  ohne  Bedenken  alle  Er- 
klärungen gegeben,  die  sie  verlangte;  wer  anders  handelt,  ist  ein 
Narr.  Correspondant  107,  648).  Die  Indez-Congregation  und  die 
span.  Inq.  nahmen  von  Buffon  keine  Notiz,  ebensowenig  von  La- 
marck,  Telliamed  (de  Maillet,  Picot  2,  217)  u.  a.,  auch  nicht  von 
dem  deistisclien  Buche  Les  princesses  Malabares  ou  le  c6libat  phi- 
loBophique,  angeblich  von  Pierre  de  Longue,  welches  1734  vom 
Parlamente  verb.  wurde  (Picot  2,  133)  und  wogegen  Mosheim  eine 
eigene  Dissertation  schrieb  (Diss.  ad  bist.  eccl.  2,  659). 

Auch  ein  Italiener  ist  hier  zu  erwähnen:  Francesco  Algarotti, 
geb.  1712  zu  Florenz,  seit  1739  eine  Reihe  von  Jahren  am  Hofe 
Friedrichs  des  Grossen,  von  diesem  1740  in  den  Grrafenstand  erho- 
ben, —  die  Markgräfin  von  Bayreuth  nennt  ihn  einen  der  ersten 
Schöngeister  des  Jahrhunderts,  —  zuletzt  wieder  in  Italien,  f  1764 
zu  Pisa  (A.  D.  B.  1,  340).  Ein  von  ihm  schon  1736  zu  Paris  ver- 
fasstes  Buch,  Le  Newtonisme  pour  les  dames,  erschien  auch  in  ita- 
lienischer Uebersetzung :  II  Newtonianismo  per  le  dame,  ovvero 
dialogi  sopra  la  luce  e  i  colori,  Neapel  1737,  und  wurde  1739  verb. 
Lange  nach  dem  Verbote,  17.  Dec.  1754,  schreibt  Ganganelli  (Reu- 
mont  S.  162)  an  ihn:  „Was  kann  ein  unbedeutender  Philosoph,  ein 
Zögling  des  Scotus,  besseres  thuen  als  sich  die  Lehren  eines  Schrift- 
stellers zu  nutze  machen,  der  den  Newton  den  Damen  bekannt  ge- 
macht hat?  Eine  besonders  anziehende  Philosophie  muss  die  Ihrige 
sein,  der  Sie  einen  so  sanften  und  liebenswürdigen  Charakter  haben. 
Doch  bei  so  vielen  treftiichen  Eigenschaften  möchte  ich,  Sie  wären 
etwas  weniger  Newtonianer  und  etwas  mehr  Christ"  —  Nicht  im 
Index  steht  Alberto  Radicati,  Conte  di  Passerano,  der  während  des 
Streites  des  Königs  Victor  Amadeus  II.  von  Savoyen  mit  der  Curie 
für  jenen  Streitschriften  schrieb,  nachdem  König  und  Papst  sich  ver- 
tragen, an  die  Inquisition  ausgeliefert  werden  sollte  und  von.  dieser 
in  absentia  zum  Tode  verdammt  wurde,  nach  England  floh,  sich  mit 
CoUins  und  Tindal  befreundete  und  u.  a.  ein  Recueil  de  pieces  ou- 
rieuses  sur  les  mati^res  les  plus  interessantes,  Rot  1736,  schrieb 
(Cantü  3,  422). 

J.  C.  Dippel,  J.  Chr.  Edelmann  und  andere  deutsche  Freidenker 
stehen  nicht  im  Index. 

7.  Jean-Martin  de  Prades,  Priester  der  Diöcese  Montauban, 
Baccalaureus  der  Sorbonne,  vertheidigte  seine  These  18.  Nov.  1751, 
um  Licentiat  zu  werden.  Sie  war  mit  den  nöthigen  Approbationen 
gedruckt:  Hierusalem  coelesti.  Quaestio  theologica:  Quis  est  ille, 
cujus  in  faciem  Dens  inspiravit  spiraculum  vitae?  [Thise  soutenue 
en  Sorbonne  .  .  par  M.  J.-M.  de  Prades,  Pretre  .  .  .  Amst.  1752. 
91  S.  8.].  Nach  einigen  Tagen  wurde  sie  aber  von  dem  Dr.  Le  Rouge 
der  Facultät  denuncirt  und    von    dieser    15.  Dec.    für   condamnable 


J.  M.  de  Prades.  875 

erklärt  und  die  Promotion  suspendirt.  De  Prades  gab  22.  Dec. 
eine  Erklärung  ab,  er  habe  geirrt  u.  s.  w.  Die  Verhandlungen 
über  die  These  wurden  aber  fortgesetzt:  die  von  der  Facultät  er- 
nannte Commission  beantragte  3.  Jan.  1752  die  Censurirung  von  10 
Sätzen  ;  darüber  wurde  in  11  Sitzungen  von  146  Doctoren  gesprochen; 
27  Jan.  stimmten  105  für  die  Censurirung  der  Sätze,  83  für  die 
Ausschliessung  de  Prades'  von  dem  Licentiat.  Am  29.  Jan.  erliess  der 
Erzbischof  de  Beaumont  von  Paris  ein  Mandement  gegen  die  These, 
dann  aucb  die  Bischöfe  von  Montauban  jind  Auxerre,  und  unter  dem  22. 
März  1752  erliess  Benedict  XIV.  ein  Breve  (Bull,  o,  273),  worin 
Folium  quamplurimas  continens  theses,  quas  in  Sorbona  defendendas 
proposuit  J.  M.  de  Prades,  in  den  üblichen  Formen  verdammt  wird 
als  resp.  falsche,  .  .  .  gottlose,  der  Ketzerei  nahekommende,  ketze- 
rische und  die  Irrthümer  der  Deisten  und  Materialisten  begünstigende 
Sätze  enthaltend.  —  Die  in  Paris  censurirten  Sätze  betreffen  das 
Wefien  der  Seele,  den  Begriff  von  Gut  und  Böse,  den  Ursprung  der 
Gesellschaft,  die  Offenbarung;  besondern  Anstoss  erregte  die  Zu- 
sammenstellung der  Wunder  Christi  mit  denen  des  Aesculap.  Man 
sagte,  Diderot,  dem  de  Prades  einen  Artikel  für  die  Encyclopedie 
geliefert,  habe  die  These  redigirt;  wahrscheinlich  hat  der  Ahhi 
unter  seinem  Einfluss  die  anstössigen  Sätze  aufgenommen. 

De  Prades  ging  nach  Holland  und  wurde  im  Sommer  1752 
auf  Voltaire's  Empfehlung  La  Mettrie's  Nachfolger  als  Vorleser 
Friedrichs  des  Grossen.  In  Amsterdam  erschien  1752  eine  Apologie 
de  M.  Tabbe  de  Prades  in  3  Theilen,  der  3.  angeblich  von  Diderot^). 
Die  Gegenschriften  wurden  zusammen  gedruckt  in  La  religion  veng^e 
des  impi^t^s  de  la  Th^se  et  de  TApologie  de  Tabb^  de  Prades,  ou 
recueil  de  9  ecrits  contre  ces  deux  pieces,  Montauban  (Holland)  1764, 
500  S.  12.  (N.  E.  1754,  49).  —  Friedrich  IL  schlug  de  Prades 
1753  zum  Domdecan  in  Breslau  vor.  Der  Fürstbischof  Schaffgotsch 
schrieb  darüber  an  Benedict  XIV.  Dieser  beauftragte  den  Card. 
Tencin  als  Procurator  der  Sorbonne,  diese  darüber  zu  vernehmen, 
und  diese  empfahl,  nachdem  de  Prades  sich  ihrer  Censur  unter- 
worfen, ihn  der  Milde  des  Papstes,  falls  er  förmlich  retractire.  De 
Prades  unterzeichnete  im  J.  1754  eine  ihm  von  Kom  aus  über- 
sandte Retractation  und  wurde  wirklich  Domdecan,  t  1782  2). 


1)  Auch  Abbe  Claude  Yvon  (s.  u.)  wurde  ala  Verfasser  oder  Mit- 
arbeiter der  These  und  der  Apologie  bezeichnet,  lieber  de  Prades  s. 
Picot  2,  244.  Rocquain  p.  149.  N.  E.  1751,  208;  1752,  33.  Trinius 
S.  396. 

2)  Pieces  nouvelles  et  curieuses  sur  l'affaire  de  Pabbe  de  Prades, 
Par.  1754,  32  S.  12.  Theiner,  Zustände  der  kath.  Kiche  in  Schlesien,  1862, 
2,  134.  M.  Lehmann,  Preussen  und  die  kath.  Kirche  8,  460.  682.  Theiner 
bezeichnet  de  Prades  als  „geheimen  Verbündeten  der  Jansenisten  und  der 
mit  ihnen  verbündeten  Philosophen",  obschon  die  N.  E.,  das  Organ  der 
., Jansenisten/'  ihn  aufs  schärfste  bekämpften. 


876 


Berichtigangeii  nod  Nachträge. 

S.  29,  Note  1.  Vorher  veröffentlichte  James  A  Manuduction 
or  Introdnction  nnto  Divinitie:  containing  a  Confatation  of  Papists 
by  Papists,  throughont  the  important  Articles  of  our  Keligion;  their 
testimonies  taken  either  out  of  the  Indices  Expurgatorii,  or  out  of 
the  Fathers  and  ancient  Eecords,  bat  especially  the  Mannscript,  Ox- 
ford 1625,  144  S.  4.  MendhaiÄ,  Add.  Suppl.  p.  4. 

S.  109,  Z.  8  V.  n.  lies:  wnrde  1742  verb.,  steht  aber  erst 
seit  Ben.  im  Index. 

S.  128,  Z.  18  Y.  u.  Ein  ähnliches  Buch,  nach  Eypseler  n.  a. 
bearbeitet,  L'^tat  et  les  dSlices  de  la  Suisse,  ou  description  Helve- 
tique  historiqne  et  g^ogr.  .  .  .,  Amst.  1730,    wurde  1765  verb. 

S.  148,  Z.  7  V.  n.  Bern,  a  Bononia,  Biblioth.  scriptomm  Capuc, 
Ven.  1747,  verzeichnet  unter  Anonymus  sextus  Italus:  Librorum 
hebraicorum  liber  expnrgatorius,  in  quo  supra  480  Hebraeorum  libri 
ab  erroribuB  et  imprecationibus  contra  Christianos  expurgantur,  Man- 
tuae  1696,  als  handschriftlich  in  der  Yaticanischen  und  Barberi- 
nischen  Bibliothek  befindlich. 

S.  149,  Z.  8  V.  u.  Vir  tu  delU  150  salmi  di  David,  con 
l'espositione  di  molti  santi  padri,  verb.  1684. 

S.    170  Z.    6.   V.  0.  beizufügen:  J.  Th.  Sprenger,    Erotemata. 

S.  176,  Z.  3  V.  u.  Als  Montaigne  1580  nach  Bom  kam,  wurden 
ihm,  wie  er  in  dem  Journal  de  voyage,  1775,  I,  217;  11,  27.  59 
erzählt,  die  Bücher,  die  er  bei  sich  hatte,  zum  Zwecke  der  Revision 
weggenommen,  darunter  auch  die  eben  zu  Bordeaux  erschienenen 
zwei  ersten  Bücher  der  Essais.  Diese  wurden  ihm  nach  einigen 
Wochen  von  dem  Mag.  S.  Pal.  zurückgegeben  mit  der  Expurgation 
eines  französischen  Mönches,  den  der  Mag.  S.  Pal.,  selbst  des  Franzö- 
sischen unkundig,  mit  der  Revision  beauftragt  hatte.  Der  Mag.  S. 
Pal.  sagte  ihm  aber  später,  er  möge  diese  Censur,  die,  wie  ihm 
andere  Franzosen  gesagt,  mehrere  Dummheiten  enthalte,  nicht  beachten 
und  nur  bei  einer  neuen  Auflage  streichen,  was  er  selbst  trop  licen- 
tieux  finde,  namentlich  das  Wort  fortune. 

S.  236,  Z.  17  V.  u.  lieber  die  Anträge  auf  Dogmatisirung 
der  Himmelfahrt  Mariae  s.  Martin,  Omnium  Conc.  Vat.  docum.  coli, 
p.  106.     Friedrich,  Vat.  Concil  2,  221. 

S.  283,  Z.  9.  Schon  in  einem  Briefe  aus  Rom  von  1647  bei 
Sommervogel  p.  528  wird  Scotti  als  Verfasser  der  Monarchia  Soli- 
psorum  bezeichnet. 

S.  334,  Z.  3  beizufügen:  Augustae  1620,  34  S.  4.  Mendham, 
Suppl.  p.  27. 

S.  415  Z.  1  V.  u.  The  Lives  of  the  Saints  collected  from 
authentick  records  of  church  history,  with  a  füll  account  of  the 
other  festivals  throughont  the  year,  London  1729,  4  voL  4.,  ist 
nach  S.  Halkett  and  J.  Laing,  Dictionary,  von  Richard  Challoner 
(S.  864),  vielleicht  eine  Bearbeitung  von  A.  Baillets  Werk  (S.  552). 


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